Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps42

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7. Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir;
darum gedenke ich an dich im Lande am Jordan und Hermonim,
auf dem kleinen Berg.
8. Deine Fluten rauschen daher, dass hie eine Tiefe und da eine
Tiefe brausen;
alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich.
9. Der HERR hat des Tages verheißen seine Güte,
und des Nachts singe ich ihm
und bete zu dem Gott meines Lebens.
10. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen?
Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt?
11. Es ist als ein Mord in meinen Gebeinen,
dass mich meine Feinde schmähen,
wenn sie täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott?
12. Was betrübst du dich, meine Seele
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.


7. Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir. Das Lied hebt aufs neue im tiefen Ton an. Ein so liebliches Finale ist es wohl wert, dass der Psalmist um seinetwillen wieder von vorn beginne. Noch dauerte des Sängers Niedergeschlagenheit an, und die Anfälle des Verzagens kehrten wieder; wohlan, so will er nochmals in die Harfe greifen und ihre Macht an sich selber erproben, wie er einst in seinen jungen Tagen ihren Einfluss an Saul beobachtet hatte, als über diesen finstere Schwermut gekommen war. Noch bestimmter beginnt der Gesang beim zweiten Abschnitt mit Gott; auch bemerken wir beim Sänger etwas mehr Ruhe. Sein Sehnen gibt sich nicht mehr, wie V. 2, hörbar und sichtbar kund; sein Kummer hat sich in die Stille des Herzens zurückgezogen. Seine Seele ist niedergebeugt in ihm - und wahrlich, das ist nicht zum Verwundern, solange sich noch immer seine Gedanken mehr einwärts als aufwärts kehren. Wären wir darauf angewiesen, aus uns selber Trost zu schöpfen, wir bekämen wenig genug! Die schwankenden Gedankengebilde unseres Herzens geben keinen gediegenen Grund ab, auf dem wir uns aufrichten könnten. Es ist aber gut, wenn wir dem HERRN sagen, wie es uns ums Herz ist, und je einfältiger dies Bekenntnis ist, desto besser. David spricht wie ein krankes Kind zur Mutter, und wir sollen ihm darin nachahmen lernen. Darum gedenke ich an dich. Wohl uns, wenn wir zu unserm Gott fliehen. Da ist terra firma . Das ist gesegnete Trübsal, die uns antreibt, auf einem so sichern Felsen, wie du, HERR, es bist, Zuflucht zu suchen! In der Auffassung der folgenden Worte gehen die Ausleger weit auseinander. Haben wir (mit Bäthgen) zu übersetzen: Darum gedenke ich an dich fern von dem Land des Jordans und der Hermone, fern von dem kleinen Berge , so dass der Dichter damit das Land Kanaan bezeichnen will, aus dem er vertrieben ist? Ruft er sich so die seligen Zeiten in Erinnerung, da er mit Gott köstliche Gemeinschaft pflegte an dem Strome und auf den Bergen des heiligen Landes, und ganz besonders auf dem "kleinen Berge", dem Zion, wo sich ihm Gottes Liebe in der herrlichsten Weise geoffenbart hatte? Wir tun wohl daran, die auserwählten Gelegenheiten in unserem Gedächtnis zu bewahren, da wir vom HERRN trauter Gemeinschaft gewürdigt worden sind; wir mögen solche Erinnerung bald nötig haben, in Zeiten, wo der HERR uns in die Wüste führt und unser Herz vor Kummer krank ist. Gottes Huld, in vergangenen Tagen erfahren, ist schon manchem Verschmachtenden ein erquickendes Labsal gewesen; gleich einem sanften Lufthauch hat die Erinnerung daran schon manchmal den glimmenden Docht zu heller Flamme entzündet und das zerknickte Rohr aufgerichtet und verbunden. O du Tal Achor (Tal der Trübsal), wie könnt ich dein vergessen? Du bist mir zu einer Pforte der Hoffnung geworden! (Hos. 2,17 .) Ihr köstlichen Zeiten, ihr seid dahingeschwunden, aber ihr habt ein Licht hinter euch zurückgelassen, das mein gegenwärtiges Dunkel erhellt! Oder müssen wir übersetzen: Darum gedenke ich dein aus dem Lande des Jordans und der Hermonkuppen, vom Berge Mizar (dem kleinen Berge) her, so dass der Dichter damit das Ostjordanland, das Land seiner Verbannung, bezeichnete und sagen wollte, dass er auch von da aus des HERRN gedenke?5 Erklärt er wohl gar hiermit, dass er, Zeit und Ort vergessend, den Jordan so geweiht achte wie die Quelle Siloah, den Hermon so heilig wie den Zion, und selbst jenen unbedeutenden Hügel Mizar so herrlich wie die Berge, welche rings um Jerusalem her sind? Wohl dem, der also singen kann: Wo ich Ihn nur habe, ist mein Vaterland!

8. Eine Flut ruft der andern beim Rauschen deiner Wassergüsse . (Grundt.) Es ist, als reize dein strenges Verhalten gegen mich die ganze Schöpfung auf, mich anzugreifen. Die Fluten des Himmels und der Erde und der unterirdischen Örter6 rufen einander und reizen einander auf in schrecklicher Verschwörung, mir meine Ruhe zu nehmen. Wie sich bei einer Wasserhose die oberen und unteren Fluten die Hand reichen, so schienen sich dem Dichter Himmel und Erde zu vereinigen, um ein Unwetter über ihn zu entladen. Seine Leiden waren ein ununterbrochener überwältigender Schmerz. Woge folgte auf Woge, eine Sturzsee nahm das Getöse der vorhergegangenen auf. Die leiblichen Schmerzen erzeugten seelische Furcht, in sein Herz schlichen sich fanatische Einflüsterungen ein, die mit seinen argwöhnischen Vorahnungen übereinstimmten, und die Donnerschläge der äußeren Trübsale bildeten die erschütternde Begleitung der Klageseufzer seiner inneren Angst. Es war, als sollte seine Seele untergehen in dieser Sintflut von Trübsal, über deren Wogen die göttliche Vorsehung wie eine Wassersäule dahinschritt, deren erschreckende Majestät ihn mit Angst und Entsetzen erfüllte. Der so schwer Heimgesuchte kam sich vor wie eine einsame Barke auf weiter See, um welche ringsum die Wut des Sturmes losbricht, oder wie ein Schiffbrüchiger, der auf zersplittertem Mast dahintreibt und jeden Augenblick von der wilden Flut verschlungen zu werden erwartet. Alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich . Der Psalmdichter meinte, alle Trübsale, die es nur geben könne, seien mitsamt über ihn hereingebrochen. Aber das war eine Übertreibung seiner aufs höchste erregten Einbildungskraft; denn alle Wasserwogen und Wellen Jehovas sind nie über einen Menschen, außer über unsern Heiland, gegangen. Es gibt Tiefen des Leides, die der HERR in seiner Liebe seinen Kindern unbekannt bleiben lässt. Es ist einem kummervollen Herzen natürlich, sein Leid so grell wie möglich darzustellen; gut, dass sich hintennach herausstellt, dass der HERR in Gnaden nicht, wie wir gefürchtet hatten, gehandelt hat. Aber traurig war die Lage des Psalmisten. Er ist allein auf weiter Flut; atlantische Wogen wälzen sich in ununterbrochener Reihenfolge über sein Haupt, Wasserhosen kommen näher und näher, das ganze Weltmeer ist in Aufruhr wider ihn, der nur noch mühsam mit den sich brechenden und brausenden Wellen kämpft. Nicht wenige von denen, die ein Anrecht auf den Himmel haben, können sich das, was der Psalmsänger hier schildert, lebhaft vergegenwärtigen, weil sie Ähnliches durchgemacht haben. Von derartigen tiefen Erfahrungen wissen allerdings solche nichts, die im geistlichen Leben noch Kindlein sind; desto bekannter sind jene den gereiften Christen, welche mit den tiefen Wassern der Trübsal vertraut geworden sind. Solchen mag es ein Trost sein, daran erinnert zu werden, dass der HERR der Gebieter der Wasserwogen und Wellen ist: deine Wasserwogen, deine Wellen, sagt David. Von Gott ist jede einzelne derselben gesandt, er leitet sie alle, und sie müssen seine Absichten ausführen. Damit magst auch du dein Herz stillen, liebes Gotteskind.

9. Des Tages entbietet der HERR seine Gnade. (Grundt.) Es ist nie fruchtlos, des HERRN zu gedenken, wie der Psalmdichter es nach V. 7 tat; das ersehen wir aus der getrosten Glaubenssprache dieses Verses. Mag kommen, was will, es wird doch immer ein gewisses geheimes Etwas sein, das alles Bittere versüßt. Gottes Gnade ist ein sicherer Rettungsgurt, der uns in stürmischer See über Wasser hält. Das Tageslicht kann sich in unzeitiges, unheimliches Mitternachtsdunkel verkehren; aber die Liebe Gottes, die von alters her zum ewigen Teil der Auserwählten bestimmt ist, soll diesen nach unverbrüchlichem Recht auch nicht eine Stunde fehlen. Nie wird einem Erben der Gnade ein Tag anbrechen, wo er gänzlich von Gott verlassen wäre. Der HERR herrscht, und als Gebieter entbietet er mit Machtvollkommenheit seine Gnade zum Frommen der Seinen. Und des Nachts. Die beiden Hälften des Tages werden von Gottes sonderlicher Liebe erleuchtet, und kein Unwetter der Trübsal kann dies Licht verdunkeln. Unser Gott ist der Gott unserer Nächte sowohl als unserer Tage; niemand wird je den Israel Gottes unbewacht finden, welche Stunde es immer sein mag. Singe ich ihm. Lieder des Dankes für empfangene Gnaden machen die Düsternis der Nacht heiter. Die Trübsal mag unsre Kerze ausblasen; aber wenn sie unsern Gesang nicht zum Verstummen bringen kann, so wird das Licht bald wieder brennen. Und bete zu dem Gott meines Lebens. Bitte und Dank gehen Hand in Hand. Der lebendige Gott ist der Gott unseres Lebens ; von ihm haben wir das Leben erhalten, in seiner Gemeinschaft verbringen wir es in Gebet und Lobpreis, ihm weihen wir es, und in ihm wird es einst seine Vollendung finden. Des gewiss sein, dass beides, unsere Bittseufzer und unsere Loblieder, zu unserm großen Gott dringen, das heißt in der allertraurigsten Lage guten Grund zum Hoffen haben.

Fußnoten
5. Dies halten wir für die richtige Übersetzung und Auffassung. Der nun folgende Satz Spurgeons übersieht hingegen, dass der Dichter hier, wie im ganzen Psalm, sein Fernsein von Zion beklagt, sein Gedenken des HERRN also das der Sehnsucht ist.

6. Diese Auslegung beruht auf dem Targum, welches das zweimalige MOhtI: auf die über dem Himmelsgewölbe und unter der Erde befindliche Flut bezieht, so dass das Bild auf eine zweite Sintflut ginge.

7. Buchstäblich: unter Zermalmung in meinen Gebeinen schmähen mich meine Feinde, d. h., es ist dem Psalmisten bei ihrem Hohn, als zermalmten sie damit seine Gebeine.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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10. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen? Es ist dem Glauben unverwehrt, von seinem Gott über die Ursachen seiner Ungnade Aufklärung zu erbitten; ja es ist ihm sogar gestattet, in gewissem Sinne mit Gott zu rechten, nämlich ihn . an seine Verheißungen zu erinnern und zu fragen, warum er diese, dem Anschein nach, nicht erfülle. Suchen wir wirklich beim HERRN Zuflucht und finden wir keine, so ist es an der Zeit, die Frage aufzuwerfen: Warum das? Doch dürfen wir darum unsern Halt nicht fahren lassen; der HERR soll dennoch unser Fels bleiben: mein Fels. An ihn als unsere alleinige Zuversicht müssen wir uns klammern und uns nie unseres Anteils an ihm begeben. Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt? Er, der sich’s gefallen ließ, von seinem Freunde Abraham zur Rede gestellt zu werden (1. Mose 18,23 ff.), erlaubt auch uns, dass wir ihm die Fragen unseres geängsteten Herzens vorlegen, um den Grund seiner Strenge gegen uns zu erfahren. Er kann doch wahrlich kein Vergnügen daran finden, das Angesicht seiner Knechte von Tränen benetzt und verunstaltet zu sehen; ihm kann die Härte, mit der die Feinde sie anfahren, kein Ergötzen gewähren. Es ist unmöglich, dass ihm die Tyrannei, mit der Satan sie quält, eine Lust sein sollte. Warum gibt er sie denn so dem Hohn ihrer Widersacher, die doch auch die seinen sind, preis? Wie kann der starke Gott, der so fest und unveränderlich ist wie ein Fels, auch so hart und unbeweglich sein wie ein Fels gegen die, welche auf ihn trauen? Solch eindringende Fragen, in Demut dem HERRN vorgelegt, erleichtern oft die Seele. Wissen wir die Ursache dessen, was uns solchen Kummer macht, so sind wir auf dem besten Wege, zu erkennen, wie wir dem Leid entfliehen, oder doch wenigstens, wie wir es ertragen mögen. Gerade der Mangel an aufmerksamer Erwägung lässt uns das Unglück oft grauenvoller und hoffnungsloser erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. Es erregt unser tiefes Mitleid, wenn einem Menschen ein Glied abgenommen werden muss; doch wenn wir wissen, dass die Operation nötig war, um das Leben zu retten, so freuen wir uns bei der Kunde, dass sie glücklich ausgeführt worden ist. Ebenso wird die Trübsal in dem Maße leichter zu tragen, als sich der Zweck enthüllt, um dessentwillen Gott sie gesandt hat.

11. Es ist als ein Mord7 in meinen Gebeinen, dass mich meine Feinde schmähen. Grausame Spötteleien dringen tiefer als ins Fleisch; es ist dem Psalmdichter, als zerschmetterten ihm seine Feinde durch ihre Hohnreden wie mit Keulenschlägen die Gebeine. Wenn schmähende Vorwürfe nicht töten, so sind sie doch als ein Mord; der Schmerz, den sie verursachen, ist eine wahre Folterpein, und nur schwer heilen solche Wunden. Wenn sie täglich (wörtl.: den ganzen Tag) zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Das ist der unbarmherzigste Hieb, den man einem Gotteskind versetzen kann, da er sowohl die Treue des HERRN als den Charakter seines angefeindeten Knechtes angreift. So boshaft waren die Feinde Davids, dass sie diese grausame Frage, sobald sie ihnen eingefallen war, aussprachen, und das nicht einmal, sondern wiederholt, immer und immer wieder Tag um Tag, und zwar gegen David selbst. Wahrlich, das unaufhörliche Gekläff der Hunde, die ihm stets auf den Fersen waren, wäre genug gewesen, ihn wahnsinnig zu machen, und es wäre vielleicht wirklich so weit gekommen, wenn er nicht zum Gebet seine Zuflucht genommen und die Verfolgungen seiner Widersacher als Beweggrund zur Hilfe vor Gott geltend gemacht hätte.

12. Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Der Psalmist hat sich seinen ganzen Kummer wieder vorgeführt, findet aber bei alledem keinen hinreichenden Grund, so unruhig zu sein. Er hat seinen Befürchtungen ins Angesicht geschaut und findet sie nicht so überwältigend, wie sie geschienen hatten, da sie noch im Dunkel verborgen gewesen waren. Harre auf Gott. Lass deinen Anker in diesem sichern Grunde eingesenkt bleiben. Gott ist treu, er ist die Liebe, darum bleibt noch Raum und vernünftiger Grund zum Hoffen. Denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist . Das ist der gleiche hoffnungsfreudige Ausspruch wie Vers 6, nur dass hier (im überlieferten Text) statt seines Angesichts Hilfe meines Angesichts Hilfe, d. i. die mein Angesicht erheiternde Hilfe, steht und überdies hinzugefügt ist: und mein Gott. Das letztere zeigt, dass der Dichter in seiner Glaubenszuversicht erstarkt ist und nun imstande ist, die hämische Frage: "Wo ist nun dein Gott? " mit kühnem Freimut zu beantworten. Mein Gott ist hier, ja, er ist hier, mich zu erretten. Ich schäme mich nicht, ihn all euren Sticheleien und Schmähreden zum Trotz als meinen Gott zu bekennen, denn er wird mich aus euren Händen erlösen. So führt der Glaube den Kampf zum Sieg. Das betrübteste Angesicht muss noch heiter werden, wo man Gott beim Wort nimmt und seiner Hilfe harrt.

Erläuterungen und Kernworte

Zur Überschrift. Jener Korah, dessen Söhne oder Nachkommen hier genannt sind, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Levit, welcher den Aufruhr gegen Mose und Aaron in der Wüste ins Werk setzte. (4. Mose 16 .) Wir finden seine Nachkommen zur Zeit Davids als eine einflussreiche levitische Familie, vorausgesetzt, dass wir in ihnen mit Recht dieselben Leute wie die in 1. Chr. 12,6 erwähnten Korahiter sehen, die es, darin an unsere kriegerischen Bischöfe früherer Zeiten erinnernd, verstanden zu haben scheinen, unter Umständen den priesterlichen Leibrock mit dem Harnisch zu vertauschen, und deren Hand ebensogut das Schwert zu führen wie die Harfe zu spielen geübt war. Zu diesen Korahitern gehörten etliche der Helden, welche sich zu Ziklag um David als ihren Führer scharten. Nach 1. Chr. 9,19 hüteten die Korahiter zur Zeit Davids die Schwellen des heiligen Zeltes, wie schon zu Moses Zeiten ihre Väter im Lager des HERRN des Eingangs gewartet hatten. In 1. Chr. 26,1-19 finden wir zwei Zweige dieser Familie mit den Kindern Merari als Torhüter am Heiligtum, und in Ps. 84, 11 haben wir wahrscheinlich eine Anspielung auf dies ihr Amt. Aber die Söhne Korahs waren auch berühmte Musiker und Sänger; man schlage 1. Chr. 6,16-32 nach, wo Heman, einer der drei großen Sangmeister jener Zeit, als dem Geschlechte Korahs angehörig bezeichnet wird (vergl. 1. Chr. 25). Und noch zu Josaphats Zeiten (2. Chr. 20,19) stand dieselbe Familie im Rufe musikalischer Tüchtigkeit. J. J. Stewart Perowne 1864.

Ausleger des Mittelalters machen darauf aufmerksam, dass es im Fall der Söhne Korahs , wie sonst oft, der Wille Gottes gewesen sei, gerade da Exempel der Gottseligkeit auszustellen, wo man sie am wenigsten suchen würde. Wer hätte wohl gedacht, dass aus den Nachkommen des Mannes, der sich so freventlich wider Mose und Aaron empört hatte, jene frommen Sänger erstehen würden, deren liebliche Psalmen ein Erbteil der Gemeine Gottes bis zum Ende der Zeiten sein werden? John Mason Neale 1860.

Zum ganzen Psalm. Psalm 42 mit seinem Refrain: "Was betrübst du dich, meine Seele?" hat Zwinglis Nachfolger, Antistes Heinrich Bullinger († 17. Sept. 1575), in seinen letzten Schmerzen gebetet; ebenso der alte fromme Pfarrer Aloys Henhöfer und der heldenhafte Admiral Michael de Ruyter (1676), dem eine Kanonenkugel beide Beine zerschmettert hatte. A. von Salis 1902.

V. 2. Ich habe um die Wasserbäche in den großen Wüsten Zentral-Syriens sich ganze Rudel solcher lechzenden Hirsche sammeln sehen, die so vom Durst überwältigt waren, dass man ganz nahe an sie herankommen konnte, ehe sie flohen. W. M. Thomson 1859.

Unsere Zecher, die ein so großes Vergnügen daran finden, das Wirtshaus zu besuchen, lassen sich’s nicht träumen, dass die Gottseligen noch viel größere Freude am Besuchen des Gotteshauses haben. Aber von solcher heiligen Freude hat Gott schon vor langem durch den Propheten weissagen lassen: "Dieselbigen (die sich zum HERRN getan haben) will ich zu meinem heiligen Berge bringen und will sie erfreuen in meinem Bethause." (Jes. 56,7 .) Wie weideten sich die Frommen des alten Bundes an den schönen Gottesdiensten des HERRN! Wenn sie sie nur eine kleine Weile entbehren mussten, so verschmachtete ihr Herz vor Sehnsucht. Den armen nach Babel Verbannten kam die Stadt Gottes nie aus dem Sinn. "Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde meiner Rechten vergessen." Ja sie schätzten die Freuden des Heiligtums über alles: "Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich dein nicht gedenke, wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein." (Ps. 137,5 f.) In Ps. 84,11 sagt der Psalmdichter: "Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend. Ich will lieber der Tür hüten in meines Gottes Hause, denn wohnen in der Gottlosen Hütten." Und der eine große Wunsch Davids war, dass er im Hause des HERRN möge bleiben dürfen sein Leben lang. Zachary Bogan † 1659.

Sieh, wie der Psalmist, ein bedauernswerter, aus seinem Vaterlande verbannter Mann, sich in diesem großen Leid benimmt - wie verschieden von Themistokles oder Camillus oder andern ähnlichen berühmten Männern, die wie er in der Verbannung leben mussten. Er beklagt sich nicht über die Undankbarkeit seines Landes, über die Bosheit seiner Widersacher oder über das Unglück, das ihn getroffen hat. Nein, nicht Murren, sondern Sehnsucht erfüllt eine Seele, und zwar Sehnsucht nach Gott allein. Nathanael Culverwell 1650.

