Hallo, lieber Werner,
also einen Link habe ich schon, aber es handelt sich um einen Vortrag in mp3-Form, keinen Artikel:
http://www.archive.org/details/MenOfWho ... sNotWorthy
Dort lädtst Du Dir den Vortrag über Lloyd-Jones herunter. Er spricht zwar darin über Lloyd-Jones, für mich war es aber eine weitaus größere Offenbarung über John Piper selbst als über den Doctor. Übrigens ist die ganze Vortragsreihe äußerst empfehlenswert. Wenn man John Pipers Schwachstellen übersieht (genau wie die Calvins, von wegen Säuglingstaufe u. ä.), kann man von seinen Predigten sehr viel profitieren. Die Reihe über „Prayer and Fasting“ ist z.B. auch recht profitabel, wenn man bei seinen positiven Zitaten von Richard Foster die Zähne zusammenbeißt und bei der Solidaritätsbekundung mit Bill Bright schnell weiterspult ;^)
Bitte versteh mich nicht falsch, ich habe eine sehr hohe Meinung sowohl von John Piper, Mark Dever als auch von einigen der eher charismatischen Calvinisten. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich aus John Pipers und C.J. Mahaneys Predigten das Evangelium der Gnade und Barmherzigkeit Gottes um einiges deutlicher heraushöre als von einigen bekenntnistreuen Reformierten, die mir scheinen, als hätten sie ihren Schwerpunkt auf das Gesetz und auf die herzlose Bekanntmachung theologischer Richtigkeiten verlegt, während ich bei diesen Brüdern eine wirkliche Herzensfrömmigkeit finde, die aus Christus lebt, Gottes Barmherzigkeit betont und in die Beine und Hände geht.
Ja, ich glaube, diese Konferenz wird einflussreich sein, erstens wegen der hohen Erwartungen, die damit verbunden waren und - wenn man den einschlägigen Blogs glaubt - auch erfüllt wurden, zweitens ist sie aber, glaube ich, nur eine von mehreren Bemühungen von cessationistischer und non-cessationistischer Seite in den USA, im "calvinistischen Lager" zusammenzurücken. Wenn Du z.B. auf
www.resolved.org schaust, siehst Du, dass John MacArthurs Grace Church auch C.J. Mahaney als Redner eingeladen hatte zu einer Jugendkonferenz. Das alles sind - zumindest von seiten Grace Church und Co. - meines Erachtens Veränderungen in der Policy. Wenn Du möchtest, geh auf
http://www.tms.edu/audio.asp?ministry_i ... mit=Submit . Dort findest Du Seminarvorträge von 2004 am Master´s Seminary, in denen eine klare Stellung bezogen wird zum Thema Non-Cessationism. Ob das jetzt noch so aktiv gepredigt wird (geglaubt wird es sicher noch), vermag ich nicht zu sagen. Es macht mich nur etwas nachdenklich, da auch in meiner Brust zwei Herzen schlagen: Ich sehe das Verderben, das durch die charismatische Bewegung in konservativen Gemeinden angerichtet wurde, auch das Unheil, das angerichtet werden kann, wenn wir von unserer cessationistischen Linie selbst abweichen, aber ich sehe auch liebe Brüder in Christus andererseits bei den Charismatikern und Pfingstlern, die verstärkt nach biblischer Lehre fragen und in der Bibel forschen und die uns zum Teil eine ganze Menge zu sagen haben, das wir wieder neu hören müssten. Oder die sich um Themen kümmern, die von den ständig mit "anderen Dingen" beschäftigten Reformierten in Deutschland vernachlässigt wurden, wie z.B. biblische Seelsorge. Wenn man sich über Bekenntnisfragen und Eschatologie zoffen muss, dann hat man unter Umständen eben keine Zeit mehr für solche "Nebensächlichkeiten" wie biblisches Arbeiten an Bulimikern oder Fragen wie z.B. "Wie helfe ich einem Teenager, von der Selbstbefriedigung loszukommen?" Entgegen dem, was man rückschließen könnte, wenn man die heutigen „Neo-Puritaner“ beobachtet, haben sich die alten Puritaner sehr wohl unter Einsatz ihrer eigenen Heime, Freizeit und sonstigen Resourcen um die seelisch Kaputten, die Angefochtenen, usw. gekümmert. Schaust Du auf
www.biblische-seelsorge.net, so wirst Du im Impressum entdecken, dass im deutschen Sprachraum die gute, biblische Nouthetic-Counselling-Linie (Jay Adams und Co) hauptsächlich von den charismatisch-calvinistischen Brüdern angestoßen wird. Warum wohl? Wo bleiben die „experiental Calvinists“ bei den klassisch Reformierten in Deutschland?
Wie gesagt, ich tue mich manchmal auch etwas schwer, das Evangelium so leicht zu entdecken in Predigten mancher konservativen Bekenntnisreformierten, stattdessen dauernd nur Imperative (die sicher auch wichtig sind, aber eben nicht allein), kalten Intellektualismus (bestimmt genausoschlimm wie das Gegenteil, den Anti-Intellektualismus) und dauernde Verweise auf die Bekenntnisse, zu denen Nicht-Reformierte ohnehin keinerlei Bezug haben. Darum kann ich schon einen Punkt darin sehen, wie John MacArthur, Rick Holland, Mark Dever und wie sie alle heißen, mit den Non-Cessationists etwas näher zusammenzurücken. Darum ist es für mich keine rhetorische Frage, ob wir darin MacArthur folgen sollen oder nicht, sondern eine echte.
Doch, ja, ich sehe den Unterschied zwischen unseren transatlantischen Freunden im Land der unbegrenzten (auch „reformierten“) Möglichkeiten und unserem Land mit seinem lehrlosen pietistisch-charismatisch-neoevangelikalen Einheitsbrei. Aber trotz unserer geringen Zahl bringen auch wir tollen Reformierten es auf die Reihe, alle möglichen und unmöglichen exotischen Sonderformen unserer großen Bewegung auch in Deutschland heranzuzüchten. Wir haben Hypercalvinisten, Rekonstruktionisten, ansatzweise vielleicht auch schon Patriachalisten, und ich würde fast darauf wetten, dass es, wenn es irgendeinem Calvinisten mit dem bisher Bekannten zu langweilig wird, er die New Perspective on Paul nach Deutschland importieren wird. Vor solchen unerwünschten Sonderlehren können wir nur durch Gottes Gnade bewahrt werden und wenn wir unsere Verantwortung wirklich wahr nehmen, einerseits klar und biblisch zu lehren (wie es uns Leute wie John MacArthur, Stuart Olyott & Co beispielhaft vormachen) und andererseits nicht unser Herz vernachlässigen, indem wir ihm täglich das Evangelium selbst predigen (noch bevor der erste Fuß aus dem Bett ist) und uns um eine sehr lebendige Beziehung zum Herrn mühen. In letzterem Bereich mögen wir unter Umständen eine Menge von solchen lernen können, die uns in Sachen Geistesgaben, Anbetungsmusik und ähnlichen Themen zu Recht nicht gerade nahe stehen.
Und sicher, als „optimistischer Amillennialist“ sehe ich auch die positiven Entwicklungen, die Du mit Verax, 3L und ähnlichen aufzeigst, mit viel Freude. Doch wir müssen trotzdem aufpassen, dass sich das „Ihr liefet gut...“ nicht doch zu bald auf uns anwenden lässt. Unseren alten Adams ist nicht zu trauen.
Brüderlicher Gruß,
Christoph