Eine kurze Geschichte
der Marienverehrung
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Im Neuen
Testament lassen sich keinerlei Anfänge einer Marienverehrung
finden und auch die Schriften der frühesten christlichen
Lehrer nach dem Tod der Apostel, der sogenannten Apostolischen
Väter, enthalten so gut wie keine Aussagen über Maria.[1]
Die Legendenbildung um Maria geht dagegen hauptsächlich
auf das apokryphe Protevangelium des Jakobus zurück
- eine Fälschung aus der Mitte des 2. Jahrhunderts -, das
die Namen der Eltern Marias mit Anna und Joachim angibt und
von ihrer Jungfräulichkeit während der Geburt
spricht. Über Tod oder Grab Marias war in der Frühzeit
der Christenheit nichts bekannt, wie ein antiker Schreiber es
beklagt [2] - geschweige denn über eine etwaige Himmelfahrt
von ihr. Die heute gängige Vorstellung, Maria habe zuletzt
in Ephesus gelebt und sei dort verschieden, entspringt in erster
Linie den Visionen von zwei Frauen aus dem 19. Jh. (!), Rosalie
Put und Anna Katharina Emmerick.[3]
Im 3. und vor allem 4. Jahrhundert beginnt in den verfolgungsfreien
Zeiten in der Kirche allmählich eine gewisse Verehrung
der Märtyrer und auch Marias aufzukeimen, insbesondere
in der esoterisch beeinflussten Ostkirche. Origenes, ein früher,
aber äußerst umstrittener Theologe, hatte Maria in
einer seiner Schriften als theotokos, Gottesgebärerin,
bezeichnet, was von einigen Christen enthusiastisch aufgegriffen
wurde. Doch ansonsten sind Aussagen über Maria in den theologischen
Schriften dieser Zeit immer noch äußerst dürftig.
Auch gegen Ende des 4. / Anfang des 5. Jhs. gab es noch keine
Marienfeste, offiziell keine an Maria gerichteten Gebete oder
Lieder und keine Dogmen über ihre möglicherweise erhabene
Stellung. Aber nach der letzten Beendigung der Christenverfolgung
(313 n.Chr.) und der Erhebung des Christentums zur römischen
Staatsreligion (391 n.Chr.) hatte sich unter der breiten Masse
der wachsenden Kirche ein starker Wunsch nach der Verehrung
Marias breit gemacht, da die zum Christentum konvertierten Heiden
gewohnt waren, weiblichen Göttergestalten zu huldigen.
Einige Theologen, wie z.B. Ambrosius, Hieronymus und Augustinus
widmeten sich ihr ausführlicher und beschreiben sie als
immerwährende Jungfrau. Allerdings üben
sie noch eine gewisse Zurückhaltung in der Bezeichnung
Marias als Gottesmutter, weil sie sich um die Gefahr
der Verwechslung oder Gleichsetzung Marias mit der Magna Mater,
der Großen Muttergöttin der verschiedenen Heidenkulte
bewusst sind. Denn, so schreibt ein bekannter Kirchenhistoriker,
mit der Marienverehrung drang ein Ersatz für die
überwundene Verehrung der antiken Muttergottheiten in das
Christentum ein. [4] Hierin liegt der eigentliche Schlüssel
zur Geschichte der Marienverehrung und so müssen wir im
Zeitlauf noch einmal einige Jahrhunderte zurück gehen.
