Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps34

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Erläuterungen und Kernworte

V. 15. Weiche vom Bösen. Die Sünde ist dem Menschen stets nah, ja sie folgt ihm auf den Fersen nach und muss darum energisch zurückgewiesen und gemieden werden. Dies gilt von allerart Bösem: von bösen Menschen und ihrer bösen Gesellschaft, von bösen Dingen, bösen Worten und bösen Werken, kurz vom Bösen in jeder Gestalt. Erst wo man die Sünde verabscheut und verlässt, ist wahre Gottesfurcht zu Hause. Vergl. Spr. 8,13; 16,6. D. John Gill † 1771.

Tue Gutes. Es gibt der Leute genug in der Welt, deren ganze Frömmigkeit darauf hinausläuft, dass sie dies und das nicht sind und nicht tun: sie sind keine Trunkenbolde, keine Flucher -- und darauf tun sie sich viel zugute. Siehe, wie der Pharisäer prahlt: "Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher usw." (Lk. 18,11 .) Ach, dass man kein schändliches Leben führt, macht allein so wenig einen Christen aus, als Nullen eine Zahl. Wir sind verpflichtet, nicht bloß vom Bösen zu lassen, sondern Gutes zu tun. Das wird einmal eine schlechte Ausrede sein: "Herr, ich habe keine großen Sünden begangen und habe nie jemand unrecht getan." Aber was hast du Gutes getan? Es ist für den Weinbergsarbeiter nicht genug, dass er die Zweige nicht knickt und den Zaun nicht niederreißt; wenn er nicht mehr leistet, so bekommt er keinen Lohn. Und ebenso wenig wird es uns am jüngsten Tage etwas helfen, wenn wir vor dem himmlischen Richter erklären, dass wir weder ein besonderes Unrecht getan noch in groben Sünden dahingelebt haben. Was für Gutes haben wir im Weinberg vollbracht? Wo ist die Frucht, die wir erarbeitet haben? Wenn wir diese nicht vorzeigen können, so haben wir beides, den Lohn und die Seligkeit, verwirkt. Thomas Watson 1660.

Suche Frieden und jage ihm nach. Tu nur Gutes, so brauchst du dem Frieden nicht erst nachzujagen. Ungesucht wird er sich finden. Augustin († 430) sagt: Fiat justitia et habebis pacem d. i. lebe gerecht, so lebst du in Frieden. Mag die Gerechtigkeit wohnen, wo sie will, der Friede weiß ihr Heim zu finden; aber das Haus des Bösen verabscheut er. Der Friede setzt sich nur da zu Tische, wo die Gnade schon vorher eingekehrt ist. Lasst uns der Gottseligkeit anhängen, so wird der Friede Gottes, der höher ist, denn alle Vernunft, unsre Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. (Phil. 4,7.) Thomas Adams 1614.

Die begehrenswertesten Dinge sind nicht die, die man am leichtesten erlangt. Was ist lieblicher als die Ruhe des Friedens? Aber gerade dieses herrliche Gut bietet sich uns nicht von selbst dar: Es muss gesucht werden. Sogar wenn es gefunden ist, entwischt es oft der sich nach ihm ausstreckenden Hand: Es flieht und muss verfolgt werden. Wer Frieden haben will, der muss sich ängstlich hüten, erstens ohne Not, d. i. ohne dass die Wahrheit es erfordert, jemand zu verletzen, und zweitens ohne Not, d. h. wegen Kleinigkeiten, auf die ein kluger Mann gar nicht achtet, sich beleidigen zu lassen. Und wenn es in dem einen oder andern Fall doch geschehen ist, muss er drittens alles aufbieten, dem Unfrieden zu wehren und ihn schon im Keime zu ersticken. D. Daniel Waterland † 1740.

V. 16-18. Fremde mögen weinen und schreien, ohne dass wir uns viel darum kümmern, was sie so schmerzt; doch wenn unsere Kinder in der Not rufen, eilen wir ihnen zu Hilfe. Unsere Stellung zu Gott gibt uns Gewähr dafür, dass wir erhört werden. Wer Abba, lieber Vater rufen kann, der braucht an dem Erfolg seines Flehens nicht zu zweifeln; denn Gott wird ihn als Sohn behandeln. George Swinnock † 1673.

V. 19. Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochnes Herzens sind. Gott findet an den zerbrochenen Herzen solches Gefallen, dass er es nicht über sich bringt, sie zu verlassen, sondern er will sie in seiner Nähe, ja unter seinen Augen haben, damit er stets zur Stelle sei, wenn es gilt, ihre zerschlagenen Gebeine einzurichten und ihre eiternden Wunden zu heilen. Es mag wohl sein, dass er ihnen viel Schmerz bereiten muss, um seine Heilsabsichten an ihnen auszuführen; aber das wäre ja ein törichter und grausamer Arzt, der, um den Kranken zu schonen, seine Wunden nicht näher untersuchte. Darum muss Gott uns weh tun, um uns wohl zu tun; er kann uns oft die ärgsten Schmerzen nicht ersparen, weil er uns gründlich helfen will. Da magst du dich von Gott verlassen wähnen, deinen Arzt nicht einmal erkennen und deinen Freund für einen Feind halten; aber wenn dir die Augen geöffnet werden und deine Wunde vernarbt ist, dann wirst du mit Beschämung und Dankbarkeit zugleich deinen Irrtum erkennen. James Janeway † 1674.

Bedenke die Vorteile eines zerbrochenen Herzens. 1) Gottes Wohlgefallen ruht auf ihm. Ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten (Ps. 51,19). 2) Es gleicht viele Mängel in unserm Gottesdienst aus: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist (Ps. 51,19). 3) Es macht die Seele würdig, eine Behausung Gottes zu sein: Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnet, dessen Name heilig ist; der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen (Jes. 57,15). 4) Es bringt Gott den Menschen nahe: Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochnes Herzens sind und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben (Ps. 34,19). 5) Es gibt ein Anrecht auf Jesu Hilfe und Heilung: Ich will das Verwundete heilen und des Schwachen warten (Hes. 34,16; Jer. 30,17). Endlich 6): Es führt uns auf den rechten Weg, der zum Himmel führt, wo einst alle Wunden und Gebrechen geheilt werden sollen, denn dort steht der Baum, dessen Blätter zur Gesundheit der Heiden dienen (Off. 22,2). Dort klagt keiner mehr über Wunden und Schmerzen. John Spalding 1703.

Wir sind geneigt, die Menschen in dem Maße zu übersehen, als sie sich vor uns demütigen und unter uns stehen, während bei Gott gerade das Umgekehrte der Fall ist. Gefäße der Ehren bildet er aus dem Ton, der bis in die kleinsten Teile zerbrochen ist. Bischof D. Georg Horne † 1792.

Das ist die Klage der Prediger, die durch alle Zeiten tönt, dass der zerbrochenen Herzen und zerschlagenen Gemüter auf Erden so wenige sind, ja dass die Menschen in ihren Sünden elend und zerschlagen sein können, ohne dass sie es nur fühlen und zugeben. James Nalton 1664.

Zerbrochnes Herz, zerschlagenes Gemüt. Wovon zerbrochen, erschlagen? Von dem Hammer des göttlichen Wortes und der göttlichen Heimsuchungen. Vergl. Jer. 23,29 . Was ein wuchtiger Hammer, von starker Hand geschwungen, an einem Felsen ausrichtet, das wirkt des Herrn Wort, vom heiligen Geiste erfüllt, an dem Herzen des Sünders. Darum bilden das zerbrochene Herz und der zerschlagene Geist zwei wesentliche Merkmale der echten Buße. Adam Clarke † 1832.

V. 19 ff. O wie viel besser ist es doch, zerbrochenen Herzens zu sein und ein zerschlagenes Gemüt zu haben, aber dabei die nahe Aussicht und Bewahrung des Herrn auch über seine Gebeine genießen, dass deren nicht eins zerbrochen wird , als wenn manchem Hals und Bein zerbrochen werden muss, weil er sich zu keiner Erweichung des Herzens bequemen wollte! -- Aus dem Übel, das einer als Ungerechter vorher getan hat und nun als ein Gerechter verlässt, entsteht viel Leiden; aber aus dem allem wird ein Gläubiger herausgerissen (V. 20). K. H. Rieger † 1791.

V. 21. Christi Gebeine waren an und für sich zerbrechlich, aber in Wirklichkeit konnte auch die Wut der Welt sie nicht zerbrechen, weil Gott vorausbestimmt hatte: Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen. So wissen wir, dass auch Gottes Kinder sterblich sind; aber selbst des Teufels Gewalt darf und kann sie nicht dahinraffen gemäß der Erwählung Gottes, die erfüllt werden muss. D. Thomas Fuller † 1661.

V. 22. Unglück. Während die Trübsale, auch wenn sie in Scharen kommen, den Gerechten nicht verderben können, weil der Herr sein Retter ist, so kann ein einziges Unglück den Gottlosen vertilgen, damit der Unterschied des göttlichen Verhaltens gegenüber dem Frommen und dem Frevler offenbar werde. Henry Hammond † 1660.

V. 23. Die Verheißungen Gottes an seine Kirche und seine Drohungen wider die Sünde, wie er sie in seinem Worte niedergeschrieben hat, veralten nicht, auch wird keine Zeit sie verjähren, sie außer Kraft und Geltung setzen. Wie aber, wenn gute Menschen und gerechte Sachen sollten unterdrückt werden? Da behält der Dichter Recht, wenn er sagt:

Informes hiemes reducit
Jupiter; idem

Summovet. Non si male nunc, et olim

Sic erit.

Auf Regen folgt Sonnenschein: mag’s uns jetzt schlecht gehen -- es wird nicht immer so sein. Das sei unser Trost. Mögen die Feinde der Religion noch so wüten, so soll das doch einen David und Hiob, die beide die Sonne schon oft genug haben hinter einer Wolke sich verbergen sehen, nicht ängstigen. Edwurde Marbury 1649.

Homiletische Winke

V. 2. Der Entschluss, den Herrn allezeit zu preisen , betrachtet 1) nach den Schwierigkeiten, die sich seiner Verwirklichung entgegenstellen; 2) nach den Hilfsmitteln, die uns zu seiner Ausführung zu Gebote stehen; 3) nach den segensreichen Folgen, die sich für uns daraus ergeben.
Ein guter Rat, wie man den Himmel schon auf Erden haben kann.
V. 2-4. Das Lob Gottes 1) als Ausdruck persönlicher Dankbarkeit; 2) als Mittel gemeinsamer Erbauung: 3) als Anerkennung der Gott gebührenden Ehre.
V. 3. Ein Rühmen, das nicht verletzt, sondern erbaut, und nicht tadelns- sondern empfehlenswert ist.
Wir mögen uns rühmen des Herrn: seiner selbst, seiner Offenbarungen, seiner innigen Beziehungen zu uns, des Anteils, den wir an ihm haben, der Dinge, die wir von ihm zu erwarten haben, usw.
Die Pflicht der Gläubigen, ihre Erfahrungen zum Besten anderer zu erzählen.
V. 4. Einladung zum gemeinsamen Lobe Gottes.
Im Herzen, in Wort und Tat Jahwe verherrlichen, eine edle Übung.
V. 5. Bekenntnisse einer erlösten Seele. Schlicht, zur Ehre Gottes dienend, jeden Verdienst ausschließend und andere ermutigend, ebenfalls den Herrn zu suchen.
Vier Stufen; Furcht, ich suchte, er antwortete, er errettete mich.
V. 6. Die Macht eines Glaubensblickes. (Vergl. "Aufblick zu Jesu", Pred. von C. H. Spurgeon, Min.-Ausg. Bd. II, S. 187. Bapt. Verlag, Kassel.)
V. 7. 1) Des Elenden Los. 2) Des Elenden Freund. 3) Des Elenden Hilferuf. 4) Des Elenden Rettung.
Die Stellung des Gebets im Reich der Gnade.
V. 8. Castra angelorum, salvatio bonorum.
Der Dienst der Engel.
Die Verwandtschaft und der Unterschied der Selbstoffenbarung Gottes in dem Engel des Herrn und in dem fleischgewordenen Logos (Jesus).
V. 9. Schmecket. Der geheiligte Gaumen, die auserlesene Kost, der erfreuliche Befund, der himmlische Gastgeber.
Das Erfahren der religiösen Wahrheiten ihr einzig zuverlässiger Beweis.
Keine geistliche Erkenntnis (Seht) ohne geistliche Erfahrung (Schmeckt).
V. 10. Der gesegnete Stand eines Menschen, der Gott fürchtet.
Furcht vertreibt Furcht. Similia similibus curantur.
V. 11. Löwen voll Hungers, aber die Kinder gesättigt.
1) Beschreibung der wahren Christen: die den Herrn suchen. 2) Eine herrliche Verheißung für diese, durch den Gegensatz ins Licht gestellt. 3) Die Verheißung in ihrer Erfüllung.
Was ist für uns ein Gut?
V. 12. Ein königlicher Lehrmeister, seine Schüler, seine Unterrichtsweise (Kommt) und sein hohes Lehrziel.
Die Arbeit an der Jugend im Lichte dieses Verses.
V. 13-15. Wie kann man beide Welten genießen?
V. 14. Zungensünden. Ihr Unheil, ihre Ursache und ihre Heilung.
V. 15a. Das Verhältnis der negativen und der positiven Tugenden zueinander.
V. 15b. Die königliche Jagd: das edle Wild, die Jagdhindernisse, die Jäger, ihre Jagdkunst und ihre Beute.
V. 16. Gottes liebreiche Aufmerksamkeit auf die Seinen.
V. 17. Das Unglück der Bösen: Im Leben erfahren sie, dass Gott ihnen widersteht, und im Tode sind sie verloren und vergessen.
V. 18. Dreifacher Segen der Not: 1) Sie lehrt beten: 2) sie bringt uns Gottes lauschendes Ohr nahe; 3) sie bietet uns Gelegenheit zu freudiger Erfahrung der Hilfe.
V. 19. Wie nahe Gott den gedemütigten Herzen ist und wie gewiss ihr Heil.
V. 20. Schatten und Licht, oder: Gift und Gegengift.
Ein besonderes Volk mit besonderen Versuchungen und besonderen Errettungen, darum auch zu besonderem Glauben verpflichtet.
V. 21. Die Sicherheit des Gläubigen inmitten großer Gefahren. Sein Leib und seine Seele, sein geistliches Leben, sein Glaube, seine Hoffnung, seine Liebe, sein Anteil an Jesus, seine Kindschaft, seine Rechtfertigung usw., dies alles steht unter gnädiger Hut.
V. 22. Die Bosheit als ihr eigner Henker nachgewiesen an Beispielen der heiligen Schrift und der Geschichte, sowie an dem Zustand der Verdammten. Was lehrt uns diese ernste Tatsache?
Der armselige, im Voraus verlorene Zustand der Menschen von böswilligem Geist.
V. 22-23. Wer wird schuld haben und seine Schuld büßen und wer nicht?
V. 23. Die Erlösung nach ihrer unterschiedlichen Bedeutung; der Glaube nach seiner allumfassenden bewahrenden Kraft; der Herr in der unvergleichlichen Herrlichkeit seines Gnadenwerkes.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps35

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PSALM 35 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

(Ein Psalm) Davids. Weiteres sagt uns die Überschrift nicht; der Inhalt des Psalms berechtigt uns jedoch anzunehmen, dass David dieses Gebet in jenen trüben Zeiten verfasst habe, als Saul ihn über Berg und Tal jagte und die Schmeichler des wutschnaubenden Kronenträgers das unschuldige Opfer seines Zornes verleumdeten; oder aber der Psalm stammt aus den späteren Tagen Davids, als der Ausfuhr tobte. Der Beter erscheint hier als ein Mann von kühnem Mut und reinem Gewissen, der aber durch die Verfolgungswut und die Bosheit seiner Feinde aufs Äußerste gereizt ist; doch will er sich nicht selber rächen, sondern ruft Gott zur Vertilgung der Widersacher auf. Davids Gebet wird auch an den Feinden Christi einst noch schrecklich in Erfüllung gehen.

Einteilung


Klage, Gebet und Dankgelübde wechseln miteinander ab und zwar dreimal nacheinander. Der erste Absatz umfasst V. 1-10, der zweite V. 11-18, der letzte V. 19-28. Jeder dieser Teile endet mit Lobes- und Dankesklängen.

Auslegung

1. Herr, hadere mit meinen Widersachern;
streite wider meine Gegner.
2. Ergreife Schild und Waffen,
und mache dich auf, mir zu helfen.
3. Zücke den Spieß und schütze mich wider meine Verfolger!
Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe.
4. Es müssen sich schämen und gehöhnt werden, die nach meiner
Seele stehen;
es müssen zurückkehren und zuschanden werden, die mir übelwollen.
5. Sie müssen werden wie Spreu vor dem Winde,
und der Engel des Herrn stoße sie weg.
6. Ihr Weg müsse finster und schlüpfrig werden,
und der Engel des Herrn verfolge sie.
7. Denn sie haben mir ohne Ursache ihr Netz gestellt, zu verderben,
und haben ohne Ursache meiner Seele Gruben zugerichtet.
8. Er müsse unversehens überfallen werden,
und sein Netz, das er gestellt hat, müsse ihn fangen,
und müsse drinnen überfallen werden.
9. Aber meine Seele müsse sich freuen des Herrn,
und sei fröhlich über seiner Hilfe.
10. Alle meine Gebeine müssen sagen: Herr, wer ist deinesgleichen?
Der du den Elenden errettest von dem, der ihm zu stark ist,
und den Elenden und Armen von seinen Räubern.


1. Herr, hadere mit meinen Widersachern. In diesem ersten Gebetswort stellt David den Kampf, den er mit seinen Widersachern hat, treffend als einen Rechtshandel dar und bittet Jahwe, die Sache seines Knechts selber zu führen. Wenn sie mich vor Gericht zu fällen suchen, so tritt du ihnen entgegen und schlage sie mit ihren eigenen Waffen. Davids Streit war Gottes Streit, darum konnte er also beten. Jeder Gläubige kann in den Kämpfen, die er um Christi willen hat, dasselbe Vorrecht genießen. Der Verkläger der Brüder (Off. 12,10) soll es mit dem Verteidiger der Gläubigen zu tun haben. Streite wider meine Gegner. Wenn meine Gegner zu der listigen Rechtsverdrehung die rohe Gewalttat fügen, so mache sie auch da zuschanden, indem du deine Kraft der ihrigen entgegensetzest. Der Herr Jesus ist den Seinen beides, ihr Rechtsbeistand und ihr Vorkämpfer. Was immer sie für Hilfe nötig haben, sie wird ihnen durch ihn zuteil; und auf welche Art immer sie angegriffen werden mögen, sie werden von ihm aufs Beste verteidigt. Lasst uns denn unsre Sache vertrauensvoll in des Ewigen Hände legen! Nichts ist es mit aller Menschenhilfe; aber wenn der Herr für uns eintritt, wird alle Macht der Menschen und der Hölle zuschanden. Was der Psalmdichter hier als Gunst für sich erbittet, dürfen wir als eine für alle Gläubigen gültige Verheißung ansehen: Vor Gericht sollen sie einen göttlichen Sachwalter, im Kampfe göttlichen Schutz haben.

2. Ergreife Schild und Waffen1, und mache dich auf, mir zu helfen, wörtl.: als meine Hilfe . In lebhafter Bildersprache schildert der Dichter Jahwe als einen Kriegshelden, der seine volle Rüstung anlegt und so gerüstet zwischen seinen Knecht und dessen Feinde tritt. Was David vor allem bedarf, ist Schutz, Schutz im Großen und Ganzen und Schutz in kleinen Dingen; darum hebt er den Begriff des Schildes doppelt hervor, indem er zu dem kleinen Schilde noch den großen, den ganzen Leib deckenden Türschild fügt. Ungestüm fordert er Jahwe auf, sich aufzumachen , mit Tatkraft und Eifer seinem Knecht in der Stunde der Gefahr zu Hilfe zu eilen. Diese ganze dichterische Schilderung zeigt, wie lebhaft sich der Psalmsänger das Dasein und die Macht Gottes vergegenwärtigte. David hatte einen persönlichen, lebendigen, tatkräftigen und allnahen Gott, der sich treu der bedrängten Seinen annimmt.

3. Zücke den Spieß und versperre meinen Verfolgern den Weg, indem du ihnen entgegentrittst. (Grundt. nach der wahrscheinlichsten Deutung. 2 Noch ehe die Feinde zum Angriff kommen, kann Jahwe sie wie mit einem langen Speere abwehren. Wenn die drohende Not und Gefahr durch Gottes Güte von uns abgehalten wird, so ist das keine geringe Liebeserweisung. Wie etwa ein gewaltiger Kriegsheld einen Engpass versperrt und so den Feind zurückhält, bis es den schwächeren Kampfgenossen gelungen ist zu entkommen, so hält auch der Herr oft die Widersacher des Gläubigen hin, bis dieser Atem geschöpft hat oder den Feinden entronnen ist. Er gibt den Feinden Zions oft etwas anderes zu tun und verschafft dadurch seiner Gemeinde Ruhe. Wie kraftvoll und den Glauben stärkend ist doch dieses Bild: Jahwe, den Feinden den Weg versperrend und sie mit seiner Lanze im Schach haltend, so dass der gehetzte Gottesknecht Zeit gewinnt, ihrer Verfolgung zu entschlüpfen. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe! Der Herr vermag noch mehr, als den Angriff des Feindes abzuschlagen; er ist auch im Stande, das Gemüt seines Knechts völlig zu stillen, indem er ihn aus seinem Munde die ausdrückliche Versicherung hören lässt, dass er unter den Flügeln des Allmächtigen wohl geborgen sei und es immer sein werde. Während man im Schmelztiegel der Anfeindung ist, die innere Überzeugung zu haben, dass man, weil unter Gottes Schutz, unbedingt sicher sei, ist über alles köstlich. Ein einziges Wort aus des Herrn Munde beschwichtigt alle unsre Furcht.

