Strategisches Lebenstraining (SLT)

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H.W.Deppe
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Strategisches Lebenstraining (SLT)

Beitrag von H.W.Deppe »

Jemand schickte mir den unten stehenden Aufklärungstext über SLT (Strategisches Lebenstraining). Ist SLT eine einflussreiche neue Masche / Gefahr oder nur eine Randerscheinung? Wer kennt es - was meint ihr dazu?
Gruß, Werner



SLT: Wer oder was steckt dahinter?

Anm.: Mit einem Stern ( * ) gekennzeichnete Zitate wurden vom Verfasser aus dem Englischen übersetzt.


Das SLT-Programm

Im deutschsprachigen Raum wird seit einiger Zeit ein Programm mit dem Titel "Strategisches Lebenstraining" (SLT) beworben. Obwohl jedes Programm erst langfristig durch die Frucht, die es hervorbringt, ausreichend beurteilt werden kann, ist es als problematisch anzusehen, daß das SLT-Programm ungeachtet wesentlicher Unterschiede zu anderen Aufbauprogrammen für christliche Lebensgestaltung kaum auf objektive Kritik stößt und keiner offenen Diskussion ausgesetzt wird. Dies ist erstaunlich angesichts der offenbar zweigeteilten Agenda, die diesem Programm zugrundeliegt.

Veranstalter des SLT-Programms ist das sogenannte "Institut für biblische Reformen". Es beschäftigt neben dem SLT-Koordinator, Herrn Daniel Ellenberger, lediglich zwei oder drei weitere Mitarbeiter, von denen einer den zweiten Arbeitsbereich "Schule für biblische Geschäftsprinzipien" betreut. Das "Institut" hat seinen Sitz in Biel in der Schweiz.

Das SLT-Programm wurde ursprünglich unter dem Titel "Strategic Life Training" von Dennis Peacocke und seiner Firma "Strategic Christian Services" (strategische christliche Dienstleistungen) ins Leben gerufen und wurde durch das "Institut für biblische Reformen" unter der Leitung von Herrn Walter Dürr, einem Pastor aus Biel (Schweiz) in den europäischen Markt eingeführt. Es beinhaltet weiterhin eine entscheidende Menge an Material von Dennis Peacocke.


Ziele des SLT-Programms

In der Broschüre zum SLT-Programm schreibt Herr Ellenberger, das Programm sei "dazu geschaffen worden, jungen Christen die Wahrheit des Wortes Gottes zu lehren und sie zu trainieren, die dadurch entdeckten Freiheiten zu nutzen, um den Herausforderungen der Zukunft aktiv entgegentreten zu können".

Der Internetauftritt des "Instituts" beschreibt das SLT-Programm als einen "Korrespondenzkurs, der Christen ausrüstet, den Herausforderungen unserer Gesellschaft aktiv entgegenzutreten und ihre Generation mit der Botschaft des Königreiches Gottes zu erreichen." Es geht es also um Lehre und Freiheiten, auf persönlicher Ebene. Diese sind anzuwenden auf Herausforderungen unserer Gesellschaft und das Erreichen dieser Generation mit der Botschaft des Königreiches Gottes.

Entsprechend sind die Lernbereiche zunächst auf persönliche Entwicklung ausgerichtet: "Denken lernen anhand von Prinzipien und Denkvoraussetzungen", Zeitmanagement, "sich auf ein Leben mit Strategie vorbereiten". Im weiteren Verlauf wird dann die Rolle des Einzelnen im Kontext seiner gemeindlichen, sozialen und politischen Umgebung hervorgehoben.

Das Programm ist demnach als Reaktion auf einen angeblichen, identifizierten Mangel in unseren Gemeinden zu verstehen: Einen Mangel an Lehre bezüglich der Wahrheit des Wortes Gottes, und fehlendes Training in der Nutzung unserer durch Jesus gewonnenen Freiheiten.

Ein sehr problematischer Aspekt des Programms ist die Annahme, jeder Christ sei dazu berufen, über seine persönlichen Ressourcen hinaus leitende und verwaltende Funktionen für Gott wahrzunehmen. Dies ist nicht auf die Gemeinde beschränkt, sondern umfaßt auch politische Bereiche. So beinhaltet das SLT-Programm Themen wie "Gottes Plan für Herrschaft, Regierung und Autorität entdecken": "Die Teilnehmer vertiefen das Verständnis von biblisch angeordneten Herrschaftsbereichen (Jurisdiktionen) und deren Funktionen und wenden dies in ihrem Leben an". Auch der Begriff "Denkvoraussetzungen" gibt wieder, daß Reich-Gottes-orientiertes Denken erst dann stattfinden könne, wenn bestimmte Voraussetzungen als wahr erkannt worden sind. Dazu gehört auch die Lehre, daß "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden" bedeutet, daß wir hier auf der Erde denselben Herrschaftsanspruch Gottes in die sichtbare Realität umsetzen sollen, den er im Himmel genießt.

Herr Daniel Ellenberger erklärt in der SLT-Broschüre, "wir beobachten, daß Gott eine neue Generation von christlichen Leitern und Verantwortungsträgern am vorbereiten ist, welche wie die alttestamentlichen Josef und Esther in unsere heutige Gesellschaft hineinwirken und auch zukünftige Bedürfnisse und Nöte anpacken können. Wir sind davon überzeugt, daß wir Reformation auf biblischer Basis in den unterschiedlichen Lebensbereichen sehen werden."

Ein kurzer Blick auf Josef und Esther zeigt, daß diese Propaganda nicht nur fraglich, sondern biblisch gesehen völliger Unsinn ist: Beide sind von Gott in Positionen versetzt worden, in denen sie innerhalb eines gottlosen Machtsystems einen Einflußspielraum genossen, durch den sie großen Schaden vom Volk Israel abzuwenden vermochten (bei Josef die Hungersnot in Kanaan, und bei Esther die Verfolgung der Juden). Beide wurden von Gott gebraucht, um sein Ziel im Hinblick auf Israel voranzutreiben, jedoch ohne jeglichen Einfluß auf die sie umgebende Gesellschaft, die gottlose Regierung oder sonstige geistlich relevante Bereiche zu hinterlassen. Geschichtlich gesehen hat es ohnehin nie einen Fall gegeben, in dem eine Nation "von oben herab" nachhaltig zu Jesus umgekehrt wäre.