Wenn wir nämlich zu den tatsächlichen Ursprüngen
der Marienverehrung gelangen möchten, müssen wir uns
weiter als bis zur Lebenszeit Marias zurück begeben - in
alttestamentliche Zeit. Nicht, dass wir Maria selbst dort erwähnt
finden (wenngleich es zur Messiaserwartung gehörte, dass
eine Jungfrau schwanger würde - Jes 7,14), aber eine andere
Bezeichnung eines weiblichen Wesens lässt uns aufmerken:
Im Buch des Propheten Jeremia brandmarkt Gott den Kult um die
Königin des Himmels (Jer 7,18; 44,17), dem
das Volk Israel verfallen war. Bei dieser Himmelskönigin
handelte es sich um die babylonische Muttergottheit Ischtar,
die von anderen Völkern auch unter dem Namen Astarte oder
Aschtarot verehrt wurde. Das Volk Israel hatte sich bis dahin
im Lauf seiner Geschichte schon mehrfach diesem Götzendienst
zugewandt (z.B. Ri 2,13; 1Sam 7,4) und sogar der König
Salomo hatte sich dazu hinreißen lassen (1Kö 11,5).
Die kultische Verehrung von Muttergottheiten findet sich in
allen antiken Kulturen der Welt; zum Teil in Form vieler verschiedener
Göttinnen, wie bei den Griechen z.B. Artemis, Demeter und
Aphrodite, denen in der römischen Mythologie wiederum Diana,
Ceres und Venus entsprechen. Diese Göttinnen-Verehrung
geht auf einen gemeinsamen Ursprung in Babylonien zurück,
auf den besagten Kult um die Große Mutter
Ischtar. Historiker sehen die Wurzeln dieses Kults in der Verehrung
von Semiramis, der Gattin Nimrods, des allerersten Königs
der Erde (1Mo 10,8-10), der als gewalttätiger Herrscher
Babels ein erstes Sinnbild des falschen Erlösers - des
Antichrists - ist.
Von Babel bzw. Babylon aus machte sich der Kult der Muttergöttin
auf die Reise um die Welt, bald unter verschiedenen Namen aufgeteilt
in einzelne Gestalten und Verkörperungen ihrer vielen Eigenschaften,
bald wieder vereint in einer Person, die alle Einzelattribute
in sich aufsog. Die Zusammenhänge zwischen den vielen mütterlichen
Göttergestalten der antiken Kulturen sind viel zu komplex,
als dass wir sie hier auch nur annähernd vollständig
darstellen könnten;[5] auf der Hand liegt jedoch, dass
von Epoche zu Epoche und von Kulturraum zu Kulturraum zwar Klang
und Anzahl der Namen wechselte, aber Mythos, Wesenszüge
und Art der Verehrung beibehalten wurden und in manchen Muttergöttinen-Gestalten
wieder zu dem einen alten Kult um die Magna Mater, die Große
Mutter, verschmolzen.
Zu den besonders beliebten Verkörperung einer solchen Muttergottheit
gehörten die ägyptisch-griechische Göttin Isis,
die mit ihrem göttlichen Sohn Horus auf dem Arm geradezu
wie eine Madonna bildlich dargestellt wurde, sowie die griechische
Göttin Artemis, Jungfrau und Mutter zugleich, mit deren
Verehrung der Apostel Paulus in Ephesus in Konflikt geriet.
Diese Begebenheit aus der Apostelgeschichte verdient unser besonderes
Interesse: Einige heidnische Handwerker machten Paulus den Vorwurf,
ihr Geschäft mit der Herstellung von Götzenbildern
zu ruinieren, weil er den Ephesern klar machte, dass das
keine Götter seien, die mit Händen gemacht werden
(Apg 19,26). So zettelten sie einen ganzen Volksaufstand an.
Mit lauthalsen Rufen des ephesischen Wahlspruchs: Groß
ist die Artemis der Epheser!, brachte sich die ganze Stadt
stundenlang in Rage (Apg 19,34). Ephesus war schließlich
mit dem dortigen riesigen Artemis-Tempel ein viel besuchter
Wallfahrtsort und ein Zentrum des Kults um diese Göttin,
deren herrliche Größe - so die Gegner
des Paulus - ganz Asien und der ganze Erdkreis [griechisch
Ökumene] verehrt (Apg 19,27) und im dortigen
Tempel wurde ein vom Himmel gefallenes Bild verwahrt
(Vers 35). So hatten die Epheser eindrücklich gezeigt,
dass sie sich von ihrer geliebten Muttergöttin nicht so
leicht abbringen lassen. Das sollte auch mit der Erhebung des
Christentums zur Staatsreligion im Jahre 391 n.Chr. und dem
darauf folgenden Verbot der heidnischen Opfer und der Schließung
der Tempel so bleiben.
