Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps47

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6. Gott fähret auf mit Jauchzen,
und der HERR mit heller Posaune.


Gott fähret auf mit Jauchzen. Der Glaube hört die Menge schon jubeln. Wozu der erste Vers aufgefordert hatte, das erscheint hier als vollendete Tatsache. Die Schlacht ist vorbei, der Sieger besteigt den Triumphwagen und fährt hinauf zu den Toren der Stadt, die von dem Frohlocken und Jauchzen über seine Rückkehr widerhallt. Die Worte unseres Verses lassen sich sehr wohl auf die Himmelfahrt unseres Erlösers anwenden. Es kann kein Zweifel darüber sein, dass die Engel und die verklärten Geister Jesus bei seinem Einzuge in die himmlische Stadt mit rauschendem Beifall willkommen geheißen haben. Oder sollte der, bei dessen Herniederkommen die himmlischen Heerscharen ihren Lobgesang ertönen ließen, unter dumpfem Schweigen der Himmelsbewohner in die Herrlichkeit zurückgekehrt sein? Und der HERR mit heller Posaune. Jesus ist Jehova. Der helle Ton der Posaunen zeugt von dem Glanz seines Triumphzugs. Es ziemte sich, ihn, der aus dem größten aller Kriege zurückkehrte, mit Siegeshymnen zu bewillkommnen. Er kommt geradeswegs von Bozra, noch ist sein Gewand rotfarben von der Kelter, die er getreten (Jes. 63,1 ff.); im Triumphzug fährt er in die Höhe, die Gefangenen mit sich führend (vergl. Ps. 68,19). Wohl mag da froher Posaunenschall die siegreiche Rückkehr Immanuels weithin verkünden.

7. Lobsinget, lobsinget Gott;
lobsinget, lobsinget unserm Könige!


Lobsinget. Wie hoch muss der Jubel steigen, da fünfmal nacheinander (V. 7.8) die Aufforderung zum Preise über die Erde ergeht! Gott, dem dieser Lobgesang gilt, ist es aber auch wert. Hat er doch allen das Leben gegeben und sich so herrlich als der Allgütige erwiesen. Lobsinget Gott. Fahret fort in dem seligen Werk. Lasst eure Harfen nie verstummen. Da er nicht müde wird, uns seine Güte zu erzeigen, so lasst auch uns nimmer müde werden, ihm unseren Dank darzubringen. Ist es nicht seltsam, dass wir zu einer so seligen, wahrhaft himmlischen Beschäftigung so angetrieben werden müssen? Lobsinget unserm Könige, lobsinget! (Wörtl.) Lasst uns allen Ruhm ihm spenden. Niemand sonst soll auch nur ein Quäntchen davon haben, Jesu allein soll er ganz geweiht sein. Seine souveräne Hoheit sei der Quell unsrer Freude. Wohl ist seine Majestät unvergleichlich groß; doch erfüllt gerade dies die Gläubigen mit Wonne. Wir wollen ihm unsre Huldigung nicht in Seufzern, sondern in Lobgesängen darbringen. Er begehrt nicht Sklaven als Zier seines Thrones; ist er doch kein Despot. Freudiger Lobpreis aus liebenden Herzen ist die würdige Huldigung für einen so gesegneten und gnadenreichen König. Mögen darum alle, die seinem Zepter von Herzen untertan sind, ohne Aufhören ihm lobsingen; haben wir doch ohne Aufhören Ursache des Dankes, dass wir im Schatten eines solchen Thrones wohnen dürfen.

8. Denn Gott ist König auf dem ganzen Erdboden;
lobsinget ihm klüglich!


Denn Gott ist König auf dem ganzen Erdboden. Die Juden nahmen es übel auf, als Jesus und die Apostel diese Wahrheit verkündigten. (Vergl. z. B. Lk. 4,28; Apg. 13,45) Wäre es aber um ihr Herz richtig bestellt gewesen, so hätten sie sich der heilvollen Wahrheit gefreut. Aber sie wünschten ihren Gott für sich allein zu haben und wollten die Heiden, diese Hunde, nicht einmal die Brosamen unter ihres Herrn Tische essen lassen. Ach, wie verwandelt doch die Selbstsucht süßen Honig in bittere Galle! Jehova ist nicht allein der Juden Gott; alle Völker der ganzen Erde sollen noch den Messias, und in ihm Gott selbst, als ihren Herrn anerkennen. Inzwischen aber regiert er schon auf dem Thron der Vorsehung alles, was unter dem Himmel ist. Lobsinget ihm klüglich.2 Sogar unter der alttestamentlichen Haushaltung der Vorbilder und Zeremonien sah Gott darauf, ob der Gottesdienst Israels geistlichen Gehalt habe, und wollte mit Nachdenken, mit Verständnis und mit tiefer Würdigung der Gründe, die uns zu seinem Preise drängen, gelobt sein. Die nachlässige, gleichgültige Art, welche sich nicht wenige beim Singen zuschulden kommen lassen, führt zu dem Schluss, dass sie wähnen, für Gott sei alles gut genug. Auf der anderen Seite lässt uns die übergroße Aufmerksamkeit und Begeisterung, welche manche der rein musikalischen Seite des Kirchengesangs zuwenden, befürchten, dass die Triebfeder ihres Eifers nur der Schönheitssinn, nicht die geheiligte Vernunft sei, dass also auch sie dem HERRN nicht klüglich lobsingen. Ist es aber nicht eine Sünde, vorzugeben, dass man Gott preise, während man nur den Ohren der Menschen einen musikalischen Genuss darbietet oder sich selber einem solchen Ohrenschmaus hingibt? Was hat das sinnliche Entzücken an Orgelkonzerten, kunstvollen Wechselgesängen und dergleichen mit der Anbetung Gottes zu tun? Verwechselt man da nicht seelische Reize mit geistlichen Regungen? Bringt man Gott nicht oft genug Musik als Opfer dar, die weit mehr auf das Vergnügen der Menschen als auf Gottes Wohlgefallen berechnet ist? Nur ein vom Geiste Gottes erleuchtetes und geheiligtes Gemüt ist in Wahrheit fähig, Gott ein seiner würdiges Lobopfer darzubringen.

9. Gott ist König über die Heiden;
Gott sitzt auf seinem heiligen Stuhl.


Jetzt, zu dieser Stunde, übt Gott sogar über die verkommensten götzendienerischen Völker eine verborgene Herrschaft aus. Dem Glauben ist dies nicht zweifelhaft. Wie sollten wir uns nach dem Tage sehnen, da diese Wahrheit vor aller Welt offenkundig sein wird und die Völker sich der jetzt noch unerkannten Gottesherrschaft von ganzem Herzen freuen werden! Die unbestreitbare Wahrheit, dass Gott als erhabener Lenker aller Geschicke jetzt schon König ist über die Heiden, ist die sichere Bürgschaft, dass auch in dem herrlichen Sinn der evangelischen Verheißungen sein Reich kommen wird. Gott sitzt auf seinem heiligen Stuhl. Unbeweglich nimmt er seinen Thron ein, und alle seine Erlasse und Regierungsakte sind die Heiligkeit selbst. Welcher Thron ist diesem gleich, der nie mit Ungerechtigkeit befleckt, nie durch irgendeine Sünde entweiht ward! Und der darauf thront, gerät nie in Bestürzung oder irgendwelche Verlegenheit. In völliger Ruhe sitzt er da, des wohl bewusst, dass es seiner Macht nie fehlen und keiner seiner Pläne je misslingen kann. Ist nicht Anlass genug, einem solchen König mit heiligen Lobgesängen zu huldigen?

10. Die Fürsten unter den Völkern sind versammelt
zu einem Volk dem Gott Abrahams; denn Gottes sind die Schilde auf Erden, er hat sich sehr erhöhet.


Die Fürsten (wörtl. die Edlen) unter den Völkern sind versammelt. Der Psalmsänger sieht mit Prophetenblick die willigen Untertanen des großen Königs versammelt, seinen Ruhm zu feiern. Nicht nur Leute aus geringem Stande scharen sich um seinen Thron, sondern auch die Edlen beugen sich freudig unter sein Zepter. "Alle Könige werden ihn anbeten." (Ps. 72,11) Jede Nation wird vertreten sein; die großen Männer unter den Nationen sollen groß sein vor allem an Trefflichkeit des Charakters, und die von adligem Geblüt sollen des wahren Adels der neuen Geburt aus Gott nicht ermangeln. Wie erhaben wird diese Reichsversammlung sein, deren Sitzung der Herr Jesus selber eröffnen wird und wo die Edelsten der Völker sich erheben werden ihm Ehre zu erweisen! Zu einem Volk dem Gott Abrahams.3 Derselbe Gott, der einst nur hie und da einem Patriarchen, wie Abraham, dem Vater der Gläubigen, bekannt war, wird dann von einem Samen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel, verehrt werden. Da wird jene Bundesverheißung erfüllt sein: In dir und deinem Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden (1. Mose 12,3; 22,18). Der Held wird kommen, und demselben werden die Völker anhangen (1. Mose 49,10). Die Zerstreuung von Babel (1. Mose 11) wird durch den sammelnden Arm des großen Hirtenkönigs für immer aufgehoben werden.
Denn Gottes sind die Schilde auf Erden. Die Wappenschilde der Hohen der Erde, die Insignien der Macht und Würde, wie die Schilde der Gerüsteten, sie alle werden dem König des Weltalls die schuldige Huldigung darbringen. Die Erlauchten der Erde werden sich vor dem Lichtglanz Jesu neigen und die Könige ihre Kronen vor seinem Throne niederwerfen. Die Schilde der Erde, die mächtigen Beschützer der Staaten, haben ihre Macht von ihm und sind sein. Alle Herrschaften und Gewalten sollen noch Jehova und seinem Gesalbten untertan werden, denn er hat sich (oder: ist) sehr erhöhet. Nach Wesen, Macht und Ruhm ist ihm niemand zu vergleichen. Glorreiche Vision der goldenen Zukunft! Eilet, ihr Räder der Zeit! Bis jener Tag aber anbricht, seid ihr Gläubigen fest, unbeweglich, und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, da ihr wisset, dass euer Werk nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Fußnoten
2. Luther folgt hier der LXX und Vulgata. Doch darf lykIi&:ma nicht als Adverb gefasst werden. Es ist vielmehr ein Substantiv und bezeichnet eine besondere Liederart. Luther übersetzt das Wort sonst: eine Unterweisung. Doch will diese Bedeutung Lehrgedicht, lehrhaftes Lied an unsrer Stelle (wie an den meisten andern) nicht passen. Vergl. zu Ps. 32.

3. Wörtl.: ein Volk des Gottes Abrahams, Apposition zu: die Edlen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der Gedanke der Weltherrschaft des Gottes Israels, auch sonst in den Psalmen, insbesondere Ps. 93-100, gefeiert, wird hier bis zu der sonst im Alten Testament nicht erreichten Höhe, dass die Völker der Erde ein Volk des Gottes Abrahams geworden sind, lyrisch durchgeführt. Deutlich erkennbar sind zwei Gedankengruppen: Jahve hat seine unvergleichliche Größe vor alters durch die Unterwerfung der Kanaaniter unter Israel bewiesen (V. 2-5): nun hat er wieder neuerdings seinen Thron auf Zion machtvoll eingenommen und empfängt die Huldigungen der Völker (V. 6-10). Der messianische Charakter des Psalms ist daher unverkennbar.
Die auf die Bestimmung zu liturgisch-antiphonischem Vortrag hinweisenden Wiederholungen in V. 7.8 lassen, wie schon Calvin erkannt hat, vermuten, dass hier ein von vornherein zu gottesdienstlichem Gebrauch bestimmtes Lied vorliegt. Schon darum ist es misslich, nach einem besonderen zeitgeschichtlichen Anlass des Psalms zu fragen. Ein solcher kann vorliegen, braucht aber nicht vorzuliegen. Die Vermutungen der Ausleger, die zwischen Josaphats Sieg (2. Chr. 20) über die feindlichen Nachbarn Israels (so Venema, Hengstenberg, Delitzsch) und der Besiegung der Idumäer durch Joh. Hyrkanus (Olshausen) als äußersten Terminen variieren, schweben in der Luft. Eine allgemeine Berührung des Psalms mit Jesaja 40-66 ist vorhanden; doch sind die Gedanken des Psalms Gemeingut der messianisch gerichteten Prophetie überhaupt, und die Vermutung, die Erbauung des zweiten Tempels habe den Sänger zu diesem Liede begeistert (Bäthgen), ist unsicher.
Die Synagoge verwendete den Psalm (wegen des Schofarblasens V. 6) als Neujahrspsalm, die Kirche (wegen hl( V. 6.10) als Himmelfahrtspsalm. Lic. Hans Keßler 1899.

V. 2. Im Gefühl der Größe dessen, was der HERR für sein Volk getan, hält es der Sänger nicht für genug, wenn dieses allein ihm seinen Dank darbringt: alle Völker der Erde fordert er auf, diesem König mit Freudengebärde und Lobgesang zu huldigen; denn also pflegte es bei Salbung der Monarchen zu geschehen. (2. Könige 11,12; 1. Samuel 10,24.) Prof. August Tholuck 1843.

Alle sollen jubeln dem HERRN mit Herzen, Mund und Händen. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

Klatschet in die Hände. Solche Ausbrüche übersprudelnder Freude und Zuneigung mögen manchen anstößig sein. Aber wir sollten uns hüten, in solchen Dingen voreilig zu richten und abzuurteilen, geschweige denn sie lächerlich zu machen; denn wenn solche Gebärden der ungekünstelte Ausdruck eines warmen Herzens sind, wird Gott die Größe der Liebe ansehen und das Unpassende der äußeren Form übersehen. Matthew Henry † 1714.

Jauchzet Gott. Jubilate Deo: in Gott, über Gott und zur Ehre Gottes. Martin Geier † 1681.

V. 4. Er zwingt die Völker unter uns usw. Die Folge der Himmelfahrt war, dass das allmächtige Wort des Herrn nun siegreich vordrang und ein Volk nach dem andern bezwang. Das ist der große Eroberungszug, der in den Siegen Josuas, Davids und anderer Helden vorgebildet war. Bischof George Horne † 1792.

Eine herrliche Tröstung, dass sie Gott stark genug rüsten werde, damit sie den Feinden obliegen und sie überwinden mögen, denn er ist ihr Gott. Glauben sie an ihn, so wird er unter ihre Gewalt die Feinde wohl zwingen, allein dass sie an ihm halten und ihn lassen ihren Gott sein. Auf diese Weise würden auch wir zu rechten Rittern geschlagen und die Feinde verachten können; aber wir vertrauen in’s Teufels Namen mehr dem Zeitlichen denn Gott und setzen unsere Hilfe mehr auf menschliche Ratschläge, auf Kreaturen und gegenwärtige Hilfe, denn auf den lebendigen Gott. Martin Luther † 1546.

V. 5. Erwählen heißt hier die Wahl aufrecht halten, wie Jes. 14,1; Sach. 1,17, sachlich so viel als gegen die Feinde schützen. Prof. Fr. W. Schultz 1888.

Die Erwählung, welche allerdings als grundlegende Tatsache ein einmaliger Akt ist, erneuert sich, sooft Gott sie seinem Volke bestätigt, Sach. 1,17. Das heilige Land heißt der Stolz Jakobs als die Gnadengabe, mit welcher dieses, das Volk der göttlichen Liebe, prangen kann. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Er, der besser weiß als wir, was heilsam ist, erwählt oder bestimmt uns unser Los und Erbteil für Zeit und Ewigkeit nach seiner Gnade und Barmherzigkeit. John Boys † 1643.

Er erwählet uns unser Erbteil. Eine schwerkranke Frau wurde einst gefragt, ob sie lieber leben oder sterben wolle. Sie antwortete: "Wie Gott will" "Aber", sagte jemand zu ihr, "wenn Gott Ihnen die Wahl überließe, wofür würden Sie sich entscheiden?" "Ich würde", antwortete sie, "es ihm wieder übergeben, für mich zu entscheiden." William Secker 1660.

V. 6. Gott fähret auf usw. Wie das Heer in die heilige Stadt, so kehrte der Heerführer zum Himmel zurück. Dass das Aufsteigen Gottes seine Rückkehr zu seinem himmlischen Sitz seine unsichtbare Himmelfahrt ist, welche erfolgt, nachdem er sich auf Erden in Taten der Allmacht und Liebe kundgegeben und dort seines Volkes Sache geführt, im Vorspiel der Himmelfahrt Christi, zeigt Vers 9 und die Vergleichung anderer Stellen, in denen des Aufsteigens Gottes gedacht wird, wie 1. Mose 17,22; Richt. 13,20; Ps. 7,8 und besonders Ps. 68,19, welcher Stelle typische Beziehung auf die Himmelfahrt Christi im neuen Testament zugleich für die unsrige gilt. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

V. 8. Es ist, als sagte er: Was habe ich gesagt? Unser König (V. 7)? Das ist viel zu wenig; er ist König auf dem ganzen Erdboden. John Trapp † 1669.

Lobsinget ihm klüglich. Wie können wir, wie Paulus sagt, dem Herrn in unserm Herzen singen und spielen? Wir müssen ihm klüglich, mit Verständnis, lobsingen. Der Takt muss sich nach den Worten richten. Wir sollen überhaupt mehr noch dem Inhalt als der Musik unsre Aufmerksamkeit zuwenden, also ebensosehr beachten, was wir singen, als wie wir sinken. Die Melodie mag unser Gefühl anregen, aber der Inhalt ist es, der eigentlich das Herz beeinflusst, und darauf kommt es vor Gott doch an. Sonst wäre ja das Singen im Gottesdienst eher die Aufgabe von Gesangkünstlern als von Christen, und wir müssten dann an dem künstlichen Wechselgesang, wie er in manchen Kirchen üblich ist, mehr Gefallen finden als an den inspirierten Psalmen, die wir singen. Es verhält sich mit dem Singen wie mit dem Beten: bei beidem müssen Kopf und Herz dabei sein, sonst sind sie wenig nütze. Wenn wir ohne Verständnis singen, so verrät das Nachlässigkeit oder Herzenshärtigkeit. Dann aber ist, was wir Gottesdienst nennen, eine Unverschämtheit. John Wells † 1676.

Lasset Sinn und Ton übereinstimmen. Lasst eure Stimme vom Verstand und vom Herzen geleitet werden. Seht zu, dass ihr verstehet, was ihr singt, und fühlet, was ihr versteht. Adam Clarke † 1832.

V. 10. Die Edlen - ein Volk des Gottes Abrahams. (Wörtl.) Ich entnehme hieraus, dass es für große Männer nicht unmöglich ist, auch Vorbilder der Tugend, und für die Gewaltigen der Erde, schlichte Jünger Jesu zu sein, wiewohl beides leider selten beisammen getroffen wird; hören wir doch aus Davids eignem Munde das Bekenntnis, in welch großer Gefahr er war, als es ihm wohlging, siehe Ps. 30,7. Ein altes Wort sagt: Homo victus in paradiso, victor in stercore, d. i.: Im wonnigen Paradiese ward Adam von der Schlange besiegt, während Hiob im tiefsten Elend ein Überwinder war. Unsre alte (englische) Liturgie hat das treffliche Gebet: "Lieber Herr, erlöse uns allezeit von unserm Reichtum!" Aber wir sehen, so groß ist die rettende Gnade Gottes, dass nicht nur geringe Leute, sondern sogar die mächtigen Fürsten der Heidenvölker zu der Gemeinde des Gottes Abrahams versammelt werden sollen. John Boys † 1643.

Das Volk des Gottes Abrahams ist der geistliche Same Abrahams. Zu ihm gehören alle, die die Verheißung Gottes in demselben Geist des Glaubens ergreifen, welchen Abraham hatte. Bischof Launcelot Andrewes † 1626.

Gottes sind die Schilde auf Erden. Zwei Beziehungen der irdischen Machthaber werden hier namhaft gemacht; sie sind scuta Deo, sie sind Gottes, und sie sind scuta terrae, Schilde der Erde. Und in beiden Beziehungen haben sie beides, Würde und Pflicht. Sie gehören Gott zu, und das ist ihre Ehre; das legt ihnen aber auch die Pflicht auf, ihm untertan zu sein. Sie sind die Schilde, die Beschützer der Erde; das ist ihre Ehre, die sie über die andern Menschen erhebt, das legt ihnen aber auch die Pflicht auf, wirkliche Beschützer zu sein. Bischof Edward Reynolds † 1676.

Es wird von den Amtleuten gesagt, dass sie das Schwert tragen, aber nicht, dass sie Schwerter seien. Hier jedoch heißt es: Sie sind Schilde, nicht: Sie tragen Schilde. Das ist ein Wink, dass das Beschirmen und Erhalten ungleich mehr zum Wesen ihres Amts gehört als das Züchtigen und Zerstören. Joseph Caryl † 1673.

Man bezieht diese Worte in der Regel auf die Fürsten, und sie lassen auch diese Deutung zu. Indessen dürfte es noch zutreffender sein, die Worte auf Gott zu beziehen. Gott ist es, der die Welt schirmt und erhält; darum richtet sich zum Schluss in den Worten: Er ist hoch erhöhet, der Blick voller Bewunderung au diese einzigartige Majestät, die ein so erhabenes und schwieriges Werk, wie es die Bewahrung der Welt ist, so herrlich vollführt. Die Mehrzahl Schilde würde dann auf die mannigfaltigen und fast zahllosen Gefahren hindeuten, die fortwährend jeden Teil der Welt bedrohen und die die göttliche Vorsehung notwendig auf mannigfaltige Weise, gleichsam mit vielen Schilden, abwehren muss. Jean Calvin † 1564.