4. Es müssen sich schämen und gehöhnt (zuschanden) werden, die nach meiner Seele stehen . Es liegt nichts Boshaftes und Schadenfrohes darin, wenn der Psalmist begehrt, dass Schmach und Schimpf die Ruchlosen treffe, die ihm nach dem Leben trachten , der Verleumdete bittet damit einfach, dass ihm sowie seinen Feinden Gerechtigkeit widerfahre, und dieses Verlangen ist natürlich und zumindest entschuldbar, wenn wir als Kinder des neuen Bundes dem Psalmisten darin auch nicht nachahmen werden. Er wird dabei nicht vom Geist persönlicher Rachsucht geleitet; es ist vielmehr der gute Geist Gottes, der hier durch David die ewige Schmach und Schande aller derer, die die Gerechten hassen, voraussagt. Schmachvolle Enttäuschung soll in der Tat den Feinden des Evangeliums zuteil werden, und selbst der zartfühlendste Christ würde es nicht anders haben wollen. Sofern sie Menschen sind mit unsterblichen Seelen, lieben wir die Sünder und suchen ihr Bestes; aber wenn wir sie als die Feinde Gottes betrachten, können wir nicht anders als mit Abscheu an sie denken und haben wir den redlichen Wunsch, dass sie mit allen ihren Anschlägen zuschanden werden mögen. Kein treuer Untertan kann Aufrührern wohlwollen. Unvernünftige Sentimentalität mag sich an der strengen Sprache, die hier geführt wird, stoßen; aber alle Rechtgesinnten können nicht anders, als in ihren Herzen den Unheilstiftern Vereitlung aller ihrer gottlosen Absichten wünschen.

Fußnoten
1. Besser Luther 1524: Schild und Schirm, denn auch das zweite Wort bedeutet Schild, und zwar den großen Schild (vergl. S. 62 u. 67 f. zu Ps. 5,13) im Unterschied von dem vorhergenannten kleinen.

2. Andere fassen rgÆÆs: als ein Hauptwort auf und verstehen darunter die sa/garij, die gefürchtete skythische Streitaxt: Zücke Spieß und Streitaxt meinen Verfolgern entgegen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps35

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5.6. Sie müssen werden wie Spreu vor dem Winde. Sie waren beim Angriff schnell genug; lass sie nun auch im Fliehen eben so schnell sein. Mögen die bösen Vorahnungen, die aus ihrem eignen Herzen aufsteigen, und die Unruhe ihres Gewissens sie so alles Mannesmuts berauben, dass sie beim geringsten Trübsalswind nach allen Seiten auseinander schnellen. Die Gottlosen sind von nichtsnutzigem Charakter und von leichten Sitten; sie haben weder sittlichen Gehalt noch Widerstandskraft. Es ist nur gerecht, wenn sie, die sich selber zu Spreu gemacht haben, auch als solche behandelt werden. Wie schrecklich wird es für die Verworfenen sein, wenn sich dieser Fluch an ihnen erfüllt und sie nun ewig ohne Rast und Ruh, ohne Frieden und ohne Halt von Furcht zu Furcht und von Elend zu Elend gejagt werden! Und der Engel des Herrn verfolge sie! (V. 6 b, siehe unten die Anm.) Der Engel Jahwes wird selber diese Sturmesmacht sein, die sie hinwegfegt. Von rächenden Geistern verfolgt zu werden, wird das Los derer sein, die am Verfolgen der Frommen ihre Lust gehabt haben. Man beachte, wie anschaulich die ganze Schilderung ist; Der grimmige Feind wird erst zurückgehalten (V. 3a Grundt.), dann zum Zurückweichen gebracht (V. 4b), dann zu wilder Flucht getrieben und von dem Gerichtsengel gejagt, vor dem es kein Entrinnen gibt (V. 5). Der folgende Vers vervollständigt das grausige Bild; Der Weg des Feindes führt ins Finstere und Schlüpfrige, und dort vollendet sich das Gericht, indem der Engel des Herrn den Gottlosen niederstößt.
Ihr Weg müsse finster und schlüpfrig werden. Was für Schrecknisse sind hier beisammen! Kein Licht, kein Halt und auf den Fersen ein grimmiger Rächer! Welch schreckliches Schicksal ist den Feinden Jahwes bestimmt! Heute mögen sie rasen und wüten, aber wie verändert wird binnen kurzem ihr Zustand sein! Und der Engel des Herrn stürze sie. (V. 5b. 3 Wie einst im Roten Meer der Engel des Herrn die Räder von den Streitwagen Pharaos abspringen ließ, so dass diese umfielen und die Ägypter den Fluten nicht entrinnen konnten, so wird sich an allen Widersachern des Volkes Gottes ein furchtbares Gericht vollziehen: Das Ende wird sein, dass sie niedergestoßen werden und in Nacht und Grauen umkommen. Wehe, wehe, wehe denen, die Gottes Augapfel antasten; ihr Untergang kommt schnell und sicher.

7. In diesem Vers bringt der Psalmdichter gegen die Diener des Satans seine Anklage vor, durch die diese aufs Schwerste belastet werden. Denn sie haben mir ohne Ursache - ohne dass ich ihnen irgendein Unrecht zugefügt oder sie angegriffen oder gereizt habe, vielmehr aus reiner Bosheit - heimlich ihr Netz gestellt, haben ohne Ursache meiner Seele eine Grube gegraben4 , wie die Jäger das Wild mit List und Trug zu fangen suchen. Wie oft schon sind Unschuldige in heimlichen Fallen gefangen worden, in die sie eben so arglos hineingestürzt sind wie Tiere, die in gut überdeckte Gruben versinken, und sind, ehe sie sich’s versahen, in ein Netz verstrickt worden, das sie unbarmherzig gefesselt hielt. Es ist nichts Geringes, wenn jemand sich der Überzeugung erfreuen darf, dass er die Feindschaft, die ihn bestürmt, in keiner Weise verdient, nicht durch irgendwelche absichtliche Beleidigung verursacht hat. Zweimal bezeugt David in diesem einen Verse, dass seine Widersacher ohne Ursache gegen ihn Ränke geschmiedet haben. Netze heimlich stellen und Gruben graben erfordert Zeit und Mühe; beides wenden aber die Gottlosen mit Freuden auf, wenn sie damit die Frommen stürzen zu können hoffen. Offener Krieg gebührt ehrbaren Männern, aber die Feinde der Gemeinde des Herrn ziehen gemeine Ränke und Schliche vor und beweisen damit, welchem Stamme sie entsprossen sind. Wir alle müssen beständig auf der Hut sein; denn Schlingen und Fallgruben zu legen, ist noch immer die Kampfesweise, die die bösen Mächte jeder andern vorziehen.

8. Er müsse unversehens überfallen werden, Grundt. Es treffe ihn Verderben, ohne dass er’s ahnt . Diese schauerliche Verwünschung geht sehr oft in Erfüllung. Gottes Gerichte vollziehen sich nicht selten plötzlich und auf ganz merkwürdige Weise. Der Tod tritt, ohne anzuklopfen, in des Verfolgers Haus. Der Donnerkeil des Gerichts fährt unversehens hernieder; - ein schrecklicher Krach und die Gottlosen liegen für immer zerschmettert am Boden. Und sein Netz, das er gestellt hat, müsse ihn fangen; ins Verderben stürze er hinein.5 Es gibt bei Gott eine lex talionis ein Gesetz der Wiedervergeltung, dessen Wirkungen man oft mit Händen greifen kann. Die Menschen stellen Fallen und klemmen ihre eignen Finger darin; sie werfen Steine in die Höhe und diese fallen ihnen selber aus den Kopf. Wie oft überlistet Satan sich selbst und verbrennt sich die Finger an dem Feuer, das er für andre angezündet hat! Das wird ohne Zweifel eine der Ursachen sein, die die Hölle zwiefach unerträglich machen, dass die Menschen sich selber mit eben dem quälen werden, was sie einst mit boshafter Lust für andere erdacht hatten. Sie fluchen und fühlen die Flüche auf sich selber lasten; sie locken wider den Stachel und verwunden sich selbst; sie speien Feuer und Flammen und verbrennen sich selber innen und außen.

9. Aber meine Seele wird6 sich freuen (frohlocken) des Herrn . David sieht im Glauben sich befreit und die Feinde vernichtet und fühlt schon freudigen Dank sein Herz erfüllen. Er schreibt alle Ehre dem gerechten Richter zu, der den redlichen Herzen eine Befreiung schafft, und denkt nicht daran, seiner eigenen Tapferkeit und Heldenkraft den Weihrauch des Ruhmes zu opfern. Er kehrt sich von den Gegnern zu seinem treuen Gott und findet in Jahwe eine tiefe, durch nichts gestörte Freude, über der seine Seele aufjubelt. Und wird fröhlich sein über seiner Hilfe. Wir triumphieren nicht darüber, dass andre untergehen, sondern über die Errettung, die uns von Gott geschenkt wird. Gebetserhörungen sollen uns zu lobpreisendem Dank aufrufen. Es wäre gut, wenn wir unsere heilige Freude auch äußerlich mehr kundtäten; denn wir berauben Gott dessen, was ihm gebührt, wenn wir die Wallungen des Dankes im Herzen unterdrücken.

10. Als ob die Zunge zu schwach wäre, das Lob Gottes würdig zu singen, lässt David alle seine Glieder zu einem Chor lobpreisender Stimmen werden; Alle meine Gebeine müssen sagen; Herr, wer ist deinesgleichen? Der ganze wunderbare Organismus seines Körpers soll von Dank erklingen. Diese Gebeine, die die Feinde vergeblich hatten zerschmettern wollen (vergl. Ps. 34,21), sollen nun Gott preisen; jedes einzelne Glied soll ihm die Ehrenerweisung darbringen, indem es die unvergleichliche Herrlichkeit Jahwes, des Retters seiner Auserwählten, preist. Und wenn ich vor übergroßem Elend nur noch Haut und Knochen wäre, so soll doch dies Gerippe noch dich, Herr, preisen, der du den Elenden errettest von dem, der ihm zu stark ist, und den Elenden und Armen von seinen Räubern (wörtl. Einzahl: von dem, der ihn ausraubt). Gott ist der ritterliche Beschützer und Verteidiger aller Unterdrückten. Ihm, der so voller Herablassung, Gerechtigkeit, Freundlichkeit, Macht und Mitleid ist, sollen die erhabensten Lobgesänge ertönen. Lieber Leser, bist du nicht auch von Sünde, Tod und Satan, die dir zu stark waren, befreit worden und willst du nicht deinen Erretter preisen? Du warst elend und arm, warst hilflos den Räubern preisgegeben; da kam der Erlöser zur guten Stunde und machte dich los. O so lobe heute den Herrn und rühme seinen heiligen Namen!

11. Es treten falsche Zeugen auf,
die zeihen mich, des ich nicht schuldig bin.
12. Sie tun mir Arges um Gutes,
mich in Herzeleid zu bringen.
13. Ich aber, wenn sie krank waren, zog einen Sack an,
tat mir wehe mit Fasten
und betete von Herzen stets;
14. ich verhielt mich, als wäre es mein Freund und Bruder;
ich ging traurig wie einer, der Leid trägt über seiner Mutter.
15. Sie aber freuen sich über meinen Schaden und rotten sich;
es rotten sich die Hinkenden wider mich ohne meine Schuld;
sie zerreiben und hören nicht auf.
16. Mit denen, die da heucheln und spotten um des Bauchs willen,
beißen sie ihre Zähne zusammen über mich.
17. Herr, wie lange willst du zusehen?
Errette doch meine Seele aus ihrem Getümmel,
und meine einsame von den jungen Löwen.
18. Ich will dir danken in der großen Gemeinde,
und unter vielem Volk will ich dich rühmen.


11. Es treten falsche Zeugen auf. Das ist eine bei den Ruchlosen von alters her beliebte Tücke und wir dürfen uns nicht wundern, wenn sie, wie einst gegen unsern Meister, genauso auch gegen uns angewandt wird. Es fanden sich stets Leute, die gemein genug waren, gegen David ausdachte Anklagen zu erheben, um sich bei Saul dadurch in Gunst zu setzen. Wovon ich nichts weiß (mir nichts bewusst bin), fragen sie mich (aus). (Grundt.) Es war ihm nie in den Sinn gekommen, sich wider Saul zu empören, und er hatte unter den schwersten Umständen fast ängstlich an der Untertanentreue festgehalten. Dennoch suchten sie ihn durch allerlei verfängliche Fragen in ihr Netz zu verstricken, um ihn der Verschwörung gegen den Gesalbten des Herrn beschuldigen zu können. Sie suchten ihm durch ihre Kreuz- und Querfragen ein Eingeständnis der Schuld abzupressen, und doch war er nicht bloß unschuldig, sondern hatte nie auch nur einen Augenblick daran gedacht, die ihm zur Last gelegten Verbrechen zu begehen. Wohl uns, wenn unsre Hände so rein sind, dass auch keine Spur von Schmutz an ihnen haftet.

12. Sie tun mir Arges um Gutes. Das ist teuflisch; aber die Menschen gehen bei dem Erzbösewicht mit ausgezeichnetem Erfolg in die Schule und verstehen es meisterhaft, seine Lebensregeln auszuüben. Kinderlosigkeit, d. h. wohl: Vereinsamung, Verlassenheit, wurde meiner Seele (Teil). (Grundt.) Das war für David ohne Zweifel etwas vom Schwersten, dass er durch das Unglück, das die Feinde über ihn gebracht hatten, von allen denen getrennt war, die ihm einst Liebe erwiesen hatten. Delitzsch sagt: "Nicht allein, dass David seine Eltern nach Moab hatte flüchten müssen, auch Michal war ihm entrissen, Jonathan entzogen, entfremdet alle diejenigen an Sauls Hofe, die bisher die Gunst und Freundschaft des hochbegabten und hochgeehrten königlichen Schwiegersohns gesucht hatten."

Fußnoten
3. hxd heißt nicht wegstoßen (Luther), sondern: durch einen Stoß zu Fall bringen. Vielleicht ist mit der LXX. statt zu lesen. - Hupfelds Annahme, die Versteile 5b und 6b seien durch einen Abschreiber vertauscht worden, wird von den meisten neueren Auslegern befolgt. Das Verfolgen 6b passt in der Tat besser zu dem Zerstieben 5a, dagegen das Niederstoßen 5b besser zu dem finstern und schlüpfrigen Wege 6a. Siehe dazu auch Jer. 23,12. Wir haben daher bei der Bearbeitung der Auslegung ebenfalls die Umstellung nach Hupfelds Vorschlag vorgenommen.

4. "Ihr Netz, zu verderben" (Luther) ist falsch. Der masoret. Text lautet: Denn sie haben mir ohne Ursache verborgen (= heimlich gestellt) die Grube ihres Netzes (d. h. eine Grube, in der sie ein Netz ausgespannt haben), haben ohne Ursache gegraben meiner Seele. Da der Ausdruck "Grube ihres Netzes" seltsam ist, dagegen im zweiten Versgliede das Fehlen des Wortes Grube hart ist, empfiehlt es sich, mit den meisten neueren Auslegern (ähnl. schon der Syrer) Grube aus dem ersten ins zweite Versglied herüberzusetzen : Denn sie haben mir ohne Ursache heimlich ihr Netz gestellt, haben ohne Ursache meiner Seele eine Grube gegraben.

5. h)fO$ übersetzt Delitzsch im eisten Glied mit Verwüstung, im letzten mit Gedröhn: Mit Gedröhn falle er hinein, näml. in das Netz. Andere fassen es an beiden Stellen in der Bedeutung Verderben. Doch ist nicht zu übersetzen: zum Verderben, sondern: mit Verderben, von Verderben umfangen falle er hinein. Kautzsch übers.: Ins Verderben stürze er hinein; doch wird man dann (mit Bäthgen) fO$IbIa punktieren müssen.

6. V. 9.10 sind nicht mit Luther optativisch zu fassen, sondern entweder als logischer Nachsatz: So wird meine Seele usw., oder als Gegensatz: Aber meine Seele wird usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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13. Wie grell stach das Benehmen der Feinde von demjenigen ab, das David ihnen gegenüber bewiesen hatte. Ich aber, wenn sie krank waren, zog einen Sack, d. i. ein härenes Trauergewand,7 an. David hatte ein mitfühlendes Herz; er hatte herzlichen Altteil genommen, wenn Saul krank war oder sonst ein Leiden hatte (wofür die Krankheit hier wohl als Beispiel steht), und hatte Trauerkleider angezogen, als ob Saul ihm ein eng verbundener, teurer Freund wäre. Sein Herz war voll von Leid um seinen Gebieter und eben solche Liebe hatte er oft auch andern erwiesen, die ihm jetzt so schändlich vergalten. Tat mir wehe mit Fasten. Er kasteite seine Seele (wörtl.) für seine Feinde; er nahm im Überschwang der Liebe ihre Schuld auf seine eigenen Schultern, bekannte sie und demütigte sich ihrethalben, als wäre es seine eigene. Darin zeigte sich, wie hochherzig David war; umso schändlicher aber erschien die Gemeinheit dieser Elenden, die ihn jetzt so grausam verfolgten. Und mein Gebet kehrte in meinen Busen zurück. (Grundt.8 Er betete für seine Feinde! Aber ihnen fruchtete sein Gebet nichts. Dennoch ist kein ernstliches Gebet je verloren; gereicht es denen nicht zum Segen, für die es fleht, so kehrt es als Segen zu dem Fürbittenden selber zurück. Nicht immer rieseln die Wolken als befruchtende Schauer an dem Orte nieder, von wo die Dünste aufgestiegen sind, aber irgendwo kommen sie nieder; und so ergießen sich aus unsern Fürbitten, sei es über andere, sei es über uns selbst, Ströme des Segens. Findet unsere Taube keinen Ort, da ihr Fuß ruhen kann, so flüchtet sie an unsern Busen zurück, mit einem Ölblatt des Friedens im Munde. - Wie scharf zieht sich durch den ganzen Psalm der Gegensatz zwischen dem Gerechten und dessen Feinden. Auch wir dürfen die Scheidelinie nicht verwischen.

14. Ich hielt mich (wörtl.: ging einher), als wäre es mein Freund und Bruder, der da litt . In feierlich langsamem, leisem Schritt ging er einher; denn er empfand tief für den Leidenden. Vielleicht haben wir dabei besonders an die Zeiten zu denken, da David am königlichen Hofe lebte und durch sein Harfenspiel den bösen Geist von Saul verscheuchte. Ich schlich gebeugt, im Trauerauszug (wörtl.), wie einer, der Leid trägt über seiner Mutter. Die Wucht des Schmerzes bückte ihn tief nieder ; in dunklem Gewand, tränenvollen, ungewaschenen Antlitzes, Haar und Bart in wilder Unordnung, - so schlich er einher. Und das war keine Heuchelei, sondern es war das tiefe Mitleid, das in diesem Benehmen nach der Art der Morgenländer seinen natürlichen Ausdruck fand. Die Mutter gewinnt sich in der Regel die allertiefste Liebe und ihr Verlust wird am bittersten empfunden: solcherart war der Kummer, den David um den vom finstern Geist gequälten König empfand. Bei wie wenigen Gläubigen finden wir heute so tief gefühltes Mitleid! Und doch sollte unter dem Evangelium noch viel zärtlichere Liebe herrschen als unter dem Gesetz. Hätten wir mehr herzliche Liebe zu den Menschen und mehr Kummer um ihre zahllosen Leiden, so könnten wir viel nützlicher sein; jedenfalls wären wir dann dem Heiland ähnlicher. Solch innige Liebe würde uns auch zu treueren Betern machen.

15. Sie aber freuen sich, da ich nun wanke. (Grundt.) Dass ich am Zusammenbrechen bin, ist ihnen Wonne; ich bin in der größten Gefahr und Not, und sie stimmen Lieder an über meinen zu erwartenden Fall. Wie froh sind die Gottlosen, wenn sie einen guten Menschen wanken sehen! Jetzt, sagen sie, wird er stürzen, um nicht wieder aufzustehen! Und rotten sich. Sie sammeln sich um mich wie die Geier um ein verendendes Schaf. Sie sind darin eines Sinnes, dass sie sich an meinem Untergang freuen und au meinem Leid ergötzen; darum kommen sie zusammen, dies Fest zu feiern. Es rotten sich wider mich Herabgekommene und die ich nicht kenne. (Andere Übers.9 Solche, die die Peitsche verdienten, Elende, deren Fußsohlen die Bestrafung 10 nötig hätten, die kommen zusammen in Ecken und Winkeln; sie stecken die Köpfe zusammen, um Intrigen gegen mich zu ersinnen, und ihre Zungen, um Lügen und Lästerungen auf mich zu schleudern. Wie Hunde einen kranken Löwen anbellen, so höhnen und beschimpfen diese gemeinen Wichte nun den, dessen Name einst ihr Schrecken gewesen war. Die verkommensten Menschen eilten herbei, diese Rotte der Bösewichter zu vermehren. Wie einmütig sind die Ruchlosen; wie sind sie so von ganzem Herzen dabei, wo es gilt, dem Teufel einen Dienst zu tun, und keiner lehnt seine Dienste unter dem Vorwande ab, dass er keine großen Fähigkeiten habe! Sie zerreißen, nämlich mit Schmähreden, d. h.: sie lästern, und hören nicht auf. Es ist für verleumderische Menschen eine so wundervolle Arbeit, den guten Namen eines Biedermanns zu zerzausen, dass sie, wenn sie einmal daran sind, nicht leicht wieder aufhören. Eine Koppel Hunde, die ihre Beute zerfleischen, ist nichts im Vergleich zu einer Bande von Klatschmäulern, die den Ruf eines ehrenwerten Mannes durchhecheln. Dass die, die das Evangelium lieb haben, jetzt nicht wie in den Tagen der blutigen Maria und anderer Verfolger der Heiligen zerrissen , gefoltert und verbrannt werden, verdanken wir viel eher der göttlichen Vorsehung als der Milde der Menschen.

