Die Institutio in einem Jahr lesen

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

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Joschie
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Erstes Buch: Von der Erkenntnis Gottes als des Schöpfers

Beitrag von Joschie »

I,11,4

Eben darauf zielt das Wort: „Die Bilder der Heiden sind Silber und Gold, von Menschenhänden gemacht“ (Ps. 115,4; 135,15). Denn aus der Stofflichkeit folgert der Prophet, daß Bilder von Gold und Silber nicht Götter sein können; des weiteren setzt er als unwidersprochen voraus, daß, was wir selbst von Gott erdacht haben, ein törichtes Gebilde ist. Er nennt aber Gold und Silber lieber als Lehm und Stein, damit nicht Glanz und Wert den Götzenbildern Ehre verschaffe. Jedoch zieht er allgemein den Schluß, es sei nichts unglaublicher, als daß man aus irgend welchem toten Stoff Götter machen könne. Nicht weniger aber besteht er darauf, daß der Mensch, der Gottes Ehre den Götzen zu geben wagt, von ganz toller Ver messenheit sich treiben läßt, da er doch selbst den flüchtigen Odem in jedem Augen blick seines Lebens leihweise empfängt. Der Mensch muß sich selbst als Geschöpf eines einzigen Tages bekennen — und er will ein Metall, dem er erst selbst die Göttlichkeit beilegt, für Gott gehalten wissen! Denn woher stammen die Götzen anders, als aus menschlichem Gutdünken? Da besteht der Spott des weltlichen Dichters ganz zu Recht: „Ein Feigenklotz, ein wenig nützes Holz war ich, als einst der Zimmermann, unschlüssig, was aus mir werden sollte, ein Schemel oder sonst ein Ding — zum Gott mich lieber machen wollte.“ (Horaz).
So will der Mensch, das Erdengebild, der fast in jedem Augenblick sein Leben ausatmet, mit seiner Kunst Gottes Namen und Gottes Ehre auf einen toten Klotz übertragen! Indessen ist jener Horaz in seinem tollen Spott ein Epikuräer, und er fragt nach keiner Religion; deshalb wollen wir seine und seinesgleichen Scherzreden fahren lassen. Besser soll uns der Ernst des Propheten treffen, ja durchbohren, wenn er den Wahnsinn der Menschen züchtigt, die aus dem gleichen Holz sich wärmen, den Ofen heizen, Brot backen, Fleisch kochen und braten — und sich einen Gott machen, vor dem sie sich anbetend niederwerfen! (Jes. 44,12ff.) Deshalb wirft er ihnen an anderer Stelle ihre Schuld nicht nur auf Grund des Gesetzes vor, sondern hält ihnen zugleich tadelnd vor Augen, daß sie auch aus den Urgründen der Erde nicht die erforderliche Lehre gezogen hätten (Jes. 40,21) — da doch nichts so widersinnig sei, als Gott, den Unermeßlichen und Unbegreiflichen, auf ein Maß von fünf Fuß beschränken zu wollen. Und dennoch zeigt die Erfahrung, daß diese ungeheure Verirrung, die doch offenkundig gegen die Ordnung der Natur geht, dem Menschen natürlich ist! — Es ist weiter zu bemerken, daß die Schrift dem Aberglauben immer wieder mit der Bemerkung entgegentritt, er sei das „Werk von Menschenhänden“, das der göttlichen Beglaubigung entbehrt (Jes. 2,8; 31,7; 57,10, Hos. 14,4, Micha 5,12). Damit soll ganz unerschütterlich feststehen, daß alle Arten der Gottesverehrung, die die Menschen sich ausdenken, ein Greuel sind. Mit heftigem Zorn tritt
der Prophet im Psalm (115) dagegen auf, daß Menschen von toten und fühllosen Dingen Hilfe erwarten, denen doch Gott soviel Verstand gegeben hat, daß sie wissen: es wird alles durch Gottes Kraft bewegt und regiert! Aber die Völker wie auch jeden einzelnen für sich allein treibt ja die Verderbnis der Natur zu solchem Wahn sinn, und deshalb donnert am Schluß der Heilige Geist mit schrecklichem Fluch: „Wer so tut und auf dergleichen sein Vertrauen setzt, der möge jenen (Götzen bildern, die doch tot sind) gleich werden!“ (Ps. 115,8; Luther etwas anders). Auch muß man wohl beachten, daß das „Gleichnis“ nicht weniger untersagt wird als das „Bildnis“. So erweist sich der törichte Vorwand der Griechen (= Ostkirche) als falsch: diese meinen, sie hätten alles Verlangte getan, wenn sie Gott nicht in Werken der Bildhauerkunst darstellen — während sie sich in gemalten Bildern schlimmer als irgendwelche anderen Völker die Zügel schießen lassen. Aber der Herr verbietet nicht bloß, daß ihm vom Bildhauer ein Bildnis gemacht werde, sondern er will überhaupt von keinem Künstler gebildet werden; denn solche Abbildung geschieht verkehrt und unter Verachtung seiner Majestät.

I,11,5

Nun kenne ich sehr wohl die allgemein mehr als gebräuchliche Redeweise, die Bilder seien „der Laien Bücher“. Das hat Gregor (Papst Gregor I.) gesagt. Der Heilige Geist aber lehrt uns ganz etwas anderes, und wenn sich Gregor an diesem Stück in seiner Schule hätte unterrichten lassen, so hätte er diesen Ausspruch nie getan. Denn wenn Jeremia erklärt, ein Holz lehre nur unnütze Dinge (Jer. 10,3), wenn Habakuk das (Götzen-)Gebild einen Lügenlehrer nennt (Hab. 2,18), dann ist doch daraus ganz allgemein zu entnehmen, daß alles nichtig, ja lügenhaft ist, was der Mensch von den Bildern lernen könnte. Wenn nun jemand einwenden wollte, die Propheten träten doch gegen solche Leute auf, welche die Bilder zu gottlosem Aberglauben mißbrauchten, so gebe ich das zwar zu, aber ich füge hinzu, was jeder­mann einleuchtet, nämlich daß jene (die Propheten) gerade das voll und ganz ver urteilen, was bei den Papisten geradezu als sicherer Grundsatz gilt, nämlich, daß die Bilder an die Stelle von Büchern treten könnten. Denn die Propheten setzen dem wahren Gott die Bilder entgegen, als Dinge, die in schroffem Gegensatz zu ihm stehen und nie mit ihm übereinkommen können! Dieser Gegensatz (zwischen Gott und den Bildern) findet sich an den oben angeführten Stellen: da es der eine und wahre Gott war, den die Juden verehrten, so war es verkehrt und falsch, sichtbare Gestalten zu bilden, die Gott darstellen sollten — und alle, die von da her Gotteserkenntnis erwarteten, ließen sich jämmerlich betrügen. Wäre die aus den Bildern gewonnene Gotteserkenntnis nicht trügerisch und verkehrt, dann würden sie die Propheten nicht so allgemein verdammen. Wenn wir also lehren, daß es Eitelkeit und Lüge ist, wenn der Mensch versucht, Gott in Bildern darzustellen, so geben wir bloß wörtlich wieder, was die Propheten ausgesagt haben!

I,11,6

Man lese auch, was hierüber Lactantius und Eusebius geschrieben haben. Sie erklären grundsätzlich, daß Wesen, die man in Bildern abgebildet sehen kann, not wendig sterblich sein müssen. Auch Augustin urteilt nicht anders. Er erklärt nicht nur die Anbetung von Bildern für Frevel, sondern auch das Unterfangen, sie Gott zu weihen. Damit spricht er nichts anderes aus, als was viele Jahre zuvor das Konzil zu Elvira (im Jahre 306) zum Beschluß erhoben hatte. Denn dessen 36. Kanon lautet: „In den Tempeln (Kirchen) sollen keine Gemälde sein, damit nicht an die Wände gemalt werde, was man verehren oder anbeten soll.“ Aber in besonderer Weise ist denkwürdig, was Augustin aus Varro anführt und selbst völlig unter schreibt: „Die zuerst Bildnisse der Götter einführten, die haben den Menschen die (Gottes-)Furcht weggenommen und ihnen dafür den Irrtum gegeben.“ (Vom Gottes staat 4,9; 31,2). Hätte das bloß Varro gesagt, so hätte es vielleicht wenig Autorität. Aber auch dann müßte es uns doch billig beschämen, daß ein Heide, obwohl im Dunkeln tappend, doch Licht genug geschaut hat, um einzusehen, daß körperliche Bilder der Majestät Gottes unwürdig sind, weil sie unter den Menschen die Ehr furcht vor ihm vermindern und den Irrtum vergrößern. Die Sache selbst bezeugt, daß dies ebenso wahr wie weise geredet ist, und Augustin, der den Ausspruch aus Varro entlehnt, bringt ihn als seine eigene Meinung vor. Er erinnert zunächst daran, daß die ersten Irrtümer über Gott, in die sich die Menschen verstrickt haben, nicht bei den Götzenbildern ihren Anfang hatten, daß sie aber dann, nachdem sie (eben an den Bildern) weitere Nahrung gefunden, kräftig zunahmen. Dann zeigt er, wie jene (von Varro behauptete) Minderung oder gar Aufhebung der Furcht Gottes eben deshalb erfolge, weil seine Gottheit durch die Narrheit der Bildnisse und durch ungeziemende und widersinnige Darstellung leicht in Verachtung gerate. Das letztere bestätigt die Erfahrung nur allzusehr! Wer also recht belehrt werden will, der muß anderswo als bei den Bildern lernen, was man von Gott wissen muß!

I,11,7

Wenn also die Papisten noch einige Scham in sich haben, so mögen sie sich fürderhin nicht mehr der Ausflucht bedienen, die Bilder seien „der Laien Bücher“ — denn das wird allzu deutlich in vielen Zeugnissen der Schrift widerlegt. Aber wenn ich es ihnen trotz allem zugäbe, so würden sie in der Verteidigung ihrer Götzen doch nicht viel gewinnen. Denn es ist ja bekannt, was für Ungeheuer sie an Gottes Statt setzen! Und die Gemälde und Bildsäulen, die sie den Heiligen errichten — was sind die anders als Musterbilder der verderbtesten Üppigkeit und Scham losigkeit? Würde sich einer nach solchem Vorbild wirklich richten, der wäre Prügelns wert! Die Dirnen in ihren Hurenwinkeln sind schamhafter und züchtiger bekleidet als das, was die Papisten in ihren Kirchen für Bilder von Jungfrauen gehalten wissen wollen! Auch den Märtyrern geben sie keine anständigere Gewan dung. Deshalb sollen sie ihre Götzen zuerst einmal etwas anständiger darstellen, damit sie etwas sittsamer lügen können, das seien Bücher von irgendwelcher Heiligkeit!
Aber selbst dann werden wir noch antworten, dies sei nicht die rechte Art und Weise, das gläubige Volk an geheiligter Stätte zu unterweisen: denn Gott will, daß das Volk mit einer ganz anderen Lehre als mit solchen Narrenpossen unter richtet werde! Er stellt allen Menschen die eine, gemeinsame Lehre vor Augen und läßt sie in der Predigt seines Wortes und den heiligen Sakramenten unterweisen. Solche Menschen aber, die ihre Augen umherschweifen lassen, um die Bilder zu beschauen, können auf diese Lehre nicht die gebührende Aufmerksamkeit verwenden!
Was für Menschen sind das aber auch, welche die Papisten „Laien“ nennen, deren Unwissenheit bloß mit Bildern sollte behoben werden können? Es sind doch die, welche der Herr als seine Jünger anerkennt, die er der Offenbarung seiner himmlischen Lehre (philosophia) würdigt, die er in den heilsamen Geheimnissen seines Reiches will erziehen lassen! Nun mögen es freilich, wie die Dinge liegen, heutzutage wenige sein, die solche Bücher entbehren können! Aber ich frage: woher kommt denn diese Unwissenheit anders, als daher, daß man diese Menschen der Lehre beraubt hat, die allein geschickt war, sie zu bilden? Wenn die Vorsteher der Kirche den Bildern das Lehramt übertragen haben, so geschah das aus keinem anderen Grunde, als weil sie selber — stumm waren: Paulus bezeugt, daß durch die wahre Predigt des Evangeliums Christus abgemalt, ja sozusagen vor unseren Augen gekreuzigt wird! (Gal. 3,1). Wozu also soviele Kreuze überall in den Kirchen, aus Holz und Stein, Silber und Gold? Man hätte sie gewiß nicht auf zurichten brauchen, wenn man treulich gepredigt hätte, daß Christus den Tod erlitten hat, um am Kreuze für uns den Fluch zu tragen, um unsere Sünde mit dem Opfer seines Leibes zu sühnen, mit seinem Blute abzuwaschen und uns mit dem Vater zu versöhnen! Aus diesem einen hätte man mehr lernen können als aus tausend hölzernen oder steinernen Kreuzen — denn auf die goldenen und sil-
silbernen richten die Geizhälse ihre Augen doch vielleicht steifer als auf irgendein Wort Gottes!

1,11,8

Was den Ursprung der Götzenbilder betrifft, so hält man allgemein die Darstellung im Buche der Weisheit für richtig (Weisheit 14,15), nämlich: Urheber der Götzenbilder seien solche Menschen gewesen, die den Verstorbenen eine der artige Ehre erwiesen, daß sie schließlich ihr Gedächtnis abergläubisch verehrten. Nun glaube ich gewiß auch, daß dieser verkehrte Brauch sehr alt ist, ich will auch nicht leugnen, daß er wie eine Fackel gewirkt hat, um den wilden Hang der Men schen zum Götzendienst noch mehr anzufachen. Aber ich gebe nicht zu, daß dies die Quelle solchen Übels sei. Denn daß es schon früher Götzen gab, bevor überhaupt jene Sucht, den Verstorbenen zu ihrem Gedächtnis Bilder zu weihen, recht aufkam, von der ja bei den weltlichen Schriftstellern öfters die Rede ist, das geht aus Mose hervor. Dieser berichtet (Gen. 31,19), daß Rahel ihres Vaters Götzen stahl — und redet dabei wie von einem allgemein verbreiteten Laster. Daraus geht hervor, daß der Menschengeist zu allen Zeiten sozusagen eine Werkstatt von Götzenbildern ge wesen ist. Seit der Sintflut kam es gewissermaßen zu einer Neugeburt der Welt — aber es gingen wenig Jahre dahin, bis die Menschen sich nach ihrem Gelüste Götzenbilder herstellten! Es ist wohl glaublich, daß noch zu Lebzeiten des heiligen Erzvaters (Noah) seine Enkel dem Götzendienst verfielen, so daß er mit eigenen Augen unter bitterstem Schmerz gewahren mußte, wie die Erde mit Götzen ver unreinigt wurde — obwohl doch Gott kurz zuvor ihre Verderbnis in so schreck lichem Gericht ausgefegt hatte! Denn Tharah und Nahor waren schon vor der Geburt des Abraham Verehrer falscher Götter, wie Josua bezeugt (Jos. 24,2). Wenn schon das Geschlecht des Sem so schnell abfiel, was sollen wir dann erst von den Nachkommen des Ham sagen, die doch schon zuvor in ihrem Vater ver flucht waren? Es ist tatsächlich so: der Menschengeist, voll Hochmut und Vermessen heit, wagt sich einen Gott nach seinem Fassungsvermögen auszudenken, und weil er von Schwachsichtigkeit befallen, ja von scheußlichster Unwissenheit umhüllt ist, so erfaßt er in Wirklichkeit an Gottes Statt ein nichtiges Ding, ja ein eitles Gespenst!
Zu solchen Übeln kommt dann neuer Frevel, insofern der Mensch Gott nun auch mit dem Werk darzustellen versucht, so wie er ihn innerlich ersonnen. Der Geist nämlich erzeugt das Götzenbild, die Hand gebiert es! Der Ursprung des Götzen dienstes besteht, wie das Beispiel der Israeliten zeigt (Ex. 32,1ff.), darin, daß der Mensch nicht glaubt, Gott werde ihm zur Seite stehen, wenn er sich nicht leiblich als gegenwärtig darstellt. „Wir wissen nicht“, so sagten die Israeliten, „was diesem Mose zugestoßen ist. Mache uns Götter, die vor uns hergehen.“ Sie wußten wohl, daß Gott sei, und sie hatten ja seine Kraft an soviel Wundern selbst er fahren. Aber sie glaubten nicht, er sei ihnen nahe, wenn sie nicht mit eigenen Augen ein körperliches Merkzeichen seines Angesichts sähen, das ihnen die Leitung durch Gott verbürgte. An einem ihnen vorangehenden Bilde wollten sie also erkennen, daß Gott ihr Führer auf der Wanderung sei! Auch die alltägliche Erfahrung be zeugt, daß das Fleisch stets unruhig ist, bis es ein Gebild seinesgleichen erhascht hat, dessen es sich als eines Bildes Gottes töricht getrösten könne. Um diesem blinden Gelüste zu frönen, haben die Menschen zu allen Zeiten fast seit Erschaffung der Welt Zeichen errichtet, in welchen sie Gott vor ihren fleischlichen Augen zu schauen wähnten!
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Beitrag von Joschie »

I,11,9

Solcher Herstellung von Bildwerken folgt dann alsbald die Anbetung. Da die Menschen in ihren Bildern Gott anzuschauen vermeinten, so erwiesen sie ihm auch dort Verehrung. Da sie nun mit Seele und Auge ganz an die Bilder gefesselt waren, so begannen sie schließlich immer mehr in tierisches Wesen zu verfallen und staunten sie bewundernd an, als ob etwas Göttliches darin wäre. Gewiß ist,daß die Menschen zur Anbetung der Bilder erst dann fortschreiten, wenn sich schon ein größerer Wahn ihrer bemächtigt hat. Sie meinen dann freilich nicht eben, die Bilder seien Götter, sondern bilden sich ein, es wohnte in ihnen irgendeine göttliche Kraft. Ob man sich nun die Kreatur oder Gott im Bilde darstellt: sobald man sich zur Verehrung niederwirft, ist man von irgendeinem Wahnglauben bezaubert! Aus diesem Grunde hat Gott nicht nur verboten, ihm Standbilder zu errichten, die ihn selbst darstellen sollen, sondern auch, ihm Inschriften oder Steine zu weihen, die etwa zur Anbetung aufgestellt würden! Deshalb redet auch das Gebot des Gesetzes in seinem zweiten Teil von der Anbetung. Denn sobald man Gott eine sichtbare Gestalt angedichtet hat, legt man dieser auch seine Kraft bei. Die Menschen sind so betört, daß sie Gott an das binden, was sie zu seiner Abbildung geschaffen haben — und dann ist die Anbetung die unvermeidliche Folge! Dabei macht es nun gar nichts aus, ob man einfach das Götzenbild anbetet, oder Gott in dem Götzenbild. Denn es ist stets Götzendienst, wenn man dem Bilde, gleich unter was für einem Vorwande, göttliche Ehre erweist. Und weil Gott nicht abergläubisch verehrt werden will, so wird ihm geraubt, was man den Götzen gibt. Das sollten sich alle die merken, welche zur Verteidigung des verfluchten Götzendienstes, durch den schon seit Jahrhunderten die wahre Religion ertränkt und erstickt worden ist, nach elen den Vorwänden haschen! So sagt man: die Bilder werden ja gar nicht für Götter gehalten! So völlig unwissend waren die Juden wahrhaftig nicht, daß sie etwa, bevor sie das Kalb machten, vergessen hätten, daß es Gott war, durch dessen Hand sie aus Ägyptenland geführt worden waren! Als Aaron sagte: „Das sind deine Götter, die dich aus Ägyptenland ausgeführt haben“, da sagten sie unerschrocken „ja“ dazu und bezeugten damit ohne allen Zweifel, sie wollten den Gott, der ihr Befreier war, behalten — nur wollten sie ihn in dem Kalbe vorangehen sehen! Man soll doch auch die Heiden nicht für so dumm halten, daß sie etwa nicht wüßten, daß ein Gott etwas anderes sei denn Holz oder Stein. Denn sie veränderten die Bilder nach Gutdünken, behielten aber die Götter stets gleich in ihrer Seele. Auch hatte ein Gott viele Bilder, aber man erdachte sich doch deshalb nicht eine dementsprechende Menge von Göttern. Außerdem weihten die Heiden alle Lage neue Bilder; aber sie dachten nicht daran, damit etwa neue Götter zu machen. Man sollte die Entschuldigungen lesen, die nach Augustins Bericht von den Götzen dienern seiner Zeit vorgewendet wurden. Wenn man sie anklagte, so gaben die Unklugen durchweg die Antwort, sie verehrten doch nicht das Sichtbare, sondern die Gottheit, die dort unsichtbar wohne! Und wer — nach Augustins Worten — eine reinere Religionsübung hatte, der gab an, weder das Bild, noch den Götzen zu verehren, sondern im leiblichen Bilde Merkzeichen dessen zu suchen, was man ver ehren müsse (Augustin, Zu Psalm 113). Was ergibt sich daraus? Alle Götzendiener, ob Juden oder Heiden, waren nicht anders gesinnt, als ich geschildert habe: mit der geistlichen Erkenntnis nicht zufrieden, meinten sie aus den Bildern eine nähere und gewissere zu empfangen. Nachdem ihnen aber einmal diese abergläubische Dar stellung Gottes gefallen hatte, gab es kein Ende mehr, bis sie, durch wiederholte Gaukeleien getäuscht, zu der Meinung kamen, Gott übe in den Bildern seine Kraft aus. Trotzdem waren die Juden überzeugt, den ewigen Gott, den einigen, wahren Herrn Himmels und der Erde in solchen Bildern zu verehren, und auch die Heiden meinten so ihren Göttern Verehrung zu erweisen, die zwar falsche Götter waren, von denen sie aber doch glaubten, daß sie im Himmel wohnten.

I,11,10

Wer nun meint, das sei vor Zeiten geschehen, komme aber zu unseren Tagen nicht mehr vor, der lügt unverschämt. Weshalb wirft man sich denn vor den Bildern nieder? Weshalb wendet man sich mit Bitten an sie wie an Gottes Ohr? Denn es ist doch wahr, was Augustin sagt: keiner schaue ein Bild in Gebet und Anbetung an, der nicht innerlich von dem Glauben erfüllt sei, von ihm erhört zuwerden, oder von der Hoffnung, es werde ihm geschenkt, was er erbitte! (Augustin, Zu Psalm 113). Weshalb macht man unter den Bildern desselben Gottes einen solchen Unterschied, daß man das eine übergeht oder bloß auf gewöhnliche Weise achtet, das andere aber mit allerlei großartiger Ehrung geradezu verfolgt? Weshalb ermüdet man sich in feierlich gelobten Wallfahrten, um Bilder zu schauen, die doch jeder selbst ähnlich zu Hause hat? Weshalb kämpft man noch heutzutage für sie wie für Haus und Herd, bis zu Mord und Totschlag? Man würde sich sogar leichter den einigen Gott entreißen lassen als seine Götzenbilder! Und dabei führe ich nicht einmal die groben Irrtümer des Volkes auf, die beinahe ohne Ende sind und fast alle Herzen besessen halten. Ich zähle nur auf, was gerade die bekennen, die sich am meisten von dem Vorwurf des Götzendienstes reinigen möchten! Wir nennen sie doch gar nicht unsere Götter, sagen sie. Auch Juden und Heiden nannten sie ehe dem nicht so, und doch hörten die Propheten nicht auf, ihnen Hurerei mit Holz und Steinen vorzuwerfen — und das bloß um desselben Frevels willen, der alle Tage von Leuten geschieht, die für Christen gehalten werden wollen. Dieser Frevel bestand darin, daß man Gott in Holz und Stein fleischlich verehrte!

I,11,11

Indessen weiß ich sehr wohl, und es soll auch nicht verschwiegen werden, daß sie sich mit einer sehr spitzfindigen Unterscheidung zu helfen suchen, auf die ich später noch näher eingehen will (vgl. Kap. 12,2). Sie behaupten nämlich, die Ver ehrung, die sie ihren Bildern erweisen, sei Bilderdienst (Idodulie), leugnen aber, es sei Bilderverehrung (Idolatrie). Dieser „Dienst“, sagen sie, könne ohne Beleidigung Gottes Standbildern und Gemälden zuteil werden. So meinen sie unschuldig zu sein, da sie ja nur Diener, nicht aber Verehrer der Bilder seien! Als ob verehren nicht im Grunde gar etwas weniger wäre als Dienen! Und während sie hinter dem griechischen Wort einen Schlupfwinkel suchen, widersprechen sie sich doch selbst auf ganz kindische Weise. Denn da das griechische „latreuein“ (von dem „Idolatrie“ herkommt) nichts anderes bedeutet als „Verehrung erweisen“, so bedeutet das, was sie sagen, soviel, als wenn sie behaupten wollten, sie verehrten ihre Bilder, aber ohne Verehrung! Sie dürfen aber auch nicht sagen, ich versuchte sie in Worten zu fangen; sie bringen ja selbst, während sie einfachen Leuten Sand in die Augen zu streuen versuchen, ihre Unwissenheit ans Licht. So beredt sie auch sein mögen, sie werden uns doch mit aller Beredsamkeit nie zu beweisen vermögen, daß ein und dieselbe Sache zweierlei Sache sei! Sie sollen den Unterschied in der Sache nachweisen, damit man sie von den alten Götzendienern unterscheiden kann! Denn wie ein Ehebrecher oder Mörder der Anklage nicht dadurch entgeht, daß er seinem Verbrechen einen anderen Namen gibt, so wäre es auch widersinnig, wenn sie durch Unterstellung eines spitzfindig erdachten Namens von dem Vorwurf des Götzendienstes freikämen, wo sie sich doch in der Tat von den Götzendienern nicht unterscheiden, die sie notgedrungen selbst verdammen müssen! Aber sie können sich von der Sache der Götzendiener gar nicht trennen, ja, der verkehrte Wetteifer mit ihnen ist gerade der Ursprung des ganzen Übels; denn sie erfinden aus eigenem Geiste die Merkzeichen (symbola), unter denen sie sich Gott vorstellen wollen, und fertigen sie mit eigener Hand an.