Homiletische Winke

V. 2. Ungewöhnliche begeisterte Freudenbezeugungen; wann sind sie zu rechtfertigen und sogar wünschenswert?
V. 2-5. Freude die Triebfeder der Anbetung. 1) Freude über Gottes Wesen, 2) über seine Herrschaft, 3) über die Siege seines Evangeliums, und 4) über seine Huld gegen sein Volk.
V. 3. Die furchtgebietende Erhabenheit des HERRN dem Glauben ein Gegenstand der Freude.
V. 3b. Die Königsherrschaft Gottes über die ganze Erde, in ihrer jetzigen und ihrer dereinstigen Entfaltung.
V. 4. Die Siegeshoffnung der Gemeinde des Herrn. Wer soll unterworfen wenden? Durch wen? (Uns.) In wessen Macht? (Er zwingt sie unter uns.) Wann wird dies vollendet werden? Was bürgt uns dafür? Die Auffahrt Jesu (V. 6).
Der Sieg der Heiligen Gottes. 1) Er bedeutet die Unterwerfung aller Feinde, der inneren und der äußeren, der irdischen und der höllischen Widersacher. Diese Unterwerfung geschieht a) jetzt stufenweise, b) einst vollkommen. 2) Die Macht, welche diesen Sieg herbeiführt: a) Gott, b) aber nicht ohne Werkzeuge (uns); doch c) nicht diese Werkzeuge erringen den Sieg, sondern d) Gott durch diese Werkzeuge, die er bestimmt und erst durch seine Macht wirksam macht. George Rogers 1870.
V. 5. 1) Gott wählt uns unser Los und Erbteil für Zeit und Ewigkeit. 2) Seine Wahl ist besser als die unsrige, ist herrlich, (Grundtext:) derart, dass wir darauf stolz sein können. 3) Wählen wir selbst, so müssen wir die Folgen tragen. 4) Er hilft uns, dass wir das auch erlangen und behalten, was er für uns gewählt hat. George Rogers 1870.
V. 6. Die Himmelfahrt. Öffentlich, feierlich, triumphierend. Wer ist aufgefahren? Wohin ist er aufgefahren? Zu welchem Zweck? Mit welchem Erfolg?
V. 7. Die Wichtigkeit heiligen Lobsingens. Die Wiederholung rügt unsre Lässigkeit und deutet an, dass der HERR mit Inbrunst und herzlicher Freude, oft und von all den Seinen gepriesen werden soll.
V. 8. Lobsinget ihm klüglich. Wie unser Singen beschaffen sein muss, um ein Teil unseres "vernünftigen Gottesdienstes" (Röm. 12,1) zu sein.
V. 9b. Gott sitzet auf seinem heiligen Stuhl. Gottes unumschränkte Herrschaft stets im Einklang mit seiner Heiligkeit.
Gott hat 1) einen Thron der Heiligkeit, um deswillen ist er von allen Menschen zu fürchten; 2) einen Thron der Gnade, um deswillen ist er von den Erlösten zu lieben; und 3) einen Thron der Herrlichkeit, um deswillen ist er von der ganzen Schöpfung zu preisen.
V. 10. Der Schild ist 1) eine barmherzige Waffe; 2) eine kühne Waffe, da sie die Pfeile und Hiebe anfängt, die einem andern (dem, den sie schirmt) gelten; 3) eine starke Waffe, an der die Pfeile der Bosheit abprallen und zersplittern; 4) eine ehrenvolle Waffe, denn den Schild sich rauben zu lassen war ein schmähliches Zeichen der Niederlage, ihn bewahren ein Zeichen der Ehre. 5) Man denke daran, dass ein Schild stets eines Auges bedarf, das ihn lenkt -: ihr seid die Schilde, das Gesetz das Auge. Bischof Edward Reynolds † 1676.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps48

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PSALM 48 (Auslegung & Kommentar)



Überschrift

Ein Psalmlied, wörtl.: Ein Lied, ein Psalm. Der Name Psalm bedeutet zwar zunächst überhaupt ein zu Saitenspiel gesungenes Lied, scheint aber schon früh als Bezeichnung religiöser Dichtungen üblich geworden zu sein, da er ausschließlich von solchen gebraucht wird. Nicht jedes Lied ist ein Psalm, denn nicht alle Poeten sind gottbegeisterte Dichter und nicht jeder Psalm ist ein Lied, denn wenn wir vor Gott treten, haben wir ebensowohl tieftraurige Bekenntnisse abzulegen wie mit frohlockenden Gesängen den HERRN zu preisen. Die Kinder Korah müssen sich glücklich geschätzt haben, über eine so reiche Auswahl heiliger Dichtungen verfügen zu können. Wo eine solche Mannigfaltigkeit der edelsten Musik war, konnte der Gottesdienst nie eintönig werden, sondern musste weiter Spielraum sein für all die edlen Passionen gottbegnadeter Seelen.

Inhalt und Anlass


Wir würden zu viel wagen, wollten wir mit Bestimmtheit sagen, welches Ereignis der jüdischen Geschichte es sei, das dieses Lied veranlasst hat. Der Dichter singt davon, dass gewisse verbündete Könige sich von Jerusalem haben zurückziehen müssen, indem der Mut sie verließ, ehe sie auch nur einen Streich tun konnten. Am meisten hat die Annahme für sich, dass der Psalm auf die unter der Regierung Josaphats erfolgte Niederlage der Ammoniter, Moabiter, Edomiter und Araber Bezug nehme. Auch die Erwähnung der Tarsisschiffe V. 8 passt auf die Zeit Josaphats. Man vergleiche in 2. Chr. 20 besonders V. 19.26.36. Andere denken an die Errettung Jerusalems von den Assyrern. Die Könige V. 8 wären dann die unterworfenen Fürsten, welche in dem assyrischen Heer Dienst tun mussten (Jes. 10,8). Im 33. Kap. des Propheten Jesaja sind manche Anklänge an diesen Psalm, vergl. hier V. 7.8.13. 15 mit Jes. 33,14.21.18.22.

Einteilung

Die Vers 2-4 preisen den HERRN und die seinem Dienst geweihte Stadt. In V. 5-9 beschreibt das Lied die über die Feinde Zions gekommene Verwirrung, und zwar so, dass Gott allein dafür gepriesen wird, V. 10-12. Die letzten Verse, 13-15, rühmen die Herrlichkeit Zions und bekennen, dass der Gott, der sich jetzt so herrlich an Jerusalem erwiesen, seines Volkes Gott sei ewiglich.

Auslegung


2. Groß ist der HERR und hoch berühmt
in der Stadt unsers Gottes, auf seinem heiligen Berge.
3. Schön raget empor der Berg Zion,
des sich das ganze Land tröstet;an der Seite gegen Mitternacht liegt die Stadt des großen Königs.
4. Gott ist in ihren Palästen
bekannt, dass er der Schutz sei.



2. Groß ist der HERR. Wie groß Jehova seinem Wesen nach ist, kann niemand erfassen; aber das können wir alle wahrnehmen, dass er groß ist in all seinem Walten über den Menschenkindern, groß namentlich auch in den Heilstaten für sein Volk. Groß ist er darum auch in den Herzen derer, die er errettet, erschrecklich groß aber auch für die Feinde, die er durch ihre eigene Furcht zerstreut. Statt des unsinnigen Geschreis der Epheser: "Groß ist Diana," legen wir das vernünftige und die Kraft der Wahrheit in sich tragende Zeugnis ab: "Groß ist Jehova." Niemand ist groß in der Kirche Gottes als der HERR. Jesus ist der große Hirt der Schafe (Hebr. 13,20), unser großer Gott und Heiland (Tit. 2,13), unser großer Hoherpriester (Hebr. 4,14); der Vater hat ihm unter den Großen Teil gegeben (Jes. 53,12 Grundtext), und sein Name wird groß sein bis an die Enden der Erde. Und hochberühmt, oder: hoch zu preisen. (Vergl. Ps. 18,4) Kann unsere Anbetung seinem erhabenen Wesen auch nie ganz entsprechen, so soll sie doch so würdig wie nur möglich sein Lob verkünden. Wir können darin nie zu viel tun, ihn nie zu oft und anhaltend, zu inbrünstig, zu fröhlich und zu ehrfurchtsvoll und in zu erhabenen Tönen preisen. Dem HERRN ist keiner gleich, und niemand sollte wie er gerühmt werden. In der Stadt unsers Gottes. Da erweist er sich groß, deshalb soll er da auch hochgepriesen werden. Wenn alle Welt sich von der Verehrung Jehovas lossagte, so würde doch das auserwählte Volk der von dem Höchsten so bevorzugten Stadt nicht ablassen, ihn anzubeten, denn in ihrer Mitte und um ihretwillen hat seine Macht sich so wunderbar erwiesen. In seiner Gemeinde soll der HERR erhoben werden, ob auch alle Völker gegen ihn toben. Jerusalem war die Stätte der besonderen Gnadengegenwart Gottes, der Sitz der theokratischen Regierung und der Mittelpunkt des verordneten Gottesdienstes; und ebenso ist die Gemeinde des Herrn der Ort, wo der Herr sich besonders offenbart. Auf seinem heiligen Berge. Dort war sein heiliger Tempel, dort dienten ihm seine heiligen Priester, und dort stieg der Rauch der heiligen Opfer zu ihm empor. Zion war ein Berg, und da er der berühmteste Teil der Stadt war, steht er für die Stadt selbst. Die Gemeinde des lebendigen Gottes ist auch ein Berg, ein erhabener Ort, weithin sichtbar, und ihre Zier soll die Heiligkeit sein, denn ihre Glieder haben an der Heiligkeit Gottes teil. Nur durch heilige Leute kann der HERR würdig gepriesen werden, und die wahren Priester Gottes sollten unablässig mit seinem heiligen Dienst beschäftigt sein.

3. Schön raget empor der Berg Zion. Das war vom Zion und von Jerusalem im natürlichen Sinne wahr, so dass man Jerusalem wohl die Königin des Ostens nennen konnte; die Schönheit der neutestamentlichen Gemeinde aber ist ihre geistliche Erhabenheit. Je höher sie über der Welt steht, desto herrlicher ist sie. Die Freude der ganzen Erde. (Grundtext) Vergl. Klgl. 2,15; Hes. 16,14. Jerusalem war der Morgenstern der alten Welt. Was überhaupt an Licht unter den Völkern war, das war den Offenbarungen entlehnt, zu deren Hüter Gott Israel bestellt hatte. Ein echter Israelit musste die heilige Stadt als das Auge der Welt, als die köstlichste Perle aller Lande schätzen. Die Kirche Gottes ist, wiewohl bei den Menschen verachtet, dennoch die wahre Freude und Hoffnung der Welt. An der Seite gegen Mitternacht liegt1 die Stadt des großen Königs. Jerusalem lag im Norden des Reiches Juda. Oder die Worte beziehen sich vielleicht darauf, dass der Tempelberg2 die Nordostecke des alten Jerusalem bildete. Das war die Herrlichkeit Jerusalems, dass es die Stadt Gottes war, seine Königsresidenz; das ist auch die Herrlichkeit der Gemeinde, dass Gott in ihrer Mitte thront. Der große Gott ist der große König seiner Kirche, und ihr Bestes ist das Ziel, welches er auch bei seiner Herrschaft über die Völker stets im Auge hat. Die Leute, unter denen der HERR zu wohnen geruht, sind vor allen andern bevorzugt; ihnen ist das Los gefallen aufs Liebliche, ein schönes Erbteil ist ihnen geworden (Ps. 16,6).


4. Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei.3 Wir dienen keinem unbekannten Gott. Wir kennen ihn als unseren Hort in der Not, wir freuen uns sein als solcher gewissen Zuflucht und eilen zu ihm in jeder Bedrängnis. Wir kennen keine andere Schutzwehr. Wiewohl wir zu königlicher Würde erhoben sind und eben darum unsere Hütten Paläste sind, so setzen wir doch in uns selbst kein Vertrauen, sondern getrösten uns unseres hohen Beschützers, dessen so oft erprobte Macht unser unbezwingbares Bollwerk ist.

Fußnoten

1. Das Zeitwort "liegt" steht im Grundtext nicht. Die Worte NOpcf yt"kI:r:ya bedeuten nach ständigem Sprachgebrauch "der äußerste (fernste) Norden" und stehen als Apposition zu sind also nicht mit dem Folgenden "die Stadt" zu verbinden. Viele Ausleger erinnern an Jes. 14,14, wo derselbe Ausdruck (allerdings in Verbindung mit Berg des Stifts) den nordischen Götterberg der heidnischen Sage bezeichnet. Dann würde der Zion hier im Gegensatz zu jenen heidnisch-mythologischen Vorstellungen als der wahre Gottesberg bezeichnet. Was die Heiden von solchem Berge träumen, das hat das auserwählte Volk in Wahrheit an Zion, dem Thronsitz Jahves, und zwar eben nicht in unerreichbarer Ferne, sondern in seiner Mitte. Doch erscheint es gewagt, eine Anspielung auf diese heidnische Mythe, die bei Jesaja dem König von Babel ganz passend in den Mund gelegt wird, in diesem Psalm zu finden.

2. Die neueren Forschungen machen es fast gewiss, dass der biblische Berg Zion nicht der jetzt so genannte südwestl. Hügel, sondern der östliche, der Tempelberg, ist.

3. Grundtext: Gott ist kund geworden = hat sich kundgetan in ihren Palästen als Schutzwehr. Der Vers leitet zu der folgenden Schilderung über.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps48

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5. Denn siehe, Könige waren versammelt
und sind miteinander vorüber gezogen.
6. Sie haben sich verwundert, da sie solches sahen;
sie haben sich entsetzet und sind davongestürzt.
7. Zittern ist sie daselbst ankommen,
Angst wie eine Gebärerin.
8. Du zerbrichst Schiffe im Meer
durch den Ostwind.
9. Wie wir gehört haben, so sehen wir’s
an der Stadt des HERRN Zebaoth, an der Stadt unsers Gottes;Gott erhält dieselbige ewiglich. Sela.


5. Denn siehe, die (Grundtext) Könige waren versammelt und sind miteinander vorübergezogen.4 Sie kamen - und gingen. Kaum waren sie beisammen, so waren sie auch schon zerstreut. Sie kamen auf einem Wege und flohen auf zwanzig Wegen. Prahlend und prangend waren die versammelten Heermassen unter ihren königlichen Führern herangerückt, verzweifelt flohen sie in wirren Haufen samt ihren bestürzten Hauptleuten. Sie wälzten sich heran wie die schäumenden Wellen eines tobenden Meeres, und wie Schaum vergingen sie. Diese Wandlung war so erstaunlich, dass der Sänger ein Siehe oder Fürwahr des Erstaunens davorsetzt. Wie, so schleunig haben sie sich zur Flucht gewandt? Genau so werden alle Feinde der Gemeinde des Herrn von dem Kampfplatz verschwinden. Die Papisten, Ritualisten, Arianer, Skeptiker und wie sie heißen mögen, für sie alle wird der Unglückstag kommen, wo sie der Vergessenheit anheimfallen.

6. Sie sahen’s, da (in demselben Augenblick) erstaunten sie. (Wörtl.) Sie kamen, sie sahen, aber sie siegten nicht. Für sie galt nicht das alte veni vidi vici. Kaum sahen sie’s, nämlich dass der HERR in Jerusalem als dessen Schutz wohne (V. 4), so stürzten sie in wilder Flucht davon. Noch ehe der HERR sie angriff, waren sie schon verzagt und bliesen zum Rückzug. Wurden bestürzt, entflohen angstvoll. (Wörtl.) Sie, die die heilige Stadt durch plötzlichen Überfall erschrecken wollten, wurden selber plötzlich von Schrecken überfallen. Die Eile, mit der sie herangezogen waren, war nichts gegen die Hast, mit der sie davonrannten. Eine Panik ergriff sie, der Schrecken Gottes kam über sie. Die schnellsten Rosse waren ihnen nicht schnell genug, gern hätten sie sich die Flügel des Windes geborgt. Sie machten sich schimpflich aus dem Staube wie feige Buben. Gott sei Dank, es wird mit den Feinden der Gemeinde des Herrn nicht anders gehen; wenn der himmlische Herzog uns zur Hilfe herbeieilt, werden unsere Widersacher wie nichts sein. Könnten sie ihre schmähliche Niederlage voraussehen, sie würden’s gewiss bleiben lassen, uns anzugreifen.

7. Zittern ist sie daselbst ankommen. Der Riese Verzweiflung hatte sie mit eisernem Griff gepackt. Eben da, wo sie gehofft hatten, das Siegesgeschrei anstimmen zu können, zitterten und bebten sie vor Schrecken. Statt dass sie Jerusalem eroberten, wurden sie eine Beute des Entsetzens. Angst wie eine Gebärerin. Sie wurden so von der Angst übermannt, wie eine Frau, die, von einem Schrecken ergriffen, plötzlich vor der Zeit gebiert, oder sie waren so in Not wie eine Mutter, die in den Wehen liegt. Ein starkes Bild, das bei den Morgenländern sehr gebräuchlich ist zur Bezeichnung der äußersten Not. Wenn der HERR sich erhebt, um seiner Gemeinde beizustehen, sind ihre stolzesten Feinde wie zitternde Weiher, und ihr Verzagen ist nur der Anfang der ewigen Verzweiflung.

8. Du zerbrichst Schiffe im Meer (Grundtext: Tarsisschiffe, die größten Schiffe, gleich unseren "Ostindienfahrern",) durch den Ostwind. So leicht, wie die größten Schiffe durch den Sturm zerscheitert werden, vernichtest du die gewaltigsten Gegner. Oder der Gedanke ist: Die Stärke so mancher Völker liegt in ihren Schiffen, die doch wie Nussschalen zerbrochen werden; unsre Stärke aber ruht in unserm Gott, darum kann es uns nimmer fehlen. Es wäre aber, wenn der Psalm aus der Zeit Josaphats stammt, vielleicht noch eine andere Deutung möglich (vergl. 2. Chr. 20,35-37), nämlich die: Wiewohl du unser Beschützer bist, so gehst du doch mit unseren Erfindungen fleischlicher Klugheit ins Gericht; uns bewahrst du, aber unsre stolzen Schiffe, alles, worauf unser Unglaube sich verlassen und womit unser Ehrgeiz sich schmeicheln könnte, zerbrichst du und nimmst es uns weg, damit wir von dir allein alle Hilfe erwarten. Gott tut sich auf den Wassern wunderbar kund, aber ebensosehr auf dem Festland. Irrige spekulative Lehren, die vorgeben, uns aus der Ferne ungeahnte Schätze zu bringen, bereiten der Kirche immer wieder Gefahren; aber der Odem des HERRN treibt sie bald in Vernichtung. Die Gemeinde stützt sich noch gar manchmal auf die Weisheit von Menschen, und diese menschlichen Hilfsmittel leiden Schiffbruch; doch die Gemeinde Gottes selbst geht nicht mit unter, sie steht unter dem sicheren Schutze ihres großen Gottes und Königs.

9. Wie wir gehört haben, so sehen wir’s (haben wir es gesehen, Grundtext) an der Stadt des HERRN Zebaoth, an der Stadt unsers Gottes. Die wunderbaren Geschichten von der Hilfe Jehovas, welche unsre Väter uns überliefert haben, haben sich vor unseren Augen wiederholt. Wir hörten die Verheißung, und nun haben wir die Erfüllung gesehen. So wunderbar die Berichte sind, die in dem heiligen Archive Zions aufbewahrt werden, haben sie sich doch als wahrhaftig erwiesen durch die eben geschehenen Tatsachen, indem diese mit jenen völlig übereinstimmen. Man beachte, dass der HERR zuerst der HERR der Heerscharen, also mit einem Namen, der seine Macht und Hoheit anzeigt, genannt wird und sodann unser Gott, welcher Name auf sein Bundesverhältnis zu Israel und auf seine Herablassung hinweist. Da der HERR diese beiden Namen trägt, ist’s kein Wunder, wenn wir erfahren, dass er an uns nach seiner vorlängst erwiesenen Freundlichkeit und der bewährten Zuverlässigkeit seiner Verheißungen handelt. Gott erhält dieselbe ewiglich. Die wahre Kirche kann nie untergehen. Gott stellt sie fest auf ewig. Das ist besser als aller Schutz des Staates. Was Könige gründen, das hat im besten Falle nur für die Zeit Bestand; was Gott gründet, das währt in alle Ewigkeit. Sela. Hier ist eine Pause wohl angebracht, in der wir mit stiller Anbetung über die Wunder der Vergangenheit nachsinnen und einen freudigen Blick in die Zukunft werfen können.

Fußnote
4. Es ist möglich, rba(f so zu übersetzen. Aber passender wird es vom Überschreiten der Grenze (Richter 11,29; 2. Könige 8,21), vom Anrücken der vorher nach Verabredung an einem Ort zusammengekommenen Könige verstanden. Erst später wird das Misslingen des feindlichen Anschlags geschildert.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps48

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10. Gott, wir gedenken deiner Güte
in deinem Tempel.
11. Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm
bis an der Welt Enden;deine Rechte ist voll Gerechtigkeit.
12. Es freue sich der Berg Zion, und die Töchter Judas seien fröhlich
um deiner Gerichte willen.


10. Gott, wir gedenken deiner Güte oder Gnade, wörtlicher: sinnen (vergleichend) über deine Gnade. Heilige Menschen sind nachdenkende, sinnige Menschen; sie lassen Gottes Wunder nicht an ihren Augen vorüberziehen und in Vergessenheit verschwinden, sondern sinnen emsig über sie nach. Und welch köstlicher Gegenstand solch stillen Nachsinnens ist die Gnade Gottes! Wie könnte eine Seele, die Gott liebt, des Themas müde werden! Wir tun wohl daran, in Zeiten der Trübsal der früher erfahrenen Freundlichkeit Gottes zu gedenken, und ebenso nützlich ist das in den Tagen des Wohlergehens. Die dankbare Erinnerung an Gottes Wohltaten versüßt uns manchen bittern Trunk und läutert unsere Freuden. In deinem Tempel. Der beste Ort, um sich andächtig in Gott zu versenken. Wo der HERR sich am herrlichsten offenbart, entzündet sich auch am inbrünstigsten die Liebe zu ihm. Wo sich Gottes Kinder versammeln, bilden sie einen lebendigen Tempel, und wenn wir beisammen sind, sollte unser tiefstes Sinnen sich der Güte und Gnade des HERRN zuwenden, die sich auf so mannigfaltige Weise in der Erfahrung eines jeden einzelnen der lebendigen Steine dieses Tempels kundtut. Solches Gedenken an die erfahrene Barmherzigkeit sollte mit beständigem Lobpreisen des HERRN verbunden sein. Nahe dem Schaubrottisch, der an Gottes Güte erinnert, stehe der Räucheraltar, auf dem die Weihrauchwolken unseres Dankes aufwärts steigen.

