Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps58

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7. Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul;
zerstoße, HERR, das Gebiss der jungen Löwen!
8. Sie werden zergehen wie Wasser, das dahinfleußt.
Sie zielen mit ihren Pfeilen; aber dieselben zerbrechen.
9. Sie vergehen, wie eine Schnecke verschmachtet;
wie eine unzeitige Geburt eines Weibes sehen sie die Sonne nicht.


7. Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul. Haben sie keine Fähigkeit zum Guten, so nimm ihnen wenigstens das Vermögen Unheil zu stiften. Mache es mit ihnen wie die Schlangenbeschwörer mit den Schlangen: brich ihnen die Giftzähne aus. Der HERR kann das tun und wird es tun. Er wird die Bosheit der Gottlosen nicht triumphieren lassen, sondern ihnen einen Schlag versetzen, der ihnen alle Macht raubt Böses anzurichten. Zerstoße, HERR, das Gebiss der jungen Löwen. Als ob ein wildes Tier nicht Böses genug an sich hätte, um das Bild der Gottlosen darzustellen, zieht der Dichter noch ein anderes zur Vervollständigung des Bildes herbei. An blutdürstiger Grausamkeit gleichen die Ruchlosen einem in voller Jugendkraft stehenden Löwen, dem Bild der ungeheuerlichen Stärke und der wildesten Raubgier, und die Bitte geht dahin, dass die Beißer, ihre schrecklichen Zähne, ihnen zertrümmert oder herausgeschlagen werden möchten, damit sie fortan harmlose Geschöpfe seien. Man kann es gut verstehen, dass der in die Acht erklärte Sohn Isais unter den Leiden und Mühsalen, welche ihm die Verleumdung und Gewalttätigkeit seiner Feinde bereitete, Gott dringend bat, ihn doch schnell und völlig von seinen Feinden zu befreien.

8. Sie müssen zergehen wie Wasser, die sich verlaufen. (Grundtext4 Lass sie zerrinnen und verschwinden wie Gebirgsbäche, die von Regengüssen anschwellen, aber bald wieder vertrocknen vor der Sommerhitze und sich im Sande verlaufen. Weg mit euch, ihr schmutzigen Wasser; je eher ihr verschwindet und vergessen werdet, desto besser! Spannt er seine Pfeile, so seien sie (die Frevler) als wie zerschnitten. So fasst die engl. Bibel nach alten Übersetzern die Stelle auf.5 Wenn der HERR wider die Verfolger der Seinen in den Kampf zieht, so mögen seine Gerichte sich an ihnen so schrecklich erweisen, dass sie von seinen Pfeilen wie zerschnitten dahinsinken. Andere Ausleger meinen mit Luther, es sei hier von den Pfeilen der Frevler die Rede, dass diesen die Spitze abgebrochen werden solle, so dass die prahlerischen Widersacher des Volkes Gottes es mit Wut innewerden müssen, dass sie nichts haben, womit sie die Frommen verletzen und vertilgen können. In beiderlei Sinn ist der Vers oft zur Tatsache geworden, und er wird sich je und je wieder erfüllen, sooft die Notwendigkeit eintritt.

9. (Sie müssen sein) wie eine Schnecke, die zerfließend dahingeht. (Grundtext) Wie die Erdschnecke sich mit ihrem eigenen Schleim den Weg macht, auf dem sie dahingleitet, und sich so im Kriechen gleichsam auflöst, so müssen die Gottlosen ihre eigene Kraft verzehren, während sie ihre boshaften Pläne verfolgen, und werden, statt die Auserwählten Gottes vertilgen zu können, sich selber vernichten. Sich selber aufzureiben durch Neid und Grimm über die Vereitlung ihrer Pläne ist das Los derer, die auf Schlechtes sinnen. Wie eine frühzeitige Geburt eines Weibes, die die Sonne nicht siehet.6 Diese Verwünschung ist sehr ernster Art; aber wie offenkundig geht sie an so manchen verworfenen Menschen in Erfüllung! Sie sind, als wären sie nie gewesen. Ihr Charakter ist missgestaltet, abscheulich, ekelhaft. Es schickt sich nicht, sie zu den Menschen zu rechnen; das Beste, was mit ihnen geschehen kann, ist, dass sie an irgendeinem unbekannten, ungenannten Ort verscharrt werden. Ihr Leben kommt nie zur Reife, ihre sämtlichen Pläne sind, wie sie selber, Fehlgeburten; das einzige, was sie wirklich zustande bringen, ist, dass sie andern Unheil und sich selber ein schreckliches Ende bereiten. Wäre es für Männer wie Herodes, Judas, den Herzog Alba oder den Bischof Bonner7 nicht besser gewesen, sie wären nie geboren worden, nicht besser auch für die Mütter, die sie getragen haben, besser für die Länder, die sie gepeinigt haben, besser für die Erde, die ihre verwesten Leichname vor der Sonne birgt? Jeder ohne Gott dahinlebende Mensch ist eine Fehlgeburt. Es fehlt ihm das wahre, Gott ebenbildliche Menschenwesen. Er verdirbt in der Finsternis der Sünde. Er sieht das Licht Gottes nicht und wird es nie sehen; denn um das Licht zu sehen, muss man Lichtesnatur in sich haben.

10. Ehe eure Dornen reif werden am Dornstrauch,.
wird sie ein Zorn so frisch wegreißen.
11. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache siehet,
und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut,
12. dass die Leute werden sagen: Der Gerechte wird ja seiner Frucht genießen;
es ist ja noch Gott Richter auf Erden.


10. Ehe noch eure Kochtöpfe den Dorn (d. h. das Dornfeuer) merken, stürmt er es, wie das Rohe so die Glut, hinweg. (Grundtext) So plötzlich kommt die Vernichtung über die Gottlosen, so verfehlt ist ihr ganzes Leben, dass sie nie Freude genießen. Ihr Topf, in dem sie sich eine leckere Speise bereiten, ist an den Feuerhaken gehängt, und das Feuer ist darunter angemacht; aber ehe noch die Dornen dem Topf Hitze mitteilen können, ja ehe noch das Feuer zum Kessel aufflammen kann, fährt ein Sturmwind daher und fegt alles hinweg. Der Topf wird umgestürzt und das noch rohe Fleisch wird verschüttet und die Feuersglut weit und breit zerstreut. Die Stelle ist schwierig; aber wenn die Übersetzungen im Einzelnen auch weit auseinandergehen, ist der allgemeine Sinn doch wohl der, dass die Gottlosen ihre Anschläge wider die Gerechten zwar mit allem Eifer betreiben, aber plötzlich damit zuschanden werden, indem Gott eingreift, unsichtbar, aber wirksam wie ein Sturmwind.

11. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache siehet. Er selber wird seine Hand nicht dabei im Spiel haben; nicht er, sondern ein anderer wird Rache üben. So wird der Gerechte sich auch nicht im Geist der Rachsucht, nicht mit hämischer Schadenfreude über das Verderben der Gottlosen freuen; wohl aber wird seine gerechte Seele zu Gottes Gerichten Amen sagen und über den Sieg der Gerechtigkeit frohlocken. Wir finden in der Schrift nichts von jener Sympathie mit Gottes Feinden, mit welcher in unseren Tagen so manche prunken, als wäre sie die höchste Stufe der Tugend, während sie damit doch an der Sache der Wahrheit Verrat üben. Und wird seine Füße baden in des Gottlosen Blut. Das Blut der Erschlagenen des HERRN wird in Strömen fließen, ein schreckliches Gericht wird über die Gottlosen hereinbrechen; denn nicht anders können die Gerechten zur vollen Freiheit kommen. Und eben darum, weil das Gericht über die Gottlosen die Kehrseite der glorreichen Erlösung des Volkes Gottes ist, wird es die Seligkeit der Heiligen nicht hindern und stören können, sondern diese werden darüber frohlocken.

12. So dass die Leute werden sagen. Jedermann, auch der einfältigste und unwissendste Mensch, wird innerlich genötigt sein, zu bekennen: Ja, wahrhaftig, Frucht, d. h. Lohn, wird dem Gerechten zuteil. (Wörtl.) Wenn eins gewiss ist, dann dies. Die Frommen sind doch nicht, wie es einst schien, verlassen und ihren Feinden preisgegeben; die Gottlosen ziehen doch zuletzt den Kürzeren, und Wahrhaftigkeit und Biederkeit bekommen doch auf die Dauer ihren Lohn. Ja, es gibt einen Gott, der auf Erden richtet. Alle Menschen werden angesichts des Gerichts, das über die Verfolger der Heiligen ergeht, genötigt sein zu erkennen, dass es einen Gott gibt und dass er der gerechte Lenker der Geschicke ist. Es wird sich am Ende klar herausstellen, dass Gott gerecht ist und dass die Gerechten die Frucht ihrer Gerechtigkeit genießen werden. Die Zeit wird alle Zweifel zerstreuen und alle Rätsel lösen; das helle, weit hinaussehende Auge des Glaubens aber erkennt die Wahrheit schon jetzt und freut sich ihrer.

Fußnoten
4. Da für das hitp. von Klh trotz seines häufigen Vorkommens die Bedeutung "sich verlaufen", welche die meisten Übersetzer nach den LXX hier annehmen, nicht belegbar ist, nimmt Keßler es in der besser bezeugten Bedeutung "einherschreiten", wozu dann das verstärkende ....... gut passt: die stolz einherfahren.

5. Der Sinn des Textes ist kaum mehr zu ermitteln. Die Fortsetzung V. 9 macht es wahrscheinlich, dass die Frevler und nicht die Pfeile Subjekt des Zeitworts seien.

6. Man bezieht den Plural des Grundtexts besser auf das kollektiv. gebrauchte Fehlgeburt als (mit Luther) auf die Frevler.

7. Zwei berüchtigte Feinde des Protestantismus. Der Herzog von Alba rühmte sich, als spanischer Statthalter der Niederlande binnen sechs Jahren 18.600 Menschen hingerichtet zu haben. Bischof Bonner († 1569) wütete als Vorsitzer des Ketzergerichts unter der blutigen Maria gegen die Bekenner des Evangeliums in England.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 2. Daraus sehen und lernen wir, dass die verfolgten Christen bei weltlichen und geistlichen Gerichten, da falsche Lehre im Schwange geht, kein Gehör und keine Hilfe haben. Wenn man da erkennen und sprechen soll, so ist man stumm; wenn die Sache auch noch so gut ist, so will doch niemand das Maul auftun und ein gutes Wort dazu verleihen. Darüber fragt sie der Heilige Geist durch den Mund Davids, ob das recht sei, nämlich wider die Gerechtigkeit und Wahrheit reden. Johann Arnd † 1621.

V. 3. Vielmehr bereitet ihr im Herzen Freveltaten usw. (Grundtext) Der Psalmdichter sagt nicht nur, dass sie Frevel im Herzen haben, sondern dass sie sie da bereiten. Das Herz ist eine geheime Werkstatt, in der schmieden und hämmern und feilen sie ihre gottlosen Anschläge zurecht. Das nächste: Ihr wäget im Lande Gewalttat eurer Hände dar (Grundtext) lässt uns an Handelsleute denken, die ihre Ware nach dem Gewicht verkaufen. Sie schlagen ihre Ware nicht in Bausch und Bogen los, sondern messen sie in Lot und Quäntchen aus, nach genauem Gewicht; sie üben die Unterdrückung nicht in grober Weise, sondern mit Überlegung und Gewandtheit; sie setzen sich hin und überlegen sorgfältig, welcherlei Gewalttätigkeit und wieviel sie in jedem einzelnen Falle anwenden dürfen, wieviel die betreffende Person oder die betreffende Zeit ertragen möge. Sie sind zu klug, als dass sie alle ihre Frevel auf einmal oder an einer Person auslassen würden; sie könnten dadurch alle ihre Pläne verderben. Sie wägen alles, was sie tun, wiewohl es alles so schlecht ist, dass es weniger denn nichts wiegen wird, wenn Gott es auf eine Waagschale legen wird. Zu solcher Geschicklichkeit kommen sie nicht alsbald, sondern erst, nachdem sie eine Lehre darin durchgemacht haben; aber sie gehen sehr früh dahinter, wie der folgende Vers sagt. Sie fangen in frühester Jugend an - von Mutterschoß an sind sie abtrünnig und üben sich im Lügen und Freveln und Unterdrücken. Joseph Caryl † 1673.

Die Grundsätze der Gottlosen sind noch schlechter als ihre Handlungen: vorbedachte Frevel sind doppelt strafbar. George Rogers 1870.

V. 4. Wie früh fangen die Menschen zu sündigen an, wie spät tun sie Buße! Sie sind abtrünnig und irren von Mutterschoß an; aber wenn sie sich selber überlassen blieben, würden sie nicht umkehren bis zum Tode, ja niemals. Ehe die Kinder zu sprechen und zu gehen vermögen, können sie doch schon irregehen und täuschen. Joseph Caryl 1673.

V. 4.5. Die jüngste Schlange kann schon Gift spritzen, und wenn der Biss eines erst wenige Tage alten Tieres auch selten tödlich ist, so verursacht er doch auf alle Fälle heftige Schmerzen. Halt einen Stock in die Nähe einer solchen winzigen Schlange, sie wird sofort danach schießen. Die Nachkommen des Tigers und des Alligators zeigen ebenfalls schon von ihren ersten Tagen an ihre mordgierige Art. Joseph Roberts 1844.

V. 5. Tief bedeutsam ist die Vergleichung der Gottlosen und Lügner mit den Schlangen, deren Gestalt und Art das urälteste Symbol des Lügners von Anfang ist. Man vergleiche auch im Neuen Testament, im Munde dessen, der "wohl beschwören konnte", das o}feij, gennh/mata e)cidnw=n (Mt. 23,33) mit Stellen wie Joh. 8,44. Die Einheit solcher Symbolik zieht sich durch die ganze Schrift. Allgemeiner Sinn des Bildes: Auch gegen die geschickteste, kräftigste Lehre und Ermahnung verhärtet sich unempfindlich die Bosheit der Unverbesserlichen; am Widerstand gegen die Gnade, welche unsere Schlangennatur kräftig beschwört, vollendet sich das angeborene Verderben zum unheilbaren, das nur ins Gericht fällt. Rudolf Stier 1836.

Gift. (Grundtext) Es gibt ja Gift in der Welt; aber wo es auch sein mag, wer wollte es im Menschen suchen? Gott hauchte dem Menschen seinen Geist ein, nicht Gift. Er nährt ihn mit Brot; darin ist kein Gift. Woher kommt denn das Gift in ihn? "Das hat der Feind getan." Die alte Schlange hat es ihm ins Herz gezaubert. Sünde ist Gift, und dies Gift entwickelt sich nach und nach zu immer stärkerer Macht im Menschen. Thomas Adams 1614.

Wie eine taube Otter. Alle Schlangenarten haben ein mangelhaftes Gehör, weil sie keine Paukenhöhle und keine Ohrmuschel haben. Unter der tauben Otter ist nicht eine besondere Art zu verstehen (wie viele vermutet haben), sondern es ist von einer Schlange die Rede, die wohl in einem gewissen Grade hören könnte, aber nicht hören will; gerade wie die ungerechten Richter und Verfolger Davids solche Vorhaltungen wie die in V. 2.3 ausgesprochenen wohl mit dem äußeren Ohr hörten und doch nicht hörten. In der Regel kann der Schlangenbeschwörer die Schlange mit schrillen Tönen, sei es der menschlichen Stimme, sei es der Flöte, bezaubern; es kommt aber ausnahmsweise auch vor, dass eine Schlange aller Einwirkung der Musik widersteht. Vergl. Jer. 8,17; Pred. 10,11. A. R. Fausset 1866.

So geschickt die Schlangenbeschwörer sind, gehen sie doch nicht immer ungestraft aus, sondern die Schaustellungen nehmen hie und da einen unglücklichen Ausgang; denn es gibt noch immer taube Ottern, die nicht hören auf die Stimme des Zauberers, ob er auch noch so geschickt beschwören kann. So erzählt Joseph Roberts (1844) von einem Manne, der in das Haus eines Europäers gekommen sei, um gezähmte Schlangen zu zeigen, und gefragt worden sei, ob er eine Brillenschlange, welche in einem Behälter gefangen gehalten wurde, beschwören könne. Auf seine bejahende Antwort sei die Schlange freigelassen worden. Der Mann habe seine Zeremonien begonnen und seine Zaubersprüche und -töne immer aufs Neue hören lassen; aber die Schlange, die offenbar sehr erregt gewesen, sei auf ihn losgefahren und habe sich an seinen Arm geheftet, und vor Abend sei der unglückliche Beschwörer eine Leiche gewesen. Ph. H. Gosse 1861.

Eines Tages kam eine Klapperschlange in unser Lager. Es befand sich unter uns ein Kanadier, der die Flöte spielen konnte. Um uns zu unterhalten, ging er mit dieser seltsamen Waffe auf die Schlange zu. Wie das Tier seinen Gegner herankommen sieht, richtet es sich in einer Spirallinie in die Höhe, macht den Kopf breit, bläst die Backen auf, zieht die Lippen zusammen und zeigt die Giftzähne in dem weit geöffneten Rachen; die gespaltene Zunge züngelt wie zwei Feuerflammen, die Augen brennen wie glühende Kohlen, der vor Wut geschwollene Leib geht auf und nieder wie der Blasebalg einer Schmiede, die stark gespannte Haut nimmt ein mattes Aussehen an, die Schuppen werden einzeln sichtbar, und die Schwanzspitze, welche den todverkündenden Lärm hervorbringt, bewegt sich mit solcher Schnelligkeit, dass man die einzelnen Bewegungen nicht mehr unterscheiden kann. Der Kanadier fängt an, auf der Flöte zu spielen - die Schlange stutzt und zieht ihren Kopf zurück. Je mehr die Zaubertöne auf sie einwirken, verlieren die Augen ihre Wildheit, die Schwingungen des Schwanzes werden langsamer, das Klappern wird schwächer und hört allmählich ganz auf. Schon steht sie nicht mehr so senkrecht auf der Spirale, die Ringe werden nach und nach immer weiter und sinken einer nach dem andere in konzentrischen Kreisen auf die Erde. Die Schattierungen von Blau, Grün, Weiß und Gold treten wieder in ihrem ganzen Glanze auf der Haut hervor, und die Schlange verharrt nun unbeweglich in derselben Stellung, nur den Kopf ein wenig hin und her wendend; sie ist offenbar ganz durch die Musik gefesselt und hat an ihr Wohlgefallen. Nun geht der Kanadier einige Schritte vor, während er seiner Flöte einfache, aber einschmeichelnde Töne entlockt. Die. Schlange neigt ihren buntscheckigen Nacken, bahnt sich mit dem Kopf einen Weg durch das hohe Gras und fängt an, ihrem Beschwörer nachzukriechen; steht er still, so macht auch sie Halt, folgt ihm aber alsbald wieder nach, wenn er vorwärts geht. So führt er die Schlange allmählich aus dem Lager hinaus unter Begleitung einer großen Menge von Zuschauern, sowohl Eingeborenen als Europäern, die ihren Augen kaum trauen, da sie diese Wirkung melodischer Töne aus die Schlange wahrnehmen. François René Vicomte de Chateaubriand † 1848.

V. 8. Mögen sie zerfließen wie Wasser, die sich verlaufen. Auf Reisen in öden Gegenden Afrikas hat es uns stets hoch erfreut, wenn wir auf einen Bach stießen, zumal wenn dieser in der Richtung unserer Reise floss und wir somit hoffen konnten, er werde sich als ein schätzenswerter Begleiter erweisen. Aber vielleicht hatten wir sein Geleit noch kaum eine halbe Stunde genossen, als er schon wieder verschwand, indem sich das Wasser im Sand verlief. Eine halbe Stunde weiter kam er vielleicht wieder hervor und belebte die Hoffnung aufs Neue, dass wir uns dauernd sein erfreuen dürften; aber etliche hundert Schritt weiter verlor er sich wieder im Sand, und zwar nun endgültig, auf Nimmerwiedersehen. John Campbell † 1840.

V. 9. Wie eine Schnecke, die in Zerfließung (Auflösung) dahinkriecht (wörtl.), d. h. sich, während sie kriecht, auflöst. Es wird damit auf den schleimigen Pfad gedeutet, den die Schnecke hinter sich zurücklässt, so dass sie sich beim Kriechen aufzulösen scheint. Offenbar ist dies nur eine dichterische Hyperbel und braucht daher nicht als ein Volksglaube oder ein naturgeschichtlicher Irrtum erklärt zu werden. J. J. Stewart Perowne 1864.

Wie eine unzeitige Geburt eines Weibes. Die Gottlosen sind samt und sonders sozusagen Fehlgeburten; sie sind und bleiben Wesen, denen ganz Wesentliches mangelt, die nie den eigentlichen Zweck ihres Daseins erreichen. Zu Gott ist der Mensch geschaffen, zum göttlichen, himmlischen Leben ist er berufen, und wer dies Ziel nicht erreicht, dessen ganzes Dasein ist verfehlt; er ist ewig eine Fehlgeburt. O. Prescott Hiller 1869.

V. 10. Noch ehe eure Kochtöpfe das Dornfeuer spüren usw. Der Vers bezieht sich wohl auf eine Sitte der Morgenländer, auf der Reise durch wüste Gegenden sich aus Dornreisern, welche sie sammeln und von denen die einen grün und saftig (wörtl.: lebendig, was andere auf das noch rohe Fleisch im Topf beziehen), die anderen dürr sind, sich ein schnell aufloderndes Feuer zu machen, um darüber ihr Essen zu bereiten. Da erhebt sich dann nicht selten plötzlich ein heftiger Wind, der alles, Feuer und Kochvorrichtung, hinwegfegt, ehe noch der Top heiß geworden ist. Ein treffendes Bild des die Gottlosen plötzlich überwältigenden Verderbens! Noch ehe das, was sie kochen wollen, das Feuer merkt, d. h. noch ehe die Gerechten etwas von den Anschlägen, welche die Gottlosen wider sie ins Werk setzen, zu fühlen bekommen, werden diese Anschläge zunichte gemacht. William Walford 1837.

V. 11. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Rache siehet. Ohne Zweifel sahen die Engel in dem Anblick der vernichteten Städte Sodom, Gomorrha, Adama und Zeboim einen Grund zu frohlocken und ein Halleluja anzustimmen. Die Gottlosen waren hinweggefegt worden, die Erde war einer schweren Bürde entledigt worden, die Gerechtigkeit Gottes hatte sich majestätisch geoffenbart und ebenso seine Liebe zu seinen anderen Geschöpfen, indem er diese von der Nachbarschaft solch satanischer Unreinigkeit befreite. Aus denselben Gründen werden der Herr Jesus selbst und jedes seiner Glieder über den Untergang des antichristlichen Heeres ein Halleluja anstimmen (Off. 19,3). Andrew A. Bonar 1859.