Fußnote
7. Buchstäblich: unter Zermalmung in meinen Gebeinen schmähen mich meine Feinde, d. h., es ist dem Psalmisten bei ihrem Hohn, als zermalmten sie damit seine Gebeine.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 3. Es war dem Psalmsänger bei seinem Verlangen nach dem Hause Gottes und den Festen des HERRN um Gott zu tun. Nach Gott dürstete seine Seele. Sieh zu, dass du bei deinem Beten, Singen, Predigthören usw. wirklich Gemeinschaft mit Christo genießest, und suche ihn, bis er sich dir offenbart. Bradford, der Märtyrer († 1555), sagte, er könne nicht ablassen, seine Sünden zu bekennen, bis er finde, dass sein Herz wirklich zerknirscht sei, nicht mit Flehen, bis sein Herz von der Schönheit der begehrten Segnungen hingenommen sei, nicht mit Danken, bis sein Herz sich durch das Danken neu belebt fühle, nicht mit irgendeiner gottesdienstlichen Übung, bis sein Herz dadurch in die rechte innere Verfassung gebracht und mit Christo selber in Gemeinschaft getreten sei. So sagt auch Bernhard von Clairvaux († 1153): Nunquam abs te absque te recedam Domine, d. h.: Nie will ich von dir gehen, HERR, ohne dich. Und Augustinus († 430) sagt, er finde an Ciceros feinen Reden nicht mehr (wie früher) Gefallen, weil er Christum nicht in ihnen finden könne. Ja, es ist so, blumenreiche Reden, kunstvolle, aber geistlose Gebete und Predigten sind für eine nach Gott dürstende Seele nicht nährendes Brot, sondern klingende Schellen, und sie lässt sich nicht mit windbeuteligen Phrasen oder den Ohren schmeichelnden, aber nicht von Herzen kommenden und darum nicht zu Herzen gehenden Reden und Gesängen befriedigen. Wenn Christus mit dir redet, dann wird dein Herz dir brennen. (Lk. 24,16.32.) Christopher Neß 1679.

Nach dem lebendigen Gott. In drei Beziehungen namentlich wird in der Schrift unser Gott der lebendige Gott genannt. Erstens, weil er allein das Leben in sich selber und aus sich selber hat und er somit der Ursprung des Lebens ist. Zweitens, weil er allein aller Kreatur das Leben gibt. Das natürliche, das geistige und das ewige Leben fließt uns aus Gott zu. Drittens wird Gott der lebendige Gott genannt im Gegensatz zu den falschen Göttern. Thomas Horton † 1673.

Der Psalm lässt uns einen tiefen Blick tun in des Königs Herz. Das erweckt mehr als alles seinen Schmerz, dass er von Gott, dessen Haus und Gemeinde geschieden ist. Vergl. 2. Samuel 15,25: Werde ich Gnade finden vor dem HERRN, so wird er mich wiederholen und wird mich sie (die Lade) sehen lassen und sein Haus. - Nach Prof. Joh. Wichelhaus 1891.

Ein gottloser Mensch kann nie im Ernst sagen: Wann werde ich hingelangen und vor Gottes Angesicht erscheinen? (Grundt.) denn er wird ja nur zu bald vor Gott treten müssen, ehe er will und ohne dass er es will. Man vergleiche, wie die Dämonen sagten, Christus sei gekommen, sie zu quälen, ehe denn es Zeit sei. Frage einen Dieb oder andern Missetäter, ob er willig vor dem Richter erscheine. Nein, ich versichere dir, mit Willen tritt er nicht vor ihn; er möchte, dass es gar keinen Richter gäbe, vor dem er erscheinen müsste. Und so haben es auch die Weltmenschen in Bezug auf Gott; sie wünschten nichts lieber, als dass sie vor ihm verborgen bleiben könnten. Thomas Horton † 1673.

Wenn wir in der Kirche gewesen sind, lasst uns uns selber prüfen, was wir dorthin gegangen sind zu sehen. Schöne gottesdienstliche Formen? Oder einen beredten Kanzelredner? Wahrlich, dann wäre es eben so weise (nur ein gut Teil unschuldiger) gewesen, wenn wir in die Wüste hinausgegangen wären, ein Rohr zu sehen, das vom Winde bewegt wird (Lk. 7,24). Können wir wie jene Griechen, die zum Laubhüttenfest nach Jerusalem hinaufgekommen waren, sagen: Wir wollten Jesum gerne sehen? (Joh. 12,21.) Oder wie Absalom (2. Samuel 14,32): Was nützt mich’s, dass ich nach Jerusalem gekommen bin, wenn ich das Angesicht des Königs nicht sehen soll? Es nützt uns in der Tat wenig oder nichts, dass wir zur Kirche gehen, wenn wir nicht Gott dort suchen und vor seinem Angesicht erscheinen. Isaak Watts † 1748.

Du magst es versuchen, einen hungrigen Säugling mit allerlei Spielzeug und hübschen Sächelchen zu vertrösten; er wird nicht lange damit zufrieden sein, sondern bald wieder nach der Mutterbrust schreien. So geht’s auch, wenn ein Prediger allerlei feine lateinische und griechische Sprüchlein auf die Kanzel bringt oder seine Zuhörer mit wohlklingenden Phrasen und schönen Geschichtchen abspeist; hungrige Seelen lassen sich damit nicht stillen, sie begehren nach der lautern Milch des Worts. Oliver Heywood † 1702.

V.4. Weil man täglich zu mir sagt usw. Sie reden nicht nur über ihn, sondern zu ihm; sie sagen ihm ins Angesicht, dass Gott ihn verlassen habe, als wären sie jeden Augenblick bereit, dies als eine unbestreitbare Tatsache zu erweisen. Jemand hinter seinem Rücken verleumden beweist mehr Gemeinheit, dagegen verraten solch offene Vorwürfe ein größeres Maß von Roheit, Schamlosigkeit und Unverschämtheit; und dieser Untugenden machten sich die Feinde Davids in diesem Fall schuldig. D. Thomas Horton † 1673.

Wo ist nun dein Gott? Gotteskinder sind in ihrer Eigenschaft als Menschen empfindlich gegen Verwürfe; aber als Christen finden sie es vor allem unerträglich, wenn das, was sie glauben, und namentlich der Gott, dem sie dienen, und ihr Verhältnis zu ihm die Zielscheibe der Angriffe bilden. Die Lästerer, welche den Psalmisten täglich mit ihren höhnenden Reden quälten, waren nicht so freche Atheisten, dass sie das Dasein Gottes in Zweifel gezogen hätten, wiewohl sie nicht viel besser waren; sie machten dem Knecht des HERRN vielmehr die besondere Verbindung mit Gott, deren er sich rühmte, zum Vorwurf: "Wo ist nun dein Gott? Du wolltest ja einer von Gottes Lieblingen sein; du meintest ja, niemand diene Gott so wie du; du hattest die Frömmigkeit für dich gepachtet, und Gott sollte ganz speziell dein Gott sein. Nun, wie steht’s denn jetzt mit dem, was du vorgegeben hast? Was hast du nun von all deinem Eifer und deiner übertriebenen Frömmigkeit? Was ist es nun mit deinem Gott, mit dem du so geprahlt hast, und in dem du dich so glücklich fühltest, als ob er einzig dein Gott und sonst niemandes Gott wäre?" Solche Stichelreden brauchen die Gottlosen gern gerade gegen die besten Menschen, zumal wenn diese im Elend sind, und wir mögen daraus die Bosheit der Gottlosen recht erkennen; denn es ist ein Zeichen einer ganz vergifteten und fluchwürdigen Gesinnung, wenn man einen redlichen Menschen mit seiner Frömmigkeit aufzieht. Aber was wollten sie damit? Der Zweck war noch schlechter als die Worte selbst. Der Zweck war, seinen Glauben, sein Gottvertrauen zu erschüttern, und das war es, was ihm so nahe ging. Der Teufel weiß gar wohl, dass es verlorene Mühe ist, einen Menschen zu quälen, solange dessen Gemeinschaft mit Gott ungetrübt bleibt. Darum sucht er die beiden zu entzweien, klagt Gott beim Menschen und den Menschen bei Gott an. Er weiß, dass nichts in aller Welt Gott widerstehen kann. Solange wir Gott zu unserer Zuversicht haben, sind alle eine Anläufe vergeblich. Darum sucht er uns von Gott loszubringen. "Wo ist dein Gott?" Mit solcher Frage machte er sich an den Heiland selber. "Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden." (Mt. 4,3 .) Er wollte ihm Zweifel an seiner Gottessohnschaft einflüstern. Der Satan hat sich einst selbst von Gott losgerissen, und seither geht sein ganzes Bestreben daran, auch andere von Gott zu scheiden, und er hat sogar versucht, zwischen Gott dem Vater und dem Sohn eine Kluft zu machen. So arbeitet er auch darauf hin, die Christen von ihrem Haupte, Christus, zu trennen. O dass uns stets bewusst sei, was er im Sinn hat! Richard Sibbes † 1635.

In den französischen Religionskriegen verwendeten die fanatisierten Pöbelhaufen und die Henker die Psalmen in ihrer Weise. Im Massacre von Orange rissen sie Blätter aus den Psalmbüchern und steckten sie den Erschlagenen in ihre Wunden. Die Soldaten Montlucs sagten höhnisch ihren Opfern Psalmworte vor, wie: "Wo ist nun dein Gott?", ohne zu merken, unter was für ein Gericht sie sich damit stellten. Psalms 42; 50; waren den Henkern besonders ärgerlich und verhasst. A. von Salis 1902.

V. 5. Wenn ich dessen gedenke. (Grundt.) Der Segen der Gottesdienste ist so groß, dass er auch selbst in der Erinnerung noch eine angefochtene Seele vor Verzweiflung bewahren kann. Gen.-Sup. D. Bernhard Moll † 1878.

Die Erinnerung an die Freuden, welche er früher genossen hatte, lockte dem Psalmsänger nur desto heftiger die Tränen hervor. Im Elend vermehrt es unseren Jammer, dass wir einst glücklich gewesen sind. Es hat eine Zeit gegeben, klagt die arme Seele, da mich der Gedanke an Gott mächtig tröstete, weil ich ihn meinen Gott nennen konnte. Solch einen Gott verlieren, der meine Freude und Wonne war, das ist der schlimmste aller meiner Verluste und der schrecklichste aller meiner Schrecken. Einst konnte ich mit Zuversicht zu ihm flehen und mein Herz im Gebet erleichtern; aber jetzt fehlt mir aller Freimut, vor ihn zu treten, ich habe keine Hoffnung, erhört zu werden, und sehe auch keine Wirkung von meinen Gebeten. Es gab eine Zeit, wo ich mit Freuden in dem Worte Gottes lesen, die Verheißungen in meinem Herzen aufspeichern und gleichsam das Gelobte Land als mein Erbe überschauen konnte; aber jetzt wage ich kaum einen Blick in die Bibel zu werfen, aus Furcht, meine eigene Verdammung darin zu lesen. Der Sonntag war mir früher ein Vorgeschmack des Himmels, aber jetzt ist er mir, so gut wie die übrigen Tage, ein trüber, trauriger Tag. Ehemals war Jesu Name meine Wonne, ich "saß unter seinem Schatten" (Hohelied 2,3) und genoss seine Liebe; aber jetzt ist meine Seele gleich den Wüsten Arabiens, ich bin ausgedörrt von brennender Hitze. Einst grünte und blühte ich in den Vorhöfen des HERRN, doch nun ist all meine Frucht versengt und verwelkt. Hätte ich nie das Evangelium gehört, ich hätte nicht so voll Jammers sein können, wie ich es jetzt bin; hätte ich Gott nie gekannt, so wäre meine Lage, so schrecklich sie wäre, doch nicht so entsetzlich wie jetzt. O, dass ich wäre wie in den vorigen Monden, in den Tagen, da Gottes Leuchte mir über meinem Haupte schien! (Hiob 29,2.) Timothy Rogers † 1729.

Hätte der Psalmist Vater, Mutter, Weib, Kinder, Vermögen, Freiheit, ja sein Leben verlieren müssen, es wäre ihm nicht so nahe gegangen wie diese Entbehrung der Gemeinschaft mit Gott. Henry Smith † 1591.

Woran unser Herz hängt, das erweist sich auffällig daran, was für Dinge uns Gegenstand sehnsuchtsvollen Gedenkens sind. Henry March 1823.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 6. Athanasius der Große († 373) riet einem seiner Freunde, er solle, wenn eine Trübsal über ihn komme, diesen 42. Psalm lesen; es gebe nämlich ebensowohl eine Methode, Gleiches durch Gleiches zu heilen, wie durch das Gegenteil.
Was betrübst du dich? Man beachte die (auch im Grundt.) aktive Form des Zeitworts, wörtlich: Warum beugst du dich nieder, meine Seele? Daraus mögen wir entnehmen, dass Gottes Kinder durch eigene Schuld zu tief bekümmert sein können. Nicht Gott und nicht der Teufel drückt dich so tief nieder, sondern du selber tust es. Christopher Love † 1651.

Wann immer dich Kummer niederdrückt, so lege deiner Seele die Frage vor, die der Psalmsänger hier dreimal an sich richtet: Warum betrübst du dich, meine Seele, und warum bist du so unruhig in mir? Ohne Zweifel wird die Seele dir antworten: Meine Schwermut und Unruhe kommt vom Unglauben her. Du magst die Krankheit an dem Heilmittel erkennen, das in den nächstfolgenden Worten angegeben ist: Harre auf Gott . Aller Herzenskummer hat seinen eigentlichen Grund in unserm Unglauben und nicht in der Größe des Unglücks, das uns getroffen hat. Ich rede von solcher Traurigkeit, die die Seele verwüstet; denn die göttliche Traurigkeit hat göttliche Freude zur Gefährtin. Es ist nicht so sehr das Gewicht der Bürde wie der wunde Rücken, was das bedauernswerte Lasttier so quält; so ist es auch wohl nicht der Druck der äußeren Übel, was uns arme Geschöpfe so peinigt und beunruhigt, als vielmehr dies, dass unser Gewissen verwundet und nicht gereinigt und geheilt ist. Matthew Lawrence 1657.

Bedenke doch nur, meine Seele, in wie vielen Beziehungen du Gottes Walten in deiner Trübsal erkennen kannst. 1) Ist sie etwa über dich gekommen, ohne dass Gott es wusste? Warum bist du denn dann so beunruhigt? Dein Vater weiß um dein Unglück, und er hätte gewiss dessen Lauf gehemmt, wenn das für dich gut gewesen wäre. 2) Ist deine Trübsal ohne Gottes Befehl gekommen? Wenn nicht, warum bist du so unruhig? Es ist der Kelch, den dein Vater dir gibt; willst du ihn nicht trinken? 3) Ist es deines Vaters Wille, dass du leiden sollst, und solltest du dich wider ihn auflehnen wollen? 4) Hat Gott dir etwa mehr Leid auferlegt, als er hätte tun dürfen? Was murrst du denn, als ob er dir unrecht getan hätte? 5) Ist nicht auch diese Führung eine seiner weisen Taten? Wie kannst du deinen törichten Willen über seine unendliche Weisheit stellen? 6) Ist nicht sein Weg ein Weg der Gnade? Wie kommt es denn, dass du darauf stolperst, als ob er voller Steine läge? 7) Ist, was dir begegnet ist, gut? Was haderst du denn mit Gott, als wäre es etwas Böses? 8) Leidest du nicht immer noch weniger als andere Menschen, andere Gotteskinder, ja Gottes eingeborener Sohn selbst gelitten hat? Hast du dann Ursache zur Klage? 9) Leidest du nur nach Verdienst, und sogar weniger, als du verdient hast? Und sollte ein Mensch, dem Gott noch das Leben geschenkt hat, sich darüber beklagen, dass er für seine Sünden gezüchtigt wird? 10) Züchtigt dich der HERR mit Maßen und ist der bittere Trank dir mit Sorgfalt angeordnet von des Arztes Hand, in kleinen Portionen, im genauen Verhältnis zu dem, was du vertragen kannst und zu der Kraft, die er selber dir darreichen will? Warum bist du denn so aufgeregt? Hat deine Züchtigung nur den Zweck, dich von alten Sünden zu reinigen und vor neuen zu bewahren? Und merkst du schon jetzt etwas von ihrer guten Wirkung? Wohlan, dann beruhige dich, sei getrost, Gott wird’s zum rechten Ende führen! John Collinge 1652.

Und bist du so unruhig in mir, wörtlich: tobst du in mir? Das Wort wird sehr häufig vom Tosen und Wogen der See gebraucht, z. B. Jes. 17,12; Jer. 5,22; 6,23; 51,55; Henry March 1823.

Harre auf Gott. Macht dich deine Ungeduld in der Trübsal missmutig und quält dich der Geist der Unzufriedenheit, so denke nicht, es sei genug, wenn du dein Herz soweit beschwichtigt hast, dass es nicht mehr mit Gott hadert, sondern ruhe nicht, bis du dein Herz dazu gebracht hast, mit stiller Zuversicht auf Gott zu trauen. Auch der Dichter dieses Psalms tadelte seine Seele nicht nur wegen ihrer Unruhe, sondern forderte sie auch auf, glaubensvoll auf Gottes gewisse Hilfe zu harren. William Gurnall † 1679.

Eine gewisse Alice Benden saß mit andern um des Glaubens willen in dem Schloss zu Canterbury gefangen, wurde aber nach einiger Zeit auf Befehl des Bischofs in einen tiefen Kerker geworfen, wo keiner ihrer Gesinnungsgenossen zu ihr kommen konnte. Dort saß sie auf ein wenig Stroh, an einer Mauer, die Füße in den Stock geschlossen. Die ihr gereichte Nahrung - ein wenig Brot und Bier - schützte sie nur vor dem Hungertode, und es durfte ihr auch für ihr Geld nicht mehr gereicht werden. Diese traurige Lage drückte sie so nieder, dass sie ihr Elend bitter beweinte und bejammerte und darüber brütete, warum der HERR, ihr Gott, sie doch so schwer heimsuche, und warum er es zugelassen habe, dass man sie der tröstlichen Gemeinschaft ihrer liebevollen Mitgefangenen beraubt habe. In diesem Zustand tiefer Schwermut blieb sie, bis ihr in einer Nacht die Worte des Psalmisten: "Was betrübst du dich usw.; harre auf Gott " und die andern: "Aber doch sprach ich: Ich muss dies alles leiden; die rechte Hand des Höchsten kann alles ändern" in den Sinn kamen, wodurch sie mächtig getröstet wurde mitten in ihrem Elend. Und fortan blieb sie fröhlich, bis die Stunde ihrer Befreiung schlug. Samuel Clarke † 1682.

Das törichte Vöglein, das in einem Zimmer gefangen ist, dessen Türen und Fenster verschlossen sind, stößt gegen Wände und Scheiben, bricht sich die Federn aus und verletzt sich schwer, während es doch, wenn es nur in Geduld harren wollte, bis man ihm den Ausweg geöffnet hat, unverwundet davonkommen könnte. Gerade so geht es uns; denn wenn der HERR uns einschließt und uns für eine Weile die Freiheit nimmt, wollen wir uns selber den Ausweg bahnen, machen viele Pläne und möchten wohl gar durch die Wände seiner Vorsehung brechen; während wir, wenn wir nur Gottes Zeit abwarten, auf sein Wort bauen und uns seiner Hand überlassen wollten, die Gefangenschaft viel leichter ertragen und mit viel weniger Schaden zu guter Zeit zur Freiheit kommen könnten. Denn Gott ist unwandelbar; was er uns zugesagt hat, das hält er gewiss. John Barlow 1618.

Denn ich werde ihm noch danken usw. Wenn man sagen kann: "Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank", dann kann man auch sagen: "Die Krankheit ist nicht zum Tode". (Joh. 11,3 f.) Wer hätte, als Jona im Meer war, denken können, dass er noch in Ninive predigen werde? Oder wer hätte von Nebukadnezar, als er in eisernen und ehernen Ketten mit den Tieren auf dem Felde weidete, meinen können, dass er wieder in Babel auf dem Thron sitzen werde? Wer hätte gedacht, als Joseph von seinen Brüdern verkauft wurde, dass diese seine Brüder noch einmal sein Antlitz suchen würden, als ob sie seine Sklaven wären? Wer hätte sich’s träumen lassen, als Hiob auf dem Aschenhaufen saß und sich die Schwären schabte, seine Häuser verbrannt, sein Vieh geraubt, seine Kinder dahingerafft waren, dass er noch einmal reicher werden würde, als er je gewesen? Ja, das sind Wunder der göttlichen Barmherzigkeit, ob denen die Gerechten fröhlich rühmen. Henry Smith † 1591.

V. 7. Mein Gott . Wer wagt es, den Schöpfer der Welt, die erhabene himmlische Majestät, also anzureden? Ein Verbannter, der ruhe- und heimatlos umherirrt, ein Ausgestoßener; ein Mensch, den alle im Stich gelassen haben, alle verachten und schmähen; ein Elender, dessen Seele aufs tiefste niedergedrückt und beunruhigt ist; der wagt es. Und auf Grund welches Rechts? Auf Grund des Bundes. Henry March 1823.