11. Gott. wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Enden. Dem großen Namen Gottes, das ist, seiner wunderbaren Selbstoffenbarung, entspricht auch sein Lobpreis. Beide gehen bis an der Welt Enden. Nicht Jerusalem allein, auch die Völker rühmten die wunderbare Errettung, welche Gott Juda hatte zuteilwerden lassen. Ja der Ruhm der Taten Jehovas geht über die Grenzen der Erde hinaus (nach anderer Übersetzung5; Engel staunen und beten an, und von allen Gestirnen, wo immer geistbegabte Wesen wohnen, erschallt sein Ruhm bis an die Enden des Weltalls. Und mögen auf Erden die Menschen schweigen, so sind doch die Wälder und Felder, die Berge und Seen mit ihren Myriaden von Lebewesen, und all die unsichtbaren Geister, die darüber hinwandeln, seines Preises voll. Wie wir in einer Muschel das Brausen des Meeres hören, so vernehmen wir in den Umdrehungen der Schöpfung das Lob Gottes. Deine Rechte ist voll Gerechtigkeit. Dein Zepter und dein Schwert, die Erweise deiner freundlich waltenden und schützenden Vorsehung wie deiner rächenden Vergeltung, sind gerecht. Deine Hand ist nie leer, sondern allezeit voller Tatkraft, Güte und Gerechtigkeit. Weder der Gläubige noch der Sünder werden Gottes Hand je leer finden. Er wird beiden Gerechtigkeit in vollem Maße austeilen; dem einen wird er sich als der Gerechte erweisen, indem er ihm um Jesu willen seine Sünde vergibt, dem andern, indem er ihn verdammt.


12. Es freue sich der Berg Zion. Als die erste der Städte Judas und als das Hauptangriffsziel der Feinde möge die heilige Stadt den Reigen eröffnen. Und die Töchter Judas seien fröhlich oder mögen jubeln. Aber auch die kleineren Orte sollen im Chor einfallen, war doch mit Jerusalem das ganze Land bedroht und durch die Vernichtung der Feinde nun wunderbar errettet. Mögen die Frauen und Töchter6, die im Kriege am schrecklichsten unter der Unmenschlichkeit der Menschen leiden, nun, da die feindlichen Horden in die Flucht geschlagen sind, die fröhlichsten unter den Fröhlichen sein. Die ganze Gemeinde des HERRN und jedes einzelne Glied derselben freue sich in dem HERRN und rühme seinen heiligen Namen. Um deiner Gerichte willen. Die gerechten Taten des HERRN sind ein geziemender Gegenstand frohlockenden Lobpreisens. Wie immer man auf Erden darüber denken mag, im Himmel wird das ewige Verderben der Gottlosen das Thema anbetender Gesänge sein. Man lese Off. 19,1-3. Jetzt erscheint Gottes Gerechtigkeit unseren Augen oft hart; dann aber wird man klar erkennen, dass sie mit Gottes Liebe völlig übereinstimmt und einer der herrlichsten Edelsteine seiner Krone ist.

13. Machet euch um Zion und umfanget sie;
zählet ihre Türme;
14. achtet mit Fleiß auf ihre Mauern, durchwandelt ihre Paläste,
auf dass ihr davon verkündiget den Nachkommen,
15. dass dieser Gott sei unser Gott immer und ewiglich.
Er führet uns wie die Jugend.


13. Machet euch um Zion, begehet die Stadtgrenzen, nicht einmal, sondern oftmals, wie Israel einst um Jericho zog. Besichtigt die Stadt von allen Seiten, betrachtet sie euch mit Muße und Sorgfalt. Und umwandelt sie ringsum. (Grundtext) Umkreist sie immer aufs neue, weidet euch an ihrem herrlichen Anblick und seht, wie unversehrt der HERR sie erhalten hat. Auch wir können nicht zu häufig und zu innig und ernstlich die Stadt Gottes, die Gemeinde Jesu, betrachten und ihren wunderbaren Ursprung, ihre Vorrechte, ihre Geschichte, ihre Sicherheit und Herrlichkeit beschauen. Manchen Dingen werden wir mit einem flüchtigen Gedanken gerecht; dieser Gegenstand aber ist der hingebendsten und ausdauerndsten Betrachtung wert. Zählet ihre Türme. Seht nach, ob einer von ihnen zerstört worden oder schadhaft geworden ist. Ist die Kirche Gottes noch, was sie einst war, in Betreff der Lehre, der Kraft und inwendigen Herrlichkeit? Ihre Feinde schauten ihre zahlreichen mächtigen Türme erst voll Neids, dann voll Schreckens; lasst uns sie zählen mit heiliger Begeisterung. Als ich einst um die Stadt Luzern und ihren Kranz von Wällen und Türmen lustwandelte, jeden der malerischen Türme mit Muße betrachtend, da empfand ich etwas von dem Vergnügen solch liebender Betrachtung, wovon unser Vers redet.

14. Achtet mit Fleiß auf ihre Mauern. Richtet euer Augenmerk darauf, wie stark ihre Umwallung ist und wie sicher ihre Einwohner hinter den kunstgerecht aufeinander folgenden Verteidigungslinien geborgen sind. Die sichere Bewahrung der Gläubigen ist nicht eine Lehre, die man im Hintergrunde verbergen müsste; man darf sie ohne Gefahr verkündigen und mit Fleiß überdenken. Nur an Menschen von niedriger Sinnesart kann sich diese herrliche Wahrheit als schädlich erweisen. Die Kinder des Verderbens machen sich sogar den Herrn Jesus selber zu einem Stein des Anstoßens; da ist’s kein Wunder, dass sie auch die göttliche Wahrheit vom Beharren der Gläubigen in der Gnade sich selber zum Unheil verdrehen. Es wäre aber verkehrt, wenn wir davon ablassen wollten, Zions Mauern und Wälle zu betrachten, weil sich Tagediebe darin Schlupfwinkel zurechtmachen, hinter denen sie sich verstecken können. Durchwandelt ihre Paläste. Beseht euch eingehend die herrlichen Wohnungen der Gottesstadt. Untersucht gründlich die königlichen Verheißungen, die den gläubigen Seelen solch liebliche Ruhestätten bieten. Seht, wie stark gebaut und wohlerhalten die Burgen und wie fein die Lustgärten der altberühmten Stadt sind, deren Bürger zu sein euer Vorrecht ist. Jedermann sollte mit seiner Heimat am besten bekannt sein, und uns ist die Gemeinde des HERRN unsre traute, gesegnete Heimat. Ach gäbe Gott, dass die Christen sich mehr um den Zustand der Gemeinde des lebendigen Gottes kümmerten; aber geschweige, dass sie die Mauern der Gottesstadt prüfen und deren Türme zählen, wissen manche kaum, was die Festungen der Gemeinde des HERRN sind oder wo diese sich befinden; sie sind viel zu sehr damit in Anspruch genommen, ihr Geld zu zählen und ihr Hauptbuch zu prüfen, als dass sie für jenes Muße hätten! Ihre irdischen Rechte und Besitztitel kennen die Leute sehr genau, und sie wachen mit Fleiß darüber, dass ihr Eigentum unbestreitbar sei; ob ihnen aber Gottes Gnade verbürgt sei, das halten sie nicht des Nachforschens wert, und ob die ewigen Güter ihnen zuteilwerden oder nicht, das überlassen sie dem Zufall. Auf dass ihr davon verkündiget den Nachkommen. Ein trefflicher Beweggrund zu fleißiger Betrachtung der Gottesstadt. Wo wir etwas vom HERRN empfangen haben, wird uns auch die Pflicht, es andern zu überliefern. Wir müssen Forscher sein, damit wir Lehrer werden. Die Dankesschuld der Vergangenheit müssen wir damit abzutragen suchen, dass wir die Wahrheit dem künftigen Geschlecht übermitteln.

15. Dass dieser Gott sei unser Gott immer und ewiglich. Israel wird seinen Gott nicht tauschen, hat es doch wahrlich keinen Grund, dieses wunderbaren Gottes zu vergessen, noch wird der HERR sich wandeln, so dass Israels Bundesverhältnis und Erfahrungen die Geschichte einer abgeschlossenen Vergangenheit würden. Er wird seines Volkes Gott bleiben in alle Ewigkeit. Es gibt keinen anderen Gott, und wir wollten keinen andern, selbst wenn es einen gäbe. Er führet uns bis zum Tod.7 (Andere Übers.) Das ganze Leben hindurch und bis zu unserm Sterbekissen wird er uns gnädiglich und sänftiglich leiten, und selbst übers Sterben hinaus (wie andere hier übersetzen) wird er uns führen und zu den lebendigen Wasserbrunnen leiten. Von ihm erwarten wir Auferstehung und ewiges Leben. Diese tröstliche Hoffnung hegen wir mit Bestimmtheit nach alledem, was wir von der Macht und Treue Gottes bereits erfahren haben. Bisher sind unsre Feinde zerstreut worden, und unsere Festungswerke haben jedem Angriff getrotzt, weil Gott in unserer Mitte gewesen ist; so wird denn auch in Zukunft jeder Ansturm der Feinde ebenso vergeblich sein. Fahr hin, Furcht; kommt her, Dankbarkeit und gläubiges Vertrauen,

Fußnoten
5. So übersetzt z. B. auch Andreä (1885). Doch nimmt man sonst allgemein auch hier, wie so oft, l(a gleich l)e.

6. Spurgeon liebt je und dann die amplifikative Auslegung, d. h. diejenige, die zur vermeintlichen Vermehrung der Kraft einer Stelle die Bedeutungen des Wortsinnes mehrt und sie zugleich anwendet. Vor dieser muss man sich hüten, wenn sie nicht durch den Zusammenhang der Stelle oder durch den biblischen Sprachgebrauch nahe gelegt wird. So ist hier die Beziehung des Ausdrucks "die Töchter Judas" auf die Frauen und Töchter unstatthaft, da der Ausdruck stets die Stadt oder die Städte mit ihren Bewohnern bezeichnet, nicht aber speziell die weibliche Einwohnerschaft.

7. Der masoretische Text bedeutet streng genommen entweder: Er wird uns zum Sterben leiten (was nicht der Sinn der Masoreten gewesen sein kann, aber auch so gefasst werden könnte: Er wird uns leiten bis zum Sterben, l(a = l)e wie V. 11 und oft), oder: Er wird uns leiten über das Sterben hinaus. Dann läse man besser mit einigen hebr. Handschriften:, über den Tod hinaus. Luther fasst nach dem Targum tWml:(a (als ein Wort) gleich MymiWl(A Jugend (vergl. Ps. 9,1). Doch entbehrt diese Annahme der Begründung, und überdies fehlt zu Luthers Übersetzung dann noch die Vergleichungspartikel wie. Einen ansprechenden Sinn gibt die Übers. der LXX: ei)j tou`j ai)w=naj in die Äonen = in Ewigkeit; sie werden tWmlf(o gelesen haben. Doch kommt diese Pluralform (statt MYmilfO(a) nur im nachbiblischen Hebräisch vor. Viel wahrscheinlicher ist, dass tWm-l(a eine musikalische Note ist (siehe darüber die Vorbemerkungen zu Ps. 9), die dann hier (vergl. Hab. 3,19) ausnahmsweise unter statt über dem Liede steht (oder aber ursprünglich zum folgenden Psalm gehört). Dann setze man den Athnach zu Wnyh"Æl)E und übersetze: Dass dieser Gott sei unser Gott, oder: Dass dies sei Gott (=Jahve) unser Gott; immer und ewig wird er uns leiten. Nach (der Weise) "Sterben..." (zu singen).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Re: Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

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Erläuterungen und Kernworte

V. 2. Groß ist der HERR usw. Der Prophet, der im Begriff ist, einen wunderbaren Bau, nämlich die Stadt Gottes, zu rühmen, beginnt damit, dass er den Architekten rühmt, dessen Weisheit und Geschicklichkeit sich an jenem Bau so herrlich enthüllt. Groß ist der HERR und hoch zu rühmen, ob wir nun sein Wesen, seine Macht, seine Weisheit, seine Gerechtigkeit oder seine Gnade in Betracht ziehen; denn in allen Beziehungen ist er unendlich und unfassbar groß. Und so hoch ist Gott zu rühmen, dass alle Engel, alle Menschen und alles, was er geschaffen hat, an diese Aufgabe nicht hinanreichen. Aber unter allem, worin Gott sich geoffenbart hat, ist nichts, was uns einen erhabeneren Begriff von seiner Größe geben könnte und wofür wir ihn mehr preisen sollten, als die Gründung seiner Kirche. Darum fügt der Prophet hinzu: in der Stadt unsers Gottes, auf seinem heiligen Berge. Kardinal Robert Bellarmin † 1621.

V. 3. Schön raget empor der Berg Zion usw. Was ist oder war an Zion, das dies hohe Lob rechtfertigte? Die Lage Jerusalems macht es in der Tat ausnehmend geeignet, als gewaltige Festung zu dienen. Da es sich im Westen und Süden hoch über die tiefen Einschnitte des Gihon- und Hinnomtals erhebt und auch im Osten durch das kaum weniger tiefe Käsemachertal geschützt ist, konnte es nur von Nordwesten her angegriffen werden. Gerade auf dieser "Seite gegen Mitternacht" aber war es besonders stark befestigt mit Mauern, Türmen und Wällen, die so manchem feindlichen Heer Bewunderung und Schrecken abnötigten (V. 6.7). Der Psalmsänger kann dieser mächtigen Bollwerke nicht gedenken, ohne aufs neue in triumphierende Freude auszubrechen: Machet euch uni Zion usw. Ach, längst sind diese Türme niedergerissen, diese Wälle geschleift, diese Paläste in Staub zerfallen, und wir, die wir um Zion wandeln, können davon den Nachkommen nur eine traurige Geschichte verkündigen. Aber es gibt ein anderes Zion, dessen Türme noch viel herrlicher sind und niemals niedergerissen werden können. Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei (V. 4). Und dieser Gott ist unser Gott immer und ewiglich (V. 15). Wie oft steht in der Bibel Jerusalem als Name der Kirche des lebendigen Gottes! Kein anderer Ort auf Erden außer einem ist dem Volke Gottes so ans Herz gewachsen, kein anderer Name außer einem erweckt in dem Herzen des Christen so freudige Hoffnungen wie dieser. Das irdische Zion liegt jetzt im Staube; aber das wahre Zion erhebt sich, schüttelt den Staub von sich und zieht die köstlichen Kleider an, um seinen König zu begrüßen, wenn er kommt, sein die ganze Erde umspannendes Reich aufzurichten. W. M. Thomson 1859.

Als ich an jenem Morgen auf dem Rücken des Ölbergs stand und auf die Stadt niederschaute, welche die von tiefen, dunkeln Schluchten umgebenen befestigten Höhen krönte, rief ich unwillkürlich aus: Schön raget empor er Berg Zion, die Freude der ganzen Erde, die Stadt des großen Königs. Und wie ich so das liebliche Bild beschaute, ergossen die roten Strahlen der aufgehenden Sonne einen Lichtkranz um die Spitze des Davidsturms; dann ließ die Sonne jedes der schlanken Minarette golden erschimmern und vergoldete die Kuppeln der Moscheen und Kirchen, bis zuletzt die terrassenförmig aufsteigenden platten Dächer der Stadt sowie das Gras und Laubwerk, die Kuppeln, das Pflaster und die gewaltigen Mauern des Haram (des Tempelplatzes) sich in einer Flut von Licht badeten. Niemand, der Jerusalem zuerst vom Ölberg sieht, kann anders als mit Entzücken die Stadt betrachten. J. L. Porter 1867.

Infolge der Sünde ist die ganze Erde verunstaltet. Daher konnte mit Recht das Fleckchen Erde, das so mit Heiligkeit geziert war, die Freude der ganzen Erde genannt werden, in dem Sinn, dass die ganze Welt Grund hatte, sich dieses Ortes zu freuen, wo Gott wahrhaftig bei den Menschen auf Erden wohnen wollte. Matthew Henry † 1714.

Die Stadt des großen Königs. Fortan (seit dem Einzug der Bundeslade auf Zion und dem Testament an David 2. Samuel 7) hat also der Herr der Welt seinen Sitz auf dem Zion, von wo aus er die ganze Welt richtet (Ps. 110,2) und seiner ganzen Volksgemeinde wunderbaren Segen spendet, weshalb in so vielen Psalmliedern Jerusalem als die Stadt des großen Königs, d. h. Gottes, gefeiert wird. (Vergl. z. B. Ps. 46; 48; 87; 93; 97; 99 usw.) War der Sinai der Berg, wo Gottes Majestät über dem Volk unter den Schrecknissen seiner Erscheinung ein unverbrüchliches Gesetz verkündigt hat, so stellt dagegen der Berg Zion seine Gnadengegenwart innerhalb der Gemeinde dar, was bis ins neue Testament (Gal. 4,24-26) nachwirkt, indem freilich der Begriff des Zion, der Stadt Gottes, sich mehr und mehr vergeistigt. Prof. Conrad von Orelli 1882.

Gott wird der große König genannt im Gegensatz gegen die Könige in V. 5. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

V. 4. Gott ist in ihren Palästen bekannt, dass er der Schutz sei. "Ich höre sagen, man habe in Rom dem König von England (Heinrich VIII.) den Titel gegeben: ‚Schirmherr der Kirche’ Aber ich bitte Gott, dass er mich ja nicht lasse in einer solchen Kirche sein, darinnen nur ein Mensch der Schutzherr ist. Eine Kirche, die an Gott verzagt und Christum verleugnet, die mag einen solchen Schutzherrn haben; aber die wahre Kirche singt: Der HERR ist mein Schutz." Martin Luther 1523.

V. 6.7. So sahen auch die Machthaber der Welt die Wunder, welche die Apostel wirkten, den Mut und die Sündhaftigkeit der Märtyrer, und dass die Kirche trotz allen Verfolgungen Tag für Tag wuchs. Sie sahen mit Erstaunen und Bestürzung, welch reißende Fortschritte das Christentum im römischen Reich machte. Sie riefen ihre Götter um Hilfe an; aber diese konnten sich selber nicht helfen. Der Götzendienst hauchte am Fuße des siegreichen Kreuzes sein Leben aus. Bischof George Horne † 1792.

V. 7. Zittern ist sie daselbst angekommen usw. Nichts ist unerklärbarer als solch panischer Schrecken. Niemand kann sich völlig davor schützen. Der das Ohr gemacht hat, kann leicht machen, dass uns die Ohren klingen und sausen. Der die Winde in seiner Faust hält, kann sie leicht uns einen Schrecken zuflüstern oder einen Lärm machen lassen, der uns in Bestürzung versetzt. Das ist namentlich dann zu erwarten, wenn Menschen so handeln, dass ihr eigenes Gewissen wider sie zeugt, vergl. Hiob 5,21. Aber Gott kann zu jeder Zeit die Menschen dahingeben, dass sie allen Mannesmut verlieren und sich höchst töricht benehmen, vergl. 3. Mose 26,36. Es gibt Fälle, wo Kriegerscharen mit tapferem Mut mehr als eine Schlacht geschlagen und dann auf einmal den Feigling gespielt haben. William Swan Plumer 1867.

V. 9. Gott erhält dieselbe ewiglich. "Das untergegangene Jerusalem", bemerkt hier Hengstenberg, "ist nicht dasjenige, welches der Sänger meint; es ist nur dessen abgestreifte Leiblichkeit." Es ist wahr, dass Jerusalem in der neutestamentlichen Gemeinde seinem wahren, inneren Wesen nach fortbesteht, aber nicht minder wahr, dass sein zeitweiliges Zertretenwerden in den Zeiten der Heiden die Verheißung Gottes so wenig aufhebt, als Israels zeitweilige Verstoßung seine Erwählung. Die heilige Stadt geht nicht unter, ohne wieder zu erstehen. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
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Erläuterungen und Kernworte

V. 13f. Im geistlichen Sinne sind die Türme und Mauern Zions die Lehren des wahren Glaubens, welche die Stärke und der Ruhm der Kirche sind. Diese müssen gegen die Angriffe der Irrlehrer in ihrer Reinheit und ihrem Bestand aufrecht erhalten werden, damit sie den zukünftigen Geschlechtern unbeschädigt überliefert werden. Origenes † 254 und Theodoret † um 457.

V. 14. Achtet mit Fleiß, wörtlich: richtet euer Herz auf ihre Mauern, betrachtet sie mit Aufmerksamkeit, besichtigt sie sorgfältig, nicht wie jemand, dessen Herz nicht bei der Sache ist und der es daher gleichgültig und nachlässig tut. Das von Luther mit Mauern übersetzte Wort bedeutet eine Befestigung und besonders die Vormauer der Festung mit dem sturmfreien Vorraum (den Glacis), 2. Samuel 20,15; Jes. 26,1. A. Barnes † 1870.

Die Bestimmung und Einsetzung Jesu zum König der Gemeinde ist das Hauptbollwerk Zions. Die zweite Festungskette sind die unzähligen Verheißungen Gottes. Eine andere Mauer ist die Vorsehung Gottes, die so wachsam die Gemeinde des HERRN beschützt. Wiederum eine Festung ist Gottes besondere Gegenwart in seiner Gemeinde. Das letzte Bollwerk endlich, unter welches alle andern befasst werden können, ist der Bund, den Gott mit seinem Volke gemacht hat: Dieser Gott ist unser Gott (V. 15). John Owen † 1683.

