Evangelium nicht zur Buchreligion machen

Aktuelle Entwicklungen und Vorkommnisse in der Christenheit

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Jörg
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Evangelium nicht zur Buchreligion machen

Beitrag von Jörg »

In der aktuellen IDEA Ausgabe (Nr. 7/2009) las ich folgendes: "Gegen ein fundamentalistisches Bibelverständnis wendet sich der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Christoph Morgner (Kassel). Das Evangelium dürfe nicht zu einer Buchreligion gemacht werden.... Nach Ansicht Morgners drücken Begriffe wie bibelgläubig, bibeltreu und schriftgläubig nicht nur hohen Respekt gegenüber der Heiligen Schrift aus, sondern signalisieren auch eine Schwerpunktverlagerung: Die Bibel bekomme für den Glauben denselben Stellenwert wie Christus. Die Vertreter dieser Überzeugung konzentrierten sich auf den Nachweis, dass die Bibel keine Fehler enthalte. Damit werde die Bibel zu einem Buch degradiert, dessen Geheimnisse man mit Hilfe der Vernunft entschlüsseln könne: "Das ist Bibelkritik von rechts."

Was haltet Ihr von dieser Aussage? Mich irritiert vor allem, dass man die Schrift und Christus trennt. Oder deute ich den Text falsch? Gruß Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

lutz
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Beitrag von lutz »

Hallo Jörg,

schau doch mal hier:

www.theoblog.de/?p=2661#comments

Ron Kubsch hat vor kurzem gerade dazu auch geschrieben.

Lutz

Gast

Re: Evangelium nicht zur Buchreligion machen

Beitrag von Gast »

Jörg hat geschrieben:In der aktuellen IDEA Ausgabe (Nr. 7/2009) las ich folgendes: "Gegen ein fundamentalistisches Bibelverständnis wendet sich der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Christoph Morgner (Kassel). Das Evangelium dürfe nicht zu einer Buchreligion gemacht werden.... Nach Ansicht Morgners drücken Begriffe wie bibelgläubig, bibeltreu und schriftgläubig nicht nur hohen Respekt gegenüber der Heiligen Schrift aus, sondern signalisieren auch eine Schwerpunktverlagerung: Die Bibel bekomme für den Glauben denselben Stellenwert wie Christus. Die Vertreter dieser Überzeugung konzentrierten sich auf den Nachweis, dass die Bibel keine Fehler enthalte. Damit werde die Bibel zu einem Buch degradiert, dessen Geheimnisse man mit Hilfe der Vernunft entschlüsseln könne: "Das ist Bibelkritik von rechts."

Was haltet Ihr von dieser Aussage? Mich irritiert vor allem, dass man die Schrift und Christus trennt. Oder deute ich den Text falsch? Gruß Jörg
Tatsaechlich teile ich einen Teil der Kritik des Praeses so wie ich sie verstehe. Die Schrift ist tatsaechlich NICHT ein Buch, dass mit Hilfe der Vernunft entschluesselt werden kann. Es ist das Mittel, durch das Christus in uns den Glauben an sich und sein Heilswerk weckt. Sie ist viel mehr als ein fehlerloses Buch. Sie ist sakramental. In ihr begegnet uns Christus und errettet uns. Sie ist ein Heilsmittel. Wuerde sie nur Informationen weitergeben und ginge es nur darum ob diese Information historisch falsch oder richtig sind, waere sie nicht sehr interessant.

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo,
endlich mal Jemand, der auch mit dem Wort "bibeltreu" seine Probleme hat...

Aber mal ehrlich: wen hat Herr Morgner eigentlich mit seiner Kritik der Bibelkritik von rechts gemeint? Versucht er nicht auch zu verstehen, was geschrieben steht?
M.

