Gespräche über
Heilsgewissheit
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Dialog 1: Herr Fleischliche Zuversicht
beim Autoren
Herr Fleischliche Zuversicht: Guten Tag, Herr Autor, ich möchte
mit Ihnen über Ihre Ausführungen über Heilsgewissheit
sprechen, die Sie in Ihrem Buch Was ist rettender Glaube?
veröffentlicht haben.
Der Autor: Nehmen Sie bitte Platz. Ich bin gern dazu bereit,
alles in meiner Kraft Stehende zu tun, um einer Hilfe suchenden
Seele zu dienen.
F.Z.: O, ich suche keine Hilfe; ich möchte mit Ihnen
reden, weil ich einige Dinge in Ihren Buch ansprechen möchte,
wo ich mir sehr sicher bin, dass Sie sich irren.
Autor: Es steht geschrieben, lieber Freund: Wenn jemand
meint, er habe etwas erkannt, so hat er noch nicht erkannt,
wie man erkennen soll (1Kor 8,2). Deshalb hoffe ich, dass
Gott mir stets die Gnade geben wird, die Ansichten anderer bereitwillig
zu prüfen und abzuwägen und dadurch womöglich
das zu empfangen, was er mir zeigen will. Doch andererseits
bin ich nicht bereit, mit jemanden über göttliche
Dinge zu debattieren.
F.Z.: Nun, ich bin mir sicher, dass ich Recht habe und Sie
Unrecht, und ich sehe es als meine Pflicht an, Ihnen dies zu
sagen.
Autor: Das ist sehr gut; ich bin bereit Ihnen zuzuhören,
möchte Sie nur noch einmal erinnern, dass ich mich auf
keine Debatte einlassen kann, denn die Dinge Gottes sind zu
heilig, als dass man darüber Wortstreit führen könnte.
Doch ein freundliches Gespräch in der rechten Gesinnung
kann für uns beide hilfreich sein. Bevor wir beginnen,
sollten wir die Hilfe Gottes suchen, dass er in seiner Gnade
unser beider Fleisch unterwerfe und unser Gespräch so leite,
dass die Worte aus unserem Mund und die Gedanken unserer Herzen
in Gottes Augen wohlannehmbar sein mögen (Psalm
19,14). Wir wollen ja bedenken, dass wir für jedes unnütze
Wort Rechenschaft ablegen müssen (Mt 12,36).
F.Z.: Ich denke, dass Sie in Ihrem Buch aus einer eigentlich
sehr simplen Sache eine äußerst schwierige und komplizierte
gemacht haben. Ihrer Auffassung nach muss ein Mensch zunächst
durch viele Schwierigkeiten gehen, um zu entdecken, ob er errettet
ist oder nicht. Wenn jedoch jemand Gottes Wort glaubt, kann
er augenblicklich sicher sein.
Autor: Aber sind denn alle, die Gottes Wort glauben, wirklich
errettet? Glaubten die Juden zur Zeit Jesu nicht klar an die
göttliche Autorschaft des Alten Testaments? Behaupten nicht
auch Zeugen Jehovas und dergleichen, an die göttliche Inspiration
der Bibel zu glauben? Glauben das nicht sogar die Dämonen?
F.Z.: Darum geht es mir nicht; ich meine dies: Wenn ich auf
einen Vers der Heiligen Schrift als Gottes Verheißung
an mich vertraue, dann weiß ich, dass er mich nicht enttäuschen
kann.
Autor: Das ist doch prinzipiell dasselbe: Vertraut nicht auch
der Katholik mit ganzer Zuversicht auf die Worte Christi: Dies
ist mein Leib? Rettender Glaube ist nicht Glaube an die
Echtheit irgendeines Bibelverses, sondern vielmehr Glaube an
die Person dessen, der uns die Bibel gab, Glaube an Christus,
der in der Bibel geoffenbart wird.
F.Z.: Ja, das weiß ich, und ich glaube an Gott und seinen
Sohn, und ich weiß, dass ich errettet bin, weil er es
sagt.
Autor: Wo in der Bibel sagt Gott, das Sie errettet sind?
F.Z.: In Johannes 5,24, in Apostelgeschichte 16,31 und vielen
anderen Stellen.
Autor: Schlagen wird diese Bibelstellen doch bitte einmal
auf. In Johannes 5,24 beschreibt der Herr Jesus jemanden, der
aus dem Tod in das Leben übergegangen ist.
Er sagt uns zwei Dinge über diese Person, die ihn ausweisen.
Erstens: Wer mein Wort hört. Das ist ausdrücklich
genug. Aber natürlich bedeutet das viel mehr, als nur mit
dem äußerlichen Ohr seinem Wort zuzuhören.
F.Z.: O, hier wollen Sie etwas mystifizieren, was eigentlich
simpel ist, und die Seelen mit etwas verwirren, was doch ganz
klar ist.
Autor: Entschuldigen Sie, da irren Sie sich. Ich möchte
nur die Worte, die Gott verwendet hat, richtig verstehen, und
dazu ist es nötig, Schriftstelle mit Schriftstelle zu vergleichen
und zu entdecken, wie der Heilige Geist jedes einzelne Wort
verwendet.
F.Z.: Dem widerspreche ich; das mag für Sie so sein,
aber gewöhnliche Menschen haben nicht die Muße für
so viel Studium. Gott weiß das und hat sein Wort in einfacher
Sprache geschrieben, damit das einfache Volk es verstehen kann.
Hören bedeutet hören, und mehr ist nicht
dabei.
Autor: Ich denke, Sie sagen das ganz aufrichtig und drücken
damit die Ansicht aus, die heute von sehr vielen vertreten wird.
Aber erlauben Sie mir zu sagen, dass das eine sehr falsche Auffassung
ist. Gott verleiht keinen Preis für Trägheit. Gott
hat die Dinge so verordnet, dass ohne Fleiß und Eifer
nichts erreicht wird. Auch in einen Garten muss man viel Arbeit
und Pflege investieren, um Ertrag von ihm zu gewinnen. Dasselbe
gilt überall: Welche Zeit und Mühe ist nötig,
um unseren Körper funktionstüchtig zu halten! Können
dann die ewigen Belange unsere Seelen leichtfertiger abgetan
werden oder lässt sich die Ewigkeit einfacher erlangen?
Hat Gott uns nicht aufgefordert: Kaufe Wahrheit
(Spr 23,23)? Hat er uns nicht klar gesagt: Wenn du um
Verstand betest und um Einsicht flehst, wenn du sie suchst wie
Silber und nach ihr forschest wie nach Schätzen, so wirst
du die Furcht des HERRN verstehen und die Erkenntnis Gottes
erlangen (Spr 2,3-5)?
Schauen Sie in 2. Mose 16, wie die Israeliten in der Wüste
ernährt wurden. Gott versorgte sie nicht mit gebackenen
Broten, die zum Verspeisen bereit waren. Nein, vielmehr gab
er ihnen Manna vom Himmel, das fein und körnig
war. (V. 14). Mühe und Geduld waren nötig, um es aufzusammeln
(V. 17). Beachten Sie auch: Wenn die Sonne heiß
wurde, so zerschmolz es (V. 21), sodass sie früh
aufstehen mussten, um es sicherzustellen! Außerdem war
das Manna nicht haltbar: Niemand lasse davon übrig
bis an den Morgen ... da wuchsen Würmer darin, und es ward
stinkend (V. 19.20), als sie versuchten, es für den
nächsten Tag aufzubewahren. Nachdem es dann gesammelt worden
war, musste es intensiv behandelt werden: Sie mahlten
es mit Handmühlen oder zerstießen es in Mörsern;
und sie kochten es in Töpfen, auch machten sie Kuchen daraus
(4Mo 11,8). All das veranschaulicht: Wenn eine Seele das Brot
des Lebens essen will, muss sie, wie der Herr Jesus sagte, mit
Hingabe wirken: Wirket ... für die Speise,
die da bleibt ins ewige Leben (Joh 6,27). Dieses Prinzip
gilt für das richtige Verstehen jedes Bibelverses: Man
muss sich Mühe geben, Geduld aufbringen und unter Gebet
intensiv studieren.
Doch kommen wir zu Johannes 5,24 zurück: Wer vom Tod
zum Leben hinübergegangen ist, wird von Christus beschrieben
als jemand, der mein Wort hört. Schlagen wir
nun andere Schriftstellen auf, wo dieser Ausdruck vorkommt:
Sie sind zurückgekehrt zu den Missetaten ihrer ersten
Väter, die sich geweigert haben, auf meine Worte zu hören
(Jer 11,10); Weil ihr auf meine Worte nicht gehört
habt, siehe, so sende ich hin und hole alle Geschlechter des
Nordens ... (Jer 25,8.9); siehe ferner Jeremia 35,17;
Sacharja 1,4; Matthäus 7,24; Johannes 10,27. In allen diesen
Versen und in vielen anderen, die ich anführen könnte,
bedeutet hören auf das zu hören, was Gott
sagt, ihm zu gehorchen und nach seinen Worten zu handeln. Daher
gilt: Wer die Stimme Christi hört, gehorcht
seinem Gebot, wendet sich von allem ab, was gegen Gott gerichtet
ist und unterwirft sich ihm.
F.Z.: Nun, kommen wir zu Apostelgeschichte 16,31; dieser Vers
ist nun wirklich einfach und eindeutig. Er lässt keinen
Raum für irgendwelche Ausflüchte. Gott sagt: Glaube
an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden. Gott
sagt das zu mir; ich habe mich zum Glauben an Christus entschieden
und deshalb muss ich errettet sein.