Dennis Peacocke: Der Urheber des SLT-Programms

Die starke Ausrichtung auf den Anspruch der Christen auf staatliche Gewalt ist im englischsprachigen SLT noch klarer erkennbar. Dies ist kaum verwunderlich, denn der SLT-Urheber Peacocke sieht in der Politik eine wesentliche Ursache für die negativen Trends in unerer Gesellschaft. So schreibt er in einem Artikel im Wirtschaftsmagazin BusinessReform (1. September 2001): "Warum ist unsere Philosophie in bezug auf Regierung so wichtig? Unsere Regierungsphilosophie regt menschliche Kreativität und Produktivität an oder blockiert sie. Die Denksysteme, durch die wir Menschen und Dinge organisieren, sind wie Programme, durch die wir die Hardware eines Rechners steuern. Die Ausnutzung der vollen Kapazität der Hardwareressourcen ist beschränkt durch die Befehle, die vom Programm empfangen werden. Das ist exakt die Weise, in der die 'Programmierung' unserer Philosophie in bezug auf Regierungen funktioniert; wenn die Philosophie schwach ist, dann bleibt die maximale Kapazität der Organisation ungenutzt."*

Er geht noch weiter: "Aus diesem Grunde nannten Calvin und andere Reformatoren die zivile Regierung die höchste Berufung für einen Gläubigen auf dieser Erde, da es von diesem Amt des öffentlichen Dienstes geschieht, daß eine ganze Gesellschaft pastoral geleitet und regiert wird. Wo sind heute die Kirchen, die nach zukünftigen Regierungschefs Ausschau halten und sie trainieren? [...] Dies ist es, was die Kirche tun muß, wenn wir die Dinge wirklich verändern wollen."*

In seinem Buch "Winning the Battle for the Minds of Men" schreibt er sogar, die Trennung zwischen Kirche und Staat sei von vornherein nur darauf ausgerichtet gewesen, Christen in ein Ghetto zu verbannen und sie von den wirklich entscheidenden Dingen fernzuhalten in ihrem Bemühen, die Nationen zu Jüngern zu machen. Er bahauptet sogar, daß es die Aufgabe von Christen sei, Völker von den bestehenden Machtsystemen zu befreien: "Die Kirche kann nur dann kampflos zusehen, wie das Weltsystem die Menschheit kontrolliert, wenn sie ihren Führer betrügt und diejenigen, für deren Freiheit er starb, zur Sklaverei verdammt."*


Ein Mann, viele Gesichter

Es ist interessant, wie wenig Hintergrundinformation zum Urheber des SLT-Programms hierzulande verfügbar ist. Käme das Programm nicht aus Amerika, hätten deutsche Gemeinden und Organisationen längst Ihre Hausaufgaben gemacht, um die Integrität des Programms unter die Lupe zu nehmen.

Hier seine Selbstdarstellung, am 27. April 2004 per Email von ihm erhalten:

"Als einer der überzeugensten Sprecher unserer Zeit setzt sich Dennis Peacocke seit über 35 Jahren für soziale Gerechtigkeit ein. Während seines Studiums drückte sich dies durch sein Engagement in Bewegungen für Bürgerrechte und Meinungs- und Redefreiheit aus. Er absolvierte sein Studium in Politikwissenschaften in Berkeley auf dem Höhepunkt der turbulenten sechziger Jahre. Seit seiner Bekehrung 1968 gewann Dennis als Stratege internationale Anerkennung für seine einzigartige Weise, biblische Lösungen auf herausfordernde Aufgaben anzuwenden, denen Familien, Kirchen, Geschäfte und Zivilregierungen gegenüberstehen. Zuvor Inhaber eines Unternehmens, ist Dennis Gründer und Präsident der Strategic Christian Services ("strategische christliche Dienstleistungen"), einer nicht gewinnorientierten Organisation, die der Demonstration der Bedeutung des Königreiches Gottes in allen Bereichen des Lebens gewidmet ist. Er hat zwei Bücher geschrieben: Winning the Battle for the Minds of Men (in deutscher Sprache erschienen unter dem Titel: Die Schlacht um unseren Kopf), erschienen 1987, und Doing Business God's Way, veröffentlicht 1994. Er hat ebenfalls zahlreiche Audio- und Videovorträge aufgezeichnet. Dennis und seine Frau Jan wohnen in Santa Rosa, Kalifornien. Sie haben drei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder."*

Diese Darstellung ist zunächst durch den Stil interessant, der einem durchschnittlichen Europäer etwas arrogant erscheinen wird. Wenn er "einer der überzeugendsten Sprecher unserer Zeit" in den Angelegenheiten Gottes sei, warum wird er dann in christlichen Medien der USA kaum jemals erwähnt? Die einzige Zeitschrift, die regelmäßig Artikel von ihm abdruckt, ist die seiner eigenen Organisation ohnehin nahestehende "BusinessReform". Das Interessanteste ist jedoch, daß der Text keinerlei Bezug nimmt auf das extrem vielschichtige Leben dieses Mannes. Ebensowenig ist etwas von einem theologischen Hintergrund oder einer Ausbildung an einer Bibelschule zu lesen. Wichtige Verträge unterzeichnet er mit "Reverend" Dennis Peacocke, jedoch ist dieser Titel in den Vereinigten Staaten für einige hundert Dollar auch ohne Studium erhältlich. Ob Peacocke tatsächlich eine Ausbildung oder ein Fernstudium absolviert hat, darüber ist seitens einschlägiger Quellen keine Information verfügbar. Möglich ist es, macht jedoch für ihn selbst offenbar keinen nennenswerten Teil seines Selbstverständnisses aus, vom Titel "Reverend" an sich einmal abgesehen. Politik, Philosophie und Wirtschaft stehen deutlich im Mittelpunkt seiner Interessen, was sich auch in seinen Büchern und anderen Veröffentlichungen wiederspiegelt.

Ein Blick ins Internet läßt Peacocke als einen Mann mit den tausend Gesichtern erscheinen. Sein politisches und wirtschaftspolitisches Engagement steht auch hier im Mittelpunkt.