Darum. Gerade weil meine Seele so bekümmert und verzagt ist, darum will ich deiner gedenken . Ich will dessen gedenken, wie herablassend du dich stets zu den Deinen neigst, wenn sie in Elend und Drangsal sind; wie bereit du stets bist, sie an dein Herz zu drücken, wenn sie von den Menschen im Stich gelassen oder verstoßen sind; wie leutselig und geduldig du ihre Klagen anhörst, wenn sie ihre Seele vor dir ausschütten. Ich will dessen gedenken, wie gütig du gegen mich in vergangenen Zeiten gewesen bist, wie du mein Elend angesehen, auf die Stimme meines Flehens gehört und mich aus der Trübsal errettet oder aber mir Kraft gegeben hast sie zu ertragen. Ich will dessen gedenken, wie oft ich deine Gnadennähe empfunden habe, wenn ich in deinem Heiligtum vor dich trat und dich dort mit deinen Heiligen pries. Ich will gedenken, wer du bist, wie würdig du dessen bist, dass ein Verlassener und Betrübter wie ich auf dich traue. Denn ob ich arm bin, du bist reich; ob ich schwach bin, du bist mächtig; ob ich tief unglücklich bin, du bist der Selige. Und ich will dessen gedenken, dass du mein Gott bist, dass du dich meiner Seele geoffenbart hast, dass du mir Gnade gegeben hast, dich als mein Teil zu erwählen, und dass ich in meinem Vertrauen noch nie zuschanden geworden bin. Ich will gedenken des Wortes der Verheißung, auf welches du mich lässest hoffen und dem du bisher treu gewesen bist und in alle Zukunft gewisslich treu sein wirst. - O glücklich sind mitten in ihrer Unglückseligkeit die Seelen, die in der Anfechtung also zu ihrem Gott Zuflucht nehmen können. Henry March 823.

V. 8. Auch das Schöne, ja Schönste bietet dem Tiefbetrübten Analogien und Bilder für seine trüben Erfahrungen, die seine Betrübnis noch steigern. Prof. Fr. W. Schultz 1888.

Eine Flut ruft der andern beim Rauschen deiner Wasserfälle. Die wasserreiche Gegend, in der sich der Dichter befand, legte es ihm nahe, dies anschauliche Bild seiner innern Verfassung zu gebrauchen. Er sah die Wasserfälle sich von den Felsen stürzen, er hörte ihren Widerhall, und es war ihm, als riefen sie einander zur Hilfe auf wider ihn; so, sagt er, gehen auch alle deine Wasserwogen und Wellen, das ist, die Trübsale und Anfechtungen, über mich. John Morison 1829.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps42

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V. 9. Einem gottseligen Menschen sind Tag und Nacht gleich. Denn was für eine Nacht kann es für den geben, der Gott allezeit bei sich hat, welcher ihm Sonne und Schild, Licht und Schutz ist und ihm sein Gnadenantlitz leuchten lässt? Er kann sagen: So ich im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht (Micha 7,8), und: Der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis licht (Ps. 18,29). Ja, die stillen nächtlichen Stunden sind dem Gotteskinde oft besonders lieb, weil es da am ungestörtesten die Gemeinschaft mit seinem Gott genießen kann. Des Nachts ist sein Lied bei mir, sagt der Psalmist hier; sein Lied, nämlich das er mir eingibt8, der Lobgesänge gibt in der Nacht (Hiob 35,10). Fleischlich gesinnte Menschen mögen denken, wir träumten und die Musik und die Gesänge, davon wir reden, seien nichts als Einbildungen eines kranken Hirns; aber wie Petrus am Pfingsttage von denen, auf die der Heilige Geist gekommen war, bezeugte: "Diese sind nicht trunken, wie ihr wähnet," so antworten auch wir: Nein, die Gottseligen sind nicht irre, wie ihr wähnet, und ihre nächtlichen Gesänge sind nicht Ausgeburten einer kranken Fantasie, sondern ein Gnadengeschenk ihres Gottes. Zachary Bogan † 1659.

V. 10. Gott, mein Fels. David war ein Flüchtling, fast ohne Verteidigungsmittel und beständig verfolgt von zahlreichen, mächtigen Feinden. Die Gegend, wo er umherirrte, war gebirgig, und er suchte und fand oft Zuflucht auf den Spitzen jäher Felsen oder in den von der Natur gebildeten Höhlen und Klüften. Da sich ihm so der Begriff der Bergung und der Sicherung gegen Angriffe mit dem des Felsen und der Felsenkluft verbunden hatte, wie natürlich war es da für ihn, Gott als seinen Beschützer seinen Fels (oder hier eigentlich: seinen Hort) zu nennen. - Warum hast du mein vergessen? Der Psalmist meinte nicht, er sei buchstäblich von Gott vergessen und aufgegeben; hatte er doch noch Vertrauen genug zu Gottes Treue, dass er bei ihm Zuflucht suchte und auf seine Gnade hoffte. Die Worte sind zu betrachten als Ausdruck dessen, was er fühlte, nicht als Urteil des Verstandes. Dem Anschein nach und seinem Gefühl nach war er von Gott vergessen. Die fühlbaren und sichtbaren Erweisungen der göttlichen Huld, die sein Herz in früheren Zeiten eben als Beweise dafür, dass Gott seiner gedenke, so erquickt hatten, waren ihm jetzt vorenthalten, gerade jetzt, wo sie ihm wegen seiner bedrängten und verlassenen Lage so besonders notwendig und begehrenswert erschienen; daher kam es, dass es ihm war, als sei er von Gott vergessen und im Stich gelassen. Henry March 1823.

V. 11. Meine Feinde. Der Teufel hat sich noch nicht bekehrt, und er wird sich auch nie zum Guten wenden; denn er ist in unlösbaren Fesseln der Sünde, er kann nicht mehr anders. Er ist, seinem innern Zustand nach, schon in der Hölle, wiewohl er noch eine gewisse Freiheit hat, auf Erden Unheil anzurichten. Solange aber der Teufel nicht gut geworden ist, wird es Gottes Kindern nie an Feinden fehlen. Er wird nie gut werden; darum müssen die Gottseligen dessen gewärtig sein, allezeit Feinde zu haben, solange der Teufel für seine Bosheit in der Welt noch Spielraum hat. Und zwar haben wir uns solcher Feinde zu versehen, die ihre Bosheit nicht verbergen. Das wäre schon etwas, wenn sie ihre Schlechtigkeit nur im Innern ihres Herzens wollten kochen und schäumen lassen; aber wes das Herz voll ist, des wird auch stets der Mund übergehen. Richard Sibbes 1635.

Täglich, wörtlich: den ganzen Tag. Sieh, wie beharrlich sie sind in ihrer Bosheit. Jeden Tag und den ganzen Tag schmähen und lästern und sticheln sie. Sie beginnen früh am Morgen und halten sich dran, bis es Nacht ist, wie es die echten Schwätzer zu tun pflegen; und sie fangen die Woche damit an und fahren fort, bis mit der neuen Woche die alte Bosheit ihr Werk neu beginnt. Der Psalmist konnte nie mit ihnen in Berührung kommen, ohne dass er solche Reden aus ihrem Munde hören musste. Thomas Horton † 1673.

So klein die Bremsen sind, jagen sie doch das edle Ross zur Verzweiflung. So litt auch David unter den Sticheleien seiner Feinde. Frederick W. Robertson † 1853.

Wo ist dein Gott? David hätte eher zu ihnen sagen können: Wo habt ihr eure Augen? Denn wiewohl er vom irdischen Heiligtum verbannt war, hatte Gott doch ein Heiligtum in seiner Seele. (Vergl. Jes. 57,15) Aber diese fleischlich gesinnten Menschen hatten für das Göttliche in David kein Auge, und ebensowenig verstanden sie etwas von den geheimnisvollen Wegen, welche Gott seine Kinder führt. Darum ist ihre unvernünftige Frage ein Zeichen ihrer gottentfremdeten Gesinnung. Richard Sibbes 1635.

Gott leistet seinen Kindern Gesellschaft, nicht nur, wenn sie in einem wonnigen Paradiese sind, sondern auch in der Wüste. Als einst eine Schar Christen in die Verbannung ging, sagte einer von denen, die dem traurigen Zuge zusahen, die Armen seien doch sehr zu bedauern, dass sie so aus der Gesellschaft der Menschen ausgestoßen und zu Gefährten der Tiere des Feldes gemacht würden. Darauf sagte ein anderer: Allerdings wäre ihre Lage traurig, wenn sie an einen Ort verbannt würden, wo sie ihren Gott nicht finden könnten; aber sie mögen guten Muts sein, denn Gott gehe mit ihnen, und er werde sie seine trostreiche Gegenwart erfahren lassen, wo immer sie seien. Thomas Brooks † 1680.

V. 12. Ahme das Beispiel des Psalmdichters nach, statt dich unnützem Grämen und Grübeln hinzugeben. Fordere deine Seele vor den Richterstuhl deines Geistes und nimm sie über die Ursache ihres Kummers ins Verhör. Sei unparteiisch; es folgt ein anderes, noch ernsteres Gericht. Dringe beharrlich durch, gleich dem Psalmisten, komm immer von neuem auf die Untersuchung zurück. Tu es mit Gebet, es möchten dich sonst die Eigenliebe oder die Täuschungen deines Herzens betrügen. Darum bete zum HERRN: Erforsche du mich, Gott, und erfahre mein Herz. Thomas Brooks † 1680.

Meines Angesichts Hilfe. Der Plural Hilfen (Grundtext) bezeichnet nicht bloß die vielfachen Hilfserweisungen, sondern auch den Inbegriff der Hilfe. - Das Antlitz ist zwar weder einfache noch dichterische Umschreibung, wohl aber charakteristische Bezeichnung der Person nach ihren sittlichen und vernünftigen Beziehungen, und zwar nicht bloß für Gott gebräuchlich (2. Mose 33,14 u. a.), sondern auch für Menschen (Jes. 3,15). General-Sup. Bernhard Moll † 1878.

Das Heil des Antlitzes ist das das Antlitz erheiternde. Prof. Fr. W. Schultz 1888.

Du sahst an einem Februartag die Sonne freundlich scheinen, der Himmel war blau, in den Hecken begannen die Knospen zu schwellen, Schneeglöckchen lachten dich an, die Vöglein sangen im Gebüsch, und du dachtest, der Lenz sei gekommen mit seiner Pracht und seinem Duft. Aber wenige Tage später, da kamen die Wolken wieder, die Luft war frostig kalt, die Vögel schwiegen und Schnee lag auf der Erde - da meintest du, der Frühling werde nimmer kommen. Gerade so ist es auch dem eben bekehrten Christen wonnig zu Mute; all seine Furcht ist dahin, der Trost des Evangeliums erfüllt sein Herz, und Preis und Dank strömen von seinen Lippen. Und da meint er unbedachtsamerweise, dass alle Trübsal und Traurigkeit für immer verschwunden sei. Aber nach einer Weile wird er wieder von Zweifeln angefochten, die Freude weicht, das Licht scheint nicht mehr hell, sein Herz wird von Traurigkeit überwältigt, und er schließt nun eben so voreilig, die Erlösung mit all ihren Segnungen sei nicht für ihn. Aber der Frühling bricht dennoch siegreich durch, ob er auch eine Weile mit dein Winter kämpfen muss. H. G. Salter 1840.

Homiletische Winke

V. 2. Wer die Gnadengegenwart Gottes im öffentlichen Gottesdienst erfahren hat, verlangt, wenn er die Gottesdienste entbehren muss, sehnlich danach, dies Vorrecht wieder zu genießen. Solche Entbehrung kann uns aber sehr segensreich sein, 1) dadurch dass sie uns wieder rechten Hunger nach den Gütern des Hauses Gottes gibt, der so leicht nachlässt; 2) indem sie uns die Gnadenmittel höher schätzen lehrt, denn wir sind nach unserer verderbten Natur so leicht geneigt, die Dinge, so vortrefflich sie an sich sein mögen, weniger zu schätzen, welche uns tagtäglich oder reichlich zuteilwerden oder mit wenig Mühe zu erlangen sind; und 3) indem sie uns unmittelbarer zu Gott treibt. Henry March 1823.
V. 3. Was dürstet? Meine Seele. Wonach dürstet sie? Nach Gott. Wann und wie wird dieser Durst völlig gestillt werden?
Das Dürsten der Seele nach Gott. Worin ist es begründet? Darin, dass wir zu Gott geschaffen sind. Wodurch wird dieser Durst gemehrt? Durch Entbehrung der Nähe Gottes. Wie herrlich und segensreich dies Dürsten ist.
V. 3b. Die rechte Anschauung vom öffentlichen Gottesdienst.
Das Erscheinen vor Gottes Angesicht in dieser Zeit und hernach.
V. 4. Des Gläubigen Fastenzeit und Fastenspeise.
1) Was verursacht dem Psalmdichter solchen Kummer? 2) Was kann diesen Kummer heben? 3) Welchen Nutzen kann er bringen ?
V. 4.11. Das Benehmen der Feinde Davids. Sie schmähten ihn 1) ins Angesicht 2) unaufhörlich 3) in seinem Unglück 4) wegen seiner Frömmigkeit 5) um ihn im Glauben wankend zu machen.
V. 5. Daran will ich gedenken, wie ich dahinzog usw. 1) Es ist natürlich und angemessen, in Zeiten der Trübsal in der Erinnerung an Freuden vergangener Tage Linderung für die Leiden der Gegenwart zu suchen. 2) Unter den Erinnerungen früherer Freuden werden einem Knecht des HERRN diejenigen, welche sich auf die gemeinsame Anbetung Gottes beziehen, stets besonders köstlich sein. Denn 3) der Mensch ist zur Gemeinschaft veranlagt, darum ist ihm die gemeinsame Gottesverehrung zur Stärkung der eigenen Andacht förderlich. Henry March 1823.
Gute Gesellschaft ist erquickend und segensreich. 1) Sie weckt und übt des Menschen Fähigkeiten. 2) Sie schützt gegen manche Gefahren und beugt der Traurigkeit und vielen Versuchungen vor. 3) Sie bietet Gelegenheit, mehr Gutes zu tun. D. Thomas Horton † 1673.
Liebliche Erinnerungen und was sie uns zu lehren haben: danken und hoffen.
Die Wallfahrten der Zionspilger verglichen mit den römischen Wallfahrten alter und neuer Zeit.
Mit Frohlocken und Danken. Der Gemeindegesang. Man verteidige sein gutes Recht, rühme seine Herrlichkeit, zeige, wie er beschaffen sein soll, und dringe darauf, dass die ganze Gemeinde sich von Herzen daran beteilige.
V. 6. Der Kummer im Verhör.
1) Auch ein gottseliger Mensch kann in seinem Gemüt ungebührlich bedrückt und beunruhigt sein. 2) In solcher Niedergeschlagenheit und Unruhe ist das richtige Heilmittel dies, dass man sich selbst zur Rede stellt und sich auf die einzige wahre Quelle der Hilfe hinweist. 3) Dies Heilmittel hat dann recht gewirkt, wenn es uns dazu bringt, dass wir uns unmittelbar zu Gott wenden. Henry March 1823.
Wie schwer und doch köstlich und wie wohlberechtigt und erfolgreich es ist, auf Gott zu harren.
Zukunftsmusik: Ich werde ihm noch danken.
Der hilfreiche Beistand des in Gnaden uns zugewandten göttlichen Angesichts.
V. 6.12. Seines Angesichts Hilfe, meines Angesichts Hilfe.
V. 7. Der mannigfaltige Trost, den wir daraus schöpfen können, dass wir Gottes gedenken.
V. 8. Eine Flut ruft der andern. Trübsal um Trübsal. 1) Die Mannigfaltigkeit der Trübsale. 2) Ihre äußere Verbindung: eine kommt mit der andern. 3) Ihr innerer Zusammenhang: eine hat die andere zur Folge. Thomas Horton † 1673.
Hie eine Tiefe und da eine Tiefe. Die Tiefen, in welche Gottes Kinder hienieden sinken können. 1) Die Tiefe der Versuchung. 2) Die Tiefe der (zeitweiligen und scheinbaren) Gottverlassenheit. 3) Die Tiefe der Trübsal und Verleumdung. Thomas Horton † 1673.
V. 8.9. Die Knechte Gottes unterscheiden sich in Zeiten der Heimsuchung von andern namentlich auch darin, dass sie in ihren Trübsalen die - züchtigende und erhaltende - Hand Gottes wahrnehmen und anerkennen.
V. 9. Gnade bei Tag und Gesang bei Nacht. Gesegneter Wechsel zwischen Lobsingen und Beten.
Der Gott meines Lebens: Er ist Quelle, Kraft, Schutz, Trost, Ziel und Krone meines Lebens.
Christen haben ein dreifaches Leben, das natürliche Leben, das neue Leben der Gnade und das zukünftige Leben in der Herrlichkeit; in jeder dieser Beziehungen ist Gott der Gott unsers Lebens. Thomas Horton † 1673.
V. 10. Gott, mein Fels. Die Namen, welche die Beter in der Schrift Gott beilegen, stehen oft in innerer Beziehung zu den besonderen Umständen und Erfahrungen der Betreffenden.
Des Menschen viele Warum in der Trübsal.
V. 11. Die kränkendste aller Stichelreden.
V. 12. "Das Geheimnis der Gesundheit", Pred. von C. H. Spurgeon, siehe Botschaft des Heils, 1. Band, S. 449. Baptist. Verlag, Kassel.
Mein Gott. 1) Ein Ausdruck des Glaubens: Mein Gott bist du kraft des Bundes, den du mit mir geschlossen hast. 2) Ein Wort der Huldigung: Du bist mein Gott, dem ich mich völlig unterwerfe. 3) Ein Wort der Liebe: Du bist mein höchstes Gut, mein alles. Thomas Horton † 1673.

Fußnote
8. Auch Hengstenberg, Hupfeld und Moll fassen den Ausdruck so, während andere wie Luther Gott als den Gegenstand des Liedes nehmen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 43 (Auslegung & Kommentar)



Inhalt

Weil dieser Psalm nach Inhalt und Bauart dem 42. so ähnlich ist, halten die meisten Ausleger dafür, die beiden Psalmen hätten ursprünglich ein Ganzes gebildet und seien erst später, vielleicht aus liturgischen Gründen, getrennt worden. Es mag aber auch sein, dass der Dichter an dem Stil des 42. Psalms solches Gefallen gefunden hat, dass er in späteren Tagen den 43. gleichsam als Ergänzung hinzugedichtet hat. Als Nachtrag bedurfte das Lied keiner Überschrift. Der Psalmist klagt darin über seine Feinde und erbittet das Vorrecht trauter Gemeinschaft mit Gott als sicherste Gewähr für seine Errettung aus der Hand der Widersacher.

Einteilung

Der Psalmdichter ruft zu Gott im Gebet, V. 1-3, gelobt in gläubiger Erwartung der Antwort lobpreisenden Dank, V. 4, und tadelt sich selber wegen seines Kleinmuts, V. 5.

Auslegung

1. Richte mich, Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
2. Denn Du bist der Gott meiner Stärke; warum verstößest du mich?
Warum lässest du mich so traurig gehen, wenn mich mein Feind dränget?
3. Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten,
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
4. dass ich hineingehe zum Altar Gottes,
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
5. Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.



1. Richte mich, Gott. Andere sind nicht imstande, meine Beweggründe zu verstehen, und haben auch nicht den guten Willen, mich gerecht zu beurteilen. Ich bin mir bewusst, bei meinem Handeln lautere Absichten gehabt zu haben; darum bringe ich meine Sache vor dich und beruhige mich dabei, dass du meine Gesinnung unparteiisch prüfen und mir wider die erlittene Unbill Recht schaffen wirst. Fälle du dein Urteil; wenn du mein Verhalten billigst, so ist mir’s genug. Ich kann mit einem Lächeln darüber hinwegkommen, dass die Menschen mein Tun missdeuten und entstellen, wenn mir mein Gewissen bezeugt, dass du auf meiner Seite bist. Du bist der einzige, auf dessen Urteil ich etwas gebe; und deine Gerechtigkeit wird nicht säumen, du wirst dazu sehen, dass deinem verleumdeten Knechte Recht widerfährt. Und führe meine Sache wider das unheilige Volk, Grundtext: wider ein liebloses (pietätloses) Volk. Ein solcher Sachwalter wie der HERR reicht mehr als völlig hin, ein ganzes Heer keifender Ankläger zum Schweigen zu bringen. Wenn Menschen Gott nicht lieben, ist’s kein Wunder, dass sie auch gegen ihre Mitmenschen lieblos und unbarmherzig sind; wer Gott nicht Treue hält, von dem kann man auch nicht erwarten, dass er gegen Gottes Kinder recht handeln werde. Wer den König hasst, mag auch dessen treue Untertanen nicht leiden. Die Meinung der Leute ist für viele von großem Gewicht; aber dem kleinen Häuflein der Gottesfürchtigen gilt Gottes Urteil unendlich mehr. Ein freundliches Wort aus Gottes Munde wiegt zehntausend Stichelreden der Menschen auf. Wer in allen Dingen sein Vertrauen auf Jehova setzt, der trägt einen ehernen Schild vor sich, an dem alle Pfeile der Verleumdung wirkungslos abprallen. Und errette mich von den falschen und bösen Leuten. Täuscherei und böswillige Ungerechtigkeit sind Milchschwestern. Wer uns mit kriecherischer Schmeichelei zu betrügen sucht, wird auch nicht davor zurückschrecken, bei guter Gelegenheit seine Bosheit an uns auszulassen. Von solchem Teufelspaar kann uns niemand als Gott selbst erretten. Seine Weisheit ist den Tücken der listigsten Schlange überlegen, und seine Macht vermag auch den wütendsten Löwen zu bändigen. Im Grundtext steht wörtlich: vom Manne des Truges und der Bosheit. Wir können diese Einzahl mit Luther kollektivisch fassen; möglich ist aber auch, dass der Psalmdichter einen seiner Feinde besonders ins Auge fasst. Ob dieser eine etwa Doeg oder Ahitophel gewesen, ist von geringer Bedeutung; es gibt solcher zwiefachen Schurken eine Menge, und die einzige Weise, wie wir mit ihnen fertig werden können, ist, die ganze Sache dem gerechten Richter aller zu übergeben. Suchten wir sie mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen, so würden wir uns selber mehr schaden als ihnen. Kind Gottes, überlass es stärkeren Händen, deine Feinde zu überwältigen; gedenke, dass die Rache nicht dein, sondern des HERRN ist. Wende dich zu ihm, bete und flehe: Errette du mich, so wirst du bald einen Denkstein seiner Hilfe errichten können.