Autor: Nun mal langsam, lieber Freund. Wie können Sie
beweisen, dass Gott dies zu Ihnen sagt? Diese Aussage wurde
unter ungewöhnlichen Umständen getroffen und an eine
bestimmte Person gerichtet. Dieser Mensch war in tiefe Verzweiflung
gestürzt, er war zutiefst von seiner Sünde überführt,
er hatte schreckliche Seelenangst, er hatte seinen Platz im
Staub eingenommen, denn wir lesen, dass er zitternd vor
Paulus und Silas niedergefallen war (Apg 16,29). Kann
man nun mit Recht die Worte der Apostel nehmen und sie ohne
Unterschied auf jeden anderen anwenden? Tun wir Recht, wenn
wir den Vers aus seinem Zusammenhang reißen und ihn solchen
Menschen vorstellen, die nicht die Charakteristiken aufweisen,
die den Kerkermeister auszeichneten?
F.Z.: Ich lasse nicht zu, dass Sie mich einschüchtern
und mich von der Einfalt des Evangeliums abbringen. In Johannes
3,16 steht: Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er
seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt,
nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Nun, ich
glaube an den Sohn Gottes und deshalb bin ich völlig gewiss,
dass ich ewiges Leben habe.
Autor: Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass im selben
Evangelium steht: Als er aber zu Jerusalem war, am Passa,
auf dem Fest, glaubten viele an seinen Namen, als sie seine
Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich
ihnen nicht an, weil er alle kannte (Joh 2,23.24)?
Es gab viele, die an Christus glaubten, aber dennoch
nicht errettet waren; siehe dazu Johannes 8,30.59 und Johannes
12,42.43! Es gibt einen Glauben an Christus, der rettet, aber
es gibt auch einen Glauben an ihn, der nicht rettet. Deshalb
sollte jede aufrichtige und ernsthafte Seele fleißig ihren
Glauben an der Schrift prüfen und sich vergewissern, welcher
Glaube der ihrige ist. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass
etwas als selbstverständlich angenommen werden könnte.
Wenn es um das Sicherstellen des ewigen Schicksals geht, ist
sicherlich keine Mühe zu groß.
F.Z.: Ich habe Gewissheit, und niemand wird mich zum Zweifeln
bringen.
Autor: Haben Sie denn einen solchen Glauben, der Ihr Herz
reinigt (Apg 15,9)? Ist die Echtheit Ihres Glaubens an den Werken
erkennbar, die Gott erfordert (Jak 2,17)? Überwinden Sie
durch Ihren Glauben die Welt (1Jo 5,4)?
F.Z.: O, ich behaupte nicht, vollkommen zu sein, aber ich
weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass
er mächtig ist, mein anvertrautes Gut bis auf jenen Tag
zu bewahren (2Tim 1,12).
Autor: Ich fragte nicht, ob Sie vollkommen sind, aber sind
Sie zu einer neuen Schöpfung in Christus geworden, ist
das Alte vergangen und ist alles neu geworden (2Kor 5,17)? Wandeln
Sie auf dem Weg des Gehorsams? Denn Gottes Wort sagt: Wer
sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht,
ist ein Lügner, und in dem ist nicht die Wahrheit
(1Jo 2,4).
F.Z.: Ich blicke nicht auf mich selbst, sondern ich blicke
auf Christus; ich mache mir keine Sorgen über meinen Wandel,
sondern beschäftige mich mit dem, was er für arme
Sünder getan hat.
Autor: Auf Christus blicken ist ein sehr vager
Ausdruck. Blicken Sie auf seine Autorität, haben Sie sich
ihm als Herrn unterworfen, haben Sie sein Joch auf sich genommen,
folgen Sie dem Beispiel, das er seinem Volk hinterlassen hat?
Christus kann nicht zerteilt werden: Er ist nicht nur der Priester,
dem man sich anvertraut, sondern er ist auch der Prophet, auf
den man hören, und der König, dem man sich unterwerfen
muss. Bevor man ihn wirklich annehmen kann, muss
dass Herz von all jenen Götzen befreit werden, die ihm
den Rang streitig machen. Er will nicht so sehr die Verehrung
durch unsere Lippen, als vielmehr die Liebe unserer Seelen;
es geht nicht um ein theoretisches Zustimmen, sondern um das
Ausliefern des Herzens an ihn, der rettet.
F.Z.: Sie verlassen die Einfalt des Evangeliums; Sie fügen
der einzigen Bedingung des Evangeliums etwas hinzu. Gott verlangt
vom Sünder nichts anderes, als dass er an den Herrn Jesus
Christus glaubt.
Autor: Da irren Sie sich. Der Herr Jesus sagte: Tut
Buße und glaubt an das Evangelium! (Mk 1,15).
F.Z.: Das war vor dem Kreuz, aber in dieser Haushaltung ist
keine Buße erforderlich.
Autor: Dann hat Ihrer Ansicht nach Gott seinen Heilsplan geändert.
Aber darin irren Sie sich. Nach dem Kreuz beauftragte der Herr
Jesus seine Jünger, in seinem Namen Buße zur
Vergebung der Sünden zu predigen allen Nationen, anfangend
von Jerusalem (Lk 24,47). Wenn wir die Apostelgeschichte
aufschlagen, entdecken wir, dass die Apostel in dieser Haushaltung
Buße predigten. Am Pfingsttag forderte Petrus die Juden
auf: Tut Buße (Apg 2,38). Paulus erklärte
rückblickend auf seinen Dienst in Ephesus, dass er sowohl
Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben
an unseren Herrn Jesus Christus bezeugt hat (Apg 20,21),
während wir in 17,30 lesen, dass Gott jetzt den Menschen
gebietet, dass sie alle überall Buße tun sollen.
F.Z.: Meinen Sie also, wenn jemand keine Buße getan
hat, sei er nicht errettet?
Autor: Christ selbst sagt es: Wenn ihr nicht Buße
tut, werdet ihr alle ebenso umkommen (Lk 13,5). Wenn also
jemand nicht bekehrt ist, ist er noch unerrettet: So tut
nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden ausgetilgt
werden (Apg 3,19). Der Blick muss in die richtige Richtung gekehrt
werden, man muss sich vom Teufel ab- und Gott zuwenden, von
der Welt weg zu Christus hin, von der Sünde zur Heiligkeit.
Wo das nicht stattgefunden hat, wird aller Glaube der Welt nicht
retten. Christus rettet niemanden, der noch die Sünde liebt;
aber er ist bereit, jene zu retten, die sich ihrer Plage durch
die Sünde bewusst sind und sich sehnen, von ihrer abscheulichen
Verderbtheit gereinigt zu werden, die danach schmachten, von
ihrer tyrannischen Macht befreit zu werden. Christus kam auf
die Erde, um sein Volk von ihren Sünden zu retten.
F.Z.: Sie reden mit mir, als sei ich hilflos dem Alkohol oder
andern Dingen versklavt, aber ich möchte, dass Sie wissen,
dass ich niemals Opfer von etwas Derartigem war.
Autor: Im gefallenen Menschen gibt es noch andere Lüste
außer jenen, die in schweren äußeren Sünden
zum Vorschein kommen, wie z.B . Stolz, Habgier, Selbstsucht
und Selbstgerechtigkeit, und solange diese nicht abgetötet
werden, werden sie den Menschen genauso sicher in die Hölle
bringen wie Gotteslästerung, Unmoral oder Mord. Es reicht
auch nicht aus, diese ungezügelten Lüste abzutöten:
die Frucht des Geistes, die Gnadengaben der Gottseligkeit müssen
ebenfalls aus dem Herzen hervorkommen; denn es steht geschrieben:
Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne
die niemand den Herrn schauen wird (Hebr 12,14). Und deshalb
sind wir alle unbedingt verpflichtet, die göttliche Ermahnung
zu beherzigen: Prüft euch, ob ihr im Glauben seid,
untersucht euch! Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus
Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr etwa unbewährt
seid (2Kor 13,5).
Beachten Sie aufmerksam, lieber Freund, dass den Korinthern
dieser eine Punkt mit Nachdruck klargemacht wurde: Es kam darauf
an, ob Christus in euch ist, und nicht auf ihr Vertrauen
darauf, dass er für sie starb. Ein Christ kann nur feststellen,
ob sein Name vor Grundlegung der Welt im Buch des Lebens aufgeschrieben
wurde, indem er entdeckt, dass Gott sein Gesetz auf sein Herz
aufgeprägt hat (Hebr 10,16), und ebenso kann ich mich nur
vergewissern, dass Christus für mich starb, indem ich sicherstelle,
dass er jetzt in mir lebt. Und es ist offensichtlich: Wenn der
Heilige in mir wohnt, muss seine Gegenwart eine radikale Änderung
sowohl im Charakter als auch im Verhalten bewirkt haben. Das
ist das, was wir in unseren Kapiteln über Heilsgewissheit
allem voran deutlich machen wollten: die unbedingte Notwendigkeit,
sicherzustellen, dass der Herr Jesus in unserem Herzen auf dem
Thron sitzt, dass er den obersten Platz in unseren Zuneigungen
einnimmt und dass er über die Einzelheiten unseres Lebens
bestimmt. Solange das nicht der Fall ist, ist unser Bekenntnis
leer und all unser Gerede vom Vertrauen auf Jesu vollbrachten
Werk ist nichts als eitle Worte.
F.Z.: Ich betrachte alle Ihre Aussagen als nichts anderes
als Worte eines Pharisäers. Sie sind eingenommen von Ihrer
eigenen vermeintlichen Güte und rühmen sich Ihrer
eigenen wertlosen Gerechtigkeit.
Autor: Entschuldigen Sie, aber ich rühme mich vielmehr
dessen, was der Geist Christi an mir getan hat, und ich bete,
dass er dieses Werk der Gnade zur Ehre seines Namens fortsetzen
möge. Aber wir müssen unser Gespräch beenden.
Ich möchte Sie in aller Achtung bitten, auf die Ermahnung
zu hören, die sich an alle bekennenden Christen richtet:
Befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung
fest zu machen! (2Petr 1,10).
F.Z.: Ich werde nichts dergleichen tun; ich hasse das Wort
Erwählung. Ich weiß, dass ich errettet
bin, wenn ich auch nicht den unmöglichen Maßstab
erfülle, den Sie gern aufrichten möchten.