Staatlichen wie auch journalistischen Quellen aus den USA zufolge unterstützte er in den frühen achtziger Jahren die Propagandakampagnen von General José Efraín Ríos Montt in Guatemala, der seine Bekehrung verkündet hatte und politischen Einfluß im Lande zu gewinnen versuchte. Für Peacocke mußte er ein Hoffnungsträger gewesen sein; ein Christ in einer hohen Position in einem instabilen Land. Der General stürzte schließlich die Regierung und wurde zum blutigsten Diktator, den Guatemala bis heute erlebt hat. Er wird nicht umsonst mitunter "Guatemalas Pinochet" genannt. Peacocke hat sich selbstverständlich rasch vom Geschehen distanziert, als plötzlich Meldungen von den blutigen Massakern in den Medien auftauchten, aber an der fehlenden Auseinandersetzung mit dem eigentlich gutgemeinten Vorhaben und am weiteren Beharren auf dem Konzept, daß durch Christen geführte Minderheitsregierungen Gottes Plan für die Reformation nichtchristlicher Staaten seien, läßt sich erkennen, daß Peacocke diese Angelegenheit eher als einen tragischen Unfall behandelt, ohne daß danach eine Kursänderung erkennbar geworden wäre.

Zahlreiche Quellen zitieren Interviews, in denen er die Unfähigkeit der staatlichen Gewalt im Umgang mit der ständig wachsenden Krimialität kritisiert haben und deren Ersatz durch eine bewaffnete Freiwilligenmiliz aus christlichen Männern vorgeschlagen haben soll.

Dies deckt sich mit der Mitgliedschaft Peacockes in zahlreichen Gruppierungen, die dem "Rekonstruktionalismus" zuzuordnen sind. Dessen zentrale Botschaft ist, "macht euch die Erde untertan"; die Verantwortung der Christen, in allen Lebensbereichen an Gottes Stelle zu regieren, da Jesus den Sieg über Satan und dessen Herrschaft über die Erde bereits errungen habe.

Die vielen verschiedenen Quellen lassen zunächst vermuten, es handele sich stets um einen anderen Dennis Peacocke. Die Anzahl der Organisationen und Vereinigungen, in deren Publikationen er als Gründer, Mitbegründer, leitendes Mitglied oder Unterzeichner zentraler Dokumente erscheint, ist nur schwer zu fassen. Zunächst erscheint er ja in erster Linie in Zusammenhang mit seinem eigenen Unternehmen, Strategic Christian Services. Das nicht gewinnorientierte Unternehmen hat das Ziel, persönliche und gesellschaftliche Transformation zu fördern. Es geht nicht in erster Linie darum, Menschen für Jesus zu gewinnen, sondern darum, daß (a) Christen Ihre gottgegebene Verantwortung in der Gesellschaft annehmen und (b) in politischen und wirtschaftlichen Bereichen Einfluß gewinnen, um u.a. in diesen Bereichen strukturelle Prinzipien nach alttestamentlichen Texten der Bibel umzusetzen.

Zum zweiten gründete er gemeinsam mit Ex-Mun-Anhänger Jay Grimstead und anderen die "Coalition on Revival" (COR), eigenen Angaben nach eine Bewegung für "biblischen Gehorsam und Heiligung", ein zentrales Organ des "Rekonstruktionalismus".

Die COR basiert auf der Annahme, daß alle Gesetze (in der Gemeinde und auch in der Gesellschaft) biblischen Ursprungs sein sollten. In der Praxis arbeitet die COR daran, verschiedene politische Gruppierungen zu einem Konsens hinsichtlich der in der Offenbarung des Johannes skizzierten Phophezeiungen zu führen und diese Gruppierungen miteinander zu vereinigen. Auch die "Christian Coalition", die größte der rechtsgerichteten religiösen Gruppierungen in den USA, erhält Unterstützung durch die COR, die als eine Art innerer Zirkel viele rechtsgerichtete christliche Leiter in ihrem Steuerungskommittee vereint.

Die COR schildert als Ihr Ziel, "daß Christen überall alles tun, was ihnen in der Kraft des heiligen Geistes möglich ist, jeden Gedanken gefangenzunehmen im Gehorsam Christi (2 Cor. 10:5), in jedem Bereich des Lebens."* Zu diesem Zweck verfaßten sie sogenannte "worldview documents" (Weltanschauungdokumente), die die "fundamentalen und essentiellen Punkte der totalen christlichen Welt- und Lebensanschauung"* enthielten. Diese Dokumente enthalten Prinzipien für alle Bereiche menschlichen Lebens, einschließlich ziviler Regierung, und die Forderung an die Kirche, die Position an der Spitze aller Jurisdiktionen (Machtbereiche) in diesem Jahrhundert einzunehmen. Dies beinhaltet, "willige Untergebene" unter die Herrschafft des Königs zu bringen.

Weniger erfährt man über eine weitere von Peacocke gegründete Gruppierung, genannt "Anatole Fellowship". Ziel dieser Gruppierung ist es, politischen Einfluß innerhalb der republikanischen Partei in den USA zu gewinnen.

Weiterhin wird er als Gründer anderer Organisationen oder Gruppierungen genannt: "His Name Ministries" und "Alive and Free" (letztere Organisation hatte General Efrain Rios Montt einige Male als Gastredner eingeladen; beide Organisationen dürften heute nicht mehr bestehen).


Gehorsam und Hierachie

Um den Hintergrund des SLT zu verstehen, muß näher betrachtet werden, worin die "Strategie" liegt. Die wohl deutlichste Komponente dieser Strategie dürfte im Mentoring-Programm liegen, das den Kern des SLT darstellt. Dazu heißt es in der deutschsprachigen SLT-Broschüre: "Wir glauben, daß Gott uns im Rahmen von Beziehungen ausbilden möchte. Wir glauben auch, daß Wissen, Offenbarung und Verständnis von Generation zu Generation weitergegeben werden soll. Um dieser Beziehung Bedeutung zu geben, kann der Kurs grundsätzlich nicht alleine absolviert werden: Jeder Student braucht einen Mentor, der ihm als Rechenschaftspartner hilft, das Material zu verarbeiten und persönlich umzusetzen."