V. 15. Dass dieser Gott sei unser Gott immer und ewiglich. Wie köstlich ist demnach das Erbteil des Gläubigen. Kein Besitzer kann von seinen Feldern sagen: Diese sind mein immer und ewiglich. Kein König kann von seiner Krone sagen: Sie ist mein immer und ewiglich. All solche Besitztümer wechseln bald ihren Herrn; die Besitzer selbst werden bald zu Staub, und sogar ihre sterblichen Überreste nennen das Grab, darin sie ruhen, nicht lange ihr eigen. Jedes Christen einzigartiges und wunderbar hohes Glück aber ist es, sagen zu dürfen: Dieser erhabene Gott, mit all seinen Vollkommenheiten, ist mein Gott immer und ewiglich, und selbst der Tod kann mich nicht von seiner Liebe scheiden. George Burder 1838.

Es ist dies Bundesverhältnis Gottes zu seinem Volke ein so wunderbar Ding, dass Gottes Kinder sich nicht damit begnügen können, es zu kennen und zu genießen; sie müssen es auch verkündigen (V. 14). Und zwar rühmen sie sich erstens der Größe des Gottes, der ihnen zugehört: Dieser Gott ist unser Gott, und zweitens der ewigen Dauer dieser engen Verbindung mit Gott: immer und ewiglich. John Howe † 1705.

O süßes Wort: immer und ewiglich. Das setzt der Wonne der Gläubigen die Krone auf. Billionen von Jahren sind weniger als ein Tropfen in diesem Meer der Ewigkeit. George Swinnock † 1673.

Er führet uns bis zum Sterben. (Andere Übers.) Manche Ausleger finden in diesen Worten eine Schwierigkeit, indem sie meinen, dass ein solches Bekenntnis des persönlichen Glaubens kein passender Schluss für ein nationales Lied sei. Mir scheint aber der Vers gerade so, wie er in unserer (engl.) Bibel steht, mit dem Inhalt des Liedes trefflich zu stimmen und dessen schönste Zier zu sein. Wenn der HERR für unsere Kirche oder unser Volk Großes tut, so will er, dass daraus alle Gläubigen, wie bescheiden ihre Stellung auch sei, Mut schöpfen, neues Vertrauen zum HERRN fassen, mit desto festerer Hoffnung sich an ihn klammern und sprechen: Dieser Gott ist unser Gott immer und ewiglich; er wird uns leiten bis zum Sterben. William Binnie 1870.

Er, der unser Gott ist immer und ewiglich, wird uns leiten über den Tod hinweg, auf dem Wege voll Todesnot und Gefahr. Das heißt: während unter uns der Boden sich öffnet zur Gruft, wird er in seiner starken Hand uns halten. Prof. Johannes Wichelhaus † 1858. (Mit diesem Wort hat sich Wichelhaus zuletzt noch vor seinem Sterben getröstet.)

Homiletische Winke

(Sämtliche Winke zu diesem Psalm, ausgenommen die ausdrücklich anders bezeichneten, stammen von George Rogers, dem Direktor an Spurgeons Predigerschule.)

V. 2. 1) Was ist die Gemeinde für Gott? a) Seine Stadt; nicht ein wirrer Volkshaufe ohne Gesetz und Ordnung, sondern ein wohlgeordnetes Gemeinwesen; b) der Berg seiner Heiligkeit, die Stätte, wo er seine rechtfertigende Gerechtigkeit und heiligende Gnade offenbart. 2) Was ist Gott einer Gemeinde? a) Er wohnt in ihr. Sie ist seine Stadt, sein Berg. Dort ist er groß. Nicht im Paradies, nicht auf dem Sinai, nicht im Himmel der Engel war Raum für die volle Offenbarung der Größe Gottes; in der Gemeinde allein enthüllen sich alle Vollkommenheiten Gottes als des Dreieinigen. Ist er überall groß, so doch ganz besonders in seiner Gemeinde. b) Er ist der Gegenstand ihres Lobpreises. Wie seine Offenbarung in der Gemeinde die höchste ist, so wird er auch in ihr am höchsten gepriesen, und durchs ganze Weltall erschallt sein Ruhm um deswillen, was er an ihr tut.
V. 3. 1) War das alte Zion-Jerusalem eine liebliche Höhe, so ist dies auch die neutestamentliche Gemeinde, gegründet auf den Felsen des ewigen Gnadenratschlusses. 2) War jenes die Freude der ganzen Erde, so wird das die neutestamentliche Gemeinde auch werden. 3) War es sowohl eine königliche als eine heilige Stadt, so ist dies die neutestamentliche Gemeinde ebenfalls. Vergl. Ps. 2, 6.
V. 4. 1) Gott ist seiner Gemeinde eine Schutzwehr, darum ist die Gemeinde ein Bergungsort. Doch nicht diese an sich, sondern ihr Gott ist der Schutz a) der Sünder vor dem Zorne, b) der Gläubigen vor Versuchungen und Ängsten. 2) Gott hat sich in seiner Gemeinde als solchen Schutz kundgetan, und zwar wie sonst nirgends.
V. 5-8. 1) Der Widerstand der Weltmächte gegen die Gemeinde des HERRN. Die Könige usw. 2) Wie wurden diese Weltmächte bezwungen? Durch ihre eigne Furcht. Das Gewissen verfolgt die Verfolger der Kirche Gottes. Wenn sich die Philister der Bundeslade bemächtigen, sind sie froh, sie mit einem Opfer zurücksenden zu können (1. Samuel 6). 3) Wie vollkommen ist ihre Niederlage? Wie der Untergang einer mächtigen Schiffsflotte, die vom Ostwind zerstreut, zerbrochen und in die Meerestiefe versenkt wird.
V. 9. 1) Gott ist seinem Volke stets gewesen, was er jetzt ist. 2) Er ist jetzt, was er stets gewesen ist. 3) Er wird stets sein, was er jetzt ist.
V. 10. 1) Worin erweist sich die Gnade Gottes? Darin, dass er den Elenden Erbarmen, den Reuigen Vergebung, den Flehenden Hilfe, den Betrübten Trost angedeihen lässt. 2) Wo ist diese Gnade zu finden? In deinem Tempel. Da enthüllt sie sich, da lässt sie sich finden und genießen.
V. 11. Wie Gottes Name, so ist auch sein Ruhm 1) allerhaben, 2) das Weltall umfassend, 3) ewig.
Deine Rechte ist voller Gerechtigkeit. 1) Die Gerechtigkeit der göttlichen Allmacht. 2) Die Allmacht der göttlichen Gerechtigkeit.
V. 12. 1) Nicht nur Gottes Gnadenerweisungen, sondern auch seine Gerichte sind Gegenstand der Freude für Gottes Volk. 2) Gründe: a) weil Gottes Gerichte heilig sind - notwendig zur Reinheit der sittlichen Weltregierung; b) weil sie gerecht sind - notwendig, um dem Gesetze Geltung zu verschaffen; c) weil sie gut sind - notwendig, um möglichst viel Gutes zu erreichen.
V. 13 f. 1) Was sind diese Mauern und Türme Zions, diese Ursachen und Mittel der Bewahrung der Kirche? 2) Was ist damit gemeint, dass wir diese Mauern und Türme untersuchen und betrachten sollen? 3) Was für Gründe sollten uns dazu bewegen, dies zu tun? 4) Welches Zeugnis haben wir in dieser Hinsicht dem zukünftigen Geschlecht zu überliefern? John Owen † 1683.
V. 15. Dieser Vers ist die Sprache des Glaubens, der 1) des Anrechts an Gott gewiss ist: unser Gott, 2) und zwar auf ewig, und sich 3) dieses Anrechts freut. W. Jay † 1853.
1) Die Sprache der Erfahrung: Dieser Gott, der sich so wunderbar kundgetan hat. 2) Die Sprache heiligen Gelobens: Dieser Gott und kein anderer. 3) Die Sprache des Glaubens: Dieser Gott ist unser Gott. 4) Die Sprache der Hoffnung: immer und ewiglich. 5) Die Sprache der Ergebung: Er führet uns usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 49 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Psalm der Kinder Korah, vorzusingen, bedarf keiner neuen Bemerkung.

Einteilung

Der Dichter singt, unter Begleitung seiner Harfe (V. 5), davon, wie verächtlich die Gottlosen sind, die auf ihren Reichtum trauen, und tröstet damit die unterdrückten Gläubigen. Die ersten vier Verse, 2-5, bilden ein Vorwort. V. 6-13 verscheuchen alle Furcht vor den mächtigen Bedrückern, indem sie an das Ende dieser erinnern und ihre Torheit nachweisen. V. 14 ist ein Ausdruck der Verwunderung über die beständige Fortdauer solcher Torheit. V. 15.16 stellen die Gottlosen und die Gerechten in Betreff ihrer Zukunft einander gegenüber. V. 17-21 geben in Form einer Ermahnung die Lehre, die sich aus dem Ganzen ergibt. Man beachte den Kehrreim in V. 13.21 und die beiden Sela V. 14 u. 16.

Auslegung

2. Höret zu, alle Völker;
merket auf, alle, die in dieser Zeit leben,
3. beide, gemeiner Mann und Herren,
beide, reich und arm, miteinander!
4. Mein Mund soll von Weisheit reden
und mein Herz von Verstand sagen.
5. Ich will einem Spruch mein Ohr neigen
und kundtun mein Rätsel beim Klange der Harfe.


In diesen vier Versen ruft der prophetische Dichter die ganz Menschheit auf, seiner Lehre Gehör zu schenken.

2. Höret zu, alle Völker. Das Thema des Psalmdichters geht alle Menschen an; von ihnen und darum auch zu ihnen möchte er reden. Freilich ist der Gegenstand nicht solcherart, dass die Menschen ihn gern erwägen; darum muss derjenige, der sie darüber unterweisen will, in sie dringen, ihm doch Gehör zu schenken. Wo das Thema, wie in diesem Falle, mit Recht den Anspruch der Weisheit und Einsichtsfülle erhebt, ist es sehr angemessen, allgemeine Aufmerksamkeit zu fordern; und wenn der Stil, wie bei diesem Psalm, die kräftige Kürze und Gedankenfülle der Sprichwortrede mit der Lieblichkeit der poetischen Form verbindet, wird das Interesse auch leicht geweckt. Merket auf, alle, die in dieser Zeit leben, oder: Nehmt es zu Ohren, all ihr Bewohner der (zeitlichen) Welt. Wer Ohren hat zu hören, der höre. Wovon der Psalmist reden will, das geht die Bewohner aller Zonen gleich nahe an, denn die Gesetze der Vorsehung sind in allen Landen die nämlichen. Schon dieses einleitende Wort gewinnt aber dadurch großen Ernst, dass es die Weltbewohner an die Kürze und Vergänglichkeit des Irdischen erinnert; denn das hier im Grundtext gebrauchte Wort bezeichnet die Welt in ihrer Zeitlichkeit und Vergänglichkeit und mahnt damit zugleich schon an die dieser Zeitlichkeit gegenüberstehende Ewigkeit mit dem furchtbaren Ernst der Unveränderlichkeit des Loses in dieser Ewigkeit. Wir sollen weise sein und jeder des gedenken, dass auch er ein sterblicher Mensch ist und darum das, was der von Gott erleuchtete Dichter dem sterblichen Geschlecht zu sagen hat, für ihn persönlich von Bedeutung ist. Wir müssen alle einst vor dem Richtstuhl erscheinen; darum sollten wir solche heiligen Mahnungen, die uns helfen können, uns auf jenes ernste Ereignis zu bereiten, alle gewissenhaft beachten. Wer sich jetzt weigert, sein Ohr der heilsamen Unterweisung zu erschließen, wird es einst nicht verstopfen können, wenn der Machtspruch des Richters ertönt: Gehet hinweg von mir, ihr Verfluchten.

3. Beide, gemeiner Mann und Herren1, beide, reich und arm, miteinander. Herrensöhne und gemeiner Leute Kinder, Besitzer reicher Güter sowohl als Leute, die in der Armut schmachten, ihr alle seid gebeten, dem gottbegeisterten Sänger zuzuhören. Das Lied, zu dem er seine Leier spielt, ist freilich traurig, aber lehrreich. Den Geringen wird es Ermutigung, den Vornehmen Warnung bringen, die Reichen wird es nüchtern machen und die Armen trösten, kurz, für jeden soll es eine wichtige Lehre geben, wenn sie nur zu lernen willig sind. Unsere Predigten sollten so beschaffen sein, dass sie jeder Klasse von Menschen etwas sagen, und alle sollten für die Stimme der Wahrheit ein Ohr haben. Wollten wir unsre Worte nur den Reichen anpassen, so wären wir elende Fuchsschwänzer, und zielten wir nur darauf, den Armen zu gefallen, so würden wir die Rolle von Volksverführern spielen. Die Wahrheit darf so verkündigt werden, dass sie von allen Gehör verlangt, und weise Männer suchen sich diese hohe Redekunst anzueignen. Die Reichen und die Armen müssen doch bald im Grabe nahe beisammen liegen; so mögen sie es wohl zufrieden sein, sich auch jetzt auf eine Bank zu setzen. In der Versammlung der Toten sind alle Standesunterschiede ausgemerzt; so sollten sie denn auch jetzt kein Hindernis gemeinsamer Unterweisung sein.

4. Mein Mund soll Weisheit2 reden. (Grundtext) Da der Dichter als Prophet, als von Gottes Geist inspirierter Lehrer, redet und somit über sich selbst hinausgehoben ist, rühmt er mit diesen Worten nicht etwa seine eigenen Fähigkeiten, sondern den göttlichen Geist, dessen Werkzeug er ist. Er weiß, dass der Geist der Wahrheit und der Weisheit durch ihn redet. Wer des nicht gewiss ist, dass, was er redet, gut ist, hat kein Recht, Gehör zu beanspruchen. Und das Sinnen meines Herzens (soll reden, oder: ist) Einsicht. (Grundtext) Derselbe Geist, der den alten Gottesmännern Beredsamkeit verlieh, machte sie auch zu nachdenkenden Menschen. Der Beistand des Heiligen Geistes war nie darauf berechnet, den Gebrauch unserer eigenen geistigen Kräfte überflüssig zu machen. Der Heilige Geist veranlasst uns nicht, zu reden wie Bileams Eselin, die nur Laute von sich gab, ohne irgend zu denken, sondern er leitet uns zu ernstem Nachsinnen und Erwägen, und dann gibt er uns eine feurige Zunge, dass wir mit Macht reden können. (Mt. 7,29.)

5. Ich will einem Spruch mein Ohr neigen. Wer will, dass andere auf ihn hören, muss zuerst selbst ein Hörer sein. Wie der begeisterte Sänger das Ohr zu seiner Harfe neigt, so muss der Prediger sich mit ganzer Seele seinem Amt hingeben. Die Weisheit, von der der Dichter V. 4 gesprochen hat, wurde ihm von oben gegeben, und zwar in der Form eines kernigen Lehrspruchs. Diesen will er erläutern und für das allgemeine Verständnis erschließen. Er will die Wahrheit nicht dunkel lassen; hat er doch ihrer Stimme so lange gelauscht, bis er sie sowohl verstand, dass er nun imstande ist, sie auszulegen und in die gewöhnliche Sprache der Menschen zu übersetzen. Dennoch lag es in der Natur des Gegenstandes, von dem er reden will, dass dieser ein Problem bleiben musste, ja eine dunkle Rede für die unerleuchtete Masse; doch ist dies nicht des Sängers Schuld, sagt er doch: Ich will kundtun mein Rätsel beim Klange der Harfe. Der Schreiber war kein müßiger Grübler, der sich desto mehr in seinem Element fühlt, je dunkleren und geheimnisvolleren Dingen er nachgehen kann; aber er schreckte auch nicht zurück vor ernstem Erforschen tiefer Lebensfragen. Er suchte die im Dunkeln verborgenen Schätze zu erschließen und Perlen aus der Tiefe zu heben. Um sich die Aufmerksamkeit zu gewinnen, goss er die im Lehrspruch ihm gewordene Lebensweisheit in die Form eines Liedes um und stimmte seine Harfe zu dem ernst feierlichen Ton seines Themas. So wollen auch wir uns denn um den Barden des Königs aller Könige scharen und seiner Stimme lauschen.

Fußnoten
1. Manche neuere Exegeten halten zwar die Ausdrücke "Mannessöhne" und "Menschensöhne" für gleichbedeutend und übersetzen: Ihr Menschen insgesamt. Andere halten aber die gegensätzliche Bedeutung fest; Bäthgen verweist hierfür auch auf das syrische.

2. Der Plural des Grundtexts ist wohl als zur Verstärkung dienender (plur. intensivus) zu deuten: gewichtige Weisheit. Ebenso im zweiten Glied: gründliche Einsicht.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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6. Warum sollte ich mich fürchten in bösen Tagen,
wenn mich die Missetat meiner Untertreter umgibt,
7. die sich verlassen auf ihr Gut
und trotzen auf ihren großen Reichtum?
8. Kann doch einen Bruder niemand erlösen
noch ihn Gotte versöhnen
9. (denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen;
man muss es lassen anstehen ewiglich);
10. dass er fortlebe immerdar
und die Grube nicht sehe.
11. Denn man wird sehen, dass die Weisen sterben
sowohl als die Toren und Narren umkommenund müssen ihr Gut andern lassen.
12. Das ist ihr Herz, dass ihre Häuser währen immerdar,
ihre Wohnungen bleiben für und für;und haben große Ehre auf Erden.
13. Dennoch kann ein Mensch nicht bleiben in solchem Ansehen,
sondern muss davon wie ein Vieh.



6. Warum sollte ich mich fürchten in bösen Tagen, wenn mich die Missetat meiner Untertreter3 umgibt? Der Mann Gottes sieht ruhig solch bösen Zeiten entgegen, wo die frechen Übeltäter, welche allezeit hinter ihm her sind, um ihn bei guter Gelegenheit hinterlistig zu Falle zu bringen, eine Weile obenauf sein werden. Gottlose Menschen liegen allezeit auf der Lauer, um die Gerechten zu untertreten. Es ist eine uralte Voraussage, dass die Schlange den Weibessamen in die Ferse stechen werde, und der Feind unsrer Seele ist sehr darauf bedacht, diese Weissagung zu erfüllen. Auf irgendeiner dunkeln Strecke unseres Weges mag das Böse uns plötzlich umgeben, gleich einem Drachen anschwellen und uns heimtückisch anfallen. Böse Menschen, die gleich einem Rudel Wölfe unseren Fußspuren gefolgt sind, mögen uns unversehens ereilen und wütend umringen. Was dann? Sollen wir uns feige preisgeben? Sollen wir ihren Zähnen zur Beute werden? Davor behüte uns Gott! Nein, nicht einmal fürchten wollen wir uns. Denn was sind diese Feinde? Was anders in der Tat als sterbliche Menschen, die schmählich umkommen werden? Für die Gläubigen kann es keinen wirklichen Grund des Schreckens geben. Ihre Feinde sind zu unbedeutend, als dass sie des wert wären, dass uns auch nur ein Schauer der Furcht ankomme. Spricht der HERR uns nicht zu: Ich, Ich bin euer Tröster; wer bist du denn, dass du dich vor Menschen fürchtest, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die wie Gras vergehen? (Jes. 51,12.).

7. Wie aber, wenn die Feinde des Rechtschaffenen zu den Mächtigen der Erde zählen? Auch dann braucht er sich nicht zu fürchten. Die sich verlassen auf ihr Gut. Arme Toren, die sich mit einer so armseligen, jeden Augenblick mit dem Einsturz drohenden Zuversicht begnügen! Sobald wir unseren Fels mit dem ihrigen vergleichen, sehen wir, dass es Narrheit wäre, sich vor ihnen zu fürchten. Ob sie es mit ihrem Prahlen auch noch so arg treiben, dürfen wir uns doch erlauben, darüber zu lächeln. Was tut’s, ob sie trotzen auf ihren großen Reichtum? So trotzen wir auf unseren Gott, und solange wir das tun, können uns all ihre vermessenen Drohungen nicht bange machen. Große Macht, hohe Stellung und Reichtum machen gottlose Menschen sehr erhaben in ihren eignen Augen und tyrannisch gegen andere Leute; wer aber ein Erbe des Himmels ist, lässt sich von ihrer Großtuerei nicht einschüchtern und von ihrem trotzigen Gebaren nicht zur Memme machen. Er sieht, welch geringen Wert alle irdische Habe hat und wie hilflos auch die Reichsten in der Todesstunde sind; darum ist er nicht so armselig, sich vor einem Eintagsschmetterling, einer Motte, einer Wasserblase zu fürchten.


8. Kann doch einen Bruder niemand erlösen. Nicht einmal seinen eignen Bruder kann auch der Reichste vom Tode erretten; und wenn alle Millionäre der Welt ihre Schätze zusammenlegten, könnten sie doch nicht einen ihrer Brüder und Freunde dem eisigkalten Griff des Todes entreißen. Die großen Hansen prahlen, was sie uns antun wollen; mögen sie zu sich selber sehen! Lasst sie doch ihr Gold auf der Waagschale des Todes wägen und zusehen, wieviel sie damit dem Grabe und den Würmern abkaufen können! In dieser Beziehung stehen die Armen den Reichen gleich; mögen sie ihren Freund noch so herzlich lieben, sie können ihn doch nicht Gotte versöhnen, d. h. Gott das Lösegeld für ihn darlegen. (Wörtl.) Selbst ein fürstliches Lösegeld würde nichts vermögen, ein Monte Rosa von Rubinen, ein Amerika voll Silbers, eine Welt voll Goldes, eine Sonne von lauter Diamanten, alles würde mit Verachtung abgewiesen werden. O ihr Prahler, denkt doch nicht, dass ihr uns mit eurem wertlosen Geld und Gut einen Schrecken einjagen könnt! Geht und schüchtert erst den Tod ein, ehe ihr solche bedroht, die Unsterblichkeit und ewiges Leben in sich haben.

9. Denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen, dass er (das Subjekt des vorigen Verses) es muss lassen anstehen ewiglich. Der Kaufpreis ist unerschwinglich; es kann niemals etwas aus dem Handel werden. Auf alle Zeit muss jeder Versuch, eine Menschenseele mit Gold zu erlösen, fehlschlagen. Der Tod kommt daher und kein Geld kann ihn bestechen; die Hölle folgt ihm, und kein goldner Schlüssel öffnet ihre Kerkertüren. Vergeblich sind drum alle eure Drohungen, ob ihr auch noch so stolz tut auf den gelben Unrat; für eure kindischen Spielsachen haben Männer, die den Wert der Dinge nach dem Sekel des Heiligtums schätzen, nur Verachtung.

10. Es gibt also schlechterdings keinen Preis, um welchen sich irgendjemand die Erfüllung des Wunsches zusichern könnte, dass er fortlebe immerdar und die Grube nicht sehe. Schon jetzt sind die Menschen ganz närrisch aufs Geld erpicht; was für eine tolle Jagd nach dem Golde würde es erst werden, wenn sie sich damit das Elixier der Unsterblichkeit erkaufen könnten? Wirklich werfen manche viel Geld hinaus, um die Würmer um den armseligen Leichnam zu betrügen, indem sie diesen einbalsamieren oder in Metallsärge einschließen; aber es ist ein allzu törichter Handel, eine Narrenposse und nichts weiter. Und was die Seele betrifft, so ist sie zu ätherischer Art, als dass sie von Särgen und Grüften zurückgehalten werden könnte, wenn Gottes Ruf an sie ergeht, sich auf uns unbekannten Bahnen vor seinen Richterstuhl zu begeben.

11. Denn er (Grundtext) sieht (muss sehen), dass die Weisen sterben. Jedermann sieht das. Auch der reiche Geldprotz kann nicht umhin, es zu sehen. Er kann seine Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass weisere Menschen, als er einer ist, dahinsterben und auch er mit all seiner Klugheit dem Tode nicht zu entgehen vermag. Sowohl als die (wörtl.: und dass allzumal) Toren und Narren umkommen. Auch die Toren verschmäht der Tod nicht. Narrenkappe oder Doktorhut, es wandert alles in einen Sack. Keine Tollheit kann das Sterbestündlein hinweglachen, und das Totenglöcklein übertönt mit seinem schrillen Klang die lauteste Ausgelassenheit. Freund Hein tritt in die Hörsäle der Wissenschaft und schreckt auch vor dem Wirtshausqualm nicht zurück. Geistlose, denkfaule Toren und in viehische Dummheit versunkene Menschen nehmen ebensowohl ein Ende wie die edelsten Männer, die ihr Leben dem Erforschen der Wahrheit weihen. Allerdings deutet der Text in feiner Weise einen Unterschied an: Während die wahrhaft weisen Menschen, sofern ihr diesseitiges Leben in Betracht kommt, sterben, wird dem Toren ein schlimmeres Los, denn er kommt um. Er wird ausgelöscht aus dem Gedächtnis, niemand beweint ihn, niemand sehnt ihn zurück. Und müssen ihr Gut andern lassen. Nicht einen Heller können sie mitnehmen. Ob in rechtmäßiger Ehe erzeugte Leibeserben ihre Güter in Besitz nehmen, oder ob niemand da ist, der auf das Erbe Anspruch erheben kann, macht dabei keinen Unterschied; gewiss ist, dass all die aufgehäuften Schätze ihnen nicht mehr gehören. Mögen Verwandte sich um die Güter zanken oder Fremde diese als Beute unter sich teilen, sie können nichts dawider tun. Ihr Prahlhänse, sorgt doch erst dafür, dass ihr euer Eignes behalten könnt, ehe ihr davon träumt, den Söhnen des lebendigen Gottes ihr Erbteil zu rauben! Seht, dass ihr selber etwas an den Füßen habt auf dem dunkeln Weg durchs Todestal, ehe ihr uns zu Fall zu bringen sucht.


12. Das ist ihr Herz (wörtl.: ihr Inneres4, dass ihre Häuser währen immerdar, ihre Wohnungen bleiben für und für. Das ist fürwahr ein großer Narr, der in seinem innersten Wünschen und Meinen noch törichter ist, als er in Worten laut werden lassen darf. Solch faule Frucht, faul bis ins Herz hinein, sind die Weltmenschen. Tief drinnen in ihrem Herzen wähnen sie, ob sie es auch nicht auszusprechen wagen, dass die irdischen Dinge reale, bleibende Güter seien. Die verrückten Träumer! Die vielen Ruinen von Schlössern und Burgen, der Verfall ihrer eigenen Paläste und Herrschaftssitze sollte sie wahrhaftig eines Bessern belehren; aber das alles hindert sie nicht, den eitlen Wahn zu hegen und zu pflegen. Sie können das Trugbild der Fata Morgana nicht von dem wahren Strom des lebendigen Wassers unterscheiden; sie schwätzen sich vor, der Regenbogen sei beständig, und halten Wolkengebilde für unbewegliche Alpenketten. Und rufen aus ihre Namen über Ländereien (wörtl.5: feierlich benennen sie ihre mächtig sich ausdehnenden Güter nach ihren Namen, als wären diese unsterblich, sie selber ewig. Verbreitet genug ist die Sitte, die der Psalmdichter hier geißelt. Die Scholle muss den Namen dessen tragen, der doch aus ihr gebildet ward6 - er könnte ihn ebensogut auf eine Eisscholle schreiben. Es hat sogar Menschen gegeben, die ganze Länder nach ihrem Namen genannt haben; aber was hilft es ihnen, dass sie in eitler Ehrsucht ihren Namen so "verewigen"? Was wird ihr Name anders sein als ein leerer Schall, wenn sie selber aus dem Lande der Lebendigen weggetilgt sind?

13. Aber der Mensch (wenn er auch) in Herrlichkeit (im Gepränge seines Reichtums und Ansehens lebt) hat keinen Bestand. (Grundtext) All die Herrlichkeit der Sterblichen ist dem Prunk zu vergleichen, den man im heidnischen Rom für einen Tag zum Besuch des Theaters oder des Zirkus leihen konnte. Und der reichste Eigentümer hat so wenig seines Bleibens, dass er jemand gleicht, der sich ein Plätzchen auf Stunden gemietet hat und nicht einmal über Nacht bleibt. Ob er auch in einem Marmorpalast wohnt, die Kündigungsurkunde ist schon ausgefertigt. Je höher ein Mensch steht, desto mehr ist er in Gefahr, hinabzustürzen und sich das Genick zu brechen. Bist du etwa "der Held des Tages"? Schon dieser Name selbst sollte dir eine ernste Predigt von der Vergänglichkeit alles irdischen Glanzes sein. Auch den Königen ist kein anderes Los beschieden. Das Zepter entfällt der erstarrten Hand, die es einst so fest umfangen hielt, und wenn das Leben entflohen ist, gleitet die Krone von dem Haupte. Er wird dem Vieh gleich: sie werden stumm gemacht, d. h. vertilgt. (Grundtext) In dem ganzen Psalm hat der Dichter ja nicht solche Reiche im Sinn, wie Abraham einer war, sondern ihm stehen die gottlosen Geldmenschen vor Augen, die auf ihren Reichtum pochen und die Elenden des HERRN (Jes. 49,13) unterdrücken. Solch ein Leuteschinder gehört nicht zu den Schafen des guten Hirten, die dieser behütet, dass sie nimmermehr umkommen, sondern er ist gleich dem Vieh, das dazu bestimmt ist, getötet zu werden. Er lebt wie das Vieh und stirbt wie das Vieh. Er wälzt sich im Schlamm der Lüste und übersättigt sich an den Reichtümern; er wird zum Schlachttag gemästet und stirbt wie der Ochse unter der Hand des Schlachters. Ach, dass ein Mensch, das edle Geschöpf, sein Leben so unwürdig verbringen und so schmählich enden kann! Was ist in der Tat, sofern diese Welt in Betracht kommt, für ein Unterschied zwischen der Art, wie so manche Menschen sterben, und dem Verenden eines Hundes? Schimpflich sinken sie wieder in den Staub, daraus sie hervorgegangen sind, und ihr großes Maul muss auf ewig verstummen. Steht es so, was haben dann die Gottesfürchtigen noch Anlass, sich zu fürchten, wenn solch ein unvernünftiges Vieh in Menschengestalt sie anfährt? Haben sie nicht allen Grund, ihre Seelen mit Geduld zu fassen?

Fußnoten
3. Wer bq"(f, das sonst Ferse heißt, hier nicht als ein adj. verbale (Untertreter) annehmen will, der mag ybIfqu(A lesen, das von Origenes bezeugt ist.

4. Zu der von den LXX bezeugten Lesart Mrfb:qi ihr Grab.

5. Dem Sinne nach ähnlich wie Luther übersetzt Hitzig: Man feiert ihre Namen in den Ländern. Doch ist der Subjektwechsel unwahrscheinlich. Ferner bezeichnet hmfdf)A vorzugsweise das Ackerland; so wird der sonst nicht vorkommende Plural hier Ländereien, Güterkomplexe bedeuten.

6. Man übersehe nicht das Wortspiel des Grundtextes: tOmdf)A Mdf)f. Mit Absicht ist offenbar das sonst nicht vorkommende twmd) gewählt und unmittelbar neben Md) gerückt. Adam bezeichnet den Menschen ja, nach der wahrscheinlichsten Deutung, als den aus der Adama Gebildeten, also als den Erdgebornen. (Vergl. 1. Mose 2,7; 5,2.)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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14. Dies ihr Tun ist eitel Torheit;
doch loben’s ihre Nachkommen mit ihrem Munde. Sela.


14. Das törichte Vertrauen der gottlosen, nicht an ihr Ende denkenden Reichen auf das Sichtbare ist nicht etwa ein gelegentliches Abirren von dem Pfad der Weisheit, sondern ist ihr Weg (wörtl.), den sie beharrlich verfolgen; ihr ganzes Tun und Leben ist von solchen Grundsätzen geleitet, ist eitel Torheit (Luther7. Wenn sonst nichts an ihnen echt ist, so doch ihre Torheit; in der Beziehung sind sie in der Wolle gefärbt. Ihr ganzes Wesen und Tun hat das Gepräge dummdreister Torheit. Doch loben’s ihre Nachkommen8 mit ihrem Munde, besser: stimmen in ihre Reden ein.9 Diejenigen, welche nach dem Recht der Geburt ihre Nachfolger sind, folgen ihnen auch getreulich in der Torheit, führen ihre törichten Lebensregeln als Weisheitssprüche im Munde und nehmen ihre tolle Jagd ins Verderben als die weiseste Lebensart an. Wie ist es möglich, dass sie nicht aus dem Bankrott ihrer Väter ersehen, welche Toren diese waren? Aber nein, Art lässt nicht von Art, ein Geschlecht vererbt dem andern seine Fehler. Die Gnade und die von ihr gewirkten Tugenden sind nicht erblich; aber die profane Gesinnung geht von Geschlecht auf Geschlecht weiter. Der Stamm der Narren stirbt nie aus. Es bedarf keiner Missionare, um die Menschen zu lehren, wie sie sich ihrer Abstammung aus dem Staub der Erde würdig benehmen sollen; denn sie kriechen von Natur im Staube. Sela. Mit Recht hält der Sänger inne und ladet auch uns damit ein, über die tiefgewurzelte Torheit der Adamskinder nachzusinnen. Nimm den Anlass wahr, lieber Leser, über deine eigene nachzudenken!

15. Sie liegen in der Hölle wie Schafe, der Tod weidet sie;
aber die Frommen werden gar bald über sie herrschen, und ihr Trotz muss vergehen; in der Hölle müssen sie bleiben.
16. Aber Gott wird meine Seele erlösen aus der Hölle Gewalt,
denn er hat mich angenommen. Sela.


15. Manche übersetzen: Man legt (oder treibt, stößt) sie in die Unterwelt wie Schafe10. Gleich stummen Tieren werden sie widerstandslos ihrem düsteren Geschick zugetrieben und in die Hölle eingepfercht. Wie Schafe, die gehen, wohin immer sie getrieben werden, und gedankenlos ihrem Führer folgen, so werden diese Menschen, die das Irdische zu ihrem Lebenselement erwählt haben, von ihren Leidenschaften unaufhaltsam vorwärts gedrängt, bis sie sich am Ende ihres Weges in den Tiefen des Hades finden. Plötzlich stürzen sie hinunter in den Abgrund des Verderbens. Oder wenn wir der anderen Übersetzung "Sie lagern sich wie Schafe in die Unterwelt " folgen, so finden wir hier den Gedanken ausgedrückt, dass sie friedlich, oder sagen wir lieber: in stumpfer Gleichgültigkeit, sterben und ins stille Grab gebettet werden - nur dass darauf ein schreckliches Erwachen zu ewiger Schmach folgt. Der Tod weidet sie. Der Tod treibt sie wie eine willenlose Herde vor sich her und führt sie zu seinem Weideplatz, wo doch keine Weide, sondern nur Jammer zu finden ist, und wo sie nun dennoch ewig bleiben müssen. Die Gerechten werden von dem guten Hirten zu den ewig grünen Auen geleitet; die Gottlosen aber haben den König der Schrecken zu ihrem Meister, der treibt sie zur Hölle. Wie die Macht des Todes sie schon in dieser Welt beherrscht hat, denn sie sind nicht vom Tode zum Leben hindurchgedrungen, so werden sie in der zukünftigen Welt die Schrecken des Todes erfahren, wie dies in der (dem Grundtext aber nicht entsprechenden) Übersetzung Luthers besonders kräftig zum Ausdruck kommt: Der Tod naget sie.11 Wie alte Geschichten von schrecklichen Riesen erzählen, welche die armen Opfer verzehren, die sie in ihren Käfig gelockt haben, so weidet sich der Tod an dem Fleisch und Blut der Mächtigen dieser Welt. Und es herrschen über sie (wörtl.: treten sie nieder, setzen ihnen den Fuß auf den Nacken) die Rechtschaffenen am Morgen. (Grundtext) Die armen Frommen waren einst verachtet und hintangesetzt: aber beim Tagesanbruch werden sie das Haupt erheben. Die Sünder herrschen, bis die Nacht hereinbricht. Ihre Herrlichkeit verwelkt am Abend, und am Morgen finden sie alles gänzlich verändert und ins Gegenteil verkehrt. Der lieblichste Gedanke für die Rechtschaffenen ist der, dass der Morgen, auf welchen hier hingewiesen wird, der Anbruch eines nimmer endenden, ewig heitern Tages ist. Welche Qual wird es für den stolzen Weltmann sein, wenn der erhabene Richter seine Morgensitzung abhält und er nun Menschen, die er verachtet hatte, im Himmel hoch erhöht sieht, während er selber verworfen und verdammt ist. Und ihre Gestalt wird, der Verzehrung der Unterwelt verfallend, wohnstattlos.12 Was immer die Gottlosen an Herrlichkeit hatten, wird im Grabe, dieser Pforte des Hades, vergehen. Ansehen und Anmut schwinden dahin, die Verwesung macht all ihrer Schönheit und Pracht den Garaus. Selbst ihr letztes Wohnhaus, das Grab, wird nicht imstande sein, die ihm anvertraute Leibeshülle zu schützen; der Körper löst sich auf, keine Spur bleibt zurück von den reckenhaften Gliedern und dem stolzen Haupte, nicht ein Überbleibsel der einstigen Herrlichkeit ist zu entdecken. Die Herrlichkeit der Gerechten ist noch nicht enthüllt, sie wartet auf die Zeit, da sie offenbar gemacht werden wird; aber alle Herrlichkeit, welche die Gottlosen je besitzen, hat ihre Blütezeit in diesem kurzen Leben; sie wird vergehen und verwehen, verfallen und verfaulen und gänzlich verschwinden. Wer wollte denn noch die stolzen Sünder beneiden oder fürchten?

16. Aber Gott wird meine Seele erlösen aus der Hölle (d. i. der Unterwelt) Gewalt. Wir werden, durch Gottes Macht lebendig gemacht, zur rechten Stunde aus unserem zeitweiligen Ruheort, dem Grabe, hervorgehen. Gleich unserm auferstandenen Haupte können wir von den Fesseln des Grabes nicht gehalten werden; die Erlösung hat uns aus der Sklaverei des Todes befreit. Mit allen Reichtümern der Welt konnte der Mensch weder sich noch andern eine Erlösung bereiten; aber Gott hat eine Erlösung für uns erfunden in dem Blut seines Sohnes. Unser erstgeborener Bruder hat Gott ein vollgültiges Lösegeld bezahlt, so dass wir nun die Erlösten des HERRN sind. Und weil wir um einen so teuren Preis erkauft sind, werden wir ganz gewiss durch Gottes Macht aus der Gewalt des letzten Feindes erlöst werden. Denn er wird mich (zu sich) nehmen. (Grundtext) Wenn es von mir einst auch nicht ganz in dem gleichen Sinne wie von Henoch oder Elia mag gesagt werden können: "Er ward nicht mehr gesehen, denn Gott hatte ihn zu sich genommen" (1. Mose 5,24; vergl. 2. Könige 2,3 ff.13, so werde ich doch denselben herrlichen Stand wie jene erreichen. Meinen Geist wird Gott aufnehmen, und mein Leib wird in süßer Ruhe und in Gemeinschaft mit Jesus schlafen, bis auch er, in Jesu Bild verklärt, in die Herrlichkeit wird aufgenommen werden. Wie unendlich erhaben ist doch solch eine lebendige Hoffnung über alles das, womit unsre Unterdrücker sich brüsten! Wahrlich, hier gibt’s was zu sinnen! Darum folgen wir gern dem Wink des Sela, ein wenig in stiller Muße zu verweilen.

Fußnoten
7. Man kann die Bedeutung der Worte dieser ersten Vershälfte verschieden auffassen. "Ihr Weg" kann allerdings ihre Handlungsweise, ihr Tun (Luther) bedeuten, aber auch: ihr Schicksal. Und lsekIe ist ein vieldeutiges Wort; es ist Zuversicht im guten wie im schlechten Sinn, und nach der letzteren Seite hin hat sich aus der Bedeutung "Selbstzuversicht, dummdreistes Selbstvertrauen" die Bedeutung Torheit (Luther) entwickelt. Endlich kommt noch in Frage, wie man die Satzkonstruktion auffasst. Es liegt am nächsten, wÆmlf lsekIe als Relativsatz (ohne nota relationis) zu nehmen: Dies ist (ihr Tun, oder wohl eher:) ihr Schicksal, nämlich derer, die (solch törichte) Selbstzuversicht haben (darin leben). Diese Aussage kann auf das Vorhergehende zurückblicken (wozu das Sela am besten passt) oder die folgende Schilderung (V. 15 ff.) einleiten.

8. Die Übersetzung "Nachkommen" (Luther, Spurgeon) beruht auf der Auffassung mancher Älteren; jetzt versteht man den betr. Ausdruck allgemein von der sittlichen Nachfolge, also: ihre Nachtreter, Anhänger.

9. Die zweite Vershälfte lautet wörtlich: Und hinter ihnen her haben sie (hat man) Gefallen an ihrem Munde, was man meist deutet: und ihre Nachfolger (Nachtreter) stimmen in ihre (frechen) Reden ein, oder, indem man diesen Satz mit dem vorhergehenden verkettet: Dies ist das Geschick derer, die voll Selbstvertrauens sind, und derer, die ihnen nachtretend in ihre (frechen) Reden einstimmen.

10. WtI$a ist wie 73,9 Nebenform für Wt$f, von ty$i. Das Folgende legt es nahe, das Verb hier (wie in der ganz ähnlichen Stelle 88,7) transitiv zu übersetzen: Man versetzt sie in die Unterwelt. Doch kann man nach 3,7; Jes. 22,7 auch intransitiv übersetzen: Sie lagern sich in die Unterwelt, oder freier, da der passive Sinn doch stark durchschimmert: Sie werden gelagert usw. Keßler verwendet die 3,7 u. Jes. 22,7 eigentlich vorliegende Bedeutung "Stellung nehmen": "Wie Schafe stellen sie sich (willenlos) hin für die Unterwelt", wobei das l: zu seinem vollen Recht kommt. Mit Grätz Wt$f (sie sinken hinab) zu lesen, empfiehl sich nicht, da es aus dem Bilde fällt.

11. Luther fasste das Weiden irrtümlich nach der Vulgata. als Abweiden (verzehren, sich an etwas weiden) auf, so dass sie dem Tod als Futter dienen.

12. Wörtl. Übersetzung; doch ist der Text (wie stets an solchen, das dunkle Tun oder das düstere Geschick der Gottlosen malenden Stellen) sehr dunkel und wird sehr verschieden gedeutet. - Luthers Übers. "ihr Trotz" ruht auf dem Keri, wörtl. "ihr Fels". - Dass Spurgeon in diesem und dem folgenden Vers Unterwelt gleich Grab nimmt, dazu verleitet ihn die engl. Übersetzung (the grave).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps49

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17. Lass dich’s nicht irren, ob einer reich wird,
ob die Herrlichkeit seines Hauses groß wird.
18. Denn er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen,
und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren.
19. Er tröstet sich wohl dieses guten Lebens,
und man preiset, wenn einer sich gütlich tut;
20. aber doch fahren sie ihren Vätern nach
und sehen das Licht nimmermehr.
21. Kurz, wenn ein Mensch in Ansehen ist und hat keinen Verstand,
so fähret er davon wie ein Vieh.