Und wird seine Füße baden im Blut usw. So könnte man von jemand sagen, der als Sieger aus einer Schlacht hervorgegangen ist und nun über das Schlachtfeld schreitet. Anmerkungen der Londoner Traktat-Gesellschaft.

V. 12. Dass die Leute werden sagen: Es ist ja noch Gott Richter auf Erden. Manche der Gerichte Gottes sind eine seichte Furt, welche ein Lamm durchwaten kann; jedes Kind kann sie verstehen. Joseph Caryl † 1673.

Homiletische Winke

V. 4. 1) Die körperlichen Wirkungen der Erbsünde zeigen sich im frühen Leiden und Sterben. 2) Die moralischen Wirkungen derselben zeigen sich in dem frühen Begehen von Tatsünden, namentlich in Verstellung und Lüge. George Rogers 1872.
V. 5. Die Schlangenbrut. Die Sünde als Gift. Gift kann an Ansehen und Geschmack verlockend sein, kann langsam oder schnell wirken, kann schmerzverursachend, auszehrend, einschläfernd oder wahnsinnig machend wirken. Das Ende aber ist in allen Fällen das gleiche: der Tod.
V. 6. Vergleichung zwischen dem Prediger und dem Schlangenbeschwörer. 1) Er beschwört mit moralischer Überredung, mit Verheißungen, Drohungen usw. 2) Er beschwört mit Klugheit, Eifer und Liebe. 3) Er beschwört vergeblich: der Wille widersetzt sich. Daher die Notwendigkeit der Gnade Gottes und des Evangeliums.
V. 9. Die Selbstzerstörung der Sünder.
V. 12. Merkwürdige Fälle göttlicher Gerichte und ihre Wirkungen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 59 (Auslegung & Kommentar)



Überschrift

Dem Vorsänger. Es ist wunderbar, wie selbst die peinlichsten Ereignisse in Davids Leben immer wieder dazu dienten, den Schatz der heiligen Gesänge Israels zu bereichern. Aus schlechtem, sumpfigem Boden entsprießen die honigreichen Blumen der Psalmdichtung. Wäre David nie so unbarmherzig von Saul verfolgt worden, so hätten Israel und die neutestamentliche Gemeinde dieses und so viele andere köstliche Lieder entbehren müssen. Trübsal ist der Schlüssel, der die Harfe geheiligter Sänger stimmt. Verderbe nicht. Der dritte so überschriebene Psalm. (Der vierte und letzte ist Ps. 75) Wen Gott erhält, den vermag Satan nicht zu verderben. Der HERR kann seinen Propheten das Leben sogar durch die Raben erhalten, die ihrer Natur nach ihnen die Augen aushacken würden. David fand stets jemand, der ihm half, wenn seine Lage besonders gefährlich war, und zwar sogar aus den eigenen Familiengliedern eines Erzfeindes. Diesmal war es Michal, die Tochter Sauls, wie bei früheren Anlässen Jonathan, der Sohn Sauls. Von David, ein gülden Kleinod. Dies ist das fünfte der "güldenen Kleinode" Davids; Gottes Auserwählte haben viele solche. Da Saul hinsandte und ließ sein Haus verwahren, dass er ihn tötete. Man gibt sich viel Mühe, die Psalmen andern Verfassern und andern Anlässen zuzuschreiben als denjenigen, welche die Überschriften angeben, da es heutzutage Mode ist, seine Gelehrsamkeit dadurch zu erweisen, dass man von allen Vorgängern abweicht. Vielleicht werden aber in etlichen Jahren die alten Überschriften ebenso verehrt sein, wie sie heute verachtet werden. Die gelehrten Exegeten widersprechen sich in der Hinsicht auch in Bezug auf unseren Psalm1; so haben wir es denn auch nicht sehr eilig, den mancherlei Mutmaßungen beizupflichten, sondern begnügen uns damit, den Psalm im Licht des in der Überschrift genannten Ereignisses zu lesen. Es scheint uns keiner der Vers damit unbedingt im Widerspruch zu stehen, und manche passen trefflich dazu.

Einteilung

V. 2.3 Bitte, V. 4.5 Klage, V. 6 abermals Bitte. Das Sela bezeichnet den Abschluss dieses Teils. V. 7.8 erneute Klage, V. 9-11 Ausdruck der Glaubenszuversicht, V. 12-14 Gebet, Schluss des zweiten Teils mit Sela. V. 15.16 nochmals Gebet, Schluss des Psalms V. 17.18 mit Lobpreis.

Auslegung

2. Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden
und schütze mich vor denen, so sich wider mich setzen.
3. Errette mich von den Übeltätern
und hilf mir von den Blutgierigen.


2. Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden. Sie waren alle rund um das Haus her, ausgerüstet mit der Vollmacht der Obrigkeit und stark genug den Befehl auszuführen, der dahin lautete, den David lebendig oder tot, gesund oder krank zu bringen, dass er auf keinen Fall dem Schwert entrinne. Keine Kühnheit konnte ihm helfen, die Kette von Bewaffneten zu durchbrechen, noch vermochte die herzbeweglichste Beredsamkeit seinen blutgierigen Verfolgern die Hand zu binden. Er war gefangen wie ein Vogel im Netz, und kein Freund war zur Hand die Feinde zu verjagen Der Unglaube hätte wohl gesagt, dass Beten in solcher Lage die reine Wortverschwendung wäre; aber so denkt dieser Mann nicht, dessen Gottvertrauen in so mancher Not gereift ist. Er macht vielmehr das Gebet zu seiner einzigen Zuflucht. Er ruft um Rettung und überlässt es seinem Gott, wie er ihn retten wolle. Und schütze mich vor denen, so sich wider mich setzen, wörtlicher: Stelle mich auf eine (sichere) Höhe vor denen, die sich wider mich erheben. Saul war "eines Hauptes länger denn alles Volk", und es war schlimm, wenn solch ein Mann sich wider einen erhob. Er gebrauchte seine ganze königliche Macht, um David zu erdrücken. Der arme Verfolgte bittet daher den HERRN auch ihn zu erhöhen, nämlich auf einen hohen Turm, und ihn so dem Bereich seines Widersachers zu entrücken. Man beachte, wie er die Anrufung "mein Gott" den Worten "meine Feinde " gegenüberstellt. Er versteht die Kunst, die feurigen Pfeile des Feindes mit dem Schild des Glaubens aufzufangen und auszulöschen. Gott ist unser Gott; darum sind Rettung und Schutz unser wohlverbrieftes Vorrecht.

3. Errette mich von den Übeltätern. Saul handelte an David höchst unbillig und bewies sich überdies auch noch gegen andere als ungerechter und grausamer Tyrann; das ließ David desto dringender wider ihn zu Gott rufen. Böse Menschen stiegen am königlichen Hofe zu Ansehen und Macht empor und waren die allezeit dienstbereiten Werkzeuge des Wüterichs; auch gegen diese betet er zum HERRN. Wider schlechte Menschen, die eine schlechte Sache verfechten, dürfen wir ohne allen Zweifel Gott aufrufen. Wenn ein Haus von Räubern besetzt ist, zieht der Hausherr die Sturmglocke, und in diesen Versen hören wir sie laut ertönen: Errette mich - schütze mich - errette mich - hilf mir. Saul hatte in der Tat mehr Grund als David sich zu fürchten; denn die unbezwingliche Waffe des Gebets ward gegen ihn geschwungen und der Himmel alarmiert, ihm eine Schlacht zu liefern. Und hilf mir von den Blutgierigen. Da er des wohl eingedenk ist, wie oft Saul ihn zu töten versucht hatte, weiß David, wes er sich von dieser Seite zu versehen hat, sowohl von dem König selber als von dessen Höflingen und Häschern. Er schildert seine Widersacher vor Gott in ihren wahren Farben; die Blutdürstigkeit der Feinde ist eine gerechte Ursache für das Eingreifen des gerechten Gottes, denn der HERR hat Gräuel an den Blutgierigen (Ps. 5,7).

4. Denn siehe, HERR, sie lauern auf meine Seele;
die Starken sammeln sich wider mich ohne meine Schuld und Missetat.
5. Sie laufen ohne meine Schuld und bereiten sich.
Erwache und begegne mir und siehe drein.


4. Denn siehe, sie lauern auf meine Seele. Er wusste, worauf sie es abgesehen hatten, auf sein Leben, und rief zu Gott um Rettung. Gleich wilden Tieren kauerten sie nieder und machten sich bereit, den verhängnisvollen Sprung zu tun. Der aber, den sie sich zum Opfer ausersehen hatten, wandte das wirksamste Mittel an, sie um ihre Beute zu prellen: er legte die ganze Sache dem HERRN vor. Während der Feind in der Stellung eines sprungbereiten Raubtiers verharrt, verharren wir in der Stellung des Gebets vor Gott; denn wir wissen, dass auch Gott bereit ist, bereit uns seine gnadenreiche Hilfe und unseren Feinden seinen schrecklichen Zorn zu erweisen. Die Starken sammeln sich wider mich. Keiner der Bosheitshelden fehlte beim Sammelruf, als es galt einen Frommen kalt zu machen. Das war ein zu guter Spaß, als dass sie hätten wegbleiben können! Die Kriegsgeübten, die ihre Pfeile brauchen sollten, um ihr Vaterland zu verteidigen, hetzten stattdessen einen friedlichen Staatsbürger; der riesenhafte Fürst verschwendete all seine Kraft darauf einen getreuen Anhänger zu Tode zu bringen. Ohne meine Schuld und Missetat, HERR. Er beruft sich vor Gott darauf, dass er sich nicht vergangen, in keiner Weise durch eigene Sünde den Zorn und Hass des Königs und seiner Günstlinge heraufbeschworen habe. Sein einziger Fehler war, dass er eine zu große Heldentat zum Besten seines Volkes ausgerichtet hatte und dass er zu fromm, vor allem aber, dass er des HERRN Auserwählter war; darum konnte der neiderfüllte König nicht ruhen, bis er seine Hände in dem Blut seines beim Volke allzu beliebten vermeintlichen Nebenbuhlers gewaschen hatte. Wir werden stets die Erfahrung machen, dass es etwas Großes ist unschuldig zu sein; verleiht es unserer Sache nicht vor den irdischen Gerichtshöfen den Sieg, so wird es sich doch stets als den triftigsten Beweis vor dem Richterstuhl des Gewissens erproben und als köstlichsten Trost in der Verfolgung. Lasst uns beachten, dass David seine Unschuld hier doppelt und im nächsten Vers abermals beteuert; so sehr ist er sich seiner Lauterkeit und Reinheit bewusst.

5. Sie laufen ohne meine Schuld und bereiten sich. Sie sind voll Eifers und voller Tatkraft; ihre Füße eilen Blut zu vergießen. Sie rennen in vollem Laufe an und stellen sich bereit. (Wörtl.) Sie wenden alle Kriegskunst an, gehen mit mächtigem Anlauf zum Angriff vor und befeinden mich mit der Gewalt und Gewandtheit eines Kriegsheers, das daran ist, eine Festung zu stürmen oder gegen die Reihe der Feinde anzurennen; und das alles, ohne dass ich irgendwelche Ursache gegeben habe, rein aus Bosheit. Sie sind so hurtig, die Befehle ihres grausamen Kriegsherrn auszuführen, dass sie keinen Augenblick stillstehen, um zu bedenken, ob ihr Vornehmen gut oder schlecht sei; sie laufen ohne Verzug und machen sich zum Angriff bereit. So ohne Ursache angefeindet zu werden ist schwer. Die Gefahr macht dem Tapferen noch wenig zu schaffen im Vergleich zu dem Kummer, den ihm das Unrecht, welches ihm zugefügt wird, verursacht. Es war eine unerhörte Schande, dass ein Held wie David so mit Hunden gehetzt wurde, als wäre er ein Ungeheuer, und in seinem Hause belagert wurde, wie man ein wildes Tier in seiner Höhle umzingelt. Erwache und begegne mir, d. i. stoß zu mir als mit einem Ersatzheere und siehe drein. Offenbare deine Macht. Rüttle dich aus der Untätigkeit auf. Sieh nur, in welch trauriger Lage dein Knecht ist, so kannst du ja nicht anders als zu seiner Hilfe herbeieilen. Die Worte zeigen uns, wie völlig der Psalmist auf Gottes Erbarmen traute. Es ist ihm genug, wenn der HERR sich durch den Augenschein von der Gefahr überzeugt, in der sich sein Schützling befindet; er weiß, es muss Gottes Mitleid bewegen.

Fußnote
1. Unter den neueren Exegeten halten z. B. Delitzsch und Moll bei diesem Psalm an der Überschrift fest, und auch v. Orelli (Weissag.) sagt, es lasse sich gegen diese kein triftiger Einwand erheben. Nur ist nicht mit Spurgeon gerade jene Nacht als Entstehungszeit des Psalms anzunehmen, sondern besser der Psalm als "ein Abendlied aus jenen in Gibea (vor der Flucht) verlebten gefahrvollen Tagen" (Delitzsch) anzusehen.
Zuletzt geändert von Jörg am 14.08.2021 08:46, insgesamt 2-mal geändert.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps59

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6. Du, HERR, Gott Zebaoth, Gott Israels,
wache auf und suche heim alle Heiden;
sei der keinem gnädig,
die so verwegene Übeltäter sind. Sela.


Ja Du, HERR, tritt du selber für mich ins Mittel; denn meine Lage erheischt dein unmittelbares Eingreifen. Jehova, du Ewiger, Gott Zebaoth, auf dessen Wink alle Himmelsheere warten, um zu meiner Rettung herbeizueilen. Gott Israels, der du durch deinen Bund verpflichtet bist, deinen unterdrückten Knecht zu befreien, wache auf und suche heim alle Heiden, erwecke deinen heiligen Eifer, erweise deine göttliche Energie, züchtige die Heiden, die sich mitten in Israel befinden, die Falschen, die da sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen mit diesem Bekenntnis. Und bist du einmal daran, die widergöttlichen Menschen heimzusuchen, so lass alle deine Feinde, alle Heiden, die beschnittenen wie die unbeschnittenen, wissen, dass du Gericht hältst. Es ist das Kennzeichen eines mit Nachdenken gesprochenen Gebetes, dass die Namen, die darin Gott beigelegt werden, der Sache, um die es sich handelt, angemessen sind und so der Bitte Nachdruck verleihen. Sollte Jehova dulden, dass sein Volk unterdrückt wird? Sollte der Gott der Heerscharen seine Feinde über seinen Gesalbten triumphieren lassen? Sollte der treue Bundesgott seine Auserwählten elend zugrunde gehen lassen? Der Name des HERRN ist, auch im buchstäblichen Sinn, ein festes Schloss, darin der Gerechte eine sichere Zuflucht findet. Wie stark, ja ungestüm ist die Bitte: Wache auf! Fahr drein, HERR, übe Gericht, züchtige mit Macht! Sei der keinem gnädig, die so verwegene Übeltäter (Grundtext: treulose Verräter) sind. Sei ihnen gnädig als Menschen, aber nicht als Übeltätern; bleiben sie verstockt in ihrer Sünde, so übe keine Nachsicht gegen sie. Drücktest du ein Auge zu gegen die Freveltaten dieser Verräter, so hieße das die Rechtschaffenen in ihrer Gewalt lassen; darum übersieh nicht ihre Missetaten, sondern vergilt ihnen, wie sie es verdienen. Der Psalmdichter fühlt, dass die Verstörung der Unterdrücker und Verräter, welche für ihn selber so notwendig ist, auch für viele andere Gottesfürchtige, die sich in ähnlichen Lagen befinden, gleich wünschenswert sein müsse; darum betet er für das ganze wahre Israel und gegen die ganze Sippschaft der Verräter. Sela. Wer möchte nicht still nachdenken, wenn an den Feinden Gottes Rache geübt wird? Welch verkehrte Gutmütigkeit ist es, wenn man es nicht leiden kann, von Bestrafung der Gottlosen zu hören.

7. Des Abends heulen sie wiederum wie die Hunde
und laufen in der Stadt umher.
8. Siehe, sie plaudern miteinander,
Schwerter sind in ihren Lippen: "Wer sollte es hören?"


7. Des Abends kehren sie wieder. (Wörtl.) Gleich wilden Tieren, die des Nachts umherschweifen, kommen sie allabendlich hervor um Unheil auszuüben. Sie scheuen das Tageslicht, denn sie wissen wohl, dass sie in demselben zuschanden werden würden; darum erwählen sie zur Ausführung ihrer Anschläge die zu ihren dunkeln Plänen besser stimmende Nachtzeit. In der Totenstille der Nacht beabsichtigen sie in das Haus einzubrechen. Heulen wie die Hunde und laufen in der Stadt umher. Voll Beutegier schleichen sie verstohlen in den Gassen einher und stimmen ein unheimliches Geheul an. Die morgenländischen Hunde sind bekanntlich sehr verachtet; sie gehören niemand, sind ganz verwildert, immer hungrig, abschreckend hässlich und ekelhaft schmutzig. Mit diesen Tieren vergleicht David seine Feinde. Sie heulen vor Gier und weil sie die erhoffte Beute nicht finden. Die Häscher Sauls und der grausame König selber müssen fürchterlich gerast haben, als sie anstatt des David das Götzenbild und das Ziegenfell in dem Bett fanden. Umsonst war all ihr Lauern, das Opfer war befreit, und zwar durch die Tochter des Mannes, der sein Blut begehrte. Geht in eure Schlupfwinkel, ihr Hunde, und nagt eure Knochen; denn mit diesem guten Bissen ist es nichts!

8. Siehe, sie geifern mit ihrem Munde. (Grundtext) Die boshaften Reden fließen ihnen aus dem Munde, wie einem tollen Hund der Geifer. Die Gottlosen haben im Verleumden eine merkwürdige Zungenfertigkeit; es fließt ihnen nur so heraus. Ihr Schatz an Schimpfwörtern und Schmähreden, ein Wort garstiger als das andere, ist unerschöpflich. Welche Flut von gehässigen Verwünschungen gießen sie über die Gottesfürchtigen aus! Sie brauchen keine Vorsager; ihre Gefühle machen sich von selber Luft und bilden sich die kräftigen Ausdrücke ohne Mühe. Schwerter sind in ihren Lippen. Sie sprechen Dolche. Ihre Worte stechen wie Schwerter und spalten wie Weidmesser. Wie der Löwe seine Krallen in den sammtweichen Pfoten birgt, so bergen ihre süßen roten Lippen blutige Worte. Denn - "wer hört es?" also denken sie. Nichts hält sie in Schranken; denn Gott im Himmel fürchten sie nicht, und die irdische Obrigkeit haben sie auf ihrer Seite. Wenn Menschen sich niemand gegenüber verantwortlich halten, so ist unberechenbar, was sie alles tun mögen. Wer sich vor Gott nicht fürchtet und sich vor keinem Menschen scheut, geht mit wahrer Lust darauf aus andere zu unterdrücken und schämt sich nicht im Geringsten, von seinen frevelhaften Absichten und Taten in der frechsten und unbarmherzigsten Weise zu reden. David befand sich in einer seltsamen Lage, da er das nichtsnutzige und prahlerische Geschwätz der saulischen Finsterlinge rund um sein Haus her hören musste. Etwa in der Art, wie ein englischer "Cavalier" (Anhänger Karls des Ersten in dem Streit mit dem puritanischen Parlament) einen puritanischen "Rundkopf" (so genannt wegen des rundum kurzgeschorenen Haares) verwünscht haben würde, fluchten die Anhänger Sauls über den Emporkömmling, welchen zu verhaften des Königs Majestät ihnen befohlen hatte. David nannte sie Hunde, und ein nettes Pack waren sie ohne Zweifel. Als sie sprachen: "Wer hört es?", hörte Gott gar wohl; dies wusste David und fasste darum guten Mut.

9. Aber Du, HERR, wirst ihrer lachen und aller Heiden spotten.
10. Vor ihrer Macht halte ich mich zu dir;
denn Gott ist mein Schutz.
11. Gott erzeigt mir reichlich seine Güte;
Gott lässt mich meine Lust sehen an meinen Feinden.


9. Aber Du, HERR, wirst ihrer lachen, oder: lachst ihrer. Er redet mit Gott als mit jemand, der ganz in der Nähe steht. Er weist auf die Laurer und spricht mit Gott über sie. Sie lachen über mich und lechzen nach meinem Verderben; dir steht es aber besser an über sie zu lachen, da du beschlossen hast, sie ohne das ersehnte Opfer und von Michal zum Besten gehalten heimzuschicken. Die mächtigsten, klügsten und boshaftesten Feinde der Gemeinde Gottes sind für den HERRN nur ein Gegenstand des Gelächters; ihre Anschläge sind nichtig, sie brauchen uns, wenn wir auf den HERRN vertrauen, keine Sorge zu bereiten. Und aller Heiden spotten. Es ist, als sagte David: Was sind diese Gesellen, die auf mich lauern, und was der König, der sie gesandt hat, wenn Gott auf meiner Seite ist? Wenn nicht nur dies Gelichter, sondern alle heidnischen Nationen miteinander mein Haus belagerten, so würde Jehova doch mit leichter Mühe alle ihre Anschläge vereiteln und mich aus ihrer Hand befreien. Am Ende aller Dinge wird man es sehen, wie ohnmächtig und verächtlich alle Feinde der Reichssache Gottes sind. Es zeugt aber von kühnem Glaubensmut, dies jetzt schon zu sehen, wo der Feind in voller Macht dasteht und die Gemeinde oft dem in seinem Hause eingeschlossenen und belagerten David gleicht.

10. Vor ihrer Macht halte ich mich zu dir.2 Ist mein Verfolger mächtig? Dann will ich mich gerade um dessentwillen vertrauensvoll zu dir halten und meine Sache in deinen Händen lassen. Was könnten wir Klügeres tun, als in der Größe unserer Schwierigkeiten einen Grund finden, uns auf den HERRN zu werfen?

Je dunkler unser Nächte Graun,
Je drückender der Schmerz,
Um so viel völliger vertraun
Wir auf dein Vaterherz.

Denn Gott ist mein Schutz, wörtl.: meine feste Höhe, meine Burg, mein Zufluchtsort. Ist mir der Feind zu stark, als dass ich es mit ihm aufnehmen dürfte, so ziehe ich mich in meine Feste zurück, wo er mich nicht antasten kann.