Da Mentoren den Kurs kurz zuvor, und dann nochmals gleichzeitig mit dem Studenten absolvieren, erscheint das Argument des "Generationentransfers" widersinnig. Das Konzept des Rechenschaftspartners entspricht eher dem, was sich im Verlauf des SLT-Programms tatsächlich zeigt.

Dieses Rechenschaftskonzept ist problematisch. Zum einen ist es unidirektional und hierarchisch. Der Student schuldet seinem Mentor Rechenschaft und Gehorsam. In der deutschen SLT-Propaganda ist dies weniger offensichtlich als bei der Mutterorganisation Strategic Christian Services, wo es in der SLT-Werbung heißt:

"Der Gehorsam ist eine Fähigkeit, die wir im Leben kultivieren müssen.
Jesus wies seine Jünger an, diese Fähigkeit zu kultivieren,
und die Nationen zu lehren, dasselbe zu tun."*

Während das "Kultivieren des Gehorsams" junge Menschen hierzulande fast an Slogans der Hitler-Jugend erinnert, soll genau dies mit den Mentoren in praktischen Schritten eingeübt werden. Mentoren haben ihrerseits wieder Mentoren, und diese Hierarchie setzt sich nach oben fort. Bei Leitern strategisch positionierter Gemeinden geht dies teilweise bis hin zu Dennis Peacocke selbst, der sich bewußt ist, was regelmäßiger persönlicher Kontakt von "ganz oben" als Streicheleinheit für die Motivation von Leitern bewirkt.

Dort, wo das SLT nicht durch die Gemeindeleitung gefördert wird, geht es an der Leitung vorbei. SLT-Mentoren übernehmen pastorale Aufgaben für Studenten und erwarten völlige Offenheit auch in bezug auf intime Probleme. Die SLT-Hierarchie ersetzt für den einzelnen in vielen Fällen seine Einbindung in die lokale Gemeinde und die Rechenschaft gegenüber den Ältesten. Natürlich werben die SLT-Veranstalter dafür, daß die Gemeindeleitung mit ins Programm einsteigt und daß das SLT-Programm durch Älteste, die zu Mentoren werden, gemeindeweit umgesetzt wird.

Ist dies allerdings - wie in den meisten Fällen - nicht gegeben, kann der SLT-Teilnehmer in eine isolierte Stellung gelangen. Je mehr sich der Student die Vorstellung verinnerlicht, daß er als einer von wenigen die vollständige biblische Weltanschauung genießt, desto mehr sinkt die Wertschätzung für die eigene Gemeinde und Freunde, die dem sich verändernden Weltbild nicht folgen können. Mentoren raten teilweise sogar dazu, bestimmte Freundschaften aufzugeben, da diese "hinderlich" für den weiteren Weg in die eigene Berufung sein könnten. Da das Programm darauf ausgerichtet ist, nicht nur Gehorsam, sondern zugleich Leiterschaftsfunktionen einzuüben, ist dies natürlich auch für den Mentor eine Art Übung — nur daß diese katastrophale Folgen haben kann, wenn ein möglicherweise in ein paar theoretischen Grundlagen geschulter, aber dennoch völlig unerfahrener Mentor derartigen Einfluß auf einen anderen Christen ausübt.

Das SLT ist also nicht nur ein Lehr- und Trainingsprogramm, sondern gleichzeitig ein Mentoring- und Jüngerschaftsprogramm. Der Urheber Peacocke ist selbst Mentor für andere und nimmt pastorale Aufgaben wahr. Das muß bei aufmerksamen Beobachtern ein gesundes Mißtrauen hervorrufen. Peacocke hat politische Analytik zum Hobby, ebenso wie Wirtschaftswissenschaften. Im SCS-nahen Wirtschaftsmagazin "BusinessReform" schreibt er regelmäßig über Ideen wie Geldtransfer (aus der Welt hinein ins Reich Gottes) und die Tatsache, daß geschäftlicher Erfolg mit biblischen Prinzipien nicht nur erreichbar, sondern auch vereinbar ist, und daß Gott selbst sein Reich als Quasi-Vorbild gestaltet hat, nach dem moderne Unternehmen arbeiten sollten. Studiert hat er Politikwissenschaften, und seine Steckenpferde sind Machtstrukturen, Finanzsysteme und die Frage, wie Christen in der Welt an Einfluß gewinnen können. Wie kommt es, daß hier niemand den offensichtlichen Interessenkonflikt bemerkt? Ist das Mentoring-Programm wirklich nur als Hilfmittel gedacht, oder geht es darum, hier eine Hierarchie aufzubauen? Die Antwort liegt sicher nicht im Propagandatext des deutschsprachigen SLT: "Angefangen hat das SLT mit einem Vater, der seine Kinder für ein offensives Lebes im Reich Gottes trainieren wollte."

Bei einem Lehr- und Trainingsprogramm im Stil des SLT wäre es ja eigentlich geradezu ideal, einem Studenten einen Mentor zuzuordnen. Aber eben einen Mentor, der nicht zur selben Zeit am selben Stoff arbeitet. Einen älteren, reifen und bewährten Christen, der die Sache von außen betrachtet und eine Balance fördern kann zwischen dem gelernten Stoff und der praktischen Umsetzung, die er bereits seit Jahrzehnten ausübt. So könnte das SLT Mentoring-Beziehungen innerhalb der Gemeinden fördern und den Generationentransfer wirklich umsetzen, anstatt diesen Begriff nur als Propaganda-Schlagwort in einem nicht zutreffenden Kontext zu nennen. Daß Mentor und Student jedoch am selben Stoff arbeiten und sich gegenseitig in ihren gleichgeschalteten Meinungen festigen, kann nicht Grundlage einer wirklichen Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten sein.

