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C.H. Spurgeon: Wirksame Sühne – Buchauszug

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Auszug aus dem Buch Erwählt vor Grundlegung der Welt

Predigt Nr. 181, Sonntagmorgen, 28. Februar 1858, in der Music Hall, Royal Surrey Gardens

»Gleichwie der Sohn des Menschen nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.«
Matthäus 20,28

Vorbermerkung des Übersetzers: Der Titel lautet eigentlich »begrenzte Sühne« (engl. limited atonement), was besagt, dass Christus nur die Sünden der Gläubigen stellvertretend getragen hat. Da es missverständlich ist, das Sühnewerk als »begrenzt« zu bezeichnen, ziehen wir den Ausdruck »wirksame Sühne« vor, im Gegensatz zur »allgemeinen Sühne«, womit gemeint ist, dass Christus das Sühnopfer stellvertretend für alle Menschen geleistet habe,diese dadurch aber noch nicht wirksam erlöst seien.

Als ich zum ersten Mal auf dieser Kanzel stand und predigte, war meine Zuhörerschaft eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Menschen, die aus allen Straßen der Stadt gekommen waren, um das Wort Gottes zu hören. Damals war ich einfach ein Evangelist, der zu vielen Menschen sprach, die das Evangelium vorher noch nicht gehört hatten. Durch Gottes Gnade gab es eine wunderbare Veränderung und heute besteht meine Gemeinde – wie die jedes anderen Pastors in London –, aus regelmäßig kommenden Zuhörern. Von hier oben kann ich die Gesichter meiner Freunde beobachten, die seit vielen Monaten fast die gleichen Plätze einnehmen. Ich habe das Vorrecht und die Freude, dass die meisten Anwesenden nicht aus Neugier kommen, sondern meine beständigen Zuhörer sind.

Dadurch hat sich auch meine Rolle verändert. Von einem Evangelisten bin ich zu eurem Pastor geworden. Ihr wart einst eine bunt gemischte Gruppe, die mir zuhörte, aber jetzt sind wir durch das Band der Liebe miteinander verknüpft. Durch diese Verbindung sind wir in gegenseitiger Liebe und Achtung zusammengewachsen. Ihr seid nun die Schafe meiner Weide und gehört zu meiner Herde. Es ist mein Vorrecht, hier Pastor zu sein, so wie im anderen Gemeindehaus, wo ich abends predige.

Da sich sowohl die Gemeinde als auch meine Rolle verändert haben, wird mir jeder zustimmen, dass sich auch die Unterweisung etwas ändern sollte. Ich hatte mir angewöhnt, euch die einfachen Wahrheiten des Evangeliums nahe zu bringen. Nur selten habe ich versucht, in geistliche Tiefen einzutauchen. Einen Bibeltext, den ich für meine Abendversammlung geeignet hielt, habe ich morgens bei euch nicht als Thema genommen. Es gibt viele hohe und geheimnisvolle Lehren, die ich an meinem eigenen Ort häufig behandelt habe. Hier jedoch habe ich mir nicht die Freiheit genommen, sie euch vorzustellen, da ihr euch nur gelegentlich unter dem Wort versammelt habt. Doch jetzt werde ich meinen Unterricht den veränderten Umständen anpassen. Ich möchte mich nicht auf die Lehre über den Glauben oder die Gläubigentaufe beschränken und nicht länger an der Oberfläche kratzen. Vielmehr möchte ich es unter Gottes Führung wagen, über weitere Grundlagen unseres Glaubens zu sprechen. Ich werde es nicht scheuen, über die Lehre der Souveränität Gottes zu predigen oder die Lehre der Auserwählung. Auch möchte ich nicht zurückschrecken vor der großen Wahrheit über das letztendliche Ausharren der Heiligen, noch die wirksame Berufung der Auserwählten Gottes verschweigen. Mit Gottes Hilfe will ich versuchen, euch, meiner Herde, nichts vorzuenthalten. Da ich nun weiß, dass viele von euch »geschmeckt haben, dass der Herr gütig ist«, werden wir uns befleißigen, alle Lehren der Gnade durchzunehmen, damit die Heiligen in ihrem heiligsten Glauben auferbaut werden.

Heute Morgen werde ich mit der Lehre der Erlösung beginnen: Christus gab sein Leben »als Lösegeld für viele«. Die Lehre der Erlösung ist eine der wichtigsten Glaubenslehren. Eine falsche Sicht führt unweigerlich zu einem falschen Verständnis des ganzen Glaubenssystems. Ihr wisst, dass es unterschiedliche Theorien über die Erlösung gibt. Alle Christen glauben, dass Christus kam, um Menschen zu erretten. Aber nicht alle glauben an die gleiche Art von Erlösung. Es gibt Unterschiede bezüglich des Wesens und des göttlichen Plans der Erlösung.

Zum Beispiel meinen die Arminianer, Christus habe mit seinem Tod nicht beabsichtigt, irgendeine bestimmte Person zu erretten. Sie lehren, Christi Tod an sich stelle nicht die Errettung irgendeines Menschen über jeden Zweifel erhaben sicher. Vielmehr glauben sie, dass Christus starb, um die Erlösung aller Menschen zu ermöglichen. Jeder Mensch könne, wenn es ihm beliebt und er etwas Weiteres tut, ewiges Leben erlangen. Folglich müssen sie vertreten, wenn der Wille des Menschen nicht freiwillig der Gnade die Tür öffne und sich ihr ergäbe, dann sei Christi Erlösungswerk vergeblich. Ihrer Auffassung nach beabsichtigte Christus mit seinem Tod keine besondere, persönliche Erlösung. Nach der Auffassung der Arminianer starb Christus ebenso für den verfluchten Judas wie für den erlösten Petrus. Sie glauben, dass für jene, die dem ewigen Feuer preisgegeben sind, eine ebenso echte und reale Erlösung zur Verfügung stand wie jenen, die jetzt vor dem Thron des Höchsten stehen.