Autor: Leben Sie wohl, möge es dem Herrn gefallen, Ihre
Augen zu öffnen, Ihnen seine Heiligkeit zu offenbaren und
Sie in Gottesfurcht und Zittern zu seinen Füßen zu
bringen.
Dialog 2: Herr Demütiges Herz beim
Autoren
Herr Demütiges Herz: Guten Tag, Herr Autor. Darf ich
eine Stunde Ihrer wertvollen Zeit in Anspruch nehmen?
Autor: Kommen Sie herein und nehmen Sie Platz. Was kann ich
für Sie tun?
D.H.: Ich bin schmerzlich im Geist betrübt. Ich sehne
mich so danach, imstande zu sein, Gott meinen Vater zu nennen,
aber ich fürchte, ich mache mich des Lügens schuldig,
wenn ich das tue. Manchmal habe ich ein wenig Hoffnung, dass
er ein gutes Werk in mir begonnen hat, aber meistens finde ich
eine solche Menge von Verderbnis in mir am Werke, dass ich sicher
bin, dass ich niemals zu einer neuen Schöpfung in Christus
geworden bin. Mein Herz ist so kalt und hart gegenüber
Gott, dass es mir unmöglich erscheint, dass der Heilige
Geist Gottes Liebe in mein Herz ausgegossen haben könnte.
So oft werde ich von Unglauben und Zweifel beherrscht, dass
es anmaßend wäre zu meinen, dass ich den Glauben
der Auserwählten Gottes besitze. Doch ich möchte ihn
lieben, ihm vertrauen, ihm dienen; aber anscheinend kann ich
das nicht.
Autor: Ich bin sehr froh, dass Sie gekommen sind. Heute trifft
man solch aufrichtige Seelen wie Sie leider selten.
D.H.: Entschuldigen Sie, aber ich möchte nicht, dass
Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen. Ein aufrichtiges
Herz ist ja gerade der Segen, den ich ersehne, aber ich bin
mir schmerzlich bewusst, dass ich ein solches Herz nicht habe.
Mein Herz ist trügerisch über alles, und ich bin voller
Heuchelei. Ich habe Gott oft gebeten, mich zu heiligen, und
direkt danach zeigte mein Verhalten, dass ich nicht das gemeint
habe, was ich sagte. Ich habe Gott oft für seine Barmherzigkeiten
gedankt, und kurz darauf habe ich mich gegrämt und gemurrt,
wenn seine Vorsehung meinem Willen in die Quere kam. Ich musste
sehr darum ringen, heute zu Ihnen zu kommen. Die Frage war:
Suche ich wirklich Hilfe oder war es mein geheimer Wunsch, Ihre
Wertschätzung zu gewinnen; und ich bin auch jetzt nicht
sicher, welches mein wahres Motiv war.
Aber erlauben Sie mir, zum Punkt zu kommen: Ich habe ihre
Kapitel über Heilsgewissheit mehrmals gelesen. Einiges
daraus scheint mir ein wenig Trost zu geben, andere Dinge trieben
mich förmlich in Verzweiflung. Ihre Beschreibung einer
wiedergeborenen Seele stimmte manchmal mit meiner eigenen Erfahrung
überein, aber bisweilen schien ich so weit von diesen Maßstäben
entfernt zu sein wie der Nordpol vom Südpol. Deshalb weiß
ich nicht, wo ich stehe. Ich habe versucht, 2. Korinther 13,5
zu befolgen und mich selbst zu prüfen, und
wenn ich das tat, konnte ich nichts anderes sehen als nur eine
Menge von Widersprüchen, oder genauer gesagt: Auf jede
Übereinstimmung meines Zustand mit diesem Maßstab,
die auf eine Wiedergeburt schließen lässt, kamen
zehn Gegensätze, die das Gegenteil beweisen. Und nun gräme
ich mich Tag und Nacht, denn ich fühle mich als der schlechteste
aller Menschen.
Autor: Heuchler sind weder besorgt über ihre Motive noch
beunruhigt über die Falschheit ihrer Herzen! Jedenfalls
bin ich dankbar, dass Sie so tief besorgt über das ewige
Schicksal Ihrer Seele sind.
D.H.: O nein, ich bin nicht halb so besorgt, wie ich es sein
sollte. Auch das bereitet mir große Angst. Wenn der Herr
Jesus uns sagt, dass die Seele des Menschen mehr wert ist als
die ganze Welt zusammen (Mk 8,36), wird mir klar, dass ich vom
Teufel völlig verblendet und von der Sünde vollständig
beherrscht sein muss, da ich so sorglos bin. Es stimmt, dass
ich manchmal über meinen Zustand erschreckt bin und fürchte,
mich bald in der Hölle wiederzufinden; und manchmal suche
ich Gott ernsthafter und lese sein Wort fleißiger; aber
dann wird mir klar, dass meine Güte wie die Morgenwolke
ist und wie der Tau, der früh verschwindet (Hos 6,4).
Die Sorgen dieser Welt verdrängen schon bald wieder die
Gedanken an das künftige Leben. Ich wünsche mir so
sehr Echtheit statt Anmaßung; ich möchte sicher sein,
aber ich kann es nicht.
Autor: Das ist auch nicht so einfach, wie manche uns weismachen
wollen.
D.H.: Gewiss nicht. Ich habe mit mehreren Bibellehrern gesprochen,
aber nur festgestellt, dass sie nichts als Kurpfuscher
(Hi 13,4) sind. Ich habe mich auch mit Christen unterhalten,
die niemals einen Zweifel haben, wozu sie einfach auf Apostelgeschichte
16,31 verweisen. Wenn ich ihnen dann sagte, dass ich auch glaube,
dann riefen sie Frieden, Frieden - aber da war kein
Frieden in meinem Herzen (Jer 8,11).
Autor: Ja, lieber Freund, Gott fordert uns nicht ohne Grund
auf: Befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und
Erwählung fest zu machen! (2Petr 1,10). Und auch
nachdem wir diesen Fleiß aufgewendet haben, brauchen wir
den Heiligen Geist, denn er bezeugt zusammen mit unserem
Geist, dass wir Kinder Gottes sind (Röm 8,16). Außerdem
kann geistliche Heilsgewissheit leicht wieder verloren gehen
oder zumindest beeinträchtigt werden. Das wird am Beispiel
Davids deutlich, der einst den 23. Psalm schrieb, später
jedoch zu Gott flehte: Lass mir wiederkehren die Freude
deines Heils (Ps 51,14).
Sollen wir nicht lieber, bevor wir fortfahren, die Hilfe
des Herrn erbitten? Sein heiliges Wort sagt: Auf all deinen
Wegen erkenne nur ihn, dann ebnet er selbst deine Pfade!
(Spr 3,6). Und nun lieber Bruder - denn ich bin sicher, dass
Sie ein Bruder sind -, was veranlasst Sie am meisten zu bezweifeln,
dass Sie vom Tod zum Leben hinübergegangen sind?
D.H.: Meine inneren Erfahrungen, die Verderbtheit meines Herzens,
die Niederlagen, die ich täglich erlebe.
Autor: Vielleicht meinen Sie, schon im Fleisch vollkommen
sein zu müssen.
D.H.: Nein, wohl kaum, denn ich weiß, dass das Fleisch
oder die alte Natur dem Christen immer noch anhaftet. Aber ich
habe Christen kennen gelernt, die behaupten, ein siegreiches
Leben zu führen und angeblich niemals Zweifel haben
und niemals Zorn, Unzufriedenheit oder böse Gefühle
und Wünsche in ihnen aufsteigen. Angeblich sind sie so
von Christus beherrscht, dass sie allezeit ungetrübten
Frieden und reine Freude genießen.
Autor: Sehen Sie es mir nach, wenn ich mich unmissverständlich
ausdrücke, aber solche Leute sind entweder vom Teufel hypnotisiert
oder sie sind schlimme Lügner. Gottes Wort sagt: Wenn
wir sagen, dass wir keine Sünde haben, betrügen wir
uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns (1Jo 1,8).
Und: Kein Mensch auf Erden ist so gerecht, dass er nur
Gutes täte und niemals sündigte (Pred 7,20).
Und wiederum: Wir alle straucheln oft (Jak 3,2).
Der geliebte Apostel Paulus erklärte noch als reifer Christ:
Ich finde also das Gesetz, dass bei mir, der ich das Gute
tun will, nur das Böse vorhanden ist. Denn ich habe nach
dem inneren Menschen Wohlgefallen am Gesetz Gottes. Aber ich
sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines
Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter
das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist
(Röm 7,21-23).
D.H.: Das erleichtert mich ein wenig, aber es trifft nicht
die Wurzel meines Problems. Was mich so sehr betrübt, ist
dieses: Wenn Gott an einem Menschen die Wiedergeburt bewirkt,
wird dieser zu einer neuen Schöpfung in Christus Jesus:
die an ihm bewirkte Veränderung ist so enorm, dass sie
beschrieben wird als ein Hinübergehen vom Tod zum
Leben. Wenn Gott, der Heilige Geist, in einem Menschen
wohnt, muss offenbar ein gravierender Unterschied zum vorherigen
Zustand entstehen. Und diesen Unterschied finde ich in mir nicht.
Anstatt festzustellen, dass ich irgendwie besser wäre als
vor einem Jahr, merke ich, dass ich sogar noch schlimmer bin.
Anstatt dass mein Herz voller Demut ist, wird es so oft von
Stolz beherrscht; anstatt dass ich mich in Gottes Hände
füge wie der Ton in die Hand des Töpfers, bin ich
wie ein Wildesel; anstatt mich stets am Herrn zu freuen, bin
ich immer wieder von Bitterkeit und Hader erfüllt.