I,11,12

Gewiß will ich nicht etwa in abergläubischer Scheu behaupten, man dürfe über haupt keine Bilder haben. Aber weil Bildhauerkunst und Malerei Gottes Geschenke sind, so fordere ich reinen und rechtmäßigen Gebrauch dieser Künste, damit nicht, was uns Gott zu seiner Ehre und unserem Nutzen zuteil werden ließ, durch ver kehrten Gebrauch befleckt werde oder gar zu unserem Verderben führe. Gott in sichtbarer Gestalt abzubilden, halten wir für unrecht, weil er es selbst untersagt hat und weil es nicht ohne Entstellung feiner Herrlichkeit geschehen kann. Aber man soll nicht meinen, wir stünden mit dieser Überzeugung allein. Denn man wird finden, daß alle besonnenen Kirchenlehrer derartiges mißbilligt haben — sofern man ihre Werke kennt. Wenn es nun schon unerlaubt ist, Gott in sichtbarer Gestalt darzustellen, so ist es noch viel weniger erlaubt, das Bild an Stelle Gottes oder Gott im Bilde zu verehren. Es soll also nur das gemalt oder gebildet werden, was unsere Augen fassen können. Aber Gottes Majestät, die weit über alle Wahr nehmung der Augen hinausgeht, darf nicht durch unwürdige Schaubilder entweiht werden. Zu jener (erlaubten) Art von Bildern gehören Geschichten und Geschehnisse und auch körperliche Bilder und Gestalten ohne Bezug auf alles Geschichtliche. Die ersteren haben zur Belehrung und Ermunterung einen Nutzen. Was die zweite Gruppe außer der Ergötzung noch für Nutzen haben soll, sehe ich nicht. Und doch waren gerade von dieser Art fast alle Bilder, die bisher in den Kirchen sich be fanden. Daraus geht hervor, daß sie nicht aus wohlerwogenem Urteil, sondern in törichter und unüberlegter Gier dort aufgestellt wurden. Hierbei übergehe ich, wie verkehrt und schamlos oft die Darstellungen sind, wie ungehemmt sich die Maler oder Bildhauer oft haben gehen lassen; denn davon habe ich bereits oben gesprochen. Ich meine nur, daß diese Darstellungen auch dann zur Lehre untauglich wären, wenn sie von diesen Fehlern frei wären.
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I,11,13

Aber wir wollen auch diese Unterscheidung fahren lassen und ein wenig darüber nachdenken, ob es gut ist, in den Kirchen überhaupt irgendwelche Bilder zu haben — gleichviel ob nun geschichtliche Darstellungen oder menschliche Bildnisse. Zuerst wollen wir uns — sofern uns die Autorität der Alten Kirche überhaupt etwas bedeutet! — ins Gedächtnis rufen, daß durch ungefähr fünfhundert Jahre hindurch die christlichen Kirchen allgemein ohne alle Bilder waren. Und das war eine Zeit, in der die Religion vorzüglich blühte und eine reinere Lehre waltete! Die Bilder sind also erst zu einer Zeit zum Schmuck der Kirchen herbeigeholt worden, als die Reinheit des kirchlichen (Lehr-)Amtes bereits erheblich in Verfall geraten war. Ich will nicht darüber streiten, was für Gründe die ersten Urheber dieses Brauchs hatten, vergleicht man aber Zeitalter mit Zeitalter, so wird man sehen, daß sie wesentlich von der (in der Lehre bestehenden) Lauterkeit der älteren Zeit abge wichen waren, die ohne Bilder ausgekommen war. Sollte man denn auch wirklich glauben können, die heiligen Väter hätten die Kirche so lange eine Sache entbehren lassen, die sie für nützlich und heilsam hielten? Nein, weil sie in ihr nichts oder nur wenig Nützliches, wohl aber sehr viel Gefährliches erblickten, deshalb haben sie sie nicht in Unwissenheit und Nachlässigkeit fahren lassen, sondern mit Absicht und guten Gründen verworfen. Dafür ist Augustinus ein klarer Zeuge. „Wenn die Bilder ihren Platz in ehrenvoller Höhe erhalten, damit sie von den Betenden und Opfernden gesehen werden, so ergreifen sie, obwohl sie selbst ohne Empfinden und ohne Seele sind, doch durch ihre Ähnlichkeit mit belebten Gliedern und Sinnen die einfältigen Seelen derart, daß sie zu leben und zu atmen scheinen … (Brief 102). Und an anderer Stelle schreibt er: „Die äußere Gestalt der Glieder hat zur Folge, ja erzwingt es, daß die Seele, die doch selbst im Leibe lebt, auf den Gedanken kommt, der Leib, den sie vor sich sieht, sei auch beseelt, weil er dem eigenen so ähnlich sieht …“ (Zu Ps. 113). Kurz darauf: „Die Bilder dienen vielmehr dazu, die arme Seele niederzudrücken — da sie einen Mund, Augen, Ohren und Beine haben —, als sie zu bessern — da sie weder sprechen, noch sehen, noch hören, noch gehen“ (Zu Ps. 113). Dies ist dann auch wohl sicher der Grund gewesen, weshalb Johannes uns nicht nur vor der Verehrung der Bilder, sondern auch vor den Bildern selbst warnt (1. Joh. 5,21). Und wir haben inmitten des schrecklichen Irrwahns, der bisher die Welt zum Untergang fast aller wahren Religion be herrschte, mehr als genug die Erfahrung gemacht, daß, sobald Bilder in den Kir chen zur Aufstellung kommen, diese zum Zeichen des Götzendienstes werden — denn die Torheit der Menschen kann kein Maß halten und verfällt sofort in rein aber­gläubische Verehrung! Aber wenn auch nicht soviel Gefahr dabei wäre, so weiß ich
doch, wenn ich überlege, zu welchem Zweck die Kirchen bestimmt sind, nicht, wie es ihrer Heiligkeit anders als zur Unehre ausschlagen könnte, andere Bilder in sich aufzunehmen als jene lebendigen und klaren, die der Herr in seinem Worte ein gesetzt hat. Ich meine damit die Taufe und das Mahl des Herrn mit den anderen Zeremonien, von denen unsere Augen stärker angezogen und lebendiger ergriffen werden sollten, als daß sie noch andere nötig hätten, die Menschenkunst geschaffen hat!
Das also ist das unvergleichliche Gut der Bilder, das angeblich durch nichts ersetzt werden kann — wenn man den Papisten glauben wollte!

I,11,14

Meines Erachtens wäre von diesen Dingen genug geredet, wenn nun nicht das Konzil von Nicäa (787) da wäre und gewissermaßen Hand an mich legte! Nicht etwa das berühmte, das Konstantin der Große versammelte, sondern jenes, das auf Befehl und Anregung der Kaiserin Irene vor achthundert Jahren gehalten wurde. Dies Konzil nämlich hat beschlossen, die Bilder seien in den Kirchen nicht bloß zu dulden, sondern auch anzubeten! Was ich nun auch gesagt haben mag — die Autori tät der Synode könnte meinen Worten gegenüber doch ein großes Gegengewicht darstellen! Um die Wahrheit zu sagen, liegt mir an der Sache nur soviel, daß der Leser einmal klar sehen kann, wohin der wütende Eifer solcher Leute führt, deren Sucht nach Bildern größer ist, als einem Christen gebührt. Wir wollen aber zuerst von folgendem sprechen. Wer heute den Gebrauch der Bilder verteidigen will, der beruft sich auf dieses Konzil von Nicäa. Es gibt nun aber eine Gegenschrift unter dem Namen Karls des Großen, deren Schreibart verrät, daß sie zur gleichen Zeit verfaßt worden ist. Da werden die Aussprüche der Bischöfe, die auf dem Konzil anwesend waren, und auch ihre Beweisgründe angeführt. So sagte Johannes, der Abgesandte der morgenländischen Kirchen: „Gott hat den Menschen ihm zum Bilde geschaffen“ — und daraus schließt dann der Mann, man müsse also Bilder haben! Auch meinte er, der Spruch: „Zeige mir dein Angesicht, weil es schön ist“ (Hoheslied 2,14; nicht Luthertext) empfehle uns die Bilder. Ein anderer wollte die Auf stellung der Bilder auf den Altären begründen und führte dazu als Zeugnis an: „Niemand zündet ein Licht an und setzet es unter einen Scheffel“ (Matth. 5,15). Wieder ein anderer wollte zeigen, daß der Anblick der Bilder uns nützlich sei — und brachte den Psalmvers heran: „Herr, erhebe über uns das Licht deines Ant litzes!“ (Ps. 4,7). Ein anderer trug folgendes Gleichnis vor: Wie die Erzväter die Opfer der Heiden benutzt haben, so müssen auch die Christen Heiligenbilder haben statt der Götzen der Heiden! In dieselbe Richtung zerrten sie das Wort: „Herr, ich habe lieb die Ehre deines Hauses“ (Ps. 26,8; nicht Luthertext). Ganz besonders geistreich ist die Auslegung des Spruches: „Wie wir gehört haben, so haben wir es gesehen“ (1. Joh. 1,1; ungenau) in diesem Sinne. Gott werde — so „erklärte“ man diese Stelle — nicht bloß durch das Hören seines Wortes erkannt, sondern auch durch das Anschauen der Bilder! Von ähnlichem Scharfsinn ist der Ausspruch des Bischofs Theodor: „Gott ist wunderbar in seinen Heiligen (Ps. 68,36; griech. Text); aber an anderer Stelle heißt es: . . den Heiligen, so auf Erden sind (Ps. 16,3). Also bezieht sich dieser Spruch notwendig auf die Bilder!“ Aber diese Dummheiten sind derart erbärmlich, daß es mich verdrießt, sie wiederzugeben.

I,11,15

Bei der Frage wegen der Anbetung brachte man als Beispiel die (angebliche) Anbetung vor dem Pharao (Gen. 47,10), die Anbetung des Stabes Josephs (Gen. 47,31 nach dem griechischen Text) und des von Jakob errichteten Denksteins (Gen. 28,18) vor. Und dabei verdrehte man in dem letzten Punkt nicht nur den Sinn der Schrift, sondern raffte noch auf, was nirgendwo zu lesen steht. Weiter führte man an: „Betet an den Schemel seiner Füße“ (Ps. 99,5) oder „Betet an zu seinem heiligen Berge“ (Ps. 99,9) oder „Dein Antlitz werden anflehen alle Reichen im Volke“ (Ps. 45,13). Das schienen diesen Männern lauter zuverlässige und passende
Beweise zu sein! Wollte jemand zum Spott die Bilderverteidiger in einer lächer lichen Rolle darstellen — könnte er dann größere und tollere Dummheiten erdenken?! Und damit gar kein Zweifel übrigbleibe, verteidigt der Bischof Theodosius von Mira die Anbetung der Bilder so ernstlich durch Träume seines Archidiakons, als ob er ein himmlisches Orakel vorbrächte! Nun mögen die Beschützer der Bilder ruhig kommen und uns mit dem Beschluß der Synode bekämpfen! Als ob nicht jene verehrungswürdigen Väter allen Anspruch auf Glaubwürdigkeit durch ihre kindische Behandlung und gottlose, niederträchtige Zerreißung der Schrift verloren hätten!

I,11,16

Jetzt komme ich auf derartig ungeheuerliche Äußerungen der Gottlosigkeit, daß man sich doch über die Kühnheit wundern muß, mit der sie dergleichen aussprachen — wobei allerdings doppelt verwunderlich ist, daß man ihnen nicht mit allgemeinem und schärfstem Abscheu widersprochen hat. Aber es ist doch nützlich, diese frev lerischen Torheiten wiederzugeben, damit dem Bilderdienst wenigstens der Schein des hohen Alters, den ihm die Papisten beilegen möchten, genommen werde. Da schleudert der Bischof Theodosius von Amorium sein Anathema gegen alle, die die Bilder nicht anbeten wollen. Ein anderer führt alle damaligen Nöte Griechenlands und des Orients auf das Verbrechen zurück, daß man die Bilder nicht angebetet habe! Was müssen dann erst die Propheten, Apostel und Märtyrer für Strafe verdienen, zu deren Zeiten es überhaupt nicht einmal Bilder gab? Dann fügt man hinzu: nahe man sich schon dem Bilde des Kaisers mit Räucherwerk und Duft opfern — wieviel mehr gebühre diese Ehre den Standbildern der Heiligen! Der Bischof Constantius von Constantia auf Cypern verspricht, die Bilder mit höchster Ehrerbietung zu behandeln, und versichert, ihnen die nämliche Verehrung geben zu wollen, die der lebendigmachenden Dreieinigkeit zukomme! Sollte sich einer weigern, das gleiche zu tun, den verflucht er und verwirft ihn gleich Manichäern und Marcioniten! Damit man nicht meine, das sei die bloß private Ansicht eines einzigen Mannes, stimmten die übrigen dieser Rede zu. Ja, Johannes, der Abgesandte der Ostkirche, den die Hitze der Begeisterung über alle Grenzen trieb, behauptet, es sei besser, alle Hurenhäuser in die Stadt aufzunehmen, als den Bilderdienst abzu lehnen! Schließlich kam man allgemein zu dem Beschluß: unter den Ketzern seien die Samaritaner die schlimmsten — schlimmer aber als die Samaritaner seien die Bestreiter der Bilderverehrung! Damit nun der Posse ihr feierlicher Schluß („Klatschet“) nicht abgehe, fügte man die Formel hinzu: „Es mögen sich freuen und frohlocken, welche Christi Bild besitzen und ihm Opfer darbringen!“ Wo war da noch die Unterscheidung zwischen „Dienst“ und „Verehrung“, mit der man Gott und Menschen immer so gern täuschen möchte? Das Konzil gibt den Bildern ohne Ausnahme dasselbe wie dem lebendigen Gott.
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Erstes Buch: Von der Erkenntnis Gottes als des Schöpfers

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Zwölftes Kapitel: Gott wird von den Götzen unterschieden, damit er einzig und allein geehrt werde.

I,12,1

Wir haben eingangs ausgesprochen, daß die Erkenntnis Gottes nicht in kaltem Gedankenspiel besteht, sondern Gottes Verehrung mit sich bringt. Auch haben wir beiläufig bemerkt, wie Gott recht verehrt werden soll — was an anderer Stelle noch genauer auszuführen sein wird. Jetzt wiederhole ich nur in Kürze: Sooft die Schrift betont, daß nur ein einziger Gott ist, streitet sie nicht um den bloßen Namen, sondern schreibt auch vor, daß auf nichts anderes das übertragen werden soll, was der Gottheit zukommt. Eben daran wird der Unterschied zwischen reiner Religion und Aberglauben offenbar. Das griechische Wort „Eusebeia“ (Frömmigkeit) bedeutet sicher dasselbe wie „rechte Gottesverehrung“. Denn die Griechen hatten, obwohl sie immerzu blind im Finstern tappten, doch das Empfinden, es müsse eine gewisse Regel festgehalten werden, damit nicht Gott auf verkehrte Art verehrt würde. Das lateinische Wort „religio“ (Religion) leitet Cicero wahr und geistreich von relegere (wiederholt etwas lesen) ab. Aber die von ihm vorgebrachte Begründung dafür ist doch gezwungen und weit hergeholt. Er führt nämlich für seine Ableitung an, daß echte Verehrer der Gottheit immer wieder läsen und mit Fleiß überdächten, was wahr sei. Ich glaube vielmehr, daß dieses Wort den Gegensatz zu zügelloser Freiheit bezeichnen soll, weil der größte Teil der Welt alles, was sich darbietet, ohne Bedacht an sich nimmt, ja vom einen zum anderen flattert, die Frömmigkeit aber sich in ihren Grenzen sammelt, um fest auf ihrem Weg zu stehen. Ebenso scheint mir der Aberglaube seinen Namen daher zu haben, daß er, nicht zufrieden mit Maß und gesetzter Ordnung, unnütze und eitle Dinge in großen Mengen aufhäuft.Wir wollen indessen die Worte auf sich beruhen lassen. Es ist, was die Sache selber angeht, zu allen Zeiten allgemein als bekannt angenommen worden, daß die Religion durch Irrtum verdorben und verdreht wird. Daraus schließen wir: alles, was wir in unbedachtem Eifer uns erlauben, ist ohne Wert, und jeder Vorwand, den abergläubische Menschen erheben, ist lächerlich. Obgleich nun dieses Geständnis in aller Munde ist, so zeigt sich doch darin eine schändliche Unwissenheit, daß man weder dem einen Gott anhängt, noch Freude an seiner Verehrung hat, wie ich oben darlegte. Aber Gott will sich sein Recht schaffen und nennt sich darum einen eifrigen Gott, droht auch, strenger Rächer zu sein, wenn man ihn mit irgendeinem erdachten Gott vermischen will. Alsdann beschreibt er die von ihm geforderte Ge stalt der Verehrung, um das Menschengeschlecht im Gehorsam zu halten. Dies beides faßt er in seinem Gesetz zusammen: da erhebt er zunächst auf die Gläubigen Anspruch, um ihr einziger Gesetzgeber zu sein; und dann schreibt er die Regel vor, nach der er rechtschaffen und nach seinem Willen verehrt werden soll. Nun werde ich zwar vom Gesetze, weil seine Anwendung und sein Zweck sehr verschiedenartig ist, an seinem Ort zu reden haben. Jetzt berühre ich nur den Teil der Lehre vom Gesetz, der uns zeigt, daß dem Menschen hier ein Zügel angelegt wird, damit er nicht falscher Verehrung sich ergebe. Was ich aber schon oben ausgeführt habe, das muß auch hier festgehalten werden: wenn man nicht dem einigen Gott alles das zu eigen läßt, was göttliche Art ist, dann wird er seiner Ehre beraubt, dann wird seine Verehrung verdorben! Hier muß man nun mit besonderer Aufmerk samkeit darauf achten, mit was für List der Aberglaube umgeht. Denn er fällt nicht so zu anderen Göttern ab, daß er sich etwa merken ließe, daß er den höchsten Gott verläßt oder ihn mit anderen in eine Reihe stellt. Nein, er läßt ihm den höchsten Gott verläßt oder ihn mit anderen in eine Reihe stellt. Nein, er läßt ihm den höchsten Platz — und umgibt ihn bloß mit einem Schwarm von kleineren Göttern, auf die er dann jene Tätigkeiten verteilt, die doch Gott selbst zukommen. So wird denn, listig und verschlagen natürlich, Gottes Ehre zerspalten, damit sie nicht ganz bei ihm allein bleibe. Auf diese Weise haben schon die Alten, Juden wie Heiden, dem Vater und Herrscher der Götter jene ungeheure Schar von Göttern unter stellt, die dann mit ihm gemeinsam, je nach ihrer Art und Stellung, Himmel und Erde regieren sollten. In gleicher Weise sind auch vor einigen Jahrhunderten die Heiligen, die aus diesem Leben geschieden waren, zu Gottes Mitgenossen gemacht worden, daß sie nun an seiner Statt verehrt, angerufen und gepriesen wurden! Wir halten dafür, daß durch derartige Abscheulichkeiten Gottes Majestät nicht nur in den Schatten gestellt, sondern vielmehr großenteils unterdrückt und gar ausgelöscht wird. Höchstens behalten wir dann einen kalten Gedanken von seiner Obergewalt; aber wir verfallen unterdessen, da wir uns durch den Schein, als hielten wir an Gottes Einheit fest, täuschen lassen, in Vielgötterei.



I,12,2

Zu dem Zweck hat man nun auch die Unterscheidung zwischen „Verehrung“ und (bloßem) „Dienst“ aufgebracht: man wollte ungestraft den Engeln und den Toten göttliche Ehren beilegen können. Denn die Verehrung, die die Papisten den Heiligen angedeihen lassen, unterscheidet sich ja tatsächlich offenbar nicht von der Verehrung Gottes; denn man betet ja Gott und die Heiligen durcheinander an — nur, daß sie allen Angriffen mit der Behauptung begegnen, sie gäben doch Gott das Seine, weil sie ihm die „Verehrung“ vorbehielten! Aber es ist hier von der Sache und nicht von der Vokabel die Rede: und wer erlaubt ihnen da, mit solcher Selbstsicherheit in so wichtiger Sache Spielerei zu treiben? Aber — um auch dies zu übergehen — was kommt denn für sie eigentlich bei ihrer Unterscheidung anders heraus, als daß sie einzig und allein Gott „Verehrung“, den anderen aber „Dienst“ erweisen? Denn „latreia“ (Verehrung) bedeutet bei den Griechen genau dasselbe wie cultus (Verehrung) bei den Lateinern, douleia aber bedeutet Dienst, Knechtschaft; trotzdem wird in der Schrift dieser Unterschied oft verwischt. Aber wenn wir selbst zugeben wollten, der Unterschied bliebe gewahrt, so müßte gefragt werden, was die beiden Ausdrücke denn besagen. douleia ist also Dienst, latreia bedeutet Verehrung. Nun wird aber doch kein Mensch bezweifeln, daß Dienst etwas Größeres ist als Ver ehrung! Denn es wäre oft sehr hart, einem zu dienen, dem man die Verehrung nicht verweigern würde. Eben deshalb ist es eine völlig unangebrachte Verteilung, den Heiligen das Größere zuteil werden zu lassen, Gott aber das Kleinere, Geringere vorzubehalten. Trotzdem bedienen sich viele von den Alten dieser Unterscheidung. Was soll aber werden, wenn alle erkennen, daß sie unangebracht und frivol ist?



I,12,3

Aber wir wollen diese Spitzfindigkeiten jetzt verlassen und uns der Sache selbst zuwenden. Wenn Paulus die Galater daran erinnert, was sie eigentlich für Leute gewesen wären, bevor sie zur Erkenntnis Gottes erleuchtet wurden, so sagt er, sie hätten denen die douleia (den Dienst) erwiesen, die doch von Natur nicht Götter sind (Gal. 4,8). Da verwendet er also nicht das Wort „latreia“ — aber sollte ihr Aberglaube etwa damit entschuldigt sein? Er verdammt jedenfalls seinerseits diesen Aberglauben, den er als „Dienst“ bezeichnet, genau so, als hätte er den Ausdruck „latreia“ (Verehrung) gebraucht! Und wenn Christus dem Satan als Schild das Wort entgegenhält: „Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten …“ (Matth. 4,10), so war doch dem Namen nach von der latreia gar keine Rede gewesen. Denn der Satan hatte „bloß“ die Proskynesis, die Anbetung verlangt. Wenn Johannes von dem Engel einen Vorwurf empfängt, weil er vor ihm auf die Knie gefallen sei (Apok. 19,10), so dürfen wir nicht annehmen, Johannes sei so töricht gewesen, daß er auf den Engel die Gott allein gebührende Ehre hätte übertragen wollen. Aber jede religiöse Ehrenerweisung hat notwendig etwas an sich, das Gott allein zu kommt, und deshalb konnte Johannes gar nicht vor dem Engel niederfallen, ohne Gottes Ehre etwas zu nehmen. Wir lesen freilich öfters, daß Menschen angebetet worden sind. Aber das war sozusagen eine bürgerliche Ehrung. Mit der Religion ist es etwas anderes: sobald sie mit Verehrung (einer Kreatur) verbunden ist, trägt sie unweigerlich die Entweihung der Ehre Gottes in sich. Das kann man auch an Cornelius sehen (Apg. 10,25). Der war gewiß nicht so wenig in der Frömmig keit fortgeschritten, daß er Gott nicht die höchste Verehrung zuerkannt hätte. Und wenn er sich vor Petrus niederwarf, so tat er das gewiß nicht in der Meinung, ihn an Stelle Gottes anzubeten. Aber Petrus verbietet es ihm doch scharf! Doch sicherlich deshalb, weil der Mensch niemals so genau zwischen Verehrung Gottes und Verehrung der Kreatur unterscheiden kann, als daß er nicht auf die Kreatur übertrüge, was doch Gott allein gehört! Wollen wir wirklich nur den einen Gott haben, so müssen wir darauf achten, ihm auch nicht das geringste von seiner Ehre zu rauben. Denn er muß behalten, was sein ist. So spricht Sacharja, wo er von der Erneuerung der Kirche redet, deutlich aus, es werde dann nicht nur ein Gott sein, sondern er werde auch nur einen Namen haben (Sach. 14,9). Denn Gott will nichts mit den Götzen gemein haben. Was für eine Verehrung nun Gott verlangt, das wollen wir an anderer Stelle sehen, wenn diese Frage an der Reihe ist. Denn in seinem Gesetz hat er den Menschen gebieten wollen, was vor ihm recht und richtig ist, und sie an eine feste Regel gewiesen, damit sich keiner eine Verehrung nach seinem Gutdünken auszudenken erlaubte! Aber ich will die Leser nicht damit belasten, daß ich allerlei miteinander behandle, und deshalb will ich auf diesen Gegenstand noch nicht kommen. Nur wollen wir das festhalten: Jede religiöse Ver ehrung, die einem anderen Wesen zuteil wird als dem einigen Gott, ist für Frevel zu achten. So hat der Aberglaube zuerst der Sonne und den anderen Gestirnen und dann den Götzen göttliche Ehren beigelegt. Alsdann folgte der Stolz, der die sterb lichen Menschen mit dem zierte, das er Gott raubte, und auf diese Weise alles Heilige entweihte. Und obwohl auch der Grundsatz bestand, man müsse ein höchstes Wesen verehren, kam doch die Gewohnheit auf, den Genien oder den Halbgöttern oder auch den abgeschiedenen Helden Opfer darzubringen. So ist der Verfall zu diesem Frevel derart, daß eine ganze Schar von „Göttern“ das bekommt, was sich doch Gott so streng für sich allein vorbehalten hat!
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Dreizehntes Kapitel: Die Schrift lehrt uns schon aus der Schöpfung erkennen, daß ein einiges göttliches Wesen in drei Personen sei.