Wir glauben jedoch nichts dergleichen. Unserer Meinung nach verfolgte Christus mit seinem Tod ein Ziel, das er mit absoluter Gewissheit und ohne jeden Zweifel erreicht hat. Wir beurteilen den Zweck des Todes Christi nach seinen Auswirkungen. Wenn man uns fragt: »Was bezweckte Christus mit seinem Tod?«, antworten wir mit einer Gegenfrage: »Was hat Christus mit seinem Tod bewirkt oder was wird er noch bewirken?« Denn wir meinen, dass das Ergebnis der Liebe Christi genauso groß ist wie der Zweck dieser Liebe. Wir können nicht unseren Verstand belügen und annehmen, die Absicht des allmächtigen Gottes könnte vereitelt werden oder etwas so Großartiges wie das Sühnopfer könne irgendwie sein Ziel verfehlen. Wir geben freimütig zu, dass wir glauben, dass Christus mit der Absicht in diese Welt kam, »eine Volksmenge, die niemand zählen kann« (Offb 7,9) zu erretten. Das Ergebnis ist, so glauben wir, dass jeder, für den er starb, unbedingt von seinen Sünden gereinigt werden muss, um, gewaschen im Blut, vor dem Thron des Vaters zu stehen. Wir glauben nicht, dass Christus eine wirksame Erlösung für jene erkauft hat, die für immer verdammt sind. Wir wagen nicht daran zu denken, das Blut Christi sei mit der Absicht vergossen worden, jene zu retten, von denen Gott im voraus wusste, dass sie niemals errettet werden können und von denen einige sogar schon in der Hölle waren, als Christus – wie manche meinen – für sie starb.

Ich habe gerade unsere Ansicht von der Erlösung dargelegt und die Unterschiede angedeutet, die zwischen den beiden großen Gruppen von bekennenden Christen bestehen. Jetzt möchte ich euch die Größe der Erlösung Jesu Christi vorstellen. Mit der Hilfe des Geistes Gottes hoffe ich, euch den ganzen Erlösungsplan darzulegen, damit wir ihn alle verstehen, auch wenn ihn nicht alle annehmen können. Denn ihr müsst bedenken, dass einige von euch die von mir behaupteten Dinge womöglich anfechten könnten, aber ihr wisst ja, dass mir das nichts ausmacht. Ich werde jederzeit das lehren, was ich für wahr erachte, ohne mich von irgendjemanden hindern zu lassen. Ihr habt die gleiche Freiheit, eure Ansichten in euren Gemeinden zu predigen, so wie ich das Recht beanspruche, meine Sichtweise vollständig und ohne zögern zu lehren.

Jesus Christus gab sein Leben »als Lösegeld für viele« und er hat uns mit diesem Lösegeld eine große Erlösung erkauft. Um die Größe dieser Erlösung aufzuzeigen, werde ich fünf Punkte herausgreifen. Zunächst wird ihre Größe deutlich durch unsere abscheuliche Sünde, von der er uns befreit hat; zweitens bewerten wir seine Erlösung anhand der Gerechtigkeit Gottes; drittens aufgrund des Preises, den er bezahlte, d. h. der Qualen, die er ertrug; der vierte Punkt ist die Befreiung, die er uns brachte; und zuletzt werden wir uns befassen mit der enormen Menge, denen diese Erlösung gilt – in unserem Bibeltext als »viele« beschrieben.

1. Gemessen an unseren Sünden ist die Erlösung groß

Meine Brüder, schaut einen Augenblick auf den tiefen Abgrund, aus dem ihr heraufgeholt, und auf den Fels, aus dem ihr gehauen wurdet. Die ihr gewaschen, gereinigt und geheiligt seid, haltet einen Moment inne und blickt auf euren damaligen Zustand zurück: auf die Sünden, denen ihr euch hingegeben hattet, auf die Verbrechen, in die ihr hineingerannt wart und auf die permanente Rebellion gegen Gott, in der zu leben ihr gewohnt wart. Eine einzige Sünde kann einen Menschen für immer ruinieren. Der menschliche Verstand vermag nicht zu erfassen, welch unendliches Übel in einer einzelnen Sünde lauert. In auch nur einer Übertretung steckt unendliche Schuld gegenüber der Majestät des Himmels. Wenn du und ich auch nur einmal gesündigt hätten, wäre schon ein Sühnopfer von unendlichem Wert nötig gewesen, um die Sünde abzuwaschen und Genugtuung dafür zu leisten.

Aber haben wir nur einmal gesündigt? Nein, meine Brüder, unsere Missetaten sind zahlreicher als die Haare auf unserem Kopf; sie haben bei weitem die Vorherrschaft über uns. Wir könnten ebenso versuchen, den Sand am Meer zu zählen oder die Summe aller Wassertropfen im Ozean, wenn wir die Sünden zählen wollten, die unser Leben geprägt haben. Lasst uns in die Kindheit zurückgehen. Wie früh haben wir mit der Sünde begonnen! Wie oft waren wir unseren Eltern ungehorsam und haben unseren Mund dann voller Lügen genommen! Wie dreist und eigenwillig waren wir in unserer Kindheit! Dickköpfig und leichtfertig bevorzugten wir unsere eigenen Wege und durchbrachen alle Grenzen, die unsere gottesfürchtigen Eltern uns setzten.