Raphael
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Beitrag von Raphael »

Wenn er sich wenigstens klar ausdrücken würde und sagen wem er "rechte Bibelkritik" vorwirft! Anstatt dieses unklare, diplomatische Gerede! Das regt mich eigentlich am meisten auf.
Fürwahr, Gott ist mein Heil: ich bin voller Zuversicht und fürchte mich nicht! Denn Gott, der HERR, ist meine Stärke und mein Lobgesang, und er ist mir ein Retter geworden! - Jes 12, 2 (Menge)

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Es bleibt dabei, mir missfällt die Aussage: "Die Bibel bekomme für den Glauben denselben Stellenwert wie Christus." Hier wird zwischen Christus und der Schrift eine Trennung vollzogen! Was kann ich von Christus wissen, wenn es nicht in der Schrift begründet ist? Oder soll ich mich auf besondere "Erfahrungen" mit Christus berufen; vielleicht auch auf Träume und Visionen? Gruß Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hier eine Predigt
zum Thema Vater,Sohn und Heilige Schrift(Bibliolatrie)auch als PDf,
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Gast

Beitrag von Gast »

Die ersten Verse des Johannesevangeliums machen doch klar, dass diese behauptete Trennung nicht gilt. Auch Jesus Christus hat die Beständigkeit des Wortes (in Bezug auf das AT) bekräftigt.

Ich sehe in der Äußerung dieses Mannes mehr den Versuch, eine Türe zu öffnen, sich vom geschriebenen Wort zu entfernen und das immer noch als Glaube und echtes Christsein darzustellen.

Es liegt aber auch ein weiteres Problem darin, dass Wort und Gott in dem Beitrag unverbunden sind. Gott ist Mensch in Jesus Christus geworden. Das wird nicht bestritten. Von Gott erfahren wir aus dem Wort. Auch das wird nicht bestritten. Jedoch wird nicht bedacht, dass das Wort aus dem Heiligen Geist, aus Gott heraus zu verstehen ist. Durch den Heiligen Geist erkennen wir Jesus Christus als menschgewordenen Gott und nur durch den Hl. Geist erkennen wir Christus im Wort.

Wenn also Morgener in einem Punkt recht hat, dann ist es die Kritik an der Bibelauslegung, die völlig vom Geist und der Gotteserkenntnis (Christus ist menschgewordener Gott) losgelöst ist. Und dieser Irrtum ist auf 2 Seiten vorhanden, wie es ja auch in der Bibel so vorzufinden ist. Es gibt moderne Sadduzäer, die weder an Auferstehung noch Wunder glauben (moderne Theologie) und es gibt moderne Pharisäer, die mit neuen Zusatzgeboten und Sonderauslegungsregeln ebenso das Wort verkehren.

Doch meine ich, dass Morgener nicht darin das Problem sieht. Sein Anliegen ist die Loslösung von der Bibel hin zu einer weiter gefassten Auslegung. Mit solcher Methodik lässt sich Kirche (und um die geht es ihm ja), besser mit dem Zeitgeist und der aktuellen Befindlichkeit vereinen. Mit Aussagen "es steht geschrieben" ist heute nicht zu punkten und lässt sich keine moderne Kirche machen.

Martin

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Martin,

deiner Aussage kann ich nur zustimmen...

Raphael
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Beitrag von Raphael »

Du hast die Sache auf den Punkt gebracht Martin. Morgner versucht seine (liberalere) Herangehensweise als orthodox und in einem anderen Sinn bibeltreu darzustellen. Das ist das übelste daran - die moderne historisch-kritische Theologie (oder besser Methodik) versucht das nicht, sie ist so ehrlich und kritisiert die Bibel offen, während Morgner dies verschleiert tut.

Er kommt jedoch zu ähnlichen Ergebnissen (auch wenn er nicht alles hinterfragt), wie man an seiner Position zur Berliner Erklärung, und anderen Dingen sieht.
Fürwahr, Gott ist mein Heil: ich bin voller Zuversicht und fürchte mich nicht! Denn Gott, der HERR, ist meine Stärke und mein Lobgesang, und er ist mir ein Retter geworden! - Jes 12, 2 (Menge)

Gast

Beitrag von Gast »

Raphael hat geschrieben:Du hast die Sache auf den Punkt gebracht Martin. Morgner versucht seine (liberalere) Herangehensweise als orthodox und in einem anderen Sinn bibeltreu darzustellen. Das ist das übelste daran - die moderne historisch-kritische Theologie (oder besser Methodik) versucht das nicht, sie ist so ehrlich und kritisiert die Bibel offen, während Morgner dies verschleiert tut.