Autor: Solche Erfahrungen sind tatsächlich sehr traurig
und demütigend, und wir müssen sie vor Gott bedauern
und bekennen. Wir dürfen solche Zustände niemals leichtfertig
abtun oder darüber hinweggehen. Dennoch sind sie nicht
unvereinbar mit echtem Christsein. Vielmehr gibt es viele biblische
Beweise dafür, dass jemand, der durch solche Erfahrungen
vertraut ist mit der Plage seines Herzens (1Kö
8,38), jemand ist, der die Erfahrungen der berühmtesten
Gläubigen teilt. Abraham erkannte an, Staub und Asche
zu sein (1Mo 18,27). Hiob sagte: Ich verabscheue mich
(Hi 42,6). David betete: Sei mir gnädig, HERR, denn
ich bin welk; heile mich, HERR, denn meine Gebeine sind bestürzt
(Psalm 6,2). Jesaja rief aus: Wehe mir, denn ich bin verloren.
Denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich (Jes 6,5). Jeremia
fragte in der Angst seines Herzens: Wozu nur bin ich aus
dem Mutterleib hervorgekommen? Um Mühsal und Kummer zu
sehen? Und dass meine Tage in Schande vergehen? (Jer 20,18).
Daniel bekannte einmal: Es blieb keine Kraft in mir, und
meine Gesichtsfarbe veränderte sich an mir bis zur Entstellung,
und ich behielt keine Kraft (Dan 10,8). Paulus rief aus:
Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe
des Todes? (Röm 7,24).
Eines der wichtigsten Unterschiede zwischen einem Wiedergebornen
und einem Unerretteten kann man vergleichen mit zwei Zimmern,
bei denen in beiden nicht staubgewischt ist; durch das Fenster
des einen scheint das Sonnenlicht und der andere ist durch Jalousien
verdunkelt. In dem Zimmer, das vom Sonnenlicht durchleuchtet
wird, sieht man den Staub auf den Möbeln liegen. Bei dem
anderen geht man durchs Zimmer, ohne seinen wahren Zustand zu
erkennen. So ist es auch bei jemanden, der durch den Heiligen
Geist erneuert ist: Seine Augen sind geöffnet worden, sodass
er sehen kann, welch schrecklicher Schmutz in jedem Winkel seines
Herzens steckt. Doch der Unerrettete hat zwar manchmal ein beklommenes
Gewissen, wenn er etwas falsch gemacht hat, doch im Großen
und Ganzen weiß er nicht, dass er in den reinen Augen
des dreifach heiligen Gottes eine einzige Ansammlung von Schmutz
ist. Es stimmt: Ein natürlicher Mensch kann die Lehre der
völligen Verdorbenheit gelernt haben und kann sogar daran
glauben, aber sein Glaube hat ihn weder gedemütigt
noch sein Herz mit Sorge erfüllt. Er verabscheut sich nicht
selbst und ist sich nicht im Klaren, dass die Hölle der
einzige Ort ist, der ihm als ewige Wohnstätte gebührt.
Doch bei jemanden, der in Gottes Licht das Licht sieht (Ps 36,10),
ist es ganz anders: Er wird nicht so schnell seine Augen zum
Himmel erheben, sondern sich an seine aussätzige Brust
schlagen und flehen: Gott sei mir, dem Sünder, gnädig
(Lk 18,13).
D.H.: Wären Sie so freundlich und würden noch etwas
über die positive Seite sagen, und mir kurz beschreiben,
was einen echten Christen charakterisiert?
Autor: Jeder wahre Christ hat, unter anderen Gnadengaben,
ein Mindestmaß an Erkenntnis Gottes in Christus und an
Werken der Liebe. Diese Gnadengaben motivieren ihn, ernsthaft
nach dem Willen Gottes zu suchen und Gottes Wort zu studieren,
um diesen Willen zu erfahren. Er hat den aufrichtigen Wunsch
und bemüht sich ernstlich, im Glauben zu leben und ihn
zu praktizieren.
D.H.: Ich kann mich meiner Erkenntnis Gottes in Christus nicht
rühmen, doch durch die Gnade Gottes kann ich dieses sagen:
Ich ersehne keinen anderen Himmel auf Erden, als Gottes Willen
zu kennen und zu tun, und gewiss zu sein, dass ich sein Wohlwollen
habe.
Autor: Das ist in der Tat ein gutes Zeichen dafür, dass
Ihre Seele wirklich erneuert worden ist, und zweifellos wird
der, der ein Werk der Gnade an Ihrem Herzen begonnen hat, diese
große Veränderung in Ihrem Leben und Handeln offenbar
machen. Was ein Unerretteter auch denken und sagen mag, so wird
er niemals wirklich wünschen, ein Gott wohlgefälliges
Leben zu führen.
D.H.: Gott bewahre, dass ich mir selber schmeichle, aber ich
hoffe, oft Freude daran zu haben, wenn ich Gottes Wort lese
oder verkündigt höre, und ich sinne ernstlich darüber
nach und wünsche mir, in der Gnade zu wachsen.
Doch manchmal werde ich von nichtigen und bösen Gedanken
versucht, und ich muss kämpfen, um sie zu verbannen und
muss mein Herz gegen sie richten, aber manchmal gebe ich ihnen
nach. Ich verabscheue es, zu lügen und zu fluchen, und
kann nicht die Gemeinschaft solcher ertragen, die praktische
Gottesfurcht hassen. Doch wenn ich mich von ihnen absondere,
scheint das nichts als pharisäische Heuchelei zu sein,
da ich selber ein so miserabler Versager bin. Ich bitte Gott,
mich aus Versuchungen zu retten und mir Gnade zu geben, dem
Teufel zu widerstehen. Aber ich fürchte, bei ihm kein Gehör
zu finden, denn ich werde öfter von Sünde und Teufel
überwältigt, als dass ich Sieg über sie habe.
Autor: Wenn Sie so versagen oder in Sünde fallen, was
denken Sie dann von sich selbst und Ihrem Verhalten? Wie wirkt
sich das auf Sie aus?
D.H.: Wenn ich in diesem beklagenswerten Zustand bin, ist
meine Seele betrübt und die Freude und der Frieden meines
Herzens sind dahin. Doch wenn ich ein wenig von dieser sündigen
Lethargie genesen bin, zerfließt mein Herz vor Besorgnis
über meine Torheit, und ich wende mich in großer
Furcht und Beschämung an Gott und bitte ihn unter Berufung
auf 1. Johannes 1,9 mir zu vergeben und flehe ihn an, einen
festen Geist in mir zu erneuern.
Autor: Und warum sind Sie so betrübt, wenn Sie von Sünde
überwältigt werden?
D.H.: Weil ich wirklich dem Herrn gefallen möchte, und
es ist mein größter Kummer, wenn ich sehe, dass ich
ihn verunehrt und betrübt habe. Seine Gnade hat mich bisher
vor offenen und offenkundigen Sünden bewahrt, aber es gibt
so viel in mir, von dem ich weiß, dass er es hasst.
Autor: Nun, mein lieber Bruder und Gefährte auf dem Weg
der Trübsale - Gott hat verordnet, dass das Passahlamm
mit bitteren Kräutern gegessen werden sollte
(2Mo 12,8). So war es auch bei Paulus: ... als Traurige,
aber allezeit uns freuend (2Kor 6,10) ist eine Zusammenfassung
seiner zweifachen Erfahrung: Er trauerte über sein sündiges
Versagen in Form von Tat- und Unterlassungssünden, doch
freute er sich über die Vorkehrungen, die die Gnade Gottes
für uns getroffen hat, solange wir in dieser trostlosen
Wüste leben: der Gnadenthron, zu dem wir stets Zugang haben
dürfen und zu welchem wir freimütig hinzutreten und
unsere beladenen Herzen ausschütten können, die Quelle
gegen Sünde und Befleckung, die für uns geöffnet
wurde (Sach 13,1) und an der wir uns reinigen dürfen. Ich
bin wirklich dankbar zu hören, dass Ihr Gewissen das bestätigt,
was Ihre Zunge bekannt hat. Sie haben zur Genüge zum Ausdruck
gebracht, dass der Heilige Geist ein gutes Werk an Ihrer Seele
begonnen hat. Aber ich hoffe, dass Sie auch an den Herrn Jesus
als Mittler glauben, durch den allein ein Sünder Gott nahen
kann.
D.H.: Durch die Gnade Gottes wünsche ich mir, den Herrn
Jesus zu den Bedingungen anzuerkennen und anzunehmen, zu denen
er im Evangelium verkündet wird: all seiner Belehrung als
mein Lehrer zu glauben, auf das Sühneopfer, das er als
großer Hoherpriester darbrachte, zu vertrauen und davon
abhängig zu sein, und sich seiner Herrschaft als König
zu unterwerfen. Doch bei letzterem Punkt muss ich leider bekennen:
Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen
des Guten nicht (Röm 7,18).
Autor: Kein Christ erreicht dieses Ideal jemals in seinem
Leben; niemals erlangt er diese Vollkommenheit, die Gott uns
in seinem Wort vorstellt und für die wir im Leben Jesu
ein so glorreiches Beispiel haben. Selbst der Apostel Paulus
musste gegen Ende seines Lebens sagen: Nicht, dass ich
es schon ergriffen habe oder schon vollendet bin; ich jage ihm
aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, weil ich auch
von Christus Jesus ergriffen bin (Phil 3,12). Doch darf
ich fragen, wie Sie zu den erwähnten guten Wünschen
gekommen sind? Meinen Sie, dass eine solche Veranlagung Ihnen
von Natur angeboren sei oder dass sie aus Förderung Ihrer
Fähigkeiten resultiert?
D.H.: Nein, Herr Autor, ich schreibe doch nicht das meiner
Natur zu, was die Wirkung und Frucht der Gnade Gottes ist! Wenn
ich in irgendeinem Maße geheiligt bin (wonach ich mich
sehne), dann kann das nur durch die Gabe und das Wirken Gottes
geschehen sein. Dafür kenne ich mein verdorbenes Ich zu
gut und weiß, dass ich von Natur aus nur für Nichtigkeit
und Sünde leben würde. Ich wäre tot für
Gott und für alles wirklich Gute, meine Seele wäre
von Torheit ergriffen und mein Verstand von Finsternis umhüllt.