2. Denn. Nun begründet der Psalmist, warum er sich bittend und Hilfe erwartend an Gott wendet; und solch heilige Beweisführung ist der Nerv des echten Gebets. Wenn wir mehr auf solche Weise mit dem HERRN unterhandelten, würden wir die siegreiche Macht des Gebets herrlicher erfahren. Du bist der Gott meiner Stärke.1 Alle Stärke, die ich habe, gehört dir; darum will ich sie nicht für mich, gegen meine persönlichen Feinde, verwenden. Alle meine Stärke kommt von dir; darum suche ich Hilfe bei dir, der sie gewähren kann. Alle meine Stärke ruht in dir; darum überlasse ich es ganz deinen Händen, meine Feinde zu bekämpfen. Das ist Weisheit des Glaubens, die Hände von solchen Dingen fern zu halten. Man beachte die Gewissheit der Zuversicht Davids: Du bist der Gott meiner Stärke, sagt er; nicht: Ich hoffe, du werdest es sein, sondern: Ich weiß, du bist es. Solches Gottvertrauen birgt mächtigen Trost in sich. Warum verstößest du mich? Warum behandelst du mich, als ob du mich verabscheutest? Hat sich wirklich deine Huld in Widerwillen verwandelt? Es gibt der Gründe genug, um derentwillen der HERR uns von sich stoßen könnte; aber nichts wird ihn je bewegen, denen, die er begnadigt hat, seine Liebe zu entziehen. Der HERR verstößt die Seinen nicht, ob er sie auch für eine Weile wie Verstoßene behandelt. Lasst uns aus dieser Frage des Psalmdichters lernen, dass es gut ist, forschend ins Dunkel der göttlichen Führungen zu dringen; nur müssen wir die Fragen an Gott und nicht an unser angsterfülltes, verwirrtes Gemüt richten. Er, der uns solch geheimnisvolle Trübsal sendet, kann sie uns am besten deuten. Der Unglaube ist blind und verwickelt das Knäuel nur desto mehr, je eifriger er es zu lösen sucht. Gott ist sein eigener Dolmetsch, und er wird uns zu seiner Zeit aus allem Wirrwarr führen. Warum lässest du mich so traurig gehen, wenn mich mein Feind dränget? Warum muss ich hin- und herwandern wie ein ruheloser Geist? Warum muss ich ein Trauergewand an meinem Leibe tragen und auf der Stirn die Furchen des Kummers? Andauernde Bedrückung durch unbarmherzige und verschlagene Feinde kann selbst dem Verständigsten den Verstand rauben; warum lässest du mich denn ein so großes Maß solcher Drangsal so lange Zeit erdulden? Wir hören hier wiederum eine nützliche Frage, an die rechte Adresse gerichtet. Die Antwort wird nicht selten lauten: Weil du ein Gotteskind bist und deinem Haupte ähnlich gestaltet werden musst, und weil solche Trübsal den Geist läutert und süße Frucht hervorbringt. Es ist uns nicht erlaubt, in eigensinniger Rechthaberei den HERRN ins Kreuzverhör zu nehmen; wohl aber dürfen wir ihm in Demut unsere bangen Fragen vorlegen. Gott helfe uns die rechte Linie einhalten, damit wir uns unter dem Druck des Kummers nicht an ihm versündigen.

Fußnote
1. Wir übersetzen hier, wie Ps. 27,1 und öfters, Hort. Überdies ist gegen Spurgeons Auslegung zu erinnern, dass der Genetiv nicht objektivisch, sondern appositionell zu fassen ist: der Gott, der mein Hort ist.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps43

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3. Sende dein Licht und deine Wahrheit, oder: deine Treue.2 Lass mir das Licht deiner Gegenwart scheinen und offenbare mir die Treue deines Herzens. Lass allen Verleumdungen zum Trotz meine aufrichtige Gesinnung ins Licht gestellt werden und vergilt mir deinen zuverlässigen Verheißungen gemäß. Wie die Sonne ihre Strahlen ausschickt, so entsendet der HERR seine Huld und seine Treue all den Seinen; und wie die ganze Natur im Sonnenschein frohlockt, so werden auch die Gläubigen von seliger Wonne erfasst, wenn ihr Gott ihnen seine Liebe und Wahrhaftigkeit enthüllt, die wie goldene Sonnenstrahlen auch die dunkelste Umgebung mit heiterem Glanze erfüllen. Dass sie mich leiten. Lass sie mein Stern sein, der mich zu meiner Ruhe weist. Lass sie meine Führer sein, die mich über Berg und Tal, an Klüften und Abgründen vorüber sicher zu der Stätte leiten, da deine Gnade thront. Und bringen zu deinem heiligen Berg und zu dein er Wohnung. Zunächst bringe mich in Gnaden zu deinen irdischen Vorhöfen und mache meiner mühseligen Verbannung ein Ende, und hernach, zu deiner Zeit, gewähre mir den Zutritt zu deinem himmlischen Palaste droben. Wir begehren nicht Licht, um bei dessen Schein zu sündigen, und forschen nicht nach Wahrheit, um uns mit der gewonnenen Erkenntnis brüsten zu können, sondern wir suchen Licht und Wahrheit als praktische Führer, die uns zur trautesten Gemeinschaft mit Gott leiten; und nur das Licht und die Wahrheit, die uns von Gott gesandt werden, leisten uns diesen Dienst. Das irdische Licht der Vernunft ist nicht hell genug, um uns den Weg zum Himmel zu weisen, und ebensowenig können die bloß moralischen oder natürlichen Wahrheiten den Pfad zu dem heiligen Berg des HERRN erklimmen helfen. Aber das Licht des Heiligen Geistes und die Wahrheit Gottes, wie sie sich in Jesus offenbart, die ziehen uns aufwärts, heiligen und vollenden uns; darum sind sie imstande, uns in die glorreiche Gegenwart Gottes zu führen. Es ist herzerhebend, zu beobachten, wie das Sehnen, der Bedrückung der Menschen zu entfliehen, bei dem Psalmisten stets die Wirkung hat, dass er immer brünstiger nach Gemeinschaft mit Gott seufzt.

4. Dass ich hineingehe zum Altar Gottes. Wenn Gott ihm eine solche Befreiung zuteilwerden lassen wollte, dass er aus der Verbannung ins geliebte Land zurückkehren konnte, so würde der Psalmdichter seine Schritte nicht zuerst seinem Hause und väterlichen Erbteil zuwenden, sondern zum Altar Gottes würden seine Füße freudig eilen. Er brennt vor Verlangen, den schönen Gottesdiensten des HERRN beizuwohnen und seine Dankopfer darzubringen, ja mit den Opfern zugleich sein ganzes Herz auf den Altar zu legen; er würde es als seine höchste Freude achten, sich als ein Gott wohlgefälliges Ganzopfer dem HERRN weihen zu dürfen. Mit welcher Wonne sollten die Gläubigen des neuen Bundes zu Christus, dem Gegenbild des Altars, nahen! Das hellere Licht, das uns geschenkt ist, sollte uns zu noch brünstigerem Verlangen entzünden. Zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist. Nicht um den Altar an sich war es dem Psalmisten zu tun; in seinem Herzen hatte der - heidnische - Aberglaube an eine magische Wirkung der äußeren Formen und Heiligtümer keinen Raum. Seine Seele dürstete danach, mit Gott selbst im Geist und in der Wahrheit Gemeinschaft zu haben. Was sind alle gottesdienstlichen Formen, es sei denn, dass der HERR selbst in ihnen ist? Was anders als leere Schalen und dürre Hülsen? Sieh, mit welch heiliger Begeisterung, mit welchem Entzücken der Psalmsänger an seinem Gott hängt! Der HERR ist nicht nur seine Freude, sondern seine jubelnde Freude (Grundtext); nicht nur der Quell, der Geber und Erhalter seiner Freude, sondern diese seine Freude selbst.3 Diesem Gott zu nahen, der uns solche Wonne ist, danach mag wohl unsere Seele hungern und dürsten. Und dir auf der Harfe danke, oder: dich preise. Seine süßesten und erhabensten Melodien will er dem weihen, den seine Seele liebt. Wenn Gott unser Herz mit Freude füllt, so sollten wir es in Jubeltönen zu seinen Füßen ausschütten, und alle Geschicklichkeit und alle Talente, die wir haben, sollten wir in Dienst stellen, um Gottes Herrlichkeit zu preisen. Gott, mein Gott. (Wörtl.) Wie verweilt der Dichter bei dem Namen, den er so sehr liebt! Es ist, als hätte sein Harfenspiel schon begonnen. Welchen lieblicheren Dreiklang könnte die Musik kennen, als diese drei Worte? Gott zu eigen zu haben und des im Glauben gewiss zu sein, das heißt auf Erden schon im Himmel sein und das Vollmaß des Glücks genießen.




5. Was betrübst du dich, meine Seele? Ist Gott dein, warum dann diese Niedergeschlagenheit? Hat seine Hand dich ergriffen, um dich aufzurichten, was klebst du so am Staube? Der Tau der Liebe rieselt nieder, o mattes Herz, lass dich beleben. Und bist so unruhig in mir? Ist ein stichhaltiger Grund da, dass du dir den Frieden deines Herzens so solltest rauben lassen? Warum willst du dich törichtem Kummer hingeben, der niemand nützt, sondern nur dich ängstigt und deinen Gott entehrt? Warum willst du dir mit düstern Ahnungen der Schwermut das Herz belasten, bis es zusammenbricht? Harre auf Gott. Geduld ist not, aber hoffen sollst und darfst du. Der HERR kann nicht anders als den Seinen helfen und an ihren Widersachern Vergeltung üben. So gewiss die Sonne am Himmel steht, so gewiss muss auch Gottes Kindern das Licht wieder aufgehen, ob sie auch eine Weile im Dunkeln wandeln. Warum sollten wir denn nicht Mut fassen und unsere Häupter hoffnungsvoll aufheben? Denn ich werde ihm noch danken (oder: ihn noch preisen). Die Zeit des Trauerns wird bald enden und die Zeit des Dankens und Preisens anbrechen. Auf, mein Herz, blicke zum Fenster hinaus, hole das Fernrohr des Glaubens herbei und sieh, wie deine Erlösung naht. Dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Mein Gott wird die Furchen von meiner Stirne glätten und die Tränenspuren mir von den Wangen wischen; darum will ich mein Haupt aufrichten, und all dem Unwetter der Trübsal zum Trotz soll ein fröhliches Lächeln mein Angesicht erhellen. Der Schluss des Psalms atmet Frieden. Möge auch unser sterbliches Leben einst so enden.

Fußnoten
2. Wir ziehen die Übersetzung "deine Wahrheit", die Spurgeon nachher ja ebenfalls verwendet, vor.

3. Man kann den Ausdruck des Grundtextes "dem Gott meiner Jubelfreude" allerdings auch fassen: von dem meine jubelnde Freude (meine höchste und einzig wahre Freude) ausgeht.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps43

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Erläuterungen und Kernworte

Psalm 42 und Psalm 43 bilden ein Ganzes. Entscheidend dafür ist - außer der bei Ps. 43 auffallenderweise fehlenden Überschrift - ihr Bau (vergl. den Kehrvers Ps. 42,6.12; 43,5) und ihr Inhalt. Diese schon dem Eusebius († 340) bekannte Wahrheit ist heute unbestritten. Ps. 43 mag - schon vor der Zeit der alten Übersetzungen - abgetrennt sein, weil er als kurzes Gebet für sich allein gebraucht werden konnte. Der Doppelpsalm ist ein besonders köstliches Erzeugnis alttestamentlicher Lyrik: plastische Wiedergabe der äußern Situation, Tiefe und Innigkeit der Empfindung, kunstvoller Fortschritt im Aufbau des Gedankeninhalts zeichnen ihn aus. Die erste Strophe (Ps. 42,2-6) strömt lauter Klage aus, und nur schüchtern erklingt im Kehrvers der Ton der Selbstermunterung zur Hoffnung auf den hilfreichen Gott; in der zweiten Strophe (Ps. 42,7-12) ringt sich die Klage zum hilfeflehenden, wiewohl immer noch gedrückt gestimmten Gebet hindurch; die dritte Strophe (Ps. 43,1-5) - lauter Gebet - lässt den Klageton nur noch nachhallen und schwingt sich siegesgewiss zur Vorausempfindung der Freude auf, die der zum jetzt noch fernen Heiligtum Zurückgekehrte dann laut ausjubeln wird. Lic. Hans Keßler 1899.

V. 1. Richte mich, Gott, entscheide meine Sache, schaffe mir Recht. Die Gläubigen dürfen sich gegenüber den Ungerechtigkeiten, welche sie von den Menschen erdulden, hilfesuchend an Gottes Gerechtigkeit wenden, weil das Unrecht, das Gottes Kindern widerfährt, ebensowohl wider Gottes gerechtes Wesen wie wider die Wohlfahrt der Gläubigen streitet. So stimmt also ihr Flehen mit Gottes Hass gegen alle Ungerechtigkeit zusammen. Vergl. Röm. 1,18; Ps. 11,7. Ferner: wer Gottes Volk antastet, der tastet Gott selber an (2. Chr. 14,11; Sach. 2,12 [8]; Apg. 9, 4 f.), so dass Gott, indem er die Seinen aus der Hand ihrer Feinde errettet, ebensowohl sich als die Gläubigen rächt. Diese beiden Wahrheiten sollten, wie den Frommen reichen Trost, so ihren Widersachern Schrecken einflößen; denn mit Macht dringt der Ruf wider die Feinde des Volkes Gottes zu der ewigen Gerechtigkeit empor. Die eigenen Sünden der Widersacher der Frommen schreien zu Gott; die Ungerechtigkeiten, die sie den Auserwählten des HERRN zufügen, schreien zu Gott; die Gebete der Gläubigen schreien zu Gott; und die Fürbitte Christi für die Seinen vereinigt sich mit deren Gebeten (Off. 6,9 f. mit 8,3). Nathanael Homes 1652.

Mit diesem Psalm: "Richte mich, Gott, und führe meine Sache!" überwanden sich die armen Salzburger, legten ihre Büchsen weg und wandelten, ihrer 30.000, im Winter aus der Heimat nach einem Lande, das der HERR ihnen zeigen werde. A. von Salis 1902.

Unheilige, Falsche, Böse. Es gibt unheilige Leute, die sich, aller religiösen Grundsätze bar, daraus nie ein Gewissen machen, Gottes Kindern Unrecht zuzufügen, wenn sie dadurch ihren Leidenschaften genugtun oder ihre weltlichen Interessen fördern können. Es gibt falsche Leute, die den Mantel der Freundschaft umhängen und sich bei uns Vertrauen und Wertschätzung zu erringen wissen und uns dann mit Truglist um unser Eigentum, unseren guten Ruf und unsere Seelenruhe bringen. Es gibt böse Leute, die uns mit Rechtsverdrehung oder Gewalt unsere kostbarsten Rechte und Güter rauben und uns nicht nur Gelegenheit und Vermögen, Gutes zu tun, nach Kräften schmälern, sondern sogar, wenn sie können, Freiheit und Lebensunterhalt entziehen. Und es gibt Unterdrücker (V. 2), die, indem sie sich unsere Schwäche und Abhängigkeit zunutze machen und alle Gesetze der Billigkeit und Menschlichkeit mit Füßen treten, von uns unbillige Dienste erpressen, uns schwere Bürgen und grausamen Zwang auflegen und mit Kränkungen, Plackereien und Räubereien zusetzen, denen wir nicht entfliehen und für die wir keine Abhilfe finden können. Andrew Thomson 1826.

V. 3. Es ist möglich, dass hier eine Anspielung auf die Urim und Tummim (das hohepriesterliche Licht und Recht), die Sinnbilder von Licht und Wahrheit, vorliegt. J.J. Stewart Perowne 1864.

Licht und Wahrheit, d. i. Gottes Huld und Treue - köstliche und allumfassende Worte, die das ganze Heil und alles, was eine gläubige Seele begehrt, in sich schließen. Aber nur in ihrer Vereinigung gilt das von ihnen; getrennt sind sie nicht mehr ein fester Grund der Zuversicht und Freude. Denn welchen Wert hätte Gottes Gunst für uns ohne seine Treue? Sie würde von keiner größeren Bedeutung sein als die unsichere Freundschaft der Menschen, dieser Menschen, die uns heute zulächeln und uns morgen schmähen können, die wohl große Versprechungen machen, sie aber nicht erfüllen. Selbst das Licht des göttlichen Angesichts, das die Engel und die verklärten Geister im Himmel genießen, würde nicht hinreichen, in diesen alle Furcht zu bannen und sie mit Wonne und Befriedigung zu füllen, wenn sie sich nicht auf Gottes Treue verlassen könnten. Wieviel mehr denn muss dies bei uns irrenden, sündigen Sterblichen der Erde der Fall sein! Was könnte den demütigen Christen, wenn er unter dem Gefühl seiner gänzlichen Unwürdigkeit, seiner unzähligen Schwachheiten und Befleckungen, seiner Fahrlässigkeiten, Torheiten und Verirrungen tief gebeugt ist, vor dem Verzagen retten, als die Zuversicht, dass Gott, der ihm seine Gnade zugewandt hat, ihm auch Treue halten wird? Anderseits aber könnte Gottes Wahrhaftigkeit ohne die Zuwendung seiner lichtvollen Gnade nichts anders bedeuten als die schreckliche Ausführung seiner furchtbaren, aber gerechten Drohungen gegen die Übertreter des heiligen Gesetzes. "Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben." Adam aß und verfiel des Tages der Macht der Sünde und des Todes. Da sehen wir Gottes Wahrhaftigkeit das Urteil ausführen. Aber siehe, da durchbricht ein helles Licht die schaurige Finsternis, Strahlen der Gnade mildern das Dunkel der düstern Wolken. Die Verheißung von dem großen Erlöser wird gegeben, und Gottes Wahrhaftigkeit tritt nun in den Dienst der göttlichen Huld, sie muss die Heilsabsichten Gottes zur Erfüllung durchführen. Seitdem haben alle demütigen und gläubigen Seelen diese beiden Gottesengel Hand in Hand gehen sehen und haben ihre harmonische Vereinigung zum Grund ihrer Zuversicht und Freude gemacht. Henry March 1823.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 4. Da die Not, über die der Psalmdichter in diesen beiden Psalmen (Ps. 42 und Ps. 43) klagt, offenbar in der Entbehrung des Tempels gipfelt, so liegt die Frage nahe, ob dies nicht aus einer falschen Anschauung über Gott und Gottesdienst zu erklären sei. Gott ist ja mit seiner Macht und Gnade überall gegenwärtig; warum denn erst in Jerusalem und beim Altar die Befriedigung der nach Gott dürstenden Seele erwarten? Wir antworten: Dieser Standpunkt ist dem wahren Israeliten natürlich und entspricht durchaus der Heilsordnung des alten Testaments. Es ist nicht so gemeint, als ob Gott nur im Tempel gegenwärtig wäre und nur dort angebetet werden könnte. Es redet ja hier ein Israelit in der Fremde mit seinem Gott, und sein Gebet ist ein Muster wahrer Anbetung. Der Israelit weiß wohl, dass Gott durch kein irdisches Gebäude, ja nicht einmal durch die Himmel umschlossen werden kann (1. Könige 8,27), dass er, im Himmel wohnend, zugleich überall gegenwärtig ist und alle Menschenkinder sieht und erforscht (vergl. Ps. 33,13-15 und Ps. 139). Aber er weiß auch, dass Gott in Israel in besonderem Sinne wohnt als Gott der Offenbarung und des Heils, da er seine Gnadengegenwart durch besondere Verheißungen an das Heiligtum gebunden und dieses zur alleinigen verheißungsvollen Anbetungsstätte bestimmt hat. (Vergl. 2. Mose 25,8.22; 29,42; 5. Mose 12,5-7) Darum erwartete und empfing der Israelit gerade durch den vorschriftsmäßigen Gottesdienst im Tempel einen besonderen, realen Segen, den er nicht durch selbsterwählten Gottesdienst an selbsterwähltem Ort empfangen konnte, und daraus erklärt sich die Sehnsucht des frommen Israeliten nach Tempel und Tempeldienst und seine Freude am Heiligtum. Davon lesen wir auch sonst in den Psalmen, besonders Ps. 84. G. T. 1880.