Das Mentoring-Konzept fördert unter anderem die Loyalität zum Programm. Auch wenn es nach außen hin so wirkt, als hätte jeder Teilnehmer stets die Möglichkeit, frei über eine Fortsetzung des Programms zu entscheiden, sind hier einige wichtige Faktoren zu bedenken. Junge Studenten befinden sich oft in einer Umbruchsituation, wo der persönliche Mentor eine stabile Beziehung bietet, aber auch einen hohen Druck ausüben kann. Oft ist der Mentor die einzige Person, mit dem ein Student ein völliges Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Viele Studenten haben sich durch die mangelnde Verfügbarkeit von Hochschulplätzen in Wohnortnähe mit einer neuen Umgebung zu arrangieren und verfügen kaum über soziale Kontakte außerhalb des SLT-Netzes. Aussteiger des Programms werden von Mentoren und anderen SLT-Teilnehmern teilweise als Christen zweiter Klasse behandelt oder gemieden, was für viele Teilnehmer die schlimmste Vorstellung ist in einem Alter, wo das Angenommensein nachweislich einen extrem hohen Stellenwert im Leben des einzelnen einnimmt.


Wie paßt das alles zusammen?

Während sich einzelne Punkte des SLT-Programms einigermaßen plausibel verteidigen lassen, ist der insgesamt zu beobachtende Trend des SLT-Programms kaum als biblisch einzustufen. Zu viele Faktoren lassen entscheidende Mängel oder gar vorsätzliche Manipulation biblischer Grundlagen erkennen.

Zunächst ist es unstrittig, daß einem Lehrer im biblischen Sinne nur dann Glauben geschenkt werden sollte, wenn dessen Lehre einwandfrei und dessen Lebenswandel transparent und biblisch fundiert ist. Das ist bei Dennis Peacocke eindeutig nicht der Fall. Er vermischt parteipolitische und wirtschaftliche Konzepte mit alttestamentlicher Lehre, die Jesus nicht bestätigt. Israel, von dem die meisten durch Peacocke zitierten Passagen sprechen, ist eine Nation hier auf Erden; aber das Königreich, von dem Jesus spricht, ist nicht von dieser Welt. Peacocke spricht davon, daß wir auf dieser Welt dafür verantwortlich sind, an Gottes Stelle und in Gottes Namen politische Macht auszuüben. Das hat Jesus nie gepredigt — im Gegenteil. Peacocke spricht davon, daß staatliche Geldentwertung Diebstahl am Volk sei, demgegenüber sagt Jesus trocken: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist; und gebt Gott, was Gottes ist. Peacocke kämpft für die Erkenntnis, daß das Reich Gottes physikalisch sichtbar werden muß, aber Jesus sagt deutlich, daß es nur die sehen können, die von neuem geboren sind. Laut Peacocke plant Gott, die Nationen von Parlamenten und Führungsetagen aus zu verändern. Jesus hingegen suchte sich Fischer und aß mit den Verachteten. Peacockes Konzept der "Erweckung von oben" geht daran vorbei, daß Jesus und seine Jünger "von unten" diese Welt nachhaltiger verändert haben, als es je ein anderes Ereignis in der Weltgeschichte tat.

Als nächstes kommen wir zur alten Frage nach den Finanzen. Das SLT-Programm wird nicht durch Spenden, sondern durch eine Kursgebühr finanziert. Rabatte für Wenigverdiener gibt es nicht. Die Materialien sind nur im Zusammenhang mit dem Kurs erhältlich, sind kopierrechtlich geschützt und dürfen nicht vervielfältigt werden. Der Kurs wird zentral von der Schweiz aus organisiert und durchgeführt. Es gibt keine Ansätze, das Programm zukünftig Gemeinden zur Verfügung zu stellen, die den Kurs dann lokal oder regional durchführen könnten. Jeder Teilnehmer nimmt zweimal an einer Intensiv-Woche in der Schweiz teil. Dies alles kostet Geld.

Den SLT-Veranstaltern dienen die Kursgebühren allerdings nicht nur als Einkommensquelle: Die Hemmschwelle für einen Abbruch des Programms ist allein durch die beachtlichen finanziellen Implikationen sehr hoch. Das Programm richtet sich ja in erster Linie an junge Erwachsene, die meist im Studium stehen und finanziell kürzer treten müssen. Wer in einer solchen Situation bereits zu Beginn mehrere hundert Euro auf den Tisch legen muß, will diese Investition ungern verlieren.

Der Veranstalter weist im Zusammenhang mit dem Wert des Kurses für den einzelnen darauf hin, daß Gott Christen durch diesen "Dienst" in Ihre Berufung führen will — und behandelt den Kurs andererseits als eigene Dienstleistung, die bezahlt werden muß. Es ist fraglich, ob Gott diesem Kurs einen ähnlich hohen Stellenwert einräumen würde wie der Veranstalter, und ob der Stoff, den man genausogut in ein Taschenbuchformat bringen könnte, tatsächlich 1700 Euro wert ist. Es wird sich daran zeigen, ob die Erweckung in Europa stattfindet oder nicht.

Ein interessantes Experiment wäre das Auswechseln des eigentlichen Stoffes. Man nehme ein beliebiges biblisch fundiertes Buch über "missionarischen Lebensstil", "ansteckendes Christsein" oder wie auch immer das aktuelle Mode-Schlagwort in der christlichen Szene gerade heißt. Man suche sich einen Mentor und verbringe eine Woche mit dieser Person, dem Buch und der Bibel. Und mit ein paar anderen Christen, die dasselbe Buch auch gerade studieren. Anschließend treffe man sich alle 14 Tage mit dem Mentor und lasse sich korrigieren und motivieren in bezug auf das alltägliche Einüben dessen, was das Buch lehrt. Nach einem Jahr wiederhole man die Woche mit dem Mentor, dem Buch, der Bibel und den anderen. Und hänge noch ein Jahr des Einübens und des ständigen Austausches mit dem Mentor dran. Ich wage die Voraussage, daß das Leben dessen, der diesen Zeitaufwand in Kauf nimmt, um durch dieses Buch und das Umsetzen des gelernten Stoffes transformiert zu werden, ebenso nach zwei Jahren sagen wird, dieses Programm habe sein Leben verändert. Die Kunst liegt darin, Menschen zu solchen Maßnahmen zu motivieren. Das Programm selbst ist dann nicht mehr entscheidend.