Von Natur bin ich gänzlich außerstande, das zu wollen
oder zu tun, was Gott wohlgefällt, und mein natürliches
Herz ist dem biblischen Weg des Heils abgeneigt. Ich sehe, ich
weiß, ich merke, dass in mir, das ist in meinem
Fleisch, nichts gutes wohnt (Röm 7,18).
Autor: Dann sind Sie sich darüber im Klaren, was geschehen
würde, wenn Gott Sie sich selbst überließe?
D.H.: Ja, in der Tat. Ohne die Hilfe seines Heiligen Geistes
würde ich im Glauben sicherlich Schiffbruch erleiden. Mein
tägliches Gebet ist: Stütze mich, dass ich gerettet
werde (Ps 119,117). Ich wünsche ernstlich, dass ich
mich vor jeder Versuchung hüte. Nichts fürchte ich
mehr, als abzufallen, meine Pflicht zu versäumen und zurückzukehren,
um mich im Dreck zu suhlen.
Autor: Das sind alles klare Anzeichen für die rettende
Gnade Gottes, die in Ihnen wirkt. Ich bitte Gott, damit fortzufahren,
damit Sie mit einem zarten Gewissen bewahrt bleiben, Ihr eigenes
Heil bewirken mit Furcht und Zittern (Phil 2,12) und eine
volle Gewissheit von Gottes Liebe zu Ihnen erlangen.
D.H.: Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Geduld und Hilfe.
Was Sie gesagt haben, erleichtert mein Herz, aber ich möchte
daheim unter Gebet darüber nachdenken, denn ich wage nicht,
bloßes Menschenwort anzunehmen. Ich möchte, dass
Gott selbst zu meiner Seele spricht: Ich bin deine Rettung!
(Ps 35,3). Würden auch Sie bitte beten, dass es ihm gefalle,
so zu tun?
Autor: Sie werden sicherlich einen Platz in meinen schwachen
Fürbitten haben. Der Herr möge Ihnen reichlich seine
Gnade gewähren.
Dialog 3: Der Autor bei Bruder Demütiges
Herz
Autor: Guten Tag, werter Freund Demütiges Herz.
D.H.: Guten Tag, Herr Autor. Das ist eine angenehme Überraschung,
denn ich hätte nicht erwartet, dass Sie mich besuchen würden.
Autor: Wie ich versprochen habe, habe ich mich bemüht,
am Thron der Gnade an Sie zu denken, und während ich heute
morgen betete, kamen mir die Worte in den Sinn: Darum
richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten
Knie (Hebr 12,12). Ich war beeindruckt von dem wunderschönen
prophetischen Bild Christi in Jesaja 40,11: Er wird seine
Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen
Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden
Muttertiere wird er fürsorglich leiten. Der Heiland
widmet sich in seiner Fürsorge und Liebe besonders den
Schwachen der Herde und hat uns darin ein Beispiel hinterlassen,
welches seine Unterhirten befolgen sollen.
D.H.: Das ist sehr freundlich von Ihnen, sich um eine so armselige,
wertlose Kreatur zu kümmern wie ich es bin. Ich hätte
gedacht, Sie könnten Ihre Zeit besser nutzen, wenn Sie
solchen dienen, die die Wahrheit rasch auffassen können
und schnell darin wachsen, aber ich bin so unbegabt und voller
Zweifel und Ängste, dass ich denke, Sie verschwenden mit
mir nur Ihre Zeit.
Autor: Nein, mein Freund, nicht alles, was glänzt, ist
Gold. Die meisten von denen, die die Wahrheit schnell
auffassen, tun das nur mit dem Verstand und geben der
Wahrheit keine Macht über ihre Herzen. Und jene, die so
schnell wachsen, wachsen zu schnell, als dass es echt
oder von irgendeinem geistlichen Wert sein könnte. Wahrheit
muss gekauft werden (Spr 23,23): gekauft durch regelmäßiges
Nachsinnen darüber, durch Aneignen, tiefe Gewissensübungen,
durch Ringen mit Gott im Gebet, damit er die Wahrheit in Macht
auf unsere Seelen anwendet.
D.H.: Ja, das leuchtet mir ein, aber es lässt mich erschaudern,
weil auf meinem Herzen Gottes Wort noch nicht aufgeschrieben
worden ist. Ich habe mehrfach über alles nachgedacht, was
Sie bei unserem letzten Gespräch gesagt haben, und ich
bin sicher, dass ich nicht wiedergeboren bin.
Autor: Wie kommen Sie zu einer solchen Schlussfolgerung?
D.H.: Wenn ich wiedergeboren wäre, würde der Heilige
Geist in mir wohnen, und dann würde er seine Frucht in
meinem Herzen und Leben hervorbringen. Es steht geschrieben:
Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede,
Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit
(Selbstbeherrschung) (Gal 5,22-23); und bei meiner Selbstprüfung
habe ich in mir genau das Gegenteil dieser himmlischen Gnadengaben
gefunden.
Autor: Gottes Gnadenwirkungen haben viel gemeinsam mit seinem
Handeln im natürlichen Bereich, und wenn wir letztere gut
beobachten, können wir viel über erstere lernen. In
der Natur entsteht Frucht oft nur sehr langsam. Schauen Sie
sich im Winter die Bäume an, wie sehen sie aus? Sie sind
leblos und erscheinen wie abgestorben. Doch das sind sie nicht,
der Lebenssaft ist immer noch in ihren Wurzeln, auch wenn wir
keine Anzeichen dafür erkennen. Aber in einiger Zeit, wenn
die Sonne wieder etwas mehr Wärme spendet, werden diese
Bäume in voller Blüte stehen. Ein paar Tage später
sind diese schönen Blüten verschwunden, vom Winde
verweht. Aber wenn man näher hinschaut, sieht man, dass
anstelle der Blüten nun kleine grüne Knospen von den
Zweigen sprießen. Viele Wochen müssen vergehen, bis
der Besitzer jener Bäume verfolgen kann, wie sich diese
Knospen zu reifenden Früchten entwickeln.
In unseren Gärten können wir eine weitere Lektion
lernen. Von Gemüsegärten und Obstbäumen lernen
wir, dass Geduld nötig ist: man muss mit Enttäuschungen
rechnen und diese überwinden. Man hat ein Beet sorgfältig
kultiviert und die Saat im Boden platziert. Später geht
die Saat auf und die Pflanzen kommen zum Vorschein, und aus
ihnen wachsen die Blüten hervor. Doch rundherum sprießt
auch viel Unkraut auf. Der unerfahrene Gärtner hat damit
nicht gerechnet und wird leicht entmutigt. Bevor er den fruchtbaren
Samen säte, meinte er, er hätte sorgfältig alle
Nesseln, Disteln und störenden Unkräuter samt ihren
Wurzeln entfernt, aber nun wuchert auf dem Beet mehr Unkraut
als Fruchtpflanzen. So ist es auch mit dem Herzen des Christen.
Obwohl dort der unverwesliche Same des Wortes Gottes eingepflanzt
wurde (1Petr 1,23), wird doch das Herz - das über all die
Jahre des unerretteten Zustands verwahrloste - von Unkraut überwuchert
(die Lüste des Fleisches). So sieht es für das geistliche
Auge mehr nach einer Unkraut-Attacke des Teufels
aus (Mt 13,25) als nach königlichen Wonnegärten
(Hl 4,13).
D.H.: Ihre Beschreibung des natürlichen Bereichs leuchtet
mir ein, aber die geistliche Anwendung verstehe ich nicht. Vermindert
Ihre letzte Illustration nicht das Werk und die Macht des Heiligen
Geistes? Sie haben in Ihrem Buch oft zitiert, dass der Herr
Jesus die Seinen von ihren Sünden errettet
(Mt 1,21); wie kann sich dann jemand als errettet betrachten
und sich gleichzeitig bewusst sein, dass noch viele Sünden
Macht über ihn haben?
Autor: Ich bin froh, dass Sie diesen Punkt ansprechen, denn
viele echte Christen sind deswegen oft betrübt. Was das
Werk und die Macht des Heiligen Geistes betrifft: Hier verschaffen
die verschiedenen Begriffe Klarheit, die Gott in seinem Wort
dafür verwendet. Beispielsweise lesen wir in 2. Korinther
1,22 (vgl. Eph 1,13.14), dass Gott das Unterpfand des
Geistes in unsere Herzen gegeben hat. Ein Unterpfand ist
nun nicht das Ganze, sondern nur ein Teil davon, eine Anzahlung
sozusagen. Die Fülle der Macht und des Segens des Heiligen
Geistes wird in diesem Leben keinem Christen zuteil. So lesen
wir es auch in Römer 8,23: ... auch wir selbst, die
wir die Erstlingsgabe des Geistes haben - damit ist ein
Pfand gemeint, ein Auszug und Teil künftiger größerer
Fülle.
Ich möchte Sie noch auf die Wort aufmerksam machen,
die unmittelbar in dem gerade zitierten Vers folgen: wir
selbst seufzen in uns selbst. Das ist sehr aufschlussreich,
denn dasselbe sehen wir in 2. Korinther 5,4.5. Diejenigen, in
denen der Heilige Geist wohnt, seufzen! Es stimmt,
dass auch die Unerretteten manchmal seufzen: z.B. wenn sie unter
großen körperlichen Schmerzen oder einem schweren
Verlust leiden, aber das Seufzen des Christen wird
von etwas ganz anderem verursacht: Er seufzt über die Überreste
der Verdorbenheit, die ihm immer noch anhaften, über das
Fleisch, das so oft erfolgreich gegen den Geist aufbegehrt und
darüber, dass er um sich herum so viel sieht, was Christus
verunehrt. Das wird deutlich aus Römer 7,24 und dem dortigen
Zusammenhang, sowie aus Philipper 3,18 und vielen anderen Schriftstellen.
D.H.: Aber erst vor ein paar Tagen verwies ich jemanden auf
diese Bibelstellen, den ich für einen vorbildlichen Gläubigen
halte, und er sagte mir, er habe schon lange Römer
7 hinter sich gelassen und lebe nun in Römer
8.