I,13,1

Was in der Schrift von dem unermeßlichen und geistlichen Wesen Gottes gelehrt wird, das dient nicht nur zur Überwindung des populären Aberglaubens, sondern auch zur Widerlegung der Spitzfindigkeiten unfrommer Philosophie. Einer von den Alten glaubte etwas besonders Tiefsinniges gesagt zu haben, wenn er meinte, Gott sei alles, was wir sehen, und alles, was wir nicht sehen. Er erdachte sich dabei dann eine in alle Teile der Welt ausgegossene Gottheit. Nun redet zwar Gott, um uns besonnen zu halten, sehr zurückhaltend von seinem Wesen. Aber mit den beiden Aussagen, die ich oben (in dem ersten Satz) nebeneinandergestellt habe (unermeßlich, geistlich), macht er solchen tollen Einbildungen ein Ende und setzt der menschlichen Vermessenheit eine Schranke. Denn seine Unermeßlichkeit muß uns abschrecken, ihn nach unserem Maß messen zu wollen, und sein geistliches Wesen verbietet uns, ihm etwas Irdisches und Fleischliches anzudichten. Dahin gehört es auch, daß er oft den Himmel seine Wohnung nennt. Denn obwohl er vermöge seiner Unbegreiflichkeit auch die Erde erfüllt, so läßt er uns doch mit Recht um unserer Faulheit und Untüchtigkeit willen über die Welt hinaus nach oben schauen, weil er ja sieht, wie unsere Sinne in ihrer Schwerfälligkeit an der Erde kleben. Aber hier fällt nun auch der Irrtum der Manichäer zu Boden, die zwei „Prinzipien“ annehmen und so den Teufel fast auf eine Stufe mit Gott stellen. Denn das war nichts anderes als das Unterfangen, Gottes Einheit zu be streiten und seine Unermeßlichkeit einzuschränken. Sie haben es gewiß gewagt, dafür auch noch Schriftzeugnisse mißbräuchlich anzuführen. Aber das war ja nur ein Zeichen ihrer schändlichen Unwissenheit, wie ja auch ihre Irrlehre selbst einem fluchwürdigen Wahn entsprungen war! Die Anthropomorphiten aber, die sich ein bildeten, Gott sei körperlich, weil ja die Schrift ihm häufig Mund, Ohren, Augen, Hände und Füße zuschreibt, sind leicht zu widerlegen. Denn es muß doch einer schon sehr töricht sein, wenn er nicht sieht, daß Gott an solchen Stellen mit uns kindlich redet, wie Ammen mit den Kindlein tun! Solche Ausdrücke wollen deshalb nicht etwa klar darlegen, wie denn Gott beschaffen sei, sondern vielmehr seine Erkenntnis unserer Schwachheit anpassen. Damit das aber möglich ist, muß Gott tief unter seine Erhabenheit heruntersteigen.



I,13,2

Aber Gott bestimmt sein Wesen noch durch ein besonderes Kennzeichen, das es uns ermöglicht, ihn genauer von allen Götzen zu unterscheiden. Denn er macht kund, daß er der Eine ist, doch so, daß er in drei Personen unterschiedlich betrachtet werden will. Halten wir an diesen (drei Personen) nicht fest, so flattert nur ein leerer Begriff (inane nomen) von Gott ohne Beziehung zu dem wahren Gott in unserem Gehirn herum. Nun soll aber keiner träumen, Gott sei dreifach, oder wähnen, Gottes Wesen werde in drei Personen zerrissen, und deshalb müssen wir eine kurze und faßliche Bestimmung suchen, die uns gegen jeden Irrtum sichere.

Nun gehen aber einige Leute gegen den Begriff „Person“ mit wütendem Kläffen vor und behaupten, das sei ein Menschensündlein. Wir müssen also zuerst unter suchen, ob sie darin recht haben, wenn nun der Apostel den Sohn Gottes den Abglanz (Charakter) der Person (des Wesens) des Vaters nennt (Hebr. 1,3), so mißt er ohne Zweifel dem Vater eine Wesensart (subsistentia) zu, in der er sich vom Sohne unterscheidet. Nun haben zwar einige Ausleger statt Wesensart einfach „Wesen“ (essentia) einsetzen zu können gemeint, als ob Christus in sich das Grundwesen (substantia) des Vaters darstellte, so wie das gesiegelte Wachs das Siegel. Aber das ist eine grobe und sogar widersinnige Auffassung. Denn Gottes Wesen ist einheitlich und unteilbar, und so würde der, der es ganz und ohne Teilung oder Abzug in sich trüge, doch nur uneigentlich, ja geradezu unrichtig sein Abglanz (Charakter) genannt werden! Aber da der Vater, obgleich er sich vom Sohne durch seine Eigentümlichkeit unterscheidet, sich ganz im Sohne abgeprägt hat, so kann man mit bestem Grunde sagen, er habe seine Seinsweise (Person, Hypostasis) in ihm sichtbar dargestellt. Dazu paßt dann auch sehr gut die gleich zugefügte Be zeichnung, der Sohn sei der Glanz seiner Herrlichkeit. Mit Gewißheit ist also den Worten des Apostels zu entnehmen, daß der Vater eine eigene Seinsweise (Hypo stase) hat, die im Sohne widerstrahlt. Daraus folgt aber wiederum, daß auch der Sohn eine eigene Seinsweise (Hypostase) haben muß, die ihn vom Vater unter scheidet. Genau so verhält es sich mit dem Heiligen Geiste, der einerseits, wie wir nachher erweisen werden, Gott ist, andererseits aber notwendig vom Vater unter schieden zu denken ist. Indessen bezieht sich diese Unterscheidung keineswegs auf das Wesen, das man sich unter keinen Umständen mehrfältig vorstellen darf. Wenn wir also dem Zeugnis des Apostels folgen, so ergibt sich, daß in Gott drei Seinsweisen (Hypostasen) sich finden. Dasselbe haben die Lateiner mit dem Ausdruck „Person“ sagen wollen, und es wäre eitel Hochmut und Halsstarrigkeit, wenn man über eine so klare Sache noch streiten wollte. Wollte man das griechische Wort (hypostasis) genau ins Lateinische übersetzen, so ergäbe sich subsistentia (Seinsweise, Wesens art). Manche haben sogar im gleichen Sinne das Wort substantia gebraucht. (Sub stanz, Grundwesen). Indessen war das Wort „persona“ nicht allein bei den Lateinern im Gebrauch, sondern auch die Griechen wandten, um die Gleichheit ihrer Über zeugung mit derjenigen der Lateiner kräftig zu bezeugen, die Lehrform an, es seien in Gott „drei Prosopa“ (prosopon = Antlitz, Maske, Person). Wie nun aber auch die Griechen und Lateiner in den Wörtern untereinander verschieden sein mögen: in der Hauptsache vertreten sie eine völlig gleiche Lehre.



I,13,3

Wie sehr nun auch die Häretiker gegen das Wort „Person“ kläffen, und wenn auch andere in ihrer großen Torheit sich weigern, diesen Ausdruck, da er ein Menschensündlein sei, anzunehmen — sie können uns doch nicht widerlegen, daß da drei genannt werden, von denen jeder ganz und gar Gott ist, und die doch nicht mehrere Götter sind; deshalb ist es eine üble Bosheit, Worte abzulehnen, die doch bloß auslegen, was in der Schrift bezeugt und versiegelt ist!Sie sagen, es sei besser, wenn wir nicht nur unsere Gedanken, sondern auch unsere Worte in der Schranke der Heiligen Schrift hielten, anstatt fremdartige Worte aufzubringen, die doch nur Anlaß zu Meinungsverschiedenheit und Zank geben müßten. So ermüdet man sich in Wortkämpfen, so geht die Wahrheit im Streit verloren, so erstickt die Liebe über wütendem Fechten! Wenn sie nun das ein fremd­artiges Wort nennen, was nicht bis auf die Silbe genau in der Schrift nachzu weisen ist, so legen sie uns wahrhaftig ein ungerechtes Joch auf und verdammen alle Auslegung der Schrift, sofern sie nicht einfach aus Bibeltexten zusammen geflickt ist. Wenn aber das als fremdartig gelten soll, was vorwitzig erdacht ist und abergläubisch verteidigt wird, was mehr zum Kampf als zur Auferbauung dient, was schroff und zwecklos aufgegriffen wird, was in seiner Rohheit fromme Ohren beleidigt, was von der Schlichtheit des Wortes Gottes ablenkt — dann freilich schließe ich mich solchem besonnenen Urteil von ganzem Herzen an. Denn ich bin der Meinung, wir sollten beim Reden über Gott nicht weniger Ehrfurcht walten lassen als beim Denken. Denn was wir von uns selbst aus denken, ist töricht, und was wir dann aussprechen, ist unpassend. Wir müssen vielmehr ein gewisses Maß halten, und aus der Schrift ist eine sichere Regel für Denken und Reden zu ent nehmen, nach der sich alles Sinnen unseres Geistes und alles Reden unseres Mundes
zu richten hat. Aber was verbietet uns denn, das mit klaren Worten zu entfalten, was in der Schrift für unser Fassungsvermögen schwierig und verwickelt ist, wobei freilich solche Auslegung nur in Ehrfurcht und Glauben der Wahrheit der Schrift selber dienstbar sein und in Zurückhaltung und Bescheidenheit geübt werden muß, auch nur beim rechten Anlaß zur Anwendung kommen darf. Dafür gibt es ausreichend viele Beispiele. Wenn dagegen jemand auch da die Neuheit der Aus drücke bemängelt, wo offenbar die Kirche in höchste Not gedrängt wurde, die Worte „Dreieinigkeit“ und „Person“ anzuwenden, muß man nicht bei einem solchen Men schen eine Abneigung gegen das Licht der Wahrheit vermuten, da er doch bloß dagegen Einspruch erhebt, daß die Wahrheit klarer und deutlicher hervortritt?



I,13,4

Solche neuen Ausdrücke — wenn man sie so nennen will — kommen aber vor allem dann in Gebrauch, wenn die Wahrheit gegen ihre Feinde, die ihr durch allerlei Winkelzüge entgehen wollen, behauptet werden muß. Das erfahren wir heutzutage mehr als genug, wo die Bekämpfung der Feinde reiner und gesunder Lehre unsere Hauptarbeit ist und wo diese glatten Schlangen durch allerlei Win dungen und Krümmungen entschlüpfen, wenn man sie nicht tapfer anpackt und zusammendrückt. So sind auch die Alten, durch mancherlei Kämpfe gegen falsche Lehren geübt, dazu genötigt worden, ihre Überzeugung mit äußerster Genauigkeit auszusprechen, um nur ja nicht den Gottlosen irgendwelche Schlupfwinkel zu lassen; denn diese benutzten die Hülle der Worte als Versteck für ihre Irrtümer.Auch Arius bekannte Christum als Gott und Gottes Sohn, da er gegen die unwiderleglich deutlichen Schriftzeugnisse nichts machen konnte, und heuchelte, als ob alles in Ordnung sei, eine gewisse Übereinstimmung mit den anderen. Aber unter dessen hörte er nicht auf zu behaupten, Christus sei geschaffen worden und habe einen Anfang gehabt wie die übrigen Geschöpfe. Um nun die gewundene Schlauheit dieses Menschen aus ihrem Versteck herauszuziehen, sind die Alten weiter gegangen und haben bekannt, Christus sei der ewige Sohn des Vaters und gleichen Wesens mit dem Vater. Da brauste auf einmal der Unglaube auf, und die Arianer fingen an, den Ausdruck „homousios“ (gleichen Wesens) aufs äußerste zu hassen und zu verfluchen. Hätten sie vorher wirklich mit Lauterkeit und von Herzen bekannt, Christus sei Gott, so hätten sie ja gar nicht leugnen können, daß er gleichen Wesens mit dem Vater sei! Wer sollte nun wagen, jenen trefflichen Männern den Vorwurf der Streitsucht zu machen, weil sie wegen eines einzigen Wortes derart heftig gerungen und den Frieden der Kirche gestört hätten? Eben dieses eine Wörtlein unterschied zwischen Christen reinen Glaubens und lästerlichen Arianern! Später trat Sabellius auf und achtete die Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beinahe für nichts, indem er disputierte, sie seien nicht um einer Unter scheidung willen da, sondern allesamt verschiedene Bezeichnungen für Gott, so wie es ja sehr viele gibt. Als es zum Streit kam, da bekannte er, zu glauben, daß der Vater Gott sei, der Sohn Gott sei und auch der Heilige Geist Gott sei. Aber bald darauf fand er den Ausweg, er habe nichts anderes gesagt, als wenn er Gott stark, gerecht und weise genannt hätte! Und so sang er wieder ein anderes Lied: der Vater sei der Sohn, und der Heilige Geist sei der Vater — ohne Ordnung, ohne Unter scheidung! Rechtschaffene Lehrer, denen es um die Frömmigkeit ging, erhoben nun Einspruch und verlangten, um dem Unfug dieses Menschen ein Ende zu machen, er solle drei wahrhaft bestehende Eigentümlichkeiten (proprietates) in dem einen Gott anerkennen. Und um sich gegen die gewundenen Schlauheiten des Mannes mit offener und schlichter Wahrheit zu schützen, stellten sie den Satz auf, in dem einen Gott oder — was dasselbe ist — in Gottes Einheit bestehe eine Dreieinigkeit der Personen.
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I,13,5

Die Ausdrücke sind also wahrhaftig nicht unbedacht aufgebracht worden — und deshalb muß man sich vorsehen, daß man nicht dem Vorwurf hochmütiger Unbe dachtheit verfällt, wenn man sie tadelt! Im übrigen sollen sie meinethalben nur ja begraben sein — wenn nur alle an dem Glauben festhalten, der Vater, der Sohn und Geist seien der eine Gott und doch sei der Sohn nicht der Vater oder der Geist der Sohn, sondern alle durch eine gewisse Eigentümlichkeit (proprietas) voneinander unterschieden.Ich bin gar nicht von so strenger Hartnäckigkeit, daß ich mich unterstehen würde, um bloße Worte zu streiten. Denn ich sehe, daß auch die Alten, die doch sonst mit soviel Ehrfurcht von diesen Dingen reden, weder untereinander übereinstimmen, noch einzeln mit sich selbst. Denn was für Formeln entschuldigt doch Hilarius als von den Konzilien gebraucht! Was hat sich gelegentlich Augustin für Freiheiten herausgenommen! Wie groß ist der Unterschied zwischen Griechen und Lateinern! Aber für diese Verschiedenartigkeit soll ein Beispiel genügen. Wenn die Lateiner den Ausdruck „homousios“ wiedergeben wollten, so setzten sie dafür „consub-stantialis“: damit behaupteten sie also, der Vater und der Sohn seien gleicher „Substanz“ (Grundwesen) — und brauchten so den Begriff „Substanz“, wo eigent lich „Wesen“ (essentia) am Platze gewesen wäre! So kommt es, daß Hieronymus in seinem Brief an Damasus sagt, es sei ein Frevel, zu sagen, es gäbe in Gott drei „Substanzen“. Aber man kann anderseits bei Hilarius mehr als hundertmal finden, es gäbe in Gott drei „Substanzen“! Und wie unklar ist die Verwendung des Ausdrucks „Hypostase“ (= „Person“, Seinsweise) bei Hieronymus! Er meint, es sei Gift dahinter, wenn einer von drei „Hypostasen“ in Gott redete! Und wenn auch jemand in frommer Gesinnung diesen Ausdruck braucht, so sagt er doch gerade heraus, daß dies eine uneigentliche Redeweise sei. Das alles, sofern er solche Reden aus Lauterkeit gehalten hat. Aber er tat es ja vielleicht nur, um die Bischöfe des Orients, die er nicht leiden konnte, mit Wissen und Willen mit unrechter Schmä hung zu bedecken! Auf jeden Fall hat er recht wenig anständig die Behauptung verfochten, in den weltlichen Schulen hieße „Usia“ (Wesen) nichts anderes als auch „Hypostasis“ (Seinsweise) — was sich aus dem gewöhnlichen und alltäglichen Sprachgebrauch durchgängig widerlegen läßt! Gemäßigter und mit edlerer Sitte verfährt Augustinus; obwohl auch er sagt, das Wort „Hypostasis“ sei in diesem Sinne für ein lateinisches Ohr neu, läßt er doch den Griechen ihre Gewohnheit zu reden, wie er auch die Lateiner, welche die griechische Formel nachgebildet hatten, ohne Schärfe ertrug (Von der Dreieinigkeit, Buch 5,8f.). Auch, was (der Kirchenhistoriker) Sokrates davon im sechsten Buch der Historia tripartita ge schrieben hat, erweckt den Eindruck, als sei dieser Ausdruck von unkundigen Leuten in verkehrter Weise in die Sache hineingebracht worden. Hilarius macht es den Ketzern zum Vorwurf, daß er durch ihren Unfug gezwungen werde, der Gefahr menschlicher Rede etwas auszusetzen, das doch besser in ehrfürchtiger Seele bewahrt werden sollte; und er verschweigt nicht, daß dies nichts anderes bedeutet, als Un gebührliches sich vorzunehmen, Unaussprechliches auszusprechen, Unerlaubtes sich anzumaßen! Kurz darauf entschuldigt er sich, daß er neue Ausdrücke einzuführen gezwungen sei: denn nachdem er die durch die Natur der Sache erforderten, nämlich Vater, Sohn und Geist, aufgeführt hat, erklärt er, alles, was darüber hinaus gesucht würde, überschreite die Ausdrucksfähigkeit der Rede, die Fassungskraft des Denkens, das Begreifen des Verstandes (Von der Dreieinigkeit, Buch 2). Und an anderer Stelle preist er die Bischöfe Galliens glücklich, weil sie je kein anderes Bekenntnis aufgestellt, noch angenommen, noch überhaupt kennengelernt hätten als allein das alte und ganz schlichte, das seit der Zeit der Apostel in allen Kirchen in Geltung war! (Von den Konzilien). Auch Augustin spricht sich in ähnlicher Weise aus: jener Ausdruck sei durch die Not der menschlichen Rede in einer so großen Frage erzwungen worden und sollte nicht darstellen, was ist, sondern nur nicht ver schweigen, wieso denn Vater, Sohn und Heiliger Geist drei seien!
Diese Bescheidenheit so heiliger Männer soll uns warnen, eine Art theologischer Zensur zu üben und sogleich alle die strengstens zu richten, die nicht auf die von uns verwendeten Begriffe schwören wollen! Nur sollen sie das nicht aus Übermut, Frechheit oder boshafter Schalkheit tun! Sie sollen doch auch wiederum selbst überlegen, wie groß die Notwendigkeit ist, die uns zwingt, so zu reden, und sollen sich allmählich dann auch zu einer rechten Form der theologischen Aussage be quemen! Da muß man auf der einen Seite den Arianern, auf der anderen den Sabellianern entgegentreten. Zürnen sie (jene unklaren Lehrer) nun darüber, daß beiden die Ausflüchte abgeschnitten werden, so sollen sie sich hüten, den Verdacht zu erregen, als seien sie selber Schüler des Arius oder Sabellius! Da sagt Arius, Christus sei Gott — aber ganz leise flüstert er dann noch, er sei aber geschaffen worden und habe einen Anfang gehabt! Er sagt, Christus sei eins mit dem Vater — aber dann sagt er den Seinen heimlich ins Ohr: er sei eben so mit dem Vater vereinigt, wie die anderen Gläubigen auch, wenn auch mit einzigartigem Vorrecht! Sagt man aber „gleichen Wesens“ (consubstantialis), dann zieht man dem verschlagenen Menschen die Larve weg — und hat doch der Schrift nichts zu gefügt! Da sagt Sabellius, Vater, Sohn und Geist bedeuteten nichts Verschiedenes in Gott. Sagt man dazu, es seien drei, dann wird er großes Geschrei machen, man redete von drei Göttern. Sagt man aber, daß in dem einen Wesen Gottes eine Dreieinigkeit von Personen ist, so spricht man mit einem Satz aus, was die Schrift lehrt — und man macht dem leeren Geschwätz ein Ende! Mögen nun auch einige derart von abergläubischer Furcht besessen sein, daß sie diese Ausdrücke nicht er tragen — es wird doch niemand, wie sehr er sich auch dreht und wendet, den Tat bestand leugnen können: wenn wir hören, daß Gott Einer ist, so ist an die Einheit der Substanz (des Grundwesens) zu denken, wenn wir hören, daß drei sind in einem Wesen, so ist von den Personen in dieser Dreieinigkeit die Rede! Wird das ohne Hintergedanken bejaht, so wollen wir uns bei Worten nicht aufhalten. Aber ich habe schon längst und oft genug die Erfahrung gemacht: Wer wegen der Ausdrücke allzu heftigen Streit führt, der nährt verborgenes Gift. Deshalb soll man solche Leute besser frei herausfordern, als ihretwegen unklar zu reden!



I,13,6

Doch jetzt wollen wir den Streit um die Ausdrücke fahren lassen und zur Sache selbst übergehen. Ich verstehe also unter Person eine Seinsweise (subsistentia) in Gottes Wesen, die in ihren Beziehungen zu den anderen eine unübertragbare Eigenheit besitzt. Unter Seinsweise (subsistentia) wollen wir also etwas ande res verstehen als „Wesen“ (essentia). Wäre nämlich das Wort einfach Gott, ohne etwas für sich allein zu haben, so hätte Johannes mit seinem Satz: „Dasselbige war im Anfang bei Gott“ (Joh. 1,1) etwas Verkehrtes ausgesprochen! Wenn er nachher gleich hinzusetzt: „Und Gott war das Wort“ — so ruft er uns damit zu dem einen Wesen zurück! Aber weil das Wort nicht bei Gott sein konnte, ohne im Vater zu wohnen, so zeigt sich hier das, was wir „Seinsweise“ nannten: denn diese ist zwar durch ein unzerreißbares Band mit dem „Wesen“ verbunden und kann von ihm nicht geschieden werden, aber sie hat doch ihr besonderes Kenn zeichen, durch das sie sich von dem Wesen unterscheidet. Denn jede der drei Seinsweisen ist in Beziehung zu den anderen durch ihre Eigenheit unterschieden. Diese „Beziehung“ (relatio) wird hier deutlich zum Ausdruck gebracht; denn wo man einfach und ohne nähere Bestimmung von „Gott“ redet, da bezieht sich dieser Name auf den Sohn und den Geist ebenso wie auf den Vater. Sobald man aber den Vater mit dem Sohne vergleicht, bezeichnet die „Eigenheit“ (proprietas) den Unterschied zwischen ihnen. Weiterhin behaupte ich, daß die Eigenheit der Person nicht übertragbar ist, weil es z. B. nicht angeht, auf den Sohn anzuwenden oder zu übertragen, was dem Vater als Merkmal zur Unterscheidung zukommt. Es miß fällt mir auch nicht die — freilich richtig zu verstehende! — Definition Tertullians, es sei die Dreieinigkeit eine gewisse Ordnung und Anordnung in Gott, die an der Einheit des Wesens nichts ändere (In dem Buch gegen Praxeas 2,9).