Marktnische Persönlichkeits-Coaching

Obgleich das Programm noch nicht lange genug in Europa verfügbar ist, um nachhaltige Frucht an den Tag zu legen oder nicht, ist durch erkennbare Assoziationen erkennbar, in welche Richtung sich die Strategie entwickelt. Hierbei können wir selbstverständlich nur solchen Assoziationen nachgehen, die der Veranstalter des SLT-Programms selbst als gegeben anerkennt. Hierzu lassen sich die von der Website des Veranstalters "Institut für biblische Reformen" gesetzten Links auf andere Werke und Firmen zu Rate ziehen, da es als anerkannt gilt, daß ein Link zumindest den Stellenwert einer Empfehlung einnimmt.

Für ein christliches Werk sind die Empfehlungen ernüchternd. Da gibt es eine Firma aus dem Coachingbereich. Coaching für Unternehmen, Management-Software und Persönlichkeits-Coaching gehören zur Produktpalette. Kurz danach findet sich das PMT (Power Management Team). Dies ist eine Firma, die alles zum Thema Persönlichkeitsentwicklung anbietet. Dabei wird mit Schlagworten gearbeitet: Persönlichkeit entwickeln, Berufung entdecken, Begabung entfalten, neue Freiheit erfahren... bis hin zu Leben gestalten, Visionen entwickeln, Menschen gewinnen. Dieses Unternehmen besteht unter anderem aus Leuten wie Rainer Wälde, ehemaliger ERF-Moderator und Inhaber eines Unternehmens zur Image-Beratung, das zum Thema hat: "Wie kann ich das Bild, das andere von mir haben, positiv beeinflussen?" Kaum ein biblischer Gundgedanke.

Das PMT ist damit auf derselben Wellenlänge wie die "Strategic Christian Services" und das "Institut für biblische Reformen" — und es ist klar erkennbar, daß das "Institut" sich und das SLT-Programm selbst im Kontext solcher Persönlichkeits-Coaching-Angebote sieht.

Diese Ausrichtung ist vermutlich das schwerwiegendste Problem des SLT-Programms, obwohl es auch das am schwersten zu dokumentierende ist. Zum einen werden ständig Begriffe wie "Berufung" und "Königreich Gottes" gebraucht, aber zum anderen ist der Aspekt des Lebens in Abhängigkeit von Gott von der Vielzahl der Prinzipien und Strategien mit ihren unzähligen Möglichkeiten praktisch verdrängt worden. An die Stelle des "echten" Generationentransfers (in dem die Erfahrung älterer Generationen die jüngere Generation im Reifeprozeß begleitet) tritt eine "Abkürzung": Von älteren Generationen erkannte Prinzipien und Strategien werden von der nachfolgenden Generation zwei Jahre lang fieberhaft eingeübt, so daß in entscheidenden Situationen die zu erwartenden Denk- und Handlungsmuster vorgegeben sind und nur aus dem Gedächtnis abgerufen werden müssen. Ein Scheitern dieser Prinzipien und Strategien ist in den Augen der SLT-Anbieter praktisch ausgeschlossen, da diese Prinzipien biblisch fundiert und dokumentiert sind, und daher per Definition dem Willen Gottes entsprechen.

Persönlichkeits- und Image-Coaching ist ein äußerst zukunftsträchtiger Markt. In einer Zeit, in der die meisten Menschen ihre Rolle innerhalb ihrer Umgebung nicht mehr klar definieren können, sind Angebote willkommen, die es erlauben, auch in schwierigen Situationen sicher und entschlossen auftreten zu können, weil Verhaltensweisen, Denkweisen und Meinungen zuvor eingeübt worden sind. Entschlossenheit, erfolgreiches Auftreten und ähnliche Werte stellen ohnehin einen aktuellen Trend unter Christen dar. Im Marketing des SLT und vieler ähnlich ausgerichteter Programme und gar ganzer Gemeinden finden sich mehr und mehr dieselben Gesichter wie in der säkularen Werbung auch: Jung, dynamisch, entschlossen, erfolgreich. Dadurch werden die Erwartungen Außenstehender an die Kirche ebenso fehlgeleitet wie unsere eigene Sichtweise unserer Gemeinden sowie der primären Zielgruppe, an die Jesus selbst sich wandte. Obdachlose, sichtbar Kranke und andere Randgruppen trauen sich in eine nach außen hin starke, dynamische Gemeinde von scheinbaren Erfolgsmenschen kaum hinein, und erwarten auch nicht, daß sie dort verstanden, angenommen oder gar geliebt würden. Doch der Herr ist in den Schwachen mächtig, und noch immer sind es meist einfache Menschen, die Gott in wunderbarer Weise gebraucht, um sein Reich zu bauen. Diese Tatsache zu verdrängen, wäre ein Raub am Leib Christi.


Berufung

Zu der Abkürzung, die eine Persönlichkeitsentwicklung durch ein kurzzeitiges, intensives Studium statt durch einen langjährigen Reifeprozess verspricht, fügt Walter Dürr, Leiter des "Instituts", hinzu: "Es wird Zeit, dass unsere jungen Christen nicht in den Zeitgeist verfallen, dass sie noch mit 35 herumirren und nicht wissen, was ihre Berufung ist." Biblisch ist dies schwer einzuordnen, da die Berufung nicht etwas ist, das Christen dadurch erkennen, daß sie ihre Weltanschauung ändern oder einen Kurs besuchen. Einige Zeit waren ja viele Gemeinden gar der Meinung, ein Gabentest sei ein Berufungstest. Kurze Zeit später hat man diese Haltung aufgegeben und begonnen, den Unterschied zwischen Gaben und Berufung wieder neu anzuerkennen. Mose hat seine Berufung erst im Alter von etwa 55-60 Jahren erhalten; und er zögerte selbst dann genau deshalb, weil seine Gaben sich nicht mit der Berufung zu decken schienen.

