Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Psalm 110

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Erläuterungen und Kernworte


V. 4. Der HERR hat geschworen usw. Dieser Eid ist um unsertwillen geschehen. Erstlich, damit uns zum Bewusstsein komme, wie wichtig diese Weihe Christi zum Priester ist, und wir desto fester glauben. Zweitens, damit wir die Güte Gottes erkennen, der, ob er wohl die Wahrheit selbst ist und es ein Verbrechen wäre, an der Zuverlässigkeit seines einfachen Wortes zu zweifeln, doch sich herabgelassen hat, seinen Beschluss nach Menschenweise durch einen Eid zu bekräftigen. Andr. Rivetus † 1651.

Du bist ein Priester ewiglich. Wie nicht das Gold den Altar, sondern der Altar das Gold heiliget, so mag von Christo, ohne dass wir damit die hohe Würde seiner Berufung herabsetzen, gesagt werden, dass seine Person vielmehr eine Ehre für das priesterliche Amt war, als dass dieses etwas zu seiner Herrlichkeit hinzufügte. Denn welche Beförderung konnte es ihm bringen, ein Amt auf sich zu nehmen, durch das er sich tief unter seine göttliche Würde erniedrigte und zu schmählichem, ja den Fluch tragenden Tode gebracht wurde? Wer waren wir Niederträchtige, in Sünde empfangen und geboren und befleckt mit zahllosen eigenen Missetaten, dass Gottes eingeborener Sohn, wesensgleich mit dem Vater, um unsertwillen zum Priester gemacht ward, um unsere verunreinigten Seelen und besudelten Gewissen zu reinigen? Es war eine staunenswerte Demut von ihm, als er seinen Jüngern die Füße wusch; aber dass er, Gott selbst geoffenbart im Fleisch, unsere unreinen Seelen wusch, geht über alles menschliche Begreifen hinaus und dünkt uns nach unserer Vernunft unter der Würde der göttlichen Majestät zu sein. Gibt es doch nichts so Unreines wie ein schuldbeladenes Gewissen, nichts so Schmutziges, keine so verrottete, übelriechende Fäulnis, als sie sich in den Wunden und Schwären der menschlichen Seele findet; dennoch ließ sich der Sohn Gottes hernieder, sie mit seinem eigenen Blute zu waschen und zu baden. O bodenlose Tiefe der Demut und Gnade! Und wohl uns, er ist Priester auf ewig! Daniel Featley † 1645.

Melchisedek. Häretiker der alten Zeit behaupteten, dieser sei der Heilige Geist. Andere meinten, er sei ein Engel, andere hielten ihn für Sem oder für eine Selbstoffenbarung Christi. Wenn ich aber sehe, dass der Heilige Geist absichtlich Namen, Geschlecht, Anfang und Ende und Abstammung dieser Persönlichkeit verbirgt, muss ich mich wundern, dass die Menschen sich damit im Finstern abmühen, das herauszufinden, wofür ihnen jeder solide Grund, auf dem sie ihre Schlüsse aufbauen könnten, fehlt, und während ausdrücklich gesagt ist, dass Melchisedeks Persönlichkeit in so geheimnisvolles Dunkel gehüllt ist, eben um sie desto mehr zu einem geeigneten Typus des ewigen Priestertums Christi zu machen. Bischof E. Reynolds † 1676.