Im Jahr 431 fand nämlich gerade in dieser Stadt Ephesus
das bedeutendste kirchengeschichtliche Ereignis in Bezug auf
die Marienverehrung statt: das vom römischen Kaiser Theodosius
II. einberufene Dritte Ökumenische Konzil,
das als Konzil zu Ephesus in die Geschichtsbücher
einging. Hier nun wurde Maria der Titel Gottesgebärerin,
griechisch theotokos, offiziell verliehen, was sie praktisch
zur Muttergottes erhob. Ursächlicher Hintergrund
dieses Konzils war eigentlich ein halb theologisch, halb politischer
Streit um die Definition der göttlichen bzw. menschlichen
Natur Christi. Auf dem Spiel stand dabei letztlich die Einheit
des Römischen Reiches, die nur per Vereinheitlichung der
Glaubensdoktrin bewahrt bleiben konnte; denn dieses Reich war
keine Nation, sondern eine Kulturgemeinschaft. Die Problematik
um das Wesen Christi wurde dabei vorgeschoben, um Maria zu höheren
Ehren erheben zu können. Das war taktisch gesehen ein äußerst
kluger Schritt, denn dadurch wurden viele christianisierte Heiden
in der Kirche bei der Stange gehalten, weil sie nun auch dort
ihre geliebte Anrufung der Muttergöttin beibehalten konnten.
Die Propyläen Weltgeschichte dokumentiert:
»Mehr
und mehr hatten die christlichen Massen, aber auch Gebildete
aus den hellenistischen Religionen nach einer Göttin verlangt
und es lag durchaus nahe, dass man die am weitesten in der Welt
verbreitete Gottesmutter Isis, die vielgeliebte
hellenistische Erlösergöttin, aber auch andere, ihr
angenäherte Göttinnen nicht preiszugeben gewillt war.
Man brauchte ja auch nur mit Hilfe alexandrinischer Interpretationen
Isis in Maria umzubenennen ... Dann aber konnte man mit einer
leichten Namensänderung sogar eine ganze Reihe von Isisgebeten
wörtlich übernehmen. All die Mittelpunkte der Isisverehrung,
zu denen ja auch Rom gehörte, und Verehrungsstätten
der Isis angeglichenen Göttinnen wie der Artemis von Ephesus
haben den Boden dafür bereitet, dass die Metamorphose der
Gottesmutter Isis in die Gottesmutter Maria nahezu reibungslos
gelang ... Der in Antiochia geschulte Bischof von Konstantinopel,
Nestorius, sprach es 428 klar und nüchtern in seinen Predigten
aus: die Gottesmutter Maria sei nichts anderes als
eine heidnische Muttergöttin ... Wieder war ein Reichskonzil
nötig; da es aber in dem marienfreundlichen Ephesus stattfand
(431), war es von vornherein zum Scheitern verurteilt.«[6]
Die Umstände
des Konzils verdeutlichen diesen unbestreitbaren Zusammenhang:
Abgesehen von den nicht gerade christlichen Intrigen und Ränkespielen
der Kirchenführer unter sich setzten auch die Einwohner
von Ephesus die Konzilsteilnehmer mit lauten Demonstrationen
auf den Straßen von Ephesus unter Druck. Als das Ergebnis
verkündet wurde, dass Maria nun offiziell kirchlich der
Titel Gottesgebärerin verliehen sei, brach die Stadtbevölkerung
in wilde Begeisterung aus und jubelte Gelobt sei die Theotokos!