Autor: Aber wir haben ja gesehen, dass der Christ in Römer
8 seufzt (V. 23)!
D.H.: Der besagte Christ lachte über meine Zweifel und
Ängste und sagte mir, dass ich Gott verunehre, indem ich
auf den Teufel höre.
Autor: Es ist sehr zu befürchten, dass ihm die Herzensübungen
völlig fremd sind, durch die jede wiedergeborene Seele
geht, und dass er nichts von dieser Herzensangst und Seelenqual
weiß, die auf dem Weg zu geistlicher Heilsgewissheit stets
durchlebt werden müssen. Der Herr Jesus hat niemals über
furchtsame Seelen gelacht, sondern gesagt: Selig sind
die Trauernden. Offenbar versteht Ihr Bekannter Ihre Situation
nicht.
D.H.: Aber wollen Sie damit sagen, dass alle Kinder Gottes
sich in ihrer Seele so elendig fühlen wie ich?
Autor: Nein, das will ich nicht sagen. Der Heilige Geist gibt
weder immer allen Gläubigen gleich viel Licht über
die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde,
noch offenbart er allen das Vollmaß ihrer inneren Verdorbenheit.
Außerdem: So wie Gott verschiedene Jahreszeiten verordnet
hat, so ergeht es keinem wahren Christen immer gleich in seiner
Seele; es gibt sonnige Frühlingstage und düstere Herbstzeiten,
sowohl im natürlichen als auch im geistlichen Bereich.
Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende
Morgenlicht, heller und heller erstrahlt es bis zur Tageshöhe
(Spr 4,18). Und dennoch gilt: Wir müssen durch viele
Bedrängnisse in das Reich Gottes hineingehen (Apg
14,22). Beides ist wahr, obgleich wir uns nicht immer beider
Wahrheiten bewusst sind.
D.H.: Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein wahrer
Christ jemals so geplagt wurde wie ich: so oft von einem Geist
der Rebellion geplagt, von Unglauben, Stolz, niederträchtigen
Gedanken und Begierden, die zu nennen ich mich schämen
würde.
Autor: Nun, lieber Bruder, nur wenige unerrettete Seelen wären
ehrlich genug, um so etwas zuzugeben. Allein die Tatsache, dass
Sie diese inneren Wirkungen der Sünde als Plage empfinden,
beweist, dass Sie wiedergeboren sind. In Ihnen gibt es ein Prinzip
bzw. eine Natur der Heiligkeit, die alles Unheilige verabscheut.
Das ist es, was den Christen seufzen lässt,
dennoch führt ihn das in Gemeinschaft mit den Leiden Christi.
Während seines Lebens auf der Erde war der Herr Jesus der
Mann der Schmerzen (Jes 53,3), und diese Schmerzen
wurden ihn durch Sünde zugefügt - nicht durch eigene,
denn er war ohne Sünde und kannte keine Sünde, sondern
durch die Sünden anderer. Das ist ein Grund, weshalb Gott
die sündige Natur auch nach der Wiedergeburt noch in den
Gläubigen bestehen lässt: damit sie durch Seufzen
unter der Sünde ihrem leidenden Herrn gleichgestaltet werden.
D.H.: Aber wie ist das damit vereinbar, dass der Herr Jesus
die Seinen von ihren Sünden errettet?
Autor: Matthäus 1,21 widerspricht in keiner Weise dem,
was ich gerade erklärt habe. Christus rettet die Seinen
von der Schuld und der Strafe ihrer Sünden, weil diese
Schuld und Strafe in seinem stellvertretenden Tod auf ihn gelegt
wurde und er sie erlitten hat. Er rettet uns auch von der Verunreinigung
der Sünde: Sein Geist bewirkt in uns, dass wir unsere Sünden
sehen, darüber seufzen, sie bekennen und das kostbare Blut
Jesu dafür in Anspruch nehmen. Wenn das im Glauben geschieht,
wird das Gewissen gereinigt. Christus rettet uns auch vor der
beherrschenden Macht der Sünde, sodass der Gläubige
nicht mehr der völlige Sklave der Sünde und des Teufels
ist. Außerdem liegt die Erfüllung dieser Verheißung
(wie vieler anderer) zum Teil noch in der Zukunft: Die Zeit
wird kommen, wenn der Herr Jesus sein Volk völlig von der
Gegenwart der Sünde errettet, sodass sie nie wieder etwas
mit ihr zu tun haben werden.
D.H.: Wo wir bei diesem Thema sind - könnten Sie mir
erklären, was die Aussage bedeutet: Die Sünde
wird nicht über euch herrschen (Röm 6,14)?
Autor: Gern. Schauen wir zuerst, was dieser Vers nicht sagt:
Es heißt nicht: Die Sünde wird euch nicht mehr
bedrängen oder heimsuchen, und nicht: Die Sünde
wird euch nicht zu Fall bringen und niemanden mehr versagen
lassen. Wenn das dort stünde, müsste jeder Christ
verzweifeln. Über etwas herrschen bezeichnet
die rechtmäßige Befehlsgewalt, die Berechtigung,
jemandem etwas zu befehlen, so wie die Eltern das Recht haben,
ihren Kindern vorzuschreiben, was sie tun und lassen sollen,
oder wie ein Land ein anderes beherrscht, welches es im Krieg
erobert hat. Die Sünde hat keine solche rechtmäßige
Herrschaft mehr über den Christen: Jetzt ist allein der
Herr Jesus Christus sein rechtmäßiger Herr. Doch
die Sünde rebelliert oft und beansprucht wiederum Befehlsgewalt
über uns, doch auch in der Erfahrung hat sie keine völlige
Herrschaft über uns. Sie kann keinen Christen zum Abfallen
bringen, d.h. dahin, dass er die Nachfolge Jesu gänzlich
und endgültig aufgibt. Sie kann niemals so über den
Gläubigen dominieren, dass er die Sünde völlig
liebt und keine Buße tut, wenn er gesündigt hat.
D.H.: Vielen Dank, aber darf ich noch eine weitere Frage stellen:
Wie kommt es, dass manche Christen nicht so sehr von Sünden
geplagt sind, wie ich es bin?
Autor: Wie können Sie so sicher sein, dass die anderen
nicht so geplagt sind? Es steht doch geschrieben: Das
Herz kennt sein eigenes Leid (Spr 14,10).
D.H.: Aber ich entnehme ihren friedevollen Gesichtern, ihren
Gesprächen und ihrer Freude am Herrn, dass es bei ihnen
anders sein muss.
Autor: Manche sind mit einer fröhlicheren natürlichen
Veranlagung gesegnet als andere. Manche bekennen Sünden
stets unverzüglich Gott und gehen prinzipiell mit jeder
ihnen bewusst gewordenen Sünde sogleich zum Herrn. Manche
gebrauchen fleißiger die Gnadenmittel: Wer das Wort Gottes
vernachlässigt, zu wenig darüber nachsinnt und nur
gelegentlich und formal zum Thron der Gnade kommt, kann nicht
erwarten, eine vor Gesundheit strotzende Seele zu haben.
D.H.: Ich gebe zu, dass ich gegen Ihre Argumente nichts einwenden
kann. Was Sie sagen, gilt zweifellos für Gottes Volk, aber
meine Situation ist viel schlimmer, als Sie denken: In mir ist
ein solcher Abgrund der Boshaftigkeit, und so oft habe ich keine
Lust auf alles, was geistlich ist, dass ich sehr befürchte,
dass ich keine Heilsgewissheit haben kann. Wie kann ich unterscheiden
zwischen einerseits den lästigen Zweifeln, die vom Teufel
kommen, und andererseits der Überführung von Sünde
und dem Alarm des Gewissens, bewirkt vom Heiligen Geist?
Autor: An der Frucht, die daraus hervorgeht. Der Teufel wird
Ihnen sagen, dass es sinnlos sei, noch Widerstand gegen die
innewohnende Sünde zu leisten; er will Sie in Verzweiflung
stürzen und sagt vielen bedrängten Seelen, sie sollten
sich besser umbringen und ihrem Elend ein Ende machen. Aber
wenn der Heilige Geist einen Christen überführt, bewirkt
er im Herzen eine gottgemäße Betrübnis und bewegt
den Gläubigen zum Bekennen seiner Übertretungen vor
Gott. Er führt zum Thron der Gnade und richtet den Blick
wieder auf das reinigende Blut Christi. Das tut er nicht nur
ein- oder zweimal, sondern immer wieder bis ans Ende unseres
irdischen Lebens. Denn siebenmal fällt der Gerechte
und steht doch wieder auf (Spr 24,16). Wenn das mit Ihrer
Erfahrung übereinstimmt, müssen Sie wiedergeboren
sein.
D.H.: Ich kann mir nicht helfen; ich bin bestürzt darüber,
dass Ihr Rat und Ihre Lehre genau das Gegenteil ist von dem,
was mir bisher gesagt wurde, wenn ich mit jemanden über
meine Sorgen sprach. Ich habe mit jemanden gesprochen, der sich
sehr gut in der Bibel auskennt. Er sagte mir, ich könne
meine Zweifel nur auf die Weise loswerden, indem ich an das
Wort Gottes glaube, und wenn ich mich elendig fühlte, sollte
ich an den Verheißungen festhalten.
Autor: Ich vermute, ich kenne die Gemeinschaft, welcher dieser
Seelsorger angehört. Sie glauben lediglich an einen natürlichen
Glauben, zu dem das Geschöpf von Natur aus fähig ist.