Dreierlei ist sicher über Melchisedek: 1) dass er ein Mensch war, Hebr. 5,1; 2) dass er nicht durch das Recht der Geburt in sein Amt gekommen, sondern unmittelbar von Gott dazu berufen worden ist; 3) dass er keinen Nachfolger auf Erden hatte noch haben konnte, eben weil sein Priestertum ein persönliches war. - Es gab vorher sachliche Vorbilder auf Christum, wie die Opfer, auch Persönlichkeiten, wie Adam, Abel, Noah, die in gewissen Stücken als moralische Vorbilder Christum abschatteten; aber der erste, der in seiner ganzen Persönlichkeit ein Vorbild Christi darstellte, war der Priester Melchisedek. - Vergleichen wir weiter die Züge der Ähnlichkeit zwischen Melchisedek und Christus. 1) Jener war König der Gerechtigkeit und König des Friedens. Christus hat die ewige Gerechtigkeit gebracht, und er ist unser Friede. 2) Er war Priester Gottes des Höchsten. Christus brachte das Opfer dar, auf das alle seit Gründung der Welt gebrachten Opfer hinwiesen. 3) Christus segnet die Gläubigen, wie Abraham, der Vater der Gläubigen, von Melchisedek gesegnet ward. 4) Christo wird alle Huldigung der Gläubigen dargebracht, und alle Triumphe legen sie ihm zu Füßen, wie Melchisedek von Abraham den Zehnten von der Beute empfing. 5) Christus war in der Tat ohne Vorfahren oder Vorgänger in seinem Amt; auch möchte ich den geheimen Sinn nicht ausschließen, dass er nach seiner menschlichen Natur ohne Vater, nach seiner göttlichen ohne Mutter war. 6) Er war als Priester ohne Geschlecht, d. h. sein Priestertum gründete sich nicht auf Abstammung von den Lenden Aarons oder irgendeines andern Priestergeschlechts. 7) Er hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens; das Sterben, dem er sich unterzog, war nicht, wie der Tod Aarons, das Ende seines Priestertums, vielmehr eine Handlung seines Priesteramts, die sein göttliches Leben nicht einen Augenblick unterbrach. 8) Er war wirklich der Sohn Gottes, während Melchisedek in manchen Stücken dem Sohne Gottes ähnlich gemacht ward. 9) Er bleibt Priester in Ewigkeit, eben weil das Priestertum auf seiner ewigen Persönlichkeit ruht. John Owen 1856.

V. 5. Der HERR wird zerschmettern die Könige usw. Er dräuet wahrlich solchen großen Häuptern schrecklich, dass, wenn sie es wollten hören und könnten glauben, sollten sie zu Tode dafür erschrecken. Und zwar wollte er sie hiermit gerne zur Buße reizen und bewegen, dass sie sich bekehreten und aufhöreten, wider diesen Herrn zu toben. Wo sie aber nicht wollen, sollen sie wissen, was über sie gehen soll. - Denen Christen aber wird es auch zu Trost gesagt. Denn das ist unser Trost, der uns erhält und das Herz fröhlich und mutig macht wider der Welt Verfolgen und Wüten, dass wir haben einen solchen Herrn, der nicht allein uns erlöset von der Sünde, Gottes Zorn und ewigem Tod, sondern auch uns schützet und rettet im Leiden und Verfolgung, dass wir nicht sollen untergehen. Und ob sie schon aufs gräulichste wider die Christen rumoren, soll darum das Evangelium noch die Christenheit nicht untergehen, sondern ihre Köpfe darob zerschmettert werden. Denn wo ihr Verfolgen sollte ohne Aufhören fortgehen und währen, so könnte die Christenheit nicht bleiben. Darum gibt er ihnen eine Zeit und sagt, er wolle ihnen wohl eine Weile zusehen, aber nicht länger denn bis das Stündlein kommt, das da heißt: der Tag des Zorns. Wollen sie indes nicht aufhören in Gottes Namen, so müssen sie alsdann aufhören ins Teufels Namen. Martin Luther 1539.

V. 6. Er wird’s voll toter Leichname machen. (Luther 1524.) So groß wird das Schlagen sein, das er unter ihnen anrichtet, dass niemand übrig sein wird, die Toten zu begraben. Es wird an dem Tage des Zornes Gottes (V. 5) eine allgemeine gleichzeitige Zerschmetterung der Gottlosen stattfinden, und äußerste Schmach wird ihr Teil sein, wie wenn die Erschlagenen unbegraben liegen bleiben und zu Dünger auf dem Felde werden. Bischof Edw. Reynolds † 1676.