16. Wie Ruchlose, die da spotten um des Bauchs willen - oder wörtlicher (nach Delitzsch): In der Weise der Ruchlosesten unter den Kuchenwitzlingen - knirschen sie mit den Zähnen gegen mich. (Grundt.11 Gleich den Elenden, die aus dem Schwätzen ein Gewerbe machen und an der wohl besetzten Tafel über alles und jeden ihre boshaften Witze ergießen; gleich profanen Schmarotzern und Tellerleckern, denen die Ehre ihres Nächsten um einen Leckerbissen oder auch nur um ein Stück Brot feil ist, machten sie sich ein Geschäft daraus, über David Spott und Schimpf auszugießen, um sich an Sauls Tisch den Bauch füllen zu können. Nicht aus Übermut, sondern aus Niederträchtigkeit taten sie es. Neben den eigennützigen Absichten war es ihr Hass gegen David, der sie über ihn mit den Zähnen knirschen ließ: sie hatten bitteren Groll gegen den Sohn Isais in ihrem Herzen, und zwar, weil er besser war als sie.
Mit vollem Recht hätte der Herr Jesus die Worte dieses Verses mit Bezug auf seine Person brauchen können. Lasst uns nicht übersehen, wie er, der von den Menschen Verworfene und Verachtete, hier nach dem Leben gezeichnet ist. Es ist uns, als träte uns der Golgathahügel und das wüste Volk, das sich dort ums Kreuz scharte, vor Augen.

17. Herr (Adonai), wie lange willst du zusehen? Ist’s möglich, dass du solchem Treiben untätig zuschaust, als nähmest du keinen Anteil an alledem, was man deinem Knecht zufügt? Ist dir denn alles gleich? Fragst du nichts danach, dass die Deinen umkommen? - Dürfen wir so mit dem Allherrn reden? Ja, er erlaubt seinen Knechten sehr freie Sprache, wenn diese nicht aus dem Geist des Murrens kommt. Es gibt für unsere Befreiung eine fest bestimmte Zeit; aber unserer Ungeduld scheint sie oft sehr langsam herbeizukommen. Dennoch hat die vollkommene Weisheit die Stunde der Hilfe festgesetzt und nichts wird sie verzögern. Errette doch meine Seele12 aus ihren (der Feinde) Verwüstungen. (Grundt.13 Lässt du noch weiterhin meine Widersacher gewähren, so werden die Verstörungen, die jetzt über meine Seele ergehen, diese, d. h. mein Leben, völlig vernichten. Darum führe meine Seele zurück (wörtl.) aus dem Verderben, das sie schon umschlungen hat, rette sie, meine einzige (Grundt.14, von den jungen Löwen . Seine Feinde waren grimmig, listig und stark wie Löwen, die in der Vollkraft der Jugend stehen. Gott allein konnte ihn aus ihrem Rachen befreien: Zu ihm fleht er daher um Hilfe.

18. Ich will dir danken (dich preisen) in der großen Gemeinde . Wird uns eine außerordentlich große Befreiung zuteil, so verpflichtet uns die Dankbarkeit, es andern zu verkündigen und so den Preis des Herrn zu singen. Alle unsere Mitpilger sollen es wissen, wie gütig der Herr gegen uns gewesen ist. Dies Thema ist der größten Versammlung wert; die Erfahrungen der Gläubigen wären es würdig, dass das ganze Weltall zusammen käme und sie hörte. Die meisten Menschen sorgen reichlich dafür, dass ihre Leiden und Kümmernisse bekannt werden; Gottes Kinder sollten ihre Gnadenerfahrungen zur Ehre des Herrn kundmachen. Und unter viel Volks will ich dich rühmen. Unter Freunden und Feinden will ich den Gott meines Heils verherrlichen. Lob, persönliches, öffentliches, unaufhörliches Lob sollte dem himmlischen König Tag um Tag als williger Tribut dargebracht werden. So geht Davids Gebet zum zweiten Mal in Lobpreis aus, wie es bei jedem Gebet der Fall sein sollte.

Fußnoten
7. Dies Kleidungsstück hat seinen Namen zunächst daher, das es aus dem q&a genannten, wohl aus schmalen Ziegenhaaren gewebten und auch zu Säcken verwendeten groben Stoffe verfertigt ist

8. Diese Redewendung unterliegt sehr verschiedener Deutung. Wir führen einige an. 1) Luther versteht sie von dem wiederholten, immer wieder zum Herzen zurückkehrenden Gebet. Der Wortlaut ist dieser Auffassung nicht günstig. 2) Mein Gebet kehrte (wegen der Größe der Sünde meiner Gegner, Bar Hebräus) unverrichteter Dinge in meinen Busen zurück, wozu Riehm Mt. 10,13 vergleicht. 3)Mein Gebet (für sie) wurde mir vergolten (vergl. Ps. 79,12 u. Lk. 6,38). d. h., es ging - nicht an ihnen, aber - an mir in Erfüllung. Die beiden letztgenannten Auslegungen, dementsprechend auch die Auslegung Spurgeons, passen aber nicht in den Zusammenhang, da der Psalmist V. 14 fortfährt, anzuführen, was er für seine Feinde getan habe. - 4) Die meisten neueren Ausleger deuten die Worte auf die Gebärde des entweder aus mitleidsvoller Trauer oder in besonderer Inbrunst so mit tief hinabgebeugtem Haupte Betenden (vergl. Elia 1.Kön. 18,42), dass sich das Gebet gleichsam in seinen Busen ergießt.

9. Luther übersetzt Hinkende (im übertragenen Sinn, wozu vergl. 1.Kön. 18,21) nach 2. Samuel 4,4; 9,3; doch fehlt hier gerade der entscheidende Zusatz "an den Füßen" (nämlich: geschlagen). Manche übersetzen das Wort aktivisch: Schlagende = Lästerer, andere, so auch die engl. Bibel, sowie (mit einigen Variationen) Hengstenberg , Delitzsch, Schultz nach Kimchi: Geschlagene, d. h. heruntergekommene, verächtliche Menschen, die mit Schlägen behandelt werden (Hiob 30,8). Die Deutung ist ganz unsicher und die vorgeschlagenen Änderungen (z. B. Myrik:nf , Fremde) befriedigen wenig. Je nach der Deutung dieses Versteils können auch die folgenden Worte sehr verschieden gefasst werden. Delitzsch: und die ich nicht kannte, eben weil sie, als zur Hefe des Volks gehörend, meiner Beachtung unwürdig waren.

10. Stockprügelstrafe, besonders auf die Fußsohlen gegeben, bei den Türken üblich.

11. Die Sprache des Verses ist sehr dunkel.

12. Wörtl. bringe doch meine Seele zurück, was heißen kann: Errette mein Leben, oder, nach der sonst üblichen Bedeutung, aber hier mit prägnanter Konstruktion des Folgenden: Erquicke meine Seele (indem du mich rettest) von usw.

13. Grundt. Entweder: von ihren (der Feinde) Verwüstungen (Plur. von , V. 8.12), oder: von ihren Freveln (Plur. von )w:$f Frevel).

14. Siehe zu Ps. 22,21 S. 386 f.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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19. Lass sich nicht über mich freuen, die mir ungerechtfertigt Feind sind,
noch mit den Augen spotten, die mich ohne Ursache hassen!
20. Denn sie trachten Schaden zu tun,
und suchen falsche Anklagen gegen die Stillen im Lande;
21. und sperren ihr Maul weit auf gegen mich
und sprechen: "Da, da! Das sehen wir gerne."
22. Herr, du siehest’s, schweige nicht;
Herr, sei nicht ferne von mir!
23. Wache auf, wache auf zu meinem Recht
und zu meiner Sache, mein Gott und Herr;
24. Herr, mein Gott, richte mich nach deiner Gerechtigkeit,
dass sie sich über mich nicht freuen.
25. Lass sie nicht sagen in ihrem Herzen: "Da, da! Das wollten wir."
Lass sie nicht sagen: "Wir haben ihn verschlungen."
26. Sie müssen sich schämen und zuschanden werden alle,
die sich meines Übels freuen;
sie müssen mit Schande und Scham gekleidet werden,die sich gegen mich rühmen.
27. Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, dass ich Recht behalte,
und immer sagen: Der Herr sei hochgelobt,
der seinem Knechte wohl will.
28. Und meine Zunge soll reden von deiner Gerechtigkeit
und dich täglich preisen.


19. Lass sich nicht über mich freuen, die mir ungerechtfertigt (unter erlogenem Vorwand) Feind sind . David betet aufrichtig, dass seine Widersacher, wie sie für ihre Feindschaft keinen Grund haben, so auch keinerlei Grund haben mögen, über ihn zu frohlocken, was der Fall sein würde, wenn er in Torheit oder Sünde fiele oder in die Hand seiner Feinde gegeben würde. Noch mit den Augen spotten, die mich ohne Ursache hassen. Die Augen zusammenkneifen (wörtl.), d. h. mit den Augen zwinkern, blinzelt, einander zuwinken, das ist wohl eine niedrige Gebärde des Spottes, mit der die Gottlosen sich gegenseitig Glück wünschten, dass das Opfer ihres Hasses endlich dem Verderben anheim gegeben sei, und mit der sie zugleich ihrer Verachtung gegen ihn Ausdruck gaben. Hass erzeugen ist das Kennzeichen der Gottlosen, ihn unschuldig erleiden das Los der Gerechten. Gott ist seinem ureigensten Wesen nach der Beschützer aller, die Unrecht leiden, und der Feind aller Bedrücker.

20. Denn sie reden nicht (was zum) Frieden (dient). (Grundt.) Sie lieben den Frieden nicht; wie können sie denn "Frieden reden ?" Sie sind selber solche Störenfriede, dass sie sich gar nicht denken können, dass andere den Frieden lieben. Der Mund geht über von dem, wovon das Herz voll ist. Streitsüchtige Menschen beschuldigen stets andere der Streitlust. Und suchen falsche Anklagen gegen die Stillen im Lande, wörtl.: Und gegen die Stillen im Lande ersinnen sie trügerische Worte . David wäre gern ein ruhiger Bürger gewesen; aber sie taten alles, um aus ihm einen Aufwiegler zu machen. Nichts konnte er recht machen; jede seiner Handlungen wurde missdeutet. Es ist ein alter Kniff des Feindes, gute Menschen zu brandmarken, als ob sie Anstifter von Aufruhr wären, obwohl sie stets harmlose Lämmer unter Wölfen sind. Wer andere in Schaden und Schande bringen will, kann es schnell tun. Gewissenlose Parteihäupter brachten es sogar zu Stande, Jesus anzuklagen, als ob er den Kaiser stürzen wollte; wie viel mehr wird man seine Anhänger solcher Dinge beschuldigen! Auch heute noch werden diejenigen, die sich für die Kronrechte ihres Königs Jesus wehren, mit allen erdenklichen Anklagen überhäuft.

21. Und sperren ihr Maul weit auf gegen mich , - als wollten sie mich verschlingen. Sie sprachen große Lügen aus; dazu bedurften sie in der Tat eines großen Mauls. Sie setzten ihrem ehrlosen Verdächtigen weder Maß noch Ziel und trieben den Handel mit Lügen im Großen, nach dem alten Sprichwort: Calumniare audacter, semper aliquid haeret, d. h.; Verleumde nur unverzüglich, etwas bleibt immer hängen. Und sprechen; "Ha, Ha! Wir haben’s mit eigenem Auge gesehen!" (Grundt.15 Es macht ihnen ungeheure Freude, wenn sie an ihrem Nächsten einen Fehler entdecken können oder ihn im Unglück erblicken. Leichten Sinnes schwören sie, mit eigenem Auge Unrecht gesehen zu haben, wo doch kein Unrecht war. Die Bosheit hat nur ein Auge; sie ist blind gegen alle Tugenden dessen, den sie hasst. Was man sehen will, kann man meist auch sehen. Wer Flecken im Auge hat, sieht Flecken auch in der Sonne. Wie ähnelt der Mensch einem Esel, wenn er über eines anderen Unglück ein Geschrei erhebt, und wie sehr einem Teufel, wenn er mit Hyänenlachen sich über den Fehltritt eines rechtschaffenen Mannes lustig macht! Bosheit ist Verrücktheit, und wenn sie ein Fest feiert, so überbietet sie in Reden und Gebärden selbst die Launen und Torheiten eines Hofnarren.

22. Du hast’s gesehen, Herr. (Grundt.) Welch ein Trost! Unser himmlischer Vater weiß um alle unsre Not. Gottes Allwissenheit ist das Licht, das dem Gläubigen auch in der dunkelsten Nacht leuchtet. Ein Vater kann nicht lange zusehen, wie sein Kind gequält wird. Sollte Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten? (Lk. 18,7.) Schweige nicht! Rüge die Feinde; sie sind ja sowohl deine als auch meine Widersacher. Ein Wort deiner Allmacht genügt. Rechtfertige meine Unschuld und tröste mein Herz. Herr (Adonai), sei nicht ferne von mir! Im Feuerofen wandle du mit mir, am Pranger stehe mir zur Seite. Die süße Empfindung der Nähe Gottes ist die köstlichste Stärkung derer, die Verfolgung leiden, wie es anderseits ihr tiefster Jammer wäre, wenn sie Gott von sich fern wüssten.

23. Wache auf. Zeige deine Kraft. Beweise, dass du solchen Niederträchtigkeiten nicht gleichgültig zusiehst. Und wache auf zu meinem Recht. Nimm das Zepter und setze dich auf den Richterstuhl, dem Recht zum Siege zu helfen und die Bedrückung zu rächen. Zögere nicht, wie es schläfrige Menschen tun. Und zu meiner (Streit-) Sache, mein Gott und Herr (Adonai). David macht sein trautes Verhältnis zu seinem Gott und Meister geltend; er klammert sich mit beiden Händen an den Allherrn des Himmels und der Erde als an seinen Gott fest; er übergibt seine Sache dem gerechten Richter. Er bittet, dass sein Rechtsstreit vor Gericht komme, seine und der Feinde Anklagen gehört und untersucht und das Urteil gefällt werden möge. Wohl dem, dessen Gewissen so rein ist, dass er sich so auf Gottes Bericht berufen kann.

24. David wiederholt die Aufforderung an den himmlischen Richter, seinen Rechtshandel zu entscheiden. Schaffe mir Recht nach deiner Gerechtigkeit, Herr, mein Gott, und lass sie nicht sich über mich freuen. (Grundt.) Er weiß, dass es mit der Freude derer, die ihn so frevelhaft beschuldigen, schnell aus sein wird, sobald die unparteiische Gerechtigkeit die Sache in die Hand nimmt. All das Unrecht der Unterdrücker, all der Hohn der Stolzen, all das Gesichterschneiden der Narren, - alles wird ein Ende haben, wenn der gerechte Gott sich auf den Richterstuhl setzt.

25. Dass sie nicht sagen in ihrem Herzen; "Da, da! Das wollten wir. " Lass sie nicht sagen: "Wir haben ihn verschlungen!" Gewähre ihnen ihre Mordlust nicht. Lass sie bitter enttäuscht werden, indem du ihnen die Beute in dem Augenblick entreißest, da sie sie verschlingen wollen. Die Auserwählten sind ein zu kostbarer Bissen für die Feinde des Herrn. Gott wird seine Schafe nicht dem Rachen der Wölfe überlassen. Gerade wenn die Verfolger ihre Pfeifen schon an die Lippen setzen, um den Sieg zu feiern, wird sich ihr Lachen in Weinen verkehren. Sie sind ihrer Sache ganz gewiss und prahlen gewaltig; aber sie machen die Rechnung ohne den Wirt; sie lassen sich’s nicht träumen, welch ein Ende es mit ihren Intrigen nehmen wird. Der Vogel wird entwischt sein und sie selber werden in der Schlinge stecken. Die Bitte dieses Verses ist eine Verheißung. Die Gottlosen sollen, sogar noch ehe sich ihr Mund zum hochmütigen Prahlen öffnen kann, der jämmerlichsten Enttäuschung anheim fallen. Was sie triumphierend über andere ausrufen wollten, soll von ihnen selber gelten und die ganze Bosheit ihrer Schurkenstreiche offenbar werden.

26. Sie müssen sich schämen und zuschanden werden alle, die sich meines Unglücks freuen; sie müssen mit Schande und Scham gekleidet werden, die gegen mich groß tun. (Grundt.) Dieser Vers zeigt uns das endgültige Ergebnis all der so mühsam und hinterlistig ersonnenen und ins Werk gesetzten Ränke der Feinde des Herrn. Gott wird die Widersacher klein machen, obwohl sie so groß tun gegen den geringen Knecht des Herrn; er wird sie mit ewiger Schmach bedecken, weil sie die Seinen so geschmäht haben. Ihr feines Gewand wird er ihnen ausziehen und sie in das Bettlerkleid der Schande hüllen und alle ihre Schadenfreude und ihren Siegesjubel wird er in Weinen, in Heulen und Zähneknirschen verwandeln. Wahrlich, die Gläubigen können wohl eine Weile warten!

27. Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, dass ich recht behalte. Selbst diejenigen möchte David von Gott reichlich belohnt wissen, die ihm nicht tätige Hilfe erzeigen konnten, aber in ihren Herzen an Davids Gerechtigkeit Gefallen hatten (wörtl.) und sehnlich wünschten, dass diese an den Tag gebracht werde. Zartfühlende Leute halten große Stücke auf die guten Wunsche und Gebete des Volkes Gottes. Auch der Herr Jesus schätzt diejenigen wert, deren Herz für seine Sache schlägt. Der Tag naht, wo alle, die auf des Herrn Seite stehen, in lauten Siegesjubel ausbrechen werden; denn der Kampf wird im Sieg enden und alle Feinde der Wahrheit werden in die Flucht gejagt werden. Und immer sagen: Der Herr sei hochgelobt, oder: Groß ist der Herr . David möchte die Freude der Rechtschaffenen dem Ruhm Gottes dienstbar machen; nicht zu seiner, sondern zu Jahwes Ehre sollen sie jauchzen. Solche Freudenrufe geziemt es sich wohl immerdar, durch Zeit und Ewigkeit, fortzusetzen. Der seinem Knechte wohl will, wörtlich: der an der Wohlfahrt seines Knechtes Lust hat . Sie erkannten David als den Knecht des Herrn an und sahen mit Freuden, welch reiche Huld Gott ihm bewies. Einen größeren Ehrentitel können wir nicht haben als den eines Knechtes Gottes und keine größere Belohnung als die, dass unser Meister an unserm leiblichen und geistlichen Wohlstand seine Lust hat . Was uns wirklich zur Wohlergehen dient, das zu beurteilen sind wir nicht immer imstande. Wir müssen es dem Herrn überlassen; er wird alles so leiten, dass es zu unserem wahren Besten dient.

28. Und meine Zunge soll reden (wörtl.: sinnen) von deiner Gerechtigkeit und dich täglich preisen. Der Sänger schließt, indem er den gerechten und gnädigen Gott ohne Unterbrechung und ohne Aufhören zu preisen gelobt. Den ganzen Tag (wörtl.), vom Morgen bis zum Abend, und einen Tag wie den anderen soll das Herz sinnen und die Zunge in dankbarer Liebe reden und singen von der Gerechtigkeit des Herrn und Gottes Ruhm kundtun. Wie herrlich wäre es, wenn dieser Entschluss von uns allen ausgeführt würde!

Fußnote
15. Der Grundtext lautet wörtlich: "Ha, ha! Gesehen hat unser Auge", wozu fast alle Ausleger ergänzen: was wir zu sehen gewünscht haben, nämlich das Unglück des Gehassten. Vergl. Luthers Übersetzung, sowie V. 25 und die Parallelstelle Klagl. 2,16.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. David redet in diesem Psalm als der Gesalbte des Herrn. Es sind schreckliche Worte, aber sie sind der Weheruf des Gerechten über die, die ihn grundlos hassen, und haben somit typische Bedeutung, wie V. 19, verglichen mit Joh. 15, 25, zeigt. In alle Ewigkeiten wird der Herr Jesus den Ruhm des Vaters verkündigen und großen Nachdruck auf seine Gerechtigkeit legen - jene Gerechtigkeit, die sich dann in ihrer ganzen Fülle erwiesen haben wird, sowohl in dem Untergang derer, die den Messias gehasst, als auch in der Errettung derer, die ihn angenommen haben. In der Ewigkeit werden unsere jetzt so unvollkommenen Begriffe von Gerechtigkeit klarer und tiefer sein. Dann werden wir ganz verstehen, warum z. B. Samuel den Agag in Stücke hauen oder die Israeliten auf Gottes Gebot die Kanaaniter mit Weibern und Kindern ausrotten mussten. Dann werden wir mit solchen Worten, wie David sie in diesem Psalm ausspricht, vollkommen einverstanden sein und sogar über dem Rauch, der von der Stätte der Qual aufsteigt, ein Amen, Halleluja (Off. 19,1 ff.) anstimmen können. Und inzwischen sollten wir im Stande sein, die Worte dieses Psalms in dem Sinn, in welchem der Richter sie braucht, zu billigen, in dem Bewusstsein, dass wir einst mit Christus über die Welt richten werden (1.Kor. 6,2). Andrew A. Bonar 1859.