I,13,7

Bevor wir jedoch weitergehen, muß erstens die Gottheit des Sohnes und des Geistes bewiesen und zweitens der Unterschied zwischen ihnen gezeigt werden.
Wenn nun die Schrift vom „Worte“ Gottes redet, so wäre das gewiß ganz widersinnig, wenn dieses „Wort“ bloß ein flüchtiger, leerer Laut wäre, der in die Luft ausgesandt würde und nun außer Gott selber seinen Lauf nähme. Von dieser Art waren die Offenbarungssprüche, die den Vätern zuteil wurden, und alle Prophetien. Nein, das „Wort“ bezeichnet die Weisheit, die bei Gott wohnt und aus der alle Offenbarungssprüche und Prophetien stammen. Denn nach dem Zeugnis des Petrus (1. Petr. 1,11) haben die alten Propheten nicht weniger aus dem Geiste Christi heraus geredet als die Apostel und diejenigen, die nach ihnen die himm lische Lehre verwalteten. Da aber dazumal Christus noch gar nicht ans Licht getreten war, so ergibt sich notwendig, daß das „Wort“ von Ewigkeit her vom Vater geboren ist. Und wenn der Geist, dessen Werkzeuge die Propheten waren, der Geist des Wortes war, so ist daraus unzweifelhaft zu schließen, daß dieses Wort wahrer Gott war. Das lehrt auch Mose in der Schöpfungsgeschichte völlig klar: denn da stellt er fest, daß das Wort Mittel der Schöpfung war. Weshalb sollte er anders immer wieder berichtet haben, daß Gott bei der Schöpfung der einzelnen Werke sprach: „Es werde …“, wenn er nicht zeigen wollte, daß Gottes unausforschliche Herrlichkeit in seinem Bilde erstrahlte? Vorwitzige Schwätzer behaupten hier natürlich gleich, „Wort“ hieße soviel wie Befehl oder Auftrag. Aber die Apostel sind doch bessere Ausleger, und sie verkünden, daß durch den Sohn die Welt geschaffen worden sei und daß er alles trage mit seinem mächtigen Wort (Hebr. 1,2). Hier sehen wir also, daß „Wort“ den Wink und Befehl des Sohnes bedeutet, der selbst das ewige und wesentliche Wort des Vaters ist. Verständige und bescheidene Leute finden auch den Ausspruch des Salomo nicht dunkel, in dem er zeigt, wie die Weisheit von Gott in Ewigkeit geboren und bei der Schöpfung aller Dinge wie auch in allen Werken Gottes waltet (Jesus Sirach 24,14). Es wäre töricht und lästerlich, nur einen vorübergehenden Wink Gottes anzunehmen; denn Gott wollte damals seinen festen und ewigen Ratschluß, ja noch Verborgeneres offenbaren. Darauf bezieht sich auch das Wort Christi: „Mein Vater und ich wirken bis auf diesen Tag“ (Joh. 5,17; nicht Luthertext). Denn da zeigt er, daß er selbst seit Anbeginn der Welt mit dem Vater zusammen kräftig am Werke gewesen ist, und macht so deutlicher, was Mose kürzer angedeutet hatte. Gott hat also — so müssen wir folgern — so geredet, daß das Wort seinen Anteil am Werke hatte und auf diese Weise das Wirken beiden gemeinsam war. Bei weitem am klarsten stellt das Johannes fest, wenn er das Wort, das im Anfang als Gott bei Gott war, zugleich mit dem Vater als Ursprung aller Dinge uns vorstellt (Joh. 1,3). Denn so mißt er dem Worte ein festes und bleibendes Wesen bei, schreibt ihm aber auch etwas ihm Eigentümliches zu und zeigt dann auch mit größter Durchsichtigkeit, wieso denn Gott in seinem Reden der Schöpfer der Welt gewesen ist. Wie also alle von Gott ausgegangenen Offenbarungen mit Recht die Ehrenbezeichnung „Gottes Wort“ tragen, so muß auch dieses aus Gottes Wesen kommende Wort selber den höchsten Platz erhalten, nämlich denjenigen des Quells aller Offen barung, weil es, keinem Wechsel unterworfen, immerfort als ein und dasselbe bei Gott bleibt und selbst Gott ist!
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I,13,8

Hier fangen nun einige Hunde an zu kläffen: sie können zwar dem Worte nicht vor aller Öffentlichkeit seine Gottheit bestreiten, aber deshalb versuchen sie, ihm heimlich seine Ewigkeit zu rauben. Sie sagen nämlich, das Wort habe erst da seinen Anfang genommen, als Gott bei der Schöpfung der Welt seinen heiligen Mund auftat! Aber, wenn sie das sagen, so dichten sie in ihrer Unbedachtsamkeit Gott eine Veränderung seines Wesens an. Denn die Namen, die Gott hinsichtlich seines äußeren Werkes zukommen, sind ihm zwar erst seit dem Bestehen dieses seines Werks beigelegt, wie z. B. der Name „Schöpfer Himmels und der Erden“. Aber die Frömmigkeit anerkennt keinen Namen, der etwa bedeuten könnte, es sei Gott in sich selbst etwas zugefügt. Wollte man da von etwas neu Hinzukom mendem reden, so machte dem das Wort des Jakobus ein Ende: „Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis“ (Jak. 1,17). Deshalb ist nichts unerträglicher, als wenn man dem Worte, das doch von Ewigkeit her Gott selber war und später der Schöpfer der Welt wurde, einen Anfang andichten will! Aber dann kommen sie zu der spitzfindigen Idee: wenn Mose bei der Schöpfungsgeschichte sage, damals habe Gott geredet, so deute er doch damit selber an, daß vorher in Gott kein Wort gewesen sei. Das ist ein ganz besonders albernes Geschwätz! Denn wenn etwas zu einer bestimmten Zeit geoffenbart wird, so ist doch daraus nicht zu folgern, es sei vorher noch nicht dagewesen! Ich schließe ganz anders: wenn in jenem Augenblick, da Gott sprach: „Es werde Licht“, die Kraft des Wortes hervorbrach und sich äußerte, dann muß es selbst schon lange vorher da gewesen sein! Wenn einer fragt: „Wie lange denn?“, so wird er keinen Anfang finden. Denn er selbst bestimmt keinerlei festen Zeitraum, wenn er sagt: „Und nun verkläre du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe denn die Welt war“ (Joh. 17,5). Auch das hat ja Johannes erwähnt: Denn er sagt: bevor er zur Weltschöpfung übergeht, das Wort sei „ im Anfang „ bei Gott gewesen (Joh. 1,1). Wir stellen also wiederum fest, daß das Wort vor Anbeginn der Zeit vom Va ter gezeugt worden ist und dann je und je bei ihm gewohnt hat. Dadurch wird dann seine Ewigkeit, sein wirkliches Sein und seine Gottheit bewiesen.



I,13,9

Nun rede ich jetzt noch nicht von der Person des Mittlers, sondern verschiebe das, bis ich von der Erlösung handle. Da es aber ohne Widerspruch allgemein anerkannt sein sollte, daß Christus das fleischgewordene Wort ist, so gehören hierher alle die Zeugnisse, die die Gottheit Christi behaupten. Wenn es im 45. Psalm heißt: „Gott, dein Stuhl bleibt immer und ewig“ (Ps. 45,7), so machen die Juden die Ausflucht, der Name „Elohim“ (Gott) beziehe sich auch auf die Engel und höch sten Gewalten. Aber es gibt in der Schrift nicht eine einzige Stelle, die der Kreatur einen ewigen Thron errichtete! Und der, von dem der Psalm redet, wird ja auch nicht schlechtweg „Gott“ genannt, sondern auch als ewiger Herrscher bezeichnet. Außerdem wird dieser Titel (Gott) niemandem zugelegt, ohne daß ein Zusatz gemacht wird, so wie z. B. dem Mose gesagt wird, er werde „dem Pharao“ ein Gott sein (Ex. 7,1). Andere wollen die Stelle so lesen, daß „Gott“ Genetiv sei („dein Gottesthron“). Aber das ist völlig unsinnig. Ich gestehe zwar, daß häufig besonders Vortreffliches als göttlich bezeichnet wird; aber der Zusammenhang der Stelle zeigt, daß das hier hart und gezwungen wäre und in keiner Weise paßte. Wenn sie aber in ihrer Hart­näckigkeit beharren, so wollen wir ihnen eine Stelle aus Jesaja entgegenhalten; da wird ganz deutlich derselbe Christus als Gott bezeichnet und mit der höchsten Macht ausgestattet — die doch allein Gott eigen ist! „Das ist der Name, mit dem sie ihn nennen werden: Gott von Kraft, Vater in Ewigkeit …“ (Jes. 9,5f.; nicht Luther text). Nun kläffen auch hier wieder die Juden und wollen die Stelle so verdrehen: „Und das wird der Name sein, mit dem ihn der starke Gott, der Vater in Ewigkeit nennen wird …“, so daß also dem Sohne nur noch die Bezeichnung „Friedefürst“ übrigbliebe. Aber wozu sollten denn soviele Beinamen auf Gott den Vater gehäuft werden, wo doch der Prophet die Absicht hat, Christus mit herrlichen Merkmalen zu schmücken, um unseren Glauben an ihn aufzuerbauen? Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er hier aus demselben Grunde „Gott von Kraft“ genannt wird wie kurz vorher „Immanuel“. Mit ebenso leuchtender Klarheit redet aber Jeremia an der Stelle, wo er sagt, das werde der Name sein, mit dem der Sproß Davids genannt werden solle: der Herr unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6). Da lehren nun die Juden selbst aus freien Stücken, alle anderen Namen Gottes seien bloße Beinamen, dieser aber, den sie unaussprechlich nennen, sei leben diger Ausdruck seines Wesens. Daraus ergibt sich, daß der Sohn der einige und ewige Gott ist — der doch an anderer Stelle kundtut, er werde seine Ehre keinem an deren geben! (Jes. 42,8). Aber auch hier suchen sie Ausflüchte und verweisen darauf, daß Mose dem von ihm errichteten Altar und Ezechiel der neuen Stadt Jerusalem den gleichen Namen gebe. Aber wer kann denn übersehen, daß dieser Altar als Ge denkzeichen dafür erbaut wurde, daß Gott den Mose erhöht hat, und daß Jerusalem nur zum Zeichen der Gegenwart Gottes mit dem Namen Gottes ausgezeichnet wird? Denn so spricht der Prophet: „Und alsdann soll die Stadt genannt werden: \\\’Hier ist der Herr!\\\’„ (Ez. 48,35) Und Mose redet ähnlich: „Und er baute einen Altar und nannte seinen Namen: Der Herr ist meine \\\’Erhöhung\\\’ (mein Panier)“ (Ex. 17,15). Aber noch ein größerer Streit dreht sich um eine andere Jeremiastelle, in der der nämliche Ehrenname auf Jerusalem angewendet wird: „Das ist der Name, mit dem man sie nennen wird: Der Herr unsere Gerechtigkeit“ (Jer. 33,16). Aber dieses Zeugnis bestreitet keineswegs die Wahrheit, die wir verteidigen, sondern bestätigt sie vielmehr. Nachdem er nämlich zuvor (eben Jer. 23,6) bezeugt hat, Christus sei der wahre „Herr“, von dem die Gerechtigkeit ausgeht, zeigt er nun, daß die Kirche Gottes dies so lebendig erfahren werde, daß sie seines Namens sich rühmen könne. Es wird also an der ersten Stelle die Quelle und der Ursprung der Gerechtigkeit ge zeigt, an der zweiten ihre Wirkung!



I,13,10

Wenn die Juden sich mit alledem noch nicht zufrieden geben, so weiß ich nicht, welche Ausflucht sie dagegen vorbringen wollen, daß der „Herr“ („Jehovah“) so oft in der Gestalt eines Engels erscheint. So ist nach der Schrift den heiligen Vätern ein Engel erschienen, und dieser legt sich den Namen des ewigen Gottes bei! (Richter 6 und 7). Wenn dagegen jemand einwenden will, das geschehe um der Person dessen willen, den er vertritt, so löst sich der Knoten noch keineswegs. Denn kein Diener hätte Gott die Ehre geraubt und zugegeben, daß ihm Opfer dargebracht würden! Der Engel dagegen weigert sich, Brot zu essen, und befiehlt, dem „Herrn“ zu opfern (Richter 13,16). Darauf aber beweist er, daß er selbst der „Herr“ ist. Deshalb erkennen Manoah und sein Weib an diesem Zeichen, daß sie Gott gesehen haben. Da her das Wort: „Wir müssen sterben, denn wir haben Gott gesehen.“ Wenn nun aber die Frau antwortet: „Wenn der Herr Lust hätte, uns zu töten, so hätte er das Brandopfer und Speiseopfer nicht angenommen von unseren Händen“ — so bekennt sie damit den als Gott, der zuvor „Engel“ genannt wurde! (Richter 13,22f.). Dazu nimmt nun auch die Antwort des Engels allen Zweifel: „Was fragst du mich nach meinem Namen, der doch wunderbar ist?“ (V. 18).

Um so abscheulicher ist die Gottlosigkeit des Servet, der da behauptet, Gott habe sich dem Abraham und den anderen Erzvätern nie geoffenbart, sondern statt seiner habe man einen Engel angebetet. Indessen haben die rechtgläubigen Lehrer der Kirche mit Recht und Weisheit in jenem Engelfürsten das Wort Gottes erkannt, das schon dazumal wie in einer Art Vorspiel sein Mittleramt begann. Denn obwohl das Wort noch nicht Fleisch geworden war, so kam es doch gleichsam als Mittler hernieder, um sich den Gläubigen desto vertrauter zu nahen. Solche freundliche Gemeinschaft mit den Menschen hat ihm den Namen „Engel“ gegeben: aber trotzdem hat das Wort unterdessen behalten, was sein war, nämlich daß es Gott sei, von unaussprechlicher Herrlichkeit! Das will auch Hosea ausdrücken: nachdem er den Kampf Jakobs mit dem Engel erwähnt hat, sagt er: „Herr (Jehovah), Gott der Heerscharen, Herr ist sein Name“ (Hos. 12,6). Servet faselt nun dagegen, Gott habe die Gestalt eines Engels angenommen. Als ob der Prophet nicht einfach bestätigte, was schon Mose berichtete: „Was fragst du mich nach meinem Namen?“ Und das Bekenntnis des hei ligen Erzvaters (Jakob) macht ganz klar, daß es sich nicht um einen geschaffenen Engel gehandelt hat, sondern um den, der die Fülle der Gottheit in sich trug; spricht er doch: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen“ (Gen. 32,30.31). So sagt ja auch Paulus, Christus sei des Volkes Führer in der Wüste gewesen (1. Kor. 10,4). Denn obwohl die Zeit der Erniedrigung noch nicht da war, stellte das ewige Wort doch ein Vorbild des Amtes auf, das es erfüllen sollte. Auch wenn man, freilich ohne Streitsucht, das zweite Kapitel bei Sacharja erwägt, so bemerkt man, daß der Engel, der einen zweiten Engel sendet, gleich darauf als Gott der Heer scharen bezeichnet und ihm alle Macht zugeschrieben wird. Ich lasse unzählige wei tere Zeugnisse aus, auf denen unser Glaube sicher ruhen kann, obwohl die Juden sie wenig beachten. Heißt es bei Jesaja: „Siehe, das ist unser Gott …, das ist der Herr, auf den wir harren, daß wir uns freuen und fröhlich seien in seinem Heil“ (Jes. 25,9), so ist allen, die Augen haben, deutlich, daß hier Gott vor uns hingestellt wird, der sich abermals aufmacht, seinem Volke zu helfen. Und die kräftigen Hin­weise, die da doppelt gesetzt sind, lassen keine andere Deutung als die auf Christus zu. Noch deutlicher und zuverlässiger ist die Stelle bei Maleachi, der verheißt, daß der Herrscher, der damals noch erwartet wurde, in seinen Tempel kommen werde (Mal. 3,1). Nun war aber der Tempel, den doch der Prophet Christus einräumt, einzig dem höchsten Gott geweiht! Daraus folgt also, daß er derselbe Gott ist, der stets von den Juden angebetet worden war!
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I,13,11

Das Neue Testament sprudelt unzählige Zeugnisse hervor. Wir müssen uns daher bemühen, lieber in Kürze einiges Ausgewählte zu bringen, als alles aufzuhäufen.

Die Apostel haben ja zwar erst von ihm geredet, nachdem er bereits als Mittler im Fleische erschienen war. Aber doch wird das, was ich anführen werde, seine ewige Gottheit sehr wohl zu beweisen vermögen. Besonders ist die Lehre der Apostel der Aufmerksamkeit wert, daß in Christus das, was zuvor von ihm als ewi gem Gott ausgesagt war, bereits offenbar geworden sei oder sich einst offenbaren werde. Da weissagt Jesaja, der Herr der Heerscharen werde für Juden und Israe liten ein Fels des Ärgernisses und ein Stein des Anstoßes sein (Jes. 8,14) — und Paulus sagt, das sei in Christus erfüllt (Röm. 9,32f.). Er erklärt damit, dieser Herr der Heerscharen sei Christus. In ähnlicher Weise sagt er an anderer Stelle: „Wir werden alle dargestellt werden vor dem Richtstuhl Christi; denn es steht geschrieben: … mir sollen alle Knie sich beugen und alle Zungen sollen Gott bekennen“ (Röm. 14,10f.). Da dies nun bei Jesaja Gott von sich aussagt (Jes. 45,23) und da Christus es andererseits an sich selber erweist, so folgt, daß er selber Gott ist, dessen Ehre doch keinem anderen gegeben werden soll. Auch was Paulus im Epheserbrief aus Psalm 68 (V. 19) anführt, paßt allein auf Gott: „Er ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführt“ (Eph. 4,8). Da erkennt Paulus, daß solche Auffahrt schon vorgebildet war dadurch, daß Gott seine Macht im Siege über fremde Völker erwies, und zeigt dann, daß sie in Christus erst voll offenbart worden sei. So bezeugt Johannes, daß es die Herrlichkeit des Sohnes gewesen sei, die einst dem Jesaja enthüllt wurde (Joh. 12,41; Jes. 6,1), wo doch der Prophet selber schreibt, er habe Gottes Majestät erschaut. Was der Schreiber des Hebräerbriefs dem Sohne beilegt, das sind unzweifelhaft die herrlichsten Lobpreisungen Gottes: „Du, Herr, hast von Anfang die Erde gegründet …“ (Hebr. 1,10) und „Es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten“ (Hebr. 1,6). Aber wenn er diese Lobpreisungen auf Christus bezieht, so bedeutet das keinen Mißbrauch; denn was in jenen Psalmworten besungen wird, das hat Er allein erfüllt. Er war es, der sich aufmachte, sich Zions zu erbarmen (Ps. 102,14). Er hat die Herrschaft über alle Völker und Inseln ange nommen (Ps. 97,1). Und weshalb hätte Johannes zögern sollen, Gottes Majestät Christus beizulegen, da er doch vorher gesagt hatte, das Wort sei von Ewigkeit her Gott gewesen? (Joh. 1,1.14). Weshalb sollte sich Paulus scheuen, Christus auf Gottes Richtstuhl zu setzen (2. Kor. 5,10), nachdem er doch zuvor mit so klarer He roldsbotschaft seine Gottheit kundgemacht hatte, wenn er sagte, er sei „Gott, hochgelobt in Ewigkeit“ (Röm. 9,5)? Und damit klar sei, wie gut er hier mit sich selbst übereinstimmt, schreibt er an anderer Stelle: „Gott ist geoffenbart im Fleisch …“ (1. Tim. 3,16). Wenn er aber Gott ist, hochgelobt in Ewigkeit, dann ist er es auch, dem allein aller Ruhm und alle Ehre gebührt, wie er an anderer Stelle sagt (1. Tim. 1,17). Er scheut sich auch nicht, vor aller Welt zu bekennen: „Da er in göttlicher Gestalt war, hielt er\\\\\\\’s nicht für einen Raub, Gott gleich sein, entäußerte sich selbst …“ (Phil. 2,6ff.). Damit nun aber nicht die Gottlosen lästerten, er sei ein will kürlich erdachter Gott, geht Johannes so weit, zu sagen: „Er ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (1. Joh. 5,20). Jedoch es muß uns völlig genug sein, daß er Gott genannt wird, besonders gerade von dem Zeugen, der mit besonderer Schärfe betont, daß nicht viele Götter sind, sondern nur einer. Das ist Paulus, der da spricht: „Mögen auch im Himmel und auf Erden viele Götter genannt werden, so haben wir doch nur einen Gott, von welchem sind alle Dinge …“ (1. Kor. 8,5). Wenn wir nun aus demselben Munde hören, Gott sei geoffenbart im Fleisch (1. Tim. 3,16), Gott habe mit seinem eigenen Blute die Kirche erworben … (Apg. 20,28) — wie sollten wir dann auf den Gedanken kommen, damit sei ein zweiter Gott gemeint, den Paulus doch nie und nimmer anerkannt hätte? Und ohne allen Zweifel dachten alle Gläubigen ebenso wie er. Wenn Thomas auf gleiche Weise Christus so offen seinen „Herrn und Gott“ nennt (Joh. 20,28), so bekennt er ihn als den einigen Gott, den er stets an­gebetet hatte.



I,13,12

Wenn wir nun auch aus Christi Werken, wie sie ihm in der Schrift zuge schrieben werden, seine Gottheit kennenlernen, dann wird sie uns noch deutlicher ent gegenleuchten. Als er sagte, er wirke seit Anbeginn und bis hierher mit dem Vater (Joh. 5,17), da begriffen die Juden, die gegen alle seine anderen Worte völlig stumpf waren, doch, daß er sich hier göttliche Kraft zuschrieb. Und deshalb suchten sie ihn, wie Johannes berichtet, nur desto mehr zu töten, weil er nicht nur den Sabbat gebrochen hatte, sondern Gott für seinen Vater erklärte und sich so Gott gleichmachte (Joh. 5,18). Wie groß müßte doch unsere Verblendung sein, wenn wir hier nicht die Behauptung seiner Gottheit herausmerken wollten! Es ist doch wahrhaftig allein das Werk des Schöpfers, mit Vorsehung und Kraft die Welt zu regieren und mit seinem Willen alles zu leiten — und das schreibt der Apostel ihm zu! (Hebr. 1,3). Aber er teilt nicht bloß das Werk der Weltregierung mit dem Vater, sondern auch andere einzelne Wirksamkeiten, an denen kein Geschöpf Anteil haben kann. Der Herr ruft durch den Propheten aus: „Ich, ich tilge deine Missetaten um meinetwillen (Jes. 43,25). Als die Juden diesem Spruch gemäß meinten, es geschähe Gottesläste rung dadurch, daß Jesus Sünden vergab — da nahm er diese Vollmacht nicht nur ausdrücklich für sich in Anspruch, sondern bekräftigte sie auch mit einem Wunder (Matth. 9,6). So sehen wir, daß nicht nur das Amt, sondern die (freie) Voll macht der Sündenvergebung bei ihm lag — während sich doch der Herr weigert, sie an jemand anders zu übertragen! Ist es nicht einzig und allein Gottes Macht, die verschwiegenen Gedanken des Herzens zu erkunden und zu durchschauen? Aber auch diese Macht besaß Christus (Matth. 9,4), woraus wiederum seine Gottheit her vorgeht.



I,13,13

Wie hell leuchtet sie aber auch aus seinen Wundern hervor! Nun haben, wie ich gern zugebe, auch die Propheten und die Apostel ähnliche oder gar gleiche Wun der getan. Aber der unüberbrückbare Gegensatz besteht darin, daß diese in ihrem Amt und Dienst Gottes Gaben austeilten, während er seine eigene Kraft wirken ließ! Er hat sich freilich zuweilen auch des Gebets bedient, um dem Vater die Ehre zu ge ben, aber in den meisten Fällen sehen wir ihn seine eigene Kraft äußern. Wie sollte er nicht der wahre Urheber der Wunder sein, da er doch mit seiner Autorität anderen die Vollmacht dazu erteilt? Denn der Evangelist berichtet, daß er den Jüngern Macht gegeben hat, Tote zu erwecken, Aussätzige rein zu machen, Teufel auszu treiben usw. (Matth. 10,8; Mark. 3,15; 6,7). Diese aber haben ihr Amt so erfüllt, daß dabei ganz klar wurde: die Kraft kam von niemandem anders als von Christus. „Im Namen Jesu Christi stehe auf und wandle“, sagt Petrus (Apg. 3,6). Es ist deshalb auch nicht zu verwundern, daß Christus auf seine Wunder verwies, um den Unglauben der Juden zu besiegen; denn was aus seiner Kraft heraus ge schehen war, mußte ja zugleich ein voller Beweis für seine Gottheit sein (Joh. 5,36; 10,37; 14,11). Wenn ferner außer Gott kein Heil, keine Gerechtigkeit, kein Leben ist und anderseits Christus alles das in sich hat, dann ist er gewiß als Gott ausgewiesen. Es soll mir nun aber keiner einwerfen, es sei von Gott her Leben und Heil in ihn übergegangen. Denn es heißt nicht, daß er Heil empfangen habe, sondern daß er das Heil sei! Und wenn keiner gut ist als Gott allein (Matth. 19,17), wie sollte dann ein bloßer Mensch — nicht gut und gerecht, sondern — die Güte und Gerechtigkeit selber sein? War nicht nach dem Zeugnis des Evan gelisten seit Anbeginn der Welt in ihm das Leben, und war er nicht selbst, der er schon damals das Leben war, das Licht der Menschen? (Joh. 1,4). Deshalb wagen wir, auf solche Zeugnisse gestützt, auf ihn unseren Glauben und unsere Hoffnung zu setzen, obwohl wir doch genau wissen, daß es Frevel und Gottlosigkeit ist, wenn einer sein Vertrauen auf die Kreatur setzt! „Glaubet ihr an Gott, so glaubet auch an mich“ spricht er (Joh. 14,1; nicht Luthertext). So legt auch Paulus zwei Jesajastellen aus: „Wer auf ihn hoffet, wird nicht zu Schanden werden“ und „Aus der Wurzel Isai wird einer erstehen, um die Völker zu regieren; auf ihn werden die Völker hoffen“ (Jes. 28,16; 11,10; Röm. 10,11; 15,12). Aber wozu sollen wir hierzu weiter Schriftzeugnisse aufführen, da es doch immer wieder heißt: „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben“? So gebührt ihm auch die gläubige Anrufung, die doch der göttlichen Majestät eigen ist, wenn überhaupt etwas. Denn es sagt der Pro phet: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der wird gerettet werden“ (Joel 3,6). Und wieder ein anderer ruft aus: „Der Name des Herrn ist ein festes Schloß; der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt“ (Spr. 18,10). Nun wird aber der Name Christi zum Heil angerufen; und daraus wird klar, daß er „der Herr“ ist. Wir haben ein Beispiel solcher Anrufung, nämlich das des Stephanus: “Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ (Apg. 7,58). Auch weitere Beispiele besitzen wir in der ganzen Kirche, wie es zum Beispiel Ananias im gleichen Buche darstellt, wenn er sagt: „Herr, du weißt, wieviel Übels dieser Mensch allen Heiligen getan hat, allen, die deinen Namen anrufen (Apg. 9,13.14). Und damit recht deutlich er kannt werde, daß in ihm alle Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, bekennt der Apostel, er habe unter den Korinthern keinerlei Lehre vertreten als allein die Er kenntnis Christi, er habe nichts anderes gepredigt als diese! (1. Kor. 2,2). Ist es denn nicht eigenartig und sonderbar, daß Gott uns, denen er doch gebietet, sich allein seiner Erkenntnis zu rühmen (Jer. 9,23), allein den Namen des Sohnes verkün digen läßt? Wer wollte sich erkühnen, den für ein bloßes Geschöpf zu erklären, dessen Erkenntnis allein unser Ruhm ist? Dazu kommt noch, daß Paulus in den Grußworten, die am Anfang seiner Briefe stehen, vom Sohne die nämlichen Segnungen erbittet wie vom Vater. Daraus folgt für uns die Lehre, daß wir nicht bloß durch sein Eintreten für uns empfangen, was uns der himmlische Vater zuteil werden läßt, sondern daß der Sohn vermöge seiner Teilhabe an der Macht selbst der Urheber ist. Diese praktische Erkenntnis ist ohne Zweifel gewisser und zuverlässiger als alles müßige Gedankenspiel. Denn da sieht die gläubige Seele Gott in völliger Nähe, ergreift ihn schier mit den Händen und erfährt, daß sie von ihm lebendig gemacht, erleuchtet, gerettet, gerechtfertigt und geheiligt wird!