11. Mein Gott wird mir mit seiner Gnade entgegenkommen. (Grundtext3 Ich werde meinen Feinden nicht allein entgegentreten müssen, sondern mein Gott wird mir in der Stunde der Not zu Hilfe eilen. Er wird mir mit seiner Gnade, die ich so oft erprobt habe, entgegenkommen, mir den Weg durch die Reihen der Feinde bahnen und mich treulich beschützen. Gott wird mich an meinen Feinden meine Lust sehen lassen. Jetzt schon kann David ohne Zagen auf seine Feinde schauen, und bald wird er sie verwirrt, zerstreut und vernichtet sehen. Richte wie David gläubig deinen Blick auf Gott, so brauchst du dich nicht zu fürchten, sondern kannst triumphieren, ob du dich auch ringsum von Verrätern und Feinden belagert siehst.

Fußnoten
2. Alle alten Übersetzer haben hier yzIi(u gelesen: meine Stärke, und diese Lesart findet sich auch in einigen hebr. Handschriften. Manche Neuere wollen den ganzen Satz mit V. 18 gleichgestalten, also auch hrfmI"za)a statt hrfmo$:)e lesen; umsomehr, als für rm# mit l)e die Bedeutung auf jemand vertrauensvoll achten, welche man hier annehmen müsste, nicht durch eine Belegstelle gesichert ist. (In 1. Samuel 26,15, welche Stelle Delitzsch anführt, heißt es: über jemand wachen, um ihn zu beschützen.) Allerdings haben schon LXX, Hieronymus und das Targ. das hrm#) gelesen; auch kommen bei solchen Kehrversen ja oft kleine Abweichungen vor.

3. Das Ketiv ist nach LXX, Hier. und dem Syrer OdIs:xa yhaÆl)E zu lesen. Das Keri ist wohl aus V. 18 eingedrungen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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12. Erwürge sie nicht, dass es mein Volk nicht vergesse;
zerstreue sie aber mit deiner Macht, Herr, unser Schild, und stoß sie hinunter!
13. Das Wort ihrer Lippen ist eitel Sünde,
darum müssen sie gefangen werden in ihrer Hoffart; denn sie reden eitel Fluchen und Lügen.
14. Vertilge sie ohne alle Gnade; vertilge sie, dass sie nichts seien
und innewerden, dass Gott Herrscher sei in Jakob, in aller Welt. Sela.


12. Erwürge sie nicht, dass es mein Volk nicht vergesse. Es beweist großen Glauben auf Davids Seite, dass er, während sein Haus noch von den Feinden umzingelt ist, ihrer Niederlage so gewiss ist und sich diese so lebhaft vergegenwärtigt, dass er Gott die Bitte vorträgt, seine Verfolger nicht schnell oder zu völlig auszurotten. Gottes Sieg über die List und Grausamkeit der Gottlosen ist so leicht und so glorreich, dass es fast schade zu sein scheint, den Kampf so schnell abgeschlossen zu sehen. Es hieße das großartige Schauspiel der Vergeltung zu plötzlich beendigen, wenn Gott die Ränkeschmiede alle auf einmal hinwegfegte. Nein, lieber lass die Gerechten noch ein wenig länger geplagt werden und die übermütigen Bedrücker noch ein wenig länger prahlen und schnauben; es wird Israel dazu dienen, die Gerechtigkeit Gottes stets im Sinn zu behalten, wenn sich die Gerichte an den Feinden mehr allmählich vollziehen, und es wird die Getreuen, welche es mit dem von Gott beschützten Helden halten, mehr mit Gottes Weise des Eingreifens vertraut machen. Es wäre in der Tat schade, wenn die Rechtschaffenen ohne Lästerer wären, da die Tugend auf dem dunkeln Hintergrunde der Verleumdung nur umso heller erglänzt. Die Feinde helfen Gottes Knechten wach und wacker bleiben. Ein uns hart zusetzender Quälgeist ist weit weniger zu scheuen, als wenn uns ein Geist der Schläfrigkeit und Vergesslichkeit in Schlummer zu wiegen sucht. Zerstreue sie aber, Grundtext: Treibe sie in die Irre, mit deiner Macht. Verstreue sie wie Spreu in alle vier Winde. Lass sie heimatlos umherschweifen, mache sie unstet und flüchtig wie Kain. Setze sie zu lebendigen Denkmalen der göttlichen Macht, zu Wahrzeichen des Ernstes deiner Drohungen. Lass sich deine Gerechtigkeit an ihnen im vollsten Maße erweisen zum warnenden Beispiel für andere. Und stoß sie hinunter von ihrer stolzen Höhe. Von den Sitzen der Macht und aus den einflussreichen Stellungen, die sie innehaben, aber nur zu deren Entehrung und Schändung, lass sie in tiefe Niedrigkeit geschleudert werden. Das ist ein berechtigter Wunsch, und wenn wir an ihm die Sanftmütigkeit Jesu vermissen, so lasst uns bedenken, dass es das Gebet eines rauhen Kriegshelden ist und das Begehren eines Mannes, der unsäglich litt unter Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gewöhnlicher Art. Herr, unser Schild. David wusste sich als Vertreter des wahren Israel, darum sagt er "unser Schild "; er spricht im Namen aller derer, welche Jehova zu ihrer Schutzwehr machen. Wir sind in guter Gesellschaft, wenn wir uns unter dem Schirm des Ewigen bergen. Zudem ist derselbe, welcher der Schild der Seinen ist, auch der Zerstreuer ihrer Feinde.

13. Das Wort ihrer Lippen ist eitel Sünde, darum müssen sie gefangen werden in ihrer Hoffart. Solch schreckliche, gottesleugnerische und übermütige Reden, wie jene sie allezeit im Munde führen, verdienen ihren Lohn. Wie sie ihr Opfer zu fangen hoffen, so müssen sie selber gefangen werden, verstrickt in ihr eigenes Netz, zur Haft gebracht mitten in ihrer prahlerischen Sicherheit. Zungensünden sind wirklich Sünden und strafbare Sünden. Mögen die Menschen nicht denken, dass sie straflos ausgehen werden, weil ihr Hass sich nicht in handgreiflichen Taten, nur in Schimpfreden und Lästerungen äußert. Er, der den Willen für die Tat nimmt, wird auch die Worte für Taten nehmen und mit den Menschen demgemäß handeln. Ruchlose Leute, die mit ihren Reden die Kinder Gottes verfolgen, Schurken, deren Zungen ein Dolch und deren Lippen Feuerbrände sind, werden ihre Sünden geradeso in Gottes Buch verzeichnet finden, als wenn sie mit der Hand den Auserwählten Gottes den mörderischen Dolch ins Herz gestoßen und den Scheiterhaufen für sie angezündet hätten. Hoffart ist Sünde, auch wenn sie sich nicht in Kleidern, sondern nur in Worten und Gebärden zeigt, und der verfolgungssüchtige Übermut wird sich, auch wenn er kein Reisig in Smithfield (einem Marktplatze Londons, wo viele "Ketzer" den Feuertod erlitten haben) aufhäuft, sondern nur mit der Zunge schmäht, deswegen zu verantworten haben mitten unter der Schar der Diener der heiligen Inquisition. Denn sie reden eitel Fluchen und Lügen. Sünden jagen, wie die Hunde, meist in Koppeln. Wer sich nicht scheut, vor Gott zu fluchen, wird sicher gegen die Menschen lügen. Der Hass gegen die Heiligen führt zu Lügen, Fluchen und Schwören. Sie fluchen den Frommen und müssen ihren Hass mit Lügen und Meineiden rechtfertigen. Der HERR aber wird ihnen das nicht durchgehen lassen, sondern ihnen gerechte Vergeltung geben. Wie oft ist es geschehen, dass die Gottlosen von der rächenden Gerechtigkeit ereilt wurden, während ihre hochmütigen und lügnerischen Reden noch in ihrem Munde waren, und sie es so zu ihrem Entsetzen erfahren mussten, wie ihre Flüche auf sie selber zurückfuhren.

14. Vertilge sie ohne alle Gnade. Es ist, als hätte der Dichter bei dem erneuten Überdenken des schändlichen Treibens der Frevler seinen Sinn geändert; er bittet jetzt, dass Gott diesen doch ein jähes Ende bereiten möge. Vertilge (sie) im Grimm, bittet er (Grundtext), und er wiederholt den dringenden Ruf: vertilge (sie); ja er verstärkt abermals seine Bitte, indem er hinzufügt: dass sie nicht mehr seien. (Grundtext) Gotteslästerer, deren Mund solchen Schmutz ausschäumt, solch niederträchtige Reden, wie sie David bei dieser Gelegenheit mit eigenen Ohren zu hören gezwungen war, sind für gottgeheiligte Seelen unerträglich; es kann nicht anders sein, als dass die Entrüstung in ihnen aufflammt und sie wider jene zu Gott rufen. Wenn Menschen für ihre Zeitgenossen und für den Ort, da sie leben, ein Fluch sind, führt schon die allgemeine Menschenliebe die Gerechten zu dem Wunsch, dass solche hinweggeräumt werden möchten. Könnte man sie bessern, so wäre das ja weit vorzuziehen; aber ist das unmöglich, müssen und wollen sie fortfahren, wie tolle Hunde in der Stadt Unheil anzurichten, dann mach es ein Ende mit ihnen, o Gott! Wer könnte wünschen, ein solches Geschlecht erhalten zu sehen? Damit man4 innewerde, dass Gott Herrscher sei in Jakob bis an die Enden der Erde. (Grundtext) Gottes Herrschaft umfasst die ganze Welt, aber seinen Thron hat er mitten unter seinen Auserwählten aufgerichtet; da ist sein Hauptquartier, von da aus ergehen seine Gerichte über die Sünde. David wünschte, dass alle Welt dies erkenne. Lass, o Gott, auch die entferntesten Nationen innewerden, dass du, der gerechte Herrscher, Macht hast, die Gottlosigkeit zu züchtigen, und dass du das Unrecht bei keinem Menschen, zu keiner Zeit und an keinem Orte übersiehst. Es ist eine schätzenswerte Lektion für die ganze Menschheit, wenn je und je die Sünde öffentlich vor aller Welt gezüchtigt wird. Der Sturz eines Napoleon ist eine gewaltige Predigt für alle Monarchen, das Ende eines Voltaire eine Warnung für alle Ungläubigen, die Belagerung von Paris mit ihren Schrecken und Gräueln ein Mahnruf an alle Städte. Sela. So ernste Themata wollen mit tiefem Ernst überdacht sein. Lieber Leser, halt einen Augenblick inne und sinne still über Gottes heiliges Walten nach.

15. Des Abends heulen sie wiederum wie die Hunde
und laufen in der Stadt umher.
16. Sie laufen hin und her um Speise
und murren, wenn sie nicht satt werden.


15. Des Abends kehren sie wieder, heulen wie die Hunde und laufen in der Stadt umher. (Grundtext) Hier wiederholt der Dichter den siebenten Vers, als ob er damit seinen Feinden Hohn sprechen wollte und sich an dem Gedanken an ihre vergebliche Haussuchung, ihre enttäuschte Bosheit, ihre überlistete Wachsamkeit und all ihre verlorene Mühe ergötzte. Er lacht, indem er daran denkt, wie die ganze Stadt es erfahren werde, wie sie getäuscht worden sind, und wie man sich in ganz Israel die köstliche Geschichte von dem Götzenbild und dem Ziegenfell, das die Häscher statt des David im Bett gefunden, erzählen werde. Nichts dünkte einen Orientalen ergötzlicher als solch ein Fall von Überlistung der Listigen; und nichts macht einen Mann mehr zum Gegenstand des Spottes, als wenn er von einem Weibe zum besten gehalten wird, wie hier Saul und seine erbärmlichen Höflinge von Michal. Der kriegerische Dichter hört mit seinem inneren Ohr das Wutgeheul der Feinde ob der schmachvollen Entdeckung, dass ihr Opfer ihren Händen so geschickt entronnen ist.

16. Sie laufen hin und her nach Speise und murren,5 wenn sie nicht satt werden. Wie Hunde, denen der erhoffte gute Bissen entgangen ist, laufen sie zähnefletschend hin und her; ihre Enttäuschung ist zu groß, als dass sie still sein und ihren Grimm verbeißen könnten. Auch können sie es noch gar nicht glauben, dass sie auf ihr Opfer wirklich verzichten müssen; gleich einem Rudel orientalischer Hunde streifen sie umher, die Beute suchend, die sie doch nicht finden werden. "Es kann nicht sein," sprechen sie, "wir werden ihn doch noch kriegen. Vielleicht ist er dort in jener Ecke, oder er hat sich da und da in jenem Schlupfwinkel verborgen. Wir müssen ihn haben um jeden Preis. Das Leben ist uns verleidet, solange er sich seines Lebens freut. Wir lechzen nach seinem Blut, und mag er stecken, wo er will, wir werden ihn zu finden wissen." Aber all ihre Hoffnung, ihre eigene und ihres Herrn Bosheit zu befriedigen, ist eitel. Sieh, wie unruhig die Gottlosen sind; diese ihre Ruhelosigkeit nimmt zu in dem Verhältnis, wie sich ihre Feindschaft wider Gott steigert, und in der Hölle wird sie ihre endlose Qual sein. Was ist der Zustand der Verlorenen anders als derjenige einer Rotte von Rebellen, die eine gänzlich hoffnungslose Sache unternommen haben und doch nicht davon lassen wollen, sondern durch ihre rasenden Leidenschaften gezwungen werden, sich in ohnmächtigem Wüten wider Gott, wider die Wahrheit und wider Gottes Volk zu verzehren?

Fußnoten
4. Oder (Luther und andere): und dass sie (die Frevler) innewerden etc. Der Schluss des Verses: bis an die Enden der Erde lässt sich auf die Ausdehnung der Herrschaft Gottes beziehen oder aber mit innewerden verbinden.

5. Luther und die engl. Bibel, wie auch manche neuere Ausleger, folgen den LXX, welche goggu/sousin übersetzen und demnach WnylIiYawa gelesen haben werden. Der masoretische Text bedeutet: und sie übernachten.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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17. Ich aber will von deiner Macht singen
und des Morgens rühmen deine Güte;denn du bist mein Schutz und Zuflucht in meiner Not.
18. Ich will dir, mein Hort, lobsingen;
denn du, Gott, bist mein Schutz und mein gnädiger Gott.


17. Ich aber will von deiner Macht singen. Die Gottlosen heulen, ich aber singe und will singen für und für. (Der Grundtext betont das Sie V. 16 und das Ich V. 17; diese bilden demnach einen Gegensatz.) Ihre Macht ist nichts als Ohnmacht, aber deine Macht ist die Allmacht; schon sehe ich sie vernichtet, sehe den herrlichen Triumph deiner Macht, und darum will ich ewig dich preisen. Und am Morgen über deine Gnade jubeln. (Wörtl.) Wenn jene Finsterlinge merken müssen, dass ihr Spiel zu Ende ist, und wenn ihr nächtliches Geheul verstummt ist, dann will ich meine Stimme laut erheben und ohne Furcht, darin gestört zu werden, Gottes Güte rühmen. Welch ein herrlicher Morgen wird bald für die Gerechten anbrechen, und welch jubelnden Gesang werden sie dann anstimmen! Ihr Kinder des Lichtes möget am Abend weinen, aber auf den Schwingen der Morgenröte wird die Freude zu euch eilen. Stimmt eure Harfen schon jetzt, denn bald wird das Zeichen zum Beginn des ewigen Lobliedes gegeben werden; der Morgen kommt, und dann wird eure Sonne nie mehr untergehen ewiglich. Dass du mir eine Burg gewesen bist und Zuflucht zur Zeit meiner Not. (Wörtl.) Das Loblied gilt Gott allein, und es ist solcher Art, dass niemand es singen kann außer solchen, die die Freundlichkeit Gottes als ihres Bundesgottes in der Not erfahren haben. Bei dem Rückblick auf eine Vergangenheit, die der Güte Gottes überströmend voll ist, werden die Heiligen von ganzem Herzen und aus allem Vermögen den HERRN preisen und ihn als ihre sichere Zuflucht rühmen. Je größer unsere gegenwärtigen Nöte sind, desto lauter werden in der Zukunft unsere Lobgesänge ertönen, desto brünstiger wird unser froher Dank sein. Hätten wir keine Zeit der Not, wo bliebe die Zeit dankbaren Rückblicks? Dass David von Sauls Bluthunden umstellt war, schuf eine neue Gelegenheit für Gottes Eingreifen und damit einen neuen Anlass zu frohlockendem Preise.

18. Meine Stärke, von dir will ich lobsingen. (Grundtext) Welche Begeisterung sehen wir hier an David; wie drängen alle seine Gemütsbewegungen auf das eine Ziel hin Gott zu preisen! Stärke ist durch Stärke überwunden worden; nicht durch des Helden eigne Tapferkeit, sondern durch Gottes Macht allein. Sieh, wie der Sänger sich mit der Allmacht Gottes gürtet und sie im Glauben ganz sein Eigen nennt: meine Stärke. Lieblich ist die Musik der Erfahrung; aber ihre Töne erklingen alle Gott zu Ehren, es bleibt auch nicht ein verlorenes Nötlein übrig für des Menschen Ehre, weder für uns selbst noch für irdische Helfer. Denn Gott ist meine Burg, mein gnädiger Gott. (Grundtext) Mit voller Gewissheit des Glaubens erhebt der Sänger Anspruch auf den Unendlichen als auf seinen Schirmherrn, seine sichere Zuflucht. Er sieht Gott in allem, und alles ist im Glauben sein. Die Gnade erhebt sich vor ihm groß und herrlich, denn er fühlt, wie alles unverdiente Güte ist, und unanfechtbare Sicherheit umgibt ihn, denn in Gottes Schutz weiß er sich unbedingt geborgen. O welch herrlich Lied! Meine Seele möchte es jetzt anstimmen, allen Mächten der Hölle zum Trotz! Hinweg mit euch, ihr alle, die ihr meiner Seele nach dem Leben trachtet; mein gnadenreicher Gott wird euch im Schach halten, er wird es weder Mensch noch Teufel zulassen, eins der Seinen zu verderben, die Er erhalten will!

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Um diese Zeit wurde David vom heiligen Geist getrieben, einen Psalmen zu schreiben, der, wie viele andere, als ein lauteres Wort Gottes der Bibel einverleibt wurde. Ob David schon vorher Psalmen gemacht habe, kann man weder sicher bejahen noch verneinen. Nun lege man aber das Unglück und das Glück Davids in zwei Waagschalen. Ein Hofmann und Offizier, der bei dem König in Ungnade gefallen, den der König mit einem unversöhnlichen Grimm zu töten sucht, den die Hofleute und viele andere, um dem König zu gefallen, schmähen und verfolgen, ein Mann, der fliehen muss, der bei Mangel und Ungemach überall sich verbergen muss, der oft keinen Platz auf Erden finden kann, wo er sein Haupt sicher hinlegen könnte, ein solcher Mann kann wohl von Unglück sagen und ist auf dieser Seite eine elende Person. Stellt man sich aber vor, dass Gott die Seele dieses Mannes in seinen tiefsten Nöten gnädiger Heimsuchungen würdige, sie über alle Nebel und Wolken gleichsam erhebe, ihr die hellsten Einsichten in die Wahrheit verleihe, sie durch unbetrügliche Ansprachen und freundliche Tröstungen erquicke und durch sie alle Geschlechter der Menschen zur Seligkeit unterweise, so wird man ja bekennen müssen, da das Glück dieses Mannes größer sei als sein Unglück, dass seine Ehre größer sei als seine Schmach und dass sein Gutes allen Mangel, den er äußerlich leiden muss, überschwenglich ersetze. David erkannte solches selbst, weswegen er in seinen letzten Worten sich seiner Psalmen mit Wonne und Dank erinnerte, 2. Samuel 23,1-3. Hat es nun mit dem Glück Davids in seinen tiefsten Nöten diese Bewandtnis gehabt: welch einen unendlichen Überschwang bekommt dasselbe nicht vor unseren Augen, wenn wir seine Errettung aus allen Nöten, die er Ps. 18 rühmt, und endlich sein herrliches Los in der seligen Ewigkeit dazunehmen! Nun, auf gleiche Weise dürfen wir von allen Kindern und Knechten Gottes urteilen, ob sie schon keine Psalmen dichten können, ob sie schon keine Propheten sind und keine Könige werden. Auch das gewöhnliche Maß der Gnaden und Gaben überwiegt alles Unglück, welches den äußerlichen Menschen betreffen kann, überschwenglich. Prälat M. Fr. Roos 1773.

V. 4. Zu dem Ausdruck: Sie stellen nach meiner Seele, vergleiche man 1. Samuel 19,11: Und Michal, sein Weib, sprach zu David: Wenn du deine Seele nicht rettest diese Nacht, so wirst du morgen getötet. Vergl. auch Ps. 7,3.6. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

V. 4 f. Ohne Verschuldung von meiner Seite. Gegen Saul war er ein treuer Untertan und ein gehorsamer Schwiegersohn. Benjamin Boothroyd † 1836.

Nicht vor Gott, wohl aber gegenüber seinen Verfolgern weiß er sich schuldlos, und dies macht er geltend. Man merke erstens: Ihre Unschuld schützt die Frommen nicht vor der Bosheit der Gottlosen. Sie, die harmlos sind wie Tauben, werden doch um Christi willen von allen Menschen gehasst, als ob sie schädlich wären wie giftige Schlangen und darum ihre Ausrottung ein nützliches Werk wäre. Zweitens: Wiewohl unsere Schuldlosigkeit uns nicht vor Trübsalen schützt, wird sie uns in diesen doch ein mächtiger Halt und Trost sein. Das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir uns wohl verhalten haben gegen diejenigen, welche sich gegen uns schlecht betragen, wird uns in der bösen Zeit eine mächtige Freudenquelle sein. Sind wir uns unserer Unschuld bewusst, so dürfen wir uns mit demütiger Zuversicht an Gott wenden und ihn bitten, unsere Sache in seine Hand zu nehmen und uns Recht zu schaffen. Und das wird er tun zur rechten Stunde. Matthew Henry † 1714.

V. 5. Sie laufen, d. i. sie rennen heran wie bewaffnete Krieger zum Angriff. Vergl. Ps. 18,30: Mit dir kann ich Kriegsvolk anrennen. Das folgende Wort (und bereiten sich) heißt auch: sich in Positur setzen, festen Stand fassen, sich zum Angriff bereit machen, wie ein Heer, das eine Stadt belagert. A. R. Fausset 1866.