Er kommt jedoch zu ähnlichen Ergebnissen (auch wenn er nicht alles hinterfragt), wie man an seiner Position zur Berliner Erklärung, und anderen Dingen sieht.
Welche anderen Dinge sind denn das? Brechen wir nicht zu schnell den Stab ueber jemanden, von dem wir gar nichts wissen?

Ich kenne Herrn Morgner und was er sonst so von sich gibt oder tut nicht. Du weisst offentischtlich mehr. Die von ihm in Idea zitierten Aussagen sind alles andere als klar. Ich konnte nur mit einem Satz etwas anfangen und mit dem Satz hat er Recht. Es gibt tatsaechlich im nordamerikanischen Fundamentalismus Personen, die der Meinung sind, dass die Schrift mit dem Verstand zu "entschluesseln" ist. Vor dem Glauben! Siehe auch hier

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Till,
Welche anderen Dinge sind denn das? Brechen wir nicht zu schnell den Stab über jemanden, von dem wir gar nichts wissen?
Ich schlage vor dann sollte man sich den Herrn Morgner und den Weg auf den er weist genaustens unter die Lupe nehmen !

Den Martin und Raphael Worte sind nicht unberechtigt - und wenn man sich die Stellungnahmen anderer Geschwister zu diesem Thema durchschaut muss man berechtigten Zweifel anmelden.

Ich möchte aufordern gemachte Aussagen auf das genaustens zu überprüfen ! Es wäre falsch sie aus einer Oberflächlichen Haltung heraus zu Ignorieren.

Das Wort Gottes ist nicht durch den Verstand zu erfassen und zu Verstehen, das sagt das Wort Gottes selbst - diese Aussage stimmt - doch sollte man nicht übersehen das hier, wie auch immer, Jesus Christus von seinem Wort losgelöst werden.

Warum ?

Vielleicht um eben wieder hervorzuheben, das letztlich keiner von sich Behaupten kann - die allein gültige Wahrheit zu Wissen - was ja auch dem Einheitsbestreben sehr hinderlich ist.

Eine ähnliche Stellungnahme gab es schon von Alexander Seibel auf die ich hier auch hinweisen möchte - hier ging es ja um die Volxbibel und ähnlichen UNSINN.

Bibel-Treu oder Jesus Treu

Es ging hier zwar nicht um Morgner - doch um das selbe Thema... was eigentlich auch schon neue Fragen aufwirft !

Das Wort Gottes ist nicht von der Person zu trennen - da Jesus Christus das Wort ist ... wobei die Bibeldas niedergeschriebene Wort Gottes ist!

Oder will man der Tradition, so wie es die rrk gehanthabt wird, gleichen Status einräumen wie das niedergschrieben Wortes ?
Arne

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Wilhelm Busch schreibt über Fundamentalisten: "Es gibt so viele Christenleute, welche erschrocken sind, wenn sie sehen, wie man an der Burg des Wortes Gottes abreißen und dazubauen will. Es wird ihnen angst und bange. Und nun meinen sie, man müsse in diesem Sturm die Mauern stützen - durch eine Lehre über die Bibel. So taucht die alte Lehre von der Verbal-Inspiration wieder auf. In Amerika gibt es viele solche Mauern-Stützer. Man nennt sie Fundamentalisten. Da hat man eine Lehre über die Bibel, die so lautet: Jedes Wort der Bibel ist von Gott inspiriert.

Ich bin überzeugt, daß diese Fundamentalisten es ernst meinen mit der Bibel und dasselbe wollen wie wir. Aber aus solch einer Lehre spricht die Sorge und die Angst, die Mauern der Bibel würden umfallen, wenn man sie nicht durch ein Dogma stützt.