Ein solcher Glaube ist lediglich das Produkt unserer eigenen
Willenskraft. Aber das ist nicht der Glaube der Auserwählten
Gottes. Geistlicher Glaube ist eine Gabe Gottes, und nur
das unmittelbare Eingreifen des Heiligen Geistes kann diesen
Glauben in einem Menschen bewirken. Meiden Sie solche, die so
etwas lehren, mein Bruder. Gehen Sie allen aus den Weg, die
dem Heiligen Geist nicht wirklich Raum geben, sondern Ihnen
weis machen wollen, das Heilmittel sei Ihr eigener freier
Wille. Suchen Sie um so mehr die Gemeinschaft mit Gott
selbst und bitten Sie ihn um Christi willen, Ihren Glauben zu
mehren und stützen Sie Ihr Denken auf Gott selbst.
Dialog 4: Demütiges Herz hilft
Schwester Furchtsam
D.H.: Guten Tag, Herr Autor, ich hoffe, ich störe nicht.
Autor: Nein, keineswegs, Sie sind mir sehr willkommen, Bruder
Demütiges Herz, und ich bin dankbar, an Ihrem heiteren
Gesicht zu erkennen, dass Ihr Herz erleichtert ist (Spr 15,13).
D.H.: Ich bin froh, das bestätigen zu können, denn
der Herr war sehr gnädig zu mir. Das muss wirklich eine
Gebetserhörung sein.
Autor: Ihm sei Lob und Dank dafür! Erzählen Sie
mir doch, wie Sie seine Güte erlebt haben.
D.H.: Der Herr möge mich dabei leiten. Meine Geschichte
ist recht lang, aber ich möchte mich so kurz fassen wie
möglich.
Eine arme Frau, die im Volk Gottes als Schwester Furchtsam
bekannt ist, wurde vor einigen Monaten Witwe, und da auch alle
ihre Kinder gestorben sind, wusste ich, dass niemand ihren Garten
umgräbt. Deshalb besuchte ich sie und fragte, ob sie mir
erlaube, diese Arbeit für sie zu tun.
Autor: Ich freue mich, das zu hören. Wenn sich Gottseligkeit
nicht äußerst praktisch auswirkt, dann ist sie nur
ein Name ohne Realität. Es steht geschrieben: Ein
reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater
ist dieser: Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis zu besuchen,
sich selbst von der Welt unbefleckt zu erhalten (Jak 1,27).
Und hat diese arme Schwester Ihr freundliches Angebot angenommen?
D.H.: Ja, die Tränen rannen über ihre Wangen, als
sie sagte, wie dankbar sie sei. Später sagte sie, dass
es nicht mein Angebot war, welches sie so sehr bewegt hatte,
sondern die kleine Hoffnung, die sie dadurch schöpfte,
dass sie Gott sie doch nicht im Stich gelassen hat.
Ich fragte sie, warum sie jemals gedacht habe, dass Gott
sie im Stich gelassen haben sollte. Sie erklärte mir, sie
fühle sich meistens so niederträchtig und unrein,
dass ein heiliger Gott nicht mit der geringsten Anteilnahme
auf sie blicken könnte. Sie sagte, sie werde ständig
von solchen Zweifeln und Ängsten gequält, dass sie
dachte, Gott habe sie einem bösen Herzen des Unglaubens
preisgegeben. Sie fügte hinzu, ihre Situation sei trotz
ihres Lesens im Worte Gottes und ihres Flehens zum Herrn um
Kraft anscheinend nur noch schlimmer geworden. Ihr kam es vor,
als sei der Himmel für sie mit Eisen verschlossen.
Autor: Und was entgegneten Sie ihr auf ihre betrübte
Wehklage?
D.H.: Mir fiel ein Vers ein, und mir wurde klar, dass er vom
Herrn kam. Ich bat ihn innerlich um Weisheit und Sanftmut und
sagte zu dieser liebenswürdigen Seele:
Schwester Furchtsam, ich denke, Sie sind in Ihrer Schlussfolgerung
zu voreilig. Ich habe etwas Ähnliches durchlebt wie Sie.
Ich las in Gottes Wort: Das Reich Gottes besteht nicht
im Wort, sondern in Kraft (1Kor 4,20), und ich folgerte:
wenn Gott sein Reich in meinem Herzen aufgerichtet hat, dann
ist die Macht der Sünde gebrochen; doch oje - ich stellte
fest, dass die Sünde in mir stärker war denn je. Ich
las: Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott
bleibt in ihm (1Jo 4,16), aber ich konnte nicht glauben,
dass er in mir wohnte, während ich von solcher Furcht geknechtet
war. Ich las: Einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen,
in dem wir rufen: Abba, Vater! (Röm 8,15), aber ich
konnte nicht Abba, Vater rufen, und so befürchtete
ich, Gott habe nichts mit mir zu schaffen. Ich las: Jeder,
der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde (1Jo 3,9),
und obwohl ich davor bewahrt wurde, öffentliche Schande
über den Namen Christi zubringen, wurde ich dennoch ständig
von innerer Sünde überwältigt. Mein schuldiges
Gewissen verurteilte mich täglich, und Frieden war mit
völlig fremd.
(D.H. setzt seine Erzählung in Dialogform fort).
Schwester Furchtsam: Sie haben tatsächlich mein eigenes
trauriges Los beschrieben, aber fahren Sie bitte fort.
D.H.: Erlauben Sie mir bitte, dass ich Ihnen einige ehrliche
Fragen stelle. Sind Sie für Ihre Sünden gezüchtigt,
getadelt, gedemütigt und verwundet worden? Und nachdem
Sie Gottes züchtigende Hand verspürt hatten, wurde
Ihr Geist dann unter dem Wort Gottes belebt und erquickt, sodass
Sie auf bessere Zeiten hofften?
S.F.: Ja, ich war mir der Zuchtrute Gottes auf mir bewusst,
und ich habe mit David gesagt: Ich habe erkannt, HERR,
dass deine Gerichte Gerechtigkeit sind und dass du mich in Treue
gedemütigt hast (Ps 119,75). Und es gab Zeiten -
leider viel zu kurz -, als es schien, als würde ich erweicht
und erweckt. Da schöpfte ich etwas Hoffnung, doch schon
bald verbarg sich die Sonne wieder hinter dunklen Wolken.
D.H.: Nun, das beweist, dass Gott tatsächlich in Ihnen
wohnt, denn er sagt: So spricht der Hohe und Erhabene,
der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: In der
Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen
und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten
und zu beleben das Herz der Zerschlagenen (Jes 57,15)!
S.F.: Ja, ich kenne diesen Vers, aber er ist gegen mich gerichtet,
denn wenn Gott mich wirklich belebt hätte,
dann hätte das bleibende Auswirkungen. Aber stattdessen
bin ich ausgedörrt, leblos und unfruchtbar.
D.H.: Auch hier sind Sie zu vorschnell darin, Bitteres
über sich zu verhängen (Hi 13,26). Solche Erweckungen
des Glaubens, der Hoffnung der Liebe in der Seele sind tatsächlich
Erkennungszeichen für den innewohnenden Heiligen Geist.
Aber lassen Sie mich Ihnen den Vers zeigen, der mir zu Beginn
unseres Gesprächs in den Sinn kam. Er trifft exakt auf
Ihre Situation zu: Und nun ist uns für einen kleinen
Augenblick Gnade von dem HERRN, unserem Gott, zuteil geworden.
Er hat uns Gerettete übriggelassen und uns einen Zeltpflock
gegeben an seiner heiligen Stätte. Unser Gott hat unsere
Augen hell gemacht und uns ein wenig Belebung geschenkt in unserer
Knechtschaft (Esra 9,8). Sehen Sie nicht, liebe Schwester,
dass diese kleine Belebung, wenn sie auch nur kurz
währte, ein Erweis dafür ist, dass Gott in einem zerbrochenen
und zerschlagenen Herzen wohnt?
(Die Szene wechselt wieder zu D.H.s Besuch beim Autor.)
Autor: Das war wirklich ein Wort zur rechten Zeit, offensichtlich
vom Heiligen Geist geleitet. Viele werden durch unnötige
Ängste an der Freude der Heilsgewissheit gehindert. Weil
die Sünde in ihnen als ruhelos aktives Prinzip wirkt, meinen
sie, ihnen fehle das entgegengesetzte Prinzip der Heiligkeit,
und weil sie zum Teil fleischlich sind, urteilen sie, dass sie
nicht geistlich seien. Weil die Gnade nur so wenig in ihnen
wirkt, folgern sie, diese Gnade fehle ihnen gänzlich, und
da sie seit langer Zeit keinen Trost empfangen haben, meinen
sie, sie hätten kein Anrecht darauf. Sie unterscheiden
nicht zwischen den Regungen des Fleisches und den Regungen des
Geistes: So sicher, wie die Sünde sich im Fleisch in uns
offenbart, so zeigt unsere Betrübnis darüber, unser
Kampf dagegen, unsere Buße deswegen und unsere Bekennen
der Sünde vor Gott, dass der Geist bzw. die neue Natur
in uns wohnt. +++Die Seufzer und Tränen des Christen gehören
zu den besten Beweisen, dass er wiedergeboren ist.
D.H.: Darf ich Sie fragen, was Sie genau damit meinen, wenn
Sie sagen: Viele werden durch unnötige Ängste an der
Freude der Heilsgewissheit gehindert? Ich frage deshalb, weil
Gott die Seinen in Philipper 2,12 auffordert, ihr Heil mit Furcht
und Zittern zu bewirken.
Autor: Ihre Frage ist sehr berechtigt. Wir müssen sorgfältig
unterscheiden zwischen der Furcht göttlicher Eifersucht
und der Furcht aufgrund von Unglauben; die erstere ist ein Misstrauen
gegen sich selbst und die andere ein Zweifeln an Gott; die eine
wirkt gegen Stolz und fleischliches Selbstvertrauen, die letztere
ist der Feind wahren Friedens. Die elf Apostel zeigten die Furcht
göttlicher Eifersucht, als der Heiland erklärte, dass
einer von ihnen ihn verraten werde. Alle elf fragten sich: Ich
bin es doch nicht, Herr? David hingegen gab der Furcht
aufgrund von Unglauben Raum, als er sagte: Nun werde ich
doch eines Tages durch die Hand Sauls umkommen! (1Sam
27,1). Aber ich habe Ihre Erzählung unterbrochen; erzählen
Sie doch weiter, wie Schwester Furchtsam reagierte, als Sie
ihr Esra 9,8 genannt hatten.