Der Eifer und die Emsigkeit der Gottlosen in der Ungerechtigkeit sind wohl dazu angetan, den Frommen ein stiller Vorwurf zu sein für ihre Trägheit und Saumseligkeit in dem Werk des Glaubens und der Arbeit der Liebe. Nichts ist so sehr eine Quelle des Unheils für die Gemeinde des Herrn wie der Mangel an wahrem Eifer und feuriger Begeisterung. William Swan Plumer 1867.

Erwache. Der Hüter Israels schläft freilich nicht, das weiß auch der Glaube. Aber wenn Gott in die schweren Umstände, die in der Welt über die Seinigen ergehen, nicht gleich seine schwere Hand schlägt, sondern es dem Teufel und seiner Werkzeuge Neid überlässt, so scheint das uns ein Schlaf, und der Glaube schreit: Erwache! begegne! und siehe darein! Karl Heinrich Rieger † 1791.

Indem er sagt: siehe, mischt er die Empfindung des Fleisches unter die Lehre des Glaubens. Denn als ob Gott mit verschlossenen Augen bis auf jenen Tag alles Unrecht übersehen hätte, bittet er ihn, dass er jetzt anfange zu sehen: dies nach der Schwachheit des menschlichen Gemüts. Unterdessen erkennt er, indem er Gott das Sehen beilegt, dass nichts seiner Vorsehung verborgen ist. Jean Calvin † 1564.

V. 6. Jehova, Elohim, Zebaoth, wie in Ps. 80,5.20; 84,9. Vergl. dagegen 2. Samuel 5,10; 1. Könige 19,10.14; Ps. 89,9. William Kay 1871.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 7.15. Des Abends kehren sie wieder und heulen wie die Hunde. Den Lärm, den ich da hörte, werde ich nie vergessen. Selbst wenn man sich vorstellte, dass all die Schäferhunde, die an einem Markttag auf dem Wege nach Smithfield sind, unaufhörlich zu bellen anhielten und den sämtlichen auf allen Karren ganz Londons kläffenden Kötern gegenübergestellt würden, so wäre das doch immer noch ein ganz schwacher Vergleich. Die ganze Stadt erscholl von einem ungeheuren Aufruhr - unter mir in Tophana, gegenüber in Stambul, fern in Skutari; die sämtlichen sechstausend Hunde, die angeblich in Konstantinopel umherschweifen, schienen miteinander im Kampf zu liegen auf Leben und Tod, ohne einen Augenblick Unterbrechung. Das Kläffen, Bellen, Heulen, Knurren und Fletschen verschmolz in einen ununterbrochen anhaltenden, gleichmäßigen Lärm, etwa wie der freilich viel schwächere Lärm der Frösche, wenn man ihn aus der Ferne hört. Stundenlang dauerte dies an. Ich sank endlich für eine Weile in Schlaf; aber als ich wieder erwachte, hörte ich durch die offenen Fenster noch den gleichen Tumult fortdauern. Erst als der Tag anbrach, wurde die Ruhe einigermaßen wiederhergestellt. Albert Smith 1850.

Man stelle sich einen der morgenländischen Heiligen so abgebildet vor, dass seine Füße auf einem Hunde ruhen, gleichwie auf dem bekannten Bilde Wilhelm der Schweiger, der heldenhafte Prinz von Oranien, auf dem treuen Wachtelhund ruht, der ihm bei dem nächtlichen Angriff der spanischen Truppen das Leben rettete, oder wie so mancher andere Ritter des Mittelalters dargestellt ist. Ein solches Bild wäre für die Augen eines Orientalen die größte Entweihung, welche ein Feind einem geweihten Gebäude zufügen könnte! Und wie verächtlich und auf unsre Hunde ganz und gar nicht anwendbar sind die Ausdrücke mit denen die Bibel die Hunde und ihre Gewohnheiten beschreibt. Welch ein Gegensatz zwischen diesen wilden, unreinen, meisterlosen Tieren und der gesetzten, würdevollen Art eines Neufundländers, dem scharfsinnigen, lebhaften Gesichtsausdruck eines Dachshundes, dem aufmerksam treuen Auge eines Wachtelhundes! Aber hier in Tyrus, wie in den meisten Städten des Morgenlandes, drängen sich uns die bekannten Schilderungen der Bibel in ihrer ganzen Kraft und Naturwahrheit auf. Auf die wolfähnlichen, allezeit hungrigen, herrenlosen Hunde, welche "in der Stadt umherschweifen", wie z. B. in Alexandrien, sich wie die Schakale in Rudeln zusammenrotten, allen Unrat verzehren und "knurren, wenn sie nicht satt werden", oder auf die ausgehungerten Scheusale, die, wie z. B. die Hunde von Tyrus, "draußen" (Off. 22,15) als Verbannte umherirren, auf sie passen genau die Schilderungen der Schrift, welche wir auf unsere Hunde, diese treuen und nützlichen Freunde des Menschen, anzuwenden uns mit Recht weigern. Wanderungen durch die Länder der Bibel 1862.

V. 8. Sie geifern, oder auch sie sprudeln aus: wie eine Quelle Wasser aussprudelt, so stoßen sie Schmähungen, Drohungen, vermessene Reden (vergl. Ps. 94,4 Grundtext) in Fülle aus, vergl. auch Spr. 15,2.28; Jer. 6,7. Ihre innere Bosheit schäumt über. Die Feinde Davids drohten mit prahlerischem Übermut und frecher Bosheit, was sie ihm tun wollten, wenn sie ihn fänden; so sprudelten und schäumten auch die Feinde Christi ihre lästerlichen Anklagen gegen den Herrn aus. John Gill † 1771.

V. 9. Gott sieht mit vornehmem Lächeln auf diese zwerghaften Riesen, die sich gebärden, als könnten sie bis an den Himmel langen. Er macht sich ihretwegen keine Sorge; so sollten denn auch wir uns nicht über sie aufregen, sondern auf den Allmächtigen trauen, der ihrer Ohnmacht spottet, und uns dabei beruhigen, dass im Himmel ein Ratschluss feststeht, der all die irdenen Gebilde der menschlichen Ratschläge zermalmen wird, wie in Nebukadnezars Gesicht der ohne Hände herabgerissene Stein die vier Weltreiche zertrümmerte. Je frecher und schändlicher die Gottlosen wider die Heiligen wüten, desto besser für diese; denn dadurch wird der Untergang jener beschleunigt: Gott wird desto schneller eingreifen. Abraham Wright 1661.

V. 10. Halte ich mich zu dir, wörtl.: ich achte auf dich, vergl. das gleiche Wort der Überschrift im Grundtext: und sie das Haus bewachten. Ebenso unverwandt, wie sie ihre Blicke auf das Haus richteten, um ihn zu töten, richtete David seinen Blick auf Gott. A. R. Fausset 1866.

V. 11. Gott erzeigt mir reichlich seine Güte. Im Grundtext ist es gar nachdrücklich gegeben: Gottes feine Gnade kommt mir zuvor, oder wie es andere lesen: Mein barmherziger Gott kommt mir zuvor, wie denn Augustinus aus diesem Text die vorlaufende Gnade Gottes herrlich behauptet hat, wie die nachfolgende aus Ps. 23,6. Johann David Frisch 1719.

V. 12. Erwürge sie nicht: nicht auf einmal mit dem ersten Streich, wie Pharao, der im Roten Meer ersoff, wie die Leute zu Sodom, die plötzlich mit Feuer vom Himmel vertilgt worden, wie die Rotte Korah, Dathan und Abiram, die unversehens von der Erde verschlungen worden sind. Johann David Frisch 1719.

Erwürge sie nicht, damit sich durch das Anschauen des über ihnen fort und fort waltenden Gerichts der Glaube anderer stärke. Man kann vergleichen, was Plutarch von den Spartanern erzählt, dass diese nämlich eine benachbarte Stadt, welche ihren Heeren oft zu schaffen machte, nicht hätten zerstören wollen, indem sie gesagt hätten: Zertrümmert nicht den Wetzstein unserer jungen Mannschaft! Andrew A. Bonar 1859.

Die Feinde sollen nicht weniger, wie in ihrem eigenen plötzlichen Untergange (V. 14), auch in dem bleibenden Elende ihres Geschlechtes (V. 12) zum Denkmale der göttlichen Gerechtigkeit dienen. Parallel ist die Verwünschung, welche David über Joab ausspricht in 2. Samuel 3,29, dann die Drohung des Gottesmannes an Eli in 1. Samuel 2,36. Die christliche Auslegung hat von jeher darauf aufmerksam gemacht, dass der Inhalt unseres Verses wie der von V. 7. 15 an den Juden in Erfüllung gegangen sei. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

Aus dem in diesem Psalmvers angegebenen Grunde haben Bernhardus (von Clairvaux) u. a. die Juden im Lande und bei Leben zu lassen geraten. Johann David Frisch 1719.

Erwürge sie nicht, zerstreue sie aber. Es scheint eine Anspielung auf die Strafe Kains vorzuliegen. Vergl. 1. Mose 4,14, wo die gleichen Zeitwörter vorkommen. Giovanni Diodati † 1649.

Treib sie in die Irre durch dein Heer (Grundtext): durch dein Engelheer (vergl. Joel 2,25); nicht allgemein: Stärke, wofür lyixa nicht gebräuchlich ist. Lic. Hans Keßler 1899.

Stoß sie hinunter. Er will, dass sie von ihrem ehrenvollen Sitz herabgezogen, gleichsam vor die Füße geworfen werden, so dass sie in ihrem Elend und Schimpf ein beständiges Schauspiel des göttlichen Zorns gewähren. Jean Calvin † 1564.

V. 13. Gleichwie Rauch vor dem Feuer hergeht, also gehen Lügen und Lästerungen her vor öffentlichen Verfolgungen. Johann Arnd † 1621.

Die Redensart Wort der Lippen wird oft gebraucht von leerem und prahlerischem Geschwätz. Den Gegensatz bilden gediegene, auf Tatsachen gegründete Worte. Vergl. 2. Könige 18,20: Du sprichst, aber es ist nur ein Wort der Lippen. Spr. 14,23: Alle saure Arbeit schafft Gewinn; aber Wort der Lippen, d. h. bloßes Geschwätz, führt nur zum Mangel. Herm. Venema † 1787.

V. 14. Vertilge sie. Ich höre von traurigen Dingen, die in Polen geschehen, von niedergebrannten Dörfern, von friedlichen Männern, die zu Hunderten nach Sibirien verschickt werden, von Frauen, die mit der Knute gestäupt werden; und wenn ich mich auf den Warschauer Marktplatz versetze, wo eine Frau fast völlig nackt öffentlich durchgepeitscht wird, und wenn ich sehe, wie der grausame Murawjew (der Unterdrücker des Aufstands 1863-65) dazu lächelt, dass dem armen Opfer das Blut von den Schultern strömt, so fühle ich mich, ich will es nicht leugnen, versucht zu sagen: "Wohl dem Mann, dessen Kugel in ehrlichem Kampfe diesen Sattel seines Reiters entledigen würde!" Bin ich darum blutdürstig? Bin ich rachsüchtig? Verurteilst du mich, weil solche Gefühle in mir aufsteigen? R. A. Bertram 1867.

V. 16. Diejenigen, welche in der Trübsal zur Reue über ihre Sünden kommen, klagen wie die Tauben (Jes. 59,11); deren Herz aber in der Trübsal verhärtet wird, die murren wie die Hunde. Matthew Henry † 1714.

V. 15-17. Wir wollen uns den Gegensatz nicht entgehen lassen zwischen dem elenden Zustand der Gottlosen, dessen Schilderung mit dem betonten Sie (Anfang von V. 16) anhebt, und dem Glück des Sängers, das sich uns in V. 17, ebenfalls mit betontem Ich, darstellt; ferner zwischen dem Abend V. 15 und dem Morgen V. 17 als den Zeiten des Unglücks und der Freude: endlich zwischen dem hundeähnlichen Geheul der Gottlosen V. 15 und dem Singen und Jubeln Davids. Herm. Venema † 1787.

Den Feinden teilt der Sänger den Abend und die Nacht zu, weil ihr Los ein Nachtstück, er selbst aber singt am Morgen Gottes Lob, weil sein Schicksal ein Morgen ist. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

V. 17. Er will singen von Gottes Macht, aber jubeln über Gottes Gnade. Humphrey Sydenham 1637.

V. 18. Mein Hort, mein Schutz, mein gnädiger Gott. Vor tausend Jahren lebte Ambrosius Ansbertus (882). In seinen Bekenntnissen findet sich wohl siebenzehnmal der Schluss: "Mein Gott, mein Herr: Vater, von dem alles ist, mein Gott bist du; Sohn, durch den alles ist, mein Gott bist du; Heiliger Geist, in dem alles ist, mein Gott bist du," und Luther schrieb nach diesen Worten:

Christus in aeternum tutor meus atque redemtor,
In morte et vita sorsque salusque mea:
Hunc timeo, veneror, super omnia diligo solum,
Huic soli fido, hic spes mea solus erit, d. i.:

Christus ist in Ewigkeit mein Schirmer und Erlöser,
Im Leben und im Tod mein Teil und mein Heil.
Ihn fürchte ich, verehre ich, ihn nur liebe ich über alles;
Ihm nur vertraue ich, er allein soll meine Hoffnung sein.

R. Bakius 1664, zitiert von Rudolf Kögel 1895.

Gott meiner Gnade. (Wörtl.) Dieser Name scheint mir dreierlei zu sagen: 1) Alle Gnade, die Gott in seinem Wesen besitzt, ist für seine Heiligen da: seine vergebende, belebende, stärkende, tröstende und bewahrende Gnade. 2) Für jedes Gotteskind ist in Gottes Ratschluss gleichsam ein Teil der göttlichen Gnade aufgespeichert, den es sein eigen nennen kann. Das ist, wie manche meinen, der Sinn des Wortes Christi an Paulus 2. Kor. 12,9: Meine Gnade ist dir genug, d. h.: Du wirst die Gnade, die ich dir bestimmt, dir als dein Teil zugemessen habe, für dich völlig genügend finden. 3) Die Worte mögen uns auch andeuten, dass Gott es auf sich genommen habe, dies bestimmte Teil seiner Gnade für sein Volk zu verwalten und zu bewahren. Jeder Gläubige darf sich zu Gott wenden als zu dem Gott jeder Gnade, die er bedarf. John Hill † 1746.

Homiletische Winke

V. 2. Errette mich aus der Anfechtung, schütze mich in der Anfechtung. Unsere Feinde sind Welt, Fleisch, Teufel und Sünde. Wir können ihnen nicht in eigner Kraft und Klugheit entrinnen; aber der HERR vermag uns durch seine Vorsehung und seine Gnade zu befreien.
V. 3. Errette mich von den Übeltätern, dass ich nicht durch ihre Versprechungen verlockt, durch ihre Drohungen eingeschüchtert, durch ihre Lehre verderbt, durch ihr Beispiel beeinflusst, durch ihre Verleumdungen geschädigt, durch ihren Widerstand im Guten gehindert werde.
V. 4a. Des bösen Feindes Hinterhalt, entdeckt durch Wachsamkeit, zunichte gemacht durch den Glauben.
V. 5a. Die Emsigkeit der Bösen ein Vorwurf für die Frommen. 1) Ihre Regsamkeit: sie laufen; 2) ihre Einmütigkeit: sie laufen; 3) ihre Sorgfalt: bereiten sich; 4) ihre Kampfbegier: ohne meine Schuld - ohne dass ich ihnen einen Anlass gebe mich anzugreifen.
V. 6. Jehova, Elohim, (Gott) Zebaoth. Diese Gottesnamen geben reichen Stoff für eine Predigt.
V. 11. Gott kommt mir mit seiner Gnade entgegen. (Grundtext) Wie bereit Gott ist zu retten und zu segnen.
V. 14. Gott, der Gott seines Volks; sein Walten als solcher ist zu erkennen in der ganzen Geschichte der Menschheit.
V. 17. Der gottbegeisterte Sänger. 1) Sein Gesang ist lieblich - im Gegensatz zu den Lästerungen anderer: Ich aber. 2) Dieser Gesang singt von etwas, das manchem Menschen schrecklich ist: von deiner Macht. 3) Er wird zum Jubel über das Köstlichste, was es für den Menschen gibt: und jubeln über deine Gnade. 4) Er hat seine Lieblingszeiten: des Morgens. 5) Die Erfahrung gibt ihm den rechten vollen Klang: dass du mir eine Burg gewesen usw. 6) Er ertönt ganz zu Gottes Ehre: deine Macht, deine Gnade, du bist usw.
V. 18. 1) Eine Wahrheit: Gott ist der Seinen Stärke. 2) Aneignung dieser Wahrheit: meine Stärke. 3) Folge: Loblied der Dankbarkeit für die Vergangenheit, Glaube für die Gegenwart, Hoffnung für die Zukunft.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 60 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Von der Rose des Zeugnisses, Grundtext: Nach "Lilie des Zeugnisses". Wahrscheinlich Angabe der Melodie, nach welcher der Psalm gesungen werden sollte, vielleicht der gleichen, welche bei Ps. 45 noch kürzer bezeichnet ist. Ein gülden Kleinod Davids, zu lehren. David schrieb die Führungen des HERRN nieder, damit die kommenden Geschlechter darin unterwiesen würden. Solch goldene Geheimnisse sollen von den Dächern gepredigt werden. Die Vorgänge, auf welche der Psalm hinweist, waren nicht im Winkel geschehen und sollten darum auch nicht in der Stille begraben werden und der Vergessenheit anheimfallen. Wir aber wollen mit Freuden Schüler der alten Gottesmänner Israels werden. Da er gestritten hatte mit den Syrern zu Mesopotamien und mit den Syrern zu Zoba. Die vereinigten syrischen Stämme suchten Israel zu unterjochen, erlitten aber eine gänzliche Niederlage. Da Joab umkehrte. Während dieser mächtige Feldherr dort im fernen Nordosten kämpfte, benutzten andere Feinde die Gelegenheit, in Israel einzufallen; als Joab aber mit Abisai herbeieilte, mussten jene ihren Übermut teuer bezahlen. Und schlug der Edomiter im Salztal zwölftausend. Nach 2. Samuel 8,13 und der Parallele 1. Chr. 18,12 sind noch mehr gefallen; unsere Stelle hält vielleicht die Erinnerung an einen denkwürdigen Vorgang in jenem Kampfe fest. Schrecklich muss die Schlacht gewesen sein; aber ihr Ergebnis war auch von entscheidender Bedeutung: die Macht des Feindes war völlig gebrochen. Wohl durfte David dem HERRN dafür einen Psalm dichten.

Einteilung

Das Lied besteht aus drei Teilen. Die ersten Verse, 3-5, sind klagend, die mittleren, 6-10, atmen freudige Zuversicht, die Schlussverse, 11-14, sind betender Art.

Auslegung

3. Gott, der du uns verstoßen und zerstreuet hast
und zornig warest, tröste uns wieder.
4. Der du die Erde beweget und zerrissen hast,
heile ihre Brüche, die so zerschellet ist.
5. Denn du hast deinem Volk ein Hartes erzeigt;
du hast uns einen Trunk Weins gegeben, dass wir taumelten.


3. Als Saul König wurde, war Israel sehr heruntergekommen; während seiner Regierung hatte es unter inneren Streitigkeiten zu leiden, und seine Herrschaft endete mit dem entsetzlichen Unglück auf dem Gebirge Gilboa. So hatte David einen wankenden Thron bestiegen; er musste mit zwei Übeln zugleich ringen, mit der Parteiung im Innern und mit feindlichen Einfällen von außen. Er begnügte sich aber nicht damit, die Übelstände in ihren äußeren Erscheinungen zu bekämpfen, sondern ging ihnen nach bis auf den tiefsten Grund und griff sie an der Wurzel an. Seine Politik war die der Frömmigkeit, und diese hat sich stets als die klügste und tiefblickendste bewiesen. Er wusste, dass das Missfallen Gottes das Unglück über sein Volk gebracht hatte, und machte sich mit Eifer und ernstem Gebet daran, den göttlichen Unwillen abzuwenden. Gott, der du uns verstoßen hast. Du hast uns von deinem Angesicht getan, wie man etwas Garstiges und Schädliches auf die Seite stößt, hast uns wie gemeines Gesindel behandelt, das man mit Verachtung meidet, hast uns dem Verderben preisgegeben, wie man nutzlose tote Äste von dem Baume absägt, da sie ihn nur verunstalten. Von Gott verstoßen zu werden ist das größte Unglück, das einem Einzelnen oder einem Volke widerfahren kann; das Schlimmste aber ist, wenn der Betreffende es selbst nicht merkt oder dagegen gleichgültig ist. Wirkt solch herbe Züchtigung hingegen Trauer und Reue, so lässt auch Gott sich des Übels reuen und verkürzt es. Wenn eine verstoßene Seele nach ihrem Gott seufzt, so ist sie in Wahrheit überhaupt nicht eigentlich verworfen. Und zerstreuet. David erkennt die Folgen des göttlichen Zorns sehr wohl; dass die tapferen Krieger hatten fliehen müssen, dass des Volkes Macht gebrochen und Israel innerlich so zersplittert war - in dem allen sieht er die Hand Gottes. Wer auch das Werkzeug gewesen sein mochte, das diese Unglücksfälle über sie hereingeführt hatte, er erkennt die Hand des HERRN als die erste bewegende Ursache und fleht darum zu Gott. Warum gleicht Israel einer Stadt, in deren Mauern eine Bresche geschossen ist? Weil Gott über sein Volk zornig ist. Wir werden diese ersten beiden Verse ohne Zweifel richtig auffassen, wenn wir sagen, dass das in ihnen ausgesprochene demütigende Bekenntnis wesentlich dazu gedient habe, in David den Glauben zu stärken, der in den folgenden Versen so triumphierend zum Ausdruck kommt, nachdem Gott sich wieder in Gnaden seinem Volke zugewandt hatte. Und zornig warest. Dies ist das Geheimnis unseres mannigfachen Elends. Hätten wir dir wohlgefallen, so hättest du uns wohlgetan; weil wir aber dir entgegenwandelten, so wandtest du dich auch gegen uns. Tröste uns wieder.1 Vergib uns unsre Sünde und lass uns wieder dein Angesicht leuchten! Kehre uns zu dir, kehre dich zu uns! Früher waren deine Augen freundlich auf dein Volk gerichtet; lass es dir gefallen, wieder in Gnade und Huld auf uns zu blicken! Notwendiger als die Tapferkeit des jüdischen Heeres und die strategische Weisheit seines Anführers Joab war, dass Gott sich wieder seinem Volke zuwende. Gottes Huld ist eine bessere Hilfe als starke Bataillone, und Gottes Zorn ist schrecklicher als alle Edomiter, die je ins Salztal zogen, schrecklicher als alle Teufel, welche je die Gemeinde Gottes bedrängt haben. Wenn der HERR sich zu uns hält, was kümmern wir uns dann um die Syrer von Mesopotamien und die Syrer von Zoba, was um Tod und Hölle? Entzieht er uns aber seine Gegenwart, so zittern wir vor fallendem Laub.