17. In diesen letzten Versen wird der Psalmdichter zum Prediger und gibt ermahnende Lehren, die er aus der Erfahrung gesammelt hat. Lass dich’s nicht irren, ob einer reich wird. Zage nicht, wenn du sehen musst, dass es dem Gottlosen gelingt. Wirf keine zweifelnden Fragen auf über Gottes Gerechtigkeit; lass dir nicht dein Gemüt von dunkeln Ahnungen umwölken. Zeitliches Wohlergehen ist eine zu geringe Sache, als dass es der Mühe wert wäre, sich darüber aufzuregen; lass die Hunde ihre Knochen und die Schweine ihre Treber haben. Ob die Herrlichkeit seines Hauses groß wird. Gräme dich nicht darüber, wenn ein ruchloser Mensch samt seiner Familie zu hohen Ehren kommt, in Überfluss schwelgt und mächtig wird; es wird alles zu seiner Zeit zurechtgebracht werden. Nur Leute, deren Urteil wertlos ist, schätzen einen Menschen deshalb höher, weil seine Güter an Umfang zunehmen. Wer aus solch unvernünftigen Gründen hohes Ansehen genießt, wird bald erfahren müssen, dass er auf seinen richtigen Wert herabgesetzt wird, wenn Wahrheit und Gerechtigkeit hervortreten.

18. Denn er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen. Er hat seine Äcker nur in Pacht, und mit dem Tode nimmt sein Besitzrecht ein Ende. Wenn es durchs Wasser des Todes geht, muss sich der Mensch von allem entblößen. Nicht einen Lappen von all seiner Kleiderpracht, nicht einen Heller von all seinen Schätzen, nicht ein Jota von all seinen Ehrentiteln, nicht einen Schatten von all seiner Herrlichkeit kann er bei seinem Tode mitnehmen. Was sollten wir denn auf ein Glück neidisch sein, das so jämmerlich zerfließt und verschwindet? Und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren. Er fährt hinab, hinab, immer tiefer hinab; aber von all seinen Ehren und Reichtümern folgt ihm nichts nach. Im Reich der Toten sind alle Adelsprivilegien ungültig. Seine Ehrwürden und Hochwürden, Seine Exzellenz und Seine Durchlaucht, und wie sie alle heißen mögen, werden in der Gruft ihre Titel alle gleich lächerlich finden. Die Hölle kennt keine Aristokratie, weder die der Geburt noch die des Geldes. Die "vornehmen" Sünder, die "hochwohledlen" Wüstlinge werden finden, dass die ewigen Flammen auf ihre "Bildung", ihre feinen Manieren und noblen Passionen gar keine Rücksicht nehmen.

19. Ob er seine Seele auch bei seinen Lebzeiten segnet (wörtl.), das heißt, sich selber glücklich preist in seinem Weltgenuss. Er hat sein Gutes in diesem Leben. Sein Hauptlebenszweck und -ziel ist, sich selber selig zu preisen; darum ist er auch entzückt von den Schmeicheleien der Schwätzer. Und sie (die Urteilslosen) dich preisen, dass du dir gütlich tust. (Wörtl.) Die große Masse betet den Erfolg an, einerlei, wie er errungen sein mag. Wer kümmert sich darum, welche Farbe das Pferd hat, das den Rennpreis gewinnt? Es ist der Sieger, und das ist genug. "Jeder ist sich selbst der Nächste", das ist der Wahlspruch der Welt, und wer dem nachfolgt, der ist ein gescheiter Kopf, ein tüchtiger Kaufmann, ein Mann von gesundem Verstand und nüchterner Lebensanschauung. Sieh, dass du zu Geld kommst, so bist du ein angesehener Mann, ein respektabler Mensch, dein Haus ist eine der tüchtigsten Firmen, und deine Familie gehört zu den "besten" Familien in der Stadt. Andern Gutes tun erwirbt uns Ruhm im Himmel; aber sich selber Gutes tun, das gilt bei den Kindern der Welt für das Klügste. Und doch kann nicht ein leiser Hauch von all den Beglückwünschungen und Schmeicheleien dem abgeschiedenen Reichen folgen. Und ob die Leute von ihm rühmen, er sei, als er starb, so und so viel tausend Taler "wert" gewesen, was für einen Reiz hat das für das todeskalte, todestaube Ohr? Der Bankier verwest so schnell wie der Schuhputzer, der Baron wird so stinkend wie der Bettler. O du armseliger Reichtum, dein Schimmer ist nur das Schillern der Seifenblase, dein goldener Schein nicht dauerhafter als der gelbe Morgennebel.

20. Hinkommen wird sie (seine Seele) dennoch zum Geschlecht seiner Väter. (Grundtext) Wo das frühere Geschlecht liegt, wird auch das jetzige ruhen. Die Altvordern winken ihren Nachkommen, in das gleiche Land der Vergessenheit hinabzufahren. Sterbliche Väter erzeugen nicht unsterbliche Söhne. Wie unsre Vorfahren abgeschieden sind, so müssen auch wir davon. Die in Ewigkeit (das) Licht nicht sehen. (Grundtext) Keiner der abgeschiedenen Weltmenschen wird je zum irdischen Licht zurückkehren, um seine Güter wieder zu besitzen und seine Würden zu genießen. Und noch viel weniger wird er das Licht je schauen, welches den Frommen nach der Nacht des Todes aufgehen wird. Unter den Toten muss er liegen in dichter Finsternis, wo keine Freude, kein Hoffnungsstrahl je zu ihm dringt; denn er ist eingegangen in den Kerker, über dessen Pforte eingemeißelt steht: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate14 Von all seinen Schätzen ist ihm nicht so viel geblieben. dass er sich ein ärmliches Talglicht kaufen könnte! Der Fackelschein seiner Herrlichkeit ist erloschen für immer und ewig, und nicht ein Fünklein ist übrig, ihn zu trösten. Wie ist’s denn möglich, dass wir mit Furcht oder Neid auf einen Elenden blicken, dem solch unseliges Geschick bevorsteht?

21. Das Gedicht endet mit dem - in gar feiner Weise veränderten - Kehrreim: Der Mensch (wenn er auch) in Herrlichkeit (lebt) und nicht verständig ist, wird dem Vieh gleich: sie werden stumm gemacht, d. h. vertilgt. (Grundtext) Der Verstand unterscheidet den Menschen vom Tier; aber wenn der Mensch sich der höchsten Weisheit zu folgen weigert und, dem Tier gleich, sein höchstes Gut in diesem Leben sucht, so wird sein Ende so elend und entehrend wie das des Viehes auf der Schlachtbank. Von der höchsten Höhe weltlicher Ehre bis zur tiefsten Tiefe des Todes ist nur ein Schritt. Das Traurigste ist dabei aber dies, dass die Menschen zwar in all der Erniedrigung des Sterbens dem Vieh gleichen, aber nicht in der Ruhe, die dem verendenden Tier gewiss ist; denn dem Menschen gilt das Wort: Und sie werden in die ewige Pein gehen (Mt. 25,4).
In solch ernsten Tönen klingt des Sängers Harfe aus. So voll Trostes der Psalm für die Gerechten ist, so voller Warnung für die Kinder dieser Welt. Nehmt es zu Herzen, beide, Reiche und Arme! Überhört den Mahnruf nicht, ihr Nationen der Erde!

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Wie der 45. Psalm ein Vorläufer des Hohen Liedes ist, so dieser ein Vorläufer eines andern Buches der Weisheitsschriften, nämlich des Predigers. James Millard Neale 1860.

An Parallelen mit dem Prediger vergl. Pred. 2,16.18.19 mit V. 11.14; Pred. 3,19 mit V. 13; Pred. 5, 13-15 mit V. 17; Pred. 3, 19 "in seinem Leben" mit V. 19, und Pred. 11,9 "sich gütlich tun" ebenfalls mit V. 19. - Auch mit den Reden des Elihu sind Berührungen da; vergl. Hiob 33,18-30 mit V. 8.10.16.20; Hiob 35,11 mit V. 21. - James Millard

Man beachte die Fülle feiner Gegensätze in dem Psalm. - James Millard

Vox ecclesiae super Lazaro et divite purpurto (die Stimme der Gemeinde über Lazarus und den im Purpur glänzenden Reichen, Lk. 16) ist der Psalm in einer Handschrift des psalterium Hieronymi überschrieben. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.

Der Lehrspruch, dem der Dichter nach V. 5 sein Ohr neigt, ist nach der Annahme einiger Ausleger das in V. 13 angeführte Sprichwort, das dann V. 21 vom Verfasser mit formell kleiner, inhaltlich wichtiger Abänderung am Schluss der Betrachtung wiederholt wird. Der Dichter zieht im ersten Abschnitt, V. 6-14, die Wahrheit aus diesem Sprichwort: Der Reichtum ist nichtig, denn kein Mensch kann durch irdisches Gut von dem allgemeinen menschlichen Los der Sterblichkeit losgekauft werden. Alle müssen sterben und ihr Vermögen andern lassen. Darum ist das, ob einer in der zeitlichen Welt (V. 2) reich oder arm ist, nur eine Sache von vorübergehender Bedeutung, und der Fromme soll sich durch seine gedrückte Lage nicht in Unruhe bringen lassen (V. 6). Die Gleichheit des Ausgangs aller Menschen, die in dem Sprichwort durch die Vergleichung mit dem Ende des Viehes so stark ausgesprochen wird, bezieht sich jedoch nur auf das Sichtbare. Der Dichter will den Endsatz des Sprichworts nicht auf alle Menschen ohne Unterschied ausgedehnt wissen. Er gibt in dem zweiten Teil der Betrachtung vielmehr überraschende Blicke in die Verschiedenheit des Schicksals der Menschen nach dem Tode. Wohl kommen alle in die Unterwelt; aber während die ungerechten Reichen, die sich unsterblich wähnen, samt ihren Nachfolgern dort eingetrieben werden, wie man Schafe für die Nacht in den Pferch treibt, und dort der Tod, der König der Schrecken, sie weidet und sie das Licht in Ewigkeit nicht sehen, bricht für die Rechtschaffenen nach der kurzen Nacht der Trübsal ein Morgen an, und an diesem Morgen sehen sie sich als Herrscher über jene, ihre Unterdrücker, während die Reichen zu ihren Füßen unten in der Erde vollends unter der fortwährenden Macht des Todes zugrunde gehen. Ja dieser Morgen bringt dem Frommen die Erlösung, jene Loskaufung von dem Todeslose, die kein Mensch mit allem, was er an Vermögen irgendwelcher Art hat, seinem Mitmenschen erwirken konnte (V. 9): Gott, triumphiert der Glaube, wird meine Seele freimachen aus der Hand der Scheol, aus der ganzen Machtsphäre des Todes. Jene weidet der Tod; ihn fasst (rettend) Gottes Hand, oder, nach der andern, sich durch Ps. 73,24 empfehlenden Auffassung des Sinnes der Worte: ihn nimmt Gott zu sich. Also nicht der Unterschied zwischen reich und arm ist das Wichtige, sondern die innere Stellung des Menschen, ob er zu den Myri$fy:, den Rechtschaffenen, gehört, oder, wie der Dichter mit feiner Abänderung des Sprichworts von V. 13 in V. 21 sagt: ob er verständig ist oder nicht, ob er zwischen Vergänglichem und Unvergänglichem mit Einsicht unterscheidet oder nicht. Nur auf die Toren passt der Schlusssatz des Sprichworts völlig, das der Dichter denn so abgeändert nachdrücklich an den Schluss der Betrachtung stellt.
Der Vers 13 sieht sich allerdings ganz wie ein aus der Chokma (der alttestamentlichen Lehr- und Lebensweisheit) entstandenes und speziell dem "Prediger" verwandtes Sprichwort an. Dass der Dichter das Sprichwort nicht gleich nennt, sondern erst als Abschluss der Betrachtung V. 13.21 verwendet, ist zwar auffallend, aber doch erklärbar. Der Psalm wäre somit auch homiletisch interessant als Beispiel einer geistvollen Predigt über ein Sprichwort. Er benutzt dessen Wahrheitsgehalt trefflich, bekämpft dagegen (im 2. Teil der Betrachtung) den bei Zeitlichkeitsmenschen leicht möglichen epikureischen (1. Kor. 15,32) Missbrauch desselben, beleuchtet es mit dem Ewigkeitslicht des Glaubens und führt damit seine Hörer über dasselbe hinaus. Wie sehr unterscheidet sich der Psalmist in dem Gehalt seiner Predigt von seinen rationalistischen Nachfolgern in der Sprichwortpredigt an der Wende des 18. Jahrhunderts!
Andere Ausleger verstehen unter dem Lehrspruch V. 2 nicht den von V. 13 (u. 21), sondern "einen Lebensweisheitsspruch, wie Gott solche die Menschen lehrt. Ein solcher gibt sich dem Dichter des Psalms innerlich zu vernehmen" (Delitzsch). Vergl. dazu die Auslegung Spurgeons. Man kann für diese Auffassung das feierliche "Ich will einem Lehrspruch mein Ohr neigen ", das auf etwas offenbarungsweise Empfangenes hindeute, anführen. Dann liegt hier, wobei viele Ausleger verweilen, "eine der wenigen Stellen im alten Testament vor, wo das Bewusstsein göttlicher Eingebung auch für die Lehrdichtung, die nicht Weissagung oder Orakel im engeren Sinne ist, klar hervortritt" (Stier). Auffallend bleibt dann freilich, dass der Lehrspruch gar nicht (in der Form eines solchen) angeführt wäre, während doch in V. 13.21 offenbar ein Maschal, ein Lehr- oder Lebensweisheitsspruch vorliegt. - James Millard

V. 2. Höret zu usw. Es ist hoch vonnöten, dass wir und alle Menschen unsre Ohren und Herzen zu Gott wenden und aus Gottes Wort als aus Gottes Munde lernen uns selbst und Gott recht erkennen. Denn was vor tausend Jahren durch den Geist Gottes geredet ist, das ist eben so neu, so kräftig, so lebendig, so voll Geistes, als wenn es jetzt erst geredet würde. Johann Arnd † 1621.

V. 4.5. Mein Mund soll von Weisheit reden. Mit Recht empfiehlt der Verfasser seine Lehre mit solchen Worten. Dabei ist es besonders wirksam, dass er nicht allein andere zu fleißigem Aufmerken ermuntert, sondern (V. 5) auch sich selbst in die Reihe derer stellt, die aufmerken wollen. Dadurch bezeichnet er auch sich als einen Schüler, der selbst als Lehrer noch zu lernen wünscht. Sicherlich gleichen ihm in diesem Stück alle Propheten Gottes; sie wollen sich gerne mit dem Volk zusammen in die Schule Gottes begeben und dessen Stimme, die sie wiederum mit ihren Worten andern bringen, in erster Linie für sich selber vernehmen. Der Dichter legt mit Bedacht Gewicht auf seine Lehre. Er schwatzt nicht ohne Überzeugung von seinen Gedanken, sondern redet nur, was er in Gottes Schule gelernt hat. Das ist auch die allein richtige Art, in der Gemeinde Gottes zu lehren. Jean Calvin † 1564.

Fußnoten
13. An den beiden Stellen steht das gleiche Zeitwort wie hier. Man vergl. besonders noch Ps. 73,24.

14. "Lasst alle Hoffnung hinter euch, die ihr hier eintretet." Dante
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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V. 7. Die sich verlassen auf ihr Gut usw. Selbstgespräch eines Geldgierigen: Ihr könnt mir’s glauben, wir leben in bösen, gefahrvollen Zeiten, wo es einem schlimm ergeht, wenn man sich auf andre verlassen muss; denn die barmherzige Liebe ist erkaltet, und Freunde gewähren wenig Trost. Je leerer der Beutel ist, desto mehr Sorgen gehen hinein, und leere Taschen machen ein schweres Herz. Die Armut scheucht Freunde und Verwandte von uns wie die Pest, dass uns nichts übrigbleibt als ein Miserere. Sie ist eine höchst ansteckende Krankheit, die allgemein gefürchtet ist und nur in seltenen Fällen geheilt wird. Das beste Gegenmittel ist Tausendgüldenkraut, und der beste Labetrunk aurum potabile (flüssiges Gold). Schulden sind böse Krankheitsstoffe und erzeugen gefährliche Säftestockung. Borgen führt sicher zur Schwindsucht und bringt den Patienten ganz herunter. Mögen sich andere auf die Versprechungen glattzüngiger Menschen, auf die Treue ihrer Freunde oder auf die Gunst von Fürsten verlassen; mir aber gebt bar Geld, das liebe sichere Gold! O du teurer Mammon, wie unaussprechlich süß ist deine allgebietende Gegenwart meiner wohlgepflegten Seele! Du bist in der Verbannung mein teurer Gefährte, in Gefangenschaft mein kostbares Lösegeld, in Schmerzen und Trübsalen meine süße Ruhe, in Krankheit mein Heilmittel, in Kummer mein einziger Trost, in jeder Not meine alleinige Zuversicht. Die Tugend muss sich vor dir verschleiern, ja die höchste sittliche Schönheit würde, wenn sie nicht durch dich versüßt würde, dem unverdorbenen Gaumen der Menschenkinder nicht zusagen. Wohlan denn, meine Seele, ratschlage, sinne, plane! Geh, umziehe Land und Meer; lass nichts unversucht, probiere jeden Weg und jedes Mittel; verliere keine Minute der kostbaren Zeit; gönne deinen Augen keinen Schlaf, deinem Kopf keine Ruhe; entziehe deinem nimmersatten Madensack die Nahrung, entblöße deinen Rücken; betrüge, hintergehe, schwöre Meineide, kurz, setze alles daran, um diesen deinen Herzensfreund umfangen zu halten! Er wird dir’s reichlich lohnen. Bist du gering von Geburt, er wird dich zu Ehren bringen; fehlt es dir an Gewalt, er wird dich zu einem gefürchteten Manne machen. Hast du wenige Freunde? Er wird dir deren genug verschaffen. Hast du einen faulen Prozess? Er wird dir beredte Verteidiger gewinnen. Freilich ist die vielgepriesene Weisheit eine treffliche Hilfe, wenn sie sich nach der nützlichen Seite neigt, und Gelehrsamkeit ist eine schöne Zierde, wenn sie nicht ein zu kostspieliger Luxus ist; aber, mit Verlaub, beide sind doch nur Pachtgüter auf Lebenszeit, das unvergängliche Gold aber bringt, wenn es vorteilhaft benutzt wird, nicht nur dir selber glückliche Tage, sondern auch deinen Kindern und Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht. Nun denn, mögen andre sich ihr Hirn mit teuer erkauftem Verstand füllen, ihre Pfennige an kostspielige Wohltaten vergeuden und sich das Herz mit Frömmigkeit vollpfropfen, die keinen Gewinn abwirft; mögen sie alles daransetzen, um das Gespenst, das sie Gewissen nennen, zu befriedigen, und sich bettelarm machen, um den Ruf von Biedermännern zu haben - so sei du doch nicht solch ein Narr, sondern fülle deine Taschen und Scheunen, sammle Vorrat für viele Jahre und lass dir’s wohl sein bei deinem Golde! Francis Quarles † 1644.

Wer klopft dreister an der Himmelstür, Einlass begehrend, als solche, die Christus als Übeltäter hinwegweisen wird? Wehe über solchen Selbstbetrug! Der römische Kaiser Kaligula machte sich nie lächerlicher, als da er als Gott verehrt sein wollte, während er seinem Leben nach eher einem Teufel ähnlich war. Ehe ihr von andern als Christen angesehen sein wollt, erweiset doch um alles erst, dass ihr Menschen seid und nicht Tiere, als welche euch euer viehisches Leben kennzeichnet. Wäre der Weg zum Himmel so leicht, so hätten sich die Heiligen aller Zeiten arg getäuscht, die sich’s so viel Mühe haben kosten lassen, ihre Leidenschaften zu töten und ihre sinnlichen Begierden zu verleugnen. Wozu haben sie so viel Schweiß vergossen über ihrem Eifer, Gott zu dienen, und so viele Tränen, dass sie ihm nicht besser dienen konnten, wenn sie auf solche Weise hätten in den Himmel kommen können, wie diese Menschen träumen? Da hatte jener Mönch ein gesunderes Urteil, der einst in Rom zur Fastenzeit in Gegenwart von Kardinalen und vielen andern Großen zu predigen hatte und seine Predigt mit folgenden überraschenden Sätzen voll bitterer Ironie begann: "St. Petrus war ein Narr, St. Paulus war ein Narr, alle die ersten Christen waren Narren, denn sie meinten, man käme in den Himmel, indem man bete und faste, wache und weine, sich schwer kasteie und die Pracht und Herrlichkeit der Welt verleugne, während ihr hier in Rom eure Zeit mit Bällen und Maskeraden verbringet, in Pracht und Pomp, in Lust und Luxus lebt und euch dennoch für gute Christen haltet und auf die Seligkeit hofft. Aber zuletzt werdet ihr die Narren sein und jene die weisen Leute." William Gurnall 1671.

V. 8. Gewisse Tiere, die Gott geweiht waren, konnten um Geld gelöst werden; aber mit keinem Geld der Welt konnte eine Menschenseele gelöst werden. Dass aber Gott für eine Loskaufung sorgen werde, hatte der Glaube der Frommen des alten Bundes vorausgeschaut: Er wird Israel erlösen (loskaufen) aus allen seinen Sünden (Ps. 130,8). W. Wilson 1860.