D.H.: Der Vers schien sie wenig zu beeindrucken. Sie seufzte
tief und sagte eine Weile nichts. Dann fuhr sie fort:
S.F.: Ich fürchte, es wäre anmaßend für
mich, wenn ich sage, dass ich jemals erweckt worden bin, denn
eine tote Seele kann nicht erweckt werden - sie muss zuerst
auferweckt werden. Wahrscheinlich war das erhebende Gefühl
beim Lesen und Hören des Wortes Gottes nichts weiter als
die Freude derer, bei denen es auf das Steinige fiel
(Mt 13,20.21).
D.H.: Aber wer niemals geistlich auferweckt worden ist, sehnt
sich nicht nach Gott, sucht ihn nicht, sondern versucht, den
wahren Gott ganz aus seinen Gedanken zu verbannen. Er mag zwar
zur Kirche gehen, anderen eine Form der Gottseligkeit vorspielen,
aber er sucht nicht Gott durch persönlichen Fleiß
und sehnt sich nicht nach Gemeinschaft mit ihm.
Vielleicht, liebe Schwester, ist für Sie ein Tag
kleiner Dinge (Sach 4,10). Auch wo keine Kraft ist, gibt
es oft Leben. Ein Säugling kann atmen und weinen, aber
nicht sprechen oder gehen. Wenn Gott der Gegenstand Ihrer Liebe
ist, dann hat ein gutes Werk in Ihnen begonnen (Phil
1,6). Wenn es die innewohnende Sünde ist, die Ihnen täglich
so zu schaffen macht, wenn Sie nach Befreiung von ihren verunreinigenden
Auswirkungen lechzen und darum beten, wenn Sie gegen die Lüste
des Fleisches kämpfen, dann kann das nur daran liegen,
dass ein Prinzip der Heiligkeit in Ihrem Herzen eingepflanzt
worden ist. Solche geistlichen Übungen durchleben wir nicht
mit unserer alten Natur; diese Erfahrungen beruhen auf der innewohnende
Gnade. Verzweifeln Sie nicht, denn vom Herrn Jesus heißt
es: Ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und
einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen (Mt
12,20).
S.F.: Ja, es ist eine Sache, diese Dinge theoretisch zu verstehen,
aber es ist etwas ganz anderes, wenn Gott diese Wahrheit vollmächtig
auf das Herz anwendet. Danach sehne ich mich, und das ist es,
was mir fehlt. Meine Wunde ist zu tödlich, als dass ein
Mensch sie heilen könnte. O, wenn ich doch nur sicher sein
könnte, ob meine Abneigung gegen die Sünde auf rein
natürliche Gewissensbisse beruht, wie jeder natürliche
Mensch sie mehr oder weniger hat, oder ob sie Eingebungen des
Teufels sind, um mich irrezuführen, oder ob es sich tatsächlich
um das Streben der neuen Natur gegen die alte handelt. Ich muss
nichts weniger in meinem Herzen erkennen können als die
persönliche, vollmächtige und rettende Macht des Heiligen
Geistes, um echte Erleichterung zu finden.
D.H.: Ich bin dankbar, dass Sie das sagen. Menschlicher Trost
mag einen leeren Bekenner helfen, aber ein solches Trostpflaster
wird einen Erwählten nicht heilen, wenn er von Gott geschlagen
ist. Gott zielt darauf ab, bei den Erwählten jeden Arm
des Fleisches abzutrennen, und zu entblößen und sie
in ihrer Hilflosigkeit als Bettler mit leeren Händen vor
den Thron seiner Gnade zu bringen. Ob das Leben Gottes tatsächlich
in die Seele eingepflanzt wird, darin liegt das große
Geheimnis: das ist der Dreh- und Angelpunkt, um den es beim
ewigen Schicksal gehen muss. Und kein menschlicher Entschluss
kann diesen Punkt befriedigend klären. Nur der Herr selbst
kann ein solches Zeugnis geben, das einen seiner Erwählten
zufrieden stellt. Aber wenn er in der Seele aufstrahlt, wenn
er sein Wort in Kraft anwendet, wenn er sagt: Deine Sünden
sind vergeben, gehe hin in Frieden, dann braucht kein
Prediger mehr ein Wort zu sagen. Der Herr bewahre Sie zu seinen
Füßen, bis er Ihnen dies gewährt.
Bis vor kurzem ging auch ich durch schwere Übungen,
weil ich die große Gefahr fürchtete, der Teufel könne
mir einen falschen Frieden vortäuschen und mir weis machen,
alle sei in Ordnung, während das Gegenteil der Fall ist.
Auch ich wünschte zu gern zu wissen, wie man unterscheiden
kann zwischen natürlichen Gewissensbissen und den Übungen
eines erneuerten Gewissens. Aber der Herr hat mir gezeigt: Wie
ein Baum an seinen Früchten erkannt wird, so wird die Natur
einer Ursache am Charakter ihrer Wirkungen erkannt. Solche,
die sich von den Friedensvortäuschungen des Teufels irreleiten
lassen, sind voller Einbildung, Anmaßung und fleischlicher
Zuversicht: Sie bitten Gott nicht, sie zu erforschen, da sie
sich des Himmels so sicher sind, dass sie das für gänzlich
unnötig halten. Die natürlichen Regungen des Gewissens
verhärten den Sinn, verhindern Gebet und führen ins
Verderben. Die Sündenerkenntnis eines erneuerten Gewissens
führt zu Buße und Bekenntnis, hin zu Christus und
zu Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit vor Gott.
Deshalb rate ich Ihnen ernstlich, liebe Schwester, nichts
mit denen zu schaffen zu haben, die vorgeben, nur Frieden und
Freude zu erfahren und die lachen, wenn man sie fragt, ob sie
von der Plage ihres Herzens gepeinigt werden oder ob sie gemerkt
haben, dass das Blut Christi auf ihr Gewissen angewendet worden
ist, und die sagen, sie hätten nichts mit Gefühlen
zu tun, sondern lebten unabhängig von Gefühlen. Solche
verirrten Kreaturen können einem seufzenden Gläubigen
ebenso wenig weiterhelfen wie ein sogenannter Christlicher
Wissenschaftler [##Fußnote: Die Sekte der Christlichen
Wissenschaft lehrt, alles Böse und Negative, einschließlich
Schmerz, sei nur Einbildung.] jemanden helfen kann, der unter
starken körperlichen Schmerzen leidet, indem dieser Irrlehrer
ihm sagt, die Schmerzen seien nur eine mentale Einbildung und
er solle nur an Gesundheit und Glück denken: beides sind
nutzlose Ärzte und Kurpfuscher (Hiob 13,4).
Werfen Sie stattdessen Ihre Sorgen auf den großen Arzt
der Ärzte, schütten Sie Ihr Herz ihm aus, und zu seiner
rechten Zeit wird er Öl und Wein auf Ihre Wunden gießen
und ein neues Lied in Ihren Mund legen. (Die Szene wechselt
wieder zu D.H.s Besuch beim Autor.)
Seitdem habe ich ihr nichts weiter mehr zu diesem Thema gesagt,
da ich es für das Beste halte, sie allein mit Gott zu lassen.
Autor: Ich bin froh, das zu hören, denn nur blinde Eiferer
würden versuchen, dem Heiligen Geist sein Werk aus der
Hand zu nehmen. Oft wird Seelen großer Schaden zugefügt,
indem man ihnen Dinge aufzuzwingen versucht: Wenn Gott ein Werk
beginnt, können wir es getrost seinen Händen überlassen,
es fortzusetzen und zu vollenden. Und wie freue ich mich, lieber
Bruder, den Tau des Heiligen Geistes auf Ihrer eigenen Seele
zu erkennen! Mir scheint, auf Sie trifft das Schriftwort zu:
Siehe, der Winter ist vorbei, die Regenzeit ist vorüber,
ist vergangen. Die Blumen zeigen sich im Lande, die Zeit des
Singens ist gekommen, und die Stimme der Turteltaube lässt
sich hören in unserm Land (Hl 2,11.12).
D.H.: Dank sei Gott dafür, dass er Mitleid hatte mit
einem so armen Wesen wir mir; nun geht es mir viel besser. Seltsam
ist nur, dass ich so wenig oder gar keine echte Heilsgewissheit
hatte, als ich mit Schwester Furchtsam zu sprechen begann, doch
als sie erzählte, was sie so sehr bedrückte, legte
Gott mir anscheinend die nötigen Worte in den Mund, und
als ich zu ihr sprach, versiegelte er diese Erkenntnis in meinem
Herzen.
Autor: Ja, es ist so, wie wir in Sprüche 11,25 lesen:
Wer gern wohltut, wird reichlich gesättigt, und wer
andere tränkt, wird auch selbst getränkt. Beim
Mitteilen des Wortes Gottes an andere werden unsere Herzen erquickt
und unser Glaube gestärkt. Wer das gibt, was er hat, dem
wir umso mehr gegeben werden.
Es stimmt, was der Apostel in 2. Korinther 1,4 über
Gott sagt: ... der uns tröstet in all unserer Bedrängnis,
damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis
sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet
werden. Es ist Gottes Weg, die Seinen, und insbesondere seine
Diener, durch prüfende und schmerzliche Erfahrungen zu
führen, damit sie den Trost, mit dem er sie getröstet
hat, zu seiner Ehre gebrauchen und weitergeben. Wer die
Plage seines Herzens am besten kennt, eignet sich auch
am besten dazu, bedrückten Seelen ein Wort zur rechten
Zeit zu geben. Aus der Fülle des Herzens redet der Mund,
und wer durch den Feuerofen gegangen ist, kann am besten denen
helfen, die im Feuer leiden. Beten wir, dass es Gott gefallen
möge, zu Schwester Furchtsam ebenso gnädig zu sein.
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