Das klang wie ein Echo auf das zuvor dort erklungene Groß
ist die Artemis der Epheser!, mit dem die Stadtbewohner
einst die Ehre ihrer jungfräulichen Muttergöttin bekräftigen
wollten. Die Bischöfe des Konzils wurden indes bei Fackelschein
und mit Blumenkränzen behängt in ihre Wohnungen zurückgeleitet.
Dieser Konzilsbeschluss hatte radikal umwälzende Folgen.
Die Kultur dieser Zeit war ohnehin von einem starken Synkretismus
- von Religionsvermischung - geprägt und da die Menschen
bereits daran gewöhnt waren, die Große Mutter unter
verschiedenen Namen anzurufen - Ischtar, Isis, Kybele, Artemis
usw. - war es nun ein Leichtes, sie wiederum unter neuem Namen
zu verehren. So geschah es, dass christianisierte Heiden, die
nie eine wirkliche Bekehrung und Wiedergeburt erlebt hatten
und sich nie von Herzen von den Götzen ab- und Christus
zugewandt hatten, ihren alten Kult unter einem christlichen
Deckmantel weiterpflegen und sogar an ihre Kinder weitergeben
konnten.
Auch in der äußeren Präsentation des Christentums
zeigte das Konzil von Ephesus fortan seine Auswirkungen: Auf
den prachtvollen Mosaiken am Triumphbogen in Rom erscheint Maria
nun als Königin des Himmels zum ersten Mal in gleicher
Größe und gleichem Rang wie Vater, Sohn und Heiliger
Geist. Dort in Rom wird dann auch bald auf Anweisung des Kaisers
der berühmte Prototyp der Marienkirchen, die Basilika Santa
Maria Maggiore erbaut. In den bildlichen Darstellungen erscheint
Maria geradezu als Kopie der heidnischen Muttergöttinnen,
mit dem Sternenmantel der Aphrodite, Urania und Isis, mit der
Taube der Ischtar oder dem Mond der Artemis. Bilder der Krönung
Marias zur Himmelskönigin weisen eindeutige Parallelen
auf zur Erhebung Ischtars zur Königin über die
Götter der Babylonier. Bei einigen antiken Mutter-Kind-Plastiken
fällt es den Archäologen heute schwer zu bestimmen,
ob es sich um Maria und Jesus, Isis und Horus oder
Kybele und Attis handeln soll. Tatsächlich sollen etliche
Götzenstandbilder einfach in die christliche Muttergottes
umbenannt und in gleicher Weise weiter verehrt worden sein.
Eine Autorin, selbst Marienverehrerin, schreibt:
»Mancherorts
sind im Christentum Maria-Kapellen gebaut worden, wo in alter
Zeit ein Heiligtum der Göttin war. Ihre Stimme spricht
leiser, aber dennoch vernehmlich. Die Konturen der beiden Gestalten
flossen unmerklich ineinander, manchmal veränderte sich
nur der Name. Auch heute flehen an allen diesen Orten Menschen
um Hilfe und Beistand in den gleichen Anliegen wie eh und je,
seitdem es Menschen gibt - und wissen nicht, dass sie damit
auch die Große Göttin noch einmal anrufen.«[7]
Als nun
in Ephesus die beiden historischen Fäden zusammengeführt
und verknüpft worden waren - der alte Muttergottes-Kult
einerseits und eine neue, unbiblische Verehrung Marias andererseits
-, ging die eigentliche Entwicklung der kirchlichen Marienverehrung
erst richtig los. Kurze Zeit nach dem Konzil gab es in fast
jeder größeren Stadt Kirchen, die der Gottesmutter
geweiht waren. Im 5. und 6. Jh. kommen phantasievolle Bibelauslegungen
auf, die hinter unzähligen Gestalten und Symbolen der Bibel
versteckte Hinweise auf Maria sehen; in dieser Zeit wird auch
die Frau aus Offenbarung 12 zum ersten Mal als Maria gedeutet.8
Und Maria wird von da an immer häufiger als domina, als
Herrin bezeichnet und angerufen. Die ersten Marienfeste
etablierten sich im 7. Jh., z.B. der 15. August als Mariä
Himmelfahrt, obwohl die Lehre ihrer Aufnahme in den Himmel
zu dieser Zeit noch sehr umstritten ist. Der Glaube an die Himmelfahrt
Marias gründet sich hauptsächlich auf eine apokryphe
Erzählung, die erst im 5. Jh. entstand.[9] Doch mit zunehmender
Akzeptanz dieser Sonderlehre erfährt auch die Anrufung
Marias als Fürsprecherin einen erheblichen
Auftrieb. Die Ostkirche (Byzanz, heute die orthodoxen
Kirchen) ist in Sachen Marienverehrung der Kirche des
Westens (Rom, heute die röm.-kath. Kirche) immer weit voraus.