4. Der du die Erde2 beweget (erschüttert) hast. Die Zustände waren so unsicher geworden, als ob der Erdboden wankte. Nichts stand mehr fest. Die Priester waren von Saul ermordet worden, die schlechtesten Leute hatten die höchsten Ämter inne, die kriegerische Kraft des Volkes war durch die Philister gebrochen und die bürgerliche Autorität durch Aufruhr und Bürgerkrieg erschüttert. Und zerrissen hast. Bei starkem Erdbeben kracht die Erde und bekommt klaffende Risse; ebenso war das Reich zerrissen durch Zwietracht und Unglück. Heile ihre Brüche, wie man die gefährlichen Risse ausmauert, die ein Gebäude beim Erdbeben bekommen hat. Die so zerschellet ist, Grundtext: denn sie schwankt. Das Reich wankt, als ob es dem Fall nahe wäre. Wenn es nicht bald gestützt und ausgebessert wird, muss es völlig in Verfall geraten. Israel war so weit herabgekommen, dass nur Gottes Dazwischentreten es vor vollständigem Untergang bewahren konnte. - Wie oft haben wir auch Gemeinden in solchem Zustand gesehen, und wie passend ist in solchen Fällen das vorliegende Gebet, welches Gott die äußerste Not als Beweggrund zum Helfen vorhält. Das gleiche mag zuzeiten von unserm persönlichen inneren Leben gesagt werden können; dieses wird manchmal so tief erschüttert, dass es, wie ein Gebäude nach heftigem Erdbeben, nahe daran ist, krachend zusammenzubrechen; niemand anders als der HERR selbst kann seine Brüche heilen und uns vor dem Äußersten bewahren.

5. Denn du hast deinem Volk ein Hartes erzeigt. Nöte aller Art waren über sie hereingebrochen, und der Psalmist geht diesen schweren Verhängnissen bis zu ihrem Ursprung nach. Nichts war ein Werk des Zufalls, sondern alles war nach göttlichem Plan und mit guter Absicht so geleitet worden; trotz alledem aber war es Israel hart angekommen. Dabei erhebt jedoch der Psalmist ausdrücklich darauf Anspruch, dass sie noch immer des HERRN Volk seien, obwohl er V. 3 gesagt hatte: "Du hast uns verstoßen." Wenn wir am Klagen sind, sprechen wir meist verwirrt, und der Glaube widerspricht dann oft sehr bald den Verzweiflungsausbrüchen der Natur. Du hast uns einen Trunk Weins gegeben, dass wir taumelten. Unsere Trübsale haben uns so zugesetzt, dass es uns geht wie manchen Leuten mit recht starkem Wein. Wir sind verwirrt und betäubt, machen unsichere Tritte, taumeln hin und her und straucheln, um demnächst zu fallen. Der große Arzt gibt seinen Patienten kräftige Tränklein, um sie von ihren vielen tiefen Schäden zu heilen. Auffallende Übel ziehen auch auffallende Folgen nach sich. Die Trauben aus dem Weinberg der Sünde liefern einen Wein, vor dem auch den verhärtetsten Sündern graut, wenn Gott sie in seiner Gerechtigkeit zwingt, den Becher auszutrinken. Gibt es doch ein Feuerwasser der Seelenangst, das auch für die Gerechten zu einem Taumeltrank wird, der sie mit schrecklicher Sorge und wahrer Todesangst erfüllt. Wenn wir uns an den Kummer gewöhnen müssen als an den täglichen Trank, wenn er an die Stelle unserer Freuden tritt und unser einziges Labsal wird, dann sind wir in der Tat in trauriger Lage.

Fußnoten
1. Luthers Übers. ergänzt "Wn#"p:na, vergl.
Ps. 23,3. Spurgeons Bemerkungen knüpfen an die engl. Übers. an: Kehre dich wieder zu uns. (Targum: Kehre zu uns zurück.) Die meisten übersetzen: Mögest du (optativisches Imperf.) uns wiederherstellen, vergl. Jes. 58,12, oder noch wörtlicher: Mögest du uns (l:) Wiederherstellung gewähren.

2. Andere nehmen das Wort in seinem engeren Sinn: das Land.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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6. Du hast aber doch ein Panier gegeben denen, die dich fürchten,
welches sie aufwarfen, und sie sicher machte. Sela.
7. Auf dass deine Lieben erledigt werden,
hilf mit deiner Rechten und erhöre uns.
8. Gott redete in seinem Heiligtum,
des bin ich froh und will teilen Sichem und abmessen das Tal Sukkoth.
9. Gilead ist mein, mein ist Manasse;
Ephraim ist die Macht meines Haupts, Juda ist mein Zepter.
10. Moab ist mein Waschbecken,
meinen Schuh strecke ich über Edom, Philistäa jauchzet mir zu.


6. Hier wechselt die Tonart. Der HERR hat seine Knechte wieder zu sich gerufen, hat sie aufs Neue in Pflicht und Dienst genommen und mit einem Banner belehnt, das sie in seinen Kriegen tragen sollen. Du hast ein Panier gegeben denen, die dich fürchten. (Grundtext) In Not und Elend hatten sie wieder Gott fürchten gelernt und waren dadurch für seine Gnade empfänglich geworden; so gab er ihnen ein Feldzeichen als Sammelpunkt für ihre Heere als Zeichen, dass Er sie in den Kampf gesandt, und als Gewähr des Sieges. In der Regel werden die Tapfersten mit der Fahne betraut, und sicher haben die, welche Gott fürchten, weniger Menschenfurcht als sonst irgendjemand. Uns hat der HERR das Panier des Evangeliums gegeben; wir wollen es unser Leben lang emporhalten und, wenn es sein muss, über seiner Verteidigung sterben. Unser Recht, für Gottes Sache zu kämpfen und mit gutem Grund auf Erfolg zu warten, ruht darauf, dass der HERR selbst das Panier des Glaubens ein für allemal seinen Heiligen übergeben hat. Es zu erheben um der Wahrheit willen. (Andere Übers.3 Die Fahnen sind für Wind, Sonnenschein und Schlachtgewühl bestimmt; solange sie zusammengerollt in der Ecke stehen, stiften sie keinen Nutzen. Israel durfte mutig auftreten, denn ein heiliges Banner ward hoch vor ihm her getragen. Das Evangelium auszubreiten ist heilige Pflicht, sich desselben zu schämen eine Todsünde. Für den Triumph von Davids Heer hatte Gott sein Wort verpfändet, der Sieg war ihm verheißen. So dürfen auch wir in der Verkündigung des Evangeliums keine Zurückhaltung, kein Zaudern aufkommen lassen; denn so gewiss Gott wahrhaftig ist, wird er seinem eigenen Wort Erfolg geben. Um der Wahrheit willen und weil der allein wahre Gott auf unserer Seite ist, wollen wir in den Kämpfen unserer Tage Davids Kriegern nacheifern, unser Banner mit freudigem Vertrauen entfalten und im Winde flattern lassen. Dunkle Anzeichen gegenwärtiger oder kommender Übel sollen uns nicht entmutigen. Wenn Gott die Absicht hätte, uns zu verderben, so würde er uns nicht das Evangelium gegeben haben. Da er in Jesus Christus sich selbst uns geoffenbart hat, ist uns der Sieg verbürgt. Magna est veritas et praevalebit. Sela. In der Tatsache, dass den Heeren Israels ein göttliches Panier gegeben ist, liegt so viel Hoffnung und Verpflichtung, dass hier passend eine Pause eingefügt ist. Der Inhalt rechtfertigt sie und die freudig aufrauschende Musik fordert sie.

7. Auf dass deine Lieben erledigt werden. David war des HERRN Liebling; schon sein Name weist darauf hin, denn David heißt Geliebter. Nach der Wahl der Gnade gab es in Israel einen heiligen Rest solcher Geliebten Gottes; um ihretwillen wirkte der HERR große Wunder, ja bei allen seinen mächtigen Taten war sein Blick auf sie gerichtet. Gottes Geliebte sind der verborgene Same, um derentwillen er die ganze Nation bewahrte, welche diesem Träger des Lebenskeims nur als Hülse diente. Der Hauptzweck der Vorsehung ist: "dass deine Lieben erledigt werden"; wäre es nicht um ihretwillen, so würde Gott weder ein Panier verleihen, noch demselben Sieg geben. Hilf mit deiner Rechten und erhöre uns. Hilf sogleich, ehe mein4 Gebet zu Ende ist; wir sind hoffnungslos verloren, wenn du nicht sofort eingreifst. Darum warte nicht, bis ich mit meinen Bitten zu Ende bin; hilf zuerst und höre mich dann in Gnaden weiter an. Unsere Erlösung muss hervorragender, wahrhaft königlicher Art sein, wie sie nur die Allmacht Gottes, verbunden mit seiner erhabenen Weisheit, bewirken kann. Drückende Not treibt die Menschen zu kühnen und dringenden Bitten, wie wir hier sehen. Im Glauben dürfen wir bitten und erwarten, dass, wenn wir gar zu Ende sind, Gott anhebt; unsre Verlegenheiten sind Gottes Gelegenheiten. Gottes Hand kann noch mit außergewöhnlichen und denkwürdigen Erlösungstaten eingreifen, wenn das Schlimmste schon über uns hereinbricht. Hier bittet einer für viele, ähnlich wie unser Herr Jesus für die Seinen eintritt. Er, der rechte David, d. i. der Liebling Gottes, bittet für die übrigen Geliebten, die geliebt und angenehm gemacht sind in ihm, dem Erstgeliebten. Ihn verlangt so ernstlich nach Hilfe, als ob er für sich selbst bäte; sein Blick geht aber immer auf alle diejenigen, welche mit ihm der Liebe des Vaters teilhaftig sind. Wenn zur Rettung der Auserwählten das Dazwischentreten Gottes nötig wird, so muss und wird er eingreifen; denn die Ehre Gottes und das Heil seiner Erwählten sind der Hauptzweck der Vorsehung. Dies ist eine feststehende Bestimmung, der Hauptpunkt des unveränderlichen Vorsatzes, der innerste Gedanke des unwandelbaren Jehova.

8. Gott redete in seinem Heiligtum, oder nach anderer Auffassung: Gott hat geredet (geschworen, 89,36) bei seiner Heiligkeit. Nie ist der Glaube so wohlgemut, als wenn er sich auf Gottes Verheißung berufen kann. Er hält diese allen Entmutigungen gegenüber fest. Mögen die äußeren Umstände auch eine andere Sprache reden, die Stimme des treuen Gottes bringt alle Angst und Furcht zum Schweigen. Gott hatte Israel den Sieg und David den Thron verheißen, und seine Heiligkeit verbürgte die Erfüllung der Bundespflichten, die Gott sich selbst auferlegt hatte. Deshalb redet der König voller Zuversicht. Das gute Land war durch die Abraham gegebene Verheißung den Stämmen Israels zugesichert worden, und dieses göttliche Gnadengeschenk war für den Glauben eine mehr als genügende Bürgschaft dafür, dass Israels Waffen in den Schlachten siegreich sein würden. Gläubiger Christ, mach denn auch du guten Gebrauch von Gottes Zusagen und verbanne alle Zweifel, wo dir noch Verheißungen gelten. Des bin ich froh, oder: Ich will frohlocken. Der Glaube betrachtet die Verheißung nicht als Einbildung, sondern als eine Tatsache, die ihm Freuden zu genießen gibt und mit der er den Sieg ergreift. "Gott hat geredet, des bin ich froh": das ist fürwahr ein gutes Losungswort für jeden Streiter Jesu Christi. Und will teilen Sichem. Als Sieger wollte David das eroberte Gebiet an die austeilen, denen Gott es durchs Los gegeben hatte. Sichem war ein wichtiger Teil des Landes, war ihm aber bisher noch nicht untergeben. [?] Er glaubte aber, dass es mit Jehovas Hilfe sein werden würde und daher in Wahrheit schon sein Eigentum sei. Der Glaube teilt im Voraus die Beute aus; er ist dessen so gewiss, was Gott zugesagt hat, dass er sofort darüber verfügt. Und abmessen das Tal Sukkoth. Wie der Westen soll auch der Osten (es ist das im Ostjordanland gelegene Sukkoth gemeint, vergl. 1. Mose 33,17; Richter 8,4 ff.) an die rechtmäßigen Eigentümer ausgeteilt werden. Die Feinde sollen vertrieben und die Marksteine friedlicher Eigentumsverhältnisse gesetzt werden. Wo Jakob sein Zelt aufgeschlagen hatte (vergl. 1. Mose 33,17 f.), da sollten seine Erben den Boden bebauen. Wenn der HERR sein göttliches "Soll" gesprochen hat, ist unser "Ich will" kein eitles Rühmen, sondern die rechte Antwort auf seinen Befehl. Auf, du gläubige Seele, nimm Besitz von den Bundesgnaden, teile Sichem und miss ab das Tal Sukkoth. Lass keine Kanaaniter, keine Zweifel und falschgesetzlichen Bedenken dich vom Erbteil der Gnade ausschließen. Bring dein Leben auf die Höhe deiner Vorrechte und nimm das Gute in Besitz, das Gott für dich bereitet hat!

9. Gilead ist mein, mein ist Manasse. Er erhebt Anspruch auf das ganze Land zufolge der göttlichen Verheißung. Hier führt er zwei andere große Teile des Landes an; es bereitet ihm offenbar Vergnügen, das gute Land zu überschauen, das der HERR ihm gegeben hat. Alles ist unser, sei es Gegenwärtiges oder Zukünftiges. Es ist kein kleines Erbteil, das dem Gläubigen gehört; deshalb soll er auch nicht gering davon denken. Kein Feind soll imstande sein, dem wahren Glauben das vorzuenthalten, was Gott ihm gegeben hat; denn die Gnade stärkt ihn, es vom Feind zu erkämpfen. Das Leben ist mein, der Tod ist mein, denn Christus ist mein. Ephraim ist die Macht (die Schutzwehr, der Helm) meines Haupts. Die ganze Heeresmacht dieses tapferen Stammes stand unter seinem Oberbefehl; dafür preist David den HERRN. Gott will zur Erfüllung seiner Zwecke alle Tapferkeit der Menschen seinem Willen dienstbar machen. Seine Gemeinde kann ausrufen: Aller Heere Helden sind mein. Gott wird alles, was Menschen unternehmen, überwachen und zur Förderung seiner Sache dienen lassen. Juda ist mein Zepter. Wie Ephraim den Mittelpunkt seiner militärischen Machtstellung bildete, so Juda das Muster der bürgerlichen Ordnung. Da der König diesem Stamm angehörte, gab er seine Gesetze aus dessen Mitte. Wir kennen in geistlichen Dingen kein anderes Zepter als das des Königs aus dem Stamme Juda. Allen Ansprüchen, die Rom oder Oxford5 oder menschliche Konzilien erheben, schenken wir keine Beachtung. Wir sind frei von jedem andern geistlichen Zepter, außer dem Zepter Christi; aber mit Freuden leisten wir dem Stab des Herrschers Gehorsam, der aus Juda hervorgegangen ist (1. Mose 49,10).

10. Nachdem er mit Befriedigung im eigenen Lande Umschau gehalten, blickt der Heldenkönig nun mit Jauchzen über Israels Grenzen hinaus. Moab, in früheren Zeiten ein so unangenehmer Nachbar, ist jetzt mein Waschbecken, die Schüssel, in welche das Wasser fällt, wenn es aus einem Krug über meine Füße gegossen wird - nichts als ein Gefäß für das schmutzige Wasser, in dem ich meine Füße gewaschen habe. Einst verführte es Israel nach dem Rat Bileams, des Sohnes Beors; künftig soll es nicht mehr imstande sein, solche Gemeinheit zu verüben: es wird nur noch ein Waschbecken sein für diejenigen, welche es früher zu beschmutzen suchte. Indem wir an den Gottlosen sehen, welches Elend Frucht und Strafe der Sünde ist, müssen sie den Heiligen zu ihrer Reinigung beitragen. Das geschieht freilich ganz wider ihren Willen und ist auch gegen die natürliche Ordnung der Dinge; aber der Glaube findet Honig im Löwen, und ihm muss das schmutzige Moab als Waschbecken Dienst leisten. In der ganzen Art, wie David von Israels Feinden redet, tritt uns eine vornehme Geringschätzung dieser entgegen, die nicht aus dem Hochmut, sondern aus der Siegesgewissheit des Glaubens hervorgeht und der rechten Nachahmung wert ist. Meinen Schuh werfe ich auf Edom. (Grundtext) Er wollte die Herrschaft über die hochmütigen Nachkommen Esaus so leicht erlangen wie man seinen Schuh vom Fuß schleudert. Vielleicht bedeutete das Werfen des Schuhes, wie im Mittelalter das Hinwerfen des Handschuhs, eine Herausforderung an sie, ob sie es versuchen wollten, ihm seine Herrschaft streitig zu machen. Er brauchte nicht einmal sein Schwert zu ziehen, um seinen jetzt gelähmten und verzweifelnden Widersacher zu schlagen; denn wenn dieser es wagen wollte sich aufzulehnen, brauchte er nur seinen Pantoffel nach ihm zu werfen, um ihn zum Zittern zu bringen.6 Wir werden leicht Sieger, wenn uns die Allmacht anführt. Die Tage werden kommen, wo die Gemeinde Christi mit der gleichen Leichtigkeit China und Afrika dem Zepter des Sohnes Davids untertan machen wird. So kann auch der einzelne Gläubige durch den Glauben über alle Schwierigkeiten triumphieren und herrschen mit dem, der uns Gott zu Königen und Priestern gemacht hat. "Sie haben ihn überwunden durch das Blut des Lammes", das soll einst noch von allen gesagt werden, welche auf Jesu Macht vertrauen. Philistäa jauchzet mir zu.7 Es ist mir so unterworfen, dass es meinen Siegen über andere Feinde zujauchzt. Nach dem Grundtext sind die Worte aber wohl eher eine höhnische Herausforderung: Philistäa, jauchze über mich - wenn du kannst! O stolzes Philistäa, wo ist dein Prahlen? Wo sind nun deine hochmütigen Blicke, wo die stolzen Eroberungen, die du plantest? In gleicher Weise können wir dem letzten Feind trotzen: "Tod, wo ist dein Stachel? Grab, wo ist dein Sieg?" So völlig hoffnungslos steht die Sache des Feindes, wenn der HERR zur Schlacht auszieht, dass auch die geringe Tochter Zion ihr Haupt über den Feind schütteln und ihn verlachen kann. O wie köstlich ist solches Rühmen des Glaubens! Es ist kein Körnlein eiteln Ruhms dabei. Wenn der HERR uns eine Verheißung gibt, wollen wir nicht träge sein, uns ihrer zu freuen und zu rühmen.

Fußnoten
3. +$eq nehmen manche alte und neue Übersetzer gleich +:$:q Spr. 22,21 als Wahrheit (eigentl. Härte, Festigkeit, woraus sich Luthers Übersetzung erklärt). ss"Ont:hil: (wie sn" Panier von) übersetzt die engl. Bibel transitiv: es (das Panier) zu erheben; es kann jedoch nur reflexiv gefasst werden: sich zu erheben.
Für yn"pI:mi in der Bedeutung in Rücksicht auf, um - willen beruft man sich auf 5. Mose 28,20; Neh. 5,15. Also: sich zu erheben um der Wahrheit willen. Andere nehmen aber mit einigen alten Übersetzern +:$eq als aramäische Form für t$eqe Bogen, leiten ss"Ont:hi von sWn fliehen ab und fassen die Stelle sarkastisch auf: sich zu flüchten vor dem Bogen.

4. Die engl. Bibel folgt dem Keri: erhöre mich. Dies ist aber wohl aus Ps. 108,7 eingedrungen.

5. Oxford ist eine Hauptfeste der Wissenschaft und ist je und je ein Ausgangspunkt tiefgreifender religiöser Bewegungen (sehr verschiedener Richtung) gewesen. Wir erinnern an Namen wie Wiclif, Wesley, Pusey, Pearsall Smith.

6. Meist erklärt man jetzt wie Delitzsch: "Das Werfen des Schuhes auf ein Landesgebiet ist Zeichen der Besitzergreifung, so wie Ausziehen des Schuhes Zeichen der Rechtsentsagung: der Schuh ist beide Mal Symbol des rechtlichen Besitzes." Vergl. Ruth 4,7. Luthers Übers. erinnert (wie das Targum) an den andern Brauch, den unterjochten Feinden den Fuß auf den Nacken zu setzen.

7. Der vorliegende Text wird entweder ironisch aufgefasst: Philistäa, jauchze über mich (vergl. Spurgeon hernach), oder man übersetzt (vergl. Jes. 15,4) Schreie, Philistäa, über mich auf. (Anders Ps. 108,10: Über Philistäa jauchze ich.)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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11. Wer will mich führen in eine feste Stadt?
Wer geleitet mich bis nach Edom?
12. Wirst Du es nicht tun, Gott, der du uns verstößest
und zeuchst nicht aus, Gott, mit unserm Heer?
13. Schaff uns Beistand in der Not;
denn Menschenhilfe ist nichts nütze.
14. Mit Gott wollen wir Taten tun.
Er wird unsre Feinde untertreten.