V. 12. Das ist ihr Herz, dass ihre Häuser währen immerdar. Dies ist der Sinn unsrer Handlungen, wenn wir Gott nicht zu unserm Teil erwählen, sondern auf die Fülle unsrer Güter trauen, dies die Sprache unsers Herzens: "Ihr seid mein Gott." Wir sagen in Wirklichkeit zum Reichtum: "Du bist meine Zuversicht, meine Hoffnung und Freude, du wirst mir bleiben, wenn alles ein Ende nimmt und mich im Stich lässt, und wirst nicht zulassen, dass ich Mangel leide oder unrecht habe, solange du währest." Solcherart sind die geheimen Reden unserer Herzen. Liebe Mitchristen, manche mögen von der Eitelkeit alles Geschaffenen schöne Reden deklamieren und vom Reichtum gar geringschätzig sprechen und sagen: "Wir wissen wohl, es ist nur glänzender Flitter", und doch hängt ihr Herz daran und sind sie nicht geneigt, um Gottes willen und nach Gottes klarem Befehl den Geiz fahren zu lassen. Wie damit, dass jemand von Gott Gutes sagt, noch nicht erwiesen ist, dass er auf Gott traue, so befreit uns das, dass wir von den irdischen Gütern schlecht sprechen, noch nicht vom Vertrauen auf dieselben. Es ist ein Unterschied, zu reden wie ein Christ und zu handeln als Christ. Thomas Manton † 1677.

Man merke: Irdisch gesinnten Menschen kommen wohl auch Gedanken, dass sie sterben müssen und alle Dinge dieser Erde eitel und vergänglich seien; aber diese Gedanken bleiben ganz oberflächlich, sie lassen sie nicht in ihr Herz hinein, sondern die Gedanken, welche sich da, im Innersten, befinden, gleichen den Gedanken jenes Mannes, von dem der Heiland spricht, dass er bei sich selbst gedacht habe: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viel Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut (Lk. 12,19). Beachte, dass er in sich selbst (wörtl. V. 17) also dachte. Es gibt andere Gedanken, die hie und da an der Tür des Weltmenschen anklopfen, ja ihm manchmal zum Fenster hineingucken, wie damals dem Felix, als Pauli Predigt an sein Herz drang und ihn erschütterte; aber die Gedanken, mit denen das Herz angefüllt ist, wehren jenen den Eingang. Faithful Teat 1666.

Der masoretische Text ist zu übersetzen: "Ihr Inneres (ihre Meinung, ihr Wahn) ist, ihre Häuser (würden) für ewig (sein)." Aber auch wenn sich für breq", welches sonst nur "Herz " = Organ des Denkens heißt, dieser metonymische Gebrauch nachweisen ließe, was nicht der Fall ist, bliebe der Ausdruck gesucht und hart. Vorzuziehen ist daher die Lesart Mrfb:qi (LXX, Targ., Syr.) oder besser Myribfq: (Olsh., Riehm, Now., Bäthg., Cheyne) = Gräber, welches dann auch Subjekt zu W)r:qf, sie rufen aus, ist. Gräber sind ihre Häuser für ewig, ihre Wohnungen von Geschlecht zu Geschlecht, rufen ihre Namen über das Gelände. Sinn: Von aller ihrer Herrlichkeit bleibt dem Reichen nur das Grab; dies allein zeugt von ihnen nach ihrem Tode durch seinen Bau und seine Inschrift. M$"b:)rfqf = den Namen mit Affekt an-, hier ausrufen: vergl. 2. Mose 33,19. Das Grab gibt Kunde von dem Begrabenen, aber zugleich bezeugt es seinen Tod. Der Vers hat ein hohes Pathos, das sich mit erschütternder Ironie verbindet. Vergl. Hiob 21,32 f. Lic. Hans Keßler 1899.

Sie nennen Ländereien nach ihren Namen (Grundtext) Wenn die Leute bauen, so bauen sie freilich auf den Grund; aber zugleich bauen sie in die Luft, denn sie denken "Nun baue ich für Kind und Kindeskind". Aber Gott durchkreuzt ihre Pläne. Entweder haben sie gar keine Nachkommen, oder es kommt auf irgendeine Weise ganz anders, als sie gedacht hatten. R. Sibbes † 1635.

V. 14. Dies ihr Tun ist eitel Torheit. Die Torheit der Menschen tritt kaum in etwas mehr zutage, als in dem Eifer, mit dem sie um ein Nichts geschäftig sein können, gleich jenem hohlköpfigen Menschen, der sich Alexander dem Großen vorstellte und sich rühmte, er könne Erbsen durch ein winziges Loch werfen. Er hatte viel Zeit und Mühe auf die Versuche verwendet und erwartete nun ein reiches Geschenk für seine Kunstleistung; der König aber verehrte ihm einen Scheffel Erbsen als eine passende Belohnung seiner geschäftigen Nichtstuerei. Eitle und unnütze Dinge sind unsrer Mühe und unseres Fleißes unwürdig. Jener Mann, der mit großer Anstrengung und mit Gefährdung seines Lebens die Spitze des Kirchturms erklomm, um ein Ei oben hinzusetzen, verdiente es wohl, dass er ausgelacht und als ein Narr bemitleidet wurde. Hat er aber keine Nachahmer? George Swinnock † 1673.

V. 15. Der Tod weidet sie. Am Ende des vorhergehenden Psalms hatte der Dichter im Namen der Gemeinde gesagt: Gott ist unser Gott ewiglich; er führt uns (sanft, als der gute Hirt) über den Tod. Hier wendet er das gleiche Bild vom Hirten an, und zwar um dem Los der Frommen dasjenige der übermütigen Weltmenschen gegenüberzustellen, die sich auf ihre irdischen Reichtümer und ihre Gewalt verlassen. Die werden nicht unter Gottes Hirtenstab über den Tod geführt; nein, der Tod selber wird ihr Hirt sein und die Unterwelt ihr Nachtpferch; da werden sie zusammenliegen wie Schafe in der Hürde. Wie Augustinus († 430) sagt: In inferno sunt oves quibus pastor Mors est; in coelo sunt oves quibus pastor Vita est. Der Tod ist der Hirt der Ungläubigen, Christus, der da spricht: "Ich bin das Leben", der Hirt der Gläubigen. Christopher Wordsworth 1868.

Am Morgen (Grundtext), d. i. zur Zeit, da Gericht gehalten wird. Es wird hier auf die übliche Zeit, wo die Richter ihre Sitzungen hielten, angespielt. Vergl. Jer. 21,12; Ps. 73,14; 101,8. Joh. Aug. Dathe † 1791.

Vorzeiten beteten die Christen die ganze Osternacht hindurch, weil sie auf Grund die er Worte "zu der Zeit gegen frühe" (in matutino) die Wiederkunft des Herrn und die allgemeine Auferstehung erwarteten. R. Bakius 1664.

V. 16. Aber Gott wird meine Seele erlösen aus der Hölle Gewalt usw. Solche Sprüche und Grabschriften zieren die Kirchhöfe und Kirchen besser, denn sonst andere, weltliche Zeichen, Schilde, Helm usw. Martin Luther † 1546.

Denn er wird mich (zu sich auf-) nehmen. (Grundtext) Dieser Halbvers ist gerade in seiner Kürze sehr bedeutsam. Der gleiche Ausdruck kehrt Ps. 73,24 wieder, wo Asaph sagt: Du wirst mich hernach in Ehren (zu dir) aufnehmen. Die Grundstelle ist 1. Mose 5,24. J. J. Stewart Perowne 1864.

V. 18. Denn er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen. Die Form des Geldes stimmt gut zu seiner Art; es ist rund und rollt gern davon. Könnten wir reich sein, solange wir leben, so wäre das noch unsicher genug; denn das Leben selbst ist nur ein Traum, ein Schatten. (Augustinus) Reiche Leute gleichen Hagelkörnern; sie machen viel Lärm in der Welt, gerade wie diese geräuschvoll auf die Ziegel der Dächer niederprasseln; aber wie diese fallen sie nieder, liegen still da und schmelzen hinweg. Thomas Adams 1614.

Wir haben’s mit den Dingen der Welt, wie die Israeliten mit den Früchten auf dem Acker und im Weinberg: pflücken und essen durften sie, solange sie in dem Acker oder Weinberg waren; aber in die Tasche stecken und mitnehmen durften sie nichts. (5. Mose 23,25 f.) Thomas Gataker † 1654.

Die Güter, die er verschlungen hat, muss er wieder ausspeien, und Gott wird sie aus seinem Bauch stoßen. (Hiob 20,15.)
Das Sterben wird hier als ein Hinabfahren bezeichnet, da es heißt: Seine Herrlichkeit fährt nicht ihm nach hinab. Der Tod packt den Sünder gleichsam im Genick und zerrt ihn hinab in das Grab. Jede sündliche Leidenschaft hat diese abwärtsziehende, tötende Art an sich. Sei es nun das Begehren nach Reichtümern oder Ehren, sei es die Leidenschaft auf Würfel, Wein oder Weiber, jede Lust zieht den armen Betrogenen, der ihr frönt, Stufe um Stufe hinab zu den Kammern des Todes. Die Aussicht ist schauerlich hoffnungslos. George Offor 1862.

Wie töricht ist es doch, dass du dich für einen Menschen einer "besseren" Klasse hältst, nur weil dein Geldhaufen ein wenig größer ist als der anderer Leute! Dinge dieserart dürfen bei der Wertung eines Menschen gar nicht in Rechnung kommen; sind sie doch alle außer dir und haben mit dir selber so wenig zu schaffen, als prunkvolle Kleider auf die Gesundheit und Kraft des Körpers von Einfluss sind. Wohl ist es das Geld, das all den Lärm und das Gewühl in der Welt macht und Ehre und Ansehen für sich in Anspruch nimmt, und die unwissende Masse, deren Augen durch Pomp und Flitter geblendet werden, bückt sich allerdings vor ihm mit einfältig dummer, gaffender Ehrerbietung. Wisse aber, dass es nur deine Pracht von Sammet und Seide, deine Ländereien, deine goldbetressten Diener sind, was sie verehren, nicht du selber. Und wenn du darin andrer Meinung bist, so machst du dich gerade so lächerlich wie jener Esel in der Fabel, der gar vornehm tat und steif einherschritt, als die Leute sich vor ihm bückten und auf ihr Angesicht fielen, während sie doch nicht ihn, sondern das Götzenbild, das er trug, anbeteten. Bischof Ezekiel Hopkins † 1690.

V. 21. Wie ein Vieh. Der Mensch war in seinem Urstand ein wenig niedriger als die Engel, mit Preis und Ehre gekrönt und gesetzt zum Herrn über die Werke Gottes, und alle Geschöpfe der Erde waren ihm unter seine Füße getan (Ps. 8,5-9). Aber die Sünde erniedrigt ihn so, dass er dem Vieh gleich wird, ja unter das Vieh hinabsinkt! David Clarkson † 1686.

Homiletische Winke

V. 3. 1) Die gemeinsamen Bedürfnisse der reichen wie der armen Menschen. 2) Die gemeinsamen Vorrechte der reichen wie der armen Gläubigen. 3) Ihr gemeinsamer Gottesdienst. 4) Ihr gemeinsamer Himmel.
V. 5. Die Rätsel der göttlichen Weltregierung sind dazu bestimmt, 1) dass unser Glaube erprobt werde, indem wir, auch wenn wir Gottes Walten nicht verstehen können, an seiner Weisheit und Liebe festhalten; 2) dass wir uns üben, kraft göttlicher Erleuchtung in sie einzudringen ("Ich will mein Ohr neigen"); 3) dass wir uns freuen ("beim Klang der Harfe"), wo wir Licht bekommen; 4) dass wir das empfangene Licht und die uns anvertrauten Gaben verwenden, um andern zu dienen ("kundtun").
V. 8. 1) Die Menschenseele bedarf einer Erlösung. 2) Weder Reichtum noch Macht noch Bildung und Gelehrsamkeit können diese je zustande bringen. 3) Aber Jesus hat das vollgültige Lösegeld bezahlt.
V. 13. 1) Was der Weltmensch stets wünscht: zu bleiben in solchem Ansehen, das geschieht nicht. 2) Was er nie gewünscht hat, geschieht: er muss davon wie ein Vieh. Samuel Hieron † 1617.
V. 13b. Worin sind die Gottlosen dem Vieh gleich, und worin sind sie von ihm verschieden?
V. 14. 1) In den zeitlichen Dingen ahmen die Leute die Klugheit, 2) in geistlichen Dingen aber die Torheit anderer nach. George Rogers 1870.
V. 15. 1) Je mehr die Gottlosen in diesem Leben gedeihen, desto größer wird ihr Elend hernach sein: sie werden sein wie Schafe, die zur Schlachtbank geschleppt werden. 2) Je größer ihre Üppigkeit jetzt ist, desto schrecklicher wird ihr Los sein: Der Tod naget sie. 3) Je höher ihre Würde jetzt ist, desto schmählicher wird ihre Erniedrigung sein: Die Frommen werden über sie herrschen (sie niedertreten). Welche Umwandlung in der Stellung des reichen Mannes und des Lazarus! 4) Je größer ihre Pracht, desto schrecklicher ihre Verunstaltung. "Bist du worden als unser einer?" (Jes. 14,10.) George Rogers 1870.
Inwiefern sind die Schafe ein Bild der Gottlosen?
V. 16. 1) Wohl werde ich zum Staube zurückkehren, aber 2) Er wird mich aus dem Staube erlösen und 3) mich zu sich in seinen Himmel aufnehmen zu ewiger Freude.
V. 18. Was wird der Sünder bei seinem Tode mitnehmen, und was nicht?
V. 21. 1) Menschen von geistlichem Verständnis ohne weltliche Ehre stehen höher als die Engel Gottes im Himmel. 2) Menschen von hohem Ansehen auf Erden, aber ohne die wahre Weisheit, stehen niedriger als das Vieh, das umkommt. George Rogers 1870.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 50 (Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Ein Psalm Asaphs. Dies ist der erste der zwölf Psalmen, welche Asaphs Namen an der Spitze tragen. Es kommen zwar in der Bibel noch andere Männer dieses Namens vor, doch kann kein Zweifel sein, dass hier der berühmte Sangmeister aus Davids Zeit gemeint ist. Da aber manche der so überschriebenen Psalmen einer viel zu späten Zeit angehören, als dass sie jenem Asaph zugeschrieben sein könnten, welchen David zum Leiter des Gesanges beim Zelt der Bundeslade auf Zion bestellt hatte (1. Chr. 16,5), ist der Name wohl bei manchen Psalmen als Bezeichnung des Geschlechtes Asaph zu erklären. Die Überschrift "Asaphs", sagt Delitzsch, schließt den Ahnherrn ein, während die Überschrift "der Kinder Korah" ihn ausschließt.1 Der vorliegende Psalm stammt wahrscheinlich von diesem Ahnherrn, der nach 2. Chr. 29,30 und Neh. 12,46 ein Seher und Psalmdichter war. Sein Geschlecht begegnet uns noch zu den Zeiten Josaphats und Hiskias und unter den aus der Verbannung Heimkehrenden. Man hat die Überschrift auch schon als Widmung an Asaph und die Asaphiten aufgefasst, so dass diese Psalmen ihnen zur Aufführung übergeben worden wären, wozu man 1. Chr. 16,7 vergleiche. Für uns ist es von geringer Bedeutung, ob Asaph die Worte oder die Töne zu dem vorliegenden Liede beigetragen habe, denn Dichter und Sänger sind nahe verwandt, und wenn der eine einen Psalm verfasst und der andere ihn in Musik setzt, so freuen sie sich miteinander vor dem HERRN.

Einteilung

Der HERR ruft die ganze Welt auf zugegen zu sein, da er sein Volk richten will, V. 1-6. Er zeigt, welcher Art der Gottesdienst sein müsse, wenn er ihm angenehm sein solle, V. 7-15, und klagt die gottlosen Heuchler der Übertretung der Gebote der zweiten Tafel an, V. 16-21. Mit einem ernsten Drohwort, V. 22, und einem freundlichen Winke, wie bei ihm Heil zu erlangen sei, V. 23, entlässt er die Gerichtsversammlung.

Auslegung

1. Gott, der HERR, der Mächtige, redet
und rufet der Welt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.
2. Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.
3. Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Fressend Feuer gehet vor ihm her, und um ihn her ein groß Wetter.
4. Er rufet Himmel und Erde,
dass er sein Volk richte:
5. Versammelt mir meine Heiligen,
die den Bund mit mir gemacht haben beim Opfer.
6. Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkündigen;
denn Gott ist Richter. Sela


1. Gott, der HERR, der Mächtige: El, Elohim, Jehova, drei hehre Namen für den Gott Israels. Wie in königlichen Erlassen die Namen und Titel des Monarchen an erster Stelle stehen, so sind auch hier der Anrede an das Volk, welche den Inhalt des Psalms bildet, diese erhabenen Namen Gottes vorangestellt, um die Wichtigkeit des folgenden Gottesworts recht zu betonen. Die Namen bezeichnen Gott zuerst als den Allmächtigen (El), sodann als den allein Anbetungswürdigen (Elohim), und endlich als das eine vollkommene und absolute Wesen (Jahve). Dieser allein wahre Gott redet und rufet der Welt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Wie sich die Herrschaft Jehovas über die ganze Erde erstreckt, so richtet sich auch dieser Aufruf an die gesamte Menschheit. Ost und West sollen den Gott hören, der seine Sonne über jeden Teil des Erdenrunds scheinen lässt. Sollte die Vorladung des höchsten Königs missachtet werden? Wollten wir es wagen, ihn durch geringschätzige Behandlung seines Aufrufs zum Zorn zu reizen?

2. Aus Zion, der Schönheit Vollendung (oder Krone) bricht an der Glanz Gottes. (Grundtext) Der HERR redet die Erde nicht nur an, sondern er tritt auch hervor, um sich dem versammelten Weltall in seiner herrlichen Pracht zu offenbaren. Gott wohnte von Alters her auf dem Berge Zion, mitten unter seinem Volke; hier aber wird gesagt, dass der Glanz seiner Herrlichkeit von da hervorbreche und weithin über alle Völker seine Strahlen sende. Im ersten Vers schon war von der Sonne die Rede; hier aber leuchtet eine noch viel hellere Sonne. Die Herrlichkeit Gottes erstrahlt am wunderbarsten unter seinen Auserwählten, ihre Offenbarung ist aber nicht auf sie beschränkt. Die Gemeinde ist nicht eine Diebslaterne, von deren Licht kein Strahl nach außen dringt, sondern ein heller Leuchter. Gott scheint nicht nur in Zion, sondern leuchtet aus Zion hervor. Dass Gott in Zion wohnt, macht dieses zur Vollendung oder Krone der Schönheit, und diese Schönheit ist von allen, die darauf achten wollen, zu erkennen, wenn der HERR aus der Gemeinde hervorleuchtet.

Man beachte, wie der Ewige nun mit Posaunenstimme und flammender Standarte Himmel und Erde aufruft seinen Worten zu lauschen.

3. Unser Gott kommt (jetzt). So rufen der Psalmdichter und seine Brüder; erwartungsvoll stehen sie da und sehen der unmittelbar bevorstehenden Erscheinung des HERRN entgegen. Er kommt, sprechen sie, unser Bundesgott kommt. Es ist, als ob sie schon von fern seine Stimme vernähmen und den Glanz der himmlischen Heerscharen gewahrten. So sollten wir auf die längst verheißene Wiederkunft des Herrn Jesus vom Himmel warten. Und schweiget nicht. Er kommt, um mit seinem Volk zu reden und zu rechten und die Gottlosen anzuklagen und zu richten. Lange hat er in geduldigem Schweigen zugesehen; nun aber wird er bald mit seinem Worte voller Macht eingreifen. Welch ernster Augenblick, da der Allmächtige zu erscheinen im Begriff ist! Wie groß wird die ehrfurchtsvolle Freude, wie feierlich die erwartungsvolle Stimmung sein, wenn sich diese hochpoetische Darstellung unseres Psalms am jüngsten Tage in voller Wahrheit verwirklichen wird! Fressend Feuer gehet vor ihm her, und um ihn her ein groß Wetter (wörtl.: stürmt es gewaltig). Feuerflammen und Sturmwinde finden wir häufig als die Begleiter göttlicher Erscheinungen. Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. "Vom Glanz vor ihm trennten sich die Wolken mit Hagel und Blitzen. Er fuhr auf dem Cherub und flog daher; er schwebte auf den Fittichen des Windes." (Ps. 18,13.11) "Der Herr Jesus wird offenbart werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft und mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen." (2. Thess. 1,7 f.) Das Feuer ist Sinnbild der richtenden und das Urteil vollziehenden Gerechtigkeit, und der Sturmwind ein Zeichen der überwältigenden Macht Gottes. Wer sollte nicht, in feierliches Schweigen versunken, auf die Worte des Richters lauschen, der unter solch schreckenerregenden Anzeichen seinen Richterthron besteigt!

4. Er rufet dem Himmel droben und der Erde. (Grundtext) Die Engel und die Menschen, die oberen und die unteren Welten werden aufgerufen, Zeugen dieses feierlichen Ereignisses zu sein. Die ganze Schöpfung soll zugegen sein, um die Heiligkeit und Wahrhaftigkeit des göttlichen Richtens zu bezeugen. Die Erde unten und die Himmel droben werden in der Verurteilung der Sünde übereinstimmen, und die Gerechtigkeit des Urteils wird jede Berufung ausschließen, obwohl alle zugegen sein werden, auf die sich die Schuldigen etwa zu ihrer Entlastung berufen möchten. Beide, Engel und Menschen, waren Zeugen der menschlichen Schuld und der göttlichen Güte, darum werden sie die Gerechtigkeit des göttlichen Spruchs bestätigen und zu dem Urteil des höchsten Richters Amen sagen. Wehe dann euch Verächtern! Was wollt ihr beginnen, zu wem wollt ihr fliehen? Dass er sein Volk richte. Das Gericht fängt an am Hause Gottes. Schrecklich wird die gerichtliche Untersuchung sein, welche über die sichtbare Kirche ergehen wird. Er wird seine Tenne gründlich fegen. Er wird die große Scheidung vollziehen zwischen denen, die nur dem Namen nach, und denen, die in Wahrheit zu seinem Volk gehören, und dies in öffentlicher Gerichtsverhandlung, vor den Augen des versammelten Weltalls. Wenn nun dies alles geschieht, wie wird es dir ergehen, meine Seele? Kannst du den Tag seiner Zukunft ertragen?