I,13,14

Der Erweis der Gottheit des Geistes muß nun aus den gleichen Quellen geführt werden.

Ohne alle Dunkelheit ist das Zeugnis des Mose in der Schöpfungsgeschichte: der Geist habe über dem Abgrund oder dem ungestalteten Stoff geschwebt (Gen. 1,2). Dadurch zeigt er, daß nicht nur die Schönheit der Welt, wie man sie jetzt erblickt, durch die Kraft des Geistes ihren Bestand hat, sondern daß der Geist bereits, ehe all diese Zier aufkam, die ungeordnete Masse erhalten hat. Keinerlei Ausflüchte gestattet auch der Ausspruch bei Jesaja: „Und nun sendet mich der Herr, Herr und sein Geist“ (Jes. 48,16); denn er teilt damit die höchste Befehlsgewalt bei der Sen dung der Propheten auch dem Geiste zu, woraus seine göttliche Majestät hervor leuchtet. Aber der beste Beweis kommt doch, wie ich bereits sagte, aus vertrauter Erfahrung. Denn hoch über alle Kreatur ist erhaben, was ihm die Schrift beilegt und was wir selbst in sicherer Erfahrung der Frömmigkeit lernen. Denn er ist über all gegenwärtig und erhält, nährt und belebt alle Dinge im Himmel und auf Erden. Schon dadurch wird er der Zahl der Geschöpfe entnommen, daß ihn keinerlei Gren zen umschließen. Aber daß er seine Kraft in alles ergießt und dadurch allen Dingen Wesen, Leben und Bewegung verleiht, das ist offenkundig göttlich. Und wenn weiterhin die Wiedergeburt zu unvergänglichem Leben höher und viel erhabener ist als alles gegenwärtige Wachsen und Werden, wie muß man dann über den Geist ur teilen, aus dessen Kraft solches Leben hervorgeht? Denn daß er selbst nicht durch Übertragung, sondern durch seine eigene Kraft der Urheber der Wiedergeburt ist, das lehrt die Schrift an vielen Stellen. Er ist aber nicht allein der Urheber der Wiedergeburt, sondern auch der Begründer künftiger Unsterblichkeit. Es werden also dem Geist genau wie dem Sohn alle Wirksamkeiten der Gottheit, und zwar beson ders die ganz eigentümlichen, zugeschrieben. Wenn doch der Geist die Tiefen des Gottes erforscht, der unter den Geschöpfen keinen Ratgeber hat (1. Kor. 2,10.16), wenn er Weisheit und Redefähigkeit darreicht (1. Kor. 12,10), wo doch der Herr dem Mose sagt, das sei ausschließlich sein Werk (Ex. 4,11), dann gelangen wir durch ihn der art zur Gemeinschaft mit Gott, daß wir seine Kraft als lebendigmachende an uns erfahren. Unsere Rechtfertigung ist sein Werk, von ihm kommt Kraft, Heiligung, Wahrheit, Gnade und was man nur Gutes erdenken kann. Denn es ist ein Geist, von dem alle Gaben kommen. Besonders ist hier der Satz des Paulus erwähnens wert: Wie mannigfaltig auch die Gaben sind, wie vielfältig und verschieden sie ver teilt sind, „es ist ein Geist“ (1. Kor. 12,4). Damit stellt er fest, daß der Geist nicht etwa bloß der Anfang und die Quelle, sondern wirklich der Urheber ist. Das drückt er noch klarer kurz danach so aus: „Dies alles aber wirket derselbe eine Geist und teilt einem jeglichen seines zu, nach dem er will.“ (1. Kor. 12,11). Wäre der Geist nicht eine Seinsweise in Gott, so würde ihm sicherlich in keiner Weise Wahl und Wille zugeschrieben. Deshalb mißt also Paulus dem Geist mit voller Klarheit gött liche Macht bei und zeigt, daß er als eigene Wesenheit (hvpostatice) in Gott wohne.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Joschie
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Von der Erkenntnis Gottes als des Schöpfers

Beitrag von Joschie »

I,13,15

Auch bedient sich die Schrift, wenn sie vom Geiste redet, des Namens „Gott“. Denn Paulus folgert daraus, daß der Geist in uns wohnt, daß wir ein Tempel Gottes sind (1. Kor. 3,17; 6,19; 2. Kor. 6,16). Darüber darf man nicht schnell hinweggehen. Denn Gott verheißt so oft, er werde sich uns als seinen Tempel er wählen — und erfüllt diese Verheißung dadurch, daß der Geist in uns wohnt! Augustin hat sicher mit seiner ausgezeichneten Bemerkung recht: Wenn wir den Befehl erhielten, dem Geist aus Holz und Stein einen Tempel zu bauen, wo doch solche Verehrung einzig Gott gebührt, so wäre das ja schon ein klarer Beweis für seine Gottheit; wieviel klarer ist er aber nun, da wir ihm nicht einen Tempel bauen, sondern selbst ein Tempel sein sollen! (Brief 170). Der Apostel schreibt einmal, wir seien Gottes Tempel, das andere Mal in völlig gleichem Sinne, wir seien Tempel des Heiligen Geistes! Und als Petrus den Ananias tadelte, daß er „dem Heiligen Geiste gelogen“ habe, da sagte er, Ananias habe „nicht Menschen, sondern Gott gelogen“ (Apg. 5,3f.). Und wo Jesaja den Herrn der Heerscharen redend einführt (Jes. 6,9), da lehrt Paulus, es sei der Heilige Geist, der da rede. (Apg. 28,25f.). Überhaupt: wo die Propheten immer wieder sagen, die Worte, die sie redeten, seien solche des Herrn der Heerscharen, da nennen Jesus und die Apostel den Heiligen Geist. Auch daraus geht hervor, daß er wahrhaftig „der Herr“ (Jehovah) ist, der der höchste Urheber aller Prophetie ist. Wo andererseits Gott sich darüber beschwert, daß er durch des Volkes Halsstarrigkeit herausgefordert werde, da sagt Jesaja, es sei sein Heiliger Geist betrübt worden (Jes. 63,10). Und wenn endlich die Lästerung des Geistes weder in dieser Welt noch in der zukünftigen vergeben werden soll, während doch der, der den Sohn lästert, Vergebung empfangen kann (Matth. 12,31; Mark. 3,29; Luk. 12,10), so ist auch das ein klarer Ausdruck der göttlichen Majestät des Geistes, die zu verletzen oder anzutasten ein unvergebbarer Frevel ist. Mit voller Absicht übergehe ich viele Zeugnisse, die die Alten hier genannt haben. Ihnen schien es angebracht, hier z.B. die Psalmstelle anzuführen: „die Himmel sind durch des Herrn Wort gemacht und all ihr Heer durch den Geist seines Mundes“ (Ps. 33,6), um zu beweisen, die Welt sei ebensosehr des Heiligen Geistes Werk wie das des Sohnes. Aber da es in den Psalmen üblich ist, dasselbe zweimal zu sagen, und da ferner bei Jesaja „Geist seines Mundes“ soviel bedeutet wie „Wort“ (Jes. 11,4), so scheint mir dies eine schwache Beweisstelle zu sein. Ich wollte deshalb nur kurz das berühren, auf das sich der fromme Sinn mit Sicherheit stützen kann.



I,13,16

Wie sich nun Gott in der Ankunft Christi deutlicher offenbart hat, so hat er sich dort auch in den drei Personen vertrauter kundgemacht. Aus den vielen Zeugnissen davon mag uns eines genügen: Es verbindet nämlich Paulus diese drei: Gott, Glaube und Taufe (Eph. 4,5) derart, daß er vom einen zum anderen folgert: weil ein Glaube ist, so erweist sich daraus, daß ein Gott ist, und weil eine Taufe ist, so zeigt er daraus, daß auch ein Glaube sei. Wenn wir also durch die Taufe in den Glauben an den einen Gott und seine Verehrung eingeführt werden, so müssen wir als den wahren Gott notwendig den erkennen, in dessen Namen wir getauft werden. Und wenn Christus sagte: „Taufet sie in den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, so wollte er mit so feierlicher Formel ohne Zweifel be zeugen, daß das Licht des Glaubens bereits vollständig offenbart sei. Denn diese For mel bedeutet soviel wie die Forderung der Taufe auf den Namen des einen Gottes, der in voller Klarheit im Vater, im Sohne und im Geiste erschienen ist; und daraus ergibt sich deutlich, daß in Gottes Wesen drei Personen sind, in welchen der eine Gott erkannt wird! Und da nun der Glaube nicht nach allen Seiten umherschauen und auch nicht in allen Richtungen sich herumtreiben soll, sondern auf den einen Gott blicken, an ihm hängen und an ihm bleiben soll, so müßte es ja, wenn es mehrerlei Glauben gäbe, auch mehrere Götter geben. Weil aber das Sakrament des Glaubens die Taufe ist, so versichert sie uns dadurch der Einheit Gottes, daß sie eben eine Taufe ist! Daraus folgt auch, daß man nur auf den einen Gott getauft werden darf; denn wir sollen ja an den glauben, in dessen Namen wir getauft werden. Wenn also Christus anordnete, die Taufe solle in den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geschehen, was konnte er dabei anders im Sinne haben, als daß wir eben mit einem Glauben an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist glauben sollten! War das aber so, was wollte er dann anders, als deutlich be zeugen, daß der Vater, der Sohn und der Geist der eine Gott ist? Bleibt es also bestehen, daß Gott einer ist und eben nicht viele, so können Wort und Geist nichts anderes sein als Gottes Wesen selbst! Und deshalb war es ganz besonders töricht und ungeziemend, wenn die Arianer zwar die Gottheit Christi bekennen, ihm aber Gottes Wesen (Grundwesen) absprechen wollten! Ein ganz ähnlicher Wahn trieb die Macedonianer, wenn sie meinten, unter dem Geist seien nur die den Menschen zugeflos senen Gnadengaben zu verstehen. Denn wie Weisheit, Einsicht, Verstand, Kraft und Furcht des Herrn von ihm kommen, so ist er eben selbst der eine Geist der Weis heit, der Klugheit, der Kraft und der Frömmigkeit. Er wird auch nicht gemäß der Austeilung seiner Gaben selbst zerteilt; sondern so verschieden die Gaben geteilt wer den, so bleibt er doch immer einer und derselbe, wie der Apostel sagt (1. Kor. 12,11).



I,13,17

Aber auf der anderen Seite wird in der Schrift auch ein gewisser Unterschied des Vaters gegenüber dem Worte und des Wortes gegenüber dem Geiste aufgestellt. Die Tiefe des Geheimnisses mahnt uns indessen selbst, bei der Betrachtung dieses Unter schieds mit größter Ehrfurcht und Besonnenheit zu Werke zu gehen. Mir gefällt be sonders das Wort des Gregor von Nazianz: „Ich vermag nicht, einen zu denken, ohne sofort von den dreien umstrahlt zu werden; und ich kann die drei nicht scheiden, ohne auf den einen zurückzukommen.“ (Gregor von Nazianz, Von der Heiligen Taufe). Auch wir dürfen die Dreieinigkeit der Personen nicht so auffassen, daß unsere Gedanken dabei in sich zerteilt und auseinandergebracht und nicht vielmehr alsbald zur Einheit zurückgeführt würden. Gewiß bedeuten schon die Bezeichnungen „Vater“, „Sohn“ und „Geist“ eine wirkliche Unterscheidung, und man soll nicht meinen, es wären darunter bloß Beinamen zu verstehen, die Gott nach seinen verschiedenen Wir kungen bezeichneten. Aber es handelt sich um Unterscheidung und nicht um Scheidung. Daß er, der Sohn, eine vom Vater unterschiedene Eigenheit (proprietas) besitzt, das zeigten uns die bereits angeführten Stellen. Denn das Wort wäre nicht „bei“ Gott, wenn es sich nicht vom Vater unterschiede, auch hätte es dann nicht seine Herrlichkeit „beim“ Vater. Ebenso macht der Sohn zwischen sich und dem Vater einen Unterschied, wenn er sagt: „Es ist ein anderer, der für mich zeugt“ (Joh. 5,32; 8,16 u.a.). In diese Reihe gehört auch der an anderer Stelle vorkommende Satz: der Vater habe alles durch das Wort geschaffen (Hebr. 11,3); denn auch hier wird eine Unterscheidung vorausgesetzt. Auch kam ja nicht der Vater auf die Erde, sondern der, der vom Vater ausging. Nicht der Vater ist gestorben und auferstanden, sondern der, den er gesandt hat. Aber diese Unterscheidung beginnt nicht erst mit der Fleischwerdung, sondern es wird bezeugt, daß schon zuvor der Einge borene im Schoß des Vaters war (Joh. 1,18). Denn wer wollte sich unterstehen zu behaupten, der Sohn sei erst da in den Schoß des Vaters eingegangen, als er vom Himmel herabkam und Mensch wurde? Er war also schon zuvor im Schoße des Vaters (Joh. 1,18) und besaß seine Herrlichkeit bei dem Vater (Joh. 17,5). Die Unterscheidung des Heiligen Geistes vom Vater deutet Christus an, wenn er sagt, der Geist gehe vom Vater aus (Joh. 14,26; 15,26); oft unterscheidet er ihn auch von sich selbst, wenn er etwa sagt: „Ich will euch einen anderen Tröster senden“ (Joh. 14,16), aber auch noch an anderen Stellen.



I,13,18

Um diese Unterscheidung näher zu kennzeichnen, hat man zuweilen Ähnlichkeiten aus menschlichen Verhältnissen entlehnt. Aber ich weiß nicht, ob dabei etwas heraus kommt. Auch die Alten tun das manchmal; aber sie gestehen doch zugleich, es sei ein großer Unterschied zwischen Sache und Bild. Deshalb scheue ich hier alle Kühnheit; es könnte zu leicht etwas unbedacht Vorgebrachtes den Bösen zu Schmähungen und den Schwachen zum Irrtum Anlaß geben! Jedoch gebührt es uns nicht, die Art der Unterscheidung zu verschweigen, die wir in der Schrift bezeichnet finden. Diese besteht aber in folgendem: dem Vater ist der Anfang des Wirkens zugeschrieben, er ist aller Dinge Quelle und Brunnen, dem Sohne eignet die Weisheit, der Rat und die geordnete Austeilung, dem Geiste die Kraft und Wirksamkeit im Handeln. Ferner ist zwar die Ewigkeit des Vaters auch die des Sohnes und des Geistes — denn Gott konnte ja nie ohne Weisheit und Kraft sein, und in der Ewigkeit kann anderseits kein Vorher und Nachher gefunden werden. Aber trotzdem ist es eine keineswegs leere oder überflüssige Ordnungsfolge, wenn der Vater als der Erste gilt, dann der Sohn aus ihm folgt, und dann aus beiden der Geist. Denn jedes Menschen Herz neigt ganz von selbst dazu, zuerst den Vater zu betrachten, dann die aus ihm hervor brechende Weisheit und dann zum Schluß die Kraft, durch die er seine Ratschlüsse verwirklicht. Aus diesem Grunde sagt man, der Sohn habe sein Wesen nur durch den Vater, der Geist durch den Vater und den Sohn gemeinsam. So finden wir es denn auch an vielen Schriftstellen; nirgendwo aber klarer als in Römer 8, wo derselbe Geist einmal als der Geist Christi und dann wieder als der Geist dessen bezeichnet wird, „der Christus von den Toten auferweckt hat“ (Röm. 8,9). Und das mit Recht. Bezeugt doch auch Petrus, daß es Christi Geist gewesen sei, in dem die Pro pheten geweissagt haben (1. Petr. 1,11), wo doch sonst die Schrift so oft lehrt, daß es des Vaters Geist gewesen ist.



I,13,19

Aber diese Unterscheidung tut der vollen Einheit Gottes durchaus keinen Abbruch. Ja, es kann vielmehr gerade aus ihr erwiesen werden, daß der Sohn ein Gott ist mit dem Vater, weil er auch zugleich mit ihm den einen Geist hat, daß aber auch der Geist nicht etwas anderes, vom Vater und vom Sohne Getrenntes ist, weil er ja der Geist des Vaters und des Sohnes ist! Denn unter jeder einzelnen Person (Hypo stase) wird die ganze (göttliche) Natur verstanden, mit dem zusammen, was jeder als Eigenheit zukommt. Der Vater ist ganz in dem Sohne, der Sohn ganz im Vater, wie er ja auch selbst sagt: „Ich bin im Vater und der Vater ist in mir“ (Joh. 14,10), und die kirchlichen Schriftsteller gestehen nicht zu, daß der eine vom andern durch irgendeinen Unterschied im Wesen getrennt wäre. „Mit den Benennungen, die eine Unterscheidung betreffen“, sagt Augustin, „wird ihr gegenseitiges Verhältnis be zeichnet, nicht aber das Grundwesen (substantia), in welchem sie doch eins sind.“ (Augustin, Brief 238). In diesem Sinne muß man die Aussagen der Alten zusammen sehen — sonst müßten sie den Eindruck erwecken, nennenswert gegeneinander zu ste hen. Denn bald sagen sie, der Vater sei der Ursprung des Sohnes, bald bestehen sie darauf, der Sohn habe seine Gottheit und sein Wesen von sich selber, sei also ein Anfang mit dem Vater (Augustin, Brief 238 und zu Ps. 109,13). Den Grund dieser Verschiedenheit erklärt Augustin an anderer Stelle ganz deutlich: „Christus wird an und für sich Gott genannt, in seinem Verhältnis zum Vater aber Sohn. Und an derseits: der Vater wird an und für sich Gott genannt, in seinem Verhältnis zum Sohn aber Vater. Wenn er also dem Sohn gegenüber Vater ist, so ist er eben nicht der Sohn, und wenn der Sohn gegenüber dem Vater Sohn heißt, so ist er eben nicht der Vater; der aber an und für sich Vater und der an und für sich Sohn ge nannt wird, der ist derselbe Gott!“ (Augustin zu Psalm 68). Wenn wir also vom Sohne schlechthin, ohne Rücksicht auf den Vater reden, so können wir recht und wirk lich sagen, er sei aus sich selber, und so können wir ihn den einzigen Ursprung nennen; wenn wir aber sein Verhältnis zum Vater ins Auge fassen, so sagen wir mit Recht, daß der Vater der Ursprung des Sohnes sei. Die Entfaltung dieser Gedanken bildet den Inhalt des fünften Buches in Augustins Werk „Von der Dreieinigkeit“. Jedenfalls ist es viel sicherer, bei der Verhältnisbestimmung, die er gibt, zu bleiben, als tiefer in dieses erhabene Geheimnis einzudringen und sich dann in allerhand leeres Gedankenspiel zu verlieren.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

I,13,20

Also mögen nun diejenigen, die nüchternen Herzens und mit dem Maß des Glau bens zufrieden sein möchten, kurz merken, was nützlich ist zu wissen. Nämlich, wenn wir bekennen, an den einen Gott zu glauben, so versteht man unter „Gott“ das eine und einfache Wesen, in dem wir drei Personen oder Hypostasen begreifen. Wird Gottes Name ohne nähere Bestimmung gebraucht, so ist nicht weniger der Sohn und der Geist als der Vater gemeint. Tritt neben den Vater der Sohn, so ist das Ver hältnis (relatio) zu beachten, und so unterscheiden wir zwischen den Personen. Nun aber stehen die Eigenheiten (proprietates) der Personen untereinander in einer ge wissen Ordnung, so daß der Vater Anfang und Ursprung ist. Wo also der Vater und der Sohn oder auch der Geist zusammen genannt werden, da wird der Name „Gott“ in besonderer Weise dem Vater beigelegt. Dadurch wird die Einheit des Wesens beibehalten und die Ordnung bewahrt; aber dies nimmt doch der Gottheit des Sohnes und des Geistes nichts. Und da, wie wir oben gesehen haben, die Apostel behaupten, daß der Sohn Gottes der gewesen sei, den die Propheten als „den Herrn“ bezeugt haben, so muß man gewiß notwendig immer wieder zur Einheit des Wesens zurückkommen. Deshalb ist es für uns ein verabscheuungswürdiger Frevel, wenn man sagt, der Sohn sei ein vom Vater verschiedener Gott. Denn der einfache Name „Gott“ läßt keinerlei Verhältnisbestimmung zu, man kann auch nicht sagen, daß Gott im Verhältnis zu sich selber das oder das sei. Daß der Name „der Herr“ (Jehovah), wenn er nicht näher bezeichnet ist, auch Christus zukommt, leuchtet auch aus dem Pauluswort ein: ,,Deshalb habe ich den Herrn dreimal gebeten“ — denn nachdem er Christi Antwort berichtet hat: „Laß dir an meiner Gnade genügen“, setzt er gleich hinzu: „… daß die Kraft Christi bei mir wohne …“ (2. Kor. 12,9). Da ist ja ganz klar der Name „Herr“ für „Jehovah“ gesetzt, und so wäre es leichtsinnig und kindisch, ihn auf die Person des Mittlers zu beschränken; denn es handelt sich um eine Rede ohne jeden Gedanken an ein (innergöttliches) Verhältnis (absolute); ein Vergleich zwischen dem Vater und dem Sohne findet also nicht statt. Und aus der Gewohnheit der Griechen wissen wir auch, daß die Apostel zuweilen den Namen „Kyrios“ (Herr) für „Jehovah“ setzten. Um nicht von weither ein Beispiel zu holen: Wenn Paulus zum „Herrn“ betete, so geschah das in demselben Sinne, wie Petrus die Joelstelle anführt: „Wer den Namen des Herrn anruft, der wird ge rettet werden“ (Apg. 2,16; Joel 3,5). Wo dieser Name („Herr“) in besonderer Weise dem Sohne allein beigelegt wird, da hat es damit eine andere Bewandtnis, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll. Jetzt wollen wir nur festhalten: Paulus fügt, nachdem er zu Gott ohne nähere Bestimmung gebetet hat, sogleich Christi Namen an.
So nennt Christus Gott auch ganz „Geist“ (Joh. 4,24). Denn es steht nichts da gegen, daß das ganze Wesen Gottes geistlich sei — da doch in ihm Vater, Sohn und Geist begriffen werden. Dies wird auch durch die Schrift bestätigt; denn wie wir Gott hier „Geist“ nennen hören, so hören wir auch, wie vom Geiste, da und sofern er ja eine „Person“ (Hypostase) des ganzen Wesens ist, gesagt wird, er sei Gottes Geist und komme von Gott.