11. Die Festungen im Innern Edoms waren bis dahin noch nicht unterworfen. Die eindringenden edomitischen Horden waren im Salztal geschlagen worden; David beabsichtigte aber, seinen Eroberungszug bis nach Sela oder Petra, der für unbezwingbar geltenden Felsenstadt, fortzusetzen. (Vergl. 2. Könige 14,7.) Wer will mich führen in eine feste Stadt? Petra war ganz und gar unzugänglich; daher die Frage Davids. Wenn wir große Erfolge gehabt haben, muss uns das zu größeren Anstrengungen ermutigen, darf uns aber durchaus nicht zum Selbstvertrauen verleiten. Am Ende eines Feldzugs müssen wir genau so zu dem Starken um Hilfe aufschauen wie am Anfang desselben. Wer geleitet8 mich bis nach Edom? Hoch oben, den Sternen nahe, stand die Felsenstadt; Gott aber war imstande, seinen Knecht dorthin zu geleiten. Keine Hohen der Gnade sind zu hoch für uns, wenn der HERR uns führt; hüten müssen wir uns jedoch vor hohen Dingen, die wir im Selbstvertrauen unternehmen! Excelsior ist ein trefflicher Wahlspruch; wir müssen aber zu dem Höchsten aufblicken, dass Er uns dahin bringe. Joab konnte seinen König nicht nach Edom führen. Die Veteranen der Schlacht im Salztal konnten den Durchgang durch den Engpass nicht erzwingen; dennoch sollte er versucht werden, und David blickte zum HERRN um Hilfe. Es sind noch heidnische Nationen da, die dem Kreuze untertan werden sollen; die Siebenhügelstadt muss noch das Evangelium hören, das Wort vom Kreuz auch in den Ländern Mohammeds erschallen. Wer wird der Gemeinde Christi die Macht dazu verleihen? Die Antwort brauchen wir nicht fern zu suchen.

12. Wirst Du es nicht tun, Gott, der du uns verstößest?9 Ja, der Gott, der uns gezüchtigt hat, ist unsre einzige Hoffnung. Er hat uns noch immer lieb. Auf einen kleinen Augenblick nur hat er uns verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit sammelt er sein Volk. Seine Hand ist mächtig, zu verwunden, aber auch mächtig, zu heilen. Indem er uns erfahren ließ, was für arme Geschöpfe wir ohne ihn sind, zeigte er uns, wie notwendig wir ihn brauchen; nun will er uns auch seine Hilfe in herrlicher Weise offenbaren, indem er große Unternehmungen zu einem glorreichen Ende führt. Und zeuchst nicht aus, Gott, mit unserm Heer? Eben an dich, o Gott, klammert sich unser Glaube. Ob du uns auch schlägst, so trauen wir doch auf dich und schauen nach deiner gnadenreichen Hilfe aus.

13. Schaff uns Beistand in der Not.10 Hilf uns in all unserm Unglück, dass wir über den Bürgerkrieg und die fremden Einfälle Herr werden; bewahre uns vor ferneren Überfällen äußerer Feinde und verhindere du neue Parteiungen innerhalb unserer Grenzen. Verleihe uns dazu deinen Beistand; denn Menschenhilfe ist nichts nütze. Wir haben es aufs schmerzlichste erfahren müssen, wie völlig verlassen der ist, der auf Heere, Könige oder Völker seine Zuversicht setzt und nicht auf dich. Unsere in den Kot getretenen Fahnen haben uns gezeigt, wie schwach wir ohne dich sind; aber jenes Banner, das uns jetzt hoch in den Lüften voranzieht, soll Zeuge unsrer Tapferkeit werden, nun du uns zu Hilfe gekommen bist. Wie gut passt dieser Vers zu den Erfahrungen des vielgeprüften Volkes Gottes!

14. Mit Gott wollen wir Taten tun. Von Gott kommt alle Kraft, und jedes Gelingen ist sein Werk; dennoch haben wir, als Soldaten des großen Königs, zu kämpfen, ja tapfer zu kämpfen. Gottes Wirken ist kein Freibrief für die menschliche Trägheit, vielmehr der beste Ansporn zu mutiger und energischer Arbeit. Ist uns in der Vergangenheit geholfen worden, so wird uns auch künftig Hilfe zuteilwerden. In dieser Überzeugung wollen wir entschieden unseren Mann stehen! Er wird unsre Feinde untertreten. Von ihm kommt die Kraft, sein sei die Ehre! Wie die Ochsen das Stroh auf der Tenne unter ihren Füßen zerstampfen, so wollen wir unsre Feinde zertreten; es wird aber eigentlich sein Fuß sein, der sie niederhält. Christen haben allen Grund, einen solchen mutigen Entschluss zu fassen, wie den in der ersten Hälfte dieses Verses: Wir wollen Taten tun. Wir wollen uns unsrer Farben nicht schämen aus Furcht vor unseren Feinden oder aus Angst für unsre Sache. Der HERR ist mit uns, seine Allmacht stützt uns, und wir wollen nicht zaudern; wir dürfen keine Feiglinge sein. O dass unser König, der wahre David, bald komme, die Erde ihm untertan zu machen; denn des HERRN ist das Königreich, und er ist Gebieter unter den Völkern.

Erläuterungen und Kernworte

Zur Überschrift. Die Vergleichung mit dem Inhalt des Psalms macht Schwierigkeiten. Nach dieser Einleitung erwarten wir freudigen Dank für geschenkten Sieg; David bricht aber zunächst in Jammer und bittere Klagen aus und fängt erst V. 5 an, zuversichtlicher und froher zu werden. Die beste Erklärung dieses scheinbaren Widerspruchs ist wohl, dass der Verfasser sich nicht auf die Ereignisse beschränkt, welche die Überschrift namhaft macht, vielmehr einen größeren Zeitraum ins Auge fasst und von dem traurigen Zustand ausgeht, worin sich Israel viele Jahre befunden hatte. Am Ende der Regierung Sauls erlangten die Philister mehr und mehr die Übermacht über Saul und vernichteten ihn schließlich mitsamt seinem Heer. Die Bürgerkriege zwischen dem Hause Sauls und den Anhängern Davids hielten dann das Land lange in Aufregung. Die umliegenden Völker aber waren den Juden von jeher feind und ergriffen jede Gelegenheit, ihnen Schaden zuzufügen. Als es aber David gelungen war, das ganze Volk unter seiner Herrschaft zu vereinigen, machte er sich daran, jene Angriffe der Philister, Edomiter, Moabiter und Syrer zu rächen, und es gefiel Gott, seine Unternehmungen mit Erfolg zu krönen. Alles dies scheint David nun in diesem Psalm zusammengefasst zu haben. William Walford 1837.

Zu lehren: nämlich nicht sowohl ein Lehrpsalm, dem Inhalt nach, als der fleißigen Einschärfung nach, dass er nicht vergessen werde. Die Gelegenheit ist hier ausgedrückt. Friedr. Chr. Oetinger 1775.

Da er gestritten hatte. Den Anlass zu diesem Krieg gab die Schändung von Gesandten Davids durch Hanun, den König der Ammoniter. (Vergl. 2. Samuel 10) Hanun erhielt zur Verstärkung seines Heeres Söldner von Syrien. Der Sieg Joabs und Abisais, der Feldherren Davids, über die Ammoniter und ihre syrischen Hilfstruppen veranlasste ein Bündnis aller Stämme zwischen Jordan und Euphrat gegen David. Dieser marschierte aber ohne Furcht gegen sie, besiegte alle Feinde und machte sich so zum Herrn über die aramäischen Königreiche von Damaskus, Zoba und Hamath, unterwarf auch die östlichen Edomiter. Diese erlitten im Salztal ihre endgültige Niederlage. Lenormant und Chevallier 1869.

Das Salztal kann nicht wohl ein anderes gewesen sein, als das an den Salzberg (den ganz aus Steinsalz bestehenden Dschebel Usdum) anstoßende G’hor, südlich von dem Toten Meer, welches in der Tat die alten Gebiete von Juda und Edom trennt. Edward Robinson † 1864.

V. 4. Heile ihre Brüche. Das äußere Israel, das Reich Davids, hatte solche Brüche; so mag es auch mit dem geistlichen Israel, dem Reiche Christi, der Kirche Gottes auf Erden, sein. Brüche von außen und von innen, offene Verfolgungen, innere Spaltungen. Unter beiden hat die Kirche aller Zeiten zu leiden. Blicken wir nur auf die ersten Zeiten, während der Jugendzeit der Gemeinde, wo sie ja noch am gesundesten war und sich einer größeren Einigkeit erfreute als je nachher; und doch, wie wurde sie schon damals nicht nur von äußeren Verfolgungen, sondern auch von inneren Spaltungen erschüttert! John Brinsley † 1665.

V. 5. Du hast deinem Volk ein Hartes erzeigt usw. Wie wunderlich und hart hat Gott von Zeit zu Zeit mit den Menschenkindern, auch mit seinem Volk, umgehen müssen wegen ihres harten Unglaubens und Ungehorsams! Wie waren der Zeiten der Erquickung immer so wenige gegen die Zeiten der Heimsuchung durch innerlichen und äußerlichen Druck! Was hat es denen, die den HERRN fürchten, für manchen Kampf verursachen müssen! Wie treu aber ist Gott, dass er ihnen zum Besten immer etwas zu ihrem Halt aufgeworfen, daraus sie merken konnten, Gott habe seinen Bund nicht verlassen, noch geändert, was aus seinem Munde gegangen, sondern werde es nach diesen gerichtlichen Umwegen wieder aufs Geleise der Gnade hinüberlenken. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Gott wird sicherlich seinen eigenen Acker pflügen, was immer aus der Wüste werde, und seinen eigenen Garten jäten, wenn er auch die übrige Welt verwildern ließe. John Trapp † 1669.

Du hast uns Taumel trinken lassen als Wein, d. h. wie man Wein trinkt. So erklärt Hupfeld den Satzbau mit Hinweisung auf Ps. 80,6: "Du hast sie als Brot Weinen essen lassen," und 1. Könige 22,27: "Gebt ihm als Brot Drangsal und als Wasser Drangsal zu genießen", und ähnliche Stellen. Allein die Beifügung kann auch anders erklärt werden, so dass das zweite Hauptwort das erste näher bestimmt: Du hast uns Wein zu trinken gegeben, welcher (nicht Wein, sondern) Betörung ist. J. J. Stewart Perowne 1864.

Einen verwandten Gedanken drückt das Sprichwort aus: Quem Deus perdere vult, eum dementat - wen Gott verderben will, dem nimmt er die Besinnung. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Wenn ein Mensch ohne alle Gottesfurcht, ohne Demut, ohne Gebet, aus lauter Hoffart, Übermut, Ehrgeiz etwas vornimmt, so ist ihm ein solcher Übermut und starke Einbildung eigener Weisheit wie ein starker Wein, der sein Gemüt überwindet, dass er gleichsam davon trunken wird und tollet immer fort, hat eitel Recht in seinem Kopfe, wie die Trunkenen, bis die Strafe kommt. Dann bedenken sie erst, wie unweislich und töricht sie getan haben. Johann Arnd † 1621.

Fußnoten
8. Der vorliegende Text heißt: Wer hat mich geleitet usw. Es wird ein y nach ymi ausgefallen, also ynix"n:ya zu lesen sein. (Olsh.)

9. Dieser naheliegenden Fassung steht das Fehlen der Relativpartikel r#) entgegen. Daher ist zu übersetzen: Hast nicht du, Gott, uns verstoßen, und ziehst nicht aus usw.

10. Grundtext: vor dem Dränger.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 6. Solange die Krieger ihre Fahne flattern sehen, scharen sie sich mutig darum. Wenn sie aber zu Boden fällt oder in die Hände des Feindes gerät, sinkt ihr Mut und ihre Hoffnung. Ein Panier, das schon in vielen Schlachten siegreich getragen worden ist, flößt den Kriegern Zuversicht und ein Gefühl der Sicherheit ein und ist im Gewühl der Schlacht ein Sammelpunkt für alle, die unter demselben fechten. A. R. Fausset 1866.

Das Panier ist erstens Zeichen und Mittel der Vereinigung. Dein Volk, das noch kürzlich in verschiedene Fähnlein zerteilt war, hast du nun zu einem großen Heerbann unter meiner Führung vereinigt. Zweitens ist es Zeichen des Kampfes. Du hast uns eine Heeresmacht gegeben, unseren Feinden entgegenzutreten. Drittens ist es Zeichen des Sieges. Wir haben unser Banner nicht verloren, vielmehr dasjenige unsrer Feinde erobert und im Triumph heimgebracht. (Vergl. Ps. 20, 6.) Mt. Polus † 1679.

Das "Zeichen" (wie Luther übersetzt) ist im neuen Testament Christus Jesus, unser Herr, und unser Glaube an ihn. Streiten wir unter diesem Fähnlein, so haben wir den Sieg. Johann Arnd † 1621.

V. 7. Deine Lieben. Im Hebräischen steht ein Wort, das einen Besonders- oder Innig-Geliebten meint und eine ungemeine Zärtlichkeit in der Liebe ausdrückt. Solche zärtliche Liebe trug Gott gegen dem jüdischen Volk 5. Mose 4,37; 7,7.8; 10,15; vergl. Ps. 147,19.20. Johann David Frisch 1719.

V. 8. Die ersten Worte bedeuten entweder: Gott gab sein Wort vom himmlischen Heiligtum, der Stätte seiner Heiligkeit und Herrlichkeit, oder: Er hat es gesprochen in seiner Heiligkeit, also gewiss und wahrhaftig zugesagt, in seinem Wort ist nichts als Heiligkeit (und Heiligkeit ist ja die wahre Kraft der Worte). Nachdem dem David dieses Verheißungswort geworden ist, glaubt er zuversichtlich, dass sich ihm, gerade wie ihm Sichem, Sukkoth, Gilead, Manasse, Ephraim und Juda willig Gehorsam leisteten, so auch Moab, Edom und Philistäa, seine geschworenen Feinde, unterwerfen würden. Er erwartet, dass er sie besiegen und als Sklaven zu den geringsten Diensten verwenden werde. Weil Gott es geboten hat, sagt er, wird es geschehen, ja ist es schon geschehen! Joseph Caryl † 1673.

O dass wir doch die Klugheit lernten, nach Gott zu fragen oder Gottes Tun herauszusuchen aus so vielem Schutt menschlicher Umstände, die Gottes Hand verdecken und das Vertrauen auf fleischlichen Arm leiten wollen. Gott so fragen, wie David in allen Umständen getan, und auf dessen Reden im Heiligtum merken, würde einen dazu fördern. Je weniger einer Wort Gottes in sich wohnend hat, je mehr wird er noch in Furcht oder Vertrauen von menschlichem Geschwätz umgetrieben. Wie hängt das Herz in Kriegszeiten oft mehr in Zeitungsblättern als an dem, was Gott im Heiligtum redet! Karl Heinrich Rieger † 1791.

V. 9. Gilead ist mein, mein ist Manasse. Das heißt, ich will über sie herrschen, nicht wie ein Eroberer über Leibeigene, sondern als milder König und Vater. Sie sind mein Volk und Erbe. John Brinsley † 1665.

Ephraim ist die Macht, d.h. wohl der Helm, meines Hauptes. Dieser starke und kriegerische Stamm war für den israelitischen Staat was der Helm für den Soldaten. Vielleicht liegt aber in dem Ausdruck auch eine Hinweisung auf 5. Mose 33,17. Die Hörner, die Macht des Hauptes, sind das Organ der Kraft. J. J. Stewart Perowne 1864.

Juda ist mein Zepter. Der Herrscherstab ist das Sinnbild des Gesetzgebers. Alle seine Untertanen sollten unter ein Haupt gebracht werden, das ihnen Gesetze gebe. Dem Stamme Juda ist durch die Reichsgrundgesetze Israels, nämlich durch die von Gott gegebenen Weissagungen seiner Väter und Begründer, des Jakob 1. Mose 49,10 und Mose 5. Mose 33,7, Zepter und Regentschaft zugeteilt. (Zweimal in der Richterzeit bekam Juda durch göttlichen Auftrag die Führung; der erste Richter gehörte diesem Stamm an.) Indem nun Juda zuerst David als sein Haupt anerkannte, übertrug es seine Stammesvorrechte über das ganze Volk auf den aus ihm hervorgegangenen König. - Christus, der Löwe aus dem Stamm Juda, ist der Gesetzgeber seiner Gemeinde, und nur indem die Glieder unter ein Haupt gebracht werden können sie auch einen Leib bilden. Das ist das einzige Mittel, eine heilige Einheit zustande zu bringen. John Brinsley † 1665.

Keine Regierung konnte bestehen, die nicht in Juda wurzelte. Jean Calvin † 1564.

V. 10. Moab ist mein Waschbecken. Das bedeutet, dass Moab nun wie ein Sklave ihm ganz unterworfen sei. Das Handwaschbecken seinem Herrn zu halten war das Geschäft des Leibeigenen. Bei den Griechen war plu/nein tina/ einen waschen, auch der übliche Ausdruck für: einen schelten oder lächerlich machen, wie wir sagen: "einem den Kopf waschen". Daher stammt die Anwendung von "Waschbecken" auf den, der sich solche Behandlung gefallen lassen muss, z. B. bei Aristophanes: "Du bist wohl nicht bei Sinnen, dass du mich in Gegenwart anderer zum Waschbecken machst." Vergl. unser "Waschlappen". Th. S. Millington 1863.

Auch die Lande der Feinde, Moab im Osten und Edom im Süden und Philistäa im Westen (vom Norden hat der Spruch nicht geredet, da hatten auch schon Davids Banner gesiegt), - sie müssen dienen. Prof. August Tholuck 1843.

V. 11. Der Weg zur Felsenstadt Petra führt zwischen hohen, steilen Bergwänden durch eine enge Schlucht, die das Bett eines Baches gebildet hat. An einigen Stellen treten die überhangenden Felsen so nahe zusammen, dass nur zwei Reiter nebeneinander Platz finden. Tweedie 1859.

Wenn ein Kind Gottes sich im Glauben großer Dinge versieht, soll es nicht gleichgültig sein, weder gegen die entgegenstehenden Schwierigkeiten, noch gegen seine eigene Unfähigkeit, diese zu überwinden; vielmehr soll es zu Gott aufschauen um Hilfe und Beistand. David Dickson † 1662.

V. 12. Und zeuchst nicht aus usw. Die Entziehung der Gegenwart und des Beistandes Gottes ist freilich alles Unsterns Ursache. (Hos. 9,12.) Johann David Frisch 1719.

V. 13. Schaff uns Beistand usw. So betete und tröstete sich der fromme David, der doch ein großes und reiches Land unter sich und ein großes und geübtes Kriegsheer auf den Beinen hatte. Er war dessen ungeachtet vom Vertrauen auf Kreaturen ganz ausgeleert. Es ist aber dies für den gläubigen Samen Abrahams eine allgemeine Regel: Ein Weiser rühme sich nicht usw., siehe Jer. 9,23 f. Prälat Fr. Roos 1773.

Denn Menschenhilfe ist nichts nütze. Das hatten sie nicht lang zuvor erfahren, da Saul, der König ihrer Wahl, nicht imstande war, sie von den übermütigen Philistern zu retten. John Trapp † 1669.

V. 14. Nicht nur im Krieg, sondern bei allem, was wir zu tun haben, müssen diese beiden beisammen sein: Er und wir; Gott und der Mensch. 1) Wir wollen Taten tun; denn Gott erzeigt seine Hilfe nicht trägen, feigen oder gleichgültigen Menschen. 2) Tun wir aber unser Bestes, so ist es doch sein Werk: Er wird sie untertreten; der vernichtende Schlag gegen unsre Feinde ist nicht im Geringsten uns, sondern ihm zuzuschreiben. Adam Clarke † 1832.

Homiletische Winke

V. 3. Als Gebet einer Gemeinde, die unter Gerichten seufzt. 1) Die Klage: a) verlassen von Gottes Geist, b) zerstreut. 2) Die Ursache des Übels: irgendetwas, das Gott missfällig war, seien es Unterlassungs- oder Begehungssünden. 3) Die Heilung: Wenn der HERR sich zu uns kehrt und wir uns zu ihm kehren.
V. 4. Auf Kirchenspaltungen angewandt: 1) Das Unglück: Erschütterung, Spaltung. 2) Als gerichtliche Tat Gottes anerkannt: Du hast. 3) Die Bitte: Heile ihre Brüche. 4) Die Begründung: Denn sie wankt. (Grundtext) George Rogers 1872.
V. 5. Harte Züchtigungen und ihr guter Grund.
Der göttliche Taumelkelch.
V. 6. Das Panier des Evangeliums. 1) Warum ein Panier genannt? Ein Banner ist Sammelpunkt und Leitstern der Krieger, ist der Hauptangriffspunkt, Zeichen der Herausforderung, Sinnbild des Sieges, der Trost der Verwundeten usw. 2) Von wem ist uns dies Banner gegeben? Du. 3) Wem ist es gegeben? Denen, die dich fürchten. 4) Wozu ward es uns gegeben? Es zu erheben (oder: sich zu erheben). (Grundtext) 5) In wessen Dienst soll es entfaltet werden? Um der Wahrheit willen. Durch Wahrheit wird die Wahrheit gefördert.
Unser Banner. Predigt von C. H. Spurgeon. Siehe Botschaft des Heils, I. S. 1. Baptist. Verlag, Kassel.
V. 7. Zu der Errettung der Auserwählten bedarf es eines hilfsbereiten, starken ("rechte Hand") und Gebet erhörenden Gottes.
V. 8. Gottes heilige Zusage ist genügender Grund zu sofortiger Freude über das verheißene Gut und zu mutigem Ergreifen desselben.
V. 9 f. Wiefern ist die ganze Welt des Christen Eigentum? (1. Kor. 3,21)
V. 10. Moab ist mein Waschbecken. Wie müssen uns die Gottlosen zur Reinigung dienen?
V. 11. Wer wird mich führen in die feste Stadt? Als Frage eines Christen, der Seelen gewinnen will. 1) Der Gegenstand des Angriffs: Die Festung Menschenherz, verschanzt durch sittliche Verderbnis, Unwissenheit, Vorurteile, väterliche Überlieferungen, sündliche Gewohnheiten usw. 2) Unser Ziel: hineinzudringen, die Zitadelle für Jesus zu gewinnen. 3) Die große Frage: Wer führt mich hinein? Beredsamkeit, Gelehrsamkeit, Klugheit - nichts von alledem kann den Eingang erzwingen; es gibt aber einen, der es kann.
V. 14. Gottes Wirken als Grund für Menschen Tätigkeit.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 61 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

(Ein Psalm) Davids, vorzusingen, auf Saitenspiel. Die "güldenen Kleinode" sind zu Ende; aber wenn dieser viel verheißende Titel den nun folgenden Psalmen auch fehlt, gewähren sie doch eine reiche Ausbeute. Mit Begleitung von Saiteninstrumenten zu singen waren auch die Psalmen 4; 6; 54; 55 hier ist eine ähnliche Angabe: Auf Saitenspiel.1

Inhalt

Der Psalm ist eine Perle, klein, aber kostbar. Er hat schon manchem tief Betrübten als passendes Gebet gedient, wenn sein Gemüt zu niedergeschlagen und verwirrt war, als dass er die rechten Worte hätte selber finden können. Der Psalm ist von David offenbar verfasst worden, als dieser schon auf dem Thron saß, siehe V. 7, und der dritte Vers führt darauf, dass er während der unfreiwilligen Abwesenheit des Königs vom Heiligtum geschrieben worden ist. Somit kommen wir auf die absalomische Empörung als die Zeit der Entstehung des Psalms. Wir überschreiben ihn mit Delitzsch: Bitte und Dank eines vertriebenen Königs auf dem Rückweg zum Thron.