Auch in unserer Jugendzeit wurden wir nicht vernünftig. Viele von uns haben sich wild in den Tanz der Sünde hineingestürzt. Wir wurden zu Experten der Sünde; wir sündigten nicht nur, sondern leiteten auch andere dazu an. Und als Erwachsene, in der Blüte unserer Jahre, mögen wir äußerlich anständig gewesen sein und etwas Abstand von den Ausschweifungen der Jugend genommen haben, aber wie wenig haben wir uns gebessert! Sofern uns die souveräne Gnade Gottes nicht wiedergeboren hat, sind wir heute kein Stück besser als einst. Und selbst wenn die Gnade in uns zu wirken begonnen hat, haben wir noch immer Sünden zu bekennen, denn wir alle müssen unseren Mund schließen, Asche über unser Haupt werfen und ausrufen: »Unrein! Unrein!«

Und ihr, die ihr euch müde auf euren Stab lehnt, die Stütze eures Alters, sind eure Kleider nicht immer noch befleckt von Sünden? Ist euer Leben etwa so rein wie das schneeweiße Haar, das euer Haupt krönt? Fühlt ihr nicht immer noch, dass eure Kleider von Übertretungen beschmiert und alles andere als makellos sind? Wie oft steckt ihr heute noch im Dreck, bis eure Kleidung euch anekelt? Schaut zurück auf die sechzig, siebzig oder achtzig Jahre, während der Gott euer Leben bewahrt hat. Könnt ihr es einen Augenblick für möglich halten, eure unzähligen Übertretungen zu zählen oder das Gewicht eurer Verbrechen zu ermessen?

O, ihr Sterne des Himmels! Die Astronomen mögen zwar eure Entfernung und euer Gewicht berechnen, aber o, ihr Sünden der Menschen!, ihr übersteigt jegliche Vorstellungskraft! O, ihr ragenden Berge! Ihr Heimat der Stürme, Geburtsstätten des Unwetters, euch mag der Mensch erklimmen und überwältigt auf euren schneebedeckten Gipfeln stehen, doch o, ihr Sündenberge! Ihr ragt in luftigere Höhen als unsere Gedanken gehen. O, ihr gähnenden Abgründe der Sünde, ihr seid tiefer als unsere Fantasie hinabzutauchen wagt.

Werft ihr mir nun etwa vor, ich würde die Natur des Menschen schlecht machen? Dann kennt ihr sie wohl nicht. Hätte Gott euch euer Herz offenbart, würdet ihr mir zustimmen, denn ich übertreibe noch lange nicht, vielmehr sind meine armseligen Worte zu schwach, um eure hoffnungslose Boshaftigkeit zu beschreiben. O, wenn wir uns heute ins Herz schauen könnten, wenn ihr eure Augen nach innen richten könntet, um die Bosheit zu sehen, die wie mit einem Diamanten in unsere steinernen Herzen graviert ist, dann würden wir zum Prediger sagen, dass er beim Beschreiben der schrecklichen Größe unserer Schuld niemals übertreiben kann.

Wie groß muss dann erst Christi Lösegeld sein, wenn er uns von all diesen Sünden erlöst hat! Wie groß die Sünde derer, für die Jesus starb, auch sein mag, so werden sie doch, wenn sie glauben, von all ihren Sünden gerechtfertigt. Auch wenn sie jedem Laster gefrönt haben und allen Begierden nachgegangen sind, zu denen Satan sie verführen konnte und zu denen die menschliche Natur imstande war, wird all ihre Schuld abgewaschen, wenn sie zum Glauben kommen. Ein Jahr nach dem anderen hat sie in Finsternis gekleidet, bis sie tiefschwarz von Sünde waren. Aber in einem Augenblick des Glaubens, einem triumphalen Moment des Vertrauens in Christus, nimmt die wunderbare Erlösung die ganze Schuld noch so vieler Jahre weg. Nein, noch mehr: Wäre es möglich, dass ein einzelner Mensch all der Sünden schuldig wäre, die die Menschen seit Anbeginn der Welt und Zeit in Gedanken, Worten und Werken getan haben, dann würde das große Erlösungswerk noch immer ausreichen, um all diese Sünden wegzunehmen und diesen Sünder weißer zu waschen als frischen Schnee.

O, wer kann die Größe der Allgenugsamkeit des Heilands ermessen? Bedenke zuerst, wie hoch die Sünde ragt und dann siehe: Wie die Sintflut alle Gipfel bedeckte, so überdeckt die Flut von Christi Erlösung die Gipfel unserer Sündenberge. In den Höfen des Himmels befinden sich jetzt ehemalige Mörder, Diebe, Trinker, Ehebrecher, Gotteslästerer und Christenverfolger; aber sie sind gewaschen und geheiligt worden. Fragte man sie, woher sie ihre weißen Gewänder haben und woher ihre Reinheit kommt, so würden sie mit vereinter Stimme sagen, dass sie ihre Kleider im Blut des Lammes rein gewaschen haben. O, ihr mit belastetem Gewissen, ihr Mühseligen und Beladenen, die ihr unter der Menge eurer Sünden stöhnt: Die große Erlösung, die euch jetzt verkündet wird, stillt allen euren Mangel und ist alles, was ihr braucht. Und obwohl eure zahlreichen Sünden mehr sind als die Sterne des Himmels, gibt es hier die Sühnung für sie alle – einen Strom, der sie alle überflutet und sie für immer fortschwemmt. Das ist der erste Punkt der Sühnung – die Größe unserer Schuld.