I,13,21

Nun hat der Teufel, um unseren Glauben mit der Wurzel auszurotten, zu allen Zeiten einerseits über das göttliche Wesen des Sohnes und des Geistes, anderseits über die Unterscheidung der Personen gewaltige Streitigkeiten erregt. Und wie er fast in allen Jahrhunderten gottlose Menschen aufgebracht hat, um durch sie die rechtgläubigen Lehrer an diesem Punkte zu plagen, so versucht er auch heute aus al ten Funken ein neues Feuer anzuzünden. Deshalb aber ist es hier der Mühe wert, dem verdrehten Wahn von einigen dieser Leute entgegenzutreten. In der bisherigen Darstellung war hauptsächlich die Absicht, gelehrige Menschen mit der Hand zu lei ten, aber nicht, mit halsstarrigen und zanksüchtigen zu streiten. Jetzt aber muß die Wahrheit, die in Ruhe dargestellt wurde, gegen alles Schmähen der Gottlosen verteidigt werden. Freilich ist es mir doch am wichtigsten, daß die, welche dem Worte Gottes gern ihr Ohr öffnen, einen Grund haben, auf dem sie stehen können. Wenn es irgendwo angesichts der verborgenen Geheimnisse der Schrift der Besonnenheit und Mäßigung beim Nachsinnen bedarf, so gilt das hier in ganz besonderem Maße. Es gehört auch viel Vorsicht dazu, daß nicht der Gedanke oder die Sprache weiter geht, als Gottes Wort uns verstattet. Wie sollte auch der Menschengeist Gottes un ermeßliches Wesen nach seinem Maße messen wollen, wo er noch nicht einmal sicher feststellen kann, was denn die Sonne für ein Körper sei — die er doch alle Tage mit Augen sieht! Oder wie soll er selbständig dazu kommen, Gottes Grundwesen zu er forschen, wo er doch sein eigenes nicht im mindesten kennt? Deshalb wollen wir die Erkenntnis Gottes ihm selber überlassen. Denn er ist doch nach dem Worte des Hilarius allein ein vollgültiger Zeuge für sich selbst, und man kann ihn nur durch ihn selbst erkennen. Wir verfahren aber dann nach dieser Einsicht, wenn wir ihn so be trachten, wie er sich uns geoffenbart hat, und über ihn an keiner anderen Stelle eine Kunde suchen als in seinem Wort. So bestehen über diesen Gegenstand fünf Predig ten des Chrysostomus gegen die Anhomöer; aber auch diese vermochten die Vermessenheit der Klüglinge (Sophisten) nicht zu bändigen und ihrer Schwatzhaftigkeit keinen Zaum anzulegen. Denn sie haben sich hier nicht bescheidener betragen, als sie sonst zu tun pflegen. Wir aber sollen aus den heillosen Folgen solcher Vermessenheit lernen, in dieser Sache mehr Lernbegier als Scharfsinn zu entwickeln und uns vor allem nicht in den Sinn kommen zu lassen, Gott irgendwo anders zu suchen als nur in seinem heiligen Wort, oder über ihn etwas zu denken als allein unter Leitung seines Wortes, oder etwas zu reden als allein das, was aus seinem Worte kommt. Die Unterscheidung zwischen Vater, Sohn und Geist innerhalb der einen Gottheit, die ja sehr schwer zu erkennen ist, hat einigen Geistern mehr Mühe und Beschwerde ge macht, als nützlich war; deshalb wollen wir uns daran erinnern, daß der Menschen geist in einen Irrgarten hineinrennt, wenn er sich seiner eigenen Neugier überläßt, und uns von den himmlischen Offenbarungsworten leiten lassen, da wir die Tiefe des Geheimnisses nicht begreifen können.



I,13,22

Es würde zu weit führen und nur unnützen Überdruß erregen, wollte man all die Irrtümer aufzählen, mit denen die Lauterkeit des Glaubens in diesem Hauptstück der Lehre je angefochten worden ist. ist. Viele von den Urhebern der Ketzerei haben mit ihrem groben Wahn den Versuch, Gottes Herrlichkeit gar zunichte zu machen, so un ternommen, daß sie sich damit begnügten, Unerfahrene zu erschüttern oder in Ver wirrung zu bringen. Alsbald aber entsprangen aus einzelnen Menschen ganze Sekten, die zum Teil Gottes Wesen zerreißen, zum Teil die Unterschiedenheit der Personen verwischen wollten. Wenn wir aber nun festhalten, was oben aus der Schrift hin länglich bewiesen wurde, nämlich daß das Wesen des einen Gottes einfach und un teilbar ist, und daß es dem Vater, dem Sohne und dem Geiste (gleichermaßen) zu kommt, daß sich wiederum der Vater durch eine bestimmte Eigenheit vom Sohne und der Sohn vom Geiste unterscheidet — dann ist dem Arius und dem Sabellius und allen früheren Irrlehrern der Eingang versperrt.Aber es sind zu unserer Zeit einige Schwindelköpfe wie Servet und seinesgleichen aufgetreten und haben mit neuem Blendwerk alles zu verwirren gesucht, und des halb ist es doch der Mühe wert, ihre Trügereien kurz zu prüfen. Dem Servet war der Ausdruck „Trinität“ dermaßen verhaßt, ja abscheulich, daß er uns alle „Trinitarier“ nannte und uns als solche für Atheisten erklärte. Ich will dabei noch die Schmähworte übergehen, die er sich ausgedacht hat. Der Hauptinhalt seiner Spe kulationen war der: Wo man von dem Dasein dreier Personen in Gottes Wesen spräche, da hätte man einen dreiteiligen Gott aufgebracht, und diese Dreiheit sei reine Einbildung, da sie ja gegen die Einheit Gottes verstoße. Nach seiner Anschau ung wären nun die Personen gewisse äußere Vorstellungen, die nicht etwa wirklich in
Gottes Wesen bestünden, sondern uns Gott nur in dieser oder jener Beziehung dar stellen sollten. Im Anfang habe es in Gott keinerlei Unterschiedenheit gegeben, weil ehedem Wort und Geist noch dasselbe gewesen seien; seitdem aber Christus als Gott von Gott ausgegangen wäre, sei auch ein anderer Geist, ebenfalls als Gott, aus Gott hervorgegangen. Zuweilen putzt er seine Albernheiten mit Sinnbildern auf. So sagt er, das ewige Wort Gottes sei der ewige Geist Christi bei Gott gewesen und ein Ab glanz der Idee. Oder auch: der Geist sei der Schatten der Gottheit gewesen. Kurz darauf macht er aber dann doch beider Gottheit zunichte und behauptet, es sei nach dem Maße der (göttlichen) Austeilung im Sohne wie im Geiste ein Teil Gottes ge wesen, so wie derselbe Geist seinem Grundwesen nach in uns und auch in Holz und Stein als ein Teil Gottes vorhanden sei. Was er über die Person des Mittlers schwatzt, werden wir bei Gelegenheit sehen. Seine tolle Erfindung, Person bedeute nichts anderes als eine sichtbare Gestalt der Herrlichkeit Gottes, bedarf keiner langen Widerlegung. Denn wenn Johannes sagt, daß der Logos (das Wort) bereits vor Erschaffung der Welt Gott gewesen sei, so versteht er darunter etwas ganz anderes als eine Idee oder eine sichtbare Gestalt (Joh. 1,1). Wenn aber der Logos, der doch Gott war, schon dazumal und seit aller Ewigkeit bei dem Vater war und seine eigene Herrlichkeit bei dem Vater hatte (Joh. 17,5), dann konnte er nicht ein äußerer und abbildender Schein sein, sondern mußte doch vielmehr eine Hypostase, eine Seins weise sein, die in Gott wohnte. Und obwohl der Geist nur bei der Weltschöpfung er wähnt wird, erscheint er doch dort keineswegs als Schatten, sondern als wesentliche Kraft Gottes, wie denn Mose auch berichtet, er habe diese ungeformte Masse um schwebt und getragen (Gen. 1,2). Daß also der ewige Geist stets in Gott gewesen ist, das kommt darin zum Vorschein, daß er den verworrenen Stoff Himmels und der Erde pflegte, bis Schönheit und Ordnung hineinkam. Da konnte gewiß noch kein Bild, auch keine Darstellung Gottes da sein, wie Servet träumt. An anderer Stelle kommt seine Gottlosigkeit noch offener zutage, wenn er behauptet, Gott habe sich dadurch sichtbar offenbart, daß er sich nach seinem ewigen Ratschluß einen sichtbaren Sohn erwählte. Denn wäre das wahr, so bestünde Christi Gottheit nur noch darin, daß er aus Gottes ewigem Rat zum Sohn bestimmt worden wäre. Dazu kommt, daß er die Gespenster, welche er an Stelle der Personen unterschiebt, derart umgestaltet, daß er sich nicht scheut, Gott neu hinzukommende Eigenschaften anzudichten. Aber am abscheulichsten von allem ist es doch, daß er den Sohn und den Geist Gottes mit allen Kreaturen durcheinandermengt. Denn er behauptet, diese seien Teile oder Ein teilungen im Wesen Gottes, von denen jede einzelne ein Teil Gottes sei; vor allem seien die Geister der Gläubigen von gleicher Ewigkeit und gleichem Grundwesen wie Gott, wie er denn auch anderswo der Seele des Menschen und auch anderen ge schaffenen Dingen wesenhafte Gottheit zuschreibt.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Gast

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I,13,23

Aus diesem Sumpf ist dann ein anderes, ähnliches Ungeheuer heraufgestiegen. Denn einige Bösewichter, die der Verachtung und Schande des Servetschen Wahns entgehen wollten, haben zwar bekannt, es seien drei Personen, aber dann als Begründung hinzugefügt: weil der Vater, der allein wirklich und eigentlich Gott ist, den Sohn und den Geist schuf und dadurch seine Gottheit auf sie überströmen ließ! Sie haben sogar nicht einmal die schauderhafte Redensart vermieden, den Vater dar in vom Sohn und vom Geist unterschieden zu sehen, daß er eben der Seinsurheber (essentiator) sei. Sie suchen ihrer Sache dadurch ein Ansehen zu verschaffen, daß sie sagen, Christus werde doch durchweg Sohn Gottes genannt, und daraus schließen sie, im eigentlichen Sinne sei nur der Vater Gott! Dabei sehen sie an den Tatsachen gänzlich vorbei. Denn der Name Gott, der dem Vater und dem Sohne gemein sam zukommt, wird doch nur darum gelegentlich dem Vater in besonderer Weise beigelegt, weil er Quelle und Anfang der Gottheit ist, und zwar, damit die unteil-



bare Einheit des Wesens hervortrete! Auch sagen sie, wenn Christus wirklich Gottes Sohn sei, so sei es doch widersinnig, ihn für den Sohn einer „Person“ (nämlich: des Vaters!) zu halten! Ich antworte: es ist beides wahr. Denn er ist Gottes Sohn, weil er vom Vater als das Wort von Ewigkeit her gezeugt ist — ich rede nämlich hier noch nicht von ihm als dem Mittler. Es muß aber um des Verständnisses willen auch auf die Person geachtet werden: der Name „Gott“ (in der Aussage „Gottes Sohn“) wird also hier nicht allgemein gebraucht, sondern statt „Vater“. Denn wenn wir keinen anderen als Gott anerkennen wollten als den Vater, so würde der Sohn dieser Würde offenkundig beraubt! Wo deshalb die Gottheit erwähnt wird, da ist eine Gegenüberstellung zwischen Sohn und Vater nicht im mindesten angebracht, etwa in dem Sinne, als ob dem Vater allein der Name „wahrer Gott“ zukäme. Denn gewiß war der Gott, der dem Jesaja erschien, der wahre und einige Gott, (Jes. 6,1), und doch behauptet Johannes, das sei Christus gewesen (Joh. 12,41). Und der durch den Mund des Jesaja verhieß, er werde den Juden ein Stein des Anstoßes sein (Jes. 8,14), der war der einige Gott — und Paulus ver kündet doch, daß es Christus war! (Röm. 9,33). Wenn er durch Jesaja ausruft: „Ich lebe! Und mir sollen sich alle Knie beugen …“ (Jesaja 45,23), so ist er der einige Gott, und doch wendet Paulus die Stelle auf Christus (Röm. 14,11). Dazu kommen noch die Zeugnisse, die ein anderer Apostel anführt (Hebr. 1,10): „Du, Gott, hast Himmel und Erde gegründet“ (Ps. 102,26) und „Es sollen ihn anbeten alle Engel Gottes“ (Ps. 97,7). Die beziehen sich beide auf den einigen Gott allein, und doch behauptet der Apostel, daß es eigentliche Lobpreisungen Christi sind. Die Aus flucht, es werde das, was Gott eigen ist, auf Christus übertragen, weil er ja der Widerschein seiner Herrlichkeit sei, kann dagegen nichts machen. Denn da überall der Name „der Herr“ steht, so folgt, daß er hinsichtlich seiner Gottheit aus sich selber ist. Wenn er „der Herr“ ist, so kann eben nicht geleugnet werden, daß er der selbe Gott ist, der durch Jesaja an anderer Stelle ausruft: „Ich bin es, ich, und ist kein Gott außer mir!“ (Jes. 44,6). Zu beachten ist auch der Ausspruch des Jeremia: „Die Götter, die nicht Himmel und Erde gemacht haben, die sollen von der Erde verschwinden, die unter dem Himmel ist“ (Jer. 10,11). Andererseits wird man doch zugeben müssen, daß der, dessen Gottheit bei Jesaja mehrmals aus der Welt schöpfung bewiesen wird, Gottes Sohn sei. Wie sollte auch der Schöpfer, der allem das Sein gibt, nicht selbst aus sich selber sein, sondern sein Wesen von anderswo her leihen müssen? Denn wer behauptet, der Sohn habe vom Vater das Wesen emp fangen, der leugnet, daß er aus sich selbst sei. Eben dies aber beansprucht der Heilige Geist für ihn, indem er ihn „den Herrn“ nennt. Denn wenn wir annähmen, alles göttliche Wesen sei im Vater allein, so müßten wir dies entweder für teilbar halten oder aber dem Sohn absprechen, der dann, seines Wesens beraubt, nur noch dem Namen nach Gott wäre. Das Wesen Gottes kommt nach der Meinung jener Schwätzer nur dem Vater zu, sofern er allein Wesen hat und dem Sohn das Wesen gibt. So wäre die Gottheit des Sohnes also etwas von Gott Abgeleitetes oder die Abtrennung eines Teils vom Ganzen. Nun müssen sie aber aus ihrem Grundsatz zu geben, daß der Geist einzig des Vaters Geist ist; denn wenn er eine Ableitung aus dem eigentlichen Wesen ist, das ja nur dem Vater eigen ist, so kann er nicht mit Recht für den Geist des Sohnes gehalten werden. Dies aber weist Paulus an je ner Stelle zurück, wo er ihn als des Vaters Geist und zugleich als Christi Geist bezeich net (Röm. 8,9). Nimmt man nun die Person des Vaters solchermaßen aus der Drei einigkeit heraus, so muß er sich doch wohl vom Sohne und vom Geiste scharf un terscheiden; und worin sollte der Unterschied dann schließlich anders geschehen als darin, daß er allein wahrer Gott wäre? Man gibt zu, Christus sei Gott, und be hauptet doch, er unterschiede sich (hinsichtlich seiner Gottheit) vom Vater. Auf der anderen Seite muß es aber auch ein Merkmal zur Unterscheidung geben, so daß

der Vater nicht der Sohn ist. Wer diese im Wesen selbst sucht, der macht offen kundig Christi wahre Gottheit zunichte. Denn ohne das Wesen, und zwar das ganze Wesen, kann sie ja nicht bestehen. Der Vater würde sich doch gar nicht vom Sohne unterscheiden, wenn er nicht etwas Eigenes hätte, an dem der Sohn keinen Anteil hat. Wie soll man nun unterscheiden? Liegt die Unterscheidung im Wesen, so soll man antworten, ob er das Wesen denn nicht dem Sohne mitgeteilt habe. Dies aber konnte nicht teilweise geschehen, weil es Frevel wäre, sich einen halbier ten Gott vorzustellen. Auf solche Weise hätte man Gottes Wesen gemein zerrissen. Es bleibt daher nur, daß das Wesen ganz und unzerstörbar dem Vater und dem Sohne gemeinsam war. Dann aber gibt es, was das Wesen betrifft, zwischen Va ter und Sohn keinen Unterschied. Wendet man dagegen ein, der Vater bliebe, in dem er dem Sohn das Wesen gebe, doch der einige Gott, der das Wesen hat, so macht man Christus zu einem bloß scheinbaren Gott, der es dem Namen nach ist, aber nicht in Wirklichkeit: denn nichts ist Gott so eigen wie das Sein, wie geschrie ben steht: „Der Seiende sandte mich zu euch“ (Ex. 3,14).



I,13,24

Die Behauptung der Gegner, sooft die Schrift „Gott“ schlechtweg nenne, sei ausschließlich der Vater gemeint, kann leicht aus vielen Stellen widerlegt werden; sie zeigen freilich auch bei den Stellen, die sie für sich anführen, ihre Gedankenlosig keit. Denn dort wird der Name des Sohnes ausdrücklich hinzugesetzt, und eben das zeigt ja, daß der Name „Gott“ in diesem Falle (nicht schlechthin, sondern) in einer Beziehung auftritt und sich daher auf die Person des Vaters beschränkt (vgl. auch Abschnitt 20 dieses Kapitels). Aber ihr Widerspruch ist mit einem ein zigen Wort zum Schweigen zu bringen. „Wäre nicht allein der Vater wahrer Gott, so wäre er ja sein eigener Vater“, sagen sie. Nun ist aber nichts Widersinniges dar in zu finden, daß gemäß der Reihenfolge und Ordnung der Vater in besonderer Weise „Gott“ genannt wird, da er nicht nur seine Weisheit aus sich heraus gezeugt hat, sondern auch der Gott des Mittlers ist, wie noch näher gezeigt werden soll. Denn seitdem Christus im Fleische geoffenbart wurde, heißt er nicht nur deshalb „Sohn Gottes“, weil er als das ewige Wort von Ewigkeit her vom Vater gezeugt war, sondern weil er eben Person und Amt des Mittlers angenommen hatte, um uns mit Gott zu vereinigen. Und wenn diese Leute in ihrer Vermessenheit Christus von Gottes Herrlichkeit ausschließen, so möchte ich wissen, ob sich Christus dann nicht auch die Eigenschaft abspricht, gut zu sein, wenn er doch sagt, niemand sei gut denn nur der einige Gott (Matth. 19,17). Ich rede hier nicht von seiner menschlichen Natur — sie könnten sonst sagen, es sei ihm als freies Geschenk Gottes zugeflossen, was in dieser gut war. Nein, ich frage, ob das ewige Wort Gottes gut sei oder nicht. Leugnen sie das, so steht ihre Gottlosigkeit unabstreitbar fest; geben sie es zu, so machen sie sich selbst zunichte. Daß aber Christus auf den ersten Blick die Bezeichnung „gut“ von sich abzuwehren scheint, bestätigt unsere Überzeugung. Denn wenn er auf gewöhnliche Weise als „gut“ gegrüßt wurde, was doch ein einzig und allein Gott zukommender Lobpreis ist, und wenn er dann solche falsche Ehre ablehnt — so weist er selbst darauf hin, daß die Güte, die er besitzt, göttlich sei! Ich frage weiter, ob denn damit, daß Paulus Gott für den allein Unsterblichen, Weisen und Wahrhaftigen erklärt (1. Tim. 1,17), Christus in die Reihe der Sterb lichen, Unweisen und Unwahrhaftigen eingefügt wird? Der sollte nicht unsterblich sein, der von Anbeginn her das Leben war und den Engeln die Unsterblichkeit gab? Der sollte nicht weise sein, der Gottes ewige Weisheit ist? Der sollte nicht wahr haftig sein, der doch die Wahrheit selber ist? Ich stelle weiter die Frage, ob jene Leute denn der Meinung sind, Christus sei anzubeten. Denn wenn er ja selber dieses Recht in Anspruch nimmt, daß „vor ihm aller Knie sich beugen sollen“ (Phil. 2,10), so folgt, daß er der Gott ist, der im Gesetz verboten hat, irgendwen anders anzu beten als ihn allein. Wollen sie nur auf den Vater anwenden, was bei Jesaja steht:



„Ich bin es, und ist keiner außer mir“ (Jes. 44,6), so wende ich dieses Zeugnis gegen sie selber an, da wir doch sehen, wie der Apostel Christus beilegt, was Gott zu kommt! Sinnlos ist auch ihr Einwurf, Christus sei im Fleische erhöht worden, in welchem er sich entäußert hatte, und nach dem Fleische sei ihm alle Gewalt ge geben worden im Himmel und auf Erden. Denn es ergreift zwar die Majestät des Königs und des Richters die ganze Person des Mittlers; aber wenn sich in ihm nicht Gott geoffenbart hätte im Fleisch, so könnte er eben nicht in solche Höhe er hoben werden, ohne daß Gott mit sich selber in Widerspruch träte! Diesem Streit macht Paulus aufs beste ein Ende, wenn er lehrt, er sei Gott gleich gewesen, bevor er sich in Knechtsgestalt erniedrigte (Phil. 2,6f.). Wie sollte aber diese Gleichheit bestehen, wenn er nicht der Gott gewesen wäre, der da heißt „Jah“ und „Jehovah“, der da fährt über den Cherubim, der der König ist über die ganze Erde und König in Ewigkeit? Wie sehr sie sich auch sträuben: man kann Christus nicht absprechen, was Jesaja an anderer Stelle sagt: „Siehe, das ist unser Gott, auf den wir harren“ (Jes. 25,9); denn in diesen Worten beschreibt der Prophet die Ankunft des Erlösers, der nicht nur das Volk aus der babylonischen Gefangenschaft erretten, sondern seine Kirche in jeder Hinsicht wiederherstellen sollte.

Auch mit der anderen Ausflucht erreichen die Gegner nichts: Christus sei bloß in seinem Vater Gott. Wir geben zwar zu, daß nach Ordnung und Reihenfolge der An fang der Gottheit im Vater liegt. Aber wir erklären es für eine abscheuliche Er dichtung, wenn man sagt, einzig dem Vater sei das göttliche Wesen eigen, als ob er also den Sohn zum Gott gemacht hätte. (filii deificator esset). Denn auf diese Weise wäre das göttliche Wesen vielfältig, oder aber Christus wäre nur dem Namen und der Einbildung nach Gott! Wenn sie zugeben, daß Christus Gott sei, aber nur als Zweiter neben dem Vater und durch ihn, dann würde in ihm das Wesen, das im Va ter ungezeugt und ungestaltet ist, gezeugt und gestaltet vorhanden sein. Ich weiß, daß viele darüber ihren Spott haben, daß wir aus Moses Worten eine Unter­scheidung der Personen entnehmen, wenn da Gott so redet: „Lasset uns Men schen machen, ein Bild, das uns gleich sei …“ (Gen. 1,26). Aber jeder fromme Leser wird doch einsehen, wie abgeschmackt und unangemessen dieses (gött liche) Selbstgespräch bei Mose wäre, wenn nicht in Gott mehrere Personen ihr Da sein hätten. Denn die, welche der Vater anredet, müssen unbedingt ungeschaffen gewesen sein; außer Gott aber, und zwar dem einen, gibt es nichts Ungeschaffenes. Wenn sie nun aber nicht zugeben würden, daß die Schöpfungsgewalt und Befehls vollmacht dem Vater, dem Sohne und dem Geiste gemeinsam zukomme, dann würde sich ergeben, daß Gott eben nicht in sich selber so geredet, sondern an andere, außer ihm bestehende Werkmeister das Wort gerichtet hätte. Endlich wird eine Stelle zwei ihrer Einwürfe zugleich mit Leichtigkeit unwirksam machen. Denn das Wort Christi selber: „Gott ist Geist“ (Joh. 4,24) ist ja unmöglich auf den Vater allein ein zuschränken, als ob das Wort etwa nicht geistlichen Wesens sei! Wenn also dem Sohne gleichwie dem Vater der Name „Geist“ zukommt, so ist folglich in dem nicht näher bestimmten Begriff „Gott“ auch der Sohn mit gemeint. Gleich anschließend sagt anderseits Christus, als echte Anbeter Gottes würden nur die anerkannt, die ihn „im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh. 4,24). Daraus ergibt sich als Wei teres: übt der Sohn unter dem Haupte (dem Vater!) das Amt des Lehrers aus, so schreibt er dem Vater den Namen „Gott“ zu, nicht um seine eigene Gottheit abzutun, sondern um uns stufenweise zu ihr zu erheben.

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I,13,25

Der Irrtum unserer Gegner besteht darin, daß man sich in Gott drei Einzelwesen erträumt, die je einen Teil des (göttlichen) Wesens hätten. Aus der Schrift heraus aber lehren wir, daß Gott seinem Wesen nach einer ist und daß deshalb das Wesen des Sohnes und des Geistes ungezeugt ist. Freilich, sofern der Vater der Ordnung nach der Erste ist und seine Weisheit aus sich heraus zeugte, heißt er, wie wir oben schon sagten, mit Recht Anfang und Quelle der Gottheit. So ist Gott



— ohne nähere Bestimmung — ungezeugt, und der Vater auch hinsichtlich seiner Person ungezeugt. In ihrer Torheit meinen sie aus unserem Satz die Annahme einer Vierheit folgern zu können, weil sie fälschlich und lästerlich uns das Gebild ihres Gehirns unterschieben, als ob wir meinten, die drei Personen gingen in der Weise einer Ableitung aus dem einen Wesen (das dann ein Viertes wäre!) hervor. Und dabei leuchtet doch aus unseren Schriften mit Deutlichkeit ein, daß wir die Personen nicht aus dem Wesen ableiten, sondern eine Unterscheidung setzen, da sie ja in dem Wesen beruhen. Wären die Personen vom Wesen geschieden, so wäre die gegnerische Meinung zu begreifen; aber dann handelte es sich um eine Dreieinig keit von Göttern, nicht aber von Personen, die der eine Gott in sich um faßt. So verschwindet auch ihre abgeschmackte Frage, ob denn das göttliche Wesen zur Bildung der Trinität mitwirke — als ob wir uns einbildeten, daß aus dem We sen drei Götter kämen! Wenn sie sagen, dann sei das ja eine Dreieinigkeit ohne Gott, so stammt das aus der gleichen Unsinnigkeit; denn obwohl das göttliche Wesen nicht als Teil oder Glied mit zur Unterscheidung kommt, so sind doch die Personen weder ohne dies Wesen, noch außerhalb seiner: der Vater könnte nicht der Vater sein, wenn er nicht Gott wäre, und der Sohn ist nur dadurch der Sohn, daß er Gott ist. Die Gottheit schlechthin ist aus sich selber, und so bekennen wir, daß der Sohn als Gott, abgesehen von der Person, aus sich selber ist, daß er aber als Sohn vom Vater her ist. So hat sein Wesen keinen Anfang, aber seine Person hat ihren Anfang in Gott selber. So beziehen auch die rechtgläubigen Schriftsteller, die früher über die Dreieinigkeit gesprochen haben, diesen Begriff ausschließlich auf die Personen; denn es wäre widersinnig, grob und gottlos, das Wesen selbst zum Gegenstand einer Unterscheidung zu machen. Wer also meint, es wirkten die drei zusammen: das (göttliche) Wesen, der Sohn und der Geist, der macht offenkundig das göttliche Wesen des Sohnes und des Geistes selber zunichte! Andernfalls müßten die „Teile“ miteinander vermischt werden und zusammenfallen (also sozusagen alle im „Wesen“ aufgehen!) – aber damit wäre alle Unterscheidung zunichte! Wenn schließlich „Vater“ und „Gott“ gleichbedeutende Begriffe wären, der Vater also der Gottschöpfer (deificator) wäre, dann bliebe im Sohne nichts übrig als ein Schatten, und die ganze Dreieinigkeit wäre nichts anderes als die Vereinigung Gottes mit — zwei geschaffenen Dingen!