Auch Mohammed, der Begründer des Islam, lernte zu Beginn
des 7. Jhs. das Christentum als einen halbherzigen
Mischmasch aus heidnischen und biblischen Gedanken- und Kultgut
kennen. Es ist höchst interessant, dass zu seiner Zeit
die Marienverehrung bereits solche Ausmaße erlangt hatte,
dass er die christliche Lehre der Dreieinigkeit Gottes aufgrund
eines schlimmen, aber naheliegenden Missverständnisses
ablehnte: Er dachte, die Christen verstünden darunter die
Dreiheit Vater - Sohn - Maria.[10] Es ist z.B. bekannt, dass
man damals Maria Brotkuchen als Opfer darbrachte, genau wie
einst beim Kult der Himmelskönigin im Buch Jeremia. In
den Koran nahm Mohammed jedoch die erfundenen Legenden über
Maria auf und verehrte sie zutiefst als Haupt aller Frauen im
koranischen Paradies. Nach dem Tod seiner Lieblingstochter
Fatima schrieb Mohammed: Du sollst sein die gesegnetste
unter allen Frauen im Paradiese, nach Maria.
Mit der Scholastik des Mittelalters findet die Marientheologie
schließlich ihren Höhepunkt. Etwa im 12. Jh. wird
die Lehre und das Fest der unbefleckten Empfängnis Mariä
eingeführt, obwohl die wichtigsten Theologen jener Zeit
wie Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairveaux und Thomas
von Aquin diese Lehre unter Berufung auf die Bibel und den Kirchenvater
Augustinus ausdrücklich ablehnten. (Nach katholischer Dogmatik
wären diese Männer heute aus der römisch-katholischen
Kirche als anathema verdammt und ausgeschlossen.) Dagegen findet
die Anrufung Marias als Fürsprecherin und Helferin nicht
nur unter Theologen, sondern auch im Volk immer begeisterteren
Zuspruch. Der Lobpreis Marias steigert sich in poetischen Formen
bis ins Ekstatische. Man vertritt allgemein die Vorstellung,
dass die Anrufung Marias in jedem Falle eher Erhörung fände
als die Anrufung Jesu. Dazu setzte sich in der Volksmeinung,
aber auch unter vielen Theologen, die nochmals gesteigerte Auffassung
durch, dass Maria Herrin und Gebieterin sei, nicht allein auf
Erden, sondern auch im Himmel, und Jesus ihr Gehorsam schulde,[11]
nebst etlichen weiteren Phantastereien, die hier anzuführen
aufgrund von Länge und Peinlichkeit weder möglich
noch angemessen ist und die heute auch von katholischer Seite
wieder als übertrieben abgelehnt werden.