Davids Worte wollen auch mit Davids Geist gebraucht sein. K. H. Rieger † 1 791.

V. 1. Herr, hadere mit meinen Widersachern usw. Verurteilt dich die Welt wegen deines Eifers für Gottes Sache? Höhnt sie dich, weil du dich guter Werke befleißigst? Scheut sie sich nicht, dich deswegen mit Schmähungen zu überhäufen, als wärest du ein eingebildeter Sonderling, ein skrupulöser Kleinigkeitskrämer, ja ein Heuchler? O so mach dir nichts daraus, lass dich in deinem lobenswerten Tun nicht entmutigen; denn Gott ist dein Richter (1.Kor. 4,4). Wenn dich nur dein Gewissen nicht verklagt und du dir bewusst bist, in allem, was du tust, ausschließlich Gottes Ehre zu suchen und deiner Seelen Seligkeit zu schaffen. Oder bist du vor den irrenden Gerichtshöfen der Menschen ungerecht verurteilt worden? Sind Wahrheit und Gerechtigkeit von ihren Thronen gewichen? Hat man Billigkeit und Unparteilichkeit außer Acht gelassen und dir die Armut als Schuld angerechnet? So habe ein wenig Geduld, ermuntere deine zagende Seele, sei getrost: Es gibt einen Gott, der um deine Unschuld weiß und an den du dich als an den höchsten Richter wenden darfst mit der Bitte: Führe du meine Sache, Herr, und hadere mit meinen Widersachern . Oder schaden böse Menschen dir in anderer Weise und findest du in deinem ärmlichen Stand keinen Helfer? Bedrückt dich ein Nimrod? Betrügt dich ein Laban? Bedrängt dich ein gewissenloser, habsüchtiger Hausherr? Dann suche dennoch nicht dir auf unerlaubte Weise selber Recht zu schaffen und wirf dich nicht zum Richter deiner eignen Sache auf, sondern erinnere und tröste dich mit dem, was der Apostel den Thessalonichern schreibt: Es ist recht bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Trübsal anlegen (2.Thess. 1,6). Isaac Craven 1630.

V. 3. Der Spieß war zu Sauls und Davids Zeiten eine sehr beliebte Waffe (vergl. 1. Chr. 11). Ein tapferer Krieger konnte mit ihm wohl eine Weile einen Engpass verteidigen und so die Feinde zurückhalten und seinen Kampfgenossen Zeit geben, sich zu sichern. Aus den morgenländischen Kriegen werden verschiedene solcher Proben hervorragender Tapferkeit berichtet. Davids Bitte ist, dass Gott ihm solch ein heldenmütiger Verteidiger werde. C. H. Spurgeon 1870.

Sprich zu meiner Seele. Gott spricht uns auf mancherlei Weise Trost zu. 1)Durch seine Stimme. So zu Abraham: Fürchte dich nicht, denn ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn (1. Mose 15,1). Wenn Gott uns Trost zuspricht, dann mag die Hölle wüten. 2) Durch seine Taten . Besondere Gnadenerfahrungen verkündigen uns sein Wohlgefallen und versichern uns, dass wir dem Verderben nicht anheim fallen sollen. (Ps. 41,12.) 3) Durch seinen Sohn. (Mt. 11,28.) 4) Durch die heilige Schrift. Sie ist Gottes Brief an uns, sein Rechtsbrief, worin uns alle Vorrechte der Erlösung zugesichert sind. 5) Durch seine Diener, denen er "den Dienst der Versöhnung" gegeben hat (2.Kor. 5,18). 6) Durch seinen Geist, den Tröster. Gott hat gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! (Gal. 4,6.) Durch alle diese Stimmen spricht Gott zu seinen Auserwählten: Ich bin deine Hilfe, dein Heil . - Sprich zu meiner Seele. Die Gewissheit, dass Gott einige erretten werde, bringt uns noch keinen Trost, wenn wir nicht wissen, dass wir zu diesen gehören. Was nützt es einem armen Heimatlosen, durch die schönen Straßen der Stadt zu wandern und die prächtigen Gebäude zu bewundern, wenn er nicht sagen kann: Hier ist mein Heim? So gewährt uns auch die Herrlichkeit des oberen Jerusalem mit seinen Perlentoren und goldenen Gassen keinen Trost, es sei denn, dass wir mit Paulus (Phil. 3,20) sprechen können: Unsere Heimat ist im Himmel. Darum lasst uns mit David bitten: Herr, sprich zu meiner Seele; Ich bin dein Heil. Jedes Wort ist wichtig. Vom Herrn erbittet David solches, und er hat damit eine gute Wahl getroffen; denn unser Heil stehet allein bei ihm (Hos. 13,9). Die Welt vergeht, das Fleisch verwelkt, der Satan ist ein Mörder; der Herr allein errettet. Hilfe, Heil, Erlösung erfleht David. Dem Saul gab Gott ein Königreich, dem Judas ein Apostelamt; aber "Ich bin dein Heil " spricht Gott nur zu seinen Auserwählten. "Ich bin dein Heil." Dem in Gefangenschaft schmachtenden Israel war es schon ein Trost, dass Gott verhieß; "Ich will dich erlösen"; aber die Versicherung, die das Herz völlig stillt, lautet; "Ich bin deine Erlösung." Die Hoffnung, die sich verzieht, ängstigt das Herz (Spr. 13,12). Darum sollen wir, wessen immer Gott uns zu versichern zögern mag, ihn bitten, uns jetzt doch darüber Gewissheit zu geben, dass er unser Heil ist. Thomas Adams 1614.

V. 4-8.26. Solche Bitten um Rache finden wir hauptsächlich in vier Psalmen, nämlich im 7; 35; 69; 109 , in welchen die Verwünschungen allerdings eine schreckliche Stufenleiter bilden. In dem letztgenannten Psalm zählt man ihrer nicht weniger als dreißig. Was haben wir von diesen so genannten Rachepsalmen zu halten? Sind sie lediglich der Ausbruch eines leidenschaftlichen, unheiligen Sinnes oder sind sie der berechtigte Ausdruck eines gerechten Unwillens? Stammen sie aus dem Geiste eines Elia, der zwar nicht unheilig, aber von der Sanftmut Christi doch weit entfernt ist? Mit einem Wort, sind sie nur jüdisch oder dürfen sie auch als christlich gelten? Viele Leute fühlen sich bekanntlich von diesen Psalmen förmlich abgestoßen. Wieder andere suchen sich mit ihnen auszusöhnen, indem sie alle diese Stellen nicht als Ausdruck eines Wunsches, sondern als Voraussagungen betrachten (dem steht entgegen, dass im hebräischen Urtext nicht das Futurum, sondern der Optativ steht) oder indem sie alle diese Verwünschungen auf geistliche Feinde, mit denen die Seele zu kämpfen habe, beziehen (dem widerspricht der klare Wortsinn) oder indem sie dieselben als Zeichen des gerechten Eifers um Gottes Ehre verteidigen und uns vorhalten, dass wir, wenn wir solchen Eifer ablehnten, dies nicht täten, weil unsere Religion etwa reiner, sondern weil unser Herz kälter sei.
Allen diesen Schwierigkeiten liegt eigentlich der Mangel an Verständnis des Unterschiedes zwischen dem Alten und dem Neuen Testament zu Grunde. Das jüdische Volk lag in beständigem Kampf mit dem es umgebenden Götzendienste und musste daher eine strenge Schule durchmachen, in der notwendigerweise kein Raum vorhanden war für unsere modernen Begriffe von Glaubensfreiheit oder religiöser Duldung Andersgläubiger. Darum herrscht auch im Alten Testament durchweg der Geist eines Elia. Anders im Neuen Testament. Da durfte und konnte jener eisernen Strenge die wohltuende Milde und weitherzige Liebe folgen, die so schön spricht; "Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten." Wer diesen grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Bündnissen leugnet, der erhöht damit nicht Mose, sondern erniedrigt Christus. Daran ändert auch nichts, dass sich sowohl im Alten Testament vereinzelte Stellen vorfinden, in denen, wie z. B. 3. Mose 19,18, die Rachsucht verboten ist, als auch umgekehrt im Neuen solche, die, wie 2.Tim. 4,14 und Apg. 23,3 , Verwünschungen enthalten. Immerhin dürfen auch diese nicht mit den alttestamentlichen auf eine Stufe gestellt werden. Vollends gehören die Weherufe des Heilandes, die Hengstenberg zum Vergleich herbeizieht, gar nicht hierher, weil sie sich nicht an einzelne Personen wenden, sondern lediglich Variationen zu der großen Wahrheit bilden: So ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle gleich also umkommen (Lk. 13,3.5). Anderseits dürfen wir nicht vergessen, dass nicht persönliche Rachsucht den Psalmisten so reden lässt, sondern der Eifer für Gottes Sache, indem seine Feinde eben Gottes Feinde sind. Endlich kannte das ganze Alte Testament nur die Erde als die Stätte, wo sich Gottes Gerechtigkeit offenbaren müsse. Und diese Gerichtsoffenbarung dachten sie sich wiederum nicht anders als in der Erhöhung der Gerechten und in der Vertilgung der Gottlosen. Wie sehr sie dieses Problem der göttlichen Gerechtigkeit beschäftigt hat, ersehen wir aus zahlreichen Stellen in den Psalmen. Die Schrecken der zukünftigen Welt waren größenteils vor ihrem Auge verborgen. Hätten sie um diese gewusst, so hätten sie nicht gebetet; "Der Engel des Herrn verfolge sie", sondern mit unserm gekreuzigten Heiland gesprochen: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." J. J. Stewart Perowne 1864.

Wie sehr David von aller niedrigen, persönlichen Rachsucht sowohl vor als auch nach seiner Thronbesteigung frei war, ergibt sich zur Genüge aus seinem edeln Benehmen Saul und Simei gegenüber. Wie sollte er sich dieser Sünde in diesem Psalm teilhaftig machen, der in jedem Vers Gemeinschaft mit Gott atmet! William Binnie 1870.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps35

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Erläuterungen und Kernworte

V. 6. Ihr Weg müsse finster und schlüpfrig werden. Ein schrecklicher Weg ! Schon Dunkelheit, wer fürchtet sie nicht? Und einen schlüpfrigen Weg, wer meidet ihn nicht? Wo aber beides zusammentrifft, wie willst du da gehen, wo den Fuß hinsetzen? Diese beiden Übel sind es vor allem, womit die Menschen gestraft werden: Dunkelheit, d. h. Unwissenheit; ein schlüpfriger Weg, d. h. Wollust. Und als ob es daran nicht genug sei, soll sie der Engel des Herrn verfolgen! Aurelius Augustinus † 430.

V. 10. Die Redeweise Davids ist hyperbolisch. Aber dass er sogar seine Sehnen und Knochen in Gottes Dienst stellen will, beweist am besten die Aufrichtigkeit und Herzlichkeit seiner Liebe zum Herrn. Jean Calvin † 1564.

Während in der heiligen Schrift (im Grundtext) die Gemütsbewegungen in der Regel in die Eingeweide, die weichen inneren Teile, verlegt und die Knochen nicht als davon berührt gedacht werden, wird an zwei Stellen, nämlich hier und Ps. 51,10, auch den letzteren die Fähigkeit, sich zu freuen, zugeschrieben. Dass jede Gemütserregung auf die inneren Teile des Leibes einen Einfluss ausübt, spürt jeder; aber dass dieser Einfluss sich sogar auf die Knochen erstrecke, entzieht sich unserer Wahrnehmung. [ ? - Vergl. Jer. 23,9 . ] Der Ausdruck ist daher dichterisch und soll andeuten, dass die Wonne, die David voraus empfindet, das Maß aller gewöhnlichen Freude weit übersteigen werde. Doch ist es mir nicht zweifelhaft, dass dieser dichterischen Rede gleichwohl Wahrheit zu Grunde liegt; denn obwohl wir es nicht merken mögen, nimmt doch gewiss jedes kleinste Teilchen unserer Muskeln und Knochen an unsern Gemütserregungen in gewisser Weise Anteil, ebenso wie die zarteren Teile, bei welchen diese Mitleidenschaft stärker empfunden wird. - Gedanken C. H. Spurgeons, angeregt durch eine Stelle der biblischen Psychologie von Prof. D. Franz Delitzsch.

V. 11. Warum stopft Gott nicht den Verleumdern seines Volkes den Mund und warum wehrt er nicht ihren Lügen? Antwort: Gott lässt es zu, weil er auch dies den Seinen zum Besten lenkt und dadurch die Hoffnungen der Gottlosen vereitelt. Wie Joseph zu seinen Brüdern, so können wir zu solchen, die Gottes Kinder schmähen, sagen; "Ihr gedachtet es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen." Die Verleumdungen können uns nicht schaden, sondern nur nützen, und dieser Nutzen ist ein fünffacher: Erstens ist die Verleumdung in Gottes Hand ein Mittel, uns zu demütigen und zur aufrichtigen Selbstprüfung zu veranlassen. Zweitens will Gott uns damit auf die Knie, ins Gebet, treiben. Siehe an David, wie die Not ihn so meisterlich beten gelehrt hat. Drittens gebraucht Gott die falschen Vorwürfe der Gottlosen oft gerade als vorbeugende Warnung, die uns vor eben der Sünde bewahrt, deren wir grundlos angeklagt werden. Die bösen Zungen mahnen uns, doppelt auf unsrer Hut zu sein und auch den bösen Schein zu meiden. Viertens stellt Gott uns damit auf die Probe, ob wir unter allen Umständen an ihm hangen. (Vergl. in Ps. 44 V. 15-17 mit V. 18.) Fünftens lehrt er uns damit, andere, die fälschlich angeklagt werden, in ihrem Leid verstehen und trösten und uns zu ihnen bekennen. Zephaniah Smyth 1647.

V. 12. Sie tun mir Arges um Gutes. Dafür, dass David den Goliath erschlagen und die Zehntausende der Philister in die Flucht geschlagen und damit seinen König und sein Land errettet hatte, wurden Saul und seine Höflinge auf ihn neidisch und suchten ihn zu töten. Nicht anders, nur viel schlimmer, erging es Jesus, der nur Gutes tat und zum Dank dafür gekreuzigt wurde. D. John Gill † 1771.

V. 14. Wie einer, der Leid trägt über seiner Mutter. Infolge der morgenländischen Vielweiberei hängen die Söhne in der Regel viel mehr an der Mutter als am Vater. Diesen haben sie mit einer ganzen Schar von Halbbrüdern gemein, denen sie oder die ihnen missgünstig gesinnt sind. Die Mutter dagegen gehört ihnen allein, bei ihr sind sie in der Kindheit und sie nimmt ihre Partei in den zahlreichen Zänkereien des Harems; so lieben sie die Mutter denn auch innig, wenn sie erwachsen sind, und betrauern ihren Tod aufs Bitterste. Unter den nächsten Blutsverwandten, um die die Priester Leid tragen durften (3. Mose 21,2), steht die Mutter an erster Stelle. C. H. Spurgeon 1870.

V. 15. Es gibt kaum einen stärkeren Erweis einer ruchlosen Gesinnung, als wenn jemand sich freut, weil andere im Elend sind. Schadenfreude zieht Strafgerichte Gottes herab. (Vergl. Spr. 17,5.) Thomas Brooks † 1680.

V. 16. In der Weise der ruchlosesten schmarotzenden Witzlinge. (Wörtl.) Es gibt Leute, die keine Kurzweil haben können, ohne auf Kosten der heiligen Schrift; und wenn sie sich eine vergnügte Stunde bereiten wollen, müssen die Frommen herhalten! Wenn sie ihre profanen Witze über die Bibel und die Gottesfürchtigen am Biertisch loslassen können, dann sind sie wohlauf. Die Fertigkeit entwickeln sie in ihren schändlichen Anspielungen und Verleumdungen! Ihre Sprache verrät sie als Kinder der Hölle. Solche Leute, die alles sittlichen Ernstes bar sind, so dass sie aus der Sünde einen Scherz machen und über die Frömmigkeit anderer ihre Witze reißen, sind für die rettende Kraft des Evangeliums am unzugänglichsten. Der Herr wird sie zu seiner Zeit heimsuchen, denn er weiß, wer die sind, die ihn so verunehren, indem sie die Seinen tadeln und verspotten. Oliver Heywood † 1702.

V. 17. Meine einsame, oder einzige von den jungen Löwen. Als Daniel in die Löwengrube geworfen war, war er buchstäblich in der Lage, worin sich in geistlichem Sinn David befand. Der Psalmdichter war umringt von heißgierigen und grausamen Feinden, die eher Bestien als Menschen glichen, und er war hilflos, ohne eine andere Waffe als das Gebet und ohne einen Helfer außer dem Herrn. Gottes Kinder können in der Tat den Löwen der Hölle ausgesetzt sein und ihr Brüllen kann sie arg erschrecken; aber wenn ihnen ihre Seele als die "einzige" (Grundt.) teuer ist, so ist sie es Gott nicht minder und darum wird er sie erretten. C. H. Spurgeon 1870.

V. 21. Ha, Ha! Wir haben’s mit eigenem Auge gesehen. (Grundt.) Wie häufig geschieht es, dass die verkommensten Sünder sich zur Beschönigung ihrer Laster auf die Schwächen und Fehltritte der Frommen berufen. So sieht der gewohnheitsmäßige Trinker den gerechten Noah als einen Zechbruder an, wodurch er dessen Blöße in noch ärgerer Weise aufdeckt, als selbst Ham es tat; und der Wollüstling beruft sich auf David und macht ihn zum Schutzpatron seiner Ausschweifungen. Wenn irgendetwas die vollkommene Freude der Seligen im Himmel trüben könnte, wäre es sicherlich der Kummer darüber, dass ihr Name und ihr Beispiel von den Ruchlosen zur großen Verunehrung Gottes dazu missbraucht werden, deren Laster und Gottlosigkeiten zu rechtfertigen. Aber mögen die Gottlosen wissen, dass Gott die Gläubigen mit ihren Fehlern nicht als Vorbilder der Sünde, sondern als Denkmale seiner Gnade hingestellt hat, woran er gebeugten, bußfertigen Sündern zeigen will, wie große Sünden er vergeben könne. Bischof D. Ezekiel Hopkins † 1690.

Wer sich über das Straucheln seines Nächsten freut, frohlockt über des Teufels Siege. Bischof Ambrosius † 397.

V. 23. Mein Gott und mein Herr (Adonai). Das war der Ruf des Thomas, als er die Wundenmale Jesu sah. Wenn er damit den Heiland nicht für göttlich erklärte, so wollte auch David hier Jahwe keine Göttlichkeit zuschreiben ; denn es besteht kein Unterschied zwischen beiden Ausrufungen, außer dass die Reihenfolge der Worte umgekehrt ist. Der Sinn ist gleich. Wie herrlich sind diese Worte, die sozusagen mit ihren beiden Augen Jahwe von zwei Gesichtspunkten aus, und doch nur einem, beschauen, ihn in dem zweifachen mein mit zwei Händen erfassen und sich vor ihm auf beide Knie niederlassen, um ihn in tiefster Ehrfurcht anzubeten. Wohl kann James Nouet (1847) bei der Erklärung der Worte des Thomas ausrufen: O du köstliches Wort, dich will ich in Herz und Mund haben mein Leben lang, dich will ich stammeln in der Stunde des Todes, dich will ich singen in Ewigkeit. C. H. Spurgeon 1870.

V. 24. Jahwe, mein Gott. Hier haben wir einen andern köstlichen Ausruf. David erklärt, dass Jahwe sein Gott sei, im Gegensatz zu denen, die die Götzen oder den Mammon oder ihre Lüste zu ihrem Gott machen. Er erhebt Anspruch auf die vollkommene Fülle dessen, der da heißt: Ich bin. Obwohl Gott ihm in diesem Psalm vornehmlich als Richter vor Augen steht, legt er doch die Glaubenshand auf ihn als seinen Gott und weicht selbst vor der Flamme seiner Gerechtigkeit nicht. Es ist ein edles Wort, ein großer Ausspruch des Glaubens. Wer dies Wörtlein mein in solcher Verbindung von ganzem Herzen brauchen kann, mag wohl über seine Feinde hohnlachen. C. H. Spurgeon 1870.

V. 25. Lass sie nicht sagen: "Wir haben ihn verschlungen." Und selbst wenn sie ihn verschlingen könnten, wie der Walfisch den Jona, so würde ihnen dieser Bissen schlecht bekommen. Die Bosheit der Hölle könnte ein lebendiges Gotteskind noch eher verschlingen als verdauen. C. H. Spurgeon 1870.

V. 26. Wer die Wünsche und Flüche, die hier in Davids und in Christi Namen gesprochen sind über die Feinde und Anhänger Satans, über seine Feinde gebrauchen will, der bedenke, ob er auch zuvor die Geduld bewiesen V. 12.13.14. Friedr. Chr. Oetinger 1775.