Lasst uns des eingedenk sein, dass der Zugang zu dem Gott, der im Heiligtum wohnt, durch den Altar vermittelt ist, von welchem ewiglich der süße Geruch des einen vollkommenen Opfers aufsteigt und wo auf immer und ewig die göttliche Heiligkeit ruht und sich mit tiefer Befriedigung an dem heiligen Feuer weidet. Welch wunderbare und erhabene Stätte ist dieser Altar Gottes! Dieser Altar bedeutet jetzt die Köstlichkeit und ewige Wirksamkeit des einen Opfers, mit dem Christus sich selbst Gott für uns dargebracht hat; und in der Kraft dieses Opfers nahen wir zu Gott. Dorthin, in diese unaussprechlich selige Stellung vor Gott, führen Gottes Licht und Wahrheit den Gläubigen. Dieser Altar ist der Punkt, zu welchem hin von Ewigkeit her alle Strahlen des Lichtes der göttlichen Huld und Gnade und der göttlichen Wahrheit und Heiligkeit zusammenlaufen, und von diesem Punkt aus leuchten sie in das Herz des in seiner Zerknirschung von fern stehenden Sünders und ziehen ihn dahin, wo er seinem Gott begegnet. So lasst uns denn zu diesem Altar nahen; lasst uns in die Wolke heiligen Weihrauchs eingehen, welche die Wohnung des Höchsten erfüllt; lasst uns die Tatsache uns aneignen, wie vollkommen Gott mit dem, was Christus für uns getan hat, befriedigt ist, so wird auch uns Gott immer mehr unsere Freude und Wonne werden. John Offord 1868.

Der Ausdruck "zu Gott gehen" schließt Unterwerfung und Freundschaft in sich. 1) Ich will zu Gott gehen, um ihm als meinem Gebieter meine Huldigung darzubringen; ich will zu ihm gehen, um zu hören, was er sagt, um seine Befehle entgegenzunehmen. 2) Ich will zu ihm gehen, um mir bei ihm Rat zu holen und mit ihm vertraulich zu reden, und will recht dankbar sein, dass ich in einer Welt voller Trübsale und Versuchungen einen solchen Freund als Berater und Helfer habe. Ich will meinen Kummer in sein treues Herz ausschütten. Ich will ihn an meinen Freuden Anteil nehmen lassen; denn auch in diesem Tränental ist ja mein Herz oft fröhlich. Ich will ihm meine Sünden bekennen; freilich weiß er um sie, aber er soll sie auch aus meinem Munde hören. Ich will ihm meine Befürchtungen sagen, will ihm klagen, wie niedergeschlagen ich zuzeiten bin, wenn ich merke, wie sich diese oder jene Leidenschaft mächtig erhebt, von der ich gemeint hatte, dass sie den Todesstoß empfangen habe; ich will ihm sagen, wie ich zittere, wenn ich durch meine Torheiten den HERRN gereizt habe und nun fürchte, er möchte sich auf immer von mir wenden. Ich will ihm meine Hoffnungen mitteilen; denn inmitten aller Entmutigungen hoffe ich dennoch. Ich will zu ihm gehen und ihm das alles, alles sagen; ich will ihm mein ganzes Herz entdecken und alle meine Last auf ihn wälzen. Und wenn die Not mich nicht zu ihm treibt, so zieht mich meines Herzens Lust zu ihm, der meine Freude und Wonne ist. Samuel Lavington † 1807.

V. 5. Was betrübst du dich, meine Seele, usw. David hatte schon vordem seinen Kummer damit beschwichtigt, dass er seine Seele wegen ihrer Verzagtheit schalt und auf Gott hinwies, und jetzt greift er abermals zu diesem bewährten Heilmittel. Er muss die Arznei mehrmals einnehmen, ehe sie ihre volle Wirkung tut. Wir sehen, Davids Seele gelangt nicht alsbald zur Ruhe; die Erregung bricht je und je wieder durch, bis er endlich den Sieg über sein Herz gewinnt. Geliebte, weder die Sünde noch der Kummer über die Sünde kommen mit einem Schlag zur Ruhe. Es gibt manche Christen, deren Mut sehr kurzen Atem hat; wenn nicht alle Anfechtung alsbald aufhört, halten sie alles für verloren. Aber ein gereifter Christ denkt nicht so. David gehörte nicht zu jenen. Wir sehen ihn (Ps. 42) in großer Unruhe; er tadelt seinen Kleinmut und tröstet seine Seele, aber seine Unruhe ist noch nicht beschwichtigt; er spricht seiner Seele abermals zu, aber die Erregung bricht wieder durch; so wendet er denn dasselbe Mittel wieder an, vermahnt und tröstet seine Seele, bis sie in Gott ihre Ruhe gefunden hat. Wir sehen, er ist ein wackerer Streiter, der nicht die Waffen streckt, ob der Feind auch immer wieder neu zum Angriff schreitet; und durch Beharrlichkeit gewinnt er den Sieg. Richard Sibbes † 1635.

Siehe, wie ein Herz nach und nach aus der Angst genest, wie es aus der Enge nach und nach ins Geraumere geht, wie die Freudigkeit im Gebet zunehmen kann; wie des Klagens und der heftigen Ausdrücke: Es ist wie ein Mord in meinen Beinen, und meine Tränen sind meine Speise, nach und nach weniger werden; wie man bei zunehmender Glaubenskraft immer zärtlichere Namen von Gott gebrauchen lernt: Gott meines Lebens! Gott, meine Stärke! Gott, der meine Freude und Wonne ist! wie man sich immer näher unter seine Flügel hinschwingen, zu seinem Haus, zu seinem Altar, zu ihm selbst Zuflucht und Zutritt nehmen lernt; wie das Licht seines Angesichts auch unsere Finsternis licht macht und auch hier über unser Angesicht Friede und Freude ausbreitet, dass es anfangs heißt: Er hilft mir mit seinem Angesicht, hernach aber: Er ist meine Hilfe und mein Gott. Wir preisen selig, die erduldet haben, die solche Stufen durchgelaufen sind. O, darum werfe doch keiner unter seinen Anfechtungen sein Vertrauen weg. Bei Gottes väterlichen Züchtigungen ist doch alles darauf abgesehen, dass wir seine Heiligung erlangen und also zum ewigen Bleiben in seinem Hause, zum nächsten Zutritt und zur Aufwartung vor seinem Angesicht tüchtig werden. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Homiletische Winke


V. 1. Wir wenden uns an Gott 1) als an unsere Richter, 2) als unseren Sachwalter, 3) als unseren Erretter.
Das Urteil der Menschen ist Gottes Knechten von geringem Gewicht gegenüber dem Urteil und Beifall Gottes.
Wie führt der HERR die Sache der Seinen?
V. 1.2.4.5. Fünf Mein. 1) Meine Sache: führe sie. 2) Meine Stärke: bist du. 3) Meine Freude: ist Gott. 4) Meine Seele: warum so unruhig? 5) Mein Gott.
V. 2. Warum verstößest du mich? 1) Gottes Kinder sind manchmal scheinbar von Gott verstoßen. Dies Verlassensein ist schmerzlich, um so mehr, wenn es lang andauert, und macht uns bestürzt und verwirrt. 2) Warum widerfährt ihnen dies? Verborgene Fehler müssen aufgedeckt, Sünden der Vergangenheit gezüchtigt werden, die Tugenden erprobt, der Glaube gestärkt werden usw. 3) Wie verhalten wir uns in solcher Lage am besten? Wende dich zu Gott, bekenne die Sünde, unterwirf dich der Züchtigung, bete, glaube usw.
Zwei Warum. Die Fragen selbst; die Gesinnung, in der wir sie stellen dürfen; die Antworten, die wir auf dieselben erhalten können.
V. 3. Die himmlischen Führer, die der Psalmist sich erbittet, und das Ziel, zu dem sie ihn leiten sollen.
Was für Einflüsse sollten uns beherrschen, wenn wir uns zu den Gottesdiensten begeben?
V. 4. Der Gottesdienst des Frommen, bezeichnet als ein Gehen zu Gott; sein Glück, bezeichnet als Freude an Gott. Sam. Lavington † 1807.
Gott allein die Freude und Wonne seiner Geschöpfe.
V. 5. Die Genesung eines Verzagten.
Ich werde ihm noch danken. Ich, sogar ich; werde, früher oder später, ganz gewiss; noch, trotz aller Trübsale, aller Feinde, aller Macht der Hölle; ihm, der mein Erretter ist, ob er mich auch jetzt schwer heimsucht, mehr als allen anderen Helfern danken, ihn preisen mit Dankbarkeit, mit gläubigem Vertrauen, mit Frohlocken und Jubel.
Der meines Angesichts Hilfe ist; er wird von meinem Angesicht abtun, was es jetzt befleckt und umdüstert: Sünde, Scham, Furcht, Sorge, Kummer, Schwachheit usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 44 (Auslegung & Kommentar)



Überschrift

Die Überschrift dieses Psalms ist der des 42. gleich: Eine Unterweisung der Kinder Korah, vorzusingen. Der unbekannte Verfasser, ein echter Patriot, singt in trüber Zeit von der einstigen Herrlichkeit seines Volkes und dessen gegenwärtigem Kummer, von den heiligen Überlieferungen vor alters erlebter Gnadenwunder und der gegenwärtigen bitteren Leidenserfahrung. Diesem Inhalt entsprechend wechselt auch der Ton des Liedes zwischen zuversichtlichem Glauben und schmerzlicher Klage. Der Gemeinde des neuen Bundes wird der Psalm in Zeiten schwerer Anfechtung und Verfolgung stets besonders köstlich sein.

Einteilung

Die Vers 2-4 frischen das Gedächtnis der großen Taten auf, welche Gott zum Besten Israels gewirkt hat, und in der Kraft dieser heiligen Erinnerungen legt der Psalmist im Namen seines Volks V. 5-9 ein Bekenntnis festen Gottvertrauens ab. Dann aber hören wir V. 10-17 tiefe Klagetöne. V. 18-23 bezeugt der Psalmist, dass Israel seinem Gott treu gewesen sei, und V. 24-27 folgt darauf das dringende Flehen, dass der HERR sich seiner Elenden annehmen möge.

Auslegung

2. Gott, wir haben mit unseren Ohren gehöret,
unsre Väter haben’s uns erzählet,
was du getan hast zu ihren Zeiten vor alters.
3. Du hast mit deiner Hand die Heiden vertrieben, aber sie hast du eingesetzt;
du hast die Völker verderbet, aber sie hast du ausgebreitet.
4. Denn sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert,
und ihr Arm half ihnen nicht,
sondern deine Rechte, dein Arm und das Licht deines Angesichts;
denn du hattest Wohlgefallen an ihnen.


2. Gott, wir haben mit unseren Ohren gehöret. Von deinen berühmten Wundern haben wir nicht nur in Büchern gelesen, sondern auch im täglichen Gespräch der Leute gehört. Unter den gottesfürchtigen Israeliten wurde die Geschichte ihres Volkes mit großem Fleiß und gewissenhafter Genauigkeit durch mündliche Überlieferung erhalten. Diese Art, die Kenntnis der Geschichte zu bewahren und weiter zu verbreiten, hat ihre Nachteile, aber auch den Vorteil, dass sie auf das Gemüt einen viel lebhafteren Eindruck macht als irgendeine andere. Was wir mit den Ohren hören, wirkt viel stärker auf uns als was wir mit den Augen lesen. Das sollten wir beachten und uns jede sich darbietende Gelegenheit zunutze machen, das Evangelium von unserm Herrn und Heiland mit der lebendigen Stimme zu verkündigen, da dieses das weitaus wirksamste Mittel der Ausbreitung desselben ist. Der Ausdruck: wir haben mit unseren Ohren gehöret, mag uns andeuten, mit welchem Vergnügen sie den Erzählungen lauschten, wie gespannt ihre Aufmerksamkeit war, und wie unvergesslich sich die spannenden, das Innerste erregenden Geschichten in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Nur zu viele haben Ohren und hören nicht; wohl denen, die hören gelernt haben.
Unsre Väter haben’s uns erzählet. Bessere Lehrer hätten sie nicht haben können. Den Schulmeistern alle Ehre, die ihnen gebührt! Aber gottselige Väter sind sowohl nach der Ordnung der Natur als der der Gnade die besten Unterweiser ihrer Söhne; auch können sie ihre heilige Pflicht auf niemand abladen. Wir fürchten, dass manche Kinder solcher Eltern, die sich als Christen bekennen, in Verlegenheit kämen, wenn sie, wie der Psalmist hier, vor Gott geltend machen sollten, was ihre Väter ihnen von Gottes heiligem Walten erzählt haben. Väter, denen im Verkehr mit ihren Kindern in Bezug auf die göttlichen Wahrheiten die Zunge gefesselt ist, brauchen sich nicht zu wundern, wenn die Herzen ihrer Kinder in Sünden gefesselt bleiben. In allen freien Völkern lieben es die Familienhäupter, die Ihrigen um den häuslichen Herd zu sammeln und ihnen die Heldentaten zu erzählen, welche ihre Vorfahren in der guten alten Zeit vollbracht haben; gerade so vereinigten auch die Väter des alttestamentlichen Gottesvolkes ihre Lieben um sich und erfreuten sie immer wieder durch die alten und doch ewig neuen Geschichten von dem Wunderwalten Jehovas, ihres Gottes. Religiöse Gespräche brauchen durchaus nicht langweilig zu sein und sie könnten es wahrlich nie sein, wenn sie sich, wie in dem vorliegenden Fall, mehr mit Tatsachen und weniger mit Meinungen befassten. Was du getan hast zu ihren Zeiten vor alters. Die Erzähler begannen mit dem, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten, und gingen dann über zu dem, was ihnen in ihrer Jugend von ihren Vätern überliefert worden war. Man beachte, dass Kern und Stern der Geschichte, die so von den Vätern auf Kind und Kindeskind überliefert wurde, das war, was Gott getan hatte. Gottes Wirken ist in der Tat gleichsam das Mark der Geschichte; darum kann niemand richtig Geschichte schreiben, der für das Walten Gottes kein Verständnis hat. Es ist köstlich, die Fußspuren des HERRN auf den Meereswogen der wechselnden Ereignisse zu sehen, den Allmächtigen zu schauen, wie er dahinfährt auf dem Wirbelwind des Krieges, der Seuche und der Hungersnot, und vor allem seine unwandelbare Fürsorge für seine Auserwählten zu beobachten. Wer von seinem Vater gelehrt worden ist, Gott in der Geschichte zu sehen, der hat eine wichtige Lektion gelernt, und kein Sohn gläubiger Eltern sollte in Betreff einer so heiligen Wissenschaft in Unwissenheit gelassen werden. Eine Nation wie das Volk Israel, das in einer so wunderbaren Geschichte, wie es die seine war, unterwiesen worden war, hatte damit stets ein mächtiges Mittel in der Hand, Gott in der Not zur Hilfe zu bewegen, da er, der Unwandelbare, uns in jeder Gnadentat ein Pfand zukünftiger Erweisungen der Barmherzigkeit darreicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit sind ein sicherer Rechtsgrund, auf dem wir bei unseren Bitten um Hilfe in der Gegenwart fußen können.

3. Du hast mit deiner Hand die Heiden vertrieben. Die Austilgung der Kanaaniter aus dem Gelobten Lande ist das Gotteswerk, dessen hier zuerst gedacht wird. Zahlreiche, kriegsgeübte und tapfere Völkerschaften, unter denen sich sogar Riesengeschlechter befanden und die fest im Lande eingewurzelt und in starken Festungen verschanzt waren, wurden durch ein weit schwächeres Volk ausgetrieben, weil Jehova in dem Kampfe wider sie war. Es geht aus der Schrift hervor, dass der HERR die Einwohner des Landes mit äußern und innern Schrecknissen heimsuchte und ihnen dadurch allen Mannesmut nahm (vergl. z. B. 5. Mose 7,19 f.; Jos. 24,12; 2,9. 11; vielleicht deutet auch der Ausdruck 4. Mose 13,32 "das Land frisst seine Einwohner" auf Seuchen), so dass die leichten Siege Josuas nur die Folge dessen waren, dass Gott vordem schon diese götzendienerischen Völker seine Hand hatte fühlen lassen. Aber sie hast du eingesetzt. Die Stämme Israels wurden in die Stätten eingepflanzt, welche vordem die Heiden innehatten. Die Heviter und Jebusiter wurden aus ihren Festungen verjagt, um Ephraim und Juda Raum zu machen. Der große Wundertäter riss die Eichen Basans mit der Wurzel aus, um an ihrer Statt seinen auserwählten Weinberg von edlen Reben zu pflanzen. Du hast die Völker verderbet oder übel behandelt. Die dem Gericht Vergebenen Völker wurden mit allerlei Heimsuchungen und Plagen gequält; ja mit Feuer und Schwert wurden sie zu Tode gejagt, bis sie alle verderbet waren. Aber sie hast du ausgebreitet. Derselbe, der seine und seines Volkes Feinde plagte, bewies den Seinen mächtige Huld. An den gottlosen Amoritern übte er Rache, aber seine Gnade sparte er auf für das auserwählte Volk. Wie lieblich ist die Barmherzigkeit, wenn sie der Gerechtigkeit zur Seite steht! Hell leuchtet der Stern der Gnade inmitten der Nacht des Zorns. Es ist ein erhabener Gedanke, dass die Größe der göttlichen Liebe in der Größe seiner heiligen Entrüstung ihr Gegenstück hat. Der wunderbaren Israel erwiesenen Gnade hält das Gleichgewicht die furchtbare Rache, welche die Tausende der Amoriter und Hethiter mit der Schärfe des Schwerts zur Unterwelt sandte. Die Hölle ist so tief, wie der Himmel hoch ist, und das Feuer Tophet eben so unauslöschlich wie das Licht der himmlischen Herrlichkeit. Diese sich sowohl in Taten der Barmherzigkeit als der Gerechtigkeit kundgebende Macht Gottes sollten wir uns in Trübsalszeiten zur Stärkung des ermattenden Glaubens in Erinnerung rufen.

4. Denn sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert. Sieh, wie Jehova sich dadurch verherrlichte, dass er sein Volk in das Land brachte, darinnen Milch und Honig floss! Er hatte in seiner erwählenden Gnade zwischen den Kanaanitern und Israel einen Unterschied gemacht und kämpfte darum mit seiner unwiderstehlichen Macht für seine Erkorenen gegen deren Widersacher. Die Stämme fochten um ihr Erbteil, aber den Erfolg verdankten sie einzig dem HERRN, der mit ihnen focht. Die israelitischen Krieger waren nicht untätig; aber ihre Tapferkeit kam erst in zweiter Linie in Betracht gegenüber jenem geheimnisvollen göttlichen Wirken, das Jerichos Mauern fällte und der Heiden Herz verzagt machte. Jeder einzelne Israelit musste seine Pflicht tun; da aber alle Anstrengungen ohne Gottes Beistand vergeblich gewesen wären, wird alle Ehre dem HERRN dargebracht. Wir können die vorliegende Schriftstelle als ein schönes Gleichnis des Heilswerks ansehen. Niemand wird errettet ohne Gebet, Buße usw., und doch machen diese keinen Menschen selig; das Heil ist des HERRN, einzig des HERRN. Kanaan ward nicht ohne das Heer Israels erobert; aber eben so wahr ist es, dass es nicht durch das Heer Israels erobert ward. Jehova war der rechte Kriegsmann (2. Mose 15,3) und das Volk nur die Waffe in seiner Hand. Und ihr Arm half ihnen nicht. Nie und nimmer konnten sie ihre denkwürdigen Siege sich selber zuschreiben; ihm, der Sonne und Mond um ihretwillen hatte stillstehen lassen, gebührte allein aller Ruhm. Die Ehre des Sieges wird sowohl ihren Waffen als ihnen selber abgesprochen, als sollte durch diese doppelte Verwahrung angedeutet werden, wie bereit wir Menschen sind, unsere Erfolge Mittelursachen zuzuschreiben. Sondern deine Rechte, dein Arm und das Licht deines Angesichts. Gottes Rechte focht für sie, Gottes Arm unterstützte sie mit übermenschlicher Tatkraft, und Gottes Huld begeisterte sie zu nie verzagendem Mute. Wer sollte mit solch dreifacher Hilfe nicht den Sieg erringen können, ob auch die ganze Welt und Tod und Hölle sich wider ihn zum Kampf erhöben? Was hatte da die Riesengröße der Enakskinder zu bedeuten oder die schreckliche Macht ihrer eisernen Streitwagen? Sie waren wie nichts, als Jehova sich erhob, um Israel an seinen Feinden zu rächen.
Denn du hattest Wohlgefallen an ihnen. Dies Wohlgefallen Gottes an Israel hatte seinen Grund nicht in Israels Tugend, sondern in Gottes freier Liebe. (Vergl. 5. Mose 7,7 f.; 9,5 f.) Die freie Gnade ist der Quell, aus der jeder Strom der Barmherzigkeit entspringt. Gottes Lust zu seinem Volke, seine Liebesneigung, seine Erwählung, das ist die Triebfeder, die alle Räder der göttlichen Vorsehung zugunsten der Erwählten in Bewegung setzt. Israel war das Volk der Wahl, daher seine Siege und die Niederlagen seiner Feinde; die Gläubigen sind das Volk der Wahl, daher ihre geistlichen Segnungen und Eroberungen. Nichts war in dem Volk selbst, das ihm Erfolg verbürgt hätte, des HERRN Huld allein richtete das große Werk aus; und geradeso ist es stets bei uns: unsere Hoffnung auf die schließliche Herrlichkeit darf nicht auf irgendetwas, das in uns wäre, ruhen, sondern einzig auf dem freien Liebesratschluss des HERRN der Heerscharen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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5. Du, Gott bist mein König,
der du Jakob Hilfe verheißest.
6. Durch dich wollen wir unsre Feinde zerstoßen;
in deinem Namen wollen wir untertreten, die sich wider uns setzen.
7. Denn ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen,
und mein Schwert kann mir nicht helfen;
8. sondern du hilfest uns von unseren Feinden
und machest zuschanden, die uns hassen.
9. Wir wollen täglich rühmen von Gott
und deinem Namen danken ewiglich. Sela.