Nun ist die Frage, ob das SLT-Programm seinen Teilnehmern tatsächlich helfen kann, ihre Berufung zu erkennen. Dies ist zu bezweifeln — aber das wird dem einzelnen nicht sofort auffallen. Denn der erfolgreiche Teilnehmer wird tatsächlich mit einer "Berufung" konfrontiert. Dies ist zwar keine persönliche Berufung, aber eine verstandesmäßig einleuchtende, für alle gleichermaßen gültige Quasi-Berufung, die auf dem neu erlernten Weltbild basiert: Jeder von uns sei berufen, die Welt unter die Herrschaft Gottes zu bringen. Kein langes Warten und Ringen mit Gott; die Berufung ist klar, die Frage ist, ob der einzelne sie annimmt, dort wo er steht. Es muß keine Liebe investiert und keine Reife im Glauben erlangt werden. Die Strategien stehen fest, die Prinzipien sind als bewährt etabliert.


Schlußfolgerungen

Wie so oft wird hier ein Programm angeboten, das einen langwierigen Prozeß und einschneidende Veränderungen im Lebensstil von Christen komprimieren will. Der Urheber ist — wie wohl jeder — aufgebracht über die soziale Ungerechtigkeit in der Welt. Er sehnt sich danach, Gottes Gerechtigkeit spürbar zu erleben. Mit Macht- und Kontrollstrukturen in Wirtschaft und Politik besser vertraut als mit der Bibel, erscheint es ihm einleuchtend, daß eine spürbare Wende tatsächlich machbar wäre, wenn genügend Christen weltweit von der Vision angesteckt werden würden. Geworben wird damit, daß die Berufung für den einzelnen in greifbare Nähe rückt. Welcher junge Christ sehnt sich nicht danach? Die Kontrollmechanismen werden durch das Mentoring-Programm wahrgenommen und eine neue Weltanschauung wird vermittelt. Dadurch haben alle dieselben gedanklichen Grundvoraussetzungen und die geistige Gleichschaltung ist weitgehend erfolgt. Teilnehmer nehmen ihre Umwelt anders wahr als zuvor, Beziehungen rücken in der Prioritätenliste abwärts. Die Gemeindevision verschwindet hinter der persönlichen Neuausrichtung. Es entwickelt sich beim SLT-Teilnehmer die Haltung, die eigene Gemeinde erfülle ihre Berufung nicht, da sie nicht effektiv genug in Bereiche wie Politik und Wirtschaft hineinwirke und andere Lehrbereiche des SLT-Programms ebenfalls nicht umsetze.

Das SLT ist sicherlich keine gefährliche religiöse Gruppierung, die Personen langfristig in Abhängigkeit zu führen droht. Dennoch scheint der Grundbegriff "Sekte" zumindest auf die amerikanische Version des SLT anwendbar, wo Irrlehren (wie der Auftrag an Christen, die Erde politisch zu beherrschen), offener gelehrt werden als in der deutschsprachigen Version. Innerhalb der rechtsgerichteten christlichen Gruppierungen in den USA ist zudem mehr Vermischung gegeben mit äußerst bedenklichen Inhalten, die über das SLT-Lehrmaterial weit hinausgehen. Dennoch kann das Programm auch hier einzelne Personen durch die Definition unrealistischer Erwartungen nachhaltig belasten und zur Schädigung von Beziehungen führen. Gerade der Ansatz, jeder Christ sei zum Leiten aufgefordert, kann einen hohen Druck ausüben, wobei neben Stress (Stimulationsphase) und Depressionen (Resignationsphase) auch psychosomatische Beschwerden als Folgen denkbar sind.

Auf organisatorischer Ebene ist festzustellen, daß Mitarbeiter und Befürworter des europäischen SLT-Netzes nicht unbedingt Kenntnis vom Hintergrund des Programms haben, für das sie sich einsetzen. Dem Programm wird teilweise mit viel Enthusiasmus und Begeisterung begegnet, so daß eine ausführliche Auseinandersetzung unter Zuhilfenahme verschiedenster Quellen selten stattfindet.

Abschließend muß deutlich darauf hingewiesen werden, daß dieses Programm abgesehen von Folgen für Teilnehmer und Gemeinden auch mögliche nachhaltige Konsequenzen für das Erscheinungsbild und das "Image" der Christen in Mitteleuropa nach sich tragen kann. Es geht nicht zuletzt darum, Christen darauf vorzubereiten, Führungspositionen in Politik und Wirtschaft einzunehmen. Während es oft auf den ersten Blick als positiv bewertet wird, wenn mehr christliche Verantwortungsträger die politische Landschaft bestimmen, könnte der Ansatz des SLT-Programms von beobachtenden Instanzen außerhalb der christlichen Szene durchaus als demokratiefeindlich und damit gar verfassungswidrig eingestuft werden. Diese Betrachtungsweise folgt klaren, logisch leicht nachvollziehbaren Beobachtungen. Christen gezielt in entscheidende Positionen zu bringen bedeutet, daß der prozentuale Anteil der christlich motivierten Entscheidungsträger über dem gleichgesinnten Bevölkerungsanteil liegen würde. Es geht also nicht um eine angemessene Vertretung der Interessen einer christlichen Minderheit, sondern um eine beabsichtigte Überrepräsentation christlicher Interessen innerhalb des demokratischen Regierungssystems, die zur Beeinflussung der gesamten Gesellschaft angestrebt wird. Kritiker christlicher Einflüsse in der Gesellschaft würden Christen der "Unterwanderung" der Politik und der "Verzerrung" der politischen Interessenlandschaft beschuldigen, und das zu Recht, sollte das Konzept aufgehen.

Es ist sicherlich nicht so, daß die gegenwärtige Demokratie ein in irgendeiner Weise ideales oder gar göttliches System darstellt; aber eine verstärkte Vertretung christlicher Interessen erreicht man biblisch gesehen kaum durch die gezielte Positionierung von Christen in strategisch interessanten Funktionen. Hier ist das SLT-Programm in seinen sogenannten Denkvoraussetzungen alttestamentlich geprägt und erinnert an ein Zeitalter, als Israel unter einem gottesfürchtigen König in Frieden und Wohlstand lebte, während gottlose Herrscher Verderben über das Volk brachten. Im neuen Testament ist durch den Zugang des einzelnen zur Gnade Gottes eine völlig andere Situation gegeben. Jesus hat seine Jünger nie aufgefordert, durch Aufstieg im weltlichen Wirtschafts- und Regierungssystem das Reich Gottes auf Erden zu etablieren, sondern hat dort angefangen, wo auch die Demokratie ihre Wurzeln haben sollte: An der Basis, beim Einzelnen. Wenn viele Wähler zu Jesus umkehren, dann wird sich dies zwangsläufig in der Regierung wiederspiegeln. Dies ist eine große Chance, aber auch eine ebenso große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Jeder Versuch einer Abkürzung, jeder vermeintlich leichtere Weg ans Ziel ist Manipulation und Mißachtung der von Gott eingesetzten Autorität — und damit Sünde.