2. Gemessen an Gottes strengem Gericht ist die Erlösung groß

Gott ist Liebe, er liebt immer, aber das tut keinerlei Abbruch an meiner nächsten Aussage: Gott ist streng gerecht und handelt mit den Menschen unbeugsam ernst. Der Gott der Bibel ist nicht der Gott, den sich manche vorstellen. Sie meinen, er würde sich so wenig aus Sünde machen, dass er einfach darüber hinwegsieht, ohne eine Strafe für sie zu fordern. Der Gott der Bibel ist nicht der Gott derer, die glauben, unsere Übertretungen seien so läppische Kavaliersdelikte, dass der Gott des Himmels ein Auge zudrückt und sie einfach vergisst.

Nein, Jahwe, der Gott Israels, hat von sich gesagt: »Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott«, »der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt« (2Mo 20,5; 34,7), und: »Die Seele, die sündigt, sie soll sterben« (Hes 18,4). Meine Freunde, lernt Gott so zu betrachten, als sei er in seinem Gericht nur streng ohne Liebe, und als sei er doch nur liebevoll ohne Strenge. Weder verringert seine Liebe seine Gerechtigkeit, noch greift seine Gerechtigkeit auch nur im Geringsten seine Liebe an. Diese beiden Wesensmerkmale sind auf wunderbare Weise im Sühneopfer Christi miteinander verbunden. Die ganze Fülle seines Opfers können wir jedoch erst dann verstehen, wenn wir zuerst die biblische Wahrheit über Gottes große Gerechtigkeit begriffen haben. Nie wurde ein böses Wort gesprochen, ein übler Gedanke hervorgebracht oder eine böse Tat verübt, die Gott nicht in irgendeiner Weise bestrafen wird. Die Genugtuung dafür wird er entweder von dir verlangen oder von Christus. Wenn du keine Sühnung durch Christus vorzuweisen hast, wirst du die Schuld bezahlen müssen, für die du die ganze Ewigkeit lang nicht aufkommen kannst. Denn so gewiss Gott Gott ist, wird er eher seine Gottheit verlieren, als eine einzige Sünde oder einen Funken Rebellion ungestraft durchgehen zu lassen.

Du magst sagen, dass diese Seite Gottes kalt, streng und hart sei. Ich kann nichts daran ändern – es ist wahr. So ist der Gott der Bibel. Und obgleich wir immer wieder bestätigen, dass er Liebe ist, so ist die Wahrheit seiner Liebe nicht wahrer als seine vollkommene Gerechtigkeit. Denn in Gott verbindet sich alles Gute und erlangt Vollkommenheit: Während die Liebe vollendete Lieblichkeit erreicht, gipfelt die Gerechtigkeit in ihm in absoluter Unbeugsamkeit. In seinem Wesen findet sich kein Makel, kein Kompromiss; keine Eigenschaft ist so vorherrschend, dass sie einen Schatten auf die anderen würfe. Seine Liebe kommt uneingeschränkt zur Geltung, und auch seine Gerechtigkeit ist nicht weniger ausgeprägt als seine Liebe.

O, meine Lieben, wie groß muss dann Christi Opfer an unserer Statt gewesen sein, wenn es Gott Genugtuung gab für alle Sünden der Gläubigen! Für die Sünden des Menschen verlangt Gott ewige Bestrafung und er hat eine Hölle vorbereitet, in die er jene wirft, die unbußfertig sterben. Meine Brüder, könnt ihr erdenken, wie groß dieses Lösegeld gewesen sein muss, welches die Qual aufwog, die Gott uns auferlegt hätte, wenn er sie nicht über Christus gebracht hätte? Schaut, schaut mit ehrfürchtigem Blick durch den Vorhang, der uns von der jenseitigen Welt der Geister trennt, und seht diesen Ort des Elends, der Hölle genannt wird. Ihr könnt den Anblick nicht ertragen. Bedenkt, dass dort Menschenseelen auf ewig ihre Schuld gegenüber der Gerechtigkeit Gottes bezahlen. Doch obwohl einige von ihnen schon viertausend Jahre in den Flammen verschmachten, sind sie einer Begleichung nicht näher als zu Anfang. Und wenn zehntausend mal zehntausend Jahre vergangen sind, werden sie ihre Schuld gegenüber Gott genauso wenig abbezahlt haben wie heute.

Jetzt habt ihr eine Ahnung von der Größe der Mittlerschaft unseres Erlösers. Er bezahlte eure Schuld und zahlte sie ganz auf einmal, sodass Christi Volk jetzt Gott keinen einzigen Penny mehr schuldet, sondern nur noch Liebe. Der Gerechtigkeit schuldet der Gläubige jetzt nichts mehr, obwohl er ihr ursprünglich so viel schuldete, dass die Ewigkeit zur Bezahlung nicht ausgereicht hätte. Doch Christus bezahlte alles am Kreuz, sodass der Gläubige durch das Werk Jesu von aller Schuld gerechtfertigt und von der Strafe befreit ist. Bedenkt daher, wie groß seine Erlösung ist, da er all dies getan hat.

An dieser Stelle muss ich kurz unterbrechen und etwas anderes einschieben. Manchmal legt Gott, der Heilige Geist, den Menschen die Strenge der Gerechtigkeit auf ihr eigenes Gewissen. Hier ist heute jemand unter uns, der gerade von seiner Schuld bis ins Herz getroffen ist. Einst war er ein ausschweifender Freigeist, an niemanden gebunden, aber jetzt steckt der Pfeil des Herrn fest in seinem Herzen und er unterliegt einer Sklaverei, die schlimmer ist als die in Ägypten. Er erzählt mir, seine Schuld verfolge ihn überall. Der Negersklave könnte, vom Polarstern geleitet, seinem grausamen Herrn entkommen und in ein anderes Land fliehen, wo er frei wäre, aber dieser Mann hat den Eindruck, er könnte die ganze Welt durchziehen, ohne seiner Schuld zu entkommen. Wer mit eisernen Ketten gefesselt ist, kann sich mit einer Feile befreien, doch dieser Mann erzählt dir, dass er es mit Gebeten, Tränen und guten Werken versucht habe, sich aber seiner Fesseln nicht entledigen konnte. Er fühlt sich als verlorener Sünder, und Befreiung scheint ihm unmöglich, was immer er auch tut.