5. Du, Gott, bist mein König. Ich kenne gar wohl deine Macht und deine Gnade; darum ist es meines Herzens Wonne, dich als meinen Herrn und Gebieter anzuerkennen. Wer unter allen Machthabern hat solchen Ruhmesglanz wie du? Wem anders sollte ich denn huldigen, an wen sonst mich um Hilfe wenden? Du, der du von alters her der Gott meiner Väter gewesen bist, du bist meines Herzens König, mein Herr, dem ich angehöre mit allem, was ich bin und habe. Entbiete Hilfe für Jakob! (Grundtext) Von wem anders sollte ein Volk Hilfe erwarten als von seinem König? Er ist’s, der kraft seines Amtes die Kämpfe seines Volks zu dessen Heil ausficht. Wie leicht ist’s unserm himmlischen König, alle unsere Feinde zu zerstreuen. Jehova, du König aller Könige, mit welcher Leichtigkeit kannst du dein Volk befreien! Ein Wort aus deinem Munde kann es vollbringen; gib nur den Befehl, so ist dein unterdrücktes Volk frei. Das lange Leben des Erzvaters Jakob war reich an Trübsalen und an Errettungen, und seine Nachkommen werden hier mit seinem Namen genannt, als sollte dadurch die Ähnlichkeit ihrer Erfahrungen mit denen ihres großen Vorfahren abgebildet werden. Wer die Segnungen Israels erlangen will, muss die Kämpfe Jakobs teilen. Unser Vers enthält ein persönliches Glaubensbekenntnis und eine Fürbitte. Für andere betend eintreten kann am besten, wer seines persönlichen Anteils an Gott gewiss ist; und diejenigen, welche die vollste Gewissheit haben, dass der HERR ihr Gott ist, sollten darum auch vor allen andern für ihre heimgesuchten Brüder flehen.

6. Durch dich wollen wir unsre Feinde zerstoßen. Das ist die Sprache des Glaubens. Der Kampf mag heiß werden, es mag zum Handgemenge kommen, wo die Bogen nutzlos sind und selbst das Schwert keinen Dienst mehr tut, wo der Dolch gezückt wird und Mann mit Mann im Ringkampf liegt. Im Ringen hat einst Jakob obgelegen (1. Mose 32,29); wie, wenn Jakobs Gott nun dessen Samen im Ringen auf die Probe stellt? Wird da auch der Glaube den Sieg erringen? Kann er Brust an Brust mit dem Feinde kämpfen und das Feld behalten? Ja, siegreich kehrt er aus der Schlacht zurück; denn gerade im scharfen Handgemenge erweist sich der Glaube stark. Alle seine Widersacher überwindet er, denn der HERR ist sein Helfer.
In deinem Namen wollen wir untertreten, die sich wider uns setzen. Der Name des HERRN ist die beste Waffe; er befähigt die, welche ihn im Glauben brauchen, sich mit siegesgewisser Tapferkeit auf ihre Feinde zu stürzen und sie unter die Füße zu treten. Mit Gott vollbringen die Heiligen Wunder; ist er für uns, wer mag wider uns sein? Man beachte wohl, dass es von all den Siegen dieser Glaubenshelden heißt: sie geschehen durch dich, durch deinen Namen. Lasst uns das nie vergessen, damit wir nicht auf unseren eigenen Sold in den Krieg ziehen und schmählich zuschanden werden. Doch lasst uns auch nicht in die eben so gefährliche Sünde des Misstrauens fallen; denn der HERR kann den Schwächsten unter uns mit solcher Stärke gürten, dass er allem gewachsen ist. Ob wir auch heute so furchtsam und wehrlos sind wie Schafe, kann er uns doch durch seine Macht stark machen wie einen erstgeborenen Stier und uns Hörner geben wie eines Einhorns Hörner, dass wir alle, die sich wider uns erheben, niederstoßen, dass sie nicht wieder aufstehen. Solche, die sich in eigner Kraft kaum auf den Füßen halten können, sondern gleich Kindlein wanken und fallen, werden durch Gottes Beistand zu Helden, die ihre Feinde zu Boden stürzen und den Fuß auf deren Nacken setzen. Lies in Bunyans Pilgerreise, wie Christ mit Apollyon focht und den grausigen Feind in die Flucht schlug.

7. Denn ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert kann mir nicht helfen. Unsere Vorväter haben unter deiner Führung die Heiden vertrieben und ihr Land eingenommen, nicht durch Kunst der Waffen und Tapferkeit, sondern allein durch deine Macht; darum entsagen wir auf immer allem Vertrauen auf Bogen und Schwert, womit andere sich brüsten, und werfen uns ganz auf die Allmacht unseres Gottes. Tüchtige Bogenschützen wurden in jenen alten Zeiten sehr geschätzt; aber hier werden die Pfeile samt dem alles bezwingenden Schwert beiseite getan, damit Raum sei für den Glauben an den lebendigen Gott. Dieser Vers mag in seiner persönlichen Fassung als Glaubensbekenntnis jedes einzelnen Gläubigen gelten, der auf seine eigene Gerechtigkeit und Stärke verzichtet und einzig auf Jesus blickt. O dass uns Gnade gegeben werde, bei diesem Verzicht zu beharren; ist unsere hochmütige Natur doch zu sehr geneigt, ihr Vertrauen auf die aufgeblasene Scheinmacht der Kreatur zu setzen! Du Arm von Fleisch, wie darf ich es wagen, auf dich zu trauen? Wie darf ich über mich den Fluch bringen, welcher denen droht, die sich auf Menschen verlassen?

8. Sondern du hilfest uns von unseren Feinden, und machest zuschanden, die uns hassen. So ist’s von jeher gewesen.1 Alle Errettungen der vergangenen Zeiten verdanken wir dir, Gott. Nie hast du uns im Stich gelassen. Aus jeder Gefahr hast du uns immer wieder herausgeführt. Mit derselben Hand, mit der du uns Heil gabst, hast du unseren Feinden einen Schlag versetzt, dass sie ihr Angesicht verhüllten. Du hast sie in solcher Weise niedergeschlagen, dass sie sich vor sich selber schämten, von solch einem winzigen Feind, wie es das Volk Israel in ihren Augen war, über den Haufen geworfen worden zu sein. Gottes zwiefaches Tun ist wohl zu beachten: er gibt seinem Volke Heil und macht dessen Feinde zuschanden. Pharao wird ersäuft, und Israel zieht mitten durchs Meer; Amalek wird geschlagen, und das Volk des HERRN frohlockt; die Heiden werden aus ihren Wohnstätten vertrieben, und das Geschlecht Jakobs ruht unter seinen Weinstöcken und Feigenbäumen.

9. Gottes rühmen wir uns täglich. (Grundtext) Dazu haben wir allen Grund, da solch mächtige Taten des HERRN als Tatsachen der Geschichte vor uns stehen. Wie selig und wie segensreich ist solches Rühmen! Es ist das einzige, das wir dulden wollen. Alles andere Manna ward stinkend, außer dem, das vor dem HERRN gelassen wurde; so ist auch alles andere Rühmen ekelhaft, außer diesem, da man sich im HERRN rühmt. Das ist löblich und lieblich vor Gott und Menschen. Und deinem Namen danken (ihn preisen) wir ewiglich. Unser Dank und Lobpreis soll beständig zum HERRN aufsteigen. Selbst wenn wir keine neuen Liebestaten erführen, sollen wir doch den HERRN preisen für das, was er an seinem Volke getan hat. Hoch lasst den Lobgesang erschallen, indem wir uns der ewigen Liebe erinnern, die uns erwählt, um einen teuren Preis erlöst und dann mit aller Gottesfülle erfüllt hat!
Sela! Wohl ziemt hier eine Pause, denn der Psalm fällt plötzlich aus dem höchsten in den tiefsten Ton. Nicht mehr Mirjams Pauke, sondern Rahels Weinen tönt uns nun ins Ohr.

Fußnote
1. Die Perf. des Grundtexts drücken die Erfahrungstatsache aus.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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10. Warum verstößest du uns denn nun
und lässest uns zuschanden werden
und zeuchst nicht aus unter unserm Heer?
11. Du lässest uns fliehen vor unserm Feind,
dass uns berauben, die uns hassen.
12. Du lässest uns auffressen wie Schafe
und zerstreuest uns unter die Heiden.
13. Du verkaufest dein Volk umsonst
und nimmst nichts drum.
14. Du machest uns zur Schmach unseren Nachbarn,
zum Spott und Hohn denen, die um uns her sind.
15. Du machst uns zum Beispiel unter den Heiden,
und dass die Völker das Haupt über uns schütteln.
16. Täglich ist meine Schmach vor mir,
und mein Antlitz ist voller Scham,
17. dass ich die Schänder und Lästerer hören
und die Feinde und Rachgierigen sehen muss.


10. Und doch hast du uns verstoßen und ließest uns in Schmach fallen. (Grundtext) Jetzt beginnt der Sänger, als warmer Vaterlandsfreund der herrlichen Geschichte seines Volkes das gegenwärtige Elend und Unglück gegenüberzustellen. Letzteres schreibt er aber nicht etwa dem Sturz eines menschlichen Helden oder einem Kriegsunglück zu, sondern einzig dem, dass Israels Gott sich von seinem Volk zurückgezogen hat. Es schien dem tiefbetrübten Sänger, als sei Jehova seines Volkes überdrüssig worden und habe es mit Abscheu von sich gestoßen, wie ein Mensch ein mit dem Aussatz beflecktes Gewand wegwirft, vor dessen Anblick ihm ekelt. Um sein Missfallen zu zeigen, hatte Gott sein Volk dem Spott der Heiden preisgegeben, dass Israel mit Schmach bedeckt ward, weil seine Feinde über seine größten Heere leichter Hand den Sieg errangen. Wehe der Kirche und wehe den Menschen, von denen sich der HERR zurückzieht, dass er nicht mehr mit seinem Geiste in ihnen wirkt; sie bedürfen wahrlich keiner größeren Schmach und keiner härteren Züchtigung. Gott verwirft sein Volk nicht gänzlich und endgültig; aber schon manche Kirche und Gemeinde ist um der Sünde willen dem Verfall und der Schande überlassen worden, und das sollte uns alle zur äußersten Wachsamkeit veranlassen, damit uns nicht Gleiches widerfahre. Armut und Trübsal sind keine Schmach, weder für die einzelnen noch für eine Volks- oder Kirchengemeinschaft; aber wenn der HERR von einer Gemeinde weicht, das nimmt ihr alle Herrlichkeit, wie Ikabods Mutter mit brechendem Herzen und hellsehendem Auge erkannt hat: "Die Herrlichkeit ist dahin von Israel, denn die Lade Gottes ist genommen." (1. Samuel 4,19 ff.) Und zeuchst nicht aus unter unseren Heerscharen. Ist denn dein Name "HERR der Heerscharen" nimmer gültig? Wenn der HERR nicht der Heerführer ist, was nützen die gewaltigsten Kriegerscharen? Nichtig sind die vereinten Anstrengungen der eifrigsten und fähigsten Reichsgottesarbeiter, wenn des HERRN Arm sich nicht offenbart. O dass unser keiner in unseren Gemeinden je darüber zu trauern habe, dass er in seinem Wirken im Predigtamt, in der Sonntagsschule, beim Evangelisieren, bei den Hausbesuchen von Gott sich selber überlassen sei! Geht unser allmächtiger Bundesgenosse nicht mit uns, so ist unsre Niederlage unvermeidlich.

11. Du lässest uns fliehen vor unserm Feind. Das niederschmetternde Bewusstsein, dass der HERR sie verlassen hat, macht die Helden zu Memmen. Feiges Zurückweichen und schmähliche Flucht bilden das Ende des Kampfes bei denen, welchen der HERR nicht als Herzog vorangeht. Und die uns hassen, haben sich Beute gemacht (Grundtext), wie es ihnen beliebte. Auf Niederlage und Zurückweichen folgte Beraubung. Das arme Volk musste seine Besiegung schrecklich büßen. Plünderung und Mord verwüsteten das eroberte Land, und die Eindringlinge beluden sich mit allen Kostbarkeiten, die sie nur wegschleppen konnten. Auch im Geistlichen wissen wir, was es heißt, von den Feinden ausgeplündert zu werden. Zweifel und Befürchtungen berauben uns alles Trostes, und schreckliche Vorahnungen nehmen uns alle unsere Hoffnungen dahin; und dies alles, weil der HERR es aus weisen Absichten für gut findet, uns allein zu lassen. O des Jammers solcher verlassenen Seele! Kein Unglück gleicht dem, von Gott verlassen zu sein, ob es auch nur für einen kleinen Augenblick wäre.

12. Du lässest uns auffressen wie Schafe. Wie Schafe, die in Menge der Schlachtbank überliefert werden, um zur Speise zu dienen, ward das Volk in ganzen Haufen erschlagen. Wehrlos wie die Schafe verfielen sie dem Messer. Ihr Tod war kein würdevoller Opfertod, sondern eine grausame Hinschlachtung. Gott schien sie dahinzugeben wie Schafe, die dem Schlächter überwiesen sind, sie im Stich zu lassen wie ein Mietling, der seine Herde den Wölfen preisgibt. Wahrlich, die Klage sucht an einschneidender Beredsamkeit ihresgleichen! Und hast uns unter die Heiden zerstreut. (Grundtext) Viele waren in Gefangenschaft geführt und mussten in weiter Ferne, abgeschnitten von den Gottesdiensten des Heiligtums, als Verbannte unter den Götzendienern schmachten. Dies alles wird dem HERRN zugeschrieben, als von ihm zugelassen und sogar durch seinen Ratschluss also angeordnet. Wir tun wohl daran, der Hand Gottes in unseren Kümmernissen nachzuspüren, denn sie ist gewiss da zu finden.

13. Du verkaufest dein Volk umsonst.2 Wie Kaufleute ihre Ware an jeden verkaufen, der sie nur haben will, so schien der HERR sein Volk jeder beliebigen Nation preiszugeben, der es einfiel, mit Israel Krieg anzufangen. Und dabei war nicht ersichtlich, dass auch nur das geringste Gute aus all den Trübsalen Israels hervorgehe. Soviel der Psalmdichter entdecken konnte, empfing des HERRN Name keinerlei Ehre durch all die Leiden seines Volkes. Gott verschenkte gleichsam Israels Söhne und Töchter an ihre Feinde, als wären sie von ihm so geringgeschätzt, dass sie nicht einmal eines Sklavenpreises wert wären, und als wäre es dem HERRN ganz gleichgültig, ob er etwas für sie bekomme oder nichts, solange sie nur litten. Das Weh, das sich in dieser Zeile ausspricht, ist wie Essig mit Galle vermischt; die Klage wäre eines Jeremia würdig. Und nimmst nichts drum, wörtlich: und gewannst nichts durch ihren Kaufpreis. Wenn Jehova durch all dies Elend verherrlicht worden wäre, so könnte man es mit Geduld ertragen; aber das Gegenteil war der Fall. Das Unglück Israels hatte dazu gedient, dass des HERRN Name von den übermütigen Heidenvölkern, die die Niederlage Israels als eine Niederlage Jehovas selber ansahen, verächtlich gemacht wurde. Es erleichtert einem Gotteskinde stets die Trübsal, wenn es einsehen kann, dass Gottes erhabener Name durch dieselbe werde verherrlicht werden; dagegen macht es unser Elend unerträglich bitter, wenn es scheint, als würden wir ganz umsonst gemartert und gequält. Doch zu unserm Trost lasst uns die Wahrheit zu Herzen fassen, dass der HERR ganz gewiss verherrlicht wird und dass er, wenn ihm auch nicht offenbar ein Tribut an Ehre gezollt wird, nichtsdestoweniger seine verborgenen Absichten ausführt, deren wunderbares Ergebnis sich zu seiner Zeit glorreich enthüllen wird. Wir leiden nicht für nichts, noch sind unsere Trübsale nutzlos.

14. Du machest uns zur Schmach unseren Nachbarn. Schmähungen sind stets überaus bittere Tropfen im Leidenskelch der Unterdrückten. Die Sticheleien und Witzeleien der Sieger verwunden die Bezwungenen nicht minder schmerzlich als Schwert und Spieß. Es war in der Tat ein wunderliches Ding, dass Gott sein königliches Volk, das Volk seines Eigentums, dem Gespött aller benachbarten Völker überließ. Zum Spott und Hohn denen, die um uns her sind. Das niedergetretene Volk war jedermanns Spott. "Verächtlich wie Israel" ward eine alltägliche Schimpfrede bei den Tyrannen, und so allgemein war es Sitte geworden, Israel zu verhöhnen, dass die benachbarten Völker, ob auch vielleicht eben so geknechtet, die Stichelreden der Eroberer nachahmten und in das allgemeine Gespött mit einstimmten. Aller Welt zur Belustigung zu dienen, von jedermann, ob stark oder schwach, ob über oder unter uns oder uns gleich stehend, mit Schimpf und Verachtung behandelt zu werden, das ist schwer zu ertragen. Der Zahn des Spottes beißt bis auf die Knochen. Der Psalmdichter schildert die Roheit des Feindes mit vielen Worten, um Gottes Mitleid zu bewegen. Das war das beste Mittel um Zweck; denn die Leiden seiner Auserwählten rühren Gottes Herz mehr als alle anderen Beweggründe. Auch unser großer Fürsprecher droben weiß sich dieses mächtigen Mittels zu bedienen, und wenn wir etwa zu dieser Stunde um der Wahrheit willen Schmach leiden, so macht er dies unzweifelhaft vor Gottes Thron geltend. Und sollte Gott nicht seinen Auserwählten Recht schaffen? Ein Vater kann nicht lange zusehen, wie sein Kind schlecht behandelt wird; und ob er es eine Weile geschehen ließe, so wird seine Liebe doch schnell seinen Zorn entflammen, und dann wird es dem Verfolger und Schmäher schlimm ergehen.

15. Du machst uns zum Beispiel (zum Sprichwort) unter den Heiden, und dass die Völker das Haupt über uns schütteln. Die Wehklage wird erneuert. Sie waren in der öffentlichen Meinung so tief gesunken, dass ihnen niemand Achtung bezeugte, sondern sie allgemein und öffentlich mit Schimpf und Schande überhäuft wurden. Wer jemand besonders kränken wollte, der schmückte seine Schimpfreden, indem er Israels Name hereinzog; und wo sich einer von den Söhnen Jakobs auf der Straße blicken ließ, da wies man auf ihn mit höhnenden Gebärden, um ihn zu kränken und zu belästigen. Und wer den leersten Kopf hatte, der schüttelte ihn über diese seltsamen Leute, die so gar anders lebten als alle Welt. Sie waren die Zielscheibe für jedes Narren Pfeile. Solches ist das Los der Gerechten in den vergangenen Zeiten gewesen, dasselbe ist auch heute in gewissem Maße ihr Teil, und es mögen Zeiten kommen, wo die Frommen in noch schlimmerer Weise solches erfahren werden. Die Welt kennt den wahren Adel nicht und hat für wirkliche Trefflichkeit kein Auge. Sie hat für den Meister ein Kreuz gezimmert, und nur ein Tor könnte erwarten, dass sie den Jüngern des Gekreuzigten Kränze winden werde.

16. Täglich (wörtl.: den ganzen Tag, d. i. immerfort) ist meine Schmach vor mir. Der Dichter spricht hier als Vertreter des Volks und bezeugt, wie seine Seele unter der nationalen Schmach unaufhörlich leide. Es zeugt von einem schlechten Gemüt, wenn jemand den Leiden der Gemeinde oder des Volks, denen er angehört, gleichgültig gegenübersteht. Je edler ein Herz ist, desto lebhafter ist sein Mitgefühl. Und mein Antlitz ist voller Scham. Die Purpurröte der Scham stieg ihm nicht nur zuweilen ins Gesicht, sondern bedeckte es beständig, vor Gott und Menschen. Vor Gott fühlte er, dass die Züchtigung wohl verdient war, und vor den Menschen, dass er und sein Volk nun in der Tat verächtlich geworden waren, da Gott ihnen seine Hilfe entzogen hatte. Wohl dem Volke, das noch Männer in seiner Mitte hat, die sich seine Sünde und Schmach zu Herzen nehmen. Gott wird sich der Gezüchtigten annehmen, und es ist ein Pfand der kommenden Hilfe, wenn er uns treue Knechte sendet, Männer von heiligem Ernst und zarter Liebe, die des Volkes Not zu ihrer eigenen machen.

17. Dass ich die Schänder und Lästerer hören muss. Es scheint, die Widersacher seien vom Verspotten des Volkes Gottes zum Schmähen Gottes selber übergegangen. Vom Verfolgen der Heiligen schritten sie fort zu der nächstverwandten Sünde, der Gotteslästerung. Und die Feinde und Rachgierigen sehen muss. Hass und Rachgier waren auf dem Angesicht der Feinde zu lesen. Diese rühmten sich, die Niederlagen, welche ihre Vorfahren von Israel erlitten hatten, wieder wettgemacht zu haben, und nahmen für die früheren Siege Israels bittere Rache, indem sie das nun darniederliegende Volk in der übermütigsten Weise kränkten und misshandelten. Ja, Israel war wahrlich in großem Jammer; und doch war seine Lage keineswegs hoffnungslos, denn derselbe HERR, der all dies Übel über das Volk hatte ergehen lassen, konnte es eben so leicht wieder von ihm wenden. Solange Israel auf seinen Gott und nicht auf seinen eignen Arm vertraute, war kein Feind imstande, es mit seinem Fuße zu Boden gedrückt zu halten; Israel musste sich bald wieder aus dem Staube erheben, denn Gott war auf seiner Seite.