I,13,26

Der Einwand, Christus trage, wenn er im eigentlichen Sinne Gott sei, die Be zeichnung Gottes Sohn zu Unrecht, ist bereits beantwortet worden: Wo eine Per son mit der anderen verglichen wird, da wird der Name „Gott“ nicht allgemein, schlechthin gebraucht, sondern auf den Vater beschränkt, weil er ja der Anfang der Gottheit ist, und zwar nicht — wie die Schwärmer schwatzen — seinem Wesen, sondern der Ordnung nach. In diesem Sinne ist Christi Anrede an den Vater auf zufassen: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, erkennen, und den du gesandt hast …“ (Joh. 17,3). Denn wenn er als der Mittler redet, so steht er mitten zwischen Gott und den Menschen — aber darüber wird seine Majestät doch nicht verringert. Denn obwohl er sich entäußert hat, so hat er doch seine Herrlichkeit, die vor der Welt verborgen wurde, beim Va ter nicht verloren. So scheut sich auch der Verfasser des Hebräerbriefs, obwohl er bekennt, Christus sei eine Zeitlang unter die Engel erniedrigt worden (Hebr. 2,7.9), doch nicht, gleichzeitig zu behaupten, er sei der ewige Gott, der die Erde gegründet hat (Hebr. 1,10).

Man muß also festhalten: sooft Christus als unser Mittler den Vater anredet, versteht er unter dem Namen „Gott“ die Gottheit, die ihm auch selber zukommt. Wenn er zu den Aposteln sagt: „Es ist gut, daß ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich“ (Joh. 16,7; 14,28), so schreibt er sich damit nicht eine Art „Neben-Gottheit“ zu, als ob er auch hinsichtlich der ewigen Gottheit geringer sei als der Va-



ter, sondern er sagt es, weil er, im Besitz seiner himmlischen Herrlichkeit, auch die Gläubigen zur Teilnahme an dieser Herrlichkeit führt. Er gibt dem Vater den hö heren Platz, sofern sich die sichtbare Vollkommenheit des Glanzes, die im Himmel erscheint, von dem Maß der Herrlichkeit unterscheidet, die an ihm in seiner Fleischgestalt zu sehen war. In diesem Sinne sagt auch Paulus, Christus werde Gott und dem Vater das Reich zurückgeben, auf daß Gott sei alles in allen (1. Kor. 15,24). Es gibt nichts Widersinnigeres, als der Gottheit Christi ihren immerwährenden Be stand abzusprechen. Denn er wird nie aufhören, der Sohn Gottes zu sein, und er wird stets bleiben, der er von Anbeginn war; daraus folgt, daß hier unter dem „Va ter“ das eine Wesen Gottes zu verstehen ist, das dem Vater und dem Sohne ge­meinsam ist. Und Christus ist doch gewiß zur Erde gekommen, damit er uns nicht nur zum Vater ziehe, sondern zugleich zu sich selber, denn er ist ja eins mit dem Vater. Den Namen „Gott“ aber auf den Vater zu beschränken und ihn dem Sohne zu nehmen, das ist weder erlaubt noch richtig. Denn wenn Johannes sagt, er sei wahrer Gott (Joh. 1,1), so hat er damit auch vermeiden wollen, daß jemand meinte, er stehe auf einer zweiten Stufe der Gottheit unter dem Vater. Ich kann mir auch nicht vorstellen, was sich diese Erschaffer neuer Götter eigentlich denken, wenn sie einerseits bekennen, Christus sei wahrer Gott — und ihn dann doch von der Gott heit des Vaters ausschließen, als ob einer wahrer Gott wäre, der nicht der eine ist, und als ob eine übertragene Gottheit nicht ein neues Trugbild wäre!



I,13,27

Nun häufen die Gegner der Dreieinigkeitslehre eine Menge Stellen aus Irenäus an, wo dieser behauptet, der Vater Jesu Christi sei der einige, ewige Gott Israels. Aber das geschieht aus beschämender Unwissenheit oder höchster Gottlosigkeit. Denn sie hätten doch bemerken müssen, daß dieser rechtschaffene Mann mit Schwindel köpfen zu tun und zu streiten hatte, die behaupteten, nicht der Vater Christi sei der Gott, der einst durch Mose und die Propheten geredet hatte, sondern ich weiß nicht was für ein aus dem Verfall der Welt entsprungenes Gespenst. Deshalb besteht seine ganze Mühe darin, zu zeigen, daß in der Schrift kein anderer Gott verkündigt wird als der Vater Christi, und daß es Unsinn sei, sich einen anderen auszudenken. Aus diesem Grunde ist es auch nicht verwunderlich, daß er so oft feststellt, der Gott Israels sei kein anderer als der, den Christus und die Apostel verherrlichten! So werden wir doch auch jetzt, wo wir dem umgekehrten Irrtum entgegentreten müssen, in Wahrheit sagen, der Gott, der einst den Vätern erschien, sei kein anderer gewesen als Christus. Und wenn dann einer einwenden wollte, es sei der Vater ge wesen, so werden wir ihm sofort antworten: wenn wir für Christi Gottheit kämpfen, so schließen wir doch die des Vaters nicht im mindesten aus. Wenn der Leser auf die dargelegte Absicht des Irenäus achtet, so wird aller Streit aufhören. Aber auch aus dem sechsten Kapitel des dritten Buches wird der Zwist leicht geschlichtet: denn da stellt der fromme Mann mit Nachdruck das eine fest: Der wahre, einige Gott ist der, welcher in der Schrift schlechthin und ohne nähere Bestimmung Gott ge nannt wird — Christus aber wird schlechthin Gott genannt. Wir wollen uns aber erinnern, daß dies der Hauptpunkt der Erörterung war — wie aus dem ganzen Ge dankengang und insbesondere aus dem 46. Kapitels des zweiten Buches deutlich wird: nämlich daß die Schrift den Vater nicht etwa figürlich oder gleichnisweise so nennt, als ob er in Wirklichkeit nicht Gott wäre. Auch stellt er doch die Behauptung auf, der Sohn wie der Vater würden miteinander von den Propheten und Aposteln „Gott“ genannt (Buch III, Kap. 9). Danach setzt er auseinander, wie Christus, der der Herr, König, Gott und Richter über alles sei, von dem, der der Gott über alles sei, seine Macht empfangen habe — natürlich hinsichtlich seiner Erniedrigung, weil er ja erniedrigt wurde bis zum Tode am Kreuz (Buch III, Kap. 12). Kurz da-



nach behauptet er indes, der Sohn sei der Schöpfer Himmels und der Erden, der durch Moses Hand das Gesetz gegeben habe und den Vätern erschienen sei (Buch III, Kap. 15). Wenn auch jetzt noch jemand schwatzt, für Irenäus sei der Gott Israels einzig und allein der Vater, dann werde ich ihm entgegenhalten, was derselbe Schrift steller offen lehrt, nämlich daß das gleiche auch von Jesus Christus gilt — wie denn auch Irenäus auf ihn die Weissagung des Habakuk bezieht: „Gott wird von Süden kommen.“ (Hab. 3,3; Irenäus Buch III, Kap. 16 und 20). Dahin gehört auch, was man im neunten Kapitel des vierten Buches lesen kann: Er, Christus ist mit dem Vater der eine Gott der Lebendigen. Und im zwölften Kapitel desselben Buches setzt er auseinander, Abraham habe Gott geglaubt; denn Christus sei der Schöpfer Himmels und der Erde und der einige Gott!



I,13,28

Ebensowenig wahrheitsgemäß machen sie auch den Tertullian zu ihrem Patron. Denn obwohl er zuweilen in seiner Redeweise rauh und verworren ist, so bringt er den Hauptinhalt der Lehre, die wir hier verteidigen, völlig eindeutig vor: nämlich daß ein Gott sei, und daß doch nach gewisser Ordnung sein Wort da sei, daß er ein einiger Gott sei durch die Einheit des Grundwesens (substantia), und daß doch die Einheit im Geheimnis ihrer Wirkung zur Dreieinigkeit sich ordne. Drei seien es nicht dem Stande, sondern dem Grade nach, nicht der Substanz, sondern der Form nach, nicht der Gewalt, sondern der Zahl der Personen nach, sagt er. Er be hauptet zwar zu verteidigen, daß der Sohn dem Vater nachstehe, aber er sieht ihn deshalb nicht für einen anderen an, sondern macht nur eine Unterscheidung. Gelegentlich nennt er den Sohn sichtbar; aber nachdem er dafür und dawider geredet hat, schließt er doch, er sei unsichtbar, sofern er das Wort ist. Endlich stellt er den Satz auf, der Vater werde durch seine eigene Person bestimmt — und beweist damit, wie fern er dem Einfall steht, den wir hier bekämpfen. Gewiß: er erkennt keinen an deren Gott an als den Vater. Aber gleich darauf setzt er dann doch seine eigene Mei­nung auseinander und zeigt, daß er den Sohn nicht ausschließt; denn er leugnet ja eben, daß er ein vom Vater verschiedener Gott sei, und zeigt also, daß durch Un terscheidung der Personen die Einherrschaft (monarchia) Gottes gewahrt werde. Aber man kann den Sinn seiner Worte aus der dauernden Absicht erkennen, die er verfolgt. Denn er kämpft gegen Praxeas und behauptet ihm gegenüber: wenn auch Gott in drei Personen unterschieden ist, so entstehen dadurch nicht mehrere Götter, und die Einheit Gottes wird nicht zerrissen. Und weil nach der Phantasterei des Praxeas Christus nur dann Gott sein könnte, wenn er zugleich auch der Vater wäre, so macht sich Tertullian mit der Unterscheidung solche Mühe. Daß er dabei das Wort und den Geist als Teile des Ganzen bezeichnet, ist zwar eine harte Redeweise, aber immerhin zu entschuldigen. Denn er bezieht diesen Ausdruck nach seinem eigenen Zeugnis nicht auf das Grundwesen (ad substantiam), sondern will damit nur eine Anordnung und Wirkungsgestalt (dispensatio) bezeichnen, die den einzelnen Perso nen zukommt. Daher kommt auch das Wort: „Du verdrehter Praxeas, wieviel \\\’Per sonen\\\’ gibt es eigentlich nach deiner Ansicht? Sind es nicht ebensoviele, wie es Na men gibt?“ Oder ähnlich kurz danach: „Man soll an den Vater und den Sohn glau ben, an jeden in seinem Namen und seiner Person.“ Mit diesen Ausführungen kann man nach meiner Meinung in ausreichender Weise solchen Leuten entgegentreten, die in ihrer Unverschämtheit mit der Autorität des Tertullian Einfältige zu täuschen versuchen.

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I,13,29

Wer die Schriften der Alten sorgfältig untereinander vergleicht, der wird sicher bei Irenäus nichts anderes finden als bei den anderen, die nach ihm gekommen sind. Justinus ist einer der ältesten Lehrer der Kirche; er stimmt in allen Stücken mit uns überein. Man macht den Einwand, bei ihm wie bei den anderen werde der Vater



Christi der einige Gott genannt. Aber dasselbe sagt auch Hilarius, ja, er braucht den harten Ausdruck, die Ewigkeit sei in dem Vater. Will er aber damit dem Sohne Gottes Wesen absprechen? Er steht doch ganz in der Verteidigung des Glaubens, den wir bekennen! Aber trotzdem gibt es Leute, die sich nicht schämen, wer weiß was für auseinandergerissene Aussprüche zusammenzuklauben, um den Beweis zu er bringen, Hilarius sei ein Schutzpatron ihres Irrtums!

Man will den Ignatius für sich in Anspruch nehmen. Aber wenn man will, daß darauf irgendwelcher Wert gelegt wird, dann muß man zuvor beweisen, die Apostel hätten ein Gesetz über das vierzigtägige Fasten oder dergleichen Irrtümer gegeben. Es ist doch nichts beschämender als das Geschwätz, das unter dem Namen des Ignatius herausgekommen ist. Um so unerträglicher aber ist die Schamlosigkeit solcher Leute, die sich solcher Larven zum Truge bedienen! Es geht doch die Übereinstim mung der Alten schon daraus deutlich hervor, daß auf dem Konzil zu Nicäa Arius nicht wagte, sich hinter der Autorität irgendeines anerkannten Schriftstellers zu ver stecken, und daß keiner von den Griechen oder Lateinern sich entschuldigt, daß er von den Alten abweiche. Es bedarf nicht der Ausführung, wie sorgsam Augustin, den diese Windbeutel über alles hassen, die Schriften aller Väter durchforscht, wie ehr fürchtig er sie behandelt hat! Er pflegt doch wahrhaftig bei den geringsten Bedenk lichkeiten anzugeben, warum er von ihnen abzuweichen genötigt ist. Auch verhehlt er es durchaus nicht, wenn er etwa bei anderen in dieser Frage etwas Zweideutiges oder Dunkles gefunden hat. Aber was die Lehre betrifft, die diese Leute bestreiten wollen, so nimmt er als allgemeinbekannt an, daß sie seit der ältesten Zeit ohne Streit be standen habe. Und daß ihm nicht verborgen war, was andere vor ihm gelehrt hatten, das geht schon aus einem einzigen Wort hervor: er sagt an einer Stelle, im Vater sei die Einheit (Von der christlichen Unterweisung, Buch I). Will man nun kläffen, er habe sich (mit dieser Formel) selbst vergessen? Aber an anderer Stelle reinigt er sich von diesem Vorwurf, wenn er den Vater den Anfang der ganzen Gottheit nennt, weil er ja niemandem sein Dasein verdankt; dabei überlegt er weislich, daß dem Vater der Name „Gott“ in besonderer Weise beigelegt werde, da ja die einfache Einheit Gottes nicht begriffen werden kann, wenn man nicht bei ihm den Anfang macht.

Aus dem allen wird nun hoffentlich der fromme Leser erkennen, wie all die Schmähungen, mit denen der Teufel bislang die Reinheit unseres Glaubens zu ver drehen und zu verdunkeln versucht hat, zunichte sind. Kurz, ich hoffe, den Hauptinhalt dieser Lehre treulich dargestellt zu haben — nur müssen die Leser ihre Neugierde im Zaum halten, um sich nicht über Gebühr in mühsame und verworrene Streitfragen einzulassen. Denn wer sich an unmäßiger Spekulation erfreut — den zufriedenzustellen ist nicht meines Amtes. Jedenfalls habe ich nichts mit List über gangen, wovon ich meinte, es könnte gegen mich stehen. Da ich aber um die Aufer bauung der Kirche mich mühe, so erschien es mir geraten, vieles nicht zu berühren, was nur wenig hätte nutzen können und die Leser bloß mit überflüssiger Mühsal be lastet hätte. Was nützt zum Beispiel der Streit darüber, ob der Vater noch immer den Sohn zeuge? Denn es ist töricht, ein fortwährendes Erzeugen zu erfinden, nachdem nun einmal klar ist, daß in Gott von Ewigkeit her drei Personen gewesen sind!



Vierzehntes Kapitel: Schon an der Erschaffung der Welt und aller Dinge unterscheidet sich nach der Schrift der wahre Gott durch deutliche Kennzeichen von den Götzen.



I,14,1

Zwar wirft Jesaja den Götzendienern mit Recht Gedankenlosigkeit vor, daß sie nicht (schon) aus den Grundfesten der Erde und dem Umkreis des Himmels gelernt hätten, wer denn der wahre Gott sei (Jes. 40,21). Weil aber unser Verstand so träge und stumpf ist, so mußte Gott den Gläubigen noch klarer dargestellt werden, damit sie nicht den Erdichtungen der Heiden verfielen. Denn die Beschreibung des Wesens Gottes, die bei den Philosophen noch für die erträglichste gehalten wird, nämlich: Gott sei die Seele der Welt, ist ja eine hohle Rede, und deshalb ist um so mehr eine vertrautere Erkenntnis nötig, damit wir nicht immerzu ungewiß hin und her schwan ken. Deshalb hat uns Gott die Schöpfungsgeschichte gegeben: auf sie gestützt, soll der Glaube der Kirche keinen anderen Gott suchen als den, den Mose als Schöpfer und Gründer der Welt verkündet.

Da ist zunächst die Zeit bezeichnet, damit die Gläubigen durch die ununter brochene Reihe der Jahre bis zum Ursprung aller Dinge zurückdringen können. Solche Erkenntnis ist von Nutzen: man kann damit jenen abenteuerlichen Fabeln entgegentreten, die in Ägypten und anderen Gegenden der Erde verbreitet sind —, und erst recht leuchtet Gottes Ewigkeit heller hervor und reißt uns noch mehr zur Bewunderung hin, wenn wir erkennen, daß die Welt einen Anfang gehabt hat. Nicht der Betrachtung wert ist der gemeine Hohn, es sei doch verwunderlich, daß es Gott nicht eher eingefallen wäre, Himmel und Erde zu schaffen, sondern daß er einen unermeßlichen Zeitraum hätte müßig verstreichen lassen, wo er doch schon viele Jahrtausende zuvor alles hätte hervorbringen können — und dabei habe die Welt, die doch schon ihrem Ende zugeht, kaum sechstausend Jahre erreicht! Denn die Frage, warum Gott so lange damit gewartet habe, ist weder gestattet, noch von irgend welchem Belang. Wollte unser Verstand dahin vordringen, so müßte er hundertmal auf dem Wege straucheln. Es ist auch nicht von Nutzen, zu erkennen, was Gott absichtlich verborgen sein ließ, um die Bescheidenheit unseres Glaubens auf die Probe zu stellen. Es war schon einsichtig, wenn einst ein alter Mann auf die spöttische Frage, was denn Gott vor Erschaffung der Welt getrieben habe, die Antwort gab, da habe er für vorwitzige Leute die Hölle gemacht!

Diese ebenso ernste wie strenge Mahnung mag den Leichtsinn zähmen, der manche Menschen kitzelt und zu verkehrten und schädlichen Gedankenspielereien (Speku lationen) treibt! Auch sollen wir schließlich bedenken, daß uns Gott, der da unsichtbar ist und dessen Weisheit, Kraft und Gerechtigkeit unbegreiflich ist, die (Schöpfungs-)Geschichte bei Mose als Spiegel vorhält, in dem sein lebendiges Bild erscheint. Denn wie die Augen, wenn sie durch das Alter geschwächt oder aus Krankheit abgestumpft sind, ohne Brille nichts mehr sehen können, so gehen wir in unserer Schwachheit un weigerlich in die Irre, wofern uns nicht die Schrift lenkt, wenn wir Gott suchen. Wer sich aber jetzt nicht warnen lassen will und sich seinen Gelüsten hingibt, der wird in furchtbarem Untergang zu spät merken, wieviel besser es gewesen wäre, Gottes geheime Ratschlüsse ehrfürchtig anzuschauen, als Schmähungen in die Welt zu setzen und damit den Himmel zu verfinstern. Mit vollem Recht erhebt Augustin die Klage, es geschehe Gott Unrecht, wo man einen höheren Grund der Dinge suche als seinen Wil len (Buch von der Genesis gegen die Manichäer). An anderer Stelle weist er sehr richtig darauf hin, es sei verkehrt, über die Unermeßlichkeit der Zeit wie auch über die Un endlichkeit des Raumes viel Fragens zu machen (Vom Gottesstaat, Buch 11). Ge-



wiß: so weit auch der Umkreis des Himmels sich dehnt, so hat er doch eine bestimmte Größe. Aber wenn nun einer mit Gott darüber rechten wollte, daß der leere Raum hundertmal größer sei (als der erfüllte) — wäre das nicht eine allen Frommen widerwärtige Unverschämtheit? Ebenso toll sind aber die, welche Gott müßig schel ten, weil er nach ihrem Dünken die Welt nicht schon vor unzähligen Jahrhunderten geschaffen hat. Um seinem Gelüste nachgehen zu können, versucht man, außerhalb der Welt zu gelangen —, als ob nicht im gewaltigen Umkreis Himmels und der Erde genug Dinge uns begegneten, die mit ihrem herrlichen Glanz alle Sinne er füllen, als ob nicht Gott innerhalb der sechs Jahrtausende uns genug Beweise ge geben hätte, deren stete Erwägung unsere Seele ganz in Anspruch nehmen könnte! Wir wollen also gern innerhalb der Grenzen bleiben, die uns Gott hat setzen wollen, und unsere Seele sozusagen zurückhalten, damit sie nicht frei herumlaufe und sich verliere!



I,14,2

Aus ähnlicher Erwägung berichtet auch Mose, daß Gottes Werk nicht in einem Augenblick, sondern in sechs Tagen vollendet worden sei. Denn auch dadurch werden wir von allen erdichteten Göttern weg zu dem einigen Gott gewiesen, der in sechs Tagen sein Werk durchführte, damit es uns nicht beschwerlich falle, unser ganzes Leben lang dies Werk zu betrachten. Gewiß, wohin auch unser Auge sich richtet, stets wird es genötigt, beim Anblick der Werke Gottes zu verweilen. Aber wir sehen doch, wie flüchtig solches Aufmerken ist und wie schnell fromme Erwägungen vergehen, die uns etwa berühren! Auch hier sträubt sich die menschliche Vernunft, als ob solches Nacheinander (des Sechstagewerks) der göttlichen Macht zuwider sei — bis sie unter dem Gehorsam des Glaubens jener Ruhe zu pflegen lernt, zu der uns die Heiligung des siebenten Tages einlädt. Gerade in der Ordnung der Dinge soll doch Gottes väterliche Liebe gegen die Menschheit mit Fleiß betrachtet werden: hat er doch den Adam erst geschaffen, als er die Welt mit der Fülle aller Güter ausgerüstet hatte! Denn hätte er ihn auf die noch öde und leere Erde gesetzt, hätte er ihm das Leben vor der Erschaffung des Lichtes gegeben, so müßte der Eindruck entstehen, er sei nicht um sein Wohl besorgt gewesen. Nun aber hat er die Bewegung der Sonne und der Gestirne zum Nutzen des Menschen geordnet, Erde, Wasser und Luft mit allerlei lebendigen Wesen erfüllt, einen Überfluß an allerlei Früchten zur Nahrung gegeben; so zeigt er sich als ein vorsorglicher und treuer Hausvater, der in seiner Fürsorge seine wundersame Güte gegen uns offenbart. Wenn jemand das, was ich nur kurz berühre, genauer bei sich erwägt, so wird ihm einleuchten, daß Mose ein zu verlässiger Zeuge und Herold des einigen Gottes, des Schöpfers gewesen ist. Ich übergehe hier, was ich schon auseinandergesetzt habe: nämlich, daß hier nicht von Gottes bloßem Wesen die Rede ist, sondern auch Gottes ewige Weisheit und sein heiliger Geist uns hier entgegentritt, damit wir uns ja keinen anderen Gott erträu men als den, der in jenem klaren Ebenbild erkannt sein will.