Einteilung

Das Sela V. 5 scheidet den Psalm in zwei gleich große Hälften.

Auslegung

2. Höre Gott, mein Schreien und merke auf mein Gebet!
3. Hienieden auf Erden rufe ich zu dir, wenn mein Herz in Angst ist,
du wollest mich führen auf einen hohen Felsen.
4. Denn du bist meine Zuversicht,
ein starker Turm vor meinen Feinden.
5. Lass mich wohnen in deiner Hütte ewiglich
und Zuflucht haben unter deinen Fittichen. Sela.


2. Höre, Gott, mein Schreien. Es ist dem Psalmisten bitter ernst mit seinem Flehen; gellend ertönt sein Klagegeschrei. Doch lässt er sich nicht daran genügen, seinem Kummer Luft zu machen; er begehrt für sein Gebet Gehör im Himmel und handgreifliche Hilfe als Erfolg desselben. Pharisäer mögen sich mit dem bloßen Beten zufriedengeben; wer im lebendigen Glauben steht, sieht eifrig nach der Antwort aus. Ritualisten mögen auf ihrer Frömmigkeit ausruhen, wenn sie ihre Litaneien und Kollekten (die vorgeschriebenen Kirchengebete) hergebetet haben; lebendige Kinder Gottes aber können nicht ruhen, bis sie die Gewissheit haben, dass ihre Bitten Gott in Ohr und Herz gedrungen sind. Und merke auf mein Gebet. Schenke ihm Beachtung und gib die Antwort, welche deine Weisheit für gut findet. Wenn es uns so ernst wird mit dem Beten, dass wir zu Gott schreien, so brauchen wir nicht zu zweifeln, dass auch Gott ernstlich auf unser Flehen achten wird. Unser himmlischer Vater ist nicht, wie hie und da ein irdischer, gegen das Flehen seiner Kinder abgehärtet. Wie tröstlich ist der Gedanke, dass der HERR allezeit auf das Schreien der Seinen hört und nie vergisst, um was sie ihn gebeten haben! Was immer sonst sich als ohnmächtig erweisen mag, Gott zu bewegen, - brünstiges, gläubiges Flehen ist nie umsonst.

3. Vom Ende der Erde2 her rufe ich zu dir. (Grundtext) Er war verbannt von der Stätte, die seine höchste Lust war, und sein Gemüt war schwer bedrückt und von Trauer umdüstert. Wie er äußerlich ein Verbannter war, so kam er sich auch unter den schweren Heimsuchungen als von Gott verbannt vor; doch hält er deshalb nicht mit dem Gebet zurück, sondern findet darin vielmehr einen Grund, desto lauter und dringender zu Gott zu rufen. Es war den Frommen im alten Bunde ein schwerer Kummer, wenn sie fern von der Stätte des Gottesdienstes weilen mussten; das Heiligtum war ihnen, und nicht mit Unrecht, der Mittelpunkt der Erde (vergl. Hes. 5,5), und wenn sie nicht mehr zu demselben nahen konnten, kamen sie sich vor, als wären sie verbannt an den äußersten Rand des Weltalls. Mit Gewalt packte sie das Heimweh nach dem lieblichen Zion mit seinen schönen Gottesdiensten. Aber bei alledem wussten sie sehr wohl, dass kein Ort zum Beten ungeeignet ist. Ein Ende der Erde mag es geben; aber für Anbetung und Flehen gibt es keine Schranken. An den Grenzen der Schöpfung können wir zu Gott rufen, denn auch von da aus erreicht unser Flehen sein Ohr. Kein Ort ist zu schrecklich, keine Lage zu bejammernswert; seien wir am Ende der Welt oder am Ende des Lebens, Beten ist in jedem Fall das Beste und Nützlichste, was wir tun können. In manchen Umständen bedarf es freilich eines starken Entschlusses, um Herz und Gedanken zum Gebet zu schicken; der Psalmdichter tut dies aber. Und das war weislich gehandelt; denn hätte er abgelassen zu beten, so wäre er ein Opfer der Verzweiflung geworden. Bei wem es mit dem Beten aus ist, mit dem ist es selber auch aus. Man beachte ferner, dass es David nie in den Sinn kam, sich an einen anderen Gott zu wenden. Er hatte nicht die Meinung, dass die Herrschaft Jehovas räumlich beschränkt sei; wohl war er außer den Grenzen des gelobten Landes (denn das Gebiet jenseits des Jordans galt dem Israeliten nicht eigentlich als Teil des Landes Kanaan, vergl. 4. Mose 32,29 f.); aber in dem Herrschaftsgebiet des großen Königs wusste er sich dennoch, und an diesen allein richtet er seine Bitten. Da mein Herz verschmachtet (Grundtext), sich vor Kummer und Sehnsucht aufreibt, aller Mut gebrochen ist, - oder nach anderer Ableitung der Bedeutung: da mein Herz vor Betrübnis wie in Nacht gehüllt ist, da die Wogen der Trübsal über mich gehen und nicht nur über meinem Haupt, sondern über meiner Seele zusammenschlagen. Es hält schwer zu beten, wenn das Herz am Verschmachten ist; und doch beten gottbegnadete Seelen nie besser als gerade dann. Not bringt uns Gott und Gott uns nahe. Der Glaube erficht seine größten Siege in den härtesten Kämpfen. "Es ist ganz aus mit mir, die Trübsal umhüllt mich wie eine Wolke, sie verschlingt mich wie ein Meer, sie verschließt mich in dichte Finsternis; dennoch ist Gott in der Nähe, nahe genug, dass er meine Stimme hören kann, darum will ich ihm rufen" - ist das nicht tapfere Sprache?

Auf einen Felsen, der mir zu hoch ist, wollest du mich führen. (Grundtext) Ich sehe wohl, dass du ein unbezwinglicher Fels bist, der mir sichere Zuflucht böte; aber ach, mein Herz ist zu verwirrt, als dass ich den Pfad finden könnte, meine Kraft zu schwach, als dass ich ihn erklimmen könnte. Du bist ein sicherer Führer, leite mich; du bist so hoch, zieh mich empor; du bist so stark, bring mich hinauf! Die kurze Bitte ist fast unerschöpflich an Sinn. An den starren Felswänden unserer nördlichen Küste geht manches Leben verloren, weil die Felsen für die Schiffbrüchigen unerklimmbar sind. Ein Pfarrer eines der Küstendörfer hat mit unsäglicher Mühe vom Strande aus zu einer geräumigen Höhle, die er in den Kalkstein gehauen hat, Stufen hergestellt; dadurch ist schon mancher Seemann gerettet worden: sie haben den Felsen, der ihnen sonst unerreichbar gewesen wäre, erstiegen und sind so dem Wassergrabe entronnen. Kürzlich hörten wir jedoch, dass die Stufen durch die Stürme allmählich zerstört worden seien und dass infolgedessen manche arme Schiffbrüchige angesichts der Zufluchtsstätte, die sie nicht erreichen konnten, weil sie ihnen zu hoch war, zugrunde gegangen seien. Man hat daher den Vorschlag gemacht, mächtige Haken in den Felsen zu schlagen und daran eiserne Hängeleitern zu befestigen, damit die Schiffbrüchigen zu dem Obdach gelangen können. Das Bild deutet sich selbst. Unsere Erfahrung lässt uns den Vers gar wohl verstehen; denn auch wir haben ein Zeit gehabt, wo unsere Seele ob der Erkenntnis der Sünde so bestürzt und entsetzt war, dass wir, wiewohl wir wussten, dass der Herr Jesus eine sichere Zuflucht für die Sünder ist, doch nicht zu ihm gelangen konnten wegen der vielen Zweifel und düstern Gedanken, die wir hegten. Der Heiland hätte uns an sich nichts genützt, wenn der Heilige Geist uns nicht sanft zu ihm geführt und uns instandgesetzt hätte, uns in ihm zu bergen. Ja, bis auf diesen Tag fühlen wir es noch oft, dass wir nicht nur eines Hortes bedürfen, sondern auch, dass wir zu ihm geleitet werden. Und weil wir das im Auge behalten, gehen wir auch mit den salbungläubigen Gebeten erweckter Seelen sehr gelinde um; denn bei dem erschreckten Zustand ihres Gemüts können wir nicht von ihnen erwarten, dass sie alsbald mit völligem Glauben Gott anrufen. Eine suchende Seele sollte freilich ohne Zaudern an Jesus glauben; aber die Bitte, zu Jesus geführt zu werden, ist jedermann erlaubt. Der heilige Geist ist in solchem Führerdienst wohl erprobt, und er vermag das Werk zu vollbringen, selbst wenn das Herz am Rand der Verzweiflung ist.

Wie unendlich hoch über uns ist das Heil Gottes! Wir krabbeln in der Tiefe des menschlichen Verderbens; es ragt zum Himmel auf, hoch über uns wie ein majestätischer Fels. Diese Erhabenheit des göttlichen Heils ist seine Herrlichkeit und ist unsere Lust, wenn wir den Felsen einmal erklommen haben und seinen Schutz genießen; aber solange wir noch zitternd und zagend das Heil suchen, erschreckt uns seine Herrlichkeit und Erhabenheit, und das eine Gefühl beherrscht alles, dass wir viel zu unwürdig sind, je daran Anteil zu haben. Das führt uns dazu, desto brünstiger um Gnade zu flehen und zu erkennen, wie völlig wir von der freien Gnade abhängig sind, wie nicht nur das Heil selbst, sondern auch das Vermögen, daran zu glauben, Gottes Gabe und Wirkung ist.

Fußnoten
1. Die Masoreten haben, wie der verbindende Akzent zeigt, tnygn als stat. constr. aufgefasst: Nach Saitenspiel Davids zu singen; es ist aber wohl als alte Femininform zu nehmen, oder es ist mit allen alten Übersetzern der Plural zu lesen.

2. Nach 2. Mose 16,35; Jer. 12,12 ist es auch möglich zu übersetzen: Von der Grenze des Landes. Da der Ausdruck aber sonst immer das Ende (den äußersten Winkel) der Erde bezeichnet (vergl. Ps. 46,10; 5. Mose 28,49.64 usw.), wird diese Deutung auch hier vorzuziehen sein.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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4. Denn du bist meine Zuversicht, wörtl.: bist mir eine Zuflucht geworden, hast dich mir als solche bewährt. (Grundtext Perf.) Die Erfahrung ist die Nährmutter des Glaubens. Aus der Vergangenheit sammeln wir Gründe, Gott in der Gegenwart zu vertrauen. Wie oft hatten die Nachstellungen Sauls und die Gefahren des Krieges Davids Leben gefährdet, dass er nur durch ein Wunder entrann; doch war er noch am Leben und unverletzt. Des gedenkt er und ist voll guter Zuversicht. Ein starker Turm vor meinen Feinden (wörtl.: vor dein Feind). Wie in einem jedem Angriff trotzenden Festungsturm hatte David gewohnt, weil ihn die Allmacht Gottes umgab. Es ist unaussprechlich lieblich und tröstlich, der Freundlichkeit, die der HERR uns in früheren Zeiten erwiesen hat, zu gedenken; denn er ist unwandelbar und wird uns daher auch ferner vor allem Übel bewahren.

5. Lass mich wohnen in deiner Hütte ewiglich. Im Grundtext sind diese Worte nicht unmittelbar Gebet, sondern Ausdruck der Sehnsucht: O möchte ich weilen in deinem Zelte ewiglich! Lässt du mich je wieder zu deinem Heiligtum zurückkehren, so soll mich wahrlich nichts mehr daraus vertreiben. Selbst jetzt, da ich fernhin verbannt bin, ist mein Herz dort, und allezeit will ich anhalten, dir im Geist meine Opfer darzubringen, wohin ich auch verschlagen werden möge. Das Heiligtum heißt hier (vergl. Ps. 15,1; 27,4 f.) das Zelt Gottes, weil es, seinem geistlichen Wesen nach, die Stätte der Gegenwart Jehovas war. Auch das Weilen in demselben ist nicht nur äußerlich, sondern auch geistlich aufzufassen. Davids sehnsüchtiger Wunsch ist, Gottes Hausgenosse zu sein, Gottes Gastfreundschaft und sichern Schutz zu genießen. Da, bei Gott, ist seine wahre Heimat. Wer mit Gott Gemeinschaft hat, ist stets daheim. Selig sind die Knechte eines solchen Herrn, die allezeit vor ihm dienen und daher nie seine Gegenwart entbehren (1. Könige 10,8). Sogar die Holzhauer und Wasserträger des Heiligtums (Jos. 9,27) sind mehr zu beneiden als die Fürsten und Vornehmen, die in den Palästen irdischer Könige schwelgen. Das Beste ist, dass wir bei Gott wohnen dürfen nicht für eine kurze Spanne Zeit, sondern für Äonen, ja in die Äonen der Äonen, in Zeit und Ewigkeit.
Und Zuflucht haben (mich bergen) unter dem Schirm deiner Fittiche. (Grundtext) Der Psalmdichter braucht dies Bild oft; und es ist viel besser, ein treffendes, sinnreiches und anschauliches Bild wiederholt zu brauchen, als aus bloßer Sucht nach Neuem die ganze Schöpfung zu durchstöbern und dann doch vielleicht nur etliche matte oder schwülstige und unwahre oder schiefe Bilder als Beute heimzubringen. Die Küchlein unter den Fittichen der Henne, - wie sind sie da so wohlgeborgen, so bequem gebettet, so glücklich! Wie warm ist’s an der Mutter Herzen, wie sanft ist die Decke der schützenden Flügel! Gottes Herablassung erlaubt uns, das Bild auf uns anzuwenden, und wie lehrreich und tröstlich ist es! O dass wir dem HERRN noch völliger vertrauten! Wir können es nicht zu unbedingt tun; der Schirm seiner Fittiche ladet zur ungestörtesten Ruhe. Sela. Wie passend ist die Ruhepause an dieser Stelle! Selbst die Harfe mag beredsam schweigen, wenn tiefe Stille das Herz füllt und der Kummer sich in sanften Schlummer geschluchzt hat.

6. Denn Du, Gott, hörest meine Gelübde;
du belohnest die wohl, die deinen Namen fürchten.
7. Du wollest dem Könige langes Leben geben,
dass seine Jahre währen immer für und für,
8. dass er immer bleibe vor Gott.
Erzeige ihm Güte und Treue, die ihn behüten.
9. So will ich deinem Namen lobsingen ewiglich,
dass ich meine Gelübde bezahle täglich.


6. Auch dieser Vers geht wohl, wie V. 4, aus Vergangenheit und Gegenwart: Denn Du, Gott, hast gehört und hörst auf meine Gelübde. (Grundtext Perf.) Die bisher erfahrenen Proben der göttlichen Treue machen uns auch in der Gegenwart die Erhörung unserer Gebete gewiss. Wir dürfen mit unseren Bitten Gelübde verbinden, wenn diese wohlerwogen sind und wirklich auf Gottes Ehre abzielen. Es ist eine große Freundlichkeit Gottes, dass er den Versprechungen so treuloser und trügerischer Geschöpfe, wie wir es sind, Beachtung schenkt. Was wir ihm geloben, kommt ihm ja ohnehin von Rechts wegen zu, und doch lässt er sich herab, unsere Gelübde anzunehmen, als wären wir nicht sowohl seine leibeigenen Knechte, sondern freie Leute, die nach Belieben ihre Dienste anbieten oder zurückhalten könnten. Du gewährst (mir) das Erbe (das Besitztum) derer, die deinen Namen fürchten. (Grundtext) Sollten wir mit dem Lose nicht zufrieden sein, Miterben der Heiligen zu sein? Freilich gehören auch Trübsale, Verfolgungen, Armut und Anfechtungen zu dem Teil der Auserwählten; aber sollen wir einst mit ihnen sitzen am Abendmahl im Reiche Gottes, so dürfen wir es wohl zufrieden sein, jetzt mit ihnen am Kelch der Leiden teilzuhaben. Vor allem ist das Besitztum derer, die den HERRN fürchten, Gottes reiche Gnade. Manche Ausleger halten dafür, der Psalmist verstehe unter dem Besitztum der Gottesfürchtigen das heilige Land.3 Man beachte den Namen, welcher hier, wie auch sonst häufig, den Frommen gegeben wird: sie fürchten den Namen des HERRN; sie sind ehrfurchtsvolle Anbeter, haben vor Gottes allgewaltiger Erhabenheit heilige Scheu; sie sind ängstlich besorgt, ihn nicht zu beleidigen, und fühlen angesichts des Unendlichen und Allerhabenen tief, dass sie nichts sind. Mit solchen das Erbe zu teilen, von Gott mit der gleichen Huld behandelt zu werden, die er ihnen erweist, ist wohl Ursache zu nimmer endendem Dank. Alle Vorrechte der Gesamtheit der Heiligen sind auch das Vorrecht jedes einzelnen unter ihnen.

7. Du wollest (oder: wirst4 (noch weitere) Tage zu den Tagen des Königs fügen; seine Jahre seien (oder: werden sein) wie Geschlecht auf Geschlecht, d.h. wie die von mehreren Geschlechtern. (Grundtext) Wiewohl dem David so oft der Tod drohte, erhielt Gott doch seinen Geliebten; trotz aller Gefahren, die er durchmachen musste, erfreute sich David einer langen, reich gesegneten Regierungszeit, und er sah in seinem langen Leben mehr als ein Geschlecht. Aber wiewohl David demnach die Erfüllung dieser Bitte oder Glaubensaussage in beschränktem Sinne an sich selbst erfuhr, gelten doch die Worte nicht eigentlich ihm persönlich, sondern ihm als dem Könige, d. h. dem Königtum, dessen Vertreter und Haupt er war. In seiner Dynastie, insonderheit in dem großen Davididen Jesus Christus, herrscht David von Geschlecht zu Geschlecht und immerdar. - So sehen wir denn den Psalmisten, der sein Gebet am Fuße des hohen Felsen, fast verschlungen von den Wogen und halbtot vor Ohnmacht, begann, jetzt wirklich auf den Gipfel geleitet; da steht er fröhlich, singt als Priester Gottes, der in Gottes Zelt ewiglich bleibt, als König, der immerdar herrscht mit Gott, und als Prophet, der in die fernste Zukunft hinausschaut. Da sehen wir die erhebende Kraft des Glaubens und des Gebets. Niemand ist in solchen Tiefen, dass er nicht noch auf die höchste Höhe erhoben werden könnte.

8. Ewiglich möge er (oder: wird er) vor Gott thronen. (Grundtext) Wiewohl auch diese Worte in ganz beschränktem Sinne von David gelten können, ziehen wir es doch vor, gleich auf Jesus zu blicken. Dieser unser Messias thront vor Gottes Angesicht ewiglich, und das ist die Gewähr unserer ewigen Sicherheit, unsere Freude und Ehre; denn dort thront er uns zugute, und wie wir jetzt seines Schutzes und weisen Regiments genießen, so sollen wir einst mit ihm den Platz vor Gottes Angesicht und die Herrschaft teilen. Davids Wunsch, allezeit vor Gott zu bleiben und zu thronen, ist nur ein weissagendes Vorbild des herrlichen Vorrechts, das nun allen wahren Gläubigen zugesprochen ist. Bestelle Gnade und Treue, dass sie ihn behüten. (Grundtext) Wieder treten (vergl. 57,4) Gottes Gnade und Treue als gute Engel auf, die Gott zum Schutz der Seinen, hier seines Gesalbten, entbietet. Die ewige Liebe und die unveränderliche Zuverlässigkeit Jehovas sind die Wächter des Thrones Jesu, und gleicherweise sind sie die Versorger und Hüter aller derer, welche in ihm zu Königen und Priestern Gottes geweiht sind. Wir können uns selber nicht behüten, und nichts Anderes als Gottes Gnade und Treue vermögen dies zu tun; aber diese Schutzengel werden ihr Amt so wohl ausrichten, dass auch nicht der geringste von Gottes Erwählten umkommen wird.

9. So will ich deinem Namen lobsingen ewiglich. David hatte dem Flehen seines Herzens durch lautes Rufen Ausdruck gegeben (V. 2); jetzt will er dementsprechend auch seinen Dank in fröhlichen Gesängen laut erschallen lassen. Es sollte ein Ebenmaß sein zwischen unserm Flehen und unserem Danken; es ziemt sich nicht, im Bitten brünstig und im Lobpreisen lässig zu sein. Das Gelübde, den Namen des HERRN ewiglich zu besingen, ist nicht eine den überwallenden Gefühlen des Augenblicks entspringende Übertreibung; wir werden es vielmehr dank der Gnade buchstäblich erfüllen können in der Herrlichkeit. Dass ich meine Gelübde bezahle täglich. Dem Gott, der zu unseren Lebenstagen Tage hinzufügt (V. 7), wollen wir auch jeden dieser Gnadentage weihen. Wir haben es gelobt, Gott beständig zu lobpreisen, und wir haben das herzliche Begehren, dies Gelübde ohne die Unterbrechung auch nur eines Tages einzulösen. Wir möchten Gott dienen Tag für Tag; wir begehren keine Ferien und keine Ruhepausen in diesem heiligen Werk. Gott erfüllt täglich seine Verheißungen; so lasst uns auch täglich unsre Versprechungen erfüllen. Er hält den Bund, den er mit uns geschlossen hat; lasst uns nicht des Handschlags der Treue vergessen, den wir ihm gegeben haben. Gepriesen werde der Name des HERRN von Stund an und bis in alle Ewigkeit!

Fußnoten
3. $rayf ist nämlich der stehende Ausdruck für das Besitzen des Landes Kanaan.