5. Versammelt mir meine Frommen. (Grundtext) Geht hin, ihr schnellbeschwingten Boten, und sondert die Guten von den Schlechten. Scheidet das Unkraut aus und sammelt mir den Weizen in die himmlische Scheune. Vereinigt jetzt meine so lang zerstreuten Auserwählten, die durch mein an ihren Herzen geschehenes Gnadenwerk als mein heiliges Volk zu erkennen sind, an einen Ort. Nicht alle sind Heilige oder Fromme, welche es zu sein scheinen - es bedarf einer Sichtung; deshalb sollen sich alle, die dem Bekenntnis nach zu dem heiligen Volk gehören, vor meinem Richterthron zusammenfinden und mein Richterwort hören, das ihr ganzes Wesen und Leben durchforscht und ins Licht stellt, damit die unechten Heiligen überführt und die wahren offenbar werden. Die den Bund mit mir machen beim Opfer. Dies ist das Hauptmerkmal zur Unterscheidung. Und doch haben etliche gewagt es nachzuahmen. Ein Bündnis wurde geschlossen durch das Schlachten von Tieren, das Zerlegen und Verteilen der Opfer. Das haben die Gerechten getan, indem sie mit wahrem Glauben das große Sühnopfer annahmen, während die vorgeblichen Heiligen es nur in äußerlicher Form taten. Lasst sie sich vor dem Thron zu Verhör und Untersuchung versammeln: Wer irgend in Wahrheit den Bundesschluss durch Glauben an das verheißene Heil vollzogen hat, wird vor aller Welt als ein Gegenstand des göttlichen Erbarmens ausgezeichnet werden, während die Heuchler es werden erfahren müssen, dass alle äußerlichen Opfer rein wertlos sind. Welch feierliche Gerichtsverhandlung! Meine Seele wird bei dem Gedanken an diesen ernsten Tag von heiligen Schauern erfasst!

6. Und die Himmel werden2 seine Gerechtigkeit verkündigen. Die himmlischen Gerichtsbeisitzer, die Engelfürsten und die Geister der vollendeten Gerechten, werden das unanfechtbare Urteil des göttlichen Richtstuhls rühmen. Jetzt wundern sie sich ohne Zweifel über die Heuchelei, die unter den Menschen herrscht, wie über die Langmut Gottes; dann werden sie ebenso staunen über die sorgfältige und gründliche Scheidung, welche zwischen den falschen und den wahren Heiligen vollzogen werden wird. Denn Gott ist Richter. Dies erklärt genügend, warum das Urteil so zutreffend ist. Nur zu leicht ließen sich in alten Zeiten die Priester und später die christlichen Gemeinden täuschen; doch nicht also der allwissende Herzenskündiger. Nicht ein untergeordneter, stellvertretender Richter sitzt auf dem großen weißen Stuhl (Off. 20,11); der schwer gekränkte Allherr der Welt selbst ist es, der die Beweisgründe abwägt und Lohn oder Strafe zumisst. - Die Schilderung unseers Psalms ist hochdichterisch, ist zugleich aber eine inspirierte Weissagung von jenem Tag, der brennen wird wie ein Ofen, wenn der HERR scheiden wird zwischen denen, die ihn fürchten, und denen, die ihn nicht fürchten. Sela. Hier mögen wir wohl innehalten in ehrfurchtsvoller Beugung, in tiefem Selbstgericht, in demütigem Gebet und bebender Erwartung.

Fußnoten
1. Möglich wäre auch, dass diese Psalmen einer Asaphs Namen tragenden Liedersammlung entnommen wären. Vergl. die Fußnote zu Ps. 42.

2. Grundtext: Da verkündigten die Himmel seine Gerechtigkeit, oder bei präsentischer Fassung: und es verkündigen usw. Der Dichter hört die V. 4 aufgerufenen Himmel reden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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7. Höre, mein Volk, lass mich reden;
Israel, lass mich unter dir zeugen:Ich, Gott, bin dein Gott.
8. Deines Opfers halben strafe ich dich nicht;
sind doch deine Brandopfer immer vor mir.
9. Ich will nicht von deinem Hause Farren nehmen
noch Böcke aus deinen Ställen.
10. Denn alle Tiere im Walde sind mein,
und Vieh auf den Bergen, da sie bei tausend gehen.
11. Ich kenne alle Vögel auf den Bergen;
und allerlei Tier auf dem Felde ist vor mir.
12. Wo mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen;
denn der Erdboden ist mein und alles, was drinnen ist.
13. Meinst du, dass ich Ochsenfleisch essen wolle
oder Bocksblut trinken?
14. Opfere Gott Dank
und bezahle dem Höchsten deine Gelübde!
15. Und rufe mich an in der Not,
so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.


Dieser Teil bildet eine Anrede an diejenigen, welche dem Beruf und Bekenntnis nach zum Volke Gottes gehören. Wie leicht zu sehen ist, richtet sich die Ansprache zunächst an Israel; sie kann aber ebensowohl auf die sichtbare Kirche aller Zeitalter angewandt werden. Gott bezeugt darin, dass äußere gottesdienstliche Handlungen wertlos sind, wenn es an Geist und Glauben fehlt und man sich auf die Zeremonien verlässt.

7. Höre, mein Volk, lass mich reden. Weil Jehova spricht und diejenigen, zu denen er redet, nach ihrem eigenen Bekenntnis sein Volk sind, sind diese auch verpflichtet, mit allem Ernst aufzumerken. Ich will reden, sagt der Ewige; Himmel und Erde sind nur Zuhörer, der HERR selbst ist beides, Kläger und Richter zugleich. Israel, lass mich unter dir (oder: gegen dich) zeugen. Um die folgende Rede eindrucksvoller zu machen, werden die Angeredeten bei ihrem Bundesnamen genannt; es ist ja doppelt schlimm, dass Israel, das auserwählte Volk, so fleischlich, so ungeistlich, so falsch, so herzlos gegen seinen Gott werden konnte. Der HERR, dessen Augenlider nicht schlummern, der nicht durch bloße Gerüchte irregeführt werden kann, sondern mit eigenen Augen alles sieht, er selbst tritt bei der Gerichtsverhandlung als Zeuge auf, als Zeuge gegen das Volk, dem er so viel Gnade erwiesen hat! Wehe uns, wenn Gott selbst, der Gott unsrer Väter, gegen die Heuchelei in der sichtbaren Kirche Zeugnis ablegen muss. Ich, Gott, bin dein Gott. Er hatte sie sich erwählt zum Volk des Eigentums vor allen Nationen, und sie hatten in der feierlichsten Weise gelobt, dass er ihr Gott sein solle. Dieses Bundesverhältnis gab ihm Anlass und Recht, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Die ersten Worte des Gesetzes lauteten: "Ich Jehova, bin dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland geführet habe." Die Eröffnung des Gerichtsverfahrens erfolgt nun mit dem gleichen Hinweis auf ihr einzigartiges Verhältnis zu Gott, auf ihr Vorrecht und ihre Verantwortlichkeit. Jehova ist nicht nur überhaupt Gott, sondern dein Gott, Israel, und diese besondere Gnade unterwirft dich auch in besonderer Weise dem durchforschenden Gericht des Herzenskündigers.

8. Nicht deiner Schlachtopfer halben strafe ich dich (Grundtext); sind doch deine Brandopfer immer vor mir. Nicht einem Mangel in der Ausübung des äußerlichen Gottesdienstes gilt seine Rüge, denn in diesem Stück hatten sie es an nichts fehlen lassen; aber selbst wenn sie sich darin etwas hätten zuschulden kommen lassen, so hätte Gott doch nicht die Absicht, sie jetzt darüber zur Rechenschaft zu fordern. Eine viel wichtigere Sache lag jetzt zur Untersuchung vor. Sie meinten, die täglichen Opfer und die unzähligen Brandopfer seien alles, was Gott erwarte; Gott aber beachtet diese gar nicht ohne das innerliche Opfer herzlicher Hingabe an ihn. Was sie für das Wichtigste hielten, war bei Gott Nebenfache. So ist’s noch heute: Auf die heiligen Sakramente und andere weihevolle Gebräuche legen unbekehrte "religiöse" Menschen das Hauptgewicht; beim Allerhöchsten aber ist der Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit, den diese Leute ganz außer acht lassen, die eine alles überwiegende Hauptsache, das Eine, was Not ist. Man halte das Äußerliche in Übereinstimmung mit dem göttlichen Befehl mit allen Mitteln aufrecht; - fehlt aber das Innere, das Geistliche darin, so ist es ein eitles Opfer, eine tote Zeremonie, ja ein Gräuel vor dem HERRN.

9. Ich will nicht von deinem Haufe Farren nehmen. Törichterweise gaben sie sich dem Wahne hin, der HERR habe an Farren mit Hörnern und Klauen Wohlgefallen, da er doch die Herzen begehrte. In ihrem geistlosen Sinn bildeten sie sich ein, Jehova bedürfe solches, und es werde ihm Befriedigung gewähren, wenn sie seinen Altar reichlich mit fetten Opfertieren versähen. Was nach Gottes Absicht zu ihrer Belehrung und Erziehung dienen sollte, darauf setzten sie ihr Vertrauen. Sie gedachten der schon durch Samuel bezeugten Wahrheit nicht, dass Gehorsam besser ist als Opfer und Aufmerken besser denn das Fett von Widdern (1. Samuel 15,22). Noch Böcke aus deinen Ställen. Er erwähnt auch diese geringeren Opfer, um die Israeliten dadurch gleichsam an ihrem gesunden Menschenverstand zu fassen. Sie müssen doch selbst einsehen, dass der große Schöpfer nicht in den tierischen Opfern an und für sich Befriedigung finden könne. Wenn er solcher bedürfte, so brauchte er sich ja nicht an ihre winzigen Ställe und Herden zu wenden. Ja er weigert sich hier geradezu, auch nur ein einziges Stück von ihnen anzunehmen, wenn sie es in dem verkehrten und für ihn entehrenden Gedanken darbringen, als ob er an den Tieren selber sein Ergötzen hätte. Dies zeigt, dass die gesetzlichen Opfer Sinnbilder höherer, geistlicher Dinge waren und dass sie Gott nur hinsichtlich dieser ihrer vorbildlichen Bedeutung wohlgefielen. Wer im Glauben Gottesdienst tat, war dem HERRN angenehm, weil sein Blick über das Äußerliche hinausging; die Ungeistlichen aber, welche auf die Bedeutung der Opfer nicht achteten, verschwendeten unnützerweise ihr Eigentum und lästerten mit ihren in heidnischem Sinn gebrachten Tieropfern nur das erhabene Wesen Gottes.

10. Denn mein (nachdrücklich vorangestellt) sind alle Tiere im Walde. Wie konnten sie sich einbilden, dass der Allerhöchste, des Himmel und Erde eigen sind, ihres Viehes bedürfe, er, dem all die zahllosen Mengen Wildes gehören, die in den Tausenden von Wäldern und Wildnissen hausen? Und das Vieh auf den Bergen, da sie bei tausend gehen. Nicht nur die wilden Tiere sind sein Eigentum, sondern auch die zahmen. Wenn Gott überhaupt zu Tieren Lust hätte, so könnte er sich wahrlich selbst versorgen. Recht betrachtet, gehörte ja auch ihr Vieh, das sie opferten, nicht ihnen zu eigen, sondern war immer noch des Schöpfers Besitztum; wie sollte er ihnen denn noch für dessen Darbringung zu Dank verpflichtet sein? Von Dan bis Beer-Seba, vom Gebirge Seir bis zum Libanon weidete kein einziges Tier, das nicht mit dem Namen des großen Hirten gezeichnet war; wie sollte dieser nach Israels Opfergaben Verlangen tragen? Wie unwert und verächtlich sind nach unserm Psalm in Gottes Augen sogar die von Gott selbst verordneten Opfer, wenn sie in verkehrter Weise so angesehen werden, als ob sie an sich Gott wohlgefallen könnten! Und wie bemerkenswert ist es, dass diese Wahrheit schon unter der Herrschaft des Gesetzes so klar bezeugt worden ist! Wieviel mehr sollte uns das im neuen Bunde klar sein, da es im Evangelium so viel deutlicher geoffenbart worden ist, dass Gott Geist ist und, die ihn anbeten, ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten müssen! Ihr Ritualisten, ihr Vergötterer der Sakramente und Zeremonien, ihr modernen Pharisäer, was sagt ihr hierzu?
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Jörg
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Beitrag von Jörg »

11. Ich kenne jeden Vogel (wörtl.) auf den Bergen. Auch alle befiederten Geschöpfe sind vor meinen Augen und mir zur Hand. Was für einen Wert sollen nun für mich euer Paar Turteltauben oder eure zwei jungen Tauben haben? Der Herr des Weltalls nährt nicht nur all seine Geschöpfe, sondern ist auch mit jedem derselben wohl bekannt. Wie wunderbar ist dies alle Gebiete seiner Herrschaft umfassende Wissen Gottes! Und allerlei Tier auf dem Felde ist vor mir, wörtl.: Und (alles) was sich auf dem Gefilde regt, ist mir gegenwärtig, so dass ich es leicht zu finden wüsste; wie sollte ich denn eure Rinder und Böcke nötig haben? In mir leben und weben alle Dinge; ist es da nicht Wahnsinn von euch zu meinen, mich verlangte nach dem Leben eurer Opfertiere? Der Gott, der Geist ist, begehrt ein anderes Leben als das tierische; er sucht geistliche Opfer: die Liebe, das Vertrauen, das Lob, das Leben eurer Herzen!

12. Wo mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen. Sonderbare Vorstellung: ein hungriger Gott! Selbst wenn jedoch solch ein törichtes Phantasiegebilde wahr sein könnte, wenn also wirklich der HERR Hunger empfände und nach Fleisch verlangte, selbst dann würde er gewiss nicht die Menschen darum angehen. Er könnte sich aus seinen eigenen Besitzungen mit Vorräten versehen, brauchte sich also keineswegs mit Bitten an seine Geschöpfe zu wenden. So ist, selbst bei einer ganz ungeheuerlichen, grob-sinnlichen Vorstellung von Gott, der Glaube an die äußeren Zeremonien lächerlich. Bilden sich die Leute wirklich ein, dass der HERR Fahnen und Musik und Weihrauch und feines Linnen bedürfe? Und wenn dem so wäre, dann würde er noch uns nicht davon sagen; denn dann bildeten die Sterne das leuchtende Wappen in seinem Banner, Winde und Wellen wären sein Orchester, zehntausendmal zehntausend Blumen erfüllten seinen Tempel mit ihrem Duft, der Schnee wäre sein Chorhemd, der Regenbogen sein Gürtel, die lichten Wolken sein Mantel. O ihr Toren, ihr wisst nicht, was ihr anbetet! Denn der Erdboden ist mein und alles, was drinnen ist, wörtl.: und seine Fülle. Was kann ihm mangeln, dem das All zu eigen gehört, ihm, der schaffen kann, was er will? In solch überwältigender Weise überschüttet der HERR die, welche über den gottesdienstlichen Formen das Wesen vergessen, mit Beweisgründen.

13. Meinst du, dass ich Ochsenfleisch essen wolle oder Bocksblut trinken? Seid ihr so verblendet, das von mir zu wähnen? Ist der Erhabene, dessen Name ist "Ich bin", leiblichen Bedürfnissen unterworfen, und könnten diese auf solch grob-sinnliche Weise befriedigt werden? Heiden mögen wohl so von ihren Götzen denken; wie könnt aber ihr es wagen, von dem Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, solche Gedanken zu hegen? Ist es möglich, dass mein Israel so tief gesunken ist, dies von mir, seinem Gott, zu glauben? Wie lebhaft werden hier die Wahnideen zergliedert und ihre ganze Torheit aufgedeckt! Wie schießen diese Worte gleich Flammenblitzen auf die geistlosen Angesichter der Toren, welche Gott mit totem Formenkram dienen zu können wähnen! Und ihr, die ihr von blinden Priestern zu ihrem unvernünftigen Gottesdienst angeleitet oder von schlauen Betrügern zum Besten gehalten werdet, könnt ihr diese Schriftstelle ohne tiefe Bewegung lesen? Voll Unwillens ist Gott in die Behandlung des Themas eingetreten, seine Fragen bringen die Gegner in völlige Verwirrung, und unausweichlich ist die Schlussfolgerung: Der wahrhaftige Gott kann nur an aufrichtigem Herzensdienst Gefallen finden. Es ist undenkbar, dass äußerliche Dinge ihn irgendwie erfreuen könnten, außer sofern dieselben unserm Glauben und unserer Liebe Ausdruck verleihen.

14. Opfere Gott Dank. Sieh also künftig deine Opfergaben nicht mehr so an, als ob sie an sich, um ihres materiellen Wertes willen, mein Wohlgefallen erregten, sondern bringe sie dar als freiwilligen Tribut deiner Dankbarkeit; dann erst will ich sie annehmen, nicht aber, solange eure Seelen mir keine Liebe und Dankbarkeit entgegenbringen. Die äußerlichen Opfer an sich werden abschätzig beurteilt, hingegen werden die inneren Gemütsbewegungen der Liebe, wie sie die Erinnerung an Gottes Güte immer neu wachruft, hochgehalten und anempfohlen als das Wesen, die Bedeutung und die Seele des Opfers. Wurde diese Wahrheit schon betont, als die gesetzlichen Zeremonien noch nicht abgeschafft waren, so wurde dieselbe deutlicher als je geoffenbart, als jene ihr Ende erreichten. Nicht weil sie es an Farren auf den Altären fehlen ließen, traf die Israeliten solcher Tadel, sondern weil es ihnen an dankbarer Anbetung des HERRN mangelte. Sie zeichneten sich wohl im äußerlichen Gottesdienst aus; aber die innere Empfindung und Erwiderung der Gnade, das Eine, was Not ist, fehlte bei ihnen gänzlich. Nur zu viele ziehen sich in unseren Tagen das gleiche Urteil zu. Und (so) bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Bringe deine Opfer wirklich vor dem Gott, der ins Herz sieht, dar; gib ihm echte Beweise deiner Liebe, leiste ihm den schuldigen und versprochenen Dienst, halte ihm den Herzensgehorsam, den du gelobt hast. O dass uns Gnade gegeben werde dies zu tun! O dass wir durch seine Güte befähigt würden, Gott brünstig zu lieben und unserm Bekenntnis voll und ganz nachzuleben! In Wahrheit Knechte Gottes zu sein und Liebhaber Jesu Christi, das sei unser Hauptbestreben. Was soll unsere Taufe, was hat es für Zweck, wenn wir zum Mahl des Herrn zusammenkommen, wozu dienen all unsere feierlichen Versammlungen, wenn nicht die Furcht des HERRN und eine lebenskräftige Gottseligkeit wahrhaft in unseren Herzen regieren?

15. Und rufe mich an in (wörtl.: am Tage) der Not. O herrlicher Vers, o selige Erlaubnis! Dies also ist das rechte Opfer? Kann man das ein Opfer nennen, sich vom Himmel ein Almosen zu erbitten? Ja, so ist’s! Der König selbst sieht es so an. Gerade darin offenbart sich ja der Glaube, zeigt sich das Vertrauen, beweist sich die Liebe; denn in der Stunde der Gefahr nehmen wir Zuflucht zu denen, die wir lieben. Es mag manchem als etwas gar Unbedeutendes erscheinen, in der Not Gott anzurufen, und doch ist dies dem HERRN ein wohlgefälligerer Gottesdienst als das herzlose Darbringen von Farren und Böcken. Wir hören hier eine Botschaft vom Throne Gottes, und wie ist sie so voller Herablassung und Huld! Sturmwind, Erdbeben und Feuer ist um Jehova her, und doch, welch milde Tropfen gnädigen Regens fallen mitten aus dem Wetter! Wer wollte nicht gern solche Opfer bringen? Komm, du mühselige und beladene Seele, eile, dies Opfer auf den Altar zu legen! Wer wollte da noch sagen, die Heiligen des alten Bundes hätten das Evangelium seinem Kern und Wesen nach nicht gekannt? Fürwahr, der Geist des Evangeliums duftet wie köstlicher Weihrauch aus diesem ganzen heiligen Psalm hervor. So will ich dich erretten. An der Antwort, die auf dein Gebet erfolgt, soll man sehen, ob es ein rechtes Opfer gewesen. Ob der Geruch geopferter Farren mir angenehm sei oder nicht, sicherlich wird es dein demütiges Gebet sein, und meine huldvolle Erwiderung auf dein Flehen soll das beweisen. Die hier gegebene Verheißung ist sehr umfassend und sowohl auf zeitliche als auf ewige Errettungstaten zu beziehen; Sache des Glaubens ist es, sie je nach Umständen nach der einen oder andern Seite zu wenden. So sollst du mich preisen. Dein Gebet ehrt mich, und noch mehr die dankbare Empfindung, mit welcher dich meine gnädige Erhörung erfüllt. Kälber und Böcke mögen sich als unzulänglich erweisen, aber niemals das wahre Opfer. Die Farren aus dem Stalle mögen ein eitler Gottesdienst sein, nicht aber die Farren unserer Lippen (Hos. 14,3), in herzlichem Glauben dem HERRN dargebracht.

So sehen wir, was gottgefällige Kirchengebräuche sind. Hier finden wir von Gottes Geist verfasste Vorschriften über die gottesdienstlichen Handlungen. Die Anbetung im Geist ist das eine Große und Wesentliche. Ohne sie ist alles andere eher eine Herausforderung Gottes als ein ihm wohlgefälliger Dienst. Als Hilfs- und Lehrmittel der Seele hatten die äußerlichen Opfer ihren Wert; als aber die Menschen am Äußeren hangen blieben, wurden diese heiligen Ordnungen selbst entweiht in Gottes Augen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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