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andy
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Beitrag von andy »

Habe mir das nicht alles durchlesen können, halte die Gefahr aber für real. Viele evangelikale Gemeinden sind sehr offen für diese Welle. Das Hauptwerk mit Sitz in der Schweiz nennt sich "Institut für biblische Reformen" und hat auch eine zweite Schiene, die sich gezielt an einflußreiche Leute in der Wirtschaft richten soll.

Der Begriff "Reformen" bezieht sich eindeutig auf reformen in der Gesellschaft, die auf biblischen Prinzipien basieren sollen. Was die mit "Prinzipien" meinen, ist auch eigenartig. Das "Institut" (wenn man einen so kleinen Laden so nennen kann) geht davon aus, daß Beziehung zu Gott nicht entscheidend ist, wenn es um diesseitige Dinge wie z.B. um "Saat und Ernte" geht. Wenn also ein muslimischer Geschäftsmann 10% seines Gewinns dem Gemeinwohl zukommen läßt, dann kann er angeblich denselben wirtschaftlichen Segen erwarten wie ein Christ, der dasselbe tut.

Peacocke?!

Ich habe im Überliegen des Textes den Namen Dennis Peacocke gesehen. Ich habe mal ein Buch von ihm gelesen, das vor Rekonstruktionismus nur so triefte. Es sei unsere Verantwortung, weltliche Macht an uns zu reißen und an Jesu statt zu regieren, bis er wiederkommt. Dazu reicht ihm politische Macht auch nicht aus. Grundsätzlich sollten nach P. alle Gesellschaftsbereiche christianisiert werden. Die verwendete Sprache ist derart radikal, daß man durchaus versteht, daß hierzu zur Not auch Zwangsmaßnahmen in Frage kämen, wenn die Christen erst einmal den entsprechenden politischen Einfluß hätten, um so etwas durchziehen zu können. Bei so etwas wird einem erst recht schlecht, wenn man sich ansieht, wer alles auf diesen Unsinn hereinfällt.

JMEM und Rekonstruktionismus...

Als erstes dürfte es erschrecken, daß das besagte Buch von niemand anderem herausgegebe wurde als dem bekannten Missionswerk "Jugend mit einer Mission" bzw. "Youth with a Mission" (JMEM/YWAM). Gegenüber der ersten Ausgabe (die ich habe) wurden in der zweiten Ausgabe, wie ich gehört habe, einige Sachen in politisch korrekterem Deutsch umschrieben... Angst vor dem Verfassungsschutz? ;o)

Allerdings ist es dann auch wieder nicht ganz so erstunlich, daß JMEM dahintersteckt - wenn man sich überlegt, daß JMEM selbst Leute wie Landa Cope beherbergt (die in deren "Univerität der Nationen" einen hohen Posten innehat). Diese Frau behauptet, eines Tages mitten auf der Landstraße eine besondere Offenbarung Gottes erhalten zu haben, daß die Lösung alltäglicher Probleme (z.B. Kriminalität) und die Antwort auf die Entgleisung der Gesellschaft darin liegt, daß Christen ihre Verantwortung zu regieren ernstnehmen müssen und die Welt dem mosaischen Gesetz unterwerfen sollen. Irgendwie erdichtet auch diese Dame - ebenso wie Peacocke -, daß das alte Testament die Grundregeln für alle Gesellschaftsbereiche bereithält.

Netzwerke...

Eine Gefahr dieser neuen Strömung liegt unter anderem darin, daß sie sich nicht an den etablierten Strukturen orientiert. Ebenso wie Alpha und Rick Warren's Programme wird dieses SLT-Programm ebenso an Gemeindeleitungen vorbei direkt an einzelne Christen vermarktet, die dann jeweils in ihren eigenen Gemeinden als Multiplikatoren dienen sollen. Es ist eher eine "Unterwanderung" zu beobachten als eine breite Akzeptanz durch die Leiter der Gemeinden. So finden die Propagandisten dieser neuen Richtung auch bevorzugt in außer- oder zwischengemeindlichen Veranstaltungen als Gastredner ihr Publikum. Hauptorgane der Propaganda sind zwischengemeindliche (und damit keiner bestimmten Gemeineleitung unterstehende) Hauskreise oder das in Berlin stattfindende "Transforum", das nach außen hin lediglich das Ziel hat, Gemeinden in Berlin zur gemeinsamen evangelistischen Tätigkeit anzuregen. Doch von einem Berliner Christen hörte ich im Nachhinein, daß es weitgehend eine Werbeveranstaltung für Peacocke's Werk gewesen sei - Peacocke selbst sei einer der Redner gewesen.

"Transformation"

Letzten Endes ist die Offenheit der Christen für eine solche Idee der weltlichen Machtübernahme durch Christen ("Himmel auf Erden") nicht über Nacht aufgetaucht. Bereits einige Jahre zuvor wurden in vielen Gemeinden Videos namens "Transformation" gezeigt, die zeigen sollten, wie ganze Landstriche durch Erweckungen komplett umgekrempelt wurden. Unter anderem wurde Uganda als Beispiel dargestellt, wie ein Land zu Gott umkehrt und Versöhnung, Frieden und Wohlstand Einzug halten. Wer je in Uganda war, weiß, daß dieses Land Kriegs- und Krisengebiet ist und an den blutigen Kämpfen unter anderem "christliche" Rebellen beteiligt sind, die genau das wollen, was Peacocke, Cope und Co. predigen: Die weltliche Macht gehöre in die Hände von Christen. Wenn dem so sein sollte, dann gute Nacht!

Wer was zum Lachen oder Weinen braucht:

Peacocke's Website:
http://www.gostrategic.org/
Landa Cope's Website:
http://www.ottemplate.org/ (funktioniert nicht immer)

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