Das wichtigste Mariengebet, das Ave Maria ist in
der ersten, aus Lukas 1,28-33 abgeleiteten Hälfte seit
etwa dem 7. Jh. bekannt und seit dem 11. Jh. verbreitet. Die
vollständige Form mit dem unbiblischen zweiten Teil kam
erst wesentlich später auf, wahrscheinlich im 15. Jh. Das
Rosenkranzgebet erhielt seine heutige Form erst im 16. Jh. und
seine Vorformen gehen frühestens bis aufs 12. Jh. zurück.
Bisweilen wird der Ursprung des Rosenkranzes dem hl. Dominikus
(1170 - 1221) zugeschrieben, doch gründet sich diese Meinung
auf das erfundene Zeugnis von Autoren, die niemals existiert
haben.[12]
Zur Zeit der Reformation drehte sich das kirchliche Interesse
etwas mehr um andere Themen und die folgenden Epochen des Rationalismus
und der Aufklärung ließen die Marienverehrung von
Seiten der kirchlichen Obrigkeit etwas abkühlen, während
das Volk diesen Kult unbeeindruckt weiterpflegte. Doch als zu
Beginn des 19. Jahrhunderts als Gegenreaktion auf die vorangegangene
intellektuelle Nüchternheit das Zeitalter der Romantik
anbrach, brachte diese neue Atmosphäre auch der marianischen
Lehre und Andacht wieder neuen Aufschwung. Tatsächlich
sollten die folgenden beiden Jahrhunderte in noch nie da gewesenem
Maße zu marianischen Jahrhunderten werden. Dazu gehören
nicht zuletzt die für diese Zeit kennzeichnenden und sich
häufenden Marienerscheinungen (1830 Paris, 1848 La Salette,
1858 Lourdes, 1917 Fatima uvm.). Die Autoren Hierzenberger und
Nedomansky zählen allein 105 Erscheinungen im 19. und 430
im 20. Jahrhundert auf. In den letzten zwei Jahrhundert machte
der Papst von seiner Unfehlbarkeit zweimal Gebrauch von seiner
Unfehlbarkeit beide Male allein zur Definition neuer
marianischer Dogmen: 1854 die Unbefleckte Empfängnis
Mariens und 1950 die leibliche Aufnahme Marias in
den Himmel. Ein drittes Dogma, das Maria zur Miterlöserin
erheben soll, steht noch aus
Anmerkungen
1 Dies wird auch von katholischer Seite zugegeben, z.B. in Graef,
H., Maria - Eine Geschichte der Lehre und Verehrung (Freiburg,
Herder, 1964), mit Imprimatur.
2 Epiphanios von Salamis in Epiph. hear. 11.24.
3 Karwiese, Stefan: Groß ist die Artemis von Ephesus (Wien,
Phoibos, 1995), S. 97.
4 Heussi, Karl, Kompendium der Kirchengeschichte (Tübingen,
J.C.B. Mohr, 121960), S. 110.
5 Zur ausführlicheren Beschäftigung mit diesem Thema
kann empfohlen werden: Hislop, A., Von Babylon nach Rom (Bielefeld,
CLV, 1997 - aus evangelikaler Sicht); Jenny-Kappers, T., Muttergöttin
und Gottesmutter in Ephesus - Von Artemis zu Maria (Zürich,
Daimon, 1986 - aus katholischer Sicht).
6 Propyläen Weltgeschichte, Bd. 4: Die römische Welt (Berlin,
Propyläen, 1960-64), S. 471.
7 Jenny-Kappers, T., Muttergöttin und Gottesmutter in Ephesus
- Von Artemis zu Maria (Zürich, Daimon, 1986), S.
70.
8 Graef, H., Maria - Eine Geschichte der Lehre und Verehrung
(Freiburg, Herder, 1964), mit Imprimatur, S. 123.
9 Graef, S. 125.
10 Khoury, A.T. et al., Islam Lexikon (Freiburg, Herder, 1991),
Bd. G-N; Eintrag Maria, S. 499.
11 Graef, z.B. S. 321.
12 Graef, S. 331.
©
CLV/Hans-Werner Deppe, 2004
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