Fußnote
2. Andere übersetzen: um einen Nicht-Preis = um einen Spottpreis.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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18. Dies alles ist über uns kommen; und haben doch dein nicht vergessen
noch untreulich in deinem Bund gehandelt;
19. unser Herz ist nicht abgefallen
noch unser Gang gewichen von deinem Weg,
20. dass du uns so zerschlägest am Ort der Schakale
und bedeckest uns mit Finsternis.
21. Wenn wir des Namens unsers Gottes vergessen hätten
und unsre Hände aufgehoben zum fremden Gott,
22. würde das Gott nicht finden?
Er kennet ja unsers Herzens Grund.
23. Denn wir werden ja um deinetwillen täglich erwürget
und sind geachtet wie Schlachtschafe.


18. Dies alles ist über uns kommen; und haben doch dein nicht vergessen. In den nun folgenden Versen macht der Psalmsänger nachdrücklich geltend, dass Israel seinem Bundesgott die Treue nicht gebrochen habe. Können wir mitten in großem Kummer Gott mit liebendem Gehorsam anhangen, dann steht es wohl um uns. Ein Diener, der seinem Herrn mit ganzer Treue ergeben ist, kann auch rauhe Behandlung von ihm ertragen. Menschen, die Gott um des irdischen Lohnes willen dienen, den sie von ihm zu bekommen hoffen, werden ihn bald verlassen, wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt; aber nicht so der aufrichtige Christ. Er kann seines Gottes nicht vergessen, und ob ihn Unglück um Unglück trifft, eins schlimmer als das andere. Noch untreulich in deinem Bund gehandelt. Israel duldete zu der Zeit, da der Dichter diesen Psalm schrieb, keinerlei Götzenverehrung, der verordnete Gottesdienst ward nicht vernachlässigt, Jehova wurde vom ganzen Volke als sein Gott anerkannt, und das gibt dem Psalmisten Mut, desto dringender zu flehen, dass Gott doch ins Mittel treten wolle. Dieser sowie der nächste Vers ziemen sich im Munde solcher, die um des HERRN willen leiden; man könnte den ganzen Psalm eine Märtyrerklage nennen. Nicht um der Sünde, sondern um der Gerechtigkeit willen litten diese Heiligen; nicht der Falschheit, sondern der Wahrheit halben; nicht weil sie den HERRN verlassen hatten, sondern weil sie ihm so treulich nachgefolgt waren. Leiden solcherart mögen schrecklich sein, aber sie sind höchst ehrenvoll, und Gottes Tröstungen werden sicher denen nicht mangeln, die gewürdigt werden, um seines Namens willen Schmach und Verfolgung zu leiden.

19. Unser Herz ist nicht abgefallen, noch unser Gang gewichen von deinem Weg. Gesinnung und Wandel stimmten überein, und zwar waren beide dem Wege des HERRN treu. Weder innerlich noch äußerlich hatten sich die gottseligen Dulder vergangen. Selbstredend waren sie nicht schlechthin vollkommen; aber sie wussten sich aufrichtig von aller vorsätzlichen Übertretung frei. Es war ein glückverheißendes Zeichen, dass der Gottesmann, welcher diesen Psalm dichtete, der Aufrichtigkeit des Volkes gegen Gott ein solches Zeugnis geben konnte. Weit öfter hätten die Propheten ein ganz anders lautendes Urteil über das Volk abgeben müssen; denn die Stämme Israels waren gar sehr geneigt, andern Göttern Altäre aufzurichten und den Fels ihres Heils zu verlassen.

20. Dass du uns so zerschlägest am Ort der Schakale und bedeckest uns mit Finsternis. Hätten wir dir die Treue gebrochen, so wären deine Züchtigungen, so bitter sie sind, verständlich; nun aber sind sie uns unerklärlich. Solche Klage finden wir nun freilich bei vielen; aber während die einen sich von dem Gott lossagen, dessen Führungen sie nicht verstehen, klammern sich die andern, ob auch mit tief verwundetem Herzen, allen einstürmenden Zweifeln zum Trotz desto fester an Gott und lassen ihn nicht, bis er sie segnet und ihnen wieder Licht und Frieden spendet, wie wir es hernach in diesem Psalm auch sehen. Der aufrichtige Glaube darf kühn mit Gott reden und nach Licht ringen; aber die mit dem HERRN hadern, müssen umkommen. Der Vers schildert den trostlosen Zustand der Kinder Israel in grellen Farben. Gott hat sie zermalmt, und das am Ort der Schakale; eine heulende Wildnis umgibt sie, und schauerliche Finsternis des Todesschattens bedeckt sie ganz; da ist nichts als Tod und Verzweiflung, sie sind wie eingesargt in Hoffnungslosigkeit.

21. Bei diesem entsetzlichen Elend beruft sich der Dichter für Israels Unschuld auf Gottes Allwissenheit. Gott selber möge Zeugnis geben, dass Israel keinerlei Götzendienst aufgerichtet oder geduldet hatte. Wenn wir des Namens unsers Gottes vergessen hätten. Das wäre der erste Schritt des Abfalls gewesen. Die Menschen vergessen erst das Wahre, dann beten sie das Falsche an. Und unsre Hände aufgehoben zum fremden Gott. Das Ausstrecken der Hände war Gebärde der Huldigung oder des Flehens. Sie hatten weder Anbetung noch Bitten irgendeinem Götzen der Heiden dargebracht.

22. Würde das Gott nicht finden, oder (wörtl.:) erforschen? Könnte solcher Götzendienst vor ihm verheimlicht werden? Würde er nicht solche Treulosigkeit mit heiliger Entrüstung aufgedeckt haben, selbst wenn sie tief im Herzen verborgen worden wäre und sich im Wandel durch nichts verraten hätte? Er kennet ja unsers Herzens Grund, wörtlich: die Geheimnisse des Herzens. Vor ihm sind die innersten Falten unsers Herzens aufgedeckt, darum hätte ihm solches nicht entgehen können. Nicht das Herz allein, dies verborgene Ding, sondern die Verborgenheiten des Herzens, diese heimlichsten Heimlichkeiten der geheimen Kammer, liegen alle vor Gott offen da, wie das Buch vor dem Leser. Die Schlussfolgerung ist, dass der HERR selber wisse, wie treu das Volk ihm nachfolge, und dass er es daher nicht um der Sünde willen heimsuche. So musste denn offenbar die Trübsal einer ganz anderen Ursache entspringen.

23. Nein, sondern um deinetwillen werden wir erwürget täglich. (Grundtext) Nicht um Abfalls willen, sondern weil wir dir treu gehorchen, werden wir immerfort dahingewürgt. Die Verfolgung ruhte nie, sie kamen nicht zu Atem und fanden kein Entrinnen; und das alles um Gottes willen, weil sie ihren Bundesgott und König nicht verlassen wollten. Und sind geachtet wie Schlachtschafe: als wären wir nur dazu da, getötet zu werden; als wären wir Geschöpfe, eigens dazu geschaffen, dem Schlachtmesser zu verfallen; als wäre es eine so geringe und unschuldige Sache, uns hinzumetzeln, wie Schafe zu töten. In diesem wie dem folgenden Vers hören wir deutlich die Stimme der Märtyrer zu Gott schreien. Von Piemont und Smithfield, aus dem Gemetzel der Bartholomäusnacht und den Qualen der Dragonaden steigt der Ruf zum Himmel, während die Seelen unter dem Altar (Off. 6,9 f.) ebenfalls unablässig Gottes Vergeltung herbeirufen. Nicht ewig wird die Gemeinde Gottes auf solche Weise zu Gott schreien müssen; ihre Schmach wird an den Feinden vergolten werden, bald wird der Jubeltag anbrechen.

24. Erwecke dich, Herr! Warum schläfest du?
Wache auf und verstoße uns nicht so gar!
25. Warum verbirgest du dein Antlitz,
vergissest unsers Elends und Drangs?
26. Denn unsre Seele ist gebeuget zur Erde;
unser Leib klebt am Erdboden.
27. Mache dich auf, hilf uns
und erlöse uns um deiner Güte willen!


24. Erwecke dich, Herr! Warum schläfest du? Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht; aber der Psalmist braucht diesen Ausdruck für Gottes Zögern, als könnte er keine andere Erklärung dafür finden, dass Gott nicht eingreift. Er möchte durchaus sehen, dass der Weltrichter der Unterdrückung ein Ende mache und den Frommen Ruhe verschaffe; darum ruft er: Erwecke dich, Herr! Er kann nicht verstehen, warum Gott es duldet, dass die Tyrannei herrscht und die Tugend unterdrückt wird; darum fragt er: Warum schläfest du? Wache auf! Das ist alles, was du zu tun brauchst; sowie du dich regst, sind wir gerettet. Und verstoße uns nicht so gar, wörtl.: für immer. Lang genug hast du uns dem Elend überlassen, die schrecklichen Folgen deines Fernbleibens richten uns gar zugrunde; mache du unserem Jammer ein Ende und lass deinen Zorn sich besänftigen.

25. Warum verbirgest du dein Antlitz, vergissest unsers Elends und Drangs? Nicht im trotzigen Geist des Haderns mit Gott, wohl aber im demütigen Geist des Flehens und Forschens dürfen wir Gott über das Warum fragen, wenn seine Führungen geheimnisvoll sind. Es ist uns erlaubt, unsere Sache mit Beweisen zu belegen und uns vor dem Angesicht der erhabenen himmlischen Majestät auf das Recht zu berufen. Was ist der Grund, HERR, dass du der Leiden deine Kinder zu vergessen scheinst? Diese Frage können wir weit leichter aufwerfen als uns beantworten. Es ist in der Tat sehr schwer, wenn wir mitten in der Verfolgung stehen, den Grund zu erkennen, warum wir solch bittern Leiden preisgegeben werden.

26. Denn unsre Seele ist gebeugt bis zum Staube. (Grundtext) Unsre Seele liegt so tief darnieder als nur möglich, so tief wie der Staub unter der Menschen Füßen. Unser Leib klebt am Erdboden. Wir liegen hingestreckt am Boden und ohne Macht, uns wieder aufzurichten; es ist, als wären wir an den Erdboden festgeleimt. Leib und Seele, der ganze Mensch ist im tiefsten Elend festgebannt, gefesselt in Schmach, gebunden mit den Stricken der Verzweiflung. Ja, die Heiligen Gottes können so in den Staub gebannt sein, wie wir’s an einem Hiob und einem Lazarus sehen; aber der Tag ihrer Erlösung kommt. Sei unverzagt! Bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach.

27. Mache dich auf, hilf uns! Ein kurzes, aber liebliches und kräftige Gebet, geradeswegs aufs Ziel gehend, deutlich, einfach, dringend; so sollten unsere Bitten sein. Und erlöse uns um deiner Güte (besser: Gnade) willen. Das ist der letzte Anlauf, mit dem der Beter Gott bestürmt. Was er erbittet, ist Erlösung, und der Grund, auf den er seine Bitte stützt, ist nunmehr nichts anderes als Gottes Gnade. Und doch handelt es sich um treue Dulder, die ihres Gottes nicht vergessen hatten, sondern um seines Namens willen so geschmäht und zertreten wurden. Solchem Flehen kann’s nicht fehlen. Das ist die höchste Kunst des Betens, sich auf Gottes Gnade zu berufen. Und wären wir gewürdigt, zu den auserwählten Heiligen zu zählen, die ihr Zeugnis auf dem Scheiterhaufen besiegeln, so wollten wir doch nichts anderes vor Gott bringen als den heiligen Jesusnamen, in welchem Gottes Gnade uns verbürgt ist.
Der erhabene Psalm ist nun zu Ende; aber im Himmel wirkt er fort. Sein Räucherwerk steigt zu Gottes Thron auf und bewegt Gottes Herz, sein schwer geprüftes Volk zu erlösen.
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Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der 44. Psalm hat mit noch einigen andern (z. B. dem 74) das an sich, dass er sich deutlich auf eine ganz bestimmte geschichtliche Lage Israels bezieht, ohne dass es uns gelingen will, in der Geschichte des Volks eine Zeit zu entdecken, in der sich die sämtlichen Züge des Psalms vereinigt wiederfinden ließen. Die Gelehrten haben den Psalm in der Tat, wie Keßler sich ausdrückt, durch die Jahrhunderte spazieren geführt, aber ohne sicheres Ergebnis. Eine große Zahl alter und neuer Ausleger weist ihn der makkabäischen Periode zu, so schon die Antiochenische Schule, ferner Calvin usw. In der Tat finden wir da viele Züge des Psalms beisammen: kämpfende Heere (V. 10), Zerstreuung des Volks (V. 12), bewusste Bundestreue (V. 18-22), Religionsverfolgung (V. 23). Der Haupteinwurf gegen die Annahme makkabäischer Psalmen, dass nämlich zu jener Zeit der dreiteilige Kanon schon festgestanden habe, hat durch die Entdeckung eines Teils des hebräischen Textes des Jesus Sirach. durch Halévy (vor 1897) und den Nachweis, dass diese Schrift, die ja auf den Psalter Bezug nimmt (Jesus Sirach. 47,8-10) schon mindestens um das Jahr 300 v. Chr. verfasst sei, eine sehr beachtenswerte Verstärkung erfahren. Immerhin wird man die Möglichkeit, dass noch vereinzelte Dichtungen dieser Zeit, wie z. B. Ps. 149, der Sammlung angehängt worden seien, nicht unbedingt verneinen können. Schwieriger liegt schon die Sache, wenn es sich wie hier um eine Einfügung von Psalmen handelt. Delitzsch macht außerdem geltend, dass das Volk damals, wenn auch Tausende den Märtyrertod erlitten hatten, doch nicht über Niederlagen seiner Heere zu klagen, vielmehr für Siege zu danken gehabt habe. Auch wäre es dann seltsam, dass die doch auch vorhandenen Abtrünnigen in dem Psalm gar nicht erwähnt würden. - Die exilische Gemeinde, auf welche einzelne den Psalm bezogen haben, konnte sich nicht so nachdrücklich, wie es im Psalm geschieht, auf ihre Bundestreue beziehen. - Keßler will ihn aus der Lage nach der Schlacht bei Megiddo erklären. Er macht darauf aufmerksam, dass der Psalm durchweg ein Echo der Töne sei, die das Deuteronomium angeschlagen habe. Vergl. V. 2 mit 5. Mose 6,7; 11,19; (32,7); V. 3 das deuteronomische Lieblingswort #ry V. 4 vergl. mit 5. Mose 7,7; 10,15; 8,17 f.; V. 10 vergl. mit 5. Mose 20,1-4; V. 12 mit 5. Mose 4,27; 28,64; V. 14 mit 5. Mose 28,37. Er sagt: "Die Klagen und Bitten des Psalms erklären sich vortrefflich aus der gedrückten Stimmung derjenigen Volkskreise, welche an die josianische Reform große nationale Hoffnungen geknüpft hatten. Diese sanken mit Josias Niederlage und Tod bei Megiddo dahin; Jahve, der Bundesgott, konnte bundbrüchig erscheinen, während auf die Toten von Megiddo, ja auf das ganze Volk der Glanz auch religiösen Martyriums fiel. Unter dem frischen Eindruck des Unglücks von Megiddo dürfte der Psalm gedichtet sein, noch ehe Jojakim dem alten Synkretismus sich wieder ergab. Auch V. 12 ff. erklärt sich aus dieser Situation hinlänglich und braucht nicht auf das Exil zu gehen." - Delitzsch ging mit andern auf die davidische Zeit (vergl. die Unfälle des syrisch-ammonitischen Krieges) zurück, weil vor dem Exil nur damals (und in den ersten Jahren Salomos) das Volk als Ganzes sich habe rühmen dürfen, von heidnischem Kultus rein zu sein, die späteren Zeitbestimmungen aber nicht durchweg passten. - James Millard

V. 2. Gott, wir haben mit unseren Ohren gehört, d.i. wir haben es nicht nur gehört, sondern auch beachtet, mit gespanntester Aufmerksamkeit und herzlicher Lust gehört. Der Ausdruck ist nicht sowohl pleonastisch als emphatisch. John Trapp † 1669.

Unsre Väter haben’s uns erzählet. Höret dies, ihr Väter, die ihr es versäumt, eure Kinder solche Dinge zu lehren, welche in ihnen Furcht und Liebe zu Gott wirken können, und Glauben, sich in allen Zeiten der Gefahr auf ihn zu verlassen und ihn zu suchen. Jene Väter machten ihren Mund gleichsam zu dem Buch, darin die Kinder die mächtigen Taten des HERRN lesen konnten, damit sie den HERRN priesen und ihr Herz zu ihm gezogen würde. Basilius der Große † 379.

Ein Werk hat du gewirkt zu ihren Zeiten. (Wörtl.) Warum steht die Einzahl, ein Werk, während Gott doch so unzählige Erlösungstaten vollbracht hatte, von der Durchführung durchs Rote Meer bis zur Vernichtung der hundertfünfundachtzigtausend Assyrer, welche Jerusalem belagerten? Weil alle diese einzelnen Taten nur Teile des einen großen Ganzen der Erlösung Israels und nur Vorbilder des einen großen Heilswerkes sind, da der Satan besiegt, der Tod vernichtet und das Himmelreich allen Gläubigen erschlossen worden ist. Bischof Ambrosius † 397.

Das war das schöne Geschäft der Greise in Israel, Gottes Taten unsterblich zu machen unter ihrem Volk, dass wie in ununterbrochener Kette ihr Gedächtnis hinliefe von Jahrhundert zu Jahrhundert. Auch andere Völker pflanzen von Geschlecht zu Geschlecht in Liedern und Geschichten die großen Begebenheiten der Vorzeit fort, aber während Israel nur von den Taten Gottes lobsingt, gelten ihre Loblieder den Großtaten ihrer Ahnen. Prof. A. Tholuck 1843.

Kinder sind die Erben ihrer Väter; es wäre unnatürlich, wenn ein Vater seine Schätze vor seinem Tode in die Erde vergrübe, so dass seine Kinder sie nicht finden und genießen könnten. Nun sind aber die Gnadenerweisungen Gottes wahrlich nicht der geringste Schatz eines gottseligen Vaters, noch sind sie das geringste Erbteil seiner Kinder, da sie mächtige Mittel zur Förderung des Glaubens, der Dankbarkeit und des Gehorsams sind, wie wir hier sehen. Was Gott an den Vätern getan hat (V. 2-4), das ist’s, worauf die Nachkommen ihre Zuversicht zu Gott gründen (V. 5) und was sie zu dankbarem Rühmen des HERRN treibt (V. 9). Und gerade wie die Kinder die Schätze ihrer Väter erben, so übernehmen sie auch die Schulden ihrer Väter. Die große Schuld nun, mit der jeder Heilige bei seinem Tode belastet bleibt, ist die Liebesschuld für Gottes Gnadenerweisungen; darum ist es nicht mehr als billig, wenn er seine Nachkommen verbindlich macht, Gott diese Schuld - oder, da sie untilgbar ist, doch wenigstens die Zinsen zu bezahlen. William Gurnall † 1679.

V. 4. Denn du hattest Wohlgefallen an ihnen. Gottes freie Gnade war die Hauptursache all ihrer Glückseligkeit. Gott liebte sie, weil er sie liebte. Er erwählte sie aus seinem freien Liebeswillen und liebte sie dann auf Grund seiner Wahl. (5. Mose 7,7 f.) John Trapp † 1669.

Der Prophet stellt nicht irgendwelche Würdigkeit der Person Abrahams, noch ein Verdienst seiner Nachkommen als Grund auf, um dessentwillen Gott so gütig gegen sie gehandelt hatte, sondern schreibt alles einzig dem Wohlwollen Gottes zu. Und zwar handelt der Psalmsänger hier nicht von dem allgemeinen Wohlwollen Gottes, welches sich auf das ganze Menschengeschlecht erstreckt, sondern er redet von dem Unterschied, welcher zwischen den Erwählten und der übrigen Menschenwelt besteht, und führt als Ursache dieses Unterschieds den freien Liebeswillen Gottes an. Jean Calvin † 1564.

V. 5. Mein König. Der Personenwechsel in den einzelnen Versen lässt sich leicht daraus erklären, dass der Sänger teils im Namen seines Volkes, teils, sich mit seinem Volke zusammenfassend, in seinem eigenen Namen redet. Lic. Dr. H. V. Andreä 1885.

Du, Gott, bist mein König; entbiete Hilfe für Jakob. (Grundtext) Die Hilfserweisungen (Mehrzahl) werden von Gott wie Engel zum Schutz seines Volkes entboten, vergl. 43,3; 91,11. Prof. Friedrich Baethgen 1892.

Entbiete. Weil er Gott seinen König genannt hatte, so bedient er sich eines Wortes, das auf die königliche Autorität und Machtvollkommenheit hinweist. Johann Heinrich Michaelis † 1738.

V. 6. Durch dich stoßen wir unsre Feinde nieder. (Wörtl.) Das Bild ist hergenommen von dem Stier oder von gewissen gefährlichen Antilopen, die ihre Feinde mit den Hörnern niederstoßen. Adam Clarke † 1832.