Der Gefangene im Kerker genießt bisweilen wenigstens Gedankenfreiheit, auch wenn sein Körper eingesperrt ist. Sein Geist entflieht den Gefängnismauern und fliegt zu den Sternen, frei wie ein Adler, den niemand einsperrt. Doch dieser Mann ist in seinen Gedanken ein Sklave; er kann keinen einzigen heiteren, fröhlichen Gedanken fassen. Seine Seele ist niedergedrückt; die Ketten haben seinen Geist gefesselt und er wird aufs Äußerste geplagt. Der Häftling vergisst seine Gebundenheit manchmal beim Schlafen, aber dieser Mann findet keinen Schlaf: Nachts träumt er von der Hölle und am Tag scheint er sie zu fühlen. Sein Herz ist wie ein brennender Feuerofen und was er auch tut, kann er das Feuer nicht löschen. Er wurde konfirmiert, er wurde getauft; er nimmt das Abendmahl; er geht regelmäßig zur Kirche oder in eine Gemeinde; er befolgt alle Anweisungen und gehorcht jeder Vorschrift – aber das Feuer brennt noch immer. Sein Geld gibt er den Armen, seinen Leib gibt er in den Tod, er speist die Hungrigen, besucht die Kranken und bekleidet die Nackten, aber das Feuer brennt weiter in ihm, und er kann nichts tun, um es zu löschen.

O, ihr Söhne von Überdruss und Drangsal, was ihr fühlt, ist Gottes Gerechtigkeit, die euch verfolgt. Freue dich darüber, denn jetzt verkündige ich dir das herrliche Evangelium Gottes. Du bist der Mensch, für den Jesus Christus starb; für dich hat er der strengen Gerechtigkeit Gottes Genüge getan. Und nun musst du, damit dein Gewissen Frieden findet, deinem dich verfolgenden Widersacher nur noch sagen: »Schau dorthin! Christus starb für mich. Meine guten Werke halten dich nicht auf, meine Tränen genügen dir nicht. Schau dorthin! Dort steht das Kreuz, dort hängt der blutende Gott! Höre seinen Todesschrei! Sieh ihn sterben! Ist dir jetzt nicht Genüge getan?« Und wenn du das getan hast, wirst du den Frieden Gottes haben, der allen Verstand übersteigt und dein Herz und Verstand wer den bewahrt in Jesus Christus, deinem Herrn. Dann wirst du die Größe seiner Erlösung erkennen.

3. Gemessen an dem Preis, den Christus zahlte, ist die Erlösung groß

Wir können nicht ermessen, wie groß die Todesleiden unseres Heilands waren, aber wenn wir sie betrachten und einen vagen Einblick bekommen, erlangen wir ein wenig Vorstellung davon, welch hohen Preis er für uns bezahlte. O Jesus, was kann deine Qual beschreiben?

Lamm, verwundet und beladen,
heimgesucht mit schwerem Leid,
dich traf unser aller Schaden,
uns’re Ungerechtigkeit.

In den Tod hast du ein Leben
ausgeschüttet ganz und gar;
deine Seele ward gegeben
für die Schuld auf dem Altar.

Aus den Gluten, aus dem Feuer,
deiner Leiden ging hervor,
Wohlgeruch so süß und teuer,
welcher stieg zu Gott empor.
(Im Original findet sich statt diesem Lied aus den deutschen »Geistlichen Liedern« das Lied »Come, all ye Springs«.)

O Jesus, du hast von Geburt an gelitten, warst ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut! Deine Leiden kamen unaufhörlich über dich, bis zur letzten schrecklichen Stunde der Finsternis. Dann brachen deine Qualen nicht wie ein Schauer über dich herein, sondern wie ein Wolkenbruch, ein reißender Strom, ein Wasserfall voller Schmerz. Seht, wie er in der kalten Nacht im Freien ist und nicht schläft, sondern im Gebet wacht. Hört sein Stöhnen! Rang je ein Mensch so sehr wie er? Schaut ihm ins Antlitz! Stand je einem Menschen solche Qual ins Gesicht geschrieben? Hört seine Worte: »Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod.« Er erhebt sich, wird von den Verrätern ergriffen und abgeführt.

Lasst uns an den Ort gehen, wo er sich gerade noch in ringendem Kampf befand. Was sehen wir dort auf der Erde? Es ist Blut! Woher stammt es? Hatte er eine Wunde, die durch seinen furchtbaren Kampf wieder aufbrach? Nein. »Es wurde aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.« Seine Qualen übertrafen alles, wofür dieses Wort je benutzt wurde. Seine Leiden können nicht in Worte gefasst werden. Was war es, das dem Heiland so zu schaffen machte, dass sein Schweiß wie Blutstropfen von seinem Körper rann? Dies ist der Anfang seiner schlimmsten Leidensstunden. Folge ihm wehklagend, du trauernde Gemeinde, um Zeuge der Vollendung seiner Leiden zu werden. Er wird durch die Straßen getrieben, von der einen Anklagebank zur nächsten gezerrt und vom Synedrium verurteilt. Von Herodes wird er verspottet und von Pilatus verhört, dann wird sein Urteil verkündet: »Er werde gekreuzigt!«