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I,14,3

Bevor ich aber ausführlicher vom Wesen des Menschen zu reden beginne, muß einiges über die Engel eingefügt werden. Freilich erwähnt Mose, da er sich dem einfältigen Verstehen des großen Haufens anpaßt, in der Schöpfungsgeschichte nur die Werke Gottes, die wir mit Augen wahrnehmen können. Aber wenn er nachher die Engel als Diener Gottes erwähnt, so folgt daraus leicht, daß der Gott, dem sie doch ihre Kräfte und Dienste widmen, auch ihr Schöpfer ist. Obwohl also Mose in seiner volkstümlichen Redeweise die Engel nicht gleich zu Anfang unter Gottes Ge schöpfen erwähnt, so spricht doch nichts dagegen, daß wir hier ausführlich und deut lich behandeln, was die Schrift sonst durchweg lehrt. Denn wenn uns daran liegt, Gott aus seinen Werken zu erkennen, so kann ja ein so herrlicher und edler Erweis seines Tuns nicht übergangen werden. Auch ist dieser Abschnitt der Lehre zur Ab wehr vieler Irrtümer sehr wichtig. Die hervorragende Stellung des Wesens der Engel (Angelicae naturae) hat vielen Leuten einen solchen Eindruck gemacht, dass



sie meinten, es geschähe diesen Eintrag, wenn sie der Herrschaft des einen Gottes unterworfen, gleichsam in Ordnung gehalten würden; und so hat man ihnen die Gottheit angedichtet. Auch ist ja Manichaeus (Mani) aufgetreten mit seiner Sekte und hat sich zwei Urwesen (principia) erdacht, Gott und den Teufel, wobei er Gott den Ursprung aller guten Dinge beilegte, alle schlechten Wesen aber auf den Teufel als Urheber zurückführte. Wenn dieser Wahnsinn unser Herz gefangenhielte, so würde Gottes Ehre in der Erschaffung der Welt keinen Bestand haben. Denn nichts ist Gott mehr eigen als die Ewigkeit und die „Autusia“, das Sein aus sich sel ber, wenn ich mich so ausdrücken darf. Wer das also dem Teufel beimißt (indem er auch ihn zum Urwesen macht), der ziert ihn ja mit der Würde der Gottheit! Und wo bleibt Gottes Allmacht, wenn man dem Teufel eine derartige Herrschaftsgewalt zu gesteht, daß er auch gegen den Willen und Widerstand Gottes tun kann, was er will? Der einzige Grund, den die Manichäer haben, nämlich, es sei unrecht, wenn man Gott, dem Guten, die Erschaffung irgendeines schlechten Wesens beimessen wollte, trifft die rechte Lehre in keiner Weise. Denn diese bestreitet, daß irgendwo in der ganzen Welt ein von Natur böses Wesen (eine böse Natur; aliqua mala natura) be stehe. Denn die Verderbnis und Bosheit des Menschen wie des Teufels und alle Sünde, die daherrührt, ist nicht aus der Natur, sondern aus der Verderbnis der Natur entstanden. Von Anfang her gab es nichts, in dem nicht Gott ein Zeugnis seiner Weisheit und Gerechtigkeit niedergelegt hätte! Um solchen verdrehten Wahn ideen entgegenzutreten, muß man seine Gedanken höher erheben, als die Augen zu sehen vermögen. Daran erinnert auch das nicänische Symbol, wenn es bei dem Ar tikel von Gott, dem Schöpfer aller Dinge, auch die unsichtbaren Dinge ausdrücklich erwähnt. Man muß freilich sehr darauf achten, das Maß zu halten, das die Regel der Frömmigkeit uns vorschreibt — damit man nicht sein Gedankenspiel (seine Spe kulationen) tiefer treibe, als recht ist, und darüber von der Einfalt des Glaubens ab komme. Wahrlich, der Heilige Geist lehrt uns stets das, was uns heilsam ist, und er verschweigt oder berührt nur kurz, was wenig zur Auferbauung dient. Deshalb ist es auch unsere Pflicht, gern auf die Kenntnis solcher Dinge zu verzichten, die unnütz sind.



I,14,4

Daß die Engel als Diener Gottes, die bestimmt sind, seine Befehle auszuführen, auch seine Geschöpfe sind, muß außer Zweifel stehen. Über die Zeit und die Ord nung, in der sie geschaffen wurden, einen Streit anzufangen, würde Vorwitz, aber nicht eben rechtes Nachdenken bezeugen. Mose erzählt (1. Mose 2,1), die Erde sei vollendet gewesen, auch der Himmel und all sein Heer; was soll man da genau nachsehen, am wievielten Tage denn außer den Gestirnen und Planeten auch jene an deren, verborgeneren Heere des Himmels ihren Anfang genommen haben? Kurz, wir wollen hier wie in der ganzen christlichen Lehre beachten, daß da die eine Regel der Bescheidenheit und Nüchternheit zu wahren ist: wir sollen über verborgene Dinge nichts reden, nichts denken, nichts wissen wollen, als was uns in Gottes Wort kund gemacht ist. Und dazu kommt das Zweite: wir sollen bei dem Lesen der Schrift stets das aufsuchen und bedenken, was der Auferbauung dient, nicht aber dem Vorwitz und der Erforschung unnützer Fragen uns hingeben. Und weil der Herr uns nicht in leichtsinnigen Fragen, sondern in echter Frömmigkeit, in der Furcht seines Namens, in rechtem Vertrauen, in der Heiligung des Lebens hat unterrichten wollen, so wollen wir uns an diesem Wissen genügen lassen. Wollen wir also recht vorgehen, so müssen wir jene leeren Reden (mataiomata) fahren lassen, wie sie müßige Leute abseits von Gottes Wort über die Natur, die Rangordnungen und die Zahl der Engel geführt haben. Ich weiß wohl, daß manche derartiges mit großer Begierde aufgreifen und daran viel mehr Vergnügen finden als an dem, was uns zu alltäg lichem Gebrauch gesetzt ist. Wenn wir uns aber nicht scheuen, Christi Jünger zu sein, so dürfen wir auch keine Scheu tragen, der Erkenntnisweise (methodus) zu folgen,



die er uns aufgetragen hat. Tun wir das, dann sind wir mit ihm als unserem Meister zufrieden und stehen so überflüssigem Gedankenspiel, das er uns verbietet, mit ab lehnender Zurückhaltung, ja mit Abscheu gegenüber. Kein Mensch wird leugnen, daß jener Dionysius, wer er auch gewesen sein mag, über die himmlische Rangordnung vieles fein und scharfsinnig vorgetragen hat. Sieht man aber näher zu, so findet man, daß das meiste reines Geschwätz ist. Ein Theologe aber soll nicht mit Geschwätz die Ohren kitzeln, sondern Wahres, Gewisses und Förderliches lehren und dadurch die Gewissen aufrichten! Liest man jenes Buch (des Dionysius Areopagita), dann meint man, da berichte ein Mensch, der vom Himmel gefallen sei, nicht was er gehört, sondern was er mit Augen gesehen hat! Paulus dagegen, der doch in den dritten Himmel entrückt ward (2. Kor. 12,2), hat nicht nur nichts dergleichen mit geteilt, sondern sogar bezeugt, kein Mensch könne jene Geheimnisse, die er schaute, aussprechen (2. Kor. 12,4). So wollen wir denn jener schwatzhaften Weisheit den Abschied geben und aus der schlichten Lehre der Schrift zusehen, was der Herr uns über seine Engel hat wissen lassen wollen.



I,14,5

Da ist nun in der Schrift durchweg zu lesen, daß die Engel himmlische Geister sind, deren Dienst und Gehorsam Gott benutzt, um alle seine Befehle auszuführen. Daher ist ihnen auch diese Bezeichnung („Engel“ = Boten) gegeben worden, weil Gott sie gewissermaßen als Mittelspersonen, als „Boten“ benutzt, um sich den Men schen zu offenbaren. Auch andere Benennungen, mit welchen sie ausgezeichnet werden, beruhen auf demselben Grunde. So werden sie „Heer“ genannt, weil sie wie Schildträger ihren Herrn umgeben, seine Herrlichkeit zieren und sichtbar machen, wie Soldaten allezeit auf den Wink ihres Führers harren und so bereit und gerüstet sind, seine Befehle zu empfangen, um auf seinen Wink zum Werke sich zu rüsten oder vielmehr schon am Werke zu sein. Solch ein Bild des Thrones Gottes geben uns die Propheten, um Gottes Herrlichkeit kundzumachen; in besonderer Weise tut das Daniel, wenn er sagt, daß tausendmal tausend, ja zehntausendmal zehntausend vor Gott gestanden hätten, als er sich zum Gericht niedersetzte (Dan. 7,10). Da nun aber der Herr die Kraft und Stärke seiner Hand durch sie wunderbar erweist und offenbart, so werden sie auch „Kräfte“ genannt. Und weil er seinen Befehl durch sie in der Welt ausübt und verwaltet, so heißen sie bald „Fürstentümer“, bald „Mächte“, bald „Herrschaften“ (Kol. 1,16; Eph. 1,21). Und endlich: weil in ihnen gewissermaßen Gottes Herrlichkeit, Gottes Ehre ihren Sitz hat, so werden sie auch „Throne“ (Kol. 1,16) genannt. Über den letzten Punkt will ich indessen nichts behaupten, weil eine andere Auslegung ebensogut, ja vielleicht besser paßt. Aber wenn wir diesen letzten Namen auch weglassen: die übrigen benutzt der Heilige Geist häufig, um die Würde des Amtes der Engel zu erheben. Denn es wäre nicht recht, jene Werkzeuge ungerühmt zu lassen, durch welche Gott seine Gegenwart be sonders offenbart. Ja, sie werden aus diesem Grunde mehr als einmal „Götter“ genannt, weil sie uns in ihrem Dienste wie in einem Spiegel Gottes Macht und Ehre selbst gewissermaßen vor Augen stellen. Freilich mißfällt mir auch die Ansicht einiger alter Schriftsteller nicht: wo die Schrift davon redet, daß der Engel Gottes dem Abraham, Jakob, Mose und anderen erschienen sei, da sei Christus dieser Engel gewesen (Gen. 18,1; 32,1.28; Jos. 5,14; Richter 6,14; 13,22). Aber mehr fach, wo die Engel in ihrer Gesamtheit erwähnt werden, erhalten sie jenen Namen („Götter“). Das kann auch nicht wundernehmen: denn wenn Fürsten und anderer Obrigkeit diese Ehre zuteil wird (Ps. 82,6), weil sie in ihrem Amt an Stelle Gottes handeln, der der oberste König und Richter ist, so kann sie doch mit noch größerem Rechte auf die Engel übertragen werden, in denen die Klarheit der Ehre Gottes noch viel gewaltiger aufleuchtet.



I,14,6

Aber die Schrift rückt in den Vordergrund, was uns am meisten zum Trost und zur Aufrichtung des Glaubens dienen kann: nämlich, daß die Engel Gottes Güte ge gen uns verwalten und austeilen. Deshalb erwähnt sie, daß sie über unserm Heil auf der Wacht stehen, unsere Verteidigung führen, unsere Wege lenken und uns schützen, damit uns nichts Widerwärtiges zustoße. Umfassend sind die Schriftstellen, die sich zunächst auf Christus als das Haupt der Kirche und dann auch auf alle Gläubigen beziehen. „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen dei nen Wegen, daß sie dich auf ihren Händen tragen, und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“ (Ps. 91,11f.). Oder: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen aus“ (Ps. 34, 8). Damit zeigt Gott, daß er den Schutz derer, die er bewahren will, seinen Engeln übertragen hat. Dementsprechend tröstet der Engel des Herrn die Hagar auf ihrer Flucht und befiehlt ihr, sich wieder mit ihrer Herrin auszusöhnen (Gen. 16,9). So verspricht Abraham seinem Knechte, ein Engel werde sein Führer auf dem Wege sein (Gen. 24,7). So bittet Jakob in dem Segenswort über Ephraim und Manasse, der Engel des Herrn, durch den er von allem Übel erlöst worden war, möge auch sie segnen (Gen. 48,16). So war ein Engel zum Schulz des Lagers der Israeliten eingesetzt (Ex. 14,19; 23,20), und wenn Gott Israel aus der Hand seiner Feinde erretten wollte, so erweckte er ihm Retter durch den Dienst der Engel (Richter 2,1; 6,11; 13,3ff.). So dienten endlich — um nicht noch mehr aufzuzählen — Christus die Engel (Matth. 4,1) und standen ihm bei in allen Ängsten (Luk. 22,43). Den Frauen verkündigten sie seine Auferstehung und den Jüngern seine herrliche Wiederkunft (Matth. 28,5.7; Luk. 24,5; Apg. 1,10). Um ihrem Amte nachzukommen, uns zu schützen, streiten sie wider den Teufel und alle unsere Feinde und vollziehen Gottes Strafe an denen, die uns hassen. So lesen wir auch, daß der Engel Gottes, um Jerusalem von der Belagerung zu befreien, in einer Nacht hundertfünfundachtzigtausend Mann im Lager des Königs von Assur ge schlagen habe (2. Kön. 19,35; Jes. 37,36).



I,14,7

Ob übrigens den einzelnen Gläubigen einzelne Engel zu ihrem Schutz zugeteilt sind, das möchte ich nicht sicher zu behaupten wagen. Gewiß: wenn Daniel einen Engel der Perser und einen Engel der Griechen nennt (Dan. 10,13.20; 12,1), so zeigt er damit an, daß für Königreiche und Gebiete bestimmte Engel gewissermaßen als Vorsteher eingesetzt sind. Auch wenn Christus sagt, die Engel der Kindlein schauten allezeit das Angesicht des Vaters (Matth. 18,10), so deutet er damit an, daß gewissen Engeln ihr Wohl anvertraut sei. Aber ich weiß doch nicht, ob man dar aus folgern darf, ein jeder habe seinen eigenen Engel. Jedenfalls ist das sicher, daß sich nicht etwa bloß ein Engel um jeden von uns kümmert, sondern daß sie alle einmütig über unser Heil wachen! Denn über alle Engel zusammen wird ge sagt, daß sie sich mehr freuen über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen (Luk. 15,7). Von mehreren Engeln wird auch gesagt, daß sie die Seele des Lazarus in Abrahams Schoß trugen (Luk. 16,22). Und nicht ohne Grund zeigt Elisa seinem Diener so viele feurige Wagen, die für ihn besonders bestimmt waren (2. Kön. 6,17). Es gibt nun eine Stelle, die dies (nämlich, daß es „Schutzengel“ gebe) klarer zu beweisen scheint als andere. Nämlich, als Petrus nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis an die Tür des Haufes klopfte, in dem die Brüder versammelt waren, da sagten sie, weil sie ja nicht ahnen konnten, daß er es sei, es sei „sein Engel“ (Apg. 12,15). Dies scheint ihnen in den Sinn gekommen zu sein nach der allgemeinen Anschauung, den einzelnen Gläu bigen seien ihre Engel zum Schutz zugeordnet. Freilich kann man darauf erwidern, daß darunter auch jedweder Engel verstanden werden kann, dem der Herr damals den Schutz des Petrus aufgetragen hatte, ohne daß er deshalb sein steter Hüter gewesen sein müßte, wie man sich gewöhnlich vorstellt, als ob jedem Menschen zwei Engel, ein guter und ein böser, gleich wie Genien zugeteilt wären! Aber es lohnt



nicht, genau zu forschen, was zu wissen uns wenig nützen kann. Denn wem es nicht genügt, daß alle Ordnungen der himmlischen Heerscharen zu seinem Heil auf der Wacht stehen, — was soll dem die Einsicht helfen, daß ihm ein Engel in besonde rer Weise zum Hüter gegeben sei? Wer aber all die Obhut, die Gott einem jeden von uns zuteil werden läßt, auf einen Engel beschränkt, der tut sich und allen Gliedern der Kirche unrecht: er tut so, als ob uns jene Hilfstruppen ohne Ursache zugesagt wären, die uns von allen Seiten umgeben und schützen, damit wir um so tapferer streiten!

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I,14,8

Wer nun über die Zahl und die Ordnungen der Engel genauere Aussagen machen will, der soll zusehen, worauf er sie gründe. Ich gebe zu: Michael wird bei Daniel ein großer Fürst genannt (Dan. 12,1), und bei Judas heißt er „Erzengel“ (Jud. 9). Nach Paulus wird es ein Erzengel sein, der mit dem Schall der Posaune die Menschen zum Gerichte lädt (1. Thess. 4,16). Aber wer könnte von da aus die Ehrenstufen unter den Engeln feststellen, die Kennzeichen und Würden unterscheiden und jedem seinen Platz und seine Stellung zuweisen? Denn selbst die zwei Namen, die in der Schrift auftreten — nämlich Michael und Gabriel, wozu ebenfalls noch der dritte (Raphael) aus dem Buche Tobia käme — können den Engeln auch um der Schwachheit unseres Verstehens willen figürlich beigelegt sein — obwohl ich diese Frage lieber in der Schwebe lassen will.



Was die Zahl betrifft, so hören wir aus Christi Munde viele Legionen (Matth. 26,53), von Daniel viele Zehntausende nennen (Dan. 7,10); viele Wagen schaute der Diener des Elisa (2. Kön. 6,17), und es läßt auf eine ungeheure Zahl schließen, wenn wir hören, daß sie sich rings um die lagern, die Gott fürchten (Ps. 34,8).

Sicher ist, daß die Geister keine Gestalt haben; aber trotzdem stellt die Schrift nach dem Maß unseres Begreifens die Cherubim und Seraphim nicht ohne Grund mit Flügeln dar, damit wir nicht zweifeln, daß sie, sobald es dessen bedarf, mit unglaublicher Schnelligkeit uns zur Hilfe da sein werden, wie wenn ein Blitz in seiner Geschwindigkeit zu uns herniederführe! Wir sollen übrigens glauben, daß die näheren Fragen hierzu jener Art von Geheimnissen angehören, deren volle Ent hüllung dem Jüngsten Tage vorbehalten ist. Deshalb wollen wir wohl darauf achten, uns vor zu großer Neugier über unserem Fragen und vor zu großer Kühnheit über unserem Reden zu hüten!



I,14,9

Jedoch muß — gegen den Zweifel einiger unruhiger Menschen! — dies fest stehen: die Engel sind „dienstbare Geister“ (Hebr. 1,14), deren Gehorsamsleistung Gott benutzt, um die Seinen zu schützen, und durch welche er seine Wohltaten unter die Menschen austeilt und auch seine übrigen Werke durchführt. Nun war da einst die Auffassung der Sadduzäer, unter den Engeln seien bloß Regungen, die Gott den Menschen eingibt, oder auch Erweisungen seiner Kraft zu verstehen. Aber es wider sprechen diesem Wahnwitz derartig viele Zeugnisse der Schrift, daß man sich wun dern muß, daß eine so grobe Unwissenheit in jenem Volke überhaupt geduldet wurde. Ich will dabei die oben bereits angeführten Stellen kurz übergehen, wo ja Tausende und Legionen von Engeln erwähnt werden, wo ihnen Freude zugesprochen wird, wo es heißt, daß sie die Gläubigen auf ihren Händen tragen, ihre Seelen zur Ruhe bringen, das Angesicht des Vaters sehen — und dergleichen mehr. Es gibt viel mehr andere Stellen, aus denen völlig klar hervorgeht, daß die Engel Geister von eigener Wesenheit (spiritus naturae subsistentis) sind. Da sagen Stephanus und Paulus, das Gesetz sei durch die Hand von Engeln gegeben worden (Apg. 7,53; Gal. 3,19). Da verheißt Christus, die Auserwählten würden nach der Auferstehung den Engeln gleich sein, oder, der Tag des Gerichtes sei nicht einmal den Engeln bekannt (Matth. 22,30; 24,36), oder, Christus werde alsdann kommen mit seinen heiligen Engeln (Matth. 25,31; Luk. 9,26). Man mag diese Stellen noch so drehen und wen den: man muß sie doch in diesem Sinne verstehen. Wenn Paulus dem Timotheus



„vor dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln“ „bezeugt“, er solle seine Vorschriften beachten (1. Tim. 5,21), so versteht er doch unter den Engeln nicht Eigenschaften oder Eingebungen ohne eigenes Wesen, sondern wirkliche Geister! Und wenn wir im Hebräerbriefe lesen, Christus sei höher gemacht denn die Engel (Hebr. 1,4), den Engeln sei der Erdkreis nicht unterworfen (Hebr. 2,5), Christus habe nicht ihre, sondern des Menschen Natur angenommen (Hebr. 1,4; 2,16) — so hat das nur einen Sinn, wenn wir darunter selige Geister verstehen, auf die solche Vergleichungen zutreffen. Der Verfasser des Hebräerbriefes deutet seine eigene Aus sage, wenn er die Seelen der Gläubigen und die heiligen Engel im Reiche Gottes nebeneinanderstellt (Hebr. 12,22). Dazu kommt noch, was wir bereits an führten: daß die Engel der Kindlein allezeit das Angesicht Gottes schauen, daß wir durch ihren Schutz verteidigt werden, daß sie sich an unserem Heil freuen, die viel fältige Gnade Gottes an seiner Kirche bewundern und daß sie Christus als dem Haupte untertan sind. Dahin gehört auch die Tatsache, daß sie den heiligen Vätern oftmals in menschlicher Gestalt erschienen sind, mit ihnen geredet haben und gar von ihnen beherbergt worden sind! Auch Christus selbst wird ja wegen der Herrschafts stellung, die er als Mittler ausübt, „Engel“ genannt (Mal. 3,1). Das mag genügen, um die Einfältigen gegen jene törichten und widersinnigen Gedanken zu schützen, die vor vielen Jahrhunderten vom Satan aufgebracht wurden und von Zeit zu Zeit wie der aufkommen.



I,14,10

Jetzt müssen wir noch dem Aberglauben entgegentreten, der zumeist daraus entsteht, daß es von den Engeln heißt, durch ihren Dienst widerfahre uns alles Gute. Da läßt sich nämlich die Vernunft des Menschen leicht dazu hinreißen, ihnen jedwede Ehre zu übertragen. So wird ihnen denn beigelegt, was nur Gott und Christo zu kommt. Auf diese Weise ist, wie wir sehen, Christi Ehre schon seit vielen Jahrhun derten auf mancherlei Weise verdunkelt worden, dadurch, daß man die Engel ohne Begründung in Gottes Wort mit allerlei maßlosem Ruhm bedeckt hat. Und unter allen Verderbnissen, gegen die wir heutzutage zu kämpfen haben, ist kaum eines älter als eben dies. Hatte doch offenbar schon Paulus mit einigen Leuten zu streiten, die die Engel so hoch erhoben, daß Christus beinahe zu ihresgleichen erniedrigt wurde! Dar um dringt er im Briefe an die Kolosser mit solcher Schärfe darauf, daß Christus nicht nur vor allen Engeln den Vorrang habe, sondern daß er auch für sie der Ursprung alles Guten sei (Kol. 1,16.20). Deshalb dürfen wir nicht den Herrn ver lassen und uns den Engeln zuwenden, die doch selber nicht aus sich bestehen können, sondern aus derselben Quelle schöpfen wie wir! Freilich, weil ein Abglanz göttlicher Herrlichkeit aus ihnen erstrahlt, so geschieht es gar leicht, daß wir uns vor ihnen aus einer gewissen inneren Bestürzung anbetend niederwerfen und dann ihnen alles zuschreiben, was doch Gott allein zu verdanken ist. Schreibt doch selbst Johan nes in der Apokalypse, daß ihm das widerfahren sei, — aber dann fügt er gleich hin zu, ihm sei erwidert worden: „Siehe zu, tue es nicht, ich bin dein Mitknecht …, bete Gott an!“ (Apok. 19,10).



I,14,11

Der Gefahr solchen Aberglaubens werden wir dann recht entgehen, wenn wir er wägen, warum denn Gott lieber durch die Engel als ohne ihr Zutun, rein aus sich selber, seine Macht zu offenbaren, den Seinen das Heil zu schaffen und ihnen die Gü ter seiner Freundlichkeit mitzuteilen pflegt. Er tut das sicher nicht aus irgendeiner Notwendigkeit heraus, als ob er sie nicht entbehren könnte. Denn sooft es ihm gefällt, vollbringt er sein Werk ohne sie, allein durch seinen Wink und Willen. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß sie etwa ihm behilflich sein müßten, weil ihm ohne sie sein Werk zu schwer wäre. Er tut es also unserer Schwachheit zum Trost, damit uns nichts mangle, was dazu dient, unsere Seele zu froher Hoffnung aufzurichten und zu fester Gewißheit zu starren. An sich müßte uns das eine mehr als genug sein, daß der Herr verheißt, unser Hüter zu sein. Aber wenn wir uns von



soviel Gefahren, soviel Nöten, so vielerlei Feinden umgeben sehen, — wie leicht könnten wir da in unserer Schwachheit und Gebrechlichkeit ans Zittern geraten oder gar verzweifeln, wenn uns nicht der Herr nach unserem Verstehen seine gegenwärtige Gnade zu erfahren gäbe! Deshalb verheißt er nicht allein, daß er sich um uns küm mere, sondern auch, daß er unzählige Schildträger habe, denen er die Sorge um unser Heil aufgetragen hat, und daß — was für Gefahr uns auch bedrohe — kein Übel uns anrühren kann, solange wir unter ihrem Schutz, ihrer Hut stehen! Freilich ist es ver kehrt, daß wir angesichts der schlichten Verheißung, Gott sei allein unser Hüter, noch immer umherschauen, woher uns Hilfe kommen könne. Aber doch will uns der Herr in seiner unermeßlichen Milde und Freundlichkeit in unserer Verkehrtheit zu Hilfe kommen, — und deshalb dürfen wir von so großer Gabe nicht gering denken. Dafür haben wir ein Beispiel in dem Knecht des Elisa: als er sah, daß der Berg vom Heere der Syrer ganz umlagert war und kein Ausweg mehr blieb, da packte ihn der Schrecken, als ob es um ihn und seinen Herrn geschehen wäre. Da bat Elisa Gott, er möchte ihm die Augen öffnen, — und nun sah er alsbald den Berg voll feuriger Wagen, einer Menge von Engeln nämlich, die ihn mit dem Propheten schützen sollten! (2. Kön. 6,17) Als er das geschaut hatte, da wurde er gestärkt und faßte sich, so daß er unerschrocken die Feinde verachten konnte, deren Anblick ihn zuvor beinahe umgebracht hätte!

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