Es hat mich immer mißtrauisch gemacht, daß diese Lehre von der Verbalinspiration zuerst von der Orthodoxie aufgebracht wurde. Und die Orthodoxie ist zu allen Zeiten der schrecklichste Feind alles geistlichen Lebens gewesen. Die Orthodoxie züchtet einen rechthaberischen Kopfglauben, wobei Herz und Gewissen umkommen können.

Es ist mir auch immer unheimlich, wenn Menschen ein Urteil über die Bibel abgeben wollen, das man glauben soll, ehe man die Bibel aufgeschlagen hat. Ich meine, wir sollten jedem raten: Lies Du ohne Vorurteil und ohne vohergefaßtes Dogma dies Wort, dann wirst Du bald merken, daß die Bibel ein Urteil über uns hat.

Zur Zeit Tersteegens hat man über die Bibel gestritten. Orthodoxe und Aufklärer gaben ihre Urteile über die Bibel ab. Die Stillen im Lande haben sich daran nicht beteiligt. Sie haben vielmehr die Bibel aufgeschlagen, und sie haben sich richten und trösten lassen von diesem lebendigen Wort Gottes.

Wir brauchen die Autorität der Bibel nicht zu stützen mit irgendwelchen Dogmen, die wir von den Orthodoxen entlehnt haben. Die Bibel erweist sich schon selbst als das, was sie ist: Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn ein zweischneidig Schwert, und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und keine Kreatur ist vor ihm unsichtbar; es ist aber alles bloß und entdeckt vor seinen Augen; von dem reden wir (Hebr. 4,12 und 13) " (aus Wilhelm Busch, Was bremst denn da? Aufsätze für ein unverkrampftes Christsein, Aussaat Verlag, Seite 59f) Gruß Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Gast

Beitrag von Gast »

Jörg hat geschrieben: Es hat mich immer mißtrauisch gemacht, daß diese Lehre von der Verbalinspiration zuerst von der Orthodoxie aufgebracht wurde. Und die Orthodoxie ist zu allen Zeiten der schrecklichste Feind alles geistlichen Lebens gewesen. Die Orthodoxie züchtet einen rechthaberischen Kopfglauben, wobei Herz und Gewissen umkommen können.
Bei allem Respekt vor Wilhelm Busch aber das stimmt weder als historische Tatsache noch prinzipiell. Prinzipiel ist zu fragen: Laesst sich aus der Schrift eine Lehre ueber die grundlegenden Fragen des christlichen Glaubens gewinnen oder nicht? Wenn ja, dann laesst sie sich auch formulieren. Das hat die Orthodoxie versucht. Sicherlich ist die Gefahr des Dogmatismus real aber was ist die Alternative zu den Versuchen eine Dogmatik zu gewinnen und schriftlich zu erfassen?
Jörg hat geschrieben: Es ist mir auch immer unheimlich, wenn Menschen ein Urteil über die Bibel abgeben wollen, das man glauben soll, ehe man die Bibel aufgeschlagen hat.
Das ist genau der Punkt. Wir glauben der Bibel weil wir Jesus glauben. Nicht andersherum. Die Bibel als das lebendige Wort Gottes schafft den Glauben.

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Hallo Tschilli,
das die Lehre von der Verbalinspiration zuerst von der Orthodoxie aufgebracht wurde ist aber eine historische Tatsache, so steht es jedenfalls in Wikipedia:

Die Lehre der Verbalinspiration wurde innerhalb der so genannten lutherischen Orthodoxie entwickelt, um das protestantische Schriftprinzip (sola scriptura) abzusichern, findet sich aber dem Sinne nach schon ausgeprägt bei Augustinus. Sie drang im Rahmen der Neuscholastik auch in die katholische Theologie ein, wird aber heute im Wesentlichen nur von fundamentalistisch orientierten Mitgliedern der Evangelikalen Bewegung [1] [2] sowie in manchen kirchlichen Sondergruppen oder Sekten (etwa bei den "Zeugen Jehovas") vertreten. Ein bekanntes Dokument zur Verbalinspiration ist die Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Schrift

Gruß Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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