Dann erreicht die Tragödie ihren Höhepunkt. Sein Rücken wird entblößt, er wird an eine Säule gefesselt, und die Widerhaken der Geißel werden Schlag auf Schlag in seinen Rücken getrieben. Bald ist sein Rücken über und über von Blut überströmt – ein dunkelrotes Gewand, das ihn zum König der Schmerzen ausruft. Sie verbinden ihm die Augen, schlagen ihn und fragen: »Weissage, wer ist es, der dich schlug?« Sie spucken ihm ins Gesicht, flechten eine Dornenkrone und drücken sie ihm gegen seine Schläfen. Sie werfen ihm ein Purpurgewand um, knien vor ihm nieder und verhöhnen ihn. Schweigend sitzt er da und spricht kein Wort. »Der, geschmäht, nicht wieder schmähte«, sondern sich dem übergab, dem zu dienen er gekommen war. Und nun greifen sie ihn und treiben ihn unter lautem Gejohle und Hohngelächter durch die Straßen. Von beständigem Fasten ausgezehrt und durch den inneren Kampf niedergedrückt, bricht er unter seinem Kreuz zusammen. O, Töchter Jerusalems! Auf euren Straßen stürzt er hin. Sie richten ihn auf und legen sein Kreuz auf die Schultern eines anderen. Sie drängen ihn, weiter zu gehen, vielleicht mit Speerstichen, bis er schließlich den verhängnisvollen Hügel erreicht. Brutale Soldaten packen ihn und schmeißen ihn auf den Rücken. Der Querbalken wird unter ihn gelegt und seine Arme werden bis auf das nötige Maß gestreckt. Sie nehmen die Nägel, und vier Hammerschläge treiben im Nu vier Nägel in die empfindsamsten Stellen seines Körpers. Dort liegt er an seiner Hinrichtungsstätte, um am Kreuz zu sterben. Noch ist es nicht vorbei. Die rohen Soldaten richten das Kreuz auf dem vorgesehenen Sockel auf; es rutscht in die Vertiefung und wird mit Erde befestigt. Dort steht es.

Aber schaut auf die Gliedmaßen des Heilands, wie sie zittern! Als das Kreuz aufgerichtet wurde, wurde jeder Knochen ausgerenkt! Wie er weint! Wie er ächzt und stöhnt! Nein, hört vielmehr, wie er zuletzt im Todeskampf ruft: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« O Sonne, kein Wunder, dass du deine Augen verschlossest und einer solch grauenvollen Tat nicht länger zusehen konntest! O ihr Felsen, kein Wunder, dass ihr zerschmolzet und eure Herzen vor Mitgefühl zerrisset, als euer Schöpfer starb. Nie hat ein Mensch so gelitten wie dieser. Sogar der Tod selbst ließ sich erweichen und aus den Gräbern erstanden viele auf und kamen in die Stadt Jerusalem.

Das war jedoch nur das äußere Geschehen. Glaubt mir, Brüder, was im Inneren unseres Herrn geschah, war noch viel schlimmer. Was unser Heiland an seinem Körper ertrug, war nichts im Vergleich zum Leid seiner Seele. Wir können nicht ermessen, was er innerlich erlitt. Stellt euch für einen Moment vor – um einen häufig von mir gebrauchten Vergleich zu zitieren – stellt euch einen Menschen in der Hölle vor und nehmt an, seine ewige Strafe könne konzentriert in einer einzigen Stunde über ihn gebracht werden; und dann stellt euch vor, diese Qual könnte multipliziert werden mit der unzählbaren Zahl aller Erlösten. Könnt ihr euch jetzt vorstellen, welch gewaltige Summe an Qualen alle Gläubigen durchmachen müssten, wenn sie in alle Ewigkeit bestraft würden? Bedenkt, dass Christus eine Strafe erleiden musste, die der Summe aller ewigen Höllen eines jeden Erlösten entsprach. Ich kann diesen Gedanken nicht besser ausdrücken, als mit diesen oft zitierten Worten: Es war, als würde die Hölle in seinen Kelch gegossen; er nahm ihn und mit einem schrecklichen Schluck der Liebe verschlang er die Verdammnis bis auf den letzten Tropfen. Für die Seinen blieb somit nichts von den Qualen und Leiden der Hölle übrig. Ich sage nicht, dass er das gleiche ertrug, sondern etwas Gleichwertiges. Er leistete Gott Genugtuung für alle Sünden all der Seinen und brachte Gott folglich den entsprechenden Gegenwert für ihre gesamte Strafe dar. Könnt ihr nun die große Erlösung unseres Herrn Jesus Christus erahnen?