V. 28. Dich täglich, wörtlich: den ganzen Tag, preisen . Seht, da ich jetzt meine Rede etwas lang gemacht habe, seid ihr schon müde. Wer hält es aus, Gott den ganzen Tag zu preisen? Ich will dir ein Mittel angeben, kraft dessen du Gott den ganzen Tag preisen kannst, wenn du willst. Was immer du tust, tu es recht, so preist du damit Gott. Wenn du ein Loblied anstimmst, so preist du Gott; aber was tut deine Zunge, wenn dein Herz nicht auch Gott preist? Hast du zu singen aufgehört und sinnst du auf Erholung? Sei nicht unmäßig, so hast du Gott gepriesen. Hast du dich schlafen gelegt? Erhebe dich nicht, Böses zu tun, so hast du Gott gepriesen. Gehst du ans Geschäft? Tu kein Unrecht, so hast du Gott gepriesen. Bestellst du deinen Acker? Veranlasse keinen Streit und du hast Gott gepriesen. Mit der Reinheit deines Tuns Gott den ganzen Tag zu preisen sollst du dich bestreben. Aurelius Augustinus † 430.

Homiletische Winke

V. 1. Jesus unser Sachwalter und unser Vorkämpfer; unser Freund am Gerichtshof des Himmels und in den Kämpfen der Erde.
V. 2. Jesus, der kampfbereite Held, der Beschützer seiner Getreuen.
V. 3. Wie der Herr die Feinde (auf Spießeslänge) von uns abhält und welche segensreichen Folgen dies für uns hat.
V. 3b. Volle Heilsgewissheit. Eine bestimmte, persönliche, geistliche, göttliche Zusicherung, in dieser Zeit durch ein Wort Gottes uns gegeben.
V. 4. Das ewige Zuschandenwerden des Teufels und aller, die mit ihm dem Volke Gottes nach dem Leben trachten.
V. 6. Der Schreckensweg der Gottlosen.
Drei Gefahren auf dem Wege der Gottlosen; Ihr Weg ist dunkel (Unwissenheit) und schlüpfrig (voller Versuchungen zum Bösen), während der Rächer ihnen auf den Fersen ist.
V. 8. Unvermuteter Untergang - ein schreckliches Thema.
Der Untergang der Gottlosen: unversehens, aber selbst verschuldet.
V. 9. Freude an Gott und seinem Heil.
V. 10. Ein unvergleichlicher Gott und seine unvergleichliche Gnade als Thema des Lobgesangs; ein erfahrenes, bis ins Innerste bewegtes Gotteskind als Sänger. Das gibt unvergleichliche Musik.
V. 11. Die Verleumdung; ihre Schlechtigkeit, Grausamkeit, Sündhaftigkeit und Allgemeinheit.
V. 12b. Verlassenheit wurde meiner Seele Teil. (Grundt.) Die verwaiste Seele.
V. 13. Des Christen Mitleid selbst mit den Verkehrten.
V. 13b. Mein Gebet kehrte in meinen Busen zurück. (Grundt.) Der Nutzen der Fürbitte für den Beter.
V. 13.14. Des Christen Mitleid mit den Leidenden.
V. 15. Die schändliche Verschwörung der Menschen gegen den Herrn Jesus in seinem Leiden.
V. 17. Die Grenze der göttlichen Geduld.
V. 18. Pflicht und Segen des öffentlichen Lobes Gottes.
V. 22. In diesem Verse beruft sich der Knecht des Herrn auf Gottes Allwissenheit, bittet um ein Wort von Gott, erfleht die hilfreiche Nähe Gottes und macht sein Vertrauen als Recht geltend.
V. 25. Des Gottlosen Freude und des Gerechten Zuflucht.
V. 26. Das Sträflingsgewand der Gottlosen. (Mit Schande und Scham gekleidet.)
V. 27b. Welcherart ist das Wohlergehen, an dem der Herr Gefallen hat?
V. 28. Ein köstliches Thema, eine beredte Zunge und eine Rede ohne Ende.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps36

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PSALM 36 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Vorzusingen, d. h.: dem Sangmeister zur Einübung und Aufführung im Tempelgottesdienst übergeben. Es war eine gute Einrichtung, dass ein vom Herrn dazu befähigter Mann mit der Leitung des Gesangs im Haus Gottes betraut war. Was jedermanns Aufgabe ist, darum kümmert sich niemand. (Ein Psalm) Davids, des Herrn Knechts. Die Beifügung dieses Titels mag darauf hinweisen, dass dieser Psalm ausdrücklich im Munde eines solchen schicklich ist, der es sich zur Ehre rechnet, Jahwes Knecht zu heißen. Das Lied beschreibt in der Tat im zweiten Teil, wie selig es ist, dem Herrn zu dienen. Alle mögen in dasselbe einstimmen, die das leichte Joch des Herrn Jesus tragen. Der Psalm stellt den grellen Gegensatz zwischen den Gottlosen und den Gerechten ins Licht und preist in herzinniger Weise den edlen Herrn, dem die Frommen dienen; so drängt er, wenn auch indirekt, auf freudigen Gehorsam gegen einen so guten Meister und verurteilt aufs Schärfste alle Empörung gegen ihn.

Einteilung

V. 2-5 beschreibt David die Abtrünnigen; V. 6-10 rühmt er die herrlichen Eigenschaften Gottes; V. 11.12 wendet er sich betend an den Herrn und im letzten Vers schaut sein Glaube wie in einer Vision den endgültigen Sturz aller Übeltäter.

Auslegung

2. Es ist aus Grund meines Herzens von der Gottlosen Wesen
gesprochen,
dass keine Gottesfurcht bei ihnen ist.
3. Sie schmücken sich untereinander selbst,
dass sie ihre böse Sache fördern und andere verunglimpfen.
4. Alle ihre Worte sind schädlich und erlogen;
sie lassen sich auch nicht weisen, dass sie Gutes täten;
5. sondern sie trachten auf ihrem Lager nach Schaden,
und stehen fest auf dem bösen Weg,
und scheuen nichts Böses.


2. Eine Eingebung (ein Orakelspruch) des Frevels wird dem Gottlosen im Innern seines Herzens zuteil. (Grundt. nach einigen Handschriften.1 Dieses Wort lässt uns einen tiefen Blick tun in die Macht, die die Sünde im Herzen des Gottlosen ausübt. Gottes Orakel verachtet und verwirft er; dafür hat er ein anderes Orakel in seinem Herzen, das ihm nichts als Empörung gegen Gott eingibt. Der Frevel ist sein Gott, der ihm seine Eingebungen zuflüstert. Hinter der Sünde steht der Geist der Bosheit und man hat den Teufel mit Recht den "Affen Gottes" genannt. Mit Prophetenstimme redet die Sünde zu dem Menschen, der ihr sein Herz öffnet, treibt ihn durch ihre heillosen Eingebungen von einem Rechtsbruch zum andern und redet ihm alle Anwandlungen der Furcht Gottes aus. Fast alle Handschriften lesen: "im Innern meines Herzens." Diese Lesart ist sehr unverständlich; aber Davids Sprache ist oft, wo er von dem Verderben der Gottlosen redet, schwierig und hart, -- ganz dem finsteren Thema angemessen. Vielleicht ist dann zu übersetzen: Die Eingebung des Frevels an den Gottlosen lautet im Innern meines Herzens so: Es gibt keinen Schrecken Gottes vor seinen Augen . Der Rechtsbruch spricht zum Gewissenlosen: "Es gibt keinen Schrecken Gottes", darum sei nie Furcht Gottes vor deinen Augen." Dieser Orakelspruch des Lasters wird aber hier angeführt, nicht wie er für den Lasterhaften selbst, sondern wie er im Herzen des frommen Sängers, also nach dessen Urteil, lautet. Der heilige Geist gibt uns Licht über das, was im Innern der Gottlosen vorgeht, so dass wir es ihnen oft besser sagen können, als sie selbst es erkennen. Die Sünden der Menschen reden laut zu den Ohren der Gottesfürchtigen. Es ist klar, dass Menschen, die es wagen, beharrlich und vorsätzlich zu sündigen, vor dem großen Richter aller Welt keine Furcht haben und für alle Schrecken Gottes , für seine Gerichte, blind sind. Mögen Leute, die in Ungerechtigkeit leben, noch so sehr die Religion im Munde führen, so wird unser Herz doch, wenn wir ihre ruchlosen Handlungen sehen, zu dem Schluss gedrängt, dass sie keinerlei Religion haben. Gewissenlosigkeit ist der Spross einer atheistischen Wurzel. Ist Gott überall und fürchte ich ihn, wie kann ich es wagen, seine Gesetze vor seinen Augen zu brechen? Das muss ein verwegener Hochverräter sein, der in des Monarchen eigenem Schloss Empörung anstiftet. Was für theoretische Anschauungen schlechte Menschen auch vorgeben mögen, sie können doch mit den Gottesleugnern nur in eine Klasse gerechnet werden, da sie tatsächlich ebenfalls solche sind. Die Augen, die jetzt keine Furcht Gottes vor sich haben, werden einst in Ewigkeit die Schrecken der Hölle vor sich haben.

3. Denn . (Grundt.) Dieser Vers enthält den Beweis für den Satz, den der vorhergehende aufgestellt hat. Gottesfürchtige Menschen erkennen und beklagen ihre Sünden; wo das Gegenteil der Fall ist, können wir sicher sein, dass keine Gottesfurcht vorhanden ist. Denn er schmeichelt sich in seinen Augen. (Grundt.2 Er hält sich selbst für einen gar feinen Gesellen, der die größte Achtung verdiene. Er bringt sein Gewissen zum Schweigen und betört sein Urteil bis zu dem Grad, dass er sich für ein Muster von Trefflichkeit ansieht; wenn nicht in Bezug auf die Tugend, so doch, weil er gescheit genug ist, sich nicht durch Gesetze knechten zu lassen, die anderen eine Fessel sind. Er ist ein Mann von starkem Geist und hellem Verstand, ein Philosoph und Freidenker, der alles religiöse Gewinsel hasst. Die Knechte Gottes (V. 1) sind nach seinem Urteil beschränkte und unmännliche Leute. Von allen Arten der Schmeichelei ist diese, durch die man sich selbst betrügt, die unsinnigste und gefährlichste. Auch der törichtste Vogel legt keine Schlingen für sich selbst und der betrügerischste Winkeladvokat führt sich nicht selbst hinters Licht. Seinen Weg dem eignen Gewissen glatt machen (das bedeutet das Zeitwort ursprünglich) heißt, sich selber den Weg zur Hölle glätten. Es geht auf der abschüssigen Bahn zum ewigen Verderben leicht genug abwärts: Man braucht nicht noch aus ihr eine Gleitbahn zu machen, wie es solche tun, die sich selber schmeicheln. Hinsichtlich des Findens seiner Schuld, des Hassens. Dieser Schluss des dritten Verses geht, wie es scheint, dem Sinn nach dem Schluss des zweiten parallel. Kein Schrecken Gottes ist vor seinen Augen; ja er schmeichelt sich, Gott werde seine Schuld nicht finden , sie nicht zum Zweck der Bestrafung ermitteln, noch werde der Rächer alles Bösen seinen Hass ihn fühlen lassen. Aber sieht der Jäger den Strauß nicht, weil dieser den Kopf in den Sand steckt? Der Gottlose findet doch zuletzt seinen ihm gebührenden Lohn, wie die englische Bibel nach der Vulgata hier übersetzt: Er schmeichelt sich selbst in seinen Augen, bis dass seine Schuld als hassenswert herausgefunden wird . Moder und Fäulnis riechen nach und nach zu stark, als dass sie verborgen bleiben könnten. Es kommt die Zeit, wo der Aussatz nicht mehr verheimlicht werden kann. Endlich kann das morsche Haus nicht mehr gestützt werden und bricht seinem Bewohner über dem Kopf zusammen; so gibt es auch eine Grenze für die Selbstschmeichelei eines Menschen. Seine Schuld wird in ihrer ganzen Abscheulichkeit enthüllt und er kann seine Rolle, die er so trefflich spielt, nicht zu Ende führen. Tritt dies nicht in diesem Leben ein, so wird der Tod der Narretei ein Ende machen, den Sünder entlarven und der ewigen Schmach und Schande überliefern.
Diese Selbstschmeichelei beweist klar die gottesleugnerische Gesinnung der Sünder; denn die einfache Erwägung, dass Gott sie sieht, würde ihnen solche Selbstschmeicheleien sehr schwer, wo nicht unmöglich machen. Der Glaube an Gott hat wie das Licht (Eph. 5,13) eine offenbar machende Kraft, so dass wir unsere Sünde und Verdorbenheit erkennen. Die Gottlosen aber sind in tiefer Finsternis; denn sie können selbst das nicht sehen, was so offenbar in ihnen und um sie her ist, dass es ihnen ins Gesicht starrt.

4. Die Worte seines Mundes sind Unheil und Trug. (Wörtl.) Diese beiden Höllenhunde jagen in der Regel miteinander und was der eine nicht fängt, bekommen der andre. Wenn die Heillosigkeit nicht durch Bedrückung den Sieg erlangen kann, gewinnt ihn der Trug durch Täuscherei. Wessen Herz so vergiftet ist, dass es sich selber schmeichelt, dessen Zunge wird auch giftig sein. Das offene Grab seines Rachens (Ps. 5,10) enthüllt den Moder des Innern. Gottesfürchtige Leute wägen gewissenhaft ihre Worte und wenn sie aus Schwachheit fehlen, suchen sie nicht nach Entschuldigungen und noch weniger prahlen sie mit ihren Gottlosigkeiten; daraus aber, dass gottlose Leute böse und listige Reden für nichts Schlimmes halten, ersehen wir klar, dass Gott nicht in ihren Herzen regiert. Er hat’s aufgegeben, klug zu sein, gut zu handeln. (Wörtl.) Er hat den guten Weg ganz und gar verlassen. Gottesfürchtige Seelen gehen auf dem rechten Wege von Kraft zu Kraft (Ps. 84,8); die aber ohne Gott dahinleben, vergessen bald das wenige Gute, das sie einst gewusst haben. Wie könnten die Menschen so abtrünnig werden, wenn sie den höchsten Richter fürchteten? Ist es nicht deshalb weil sie Gott mehr und mehr vergessen, dass sie schließlich auch die heuchlerische Verehrung Gottes fahren lassen, die sie in früheren Tagen übten, um sich selber zu schmeicheln?

5. Unheil sinnt er auf seinem Lager. (Wörtl.) Nicht zu friedlichem Schlummer legt er sich aus sein Lager, sondern um frevelhafte Anschläge auszubrüten. Sein Bett ist ein Treibbeet für giftige Unkrautpflanzen. Die Gottesfürchtigen sinnen über ihren Gott nach und wie sie ihm dienen können; aber wenn Menschen alle ihre Gedanken und ihr ganzes Erfindungsvermögen auf das Böse richten, erweisen sie damit in der augenscheinlichsten Weise, dass sie tatsächlich Gottesleugner sind. Wer auf seinem Lager ruhend Pläne schmiedet, wie er sündigen könne, hat den Teufel zum Bettgenossen. Gott ist fern von ihm. Er tritt (stellt sich) auf einen Weg, der nicht gut ist . (Grundt.) Er nimmt da seinen festen Stand. Wenn er ausgestanden ist, sucht er entschlossen und ausdauernd das Unheil auszuführen, das er auf seinem Lager ersonnen hat. Er wählt den Weg, der die dem guten Wege gerade entgegengesetzte Richtung hat; denn er hat sein Herz darin geübt, den Schmutz zu lieben, indem er es sich zur Gewohnheit gemacht hat, mit seiner Einbildung im Unreinen zu schwelgen. Und scheut nichts Böses. Es liegt ihm so fern, das Böse zu verachten und zu verabscheuen, dass er vielmehr daran seine Freude hat und es auf alle Weise begünstigt. Er hasst nie etwas Schlechtes, weil es schlecht ist, vielmehr sinnt er dem Argen nach, nimmt es in Schutz und übt es aus, soviel er kann.
Welch ein Bild geben uns diese wenigen Verse von dem Menschen, der ohne Gnade dahinlebt! Die Stumpfheit seines Gewissens, die Leichtfertigkeit seiner Rede, die Geflissenheit, womit er aufs Unheilstiften ausgeht, die Bedachtsamkeit und Beharrlichkeit, mit der er den bösen Weg erwählt und einhält, und vor allem seine gottesleugnerische Gesinnung, dies alles ist uns hier getreu nach dem Leben gezeichnet.
Herr, hilf, dass es nicht unser Bild sei!

Fußnoten
1. Der bei M)un:, Orakelspruch, stehende Genetiv ist
stets der des Urhebers, also des Sprechenden; der
Frevel ($apIe erscheint demnach hier personifiziert
als Sprecher, und das l: vor ($frf führt (vergl.
Ps. 110,1) den Angeredeten ein. Dann ist aber das folgende ybIili breqebI:, im Innern meines Herzens, sehr schwer zu erklären. Die alten Übersetzungen und sogar einige wenige Handschriften lesen ObIli ,seines Herzens, was einen klaren Sinn ergibt, aber doch vielleicht nur eine Korrektur ist.

2. Der ganze Vers ist äußerst unverständlich. Wer ist Subjekt und auf wen bezieht sich wylf)"? Gott verfährt glatt (sanft) gegen ihn (den Gottlosen) in dessen Augen (d. h. nach dessen Wahn, Hupfeld), oder: Der Frevel führt glatte Reden gegen ihn (den Gottlosen) in seinen Augen (d. h. ihm wohlgefällige, Delitzsch), oder: Der Gottlose schmeichelt ihm (Gott? oder sich selbst?) in seinen Augen. Wir folgen in der Auslegung der letzten Erklärung, mit reflexiver Fassung des wylf)"
(1. Mose 8,9 b, 1. Samuel 14,52), trotz ihrer Zweifelhaftigkeit, da sie von vielen Auslegern und so auch von der engl. Bibel angenommen ist und bei ihr der zweite Versteil, der in den einzelnen Ausdrücken zwar klar, in seiner Beziehung aber sehr schwierig ist, noch am ehesten erklärt werden kann: Denn der Gottlose schmeichelt sich selbst in seinen (eignen) Augen hinsichtlich des Findens seiner Schuld, des Hassens.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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6. Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.
7. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes,
und dein Recht wie eine große Tiefe.Herr, du hilfst Menschen und Vieh.
8. Wie teuer ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
9. Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne als mit einem Strom.
10. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Licht sehen wir das Licht.

Von der Gemeinheit der Bösen wendet der Psalmdichter seine Betrachtung der Herrlichkeit Gottes zu. Der dunkle Grund hebt das lichte Bild des Gottes unsers Heils desto mehr.

6. Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist. Gleich dem ätherischen Blau umspannt das Erbarmen des Ewigen die ganze Erde und sendet ihr freundliches Lächeln auf das ganze Weltall hernieder. Der Grundtext besagt eigentlich: Himmelhoch (vergl. 1. Mose 11,4) ist deine Güte oder Gnade . Himmelhoch überragt sie die höchsten Gipfel der menschlichen Herausforderungen und sie erhebt sich weit über all die Nebeldünste der Sünden des sterblichen Geschlechts. Oben in den Höhen ist doch blauer Himmel, auch wenn wir ihn im Nebel Londons nicht sehen können, und die Gnade leuchtet in stiller Ruhe über all dem Getöse und all dem Rauch dieser armen Welt. Finsternis und Wolken gehören nur dem niederen Dunstkreis der Erde an; der Himmel ist allezeit klar und heiter und erglänzt im Licht unzähliger Sterne. Gottes Gnade verharrt unverändert in der Weite ihrer Ausdehnung und in ihrer unvergleichlichen Geduld trotz all der Empörung der Menschen. Können wir die Himmel messen, so können wir auch die Schranken der Güte des Herrn angeben. Zumal für die Seinen, die ihm dienen, hat er in der durch Jesus vollbrachten Erlösung eine Gnade entfaltet, die höher ist als der Himmel und weiter als das Weltall. O dass der Gottesleugner Augen hätte, dies zu sehen, wie ernsthaft würde er begehren, ein Knecht Jahwes zu werden! Deine Treue (reicht) bis an die Wolken. (Grundt.) Weit über all unser Verstehen erhaben ist die Wahrheit und Treue Gottes. Er vergisst, verdreht, versäumt und bricht nie eines seiner Worte. Unsre Trübsale sind wie die Wolken; aber Gottes Treue umgibt sie von allen Seiten. Auch wenn wir uns unter dunkeln Wolken befinden, sind wir im Bereich der göttlichen Treue; wenn wir einst über die Wolken emporsteigen, werden wir solcher Versicherung nicht mehr bedürfen. Jedes seiner Worte, seien sie Drohungen oder Verheißungen, Voraussagungen oder Bundeszusagen, hat der Herr genau eingehalten; denn Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue (4. Mose 23,19).

7. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes : so fest und unbeweglich, so hoch und erhaben. Sowenig der gewaltigste Orkan die Alpenriesen zum Wanken bringen kann, so wenig wird die Gerechtigkeit Gottes je von den Umständen erschüttert; der Allerhöchste ist allezeit gerecht. Wer kann den Richter aller Welt bestechen oder wer durch Drohungen ihn bewegen, das Recht zu verkehren? Nicht einmal, um seine Auserwählten zu retten, ließ der Herr es zu, dass seine Gerechtigkeit verletzt werde. So überwältigend uns beim Anblick der Alpenwelt die Ehrfurcht vor dem Höchsten ergreifen kann, ist diese doch nicht von fern gleich der heiligen Scheu, die die Seele erfüllt, wenn sie den Sohn Gottes als Opfer geschlachtet sieht, um die Gerechtigkeit des unbeugsamen Gesetzgebers zu heiligen. Vor dem Pfad eines jeden ungeheiligten Menschen, der vom Himmel träumt, türmen sich die Anden3 der göttlichen Gerechtigkeit auf, die kein unwiedergeborener Sünder je erklimmen kann. In den Bergesschluchten schlummern die Lawinen und dort erproben die jungen Blitze ihre nackten Schwingen, bis plötzlich der Sturm mit Wucht von den schaurigen Gipfeln niederbraust; so hat der Herr in den erhabenen Gebirgen seiner Gerechtigkeit auf den großen Tag seines Zornes schreckliche Kriegsrüstung angehäuft, womit er seine Widersacher überwältigen wird. Deine Gerichte sind eine große Flut oder (wie) die große (brausende) Tiefe (1. Mose 7,11), die bei der Sintflut hervorbrach und die Welt überflutete. Gottes Walten mit den Menschenkindern kann nicht von jedem dünkelhaften Menschen, der auf jedes Warum das Darum sehen möchte, mit dem Senkblei ergründet werden. Der Herr lässt sich von uns nicht ausfragen, warum er dies und warum jenes tue. Er hat seine Gründe für alles, aber es beliebt ihm nicht, sie unseren törichten Gedanken darzulegen. Unermesslich weit wie das Weltmeer und schrecklich und unwiderstehlich wie dieses sind die Fügungen der göttlichen Vorsehung. Zu einer Zeit erscheinen sie sanft und friedlich wie die See, wenn sie spiegelglatt im heiteren Sonnenschein vor uns liegt; zu einer anderen Zeit brausend und tosend wie das sturmgepeitschte, bis in den innersten Grund aufgewühlte Meer, aber allezeit wunderbar erhaben und voller Geheimnisse. Kannst du zu des Meeres Quellen dringen und auf dem Grund der Tiefe wandeln (Hiob 38,16)? Dann könntest du auch daran denken, die Ratschlüsse des Ewigen zu ergründen. Doch wie sich im Ozean der Himmel widerspiegelt, so strahlt auch die Güte Gottes in all den Ordnungen seiner Herrschaft auf Erden wider, und über der großen Tiefe wölbt tröstlich sich der Friedensbogen des göttlichen Bundes; denn der Herr ist treu in all seinem Tun.
Herr, du hilfst Menschen und Vieh. Wie sich beim Gericht der Sintflut Gottes Erbarmen an Menschen und Vieh verherrlichte, so gehen auch heute noch Gericht und Gnade Hand in Hand. All die Riesenmengen der Geschöpfe, der vernünftigen und der unvernünftigen, ernährt die gütige Hand des Ewigen. Die Tausende von Tieren in Wald und Flur, die Vögel ohne Zahl, die unermessliche Menge der Fische, die fast unendlichen Heere der Insekten, alle verdanken ihr Fortbestehen der sich unaufhörlich betätigenden göttlichen Macht. In welchem Licht zeigt das unseren Gott! Und was für ein verkommenes Geschöpf muss der Mensch sein, der von einem sich überall so deutlich erweisenden Gott keine Spur wahrnimmt und vor ihm keine Scheu empfindet!

8. Wie teuer ist deine Güte (hier wohl besser: Gnade), Gott! Nun treten wir ins Allerheiligste. Gottes Wohlwollen, Güte und Gerechtigkeit geben sich allerorts zu schauen; aber die ganze Kostbarkeit der Gnade des Herrn erkennen nur die, deren Glaube den Vorhang gelüftet hat und in die lichte Gegenwart des Herrn getreten ist. Sie schauen die höchste Entfaltung der Liebe, das Erbarmen Gottes gegen die Sünder. Teuer ist diese; kein Edelstein und keine Perle kommen je an Kostbarkeit der Empfindung der Liebe Gottes gleich. Diese ist ein Brillant, wie ihn die Engel tragen. Der Könige Schatzkammern sind armselige Haufen von Kieselsteinen im Vergleich zu den Schätzen des göttlichen Erbarmens. David vermochte den Wert der Gnade Gottes nicht auszusagen; darum bricht er mit dem Ausruf ab und überlässt es unserm Gefühl und unserer Phantasie und, besser noch, unserer Erfahrung, das Weitere auszufüllen. Er ruft aus: "Wie teuer!", weil er uns nicht die Hälfte davon sagen kann. Die folgenden Sätze geben einige Proben von dem Reichtum und der Vielseitigkeit der göttlichen Gnade. Dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben. Das Bild ist wunderbar lieblich. Der Herr überschattet die Seinen, wie eine Henne ihre Küken oder ein Adler seine Jungen mit den Fittichen deckt; und wir schlüpfen, gleich den Küken, unter die schirmenden Flügel und fühlen uns wohl geborgen. Ach, dass derer mehr wären unter den Menschenkindern, die die Vortrefflichkeit dieses himmlischen Schirmorts kennen würden. Es hat Jesu Tränen ausgepresst, zu sehen, wie die Menschen sich weigern, an diesem Bergungsort Zuflucht zu suchen; unsere Tränen mögen mit Recht dasselbe Übel beweinen.

9. Sie werden trunken (laben sich zur vollen Sättigung) von den reichen Gütern (wörtl. von dem Fett) deines Hauses. Wie die Priester stets an Gottes Tisch aßen und auch die Israeliten bei den Heilsopfern (Luther nennt sie Dankopfer) sozusagen Gottes Haus- und Tischgenossen waren, so sollen alle, die durch den Glauben in Gottes Gemeinschaft eingegangen sind, in sein Haus aufgenommen werden als Priester des Höchsten und an den reichen Gütern des Hauses Gottes teilhaben. Jetzt ist die Gnadengegenwart des Herrn nicht mehr auf irgendeinen besonderen Ort beschränkt; so können wir denn, wenn wir anders an den Herrn glauben, wo immer unser Wohnort sei, unser Heim als ein Zimmer in dem großen Hause des Herrn ansehen und wir werden uns allezeit, sowohl für das natürliche als auch für das geistliche Leben, mit reichen, die Seele wahrhaft sättigenden Gütern versorgt finden, wenn wir durch den Glauben in der Nähe Gottes leben. Wir dürfen die Gemeinde der Heiligen als das Haus Gottes im besondern Sinne (1.Tim. 3,15) ansehen; die Gläubigen finden in der Tat in dem lebendigen Gottesdienst die reichste geistliche Nahrung. Glücklich die Seele, die sich so recht an dem Mark des Evangeliums erlabt; nichts vermag die Seele so zu sättigen. Und tränkest sie mit dem Strom deiner Wonnen. (Wörtl.) Wie sie Paradiesesfrüchte zur Speise haben, so sollen sie auch vom Paradiesesstrome4 trinken. Gottes nie endende Liebe gewährt uns ständig reiche Erfrischung, die uns die Gnade durch den Glauben trinken lässt. Der Herr bringt uns nicht nur zu diesem nie versiegenden Strome, sondern er selber tränkt uns aus demselben; darin sehen wir, wie herablassend Gottes Liebe ist. Der Himmel wird diese Worte in ihrem vollsten Sinn erfüllen; aber die auf den Herrn trauen, genießen einen Vorgeschmack schon hier auf Erden. Deiner Wonnen. Die Glückseligkeit, mit der die Gläubigen erfüllt werden, ist die des seligen Gottes (1.Tim. 6,15) selber; geheiligte Seelen freuen sich mit der selben Art der Freude, die der Herr selber in sich hat. "Solches rede ich zu euch", sprach Jesus zu seinen Jüngern, "dass meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde." (Joh. 15,11.)

10. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens. Dieser Vers besteht aus ganz schlichten Worten; aber gleich dem ersten Kapitel des Evangeliums Johannes ist er sehr tief. Von dem Herrn als einer ganz unabhängigen, in sich selbst alle Fülle bergenden Quelle geht alles geschöpfliche Leben aus, durch ihn wird es erhalten, von ihm allein kann es zur Vollendung geführt werden. Das Geschöpf hat Leben, aber die Quelle des Lebens ist einzig der Schöpfer. Auch von dem geistlichen Leben ist dies, und zwar im umfassendsten und tiefsten Sinne, wahr. Der Geist ist’s, der da lebendig macht; in uns ist nichts als Tod. Und in deinem Licht sehen wir (das) Licht. Das Licht ist’s, was das Leben heiter und herrlich macht. Ein Leben in der Finsternis ist ein Jammerleben und eher Tod als Leben zu nennen. Der Herr allein kann leibliches, geistiges und geistliches Leben geben; er allein auch kann das Leben licht und wonnig machen. Was die geistlichen Dinge betrifft, so wirft die Erkenntnis Gottes ein Licht auf alles andere. Wir bedürfen keiner Kerze, um die Sonne zu sehen; wir nehmen sie durch ihren eignen Glanz wahr und sehen dann alles andere im Lichte ihrer Strahlen. Wir erkennen Jesus nicht mittels unseres eignen Lichts, vielmehr uns selber kraft des Lichtes, das von ihm ausstrahlt. Nicht ein uns von Natur innewohnendes Verständnis führt uns dazu, das Licht des Geistes zu empfangen; unsere Vernunft dämpft vielmehr oft die heiligen Strahlen des himmlischen Lichts. Einzig und allein durch sein eignes Licht erleuchtet der heilige Geist die dunklen Winkel der Gottlosigkeit in unseren Herzen. Anmaßende Toren sind es, die von Gelehrsamkeit und Menschenwitz Erleuchtung der Herzen erwarten; ein einziger Lichtstrahl vom Thron Gottes ist besser, als der Mittagsglanz aller geschöpflichen Weisheit. Herr, lass mir deine Sonne scheinen; mag dann, wer will, sich an den Talglichtern des Aberglaubens und den Irrlichtern einer verderbten Philosophie erfreuen. Der Glaube empfängt beides, Leben und Licht, von Gott; darum stirbt er nicht und seine Augen werden nicht dunkel.

Fußnoten
3. Die Kordilleren Südamerikas, die eine ununterbrochene Mauer von 1000 geogr. Meilen Länge bilden und bis zu 6550 Meter aufsteigen, neben dem Himalaja das höchste Gebirge der Erde.

4. Es steht hier, nur in Plural, dasselbe Wort Eden gleich Wonne, das in 1. Mose 2,8 das Wonneland bezeichnet, in dem Gott den Paradiesgarten pflanzte.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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11. Breite deine Güte über die, die dich kennen,
und deine Gerechtigkeit über die Frommen.
12. Lass mich nicht von den Stolzen untertreten werden,
und die Hand der Gottlosen stürze mich nicht.
13. Sondern lass sie, die Übeltäter, selbst fallen,
dass sie verstoßen werden und nicht bleiben mögen.


11. Erhalte deine Gnade denen, die dich kennen. (Grundt.) Wir begehren nicht mehr, als dass die Gnade Gottes, wie wir sie bisher erfahren haben, über uns auch ferner walte. Herr, ziehe diese Gnade hinaus (wörtl.), lass sie Tag für Tag fortwähren über die, die deine treue Liebe, deine Milde, deine Unveränderlichkeit und Allmacht kennen gelernt haben. Wie sie vom Herrn gelehrt sind, den Herrn zu kennen, so fahre fort, sie zu unterweisen und zur Vollendung zu führen. In diesem Gebet bittet das Herz des Gläubigen genau um das, was das Herz Gottes zu geben bereit ist. Es ist gut, wenn unsre Bitten das Spiegelbild der Verheißungen sind. Und deine Gerechtigkeit über die Frommen. Wie du nie im Stich gelassen hast, die redlichen Herzens (Grundt.) sind, so bleibe in derselben Weise ihr Beschützer und Rächer. Das Schlimmste, was ein Gottesmensch befürchten kann, ist, von Gott verlassen zu werden; daher die Bitte. Aber diese Furcht ist grundlos; daher die Seelenruhe, die der Glaube in uns wirkt. Wir mögen aus diesem Vers lernen, dass wir die Fortdauer der Gnade, trotzdem dass sie uns durch Gottes Bund zugesichert ist, dennoch zum Gegenstand des Gebets machen sollen. Der Herr will um dies köstliche Gut gebeten sein.

12. Lass mich nicht von den Stolzen untertreten werden, wörtl.: Lass nicht den Fuß der Hoffart (abstr. pro concr.) über mich kommen. Der Beter wendet nun sein Gebet in eine besondere, persönliche Bitte für sich selber. Hoffart, hochmütige Überhebung, ist des Teufels Sünde. Wohl mögen gute Menschen vor den Stolzen sich fürchten; denn der Schlangen-Same kann es nicht lassen, die Frommen in die Ferse zu stechen. Übermütigen Spöttern wäre es eine Lust, wenn sie die Gottseligen untertreten und zerstampfen könnten; gegen ihre Bosheit erhebt hier das Gebet seine Stimme. Kein Fuß soll uns in den Staub treten, keine Hand uns übermächtig werden, solange Jahwe auf unserer Seite ist. Und die Hand der Gottlosen stürze, Grundt.: verjage mich nicht . Lass mich nicht wie ein Flüchtling in die Irre gejagt, noch wie ein ausgewurzelter Baum von meiner Stätte hinweggerissen werden. Rohe Gewalt suchte mit Hand und Fuß, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, den Psalmdichter zu stürzen; aber er flieht zu seinem allmächtigen Schutzherrn und singt im Voraus ein Triumphlied über die Niederlage seiner Feinde.

13. Da sind gefallen die Übeltäter. (Grundt.) Der Glaube sieht sie bereits auf dem Kampfplatz liegen. Da, vor unseren Augen, liegen Sünde, Tod und Hölle hingestreckt. Beschaut euch die vernichteten Feinde! Sie sind umgestoßen. Unser Kriegsheld hat sie aus ihrer überlegenen Stellung vertrieben und in den Staub gestoßen. Der Herr Jesus hat bereits alle Feinde seines Volkes auf ihr Angesicht gestürzt und zu Gottes Stunde wird alle Sünder dasselbe Los treffen. Und Vermögen sich nicht wieder zu erheben. Die Niederlage sowohl der gottlosen Menschen als auch aller bösen Mächte wird endgültig, völlig und unwiderruflich sein. Gott sei gepriesen: Die Mächte der Finsternis mögen jetzt noch so stolz tun, die Zeit eilt doch herbei, wann Gott dem Recht zum Sieg verhelfen und dem Bösen einen solchen Sturz bereiten wird, dass alle Hoffnungen der Hölle für immer vernichtet sein werden, während diejenigen, die auf den Herrn trauen, auf ewig ihn preisen und über seinem heiligen Namen fröhlich sein werden.

Erläuterungen und Kernworte


Zur Überschrift. Des Herrn Knechts. David stellt diesen seinen Ehrentitel nur zwei Psalmen, diesem und dem achtzehnten, vorweg. In beiden Psalmen beschreibt er, wie Gott an den Gerechten und den Gottlosen handelt und es ist sehr angemessen, dass er so von Anfang an seinen Platz unter denen einnimmt, die dem Herrn dienen. C. H. Spurgeon 1870.

Zum ganzen Psalm. Ein Psalm von David, dem Knecht Jahwes, als eine göttliche Offenbarung darüber, wie er die Menschen und wie er Jahwe kennen gelernt hat - oder von der Abtrünnigkeit der Menschen und von Jahwes ewiger Gnade und Treue. Prof. Joh. Wichelhaus † 1858.

Da der Schluss zum Anfang zurückkehrt, ist die Vermutung Bickells , dass der Psalm aus zwei voneinander unabhängigen Bruchstücken zusammengesetzt sei, abzuweisen. Der verbindende Gedanke zwischen dem ersten und zweiten Teil ist der, dass die Gnade und Treue Jahves den Untergang der gewalttätigen Frevler gewährleistet. Prof. D. Friedr. Bäthgen 1904.

V. 2. Würden es die Menschen wohl wagen, mit frommem Schein und totem Formenwesen Gottes zu spotten oder ihm durch offenbare Gottlosigkeit ins Angesicht zu schlagen, wenn sie ihn fürchteten? Würde es jemand wagen zu sündigen, während die Gerichte Gottes noch vor seinen Augen rauchen, wenn er Gott und dessen Zorn fürchtete? Dürften die Menschen, mit ungezählten herrlichen Gnadenerweisungen vor ihren Augen, sündigen, wenn sie vor dem Herrn und seiner Güte Ehrfurcht hätten? Könnte irgendjemand, sei es einem andern, sei es sich selber, mit der Hoffnung schmeicheln, dass seine Sünde ungestraft bleiben werde, wenn er den Herrn und seine Wahrhaftigkeit fürchtete? Könnte es irgendjemand mit seinen Versprechungen, Aussagen, Beteuerungen und Eiden leicht nehmen oder andere durch dieselben zu verstricken suchen, wenn er den Herrn und seine Treue fürchtete, den Herrn, der seinen Bund und seine Verheißung hält auf immer und ewig? Alle diese Missetaten der Gottlosen rufen laut: Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen. Joseph Caryl † 1673.

V. 3. Der Grund, warum der Gottlose von sich selber so gut denkt, ist, dass er in allen seinen Tücken Gott für nichts hält (Ps. 10,4). Er hat in Bezug auf sich selbst alle Furcht abgeworfen, weil er vor Gott keine Furcht hegt. John Jamieson † 1838.

Er schmeichelt sich selber. (Grundt.) Die einen schmeicheln sich mit der geheimen Hoffnung, dass es gar nichts Derartiges gebe, wie jene andere Welt, von der die Frommen reden; andere, dass der Tod noch in weiter Ferne sei und sie später noch Gelegenheit genug haben würden, das Heil zu suchen. Wieder andere schmeicheln sich selber, dass sie ja einen sittlichen und ehrbaren Wandel führen und darum nicht verdammt werden würden. Noch andere nehmen aus den Vorzügen, in deren Genuss sie leben, Veranlassung, sich selber falsche Hoffnungen vorzugaukeln. Sie leben ja an einem Ort, wo das Evangelium mit Kraft verkündigt wird, und in frommen Kreisen, wo schon so manche bekehrt worden sind; so wird es für sie, so denken sie, viel leichter sein, selig zu werden. Andere schmeicheln sich mit ihren Vorsätzen. Sie nehmen sich vor, noch ein wenig ihrer Freiheit zu genießen, dann aber ernstlich anders zu werden. Wiederum gibt es Leute, die sich damit schmeicheln, dass sie für ihre Seligkeit viel tun und schon getan haben, und die daher hoffen, dass sie diese erlangen werden, während sie doch weder tun, was sie tun sollten, noch was sie in ihrem jetzigen, natürlichen Zustand tun könnten, daher es auch sehr unwahrscheinlich ist, dass sie je zu einer wirklichen Bekehrung kommen werden. Dann sind wieder andere, die die Seligkeit durch ihr eignes Ringen zu erarbeiten hoffen. Sie leben in dem Wahn, dass sie selber nach und nach in sich Reue und Abkehr von der Sünde und Liebe zu Gott und Jesus Christus zu Stande bringen würden. Ihr Eifer ist aber nicht sowohl ein ernstes Suchen und Fragen nach Gott, als vielmehr ein Streben, selber das zu tun, was Gottes Werk ist. Endlich gibt es Leute, die in Sünden leben und sich dennoch schmeicheln, dass sie schon bekehrt seien. Sie beruhigen sich mit einer falschen Hoffnung, indem sie sich überreden, dass ihnen alle Sünden vergeben seien, dass Gott sie liebe, dass sie beim Sterben in den Himmel gehen würden und sich um nichts mehr zu bekümmern brauchten. Sie gehören zu denen von Laodicäa (Off. 3,17) und werden wie diese von Gott aus seinem Munde ausgespien werden. Jonathan Edwards † 1758.

In seinen eignen Augen. Er hat Gott nicht in heiliger Scheu vor seinen Augen, darum stellt er sich selbst vor seine Augen in unheiliger Selbstbewunderung. Wer sich aus Gott nichts macht, macht viel aus sich selbst. Wer Gott nicht anbetet, betet sich selber an. Unsere Augen müssen sich auf etwas richten; wenn sie darum nicht Gott bewundern, bewundern sie das eigne Ich. C. H. Spurgeon 1870.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte


V. 4. Er hat’s aufgegeben, klug zu sein, gut zu handeln. (Grundt.) Das wenige Licht, das er einst hatte, hat er verloren, und die guten Gewohnheiten und Handlungen, die er einst in Heuchelei ausübte, hat er von sich geworfen; auch will er nicht besser handeln lernen. John Trapp † 1669.

Wir sehen hier bei dem Abtrünnigen eine Umkehr zur Gottlosigkeit statt der Umkehr zu Gott. Wie die wahre Buße eine Abkehr von den toten Werken ist, so ist diese Umkehr eine Abkehr von besseren zu schlimmen Werken. Timothy Cruso † 1697.

V. 5. Auf ihrem Lager. Mit nicht geringem Fleiß sucht Michael Ayguanus in seinem um 1400 erschienenen Kommentar die Stellen der Schrift auf, die von einem Bett handeln, und sagt uns, es gebe sechs verschiedene Betten der Gottlosigkeit: das Bett der Schwelgerei, das der Habsucht, der Ehrsucht, der Raubsucht, der Gefühllosigkeit und der Grausamkeit, und für jedes derselben weiß er ein Beispiel aus der Schrift anzuführen. John Mason Neale 1860.