4. Die Alten, danach auch Luther 1524, sowie die engl. Bibel, übersetzen die Futura des Grundtext V. 7.8a als solche; die meisten Neueren dagegen fassen die Worte als Bitte auf.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Wie war doch David ein Mann nach Gottes Herzen, der zur Zeit seiner schweren Leiden das Vertrauen nicht weggeworfen, sondern immer im gläubigen Gebet seine Niedrigkeit Gott vorgehalten und die Hoffnung, dass ihn Gott unter seinen Flügeln noch zur Ruhe bringen werde, behauptet hat! Wie hat er aber auch zur Zeit der gefundenen Hilfe so gar nicht vergessen, was sein Mund gelobet in der Not; wie hat er sich nicht auf sich selbst und seinen nun wohlgegründeten Wohlstand verlassen; wie hat er sich an dem Exempel seines Vorfahrers Saul gespiegelt und in solchem Angedenken fest an der Demut gehalten; wie hat er erkannt, dass ihm Gottes Güte und Treue zu seiner Bewahrung so nötig sei; wie war’s ihm darum zu tun, dass er sich nicht an Menschen hänge und auf sie vertraue, sondern vor Gott bleibe! Denn Gott hat manchen schon verworfen, wenn er schon vor Menschen noch eine Weile sitzen bleibt. Sobald aber der Segen, die Gnade, das Wohlgefallen, der Geist und das Licht Gottes von einem weicht, so ist man vor Gott dasjenige nimmer, für was man sich in der Welt noch ausgeben kann. O wieviel solche Larven und Bilder gibt es in allen Ständen, die das vor Gott nimmer sind, für was sie doch die Menschen noch achten müssen, solange sie Gott äußerlich duldet! Wie genau prüfet Gott hierin der Menschen Herzen, ob einer an seiner Gnade und Wahrheit hängt oder ob er sich bloß mit der Eitelkeit und dem äußerlichen Schein behilft! Karl Heinrich Rieger † 1791.

V. 2. Im Buch Hiob wird an einer Stelle (Hi. 36,13) von den Heuchlern in verurteilendem Sinn gesprochen, weil sie nicht (zu Gott) schreien, wenn er sie in Fesseln bindet. Ich freue mich, dass von Gottes Kindern keine Unempfindlichkeit gegen die Schläge erwartet wird, sondern dass es recht ist, wenn sie den Stock fühlen, und dass sie, ohne auch nur einen Gedanken der Auflehnung wider die Züchtigung, über dieselbe weinen und zu Gott schreien dürfen. Mary B. M. Duncan † 1865.

V. 3. Es ist ihm, als sei er am Ende der Welt (Grundtext), fern von aller Hilfe und fern von allen Zeichen, Pfändern und Offenbarungen der göttlichen Gegenwart und Huld, weil fern von dem Heiligtum, welches die Stätte der besonderen Gnadengegenwart Gottes auf Erden und insofern der Mittelpunkt der Erde war. John Owen † 1683.

Da mein Herz verschmachtet. (Grundtext) Die Trübsale haben je nach ihrer Art verschiedene Wirkung auf uns. Die einen bringen uns besonders in die Gefahr, gereizt und erbittert zu werden, andere verursachen nagenden Kummer, wieder andere machen uns bestürzt und verwirrt, und etliche sind besonders geeignet, uns aller Kraft zu berauben, uns zum Verschmachten zu bringen; aber welche Form sie auch annehmen mögen, immer zehren sie an unserem Lebensmark. Phil. Bennett Power 1861.

V. 5. Mit ... (weilen) verbindet sich die Vorstellung des göttlichen Schutzes. (Als Gastfreund, als Schutzgenosse bei Gott, gleichsam in seinem Burgfrieden, wohnen.) Es folgt ein kühnes Bild dieses Schutzes: er soll oder wird trauen, d. i. Zuflucht haben, unter der Obhut der Flügel Gottes. In der Zeit, wo das Zelt noch wanderte, ist solche Rede vom Wohnen in Gottes Zelt oder Haus noch nicht vernehmbar; erst David hat, indem er der heiligen Lade eine feste Wohnstätte bereitete, zugleich diesen Ausdruck der Liebesgemeinschaft mit dem Gott der Offenbarung geschaffen. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 6. Meine Gelübde. Damit meint er seine Gebete. Gebete sind stets mit Gelübden zu verbinden. Ja, Gebete, die kein Gelöbnis in sich schließen, sind ein unbeschriebenes Blatt. Bittest du, dass Gott dir eine Gnade verleihen möge? Bist du aufrichtig, so wirst du geloben, ihn für sie zu preisen und ihm mit ihr zu dienen. Flehst du zu Gott wider eine Sünde? Wenn du damit nicht Gott zum Narren hältst, wirst du eben so ernstlich geloben, wider die Sünde zu kämpfen, als Gott bitten, dich von ihr zu befreien. William Gurnall † 1679.

V. 7 f. Es stehen vor Davids Seele die schönen Verheißungen, die er durch Nathan, den Propheten, erhalten hat: Dein Haus und dein Königreich sollen beständig sein ewiglich vor dir und dein Stuhl soll ewiglich bestehen (2. Samuel 7,12-16). Dieser Verheißungen getröstet er sich und hofft, dass er mit seinem Geschlecht immerdar werde sitzen bleiben auf dem Thron vor Gottes Angesicht, und seines Gottes Treue und seines Gottes Güte, die hält er für die Schirmwächter zur Rechten und zur Linken dieses Thrones. Prof. August Tholuck 1843.

Gott lässt es zu, dass die Gottseligen bedrückt und gequält werden, damit sie, wenn sie gedrückt werden, zu Gott rufen und, wenn sie rufen, erhört werden und, wenn sie erhört werden, Gott loben und preisen. Aurelius Augustinus † 430.

Homiletische Winke

V. 2. Wir sollen für unsere Gebete ernstlich Erhörung suchen. 1) Was kann die Erhörung hindern? 2) Was haben wir zu tun, wenn wir nicht erhört werden? 3) Was kann uns ermutigen, zu glauben, dass sich die Erhörung nur verzögert?
V. 3. Führe mich. 1) Zeige mir den Weg: enthülle mir Jesus. 2) Setze mich instand, den Weg zu gehen: wirke Glauben in mir. 3) Zeuch mich empor, wo ich nicht Fuß fassen kann: tu für mich, was außer meinen Kräften ist.
Mir zu hoch: das Heil zu hoch für unsere höchsten natürlichen Anstrengungen, Fähigkeiten, Wünsche, Erwartungen und Vorstellungen.
1) Der sichere Bergungsort. 2) Unser Unvermögen, zu ihm zu gelangen. 3) Der Führer, der uns dorthin bringen kann.
V. 3.4. 1) Wie betet er? Ich rufe zu dir. 2) Wo betet er? Vom Ende der Erde her. 3) Wann betet er? Da mein Herz verschmachtet. 4) Um was betet er? Führe mich usw. 5) Woher schöpft er Mut zum Beten? Aus der Erfahrung, siehe V. 4. William Jay † 1853.
V. 4. Eine Zuflucht vor dem Unwetter der Trübsal, dem Sturm der Verfolgung, den Fluten satanischer Versuchungen, der Hitze des göttlichen Zornes, dem kalten Hauch des Todes. Die Arche, Lots Rettungshügel, die blutbesprengten Hütten in Ägypten, die Freistädte, die Höhle Adullam. Ein starker Turm: dauerhaft und wetterfest, uneinnehmbar für die Feinde, ein sicherer Wohnort für den Flüchtling.
V. 5. Lass mich wohnen in deiner Hütte ewiglich: wo der Priester das Opfer dargebracht hat, wo das Gesetz als erfüllt in der Bundeslade niedergelegt ist, wo das siebenfältige Licht des Geistes leuchtet, wo das unverwesliche Manna ist, wo die Herrlichkeit des HERRN sich über den Cherubim offenbart, wo kein Feind eindringen kann und wo ich mit dem Bundesgott Gemeinschaft habe.
V. 6b. 1) Diejenigen, welche den HERRN fürchten, haben ein Besitztum. (Grundtext) 2) Dies Besitztum ist ihnen gegeben. 3) Wir können darüber Gewissheit haben, ob wir es besitzen. William Jay † 1853.
V. 6-9. 1) Gelübde werden im Himmel gehört. 2) Darum sollen sie auf Erden treulich erfüllt werden.
V. 7. Die ewige Herrschaft unseres Königs: unsere persönliche Freude und unsere Hoffnung für unsere Nachkommen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 62 (Auslegung & Kommentar)



Überschrift

Ein Psalm Davids. Auch ohne diese ausdrückliche Angabe wären wir aus inneren Gründen überzeugt, dass kein anderer als David diese Verse geschrieben habe; so sehr tragen sie das Gepräge seines Geistes. Für Jeduthun, vorzusingen. Schon in Psalm 39 fanden wir Jeduthun genannt. Jener Psalm ist dem vorliegenden nahe verwandt; bezeichnend ist für beide besonders das Wörtlein nur, das im 39. viermal, im 62. sogar sechsmal (im Grundtext), nämlich V. 2.3.5.6.7.10, vorkommt. Außer in diesen beiden Psalmen finden wir Jeduthun noch in dem 77. genannt, und im 8. steht Ethan, der andere Name des gleichen berühmten Musikmeisters Davids. In Ps. 62; 77 ist fraglich, ob zu übersetzen ist: Nach (der Weise des) Jeduthun (zu singen), oder: Dem Vorsteher über Jeduthun, d.h. über die Jeduthuniten, nämlich zur Ausführung übergeben.

Einteilung

Der Dichter hat selber die Abschnitte dadurch bezeichnet, dass er am Schluss von V. 5.9 ein Sela eingefügt hat. - Sein starkes, allein auf Gott sich gründendes Vertrauen befähigt den Psalmdichter, alle seine Feinde gering zu achten. Wann und in welcher Lage David diesen Psalm verfasst haben mag, ist für uns nebensächlich; der lebendige Glaube ist stets zeitgemäß, ist auch selten ohne Prüfung. Die Empfindungen, denen der Psalm Ausdruck verleiht, passen auf so manche Lagen, in welche die Gläubigen kommen, dass es zu ihrer Erklärung keiner Angabe eines geschichtlichen Anlasses bedarf.

Auslegung

2. Meine Seele ist stille zu Gott,
der mir hilft.
3. Denn Er ist mein Hort. meine Hilfe,
mein Schutz, dass mich kein Fall stürzen wird, wie groß er ist.
4. Wie lange stellet ihr alle Einem nach,
dass ihr ihn erwürget als eine hangende Wand und zerrissene Mauer?
5. Sie denken nur, wie sie ihn dämpfen,
fleißigen sich der Lüge; geben gute Worte,
aber im Herzen fluchen sie. Sela


2. Nur zu Gott ist meine Seele stille. (Grundtext) Statt nur übersetzen andere ja oder wahrlich, wieder andere dennoch, und in dem kleinen, sechsmal in unserm Psalm vorkommenden Wort des Grundtextes sind in der Tat diese drei Bedeutungen nur, wahrlich und dennoch vereinigt. Es ist, wie sich Delitzsch ausdrückt, das Glaubenswort, mit welchem aller Anfechtung gegenüber feststehende Wahrheiten bekannt und bestätigt, mitten in aller Anfechtung gefasste und festgehaltene Entschließungen versichert und beteuert werden. Wir bleiben vielleicht am besten bei dem Wörtlein nur. Einzig der Glaube ist wahr, welcher in Gott allein ruht; ein Vertrauen, das sich nur zum Teil auf den Herrn gründet, ist eitel. Nur zu Gott ist meine Seele stille, wörtl.: Schweigen, d. h. stille Ergebung. "Meine Seele senket sich hin in Gottes Herz und Hände." Nur die Ehrfurcht gebietende Gegenwart Gottes konnte das unruhvolle Herz des Psalmdichters beschwichtigen, dass es ruhig ward, in stiller Ergebung und heiterem Vertrauen Gottes harrte; das geschah aber auch so vollkommen, dass auch nicht ein trotziges Wort, nicht ein aufrührerischer Gedanke das friedevolle Schweigen brach. Da, vor Gottes Angesicht, ist das Sprichwort doppelt wahr, dass Reden Silber, Schweigen aber Gold ist. Keine Beredsamkeit ist auch nur halb so ausdrucksvoll wie das stille, kindliche Schweigen vor Gott. Das ist ein Meisterstück der göttlichen Gnade, wenn sie den Willen so zum Gehorsam neigt und das Herz so stillt, dass das ganze Gemüt offen vor dem HERRN daliegt, für jede Einwirkung des heiligen Geistes empfänglich, wie die glatte See unter dem Wind, - bereit, sich von jedem Hauch seines Mundes bewegen zu lassen, aber ohne alle innere und eigenwillige Aufregung und frei von dem Einfluss jeder anderen Macht außer dem göttlichen Willen. Bildsam wie Wachs sollten wir sein in des HERRN Hand, aber hart wie ein Diamant gegenüber jeder andern Gewalt, die uns zu beeinflussen sucht. Von ihm (kommt) meine Hilfe. (Wörtl.) Weil ihm dies unumstößlich gewiss ist, darum kann David seine Seele in Geduld fassen, bis die Hilfe kommt. Der Glaube ist imstande, gleichsam die Fußtritte der nahenden Erlösung zu hören, weil er gelernt hat still zu sein. Die wahre Hilfe kommt uns weder ganz noch teilweise von irgendeiner untergeordneten Ursache; darum lasst uns einzig zu dem wahren Ursprung alles Heiles aufschauen und uns nicht des Verbrechens schuldig machen, dem Geschöpfe zuzuschreiben, was einzig dem Schöpfer zugehört. Ist das der wahre Gottesdienst, sich ganz in Gehorsam und Vertrauen Gott hinzugeben, so ist die Hingabe an die Kreatur und das Vertrauen auf sie Götzendienst.

3. Nur Er ist mein Fels und meine Hilfe. (Grundtext) Zuweilen ist ein bildlicher Ausdruck bedeutsamer und anregender als der gewöhnliche. Deshalb setzt David das Wort Fels, welches in seinem Gemüt alsbald eine Fülle zu innigem Dank treibender Erinnerungen wachruft. Wie oft hatte sich David in den Klüften und Höhlen der Felsen1 geborgen! Hier vergleicht er nun seinen Gott mit solch sicherem Zufluchtsort und bezeugt, Er sei sein eigentlicher und allgenügsamer, niemals trügender Schutz gewesen. Aber als wollte er uns zeigen, dass, was er soeben gesagt hat, nicht nur dichterische Empfindung, sondern glückliche Wirklichkeit sei, fügt er dem bildlichen Ausdruck den eigentlichen bei: und meine Hilfe. Dass unser Gott unsre Zuflucht ist, ist kein eitler Wahn; nichts in der Welt ist mehr Tatsache. Mein Schutz, wörtl.: meine Höhe, meine hocherhabene Feste. Das ist ein anderes, noch kühneres Bild. Der Gläubige versteckt sich in der Anfechtung nicht nur in Gott wie in einer Felsenkluft, sondern er bietet auch, in ihm geborgen, allen Angriffen der Feinde Trutz, wie die Krieger in einer unbezwinglichen Felsenfeste. Ich werde nicht sehr wanken. (Wörtl.) Nach seiner persönlichen Schwäche möchte David wohl erschüttert werden können; dann aber würde, des ist er guter Zuversicht, sein Glaube hervortreten und größerem Unheil vorbeugen. Er mag wanken, aber fallen wird er nicht, mag schwanken, aber wie ein wohlverankertes Schiff, das sich zwar mit Ebbe und Flut um seinen Anker schwenkt, aber nicht vom Sturme weggetrieben werden kann. Wer zuversichtlich weiß, dass der HERR seine Hilfe und sein Heil ist, kann nicht gar darnieder geworfen werden; es bedürfte einer größeren Gewalt, als alle Teufel der Hölle haben, um solch ein Herz völlig zu stürzen.

4. Wie lange wollt ihr einstürmen auf einen Mann? (Grundtext) Haben wir uns des versichert, dass der Allmächtige unser Bundesgenosse ist, so können wir allen Gegnern die Stirn bieten. David rechtet mit seinen unsinnigen Feinden, fragt sie, wie lange sie noch fortfahren wollten, auf ihn einzustürmen mit Geschrei und erhobener Faust. (Dies ist nach Delitzsch der Sinn des nur hier vorkommenden hebräischen Wortes.) Es scheint ihm, sie hätten es lange genug getrieben, um endlich zu der Einsicht zu kommen, dass alle ihre Versuche, den Erwählten des HERRN umzubringen, vergeblich seien und sie sich damit nur selber ins gewisse Verderben stürzten. Es ist in der Tat verwunderlich, wie geneigt die Menschen sind, sich in unverdrossener Beharrlichkeit mit aussichtslosen sündlichen Anschlägen abzumühen, während es so außerordentlich schwierig ist, in der Gnade zu beharren, dass es ohne Gottes Beistand geradezu unmöglich ist. David deutet auch auf die Feigheit seiner Widersacher hin, dass ihrer viele sich auf einen Mann stürzen. Bei niemand können wir in der Tat so wenig auf eine ehrliche, männliche Kampfesweise rechnen als bei denen, die um der Gerechtigkeit willen dem Volke Gottes feind sind. Ihr oberster Feldherr, der Satan selber, mochte sich ja auch nicht mit Hiob in einen ehrlichen Zweikampf einlassen, sondern musste die Sabäer und Chaldäer zu Hilfe rufen und dann noch Blitz und Sturm borgen, ehe er zum ersten Angriff schritt. Wenn er oder die von seinem Samen das geringste Ehrgefühl hätten, so müssten sie, diese Memmen, sich über die niederträchtige Weise schämen, in der sie wider den Weibessamen Krieg führen. Zehntausend gegen einen scheint ihnen keine zu schimpfliche Übermacht im Kampf; nicht ein Tropfen ritterlichen Blutes fließt in ihren Adern. Ihr werdet alle erschlagen werden. (So übersetzt u. a. die englische Bibel nach einem Teil der Handschriften.2 Eure scharfen Werkzeuge werden euch selber in die Finger schneiden. Wie zahlreich und grimmig die Rotten der Gottlosen sein mögen, sie werden der gerechten Vergeltung nicht entrinnen; mit unerbittlicher Strenge wird der erhabene Weltrichter das vergossene Blut von den Blutmenschen fordern und über die das Todesurteil aussprechen, welche den Tod anderer suchen. Als eine hangende Wand und umgestoßene Mauer. Übermütige Verfolger der Frommen schwellen vor Stolz; aber sie sind nur wie eine bauchige Wand, die nächstens zusammenstürzen wird. Sie beugen sich weit vor, um ihre Beute zu ergreifen; aber gleich einem wackeligen Zaun, der schon zur Erde hängt, werden sie bald der Länge nach am Boden liegen. Sie erwarten, dass man sich vor ihnen bücke und in ihrer Nähe vor Furcht bebe; rechte Ehrenmänner aber, die der Glaube kühn macht, sehen an ihnen nichts, das sie ehren könnten, und viel, sehr viel, wofür sie nur Verachtung haben. Es ziemt sich nicht für uns, Gottlose groß zu achten; in welch hoher Stellung sie auch sein mögen, sie sind dem Untergang nahe, wanken schon ihrem Fall entgegen. Wir handeln darum weise, wenn wir von ihnen gehörigen Abstand halten. Es frommt niemand, in der Nähe einer fallenden Mauer zu stehen; wen sie nicht mit ihrem Gewicht erschlägt, den mag sie durch den Staub ersticken, wenn sie nun zusammenbricht.

Die meisten Ausleger halten die andere Lesart des Grundtextes für richtig, welche auch von Luther befolgt wird und wonach der Vers lautet: Wie lange wollt ihr auf einen Mann einstürmen, wollt insgesamt (ihn morden, d. h.) ihn zertrümmern wie eine überhangende Wand, eine umgestoßene Mauer? In unserm Nachsinnen mögen beide Meinungen sich vereinigen; denn wenn Davids Feinde auf ihn einstürmten, als ob sie ihn wie eine schon sich senkende Wand niederwerfen könnten, so sah er seinerseits voraus, dass sie durch die vergeltende Gerechtigkeit würden zu Boden geworfen werden wie eine alte, zerbröckelnde, überhangende und weichende Mauer.

5. Sie denken nur, wie sie ihn dämpfen, wörtl.: Nur (d. i. ganz und gar) ihn von seiner Höhe zu stürzen beschließen sie. Davids Erhöhung auf den Thron war die Hauptursache ihrer Wut. Es ist den Gottlosen ein Dorn im Auge, den Gerechten erhöht, ihn in Glück, Wohlstand und Ehren zu sehen. Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen. Die Bosheit verwendet oft all ihre Aufmerksamkeit nur auf diesen einen Punkt, was durch das voranstehende Nur deutlich in Gegensatz gestellt ist zu dem sich nur auf den HERRN richtenden Vertrauen der Begnadigten (V. 2). Wenn die Gottlosen nur das eine fertig brächten, uns von unsrer Höhe in die Tiefe zu stürzen, worin sie sich selbst befinden, so wären sie es wohl zufrieden; denn das eben ist ihr Beschluss: sie wollen um jeden Preis unser Ansehen und damit unseren Einfluss zerstören. Fleißigen sich der Lüge. Sie lieben die Lüge, haben Wohlgefallen an ihr, heißt es wörtlich; darum hassen sie die Wahrheit und die Wahrhaftigen und suchen mit Fleiß den Untergang beider herbeizuführen. Es ist schon schlecht genug, zu lügen; aber am Lügen sein Ergötzen zu haben und sich des Lügens zu befleißigen, ist eins der schrecklichsten Brandmale der Gemeinheit. Geben gute Worte (wörtl.: segnen mit dem Munde), aber im Herzen fluchen sie. Die Schmeichelei ist bei den Feinden der Gottesfürchtigen stets eine sonderlich beliebte Waffe gewesen. Sie können schlimm genug fluchen, wenn ihnen die dafür geeignet Zeit gekommen scheint; zunächst aber dient es ihnen besser, wenn sie - und sie verstehen das meisterhaft - ihre Wut verbeißen und mit sanfter Stimme die segnen, welche sie am liebsten in Stücke rissen. Es war ein Glück für David, dass er im Schweigen wohlgeübt war; denn glattzüngigen Verrätern gegenüber ist das das einzig Sichere. Sela. Hier lasst uns innehalten und mit Verwunderung beides betrachten, den ohnmächtigen Hass der Unheiligen und die völlige Sicherheit derer, die sich von ganzem Herzen auf den HERRN verlassen.

Fußnoten
1. Diese Bemerkung passt nicht genau auf rWc; denn dies heißt Fels, nicht Felskluft, wofür (lase das Wort ist. Vergl. zu Ps. 18,3.

2. Auch Baer folgt der Lesart der tiberiensischen Masoretenschule WxcI:rftI:, welche wie oben angegeben zu übersetzen ist. Allein das Passivum passt nicht in den Zusammenhang, siehe die Forts. V. 5; es ist daher, mit Luther und den meisten, die Lesart der babylonischen Schule WxcI:ratI: anzunehmen. Danach richtet sich auch die Beziehung des Folgenden. Luthers Übersetzung ist also richtig.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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