4. Gemessen an der glorreichen Befreiung, die Christus bewirkt hat, ist die Erlösung groß

Beim diesem Punkt möchte ich mich kurz fassen. Stehe von deinem Platz auf, du Gläubiger, und bezeuge heute die Größe dessen, was der Herr für dich getan hat! Ich will es dir erklären. Ich möchte deine und meine Erfahrung in nur einem Atemzug beschreiben. Vorher war meine Seele mit Sünden belastet; ich hatte ernsthaft gegen Gott rebelliert. Die Schrecken des Gesetzes hatten mich ergriffen; ich wurde überführt und erkannte meine Schuld. Ich blickte zum Himmel hinauf und sah einen zornigen Gott, der mich bestrafen wollte. Dann erkannte ich unter mir eine gähnende Hölle, die mich verschlingen wollte. Ich versuchte, mein Gewissen durch gute Taten zu beruhigen, doch alles vergebens. Ich bemühte mich, religiöse Zeremonien einzuhalten, um meine Gewissensbisse zu beschwichtigen, doch nichts half. Meine Seele war zutiefst betrübt, fast bis zum Tode. Mit Hiob hätte ich sagen können: »Meine Seele zieht Erstickung vor, hat den Tod lieber als meine Gebeine.« Die eine große Frage verwunderte mich immer: »Ich habe gesündigt; Gott muss mich bestrafen. Wie kann er gerecht sein, wenn er mich aber nicht bestraft? Und da er gerecht ist, was wird aus mir werden?« Schließlich richtete sich mein Blick auf die wunderbaren Worte: »Das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.« Ich nahm diese Worte mit in meine Kammer, saß dort und sann über sie nach. Ich sah jemanden am Kreuz hängen; es war mein Herr Jesus. Dort waren die Dornenkrone und die Zeichen beispielloser, unvergleichlicher Qual. Ich schaute ihn an und dachte an die Worte: »Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.« Dann sagte ich zu mir selbst: Starb dieser Mann für Sünder? Dann starb er für mich, denn ich bin ein Sünder. Er wird die erretten, für die er starb. Er starb für Sünder; ich bin ein Sünder. Er starb für mich; er wird mich retten. Meine Seele stützte sich auf diese Wahrheit. Ich blickte auf ihn und als ich sein erlösendes Blut fließen sah, freute ich mich, denn ich konnte sagen:

Ich komme nur mit leerer Hand,
bei deinem Kreuz ich alles fand,
nackt und hilflos schau ich an,
den, der aus Gnade retten kann.
Schwarz von Sünd’ flieh ich zur Quell’,
Wasch mich, Heiland, rein und hell.

Und nun, lieber Christ, erzähle du den Rest. Berichte von dem Augenblick, als du zum Glauben kamst, als dir die Last von den Schultern fiel und du dich leicht wie Luft fühltest. Statt Dunkelheit hattest du Licht; anstatt von Dreck beschwerter Kleider bekamst du ein Lobesgewand. Wer kann deine Freude seitdem beschreiben? Auf der Erde hast du himmlische Lieder gesungen und in deiner friedevollen Seele den ewigen Sabbat der Erlösten erwartet. Weil du glaubtest, bist du in die Ruhe eingegangen. Ja, erzähle es der ganzen Welt, dass die, die an Jesu Tod glauben, gerechtfertigt worden sind von all den Dingen, von denen sie durch Gesetzeswerke nicht erlöst werden konnten. Erzähle es im Himmel, dass niemand Gottes Auserwählten etwas zur Last legen kann. Erzähle es auf der Erde, dass Gottes Erlöste von der Sünde befreit sind. Sage es sogar der Hölle, dass Gottes Auserwählte nie dort hinkommen werden, denn Christus ist für sie gestorben. Wer sollte sie nun noch verdammen können?

5. Gemessen am beabsichtigten Wirkungsbereich ist die Erlösung groß

Dieses ist der wunderbarste Punkt von allen. Unser Bibeltext sagt uns, Jesus Christus kam in die Welt, um »sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.« Die Größe der Erlösung Christi kann anhand des beabsichtigten Wirkungsbereiches beurteilt werden. Er gab sein Leben »als Lösegeld für viele«. Ich muss noch einmal auf diesen kontroversen Punkt zurückkommen. Wir werden gewöhnlich als »Calvinist« bezeichnet, was uns nicht sonderlich beschämt, denn Calvin kannte das Evangelium wohl besser als jeder nicht inspirierte Mensch.

Man hält uns oft vor, wir würden die Sühne Christi begrenzen, weil wir sagen, dass Christus nicht für alle Menschen Genugtuung geleistet hat und dass ansonsten alle Menschen gerettet würden. Darauf antworten wir: Ganz im Gegenteil – nicht wir begrenzen die Sühne, sondern die Gegenpartei begrenzt sie. Die Arminianer sagen, Christus sei für alle Menschen gestorben. Aber frage sie, was sie damit meinen. Starb Christus, um die Errettung aller sicherzustellen? »Nein, gewiss nicht«, erwidern sie. Wir stellen die nächste Frage: Starb Christus, um die Errettung überhaupt irgendeines bestimmten Menschen sicherzustellen? Wiederum verneinen sie. Konsequenterweise müssen sie das verneinen. Sie sagen: »Nein, Christus starb, damit jeder Mensch errettet werden kann, wenn …« Und darauf folgen dann bestimmte Bedingungen für die Errettung.

Wir sagen: Lass uns noch Mal auf die vorherige Behauptung zurückkommen: »Christus starb nicht, um die Errettung von irgendjemanden zweifelsfrei sicherzustellen, nicht wahr?« Als Arminianer musst du dem zustimmen, da du glaubst, dass ein Mensch, auch nachdem ihm vergeben wurde, aus der Gnade fallen und verloren gehen kann. Wer ist es also, der den Tod Christi begrenzt? Nun, du als Arminianer. Du sagst, dass Christus nicht starb, um die Errettung irgendeines Menschen absolut sicherzustellen. Entschuldige bitte – wenn du sagst, wir würden den Tod Christi begrenzen, müssen wir entgegnen: »Nein, werter Herr, du begrenzt ihn.« Wir glauben, Christus starb, um die Errettung einer riesig großen Zahl von Menschen absolut sicherzustellen, die durch seinen Tod nicht nur errettet werden könnten, sondern tatsächlich errettet sind, ja errettet sein müssen und unmöglich irgendwie gefährdet sind, doch nicht gerettet zu werden. Du magst gern deine Vorstellung von Sühne behalten. Doch dafür werden wir unsere nie aufgeben.