Er stellt sich auf einen Weg, der nicht gut ist. (Grundt.) Er fällt nicht nur in Sünde (das kann auch bei einem Frommen der Fall sein), sondern er tritt absichtlich auf einen bösen Weg und steht dann fest darauf, entschlossen, ihn nicht zu verlassen, noch sich von ihm abbringen zu lassen. Es ist schlimm genug, von der Sünde überfallen oder auch nur, wie der Apostel Gal. 6,1 sagt, von einem Fehler übereilt zu werden; aber mit der Sünde einen Bund eingehen und all sein Dichten und Trachten darauf richten, wie man ihr dienen könne, ist schlimmer als schlimm. Joseph Caryl † 1673.

Hochmütige Sünder bilden sich fest ein, sie gingen den richtigen Weg. Der Satan macht sie so blind, dass sie nicht erkennen, auf welch falschem Wege sie sind und was das Ende des Weges ist. Nach ihrer Meinung gehen sie schnurstracks dem Himmel zu, während sie mit der Eilpost zur Hölle fahren. Der Teufel dient ihnen stets sehr gefällig mit frischen Pferden. Zu einer Zeit setzt er sie aufs Ross der Trunkenheit und wenn sie eine Station weit auf solchem viehischen Wesen geritten sind, kann er sie auf dem Hengst der Unzucht reiten lassen. Dann wieder bedient er sie mit der Mähre der Habsucht und wenn sie des Schneckengangs dieses Pferdes müde sind, lässt er sie aufs hohe Ross des Ehrgeizes steigen; und um sie noch mehr zu wilder Jagd zu reizen, lässt er sie auf dem Feuer sprühenden Wappen des ruhelosen Haders reiten. Des Teufels Stall ist wohl besetzt; für jede sündige Anlage und Neigung hat er das passende Pferd. Jedermanns Lieblingssünde ist ein Ross aus Satans Stall, das der Satan ihm aufgezäumt hat und das bestimmt ist, ihn zur Hölle zu tragen. Der Weg ist einer, der Posthalter ist einer, man findet ihn auf jeder Station, er hilft selber jedem aufs Pferd und diese Pferde sind alle von einer Rasse, obwohl nicht von einer Farbe. Wohl dem, den Gott auf diesem bösen Ritt aus dem Sattel hebt, und doppelt glücklich ist, wer diese breite Straße ganz verlässt und den schmalen Weg zum Himmel wählt. William Struther 1633.

Und scheuen kein Arges. Sie sind weit davon entfernt, irgendein Mittel, mag es noch so sündhaft sein, zu verschmähen, wenn sie damit nur ihren Zweck erreichen. J. J. Stewart Perowne 1864.

V. 6. Wer auf der Menschen Bosheit allein sieht, möchte kleinmütig werden und kann sich der ängstlichen Gedanken nicht erwehren, wohin es die Erdenverderber noch bringen werden. Aber wer auf Gottes Güte und Wahrheit sieht, kann sich und andere trösten. Es hat bei Gottes noch so langem Zusehen nicht Gefahr, dass ihm einer seine Gerechtigkeit untergräbt oder seine Güte und Wahrheit von der Erde verdrängt. K. H. Rieger † 1791

. V. 6.7. In diesen zwei Versen geht es immer von der Höhe in die Tiefe herunter, Himmel, Wolken, Berge, Tiefen, Menschen, Vieh. Fr. Chr. Oetinger 1775.

V. 7. Wie die Berge Gottes, die nicht Menschenhand, sondern Gott hingepflanzt hat (vergl. die Zedern Gottes Ps. 80,11, die Bäume Jahwes Ps. 104,16, die Aloen 4. Mose 24,6, den Garten Gottes 1. Mose 2,8; 13,10) und die daher auch kein Mensch bewegen kann. Christopher Wordsworth 1868.

Deine Gerichte (Grundt.) sind eine große Tiefe. Der Menschen Sünden sind eine Tiefe, und die Geheimnisse der Bosheit werden Tiefen Satans genannt (Off. 2,24); aber Gottes Gerichte sind die größte Tiefe von allen, sie sind unergründlich. Vergl. Röm. 11,33. William Greenhill † 1677.

V. 8-10. Die Ausdrücke dieser Verse, die den Reichtum der auf die Gerechten herabströmenden Segnungen anzeigen, scheinen vom Tempel hergenommen zu sein, von dem jene Segnungen ausgehen sollten. Unter dem Schirm des Tempels, unter den Flügeln der Cherubim im Allerheiligsten, sollen die Frommen Zuflucht finden. Alles, den Überfluss der fetten Opfer, die Ströme von Öl, Wein, Wohlgerüchen usw., auch das Licht des goldnen Leuchters finden wir angedeutet. Samuel Burder 1839.

V. 8-11. So hart und herb die Anfangsverse sich geben, so wohllautend und wahrhaft köstlich ist die Schilderung der Seligkeit und Herrlichkeit, die Jahwe besitzt und gewährt, im mittleren Teil des Psalms: ein Stück edelster alttestamentlicher Mystik! Lic. Hans Keßler 1899.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte


V. 9. Man beachte zuerst, wie ausgezeichnet Gott die Seinen versorgt: mit dem Fett seines Hauses und mit Wasser aus dem Strom seiner Wonnen . Die Fettstücke galten bei den Juden, wie bei allen Völkern des Altertums, als die besten Teile des Tiers und mussten daher nach dem mosaischen Gesetz Gott als Opfer dargebracht werden. So wurde Fett gleichbedeutend mit dem Besten. Wie Gott von uns erwartet, dass wir ihm das Beste geben, was wir haben, so gibt er uns sein Bestes. Das Fett bedeutet hier die auserlesenste geistliche Kost. Es ist kein Wunder, dass David, nachdem er an solcher Tafel gesessen, so fröhlich singen konnte. "Wie an Mark und Fett ersättigt sich meine Seele und mit Jubellippen rühmt mein Mund." (Ps. 63,6 Grundt.) Aber obwohl Gott die Seinen mit so vornehmer Kost bewirtet, um ihren Hunger zu stillen, welch besondere Sorgfalt verwendet er erst darauf, ihren Durst zu löschen! Du tränkst sie mit dem Strom deiner Wonnen. Hat das Kind in Gottes Haus denn, wenn sein Vater eine so fürstliche Tafel hält, irgendwelchen Grund, diese kostbaren Speisen stehen zu lassen und Land auf, Land ab nach Brocken und Überresten betteln zu gehen? Wie entehren solche sowohl ihren Vater als auch sich selber! Aber beachte zweitens, lieber Leser, die Fülle dieser auserlesenen Speise, dieses köstlichen Tranks. Sie werden trunken, d. i. sie laben sich zur vollen Sättigung an den reichen Gütern des Hauses Gottes und ein nimmer versiegender Strom der Wonnen ist’s, aus dem sie trinken. Der Strom fließt über und fließt immer; wir mögen schöpfen, so viel wir wollen, er wird nie leer. Er wird von reichen Quellen gespeist; so ist’s kein Wunder, dass er allezeit voll ist. Wer an solchem Strome wohnt, darf nicht über Mangel klagen. Gottes Kinder sollen nicht nur ihre Notdurft, sondern eine überströmende Fülle geistlicher Freude haben. Das Gefäß ihrer Seele soll bis zum äußersten Rand gefüllt sein mit dem Lebenswasser jenes Stromes, dessen Bäche die Stadt Gottes erfreuen (Ps. 46,5 Grundt.). Wahrlich, wer vom Brot die Fülle (Lk. 15,17), genug und übergenug, und vom Brot vom feinsten Weizen im Haus seines Vaters haben kann, der braucht nicht nach der groben Kost der Welt zu verlangen. Unser himmlischer Vater hält kein solch armseliges Haus und er lässt seine Kinder nicht solche Hungerleider sein, dass sie die Bissen, die die Welt ihnen hinwirft, verschlingen müssten, um sich zu sättigen. George Swinnock † 1673.

Deines Hauses. Dies steht mit Nachdruck; es bedeutet: das, was du für deine Hausgenossen bereitet hast. Es handelt sich hier nicht um das Gute, das Gott allen Menschen austeilt, sondern um das, was er den Seinen darreicht. Johann Piscator † 1626 u. D. H. Moller 1639.

V. 10. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht. Diese Worte gehören zu den herrlichsten des ganzen Alten Testamentes. Die Fülle ihrer Bedeutung vermag kein Kommentar je zu erschöpfen. Sie sind in der Tat der Kern und der Keim mancher der tiefsten Lehren St. Johannis. J. J. Stewart Perowne 1864.

Alles Leben strömt von Ihm, dem absolut Seienden und Seligen, aus; je inniger man ihm also verbunden ist, in desto volleren Zügen trinkt man Leben aus dem Urquell des Lebens. Und wie Gott der Lebensquell ist, so ist er auch der Lichtquell. Außer Gott sehend, sehen wir nur Finsternis, dagegen in das Lichtmeer Gottes vertieft, werden wir von göttlicher Erkenntnis erleuchtet und von geistlicher Freude durchleuchtet. Prof. D. Franz Delitzsch † 1890.

In der Gemeinschaft mit Gott allein öffnet sich die wahre und unversiegliche Quelle von Leben und Licht. Gott hat nicht nur beides in sich selbst allem in unzertrennlicher Verbindung; er allein ist auch zugleich Leben und Licht im höchsten Sinne und in ewiger Vollkommenheit. Und aus freier Liebe teilt er beides mit in heiliger Wechselwirkung zu seligster Vollendung (Joh. 1,4). D. Karl B. Moll † 1878.

Die Welt rühmt sich sehr ihres Lichtes und was die natürlichen Dinge betrifft, hat sie einigen Grund dazu; aber wie von alters her die Welt in ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, so ist’s auch heute. Wenn wir Gott kennen, muss diese Erkenntnis in uns durch seine Offenbarung angezündet sein. Dies halte ich für den Sinn der Stelle. Das Wort Licht bedeutet am Schluss des Verses die wahre Erkenntnis Gottes und am Anfang des Satzes das einzige Mittel, diese zu empfangen, nämlich die göttliche Offenbarung. Was die Sonne und die Sterne für die physische Welt sind, das ist die Offenbarung für die geistige Welt. - Es gibt viele Dinge, über die sich kein Zweifel erheben kann. Dennoch sollen wir anstreben, sie nicht in unserem, sondern in Gottes Licht zu sehen. Viele begnügen sich damit, die Dinge in dem Licht zu sehen, in das große und vortreffliche Männer sie gestellt haben; aber wenn diese auch Engel wären, sind sie doch nicht das wahre Licht. Auch sie sehen alles nur von einzelnen Seiten. Und wenn auch, was sie sagen, wahr ist, so steht doch, wenn wir es lediglich auf ihr Wort hin annehmen, unser Glaube aus Menschenweisheit und nicht auf Gottes Kraft (1.Kor. 2,5). Die Erkenntnis oder der Glaube, die nicht auf dem Grunde des göttlichen Wortes stehen, werden an dem Tag, an dem alles erprobt wird, nicht bestehen. Andrew Fuller † 1815.

V. 11. Lass deine Gnade fortwähren denen, die dich kennen. (Grundt.) Wenn Gott anfängt, seinen Knechten Gnade auszuteilen, hört er nicht so bald auf. Als Rahel ihren ersten Sohn gebar, nannte sie ihn Joseph, was bedeutet: Er füge hinzu! Denn sie sprach: Der Herr wolle mir noch einen Sohn dazu geben. Diese Glaubensbitte erhörte der Herr. So magst auch du, wenn Gott dir einen Segen gibt, ihn Joseph nennen: Er wird dir noch mehr hinzufügen. Abraham empfing von Gott einen Segen nach dem andern; desgleichen Mose eine Fülle der Gnaden: Gott redete mit ihm von Angesicht zu Angesicht, wie ein Freund mit seinem Freund redet; der Herr ging mit ihm durch die Wüste, ja er ließ alle seine Gnade und Herrlichkeit vor ihm vorübergehen. William Greenhill † 1677.

Das Kennzeichen eines gottseligen Menschen besteht in der Verbindung des Glaubens an Gott und der Gemeinschaft mit Gott (die dich kennen) mit dem aufrichtigen Eifer, ihm zu gehorchen (die geraden Herzens sind, wörtlich). David Dickson † 1662.

V. 13. Da sind gefallen die Übeltäter. Es ist, als zeigte der Psalmsänger mit seinem Finger auf den Ort, wo die Frevler erschlagen liegen. Dieselbe Ausdrucksweise finden wir in Ps. 14,5. Oder man kann das "da" hier und Ps. 14,5 auch zeitlich fassen: dann. D. Daniel Creßwell † 1844.

Der Dichter schaut, wie Jesaja (26,14), die ganze Sippschaft der Bedrücker der Gemeinde Jahwes in ein Leichenfeld ohne Auferstehungshoffnung verwandelt. Prof. D. Franz Delitzsch † 1890.

Homiletische Winke

V. 2. Die Orakel oder Eingebungen der Sünde.
Die Gottesfurcht. Was ist sie? Wie wirkt sie? Die Folgen ergeben sich, wo sie fehlt? Was sollen wir aus letzterem lernen?
Aller Übertretung liegt die Leugnung Gottes zu Grunde.
V. 3. Die Künste, Beweggründe, Hilfsmittel, Erfolge und Strafen der Selbstschmeichelei, und die Entdeckung, womit sie endet.
Über die Betrüglichkeit des Herzens in Bezug auf die Begehung von Sünden.
V. 4. Böse Worte. Zwei Arten derselben (Unheil und Trug) als Muster aus vielen.
V. 4b. Das Verhältnis zwischen der wahren Weisheit und dem Tun des Guten.
V. 5. Rastloser Eifer im Bösen, ein Zeichen tiefer Verderbtheit.
Der Missbrauch der Ruhe zu gottlosen Zwecken, ein sicheres Merkmal eines gewohnheitsmäßigen Sünders. Nathanael Marshall 1731.
Der Sünder auf seinem Lager, in seinem Wandel und in seinem Herzen ;
man ergänze: bei seinem Sterben und in seinem ewigen Schicksal.
V. 5b. Wege, die nicht gut sind.
V. 6.7. Vier herrliche Bilder von Gottes Güte und Treue und von seiner Gerechtigkeit gegen die Frommen und die Gottlosen. Dem Prediger bietet sich hier eine Fülle hochpoetischer und doch naturwahrer Bilder.
V. 7. Gottes Gerichte wie die tiefe Flut: 1) Sie sind oft unergründlich (Hiob 38,16); 2) sie bergen große Schätze, 3) sie wirken viel Gutes. (Das große Weltmeer ist eine der größten Segnungen für unsere Welt, obwohl die Unwissenheit es für ganz unnütz, für eine unfruchtbare salzige Wüste hält.) 4) Ja, sie sind selber das Rettungsmittel für die Gegenstände der Güte Gottes. (Die Flut trug die Arche mit Menschen und Vieh.)
V. 7c. Gottes Güte auch gegen die niederen Geschöpfe wie gegen den Menschen.
V. 8. Gottes Gnade über alle Maßen teuer und doch umsonst zu haben.
Der Gegenstand, die Gründe, die Natur und die Erfahrungen des Glaubens.
V. 8.9. Gott der Schirmherr und der Wirt der Seinen.
V. 9a. Die Güter des Hauses Gottes. Worin sie bestehen, wie auserlesen sie sind und wie reichlich vorhanden und für wen sie bereitet sind.
V. 9b. Der himmlische Paradiesesstrom. Seine Quelle. Seine Wasser. Wer sind die Glücklichen, die aus ihm trinken? Und wer reicht ihnen diese Labung?
V. 10a. Alles Leben , das leibliche, geistige und geistliche, geht von Gott aus und wird von ihm erhalten, wiederhergestellt, gereinigt und vollendet. In ihm ist es, aus ihm fließt es freiwillig und reichlich, allezeit frisch und klar, ihm sollte darum auch unser Leben geweiht sein.
V. 10b. Licht und was es heißt, das Licht sehen . Das göttliche Licht und wie es das Mittel ist, wodurch wir das Licht sehen. Die Erfahrung, von der der Vers redet, und die Pflicht, die er andeutet.
V. 11. 1) Der Charakter der Gerechten; sie kennen Gott und sind aufrichtigen Herzens. 2) Das Anrecht, das sie genießen; Gottes Gnade und Gerechtigkeit. 3) Ihr Gebet: Lass fortwähren usw.
Die Notwendigkeit des täglichen Zuflusses der Gnade.
V. 13. Ein Blick auf den Umsturz aller bösen Mächte, Grundsätze und Menschen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 37 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

(Ein Psalm) Davids. Im Grundtext lautet die Überschrift, wie bei vielen Psalmen, nur: Von David. Ob die Dichtung bestimmt gewesen sei, öffentlich gesungen zu werden, wird nicht gesagt. Der Psalmist hat sie, wie V. 25 zeigt, im höheren Alter verfasst; desto beachtenswerter ist, was er uns hier aus dem reichen Schatze seiner Erfahrung mitteilt.

Inhalt

Der Psalm behandelt im Licht der Zukunft das große Rätsel, das schon so manchem Kopf - und Herzzerbrechen zugleich verursacht hat, dass es nämlich den Gottlosen so wohl geht, während die Gerechten viel Trübsal haben, und verbietet nachdrücklich das Grämen und Grollen des Unglaubens. Der Herr redet in diesem Psalm auf gar liebliche Weise durch den Mund seines Knechts zu den Seinen; er beschwichtigt die, ach, so häufig in ihnen aufsteigenden Gedanken und Empfindungen der Missgunst und Unzufriedenheit und stillt ihr Herz, sowohl in Bezug auf die Wege, die er seine auserwählte Herde führt, als auch in Bezug auf die Gefahren, die ihnen von den sie umringenden Wölfen drohen. Unser Lehrgedicht enthält acht goldene Lebensregeln; auch finden sich darin als Illustrationen zwei Mitteilungen aus der eignen Erfahrung des Dichters. Der ganze Psalm ist sehr anziehend durch seine zahlreichen scharfen Gegensätze.

Eine Einteilung lässt sich nicht gut durchführen. Ein und dasselbe Thema wird in vielen Variationen wiederholt. Unser Psalm gleicht einem Kapitel aus den Sprüchen; die meisten Verse bilden ein Ganzes für sich. Auch dem Inhalt nach ist er den Sprüchen nahe verwandt (vergl. Spr. 3,31; 16,3.8; 20,24; 23,17; 24,19). Wir haben hier, wie Hengstenberg und ihm beipflichtend Moll bemerkt, die Davidische Wurzel und Grundlage der Salomonischen Spruchdichtung vor uns. Die ersten Buchstaben der Verse folgen dem hebräischen Alphabet. Diese Dichtungsform sollte ohne Zweifel auch dem Gedächtnis eine Hilfe sein. - Der Leser sei nachdrücklich gebeten, bei diesem Psalm, wie bei jedem anderen, erst den Schrifttext ohne jede Beihilfe einer Erklärung zu lesen und auf sich wirken zu lassen, ehe er sich unserer Auslegung zuwendet.

Auslegung

1. Erzürne dich nicht über die Bösen;
sei nicht neidisch auf die Übeltäter.
2. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen,
und wie das grüne Kraut werden sie verwelken.


1. Die Mahnung, mit der David beginnt, führt uns gleich mitten in den Gegenstand des Psalms. Es ist leider nur zu häufig der Fall, dass die Gläubigen in Zeiten der Trübsal meinen, Gott handle unfreundlich und hart mit ihnen, wenn sie sehen müssen, wie solche, die ohne alle Frömmigkeit und Ehrbarkeit sind, im Glücke schwimmen. Da ist denn die Mahnung gar nötig: Erzürne dich nicht über die Bösen . Erhitze (wörtl.), ereifere dich nicht über sie. Unsere Natur ist nur zu geneigt, ein Feuer in unserem Busen zu entzünden, wenn wir freche Gesetzesübertreter auf hohem Rosse reiten sehen, während gehorsame Untertanen im Staub und Kot wandeln müssen. Nur in der Schule der Gnade können wir es lernen, die scheinbar widersinnigsten Führungen der Vorsehung mit der Gelassenheit, ja der Hoffnungsfreudigkeit des Glaubens zu betrachten, der die feste Überzeugung hat, dass Gott gerecht ist in allem seinem Tun. Es scheint dem fleischlichen Urteil hart, wenn die besten Happen den Hunden hingeworfen werden, während die Kinder, die den Vater lieben, vor Mangel ermatten. Sei nicht neidisch auf die Übeltäter. Wörtlich: Gerate nicht in Glut über sie. Die gleiche Mahnung in anderen Worten. Sind wir arm, verachtet und in großer Bedrängnis, so wird unser alter Adam ganz natürlich auf die Reichen und Angesehenen neidisch; und wenn wir uns dessen bewusst sind, gerechter zu sein als sie, wird der Böse ganz gewiss bei der Hand sein, uns lästerliche Gedanken einzuflüstern. Wenn es heftig donnert, kann selbst der Rahm der Menschheit gerinnen. Wir sollen die Gottlosen, statt mit Neid, mit Abscheu und Grauen betrachten; doch sind ihre reich gedeckten Tafeln und vergoldeten Staatskutschen sehr dazu angetan, unsere armseligen, halbblinden Augen zu bezaubern. Wer beneidet aber den wohlgemästeten Osterochsen um die farbigen Schleifen und Kränze, womit er auf dem Gang zur Schlachtbank geschmückt ist ? Dies Bild trifft in der Tat die Sache; denn die gottlosen Reichen werden nur wie das Vieh auf den Schlachttag gemästet (Jak. 5,5).

2. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen.1 Schon schärft der Tod seine Sense. Üppig sprosst das Gras aus, aber plötzlich mäht die Sichel es nieder. Die Vernichtung wird rasch, ja plötzlich über die Gottlosen hereinbrechen. Sie steht ihnen ganz gewiss bevor und wird sie mit überwältigender Macht treffen und ihr Schicksal unabänderlich besiegeln. Das Gras kann dem Schnitter nicht widerstehen, noch ihm entrinnen. Und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. Der üppige Schmuck der Wiesen und Felder vergeht, sobald der dürre Ostwind von der Wüste her mit seinem Gluthauch das Land heimsucht; so vergeht auch alle Herrlichkeit der Gottlosen in der Stunde des Todes. Der unheimliche Sensenmann mäht die frechen Sünder nieder wie Gras und die Glut des göttlichen Zornes lässt sie verwelken wie Heu; sie sterben, und ihr Gedächtnis vermodert. Wie ist’s nun aus mit allem, mit dem sie vor kurzem noch so prahlten! Ist es der Mühe wert, unsere Kraft dadurch verzehren zu lassen, dass wir uns über solche Eintagsfliegen aufregen? Die Gläubigen haben in sich einen lebendigen und unvergänglichen Samen, der da ewiglich bleibt; was sollten sie denn solche beneiden, die bloß Fleisch sind, das wie Gras verdorrt, oder sich nach ihrer Herrlichkeit sehnen, die wie des Grases Blume bald abfällt und vergeht ? (Vergl. 1. Petr. 1, 23-25.)

Fußnoten
1. Die Pausalform WlmIayi ist entweder gleich WlImIayi, also Imperf. des durch 1. Mose 17,11 gesicherten niphal lmanf von llamf abschneiden: werden sie abgeschnitten, so Luther, Kautzsch u. a., oder gleich WlmI:yi, Imperf. kal von ll"mf verwelken: verwelken sie, so LXX, Ewald, Bäthgen u. a.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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3. Hoffe aus den Herrn, und tue Gutes;
bleibe im Lande, und nähre dich redlich.


Vertraue auf den Herrn. (Grundt.) Hier haben wir die zweite Vorschrift und sie schließt sich trefflich an die erste an; denn rechtes Gottvertrauen heilt uns vom Murren und Neiden. Unser natürlicher Blick sieht die Dinge nur, wie sie zu sein scheinen; unsere Augen schielen, darum sehen wir scheel. Der Glaube aber hat schärfere Augen und nimmt die Dinge wahr, wie sie wirklich sind; daher seine Seelenruhe. Und tue Gutes. Der echte Glaube beweist seinen Gehorsam durch die Tat. Gutes tun ist eine feine Arznei gegen den verzehrenden Groll. Gottgeweihte Tätigkeit birgt eine Freude in sich, die allen Rost des Missvergnügens wegnimmt. Ein Schlüssel, den man oft braucht, ist immer blank. So wirst du das Land bewohnen2 : "das Land", darinnen Milch und Honig fließt, das Gelobte Land. Du wirst nicht in der Wüste des Murrens und Haderns umherirren, sondern in dem verheißenen Lande der Ruhe und Zufriedenheit wohnen. "Wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe." (Hebr. 4,3.) Wie es Israel äußerlich erging, das hing wesentlich von seiner innern Stellung ab. So ist’s auch bei uns. Ist im Herzen der Himmel, so wird er auch im Hause sein. Die folgenden Worte3 übersetzen einige: Und wirst dich im Glauben nähren . Redlichkeit und Glaube haben die Verheißung, dass ihnen das Nötige auch für dies Leben nicht fehlen wird. Der gute Hirt wird an allen, die auf ihn trauen, seine Treue erweisen. Es soll ihnen weder im Geistlichen noch im Leiblichen etwas fehlen. Dem Sinne nach ähnlich ist die Übersetzung anderer: Und wirst dich an der Treue (Gottes) weiden. Gottes Wahrhaftigkeit, die Treue, mit der er seine Verheißungen erfüllt, wird dir ein beständiges Festmahl sein. Wieder andere sehen in den Worten eine Aufforderung: Und übe Treue, oder: weide dich an der Treue (Gottes). Beide Mahnungen sind jedenfalls köstlich, und ihre Befolgung ist ein sicheres Mittel, die zehrende Glut des Neides für immer im Herzen zu löschen.

4. Habe deine Lust am Herrn;
der wird dir geben, was dein Herz wünscht.


Mit diesem lieblichen Wort des Zuspruchs führt uns der Psalm wieder eine Stufe höher. Erst wurden wir ermahnt, uns nicht in Wallung bringen zu lassen; darauf folgte die Aufforderung, in der Tat und Wahrheit auf den Herrn zu trauen, und nun wird uns zugerufen, uns mit heiliger Inbrunst an unserem Gott zu ergötzen. Habe deine Lust am Herrn. Lass Jahwe die Freude und Wonne deines Geistes sein. Gemeine Naturen suchen ihre Lust in fleischlichen Dingen; beneide sie nicht, wenn es ihnen gestattet wird, mit solch loser Speise ihren Bauch zu füllen. Dir sprudelt eine Quelle besserer Freuden; trink dich satt an ihr. In einem gewissen Sinn ahme den Gottlosen nach: Sie ergötzen sich an dem, was ihr Teil ist; siehe du zu, dass du die Wonne des besseren dir bestimmten Teils voll auskostest. Dann wirst du jene nicht mehr beneiden, sondern bemitleiden. Es bleibt in unseren Herzen unzweifelhaft kein Raum für Gram und Neid, wenn wir bedenken, dass Gott unser ist. Statt des unheimlichen Feuers, das jene im Herzen entzünden, lodern die Flammen heiliger Freude hoch empor. Alles, was Gott uns von sich geoffenbart hat, jeder seiner Namen, alle seine Eigenschaften, Worte und Taten sollten uns ein heiliges Ergötzen sein, und wenn wir über diese köstlichen Dinge nachsinnen, sollten wir so guter Dinge sein, wie der Jünger Epikurs, der sich mit tiefem Behagen an den Genüssen seiner reichen Tafel weidet. Der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Die Erfüllung der Pflicht, am Herrn des Herzens Lust zu haben, ist an sich schon süß und selig; doch wird ihr außerdem noch ein köstlicher Lohn in Aussicht gestellt. Wer am Herrn seine Wonne hat, wird von der Kreatur los und begehrt und erbittet darum nichts, als was Gott gefällt; daher ist es ohne Gefahr, ihm carte blanche zu geben, ihm unbeschränkte Vollmacht des Bittens zu erteilen. Sein Wille hat sich dem Willen Gottes völlig unterworfen: darum kann er haben, was er will. Es sind die tieferen Anliegen und Begehren oder Bitten unseres Herzens hier gemeint, nicht alle gelegentlich in uns auftauchenden Wünsche. Es gibt gar manche Dinge, die unsere Natur sich wohl wünschen möchte, um die zu bitten uns die im Herzen wirkende Gnade aber nie erlauben würde. Diese tief empfundenen, im Gebet vor Gott gebrachten Anliegen sind es, denen die Verheißung unseres Verses gilt. Auch darf der Vers nicht auseinander gerissen und die Verheißung nicht von der im ersten Teil genannten, dem geistlichen Menschen gar lieblichen, dem fleischlichen aber widerstrebenden Bedingung losgelöst werden.

5. Befiehl dem Herrn deine Wege,
und hoffe aus ihn; Er wird’s wohl machen,
6. und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht,
und dein Recht wie den Mittag.


5. Befiehl dem Herrn deinen Weg (Grundt. Einzahl), wälze (wörtl.) die ganze Sorgenlast deines Lebensweges auf ihn. (Vergl. 1. Petr. 5,7.) Übergib in des Ewigen Hände nicht nur das, was dir jetzt so das Herz beschwert (V. 1), sondern alle deine Kümmernisse und Sorgen; ja stelle ihm den ganzen Verlauf deines Lebens anheim. Lass fahren alle Angst, entsage deinem Eigenwillen, unterwirf dein Urteil der ewigen Weisheit, überlass alles deinem treuen Gott. Fürwahr ein treffliches Mittel, Herzeleid und Missgunst zu vertreiben! Allerdings ist es eine hohe Stufe des Glaubens, auf die diese vierte Lebensregel hinweist. Wie glücklich muss der Mensch sein, der Tag für Tag nach ihr lebt! Und traue auf ihn, so wird Er es (wohl) machen oder hinausführen. (Grundt.) Übergeben wir alles im Glauben dem Herrn, so werden wir am Ende fröhlich rühmen können: Er hat alles wohl gemacht! Der Landmann sät und eggt und dann überlässt er die Ernte Gottes treuen Händen. Was sollte er auch anders tun? Er kann den Himmel nicht mit Wolken bedecken, noch kann er dem Regen gebieten, herniederzurieseln, oder der Sonne, aus der Wolkenhülle hervorzubrechen, noch kann er den Tau hervorbringen. Er tut wohl daran, die ganze Sache Gott zu überlassen; und so ist es auch für uns alle die höchste Weisheit, nachdem wir im Gehorsam unsere Pflicht getan haben, das Weitere in Gottes Händen zu lassen und einen gesegneten Ausgang zu erwarten.

6. Und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht. In Sachen unserer persönlichen Ehre dürfen wir uns ganz besonders daran genügen lassen, still zu sein und unsere Rechtfertigung dem Richter aller Welt zu überlassen. Je mehr wir uns da ereifern und erhitzen, desto schlimmer für uns. Da gilt es in hohem Maße, dass im Stillesein unsere Kraft liegt. Der Herr wird den Verleumdeten rechtfertigen. Ist es uns um Gottes Ehre zu tun, so wird er zu der unseren sehen. Es ist merkwürdig, wie der Schmutz der Verleumdung an solchen, die gelernt haben, die Schmähungen mit dem Mut des Glaubens zu erdulden, nicht haften bleibt, sondern abfällt, wie ein Schneeball von einer Granitwand. Selbst in den schlimmsten Fällen, wo unser guter Name eine Zeitlang wirklich verdunkelt wird, wird Gott die Schatten weichen lassen, wie die Finsternis vor der Morgendämmerung entfliehen muss, und dies Licht wird zunehmen, bis der einst Geschmähte allgemein geachtet und geehrt wird. Und dein Recht wie den Mittag. Kein Schatten eines Tadels soll an dem Mann haften, der auf Gott vertraut; er soll auf der Mittagshöhe des Glanzes stehen. Alles Dunkel seines Kummers und seiner Schmach soll weichen.

Fußnoten
2. Bei Luthers Fassung müsste man Cr)b Nk# erwarten, wie 1. Mose 26,2 . An Neigung zum Auswandern ist schwerlich gedacht. Fasst man den Imper. als Ermahnung, so wird das Wort: Bewohne das Land, eine Ermunterung zum stillen, in Gott beruhigten Leben im Land der Verheißung sein (Moll). Doch kann man nach Spr. 20,13 b den Imperativ trotz seiner asyndetischen Stellung (ohne w) als Verheißung auffassen, und dies liegt nach V. 9.11.22.29 und bes. V. 27 (wo der gleiche Imper., allerdings mit w copulat., steht) sachlich näher: so wirst du das (verheißene) Land bewohnen, vergl. dazu Spr. 2,21 und viele Stellen. So z. B. Stier, Bäthgen, auch die engl. Bibel.

3. Auch diese Worte werden, schon von den alten Übersetzern, sehr verschieden gefasst. Der Imperativ kann wieder entweder als Befehl oder als Umschreibung einer Verheißung gefasst werden. Die einfachste Übers. ist wohl: und übe Treue. (h(r hinter etwas her sein.) Andere übers.: und weide dich (oder. so wirst du dich weiden) an der Treue (Gottes); doch müsste man dann den Zusatz "Gottes" erwarten. Bäthgen fast (wie Luther) hnwm) als adverbiellen Akkus., doch nach Jes. 33,6 in der Bedeutung Sicherheit: so wirst du in Sicherheit (das Land) beweiden. Luther 1524: und nähre dich im Glauben.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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7. Sei stille dem Herrn und warte auf ihn;
erzürne dich nicht über den,
dem sein Mutwille glücklich fortgeht.

Sei stille dem Herrn. Dies Mahnwort kommt aus dem Heiligtum. Ihm nachzuleben, dazu bedarf es viel Gnade. Das unruhige Gemüt zu beschwichtigen, in heiliger Stille vor dem Herrn zu bleiben und geduldig die Zeit abzuwarten, wo die dunklen Führungen der Vorsehung sich aufhellen werden, - das ist’s, wonach jedes begnadigte Herz ringen sollte. "Und Aaron schwieg stille." (3. Mose 10,3.) "Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn Du hast’s getan." (Ps. 39,10.) Eine schweigsame Zunge zeigt in vielen Fällen nicht nur einen weisen Verstand, sondern ein geheiligtes Herz. Und warte (harre gespannt) auf ihn . Dem Ewigen ist die Zeit nichts; lass sie auch dir nichts sein, wo es zu harren gilt. Gott ist’s wohl wert, dass wir auf ihn warten. Er kommt nicht, ehe seine Stunde geschlagen hat, aber er kommt auch nie eine Minute zu spät; seine Uhr geht immer richtig. Wenn wir eine Erzählung lesen, werden wir nicht stutzig, wenn sich die Knoten immer verwickelter knüpfen; wir wissen, der Schluss wird die Lösung bringen. So sollten wir auch über das große Drama des Lebens nicht voreilig urteilen, sondern bis zur Schluss-Szene warten und sehen, auf was für ein Ende das Ganze hinausläuft. Erzürne (erhitze) dich nicht über den, der seinen Weg glücklich durchführt, über den Mann, der Intrigen spinnt. (Wörtl.) Es dient zu nichts Gutem, wohl aber zu vielem Bösen, wenn du dir Kopf und Herz zermarterst über den Erfolg, den verworfene Intriganten in dieser Zeit haben. Lass dich nicht zu unreifen Urteilen hinreißen; du bereitest durch sie Gott Unehre und dir selber Herzeleid. Fasse den festen Entschluss, du wollest, mögen die Gottlosen noch so glänzende Erfolge in allen ihren Unternehmungen haben, über die Sache mit Gleichmut hinweggehen und es nie erlauben, dass in dir ein Zweifel über die Gerechtigkeit und Güte Gottes aufsteige. Was soll’s, wenn auch die Intrigen der Gottlosen Glück und Gedeihen haben, während deine Pläne zu Wasser werden? In den schmerzlichen Enttäuschungen und Vereitlungen deiner Pläne ist dennoch ein größeres Maß göttlicher Liebe als in den Erfolgen der Gottlosen.

8. Steh ab vom Zorn und lass den Grimm;
erzürne dich nicht, dass du auch übel tust.
9. Denn die Bösen werden ausgerottet;
die aber des Herrn harren, werden das Land erben.
10. Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nicht mehr;
und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein.
11. Aber die Elenden werden das Land erben,
und Lust haben in großem Frieden.


8. Steh ab vom Zorn und lass den Grimm. Hiermit kehrt die Spruchreihe wieder zu der Warnung des Anfangs zurück, mit näherer Ausführung und Begründung derselben. Hadere nicht mit der Vorsehung, indem du mit Bitterkeit auf die zeitlichen Ergötzungen derer schaust, die doch so bald alles Glücks beraubt sein werden. Fleischlicher Zorn ist stets ein naher Verwandter des Wahnsinns; hier ist er die höhere Unsinnigkeit. Lass den Grimm fahren, den bösen Gesellen, der dir den Frieden stört; und ob er sich dir in seiner Unverschämtheit immer wieder aufdrängen will, so lass ihn ein für allemal wissen, dass ihr geschiedene Leute seid! Erzürne (erhitze) dich nicht, (es führt) nur zum Bösestun . (Grundt.) Da hast du den Grund, warum du mit dem Zorn nichts zu schaffen haben sollst: er wirft dich in den Kot, ehe du dich’s versiehst. Wer Groll im Herzen trägt, steht am Rand eines Abgrunds. Du nennst deinen Zorn sittliche Entrüstung über das Böse und anfangs war er das vielleicht in der Tat; aber siehe zu, wohin er dich führt! Unbemerkt wirst du mitten im Hadern gegen Gott sein. Und viele, die die Schlange der Unzufriedenheit am Busen genährt haben, sind endlich dazu gekommen, schwere Sünden zu begehen, um ihre vermeintlichen Rechte zu erobern. Hüte dich davor, dich mit anderen Leuten zu beschäftigen und dich über ihr Scheinglück aufzuhalten; lass du nur das eine deine Sorge sein, dass du auf dem rechten Weg erfunden wirst. Und wie du vor der äußern Sünde zurückschreckst, so zittere auch vor dem inneren Murren.

9. Denn die Bösen werden ausgerottet. Trifft sie nicht schon vorher die verderbende Hand Gottes, so wird doch ihr Tod ein schreckliches Gericht sein; nicht eine sanfte Versetzung in eine höhere Lebensform, sondern eine Hinrichtung durch das Schwert der rächenden Gerechtigkeit. Die aber des Herrn harren - die sich an den Unsichtbaren halten, als sähen sie ihn, und sich mit seiner Weisheit und Liebe und seinen untrüglichen Verheißungen trösten - die (im Grundt. nachdrücklich hervorgehoben) werden das Land erben . Jetzt scheint es, als wären die Frevler die Erben der den Glaubensvätern gegebenen Verheißungen; aber wer warten kann, wird die Herrschaft der Gottlosen vernichtet sehen. Ob Abrahams geistliche Nachkommen auch heute noch als Fremdlinge hier auf Erden wallen, es wird doch die Zeit kommen, in der sie das Erdreich besitzen (Mt. 5,5). Leidenschaft hat, nach Bunyans Gleichnis, ihre guten Dinge zuerst und sie sind bald dahin; Geduld bekommt ihre guten Dinge zuletzt und sie währen ewig.

10. Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nicht mehr. Wenn verworfene Menschen hoch emporkommen, schwemmen Gottes Gerichte sie oft plötzlich hinweg. Ihre Reichtümer schmelzen dahin, ihre Macht vergeht und ihr Glück wandelt sich in Elend; ja, nicht nur alle ihre Herrlichkeit, sondern sie selbst sinken dahin und zählen nicht mehr unter die Lebenden. Die Kürze des Erdenlebens lehrt uns erkennen, dass der Glanz der gottlosen Reichen und Hohen dieser Welt nur schimmerndes Rauschgold ist. Was beneidest du denn, o Gotteskind, das du in mancherlei Trübsal bist, Menschen, die binnen kurzem im Staube, und niedriger als im Staube, gebettet sein werden? Und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein. Sein Haus wird öde stehen, sein Amtssitz leer sein und seine Habe ohne Besitzer; er selbst wird aus dem Gedächtnis völlig ausgelöscht sein, vielleicht durch seine eignen Ausschweifungen schlagartig vom Leben abgeschnitten oder auf ein ärmliches und schmachbedecktes Sterbebett hingestreckt sein. Er ist verschwunden wie eine vorübergegangene Wolke, vergessen wie ein Traum; - wo sind seine prahlerischen, anmaßenden Reden und wo all der Luxus, der arme Sterbliche denken ließ, er sei trotz seiner Sünden ein Günstling des Himmels?

11. Aber die Elenden (die stillen Dulder, die Sanftmütigen Mt. 5,5) werden das Land erben . Dieses Wort unseres Psalms hat der erhabene Bergprediger in seine Seligpreisungen aufgenommen. Sollen sie das Land der Verheißung in Besitz nehmen, so ist darin eingeschlossen, dass sie leben werden. Gerade sie, die so viel Unrecht in stiller Sanftmut dulden, sollen die Herrscherkrone erlangen; sie sollen die Erfüllung der Bundesgnaden und die volle Verwirklichung der Heilsratschlüsse Gottes erfahren. Sie, die sich in wahrer Demut unter Gottes Hand beugen und im Glauben auf das Gegenwärtige und Sichtbare verzichten, sie sollen die Zukunft haben und ihr Los zugeteilt bekommen unter dem heiligen Samen, unter den Erben der Gnade, denen alle Fülle des Guten nach heiligem Geburtsrecht zufallen muss. Und ihre Lust haben an großem Frieden.4 (Wörtl.) Der Friede ist’s, wonach ihr Herz begehrt und Frieden sollen sie in überschwänglichem Maß haben. Haben sie nicht eine Fülle des Reichtums, so wird ihnen die Fülle des Friedens, die sie genießen, dafür ein überreicher Ersatz sein. Andere haben ihre Lust am Streiten und beschwören dadurch selber ihr Unglück herauf; Friedfertigkeit aber führt zu Frieden und je mehr jemand ihn liebt, desto reichlicher wird er ihm zuteil. In dem goldnen Zeitalter der letzten Tage, in denen die ganze Erde sich tiefen Friedens erfreuen wird, wird die volle prophetische Bedeutung solcher Worte ans Licht treten.

Fußnote
4. Da Friede im Hebr. ungetrübtes inneres und äußeres Wohlsein bedeutet, kann man den Sinn des Grundtextes oft besser durch die Übersetzung Heil wiedergeben. Danach ist auch die Auslegung Spurgeons, die nur eine Seite hervorhebt, zu ergänzen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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