V. 7. Ja, ich habe wohl Bogen und Schwert. Denn es ist ja mein Schwert und mein Bogen. Man soll und muss gerüstet sein mit Wehr und Waffen, wo man sie haben kann, auf dass man Gott nicht versuche; aber ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen oder auf meine Rüstung. Das Verlassen und Vertrauen auf eigene Macht und Rüstung, das verderbt’s gar und ist rechte Abgötterei. Denn vertrauen oder verlassen gehört allein Gott zu. Martin Luther † 1546.

Je weniger Vertrauen wir in uns selber oder irgendetwas außer Gott setzen, desto gewisser ist, dass unser Glaube an Gott aufrichtig ist. David Dickson † 1662.

V. 7.8. Die beiden Verse entsprechen genau dem V. 4. So wie dort in Bezug auf die Vergangenheit das Heil allein auf Gott zurückgeführt worden ist, so hier in Bezug auf die Zukunft. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

V. 12.23. Das Schaf war und ist noch heute im Morgenlande das Tier, dessen Fleisch hauptsächlich zur Nahrung dient, sofern überhaupt zur Mahlzeit Fleisch verwendet wird. - James Millard

V. 13. Du verkaufest dein Volk umsonst und nimmst nichts drum. Der Sinn ist: Du hast dein Volk ohne weiteres, ohne dass sie den Sieg irgend teuer erkaufen mussten, in die Gewalt der Feinde gegeben, wie einer, der ein Gut, das ihm verächtlich und verhasst ist, um es nur los zu werden um jeden Preis losschlägt. Parallel ist Jer. 15,13: Dein Vermögen und deine Schätze will ich der Plünderung geben, nicht um Kaufpreis. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

Euseb sagt mit Bezug auf die Belagerung Jerusalems durch Titus: Viele wurden um einen geringen Preis verkauft; viele waren zu verkaufen, aber es gab wenig Käufer.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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V. 15. Du machest uns zum Gleichnis unter den Heiden. Das Elend Israels ist so groß, dass man einen Elenden bildlich einen Juden nennt, wie man die Lügner Kretenser nannte (vergl. Tit. 1,12), elende Sklaven Sardier. So weit ist es mit dem Volke der "Gesegneten des HERRN" gekommen, bei dem nach der Verheißung alle Heiden sich segnen sollen. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

V. 16. Täglich ist meine Schmach vor mir. Wenn die sichtbare Kirche von Unglück heimgesucht wird, sind die echten Glieder derselben Teilhaber der Drangsal, des Kummers und der Schmach, welche die Kirche treffen. David Dickson † 1662.

V. 18-23. Dieser Psalm enthält eine bewegliche Klage der Heiligen über eine allgemeine schwere Drangsal. Bei solchen Umständen haben nun sonst die Gnadengenossen Gottes in ihren Bußgebeten demütige Sündenbekenntnisse für sich und ihr ganzes Volk abgelegt, z. B. Dan. 9,5.8.15; Jes. 64. In diesem Psalm aber berufen sich die heiligen Beter vielmehr auf ihren treulichen Wandel im Bunde Gottes. Es liegt freilich unter solchen Gebeten etwas Unaussprechliches, das eigentlich dem allein bewusst ist, der an des Herzens Grunde ersiehet seine Lust. Es ist etwas Tiefes, warum der Geist der Gnade und des Gebets die Heiligen Gottes das eine Mal so stimmt, dass sie sich bei der Demütigung vor Gott und Bekenntnis der Sünden unter den allgemeinen Haufen der Übertreter hinstellen und allen Ruhm und Trost ihres guten Gewissens gleichsam darüber vergessen, das andere Mal aber sie mit so vieler Freudigkeit zu Gott ausrüstet, dass sie ihren geängsteten Geist und ihr zerschlagenes Herz darbringen als ein Opfer, das er nicht verachten werde, und dabei sie von ihrem rechtschaffenen Anhangen an Gott so reden, als wie wenn sie ihrer selbst und ihres Volkes halber keine Anklage zur Beschämung wider sich hätten. Der Geist vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Man hat diesen Psalm einer oberflächlichen Auffassung der Sünde beschuldigt, wodurch der Verfasser verleitet worden sei, Gott des Treubruchs anzuschuldigen, statt die Schuld bei der Gemeinde zu suchen. Dieses Urteil ist unbillig. Der Verfasser kann ja nicht Sünden der einzelnen und auch nicht diese und jene Gebrechen des Ganzen in Abrede stellen wollen. Aber Abfall der Nation von ihrem Gott, woraus sich die Verwerfung derselben erklären ließe, ist nicht vorhanden. Die den Heiden über Israel gegebene Obmacht ist also eine Abnormität, und eben deshalb fleht der Dichter auf Grund der Treue Israels und der Gnade Gottes um baldige Erlösung. Ein unmittelbar aus dem Herzen der neutestamentlichen Gemeinde geborener Psalm würde freilich anders lauten. Denn die neutestamentliche Gemeinde ist kein Volksgemeinwesen, und sowohl in Ansehung des Verhältnisses ihrer Wirklichkeit zu ihrer Idee, als in Ansehung des Verhältnisses ihrer Leihen zu Gottes Beweggrund und Absicht reicht ihr Blick ungleich tiefer. Sie weiß, dass es Gottes Liebe ist, welche sie der Passion Christi gleichförmig macht, damit sie, der Welt gekreuzigt, durch Leiden hindurch der Herrlichkeit ihres Herrn und Hauptes teilhaft werde. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 22. Würde das Gott nicht finden? Sendet Gott so mannigfaltige Trübsale, um die Aufrichtigkeit der Tugenden eines Menschen zu prüfen, wie töricht und vergeblich ist dann alle Heuchelei, und wie zwecklos mühen sich die Menschen ab, sie zu verdecken! Sowenig wie ein Mord kann Heuchelei verborgen bleiben. Kein Dunkel der Nacht kann sie verhüllen; sie kommt ans Tageslicht, und alle Kunst und List kann’s nicht verhindern. Ein vergoldetes Kupferstück mag eine Weile von Hand zu Hand gehen, aber der Prüfstein entdeckt das gemeine Metall; und wenn der Prüfstein nicht, so wird’s das Feuer tun. Joh. Flavel † 1691.

Wer Gott fürchtet, wagt es nicht, heimlich zu sündigen. Er weiß, dass Gott in das Verborgene sieht. Wie wir Gott nicht mit unseren Künsten überlisten können, so können wir ihn auch nicht von unseren Heimlichkeiten ausschließen. Thomas Watson 1660.

V. 23. Die Kirche hat den Namen und Titel der Schafe oder der Herde nicht allein darum, dass sie ihre große Unschuld beweise, niemand Gewalt noch Unrecht tue, still, sanftmütig und freundlich sei, sondern auch, dass angezeigt werde, wie sie dem Kreuz, mancherlei Anfechtung, Trübsal, Angst und Not unterworfen sei und jedermann müsse unter den Füßen liegen. Die rechte Kirche hat einen ewigen Feind, den Teufel, der treibt unter dem Schein der Heiligkeit die Kainiten wider ihre Brüder (Joh. 8,44). Aber Christi Reich stehet also, dass es ein Reich des Lebens und so starken Lebens ist, dass es mitten im Tode lebt, und so starker Gnade, dass sie in der Sünde Überhand behält und dem Teufel mitten im Rachen regieret, denn es ist ein geistlich Reich. Darum gib dich zufrieden und zähle dich unter den Haufen, davon Christus sagt: Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Es müssen alle Heiligen diesen Psalm singen. Es muss Leid und Unglück sein, sollen wir des Trostes teilhaftig sein. Man soll das Kreuz predigen und tragen, nicht den Schutz und Trutz lehren und suchen. Lieber zehnmal tot sein, denn solch Gewissen haben, dass unser Evangelium sollte eine Ursach gewesen sein einigen Bluts, oder Schadens, so von unsertwegen geschehen, weil wir sollen die sein, die da leiden, und nicht uns selber rächen und verteidigen, sondern dem Zorn Gottes Raum lassen (Röm. 12,19). Wenn nur das Wörtlein deine dazukommt, welches solche Leiden von uns nimmt und auf eine andre Person legt, dass wir sagen können: Lieber Herr Christe, deiner, deiner Leiden haben wir viele, wir werden um deinetwillen täglich erwürget, so werden denn uns allerlei Leiden nicht allein leicht und erträglich sein, sondern auch lieblich und tröstlich (Mt. 11,30). Martin Luther † 1546.

(Euseb sagt, wo er von den Grausamkeiten des oströmischen Tyrannen Maximinus redet:) Er bezwang alle, nur die Christen nicht, die den Tod nicht fürchteten und seine Tyrannei verachteten. Die Männer erduldeten standhaft, dass man sie verbrannte, enthauptete, kreuzigte, von wilden Tieren zerreißen ließ, im Meer ertränkte, ihren Körper verstümmelte oder gliedweise röstete, ihnen die Augen durchbohrte oder aus dem Kopfe riss, den ganzen Körper in Stücke zerhieb oder sie im Gefängnis schmachten und Hungers sterben ließ; kurz, sie erduldeten lieber jederart Foltern um des Dienstes Gottes willen, als dass sie die Anbetung Gottes aufgegeben und den Götzen geopfert hätten. Auch schwache Frauen gaben den Männern durch die Kraft des Wortes Gottes an Märtyrerfreudigkeit nichts nach, sondern gürteten sich mit Mannesmut und litten entweder dieselben Qualen mit den Männern oder bewiesen in andern Leiden die gleiche Meisterschaft der Tapferkeit. Bischof Euseb von Cäsarea † 338.

Leonhard Schöner hat unter andern Papieren folgendes Trostgebet für solche, die um Christi willen leiden, hinterlassen: Wir bitten dich, o du ewiger Gott, neige gnädiglich dein Ohr zu uns. Jehova Zebaoth, du HERR der Heerscharen, höre unsre Klage, denn große Trübsal und Verfolgung hat sich erhoben. Die Stolzen sind in dein Erbe eingefallen, und viele, die sich für Christen ausgeben, haben sich mit ihnen verbündet und so den Gräuel der Verwüstung angerichtet. Sie verstören dein Heiligtum. Sie zertreten es unter ihren Füßen, und der Gräuel der Verwüstung wird als Gott angebetet. Sie haben die heilige Stadt bedränget, deinen heiligen Altar umgestürzt und deine Knechte erschlagen, wann immer sie Hand an sie legen konnten. Und nun, da wir nur noch als so kleine Herde übergeblieben sind, haben sie uns mit Schmach und Schande in alle Länder vertrieben. Wir sind verstreuet wie Schafe, die keinen Hirten haben. Wir sind gezwungen worden, Haus und Hof zu verlassen. Wir gleichen den Nachteulen, die in den Felsen wohnen; unsre Gemächer sind Löcher und Klüfte. Sie lauern auf uns wie Raubvögel. Wir wandern umher in den Wäldern, sie spüren uns mit Hunden auf. Sie schleppen uns weg, gefesselt wie Schafe, die ihren Mund nicht auftun. Sie erheben wider uns Geschrei als gegen aufrührische Leute und Ketzer. Man führt uns wie Schafe zur Schlachtbank. Viele schmachten unter schwerer Bedrückung und kommen in den Fesseln um. Schon manche sind ihren Leiden erlegen und sind gestorben ohne Tadel. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen. Es ist notwendig, dass wir hienieden durch Leiden erprobt werden. Die Treuen hat man erhängt, erwürgt, in Stücke zerhauen und im Geheimen und öffentlich ertränkt. Nicht nur Männer, sondern gleicherweise Frauen und Jungfrauen haben für die Wahrheit Zeugnis abgelegt, dass Jesus Christus die Wahrheit, der einzige Weg zum Leben ist. Die Welt wütet noch und ruht nicht; sie tobt wie wahnsinnig. Man erdichtet Lügen wider uns. Die Scheiterhaufen erlöschen nicht, die Mordpläne nehmen kein Ende. Sie machen uns die Welt zu enge. HERR, wie lange willst du schweigen? Wie lange willst du nicht rächen das Blut deiner Heiligen? Lass seine Stimme vor deinen Thron kommen. Ist doch der Tod deiner Heiligen wert gehalten vor dir! Darum haben wir dennoch Trost bei aller unserer Not und eine Zuflucht bei dir, bei dir allein und niemand anderm; aber in der Welt wird uns weder Trost noch Ruhe. Doch keiner wird zuschanden, der auf dich harret. HERR, kein Leiden, sei es noch so groß, kann uns von dir scheiden; darum rufen wir unablässig zu dir, durch Christum, deinen Sohn, unseren Herrn, den du uns aus freier Gnade zum Trost und Heil gegeben hast. Er hat uns den schmalen Weg, den Weg zum ewigen Leben, bereitet und ihn uns kundgetan. Dir werde dargebracht, jetzt und in Ewigkeit, Ehre und Herrlichkeit, Ruhm und Preis, und deine Gerechtigkeit bleibe ewiglich. Möge alles Volk deinen heiligen Namen preisen durch Christum, den gerechten Richter, der da kommt, zu richten die ganze Welt. Amen. - Märtyrergeschichte der Taufgesinnten, von E. B. Underhill 1850.

Um deinetwillen. Welch wunderbare Gnade ist es, dass Gott, da er uns doch um unserer Sünden willen strafen könnte, unsere Züchtigungen in Ehre umwandelt und unsere Leiden der Sache des Guten dienstbar macht. David Dickson † 1662.

Der Vers wird von Paulus Röm. 8, 36 angeführt zum Beweis der Tatsache, dass die Gemeinde Gottes zu allen Zeiten Verfolgung erlitten hat. Aber es ist ein bemerkenswerter Unterschied zwischen dem Ton, in welchem der Psalmist, und dem, in welchem der Apostel dies sagt: Jener kann die Züchtigung nicht verstehen und klagt darüber, dass Gottes Hand ohne Ursache schwer auf seinem Volke laste, während dieser auch in der Verfolgung frohlockend ausrufen kann: Aber in dem allen überwinden wir weit um des willen, der uns geliebt hat. J. J. Stewart Perowne 1864.

O was ist Gott für ein verborgener Gott! Wie muss man auch beim Glauben nicht meinen, dass man ihn am Schnürlein habe. Er kommt durch Umwege, durch widrig scheinende Wege zu seinem Zweck. Er kann abbrechen, was er selbst gebaut, er kann ausrotten, was er selbst gepflanzt hat, sein Reich verliert dabei doch nichts. Was die Kirche Gottes unter solchem Druck zu verlieren scheint, das wird durch den Sieg der Rechtschaffenen, durch der Überbleibenden bewährte Gottseligkeit und durch die unter dem Leiden erlangte heilsame Erfahrung reichlich ersetzt. Pauli Siegeslied: Ich bin gewiss usw. (Röm. 8,38), findet sich erst nach dergleichen Kreuzpsalmen. Karl Heinrich Rieger † 1791.

V. 24. Erwecke dich, Herr! Warum schläfest du? Stehen diese Worte nicht im Widerspruch mit Ps. 121,4? Antwort: Es ist ein Unterschied zwischen dem, was die leidende Gemeinde Gottes in der Hitze ihrer Anfechtung ausruft, und dem, was der Geist der Wahrheit zum Trost der Heiligen bezeugt. Es ist gewöhnlich, selbst bei den frömmsten Gotteskindern und den Märtyrern, dass sie, wenn das Unwetter tobt, zu Gott gehen wie Petrus zu Christus, da dieser beim Sturme hinten auf dem Schiff schlief, und mit solch dringendem Flehen ihm zusetzen, als merkte er so wenig von ihrer Angst, wie Jona von dem Geschrei der Leute auf seinem Schiff, die im Begriff waren, in der tobenden See unterzugehen. So weckte Petrus den Herrn Jesus und schrie: Meister, fragest du nichts danach, dass wir verderben? Wache auf! Warum schläfst du? William Streat 1654.

V. 26. Wir sind nach Leib und Seele geschlagen und darniedergeworfen, gleichsam mit der Erde zusammengewachsen, dass wir uns nicht erheben können. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.

Das Bild soll entweder die Tiefe ihres Elends oder ihres Kummers und ihrer Demütigung anzeigen. Bei der ersteren Deutung denkt man an einen Krieger, der in der Schlacht niedergeworfen oder tödlich verwundet ist und sich im Staube wälzt, oder aber an einen Toten, der in die Erde gebettet ist, vergl. Ps. 22, 15. Bei der anderen Deutung wäre daran zu erinnern, dass es die übliche Gebärde der Demütigung und auch der Trauer war, dass man sich platt auf die Erde warf und im Staube kroch. So legte man, als Herodes Agrippa starb, Säcke an und lag weinend auf der Erde. Thomas Manton † 1677.

Homiletische Winke

V. 2. Die ermutigenden kirchengeschichtlichen Überlieferungen.
Der Väter Pflicht und der Kinder Vorrecht.
Familiengespräche und ihr nützlichster Gegenstand.
Die wahre Herrlichkeit der guten alten Zeiten.
V. 3. Der große Gegensatz, oder: Wie Gott an den Sündern und wie er an seinen Kindern handelt.
V. 4. Die Einnahme Kanaans eine Verherrlichung Gottes. Denn 1) nicht durch seine eigene Macht hat Israel das Land erobert, sondern 2) Gottes Macht hat das zustande gebracht, und zwar 3) aus freier Gnade.
1) Die Kreatur erniedrigt, 2) der HERR erhöht, 3) die erwählende Gnade enthüllt.
V. 4c. Die ewige Quelle aller Heilserweisungen.
V. 5. 1) Gottes Königsherrlichkeit anerkannt. 2) Sein königliches Eingreifen erbeten. 3) Sein königliches Wort in Anspruch genommen.
Persönliche Ergebenheit an Gott und Fürbitte für andere.
Mein König, das heißt: 1) mein Gebieter, 2) mein Gönner, 3) mein Anführer, 4) mein Verteidiger.
V. 6. Wie wir unsere Feinde überwältigen, in welcher Kraft und in welcher Gesinnung.
Wie tätig unsere Feinde sind, wie nahe sie auf uns eindringen, wie gewiss ihr Unterliegen ist und worin das Geheimnis unserer Stärke besteht.
V. 7. Verzicht auf alle fleischliche Kraft. Mein Bogen kann des Zieles fehlen, kann zerbrechen, kann mir entwunden werden. Mein Schwert kann zerspringen oder stumpf werden oder meiner Hand entgleiten. Wir sollen nicht auf unsere Fähigkeiten, unsere Erfahrungen, unseren Scharfsinn, unseren Reichtum usw. trauen.
Verzicht auf alles Eigne die Pflicht des gereiften Christen wie des Sünders.
V. 8. Hilfe in der Not. Wie nicht zu finden (sondern). Von wem sie kommt (du). Wem sie gilt (uns). Wie vollkommen Gottes Hilfe ist (errettest uns von unseren Feinden, machst zuschanden, die sich wider uns setzen).
V. 9. Beständiges Lobpreisen. Wie können wir dazu kommen, Gott beständig zu preisen? Wie sollen wir diesen beständigen Lobpreis zum Ausdruck bringen? Welchen Einfluss wird das auf uns haben? Und welche Gründe sollen uns dazu treiben?
V. 10. Eine Klage über den Niedergang der Kirche.
Inwiefern kann Gott sein Volk verstoßen und warum?
V. 10b. Das schlimmste Unglück für unsre Gemeinden.
V. 13. Wie Gott und wie Menschen den Nutzen der Verfolgungen abschätzen.
Antwort auf die Klage unseres Verses: 1) Gottes Kinder verlieren in Wirklichkeit nichts durch ihre scheinbaren Niederlagen. 2) Die Gottlosen gewinnen nichts durch ihre scheinbaren Siege. 3) Gott verliert von seiner Herrlichkeit nichts durch die (uns jetzt oft rätselhafte) Weise, wie er an beiden, seinen Kindern und deren Feinden, handelt. George Rogers 1870.
V. 14. Prüfung durch unbarmherzigen Spott. Wie sollen wir uns darunter verhalten, womit mögen wir uns dabei trösten und welchen Lohn wird sie bringen?
V. 15. Profane Sprichwörter, oder: Gottlose Übernamen.
V. 16. Bekenntnis eines Bußfertigen.
V. 18. Die Prüfung der Gerechten, deren Aufrichtigkeit und endlicher Triumph.
Verteidigung der eigenen Aufrichtigkeit und Treue. Was heißt es, dem Bund Gottes die Treue brechen?
V. 19a. Wann dürfen wir des gewiss sein, dass unser Herz nicht abtrünnig geworden ist?
V. 19. 1) Die wichtigste Frage ist, wie unser Herz zu Gott steht. 2) Danach fragt es sich, wie unser Wandel beschaffen ist. 3) Herz und Wandel sollen übereinstimmen - und zwar sollen 4) beide Gott treu sein.
Der Zusammenhang zwischen Gesinnung und Wandel, sowohl wenn wir Gott treu sind als wenn wir von ihm abfallen.
Die Aufrichtigen weichen nicht von Gottes Weg, ungeachtet aller Anfechtungen, Trübsale und Entmutigungen.
V. 22. Eine einschneidende Frage und eine noch tiefer einschneidende Antwort.
V. 23. 1) Unschuld mitten in schwerem Leiden: Schafe. 2) Ehre mitten in tiefer Schmach: um deinetwillen. George Rogers 1870.
V. 24. Der Ruf der bedrängten Gemeinde. Die Klage einer verlassenen Seele.
V. 25. Gründe für die Entziehung des göttlichen Trostes.
V. 26.27. Große Not, eine große Bitte und der Beweggrund, auf den diese sich stützt.
V. 27. Ein Gebet, passend für Seelen, die in Sündennot sind, für Gläubige, die in Trübsal oder Verfolgung stehen, und für die Gemeinde bei Bedrückung oder Verfall.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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