Nun, meine Lieben, wenn ihr jemanden über die so genannte »begrenzte Sühne« lachen hört, dann sagt ihm Folgendes: Die allgemeine Sühne ist wie eine große, breite Brücke, die den Fluss aber nur zur Hälfte überspannt. Sie sagt klipp und klar, dass sie nur den halben Weg verschafft; sie stellt die Errettung keines Menschen sicher. Nun, ich würde meinen Fuß lieber auf eine schmale Brücke setzen, die bis zur anderen Seite reicht, statt auf eine Brücke, die breit wie die Welt ist, aber nicht bis auf die andere Seite führt.

Man sagte mir, es sei meine Pflicht, zu predigen, alle Menschen seien erlöst; dafür nannte man mir sogar einen biblischen Beweis: »Der sich selbst als Lösegeld für alle gab, als das Zeugnis zur rechten Zeit« (1Tim 2,6). Das scheint wirklich ein sehr, sehr gutes Argument für die Gegenseite zu sein. Aber was ist zum Beispiel mit Aussagen wie den folgenden? »Die Welt ist ihm nachgegangen« (Joh 12,19). Ist die ganze Welt Christus nachgelaufen? »Da ging zu ihm hinaus Jerusalem und ganz Judäa … und sie wurden von ihm im Jordanfluss getauft« (Mt 3,5). Wurde etwa ganz Judäa oder ganz Jerusalem im Jordan getauft? »Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen« (1Jo 5,19). Ist mit »die ganze Welt« jeder einzelne Mensch gemeint? Wie kann es dann sein, dass einige »aus Gott« waren? Worte wie »Welt«, »alle« und »ganz« werden in der Schrift auf sieben oder acht verschiedene Weisen benutzt. Nur sehr selten meint »alle« oder »ganz« wirklich jeden einzelnen Menschen. Die Worte werden in allgemeinem Sinn verwendet, um anzudeuten, dass Christus Menschen aus jedem Umfeld und Hintergrund erlöst hat – aus den Juden, aus den Heiden, Reiche, Arme. Er hat seine Erlösung nicht auf Juden oder Heiden beschränkt.

Um die Kontroverse zu beenden, möchte ich noch eine Frage beantworten. Sage mir: Für wen starb Christus nun wirklich? Beantworte mir einige wenige Fragen und ich werde dir sagen, ob er für dich starb. Brauchst du einen Erlöser? Merkst du, dass du einen Erlöser brauchst? Bist du dir heute Morgen deiner Sünden bewusst? Hat dich der Heilige Geist von deinem verlorenen Zustand überführt? Dann starb Christus für dich und du wirst errettet werden. Bist du dir heute Morgen bewusst, dass du in dieser Welt keine Hoffnung hast außer Christus? Bist du dir im Klaren, selber kein Sühnopfer bringen zu können, das Gottes Gerechtigkeit Genüge tut? Hast du jegliches Selbstvertrauen aufgegeben? Und kannst du auf Knien sagen: »Herr, rette mich oder ich komme um«? Dann starb Christus für dich.

Wenn du heute Morgen sagst: »Ich bin so gut, wie ich sein sollte. Ich kann durch meine eigenen guten Werke in den Himmel kommen«, dann denke an Jesu Worte in der Bibel: »Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße.« So lange du in diesem Zustand bist, habe ich dir kein Sühn-opfer anzubieten. Aber wenn du dich schuldig und erbärmlich fühlst, um deine Schuld weißt und bereit bist, Christus als deinen einzigen Erlöser anzunehmen, dann kann ich dir nicht nur mitteilen, dass du errettet werden kannst, sondern – was noch besser ist – dass du errettet werden wirst. Wenn du nichts mehr hast außer die Hoffnung auf Christus und bereit bist, mit leeren Händen zu ihm zu kommen und ihn als dein ein und alles anzunehmen, und dich zu nichts machst, dann darfst du zu Christus aufschauen und sagen: »Du teures, blutendes Lamm Gottes! Du hast für mich gelitten. Durch deine Striemen ward mir Heilung und durch deine Leiden ward mir Vergebung zuteil.« Dann wird dein Herz Frieden finden, denn wenn Christus für dich gestorben ist, kannst du nicht verloren gehen. Gott wird für eine Sache nicht zweimal strafen. Wenn Gott Christus für deine Sünden bestraft hat, wird er dich nicht bestrafen. Gottes Gerechtigkeit kann die Bezahlung nicht zuerst aus den blutenden Händen des Stellvertreters verlangen und dann noch einmal aus meinen.

Wenn wir an Christus glauben, können wir heute vor den Thron Gottes treten. Fragt man uns, ob wir schuldig sind, müssen wir sagen: »Ja, schuldig.« Aber wenn wir gefragt werden: »Was hast du vorzubringen, damit du für deine Schuld nicht bestraft wirst?«, können wir antworten: »Großer Gott, sowohl deine Gerechtigkeit als auch deine Liebe garantieren, dass du uns nicht für unsere Sünden bestrafen wirst. Denn hast du nicht Christus an unserer Statt für Sünde gestraft? Wie kannst du dann gerecht sein, ja, wie kannst du überhaupt Gott sein, wenn du Christus als Stellvertreter bestraft hast und hinterher den Menschen selbst nochmals bestrafst?«

Deine einzige Frage lautet: »Starb Christus für mich?« Darauf können wir nur antworten: »Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.« Kannst du deinen Namen auf die Liste der Sünder setzen – nicht zu denen, die gerne Sünder sind, sondern zu jenen, die es spüren, beklagen, darüber trauern und deshalb Gnade suchen? Bist du ein Sünder? Ein Sünder, der das fühlt, weiß und bekannt hat? Du bist jetzt eingeladen zu glauben, dass Christus für dich gestorben ist, weil du ein Sünder bist. Werfe dich auf diesen großen, festen Felsen und finde ewige Sicherheit in dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Übersetzung: Martin Plohmann, Hans-Werner Deppe

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