V. 5.6. Wenn De Wette, Hupfeld u. a. meinen, der König, der Köpfe zerschmettere und das Land mit Leichen fülle, könne nicht der christliche Messias sein, so hat Christus selbst und seine Apostel anders geurteilt. Sie haben in dem wundersamen prophetischen Gemälde das gottmenschliche Haupt des Gottesreiches auf Erden erkannt. Und das mit gutem Grund. Jenes Bild geht weit über die Wirklichkeit des Alten Bundes hinaus, dessen lichtvollste Erscheinungen durch einen ungewohnten höheren Glanz völlig verklärend. Anderseits mangelt der neutestamentlichen Christologie nicht jene Fülle der realen Offenbarung, welche die moderne Theologie verschmäht. Dem erhöhten Christus stehen in der Tat auch die Mächte der Außenwelt zu Gebote. Und was die Geschichte meldet von Blutvergießen und Leichenfeldern, das sind im Grunde Gerichte Gottes, welche zuletzt die Bestimmung haben, seinem Gesalbten alles zu Füßen zu legen. Prof. Conrad von Orelli1882.

V. 7. Er wird trinken vom Bache auf dem Wege. Ältere Auslegungen weisen uns darauf hin, Christus habe getrunken von dem Bache 1) der Sterblichkeit, durch seine Menschwerdung, 2) der Leiden und Mühsale während seines ganzen Erdenwandels, 3) des Gesetzes, durch seinen Gehorsam, 4) des Hasses der Juden, 5) der Fluten Belials, in den Versuchungen, 6) des Zornes seines Vaters, und endlich 7) des Todes selbst. John Prideaux † 1650.

Schnurrer hat die Bedeutung dieses Verses wohl richtig erfasst, da er sagt: Wiewohl er durch das große Schlagen, das er unter seinen Feinden getan, ermüdet ist, wird er doch nicht ablassen, sondern, nachdem er sich an etwas Wasser aus dem nächsten Bach erfrischt hat, seine erneuerte Kraft zur Verfolgung des in wirrer Flucht befindlichen Feindes anwenden. Prof. E. Rosenmüller 1831.

Homiletische Winke

V. 1.
Der Heilige Geist beginnt den Psalm damit, dass er das Königtum Christi verherrlicht, indem er es schildert 1) nach Christi Verordnung zu demselben durch den Spruch oder die Willensverfügung des Vaters; 2) nach der Erhabenheit der Person Christi, wiewohl er uns zugleich durch seine menschliche Natur nahe verbunden ist; 3) nach der Herrlichkeit, Macht und himmlischen Natur seines Königtums, denn bei der Verwaltung desselben sitzt er zur Rechten seines Vaters; 4) nach der Beständigkeit desselben und seinen Siegen. Bischof Edward Reynolds† 1676.
1) Die nahen Beziehungen, in die Christus sich aus herablassender Liebe zu uns gestellt hat, zerstören nicht unsere Ehrfurcht vor ihm. Er war Davids Sohn, doch nennt David ihn seinen Herrn; er ist unser Bruder, Freund, Bräutigam usw., und dennoch unser Herr. 2) Die Herrlichkeit Christi mindert nicht seine nahen Beziehungen zu uns und unsere innige Gemeinschaft mit ihm. Auch da er auf dem Thron sitzt als Herr, ist er mein, mein Herr. 3) Unter diesem doppelten Gesichtspunkt, als Herrn und doch uns angehörend, betrachtet ihn auch Jehovah selbst, spricht er zu ihm und verordnet er ihn zum ewigen Priester. Lasst auch uns ihn stets in diesem zwiefachen Licht ansehen.
Setze dich oder sitze usw. 1) Die Ruhe unseres Herrn inmitten des Wandels der Ereignisse. 2) Die Fülle seiner gegenwärtigen Macht. 3) Das Hinstreben aller Geschichte zu ihrem schließlichen Ziele, das 4) der vollkommene, leichte Sieg Christi über alle seine Feinde sein wird.
V. 2.
(Missionspredigt.) 1) Was ist dies Zepter Christi? Das Evangelium (vorgebildet durch Moses Stab). 2) Wer sendet es oder (wörtlich) streckt es aus? Der HERR. 3) Von wo geht es aus? Aus Zion, der Gemeinde Gottes. 4) Was ist das Ergebnis? Dass Jesus herrscht.
V. 3.
Eine Weissagung über die Untertanen des Reiches Christi. l) Wer sind sie? a) Ein Volk. Das weist auf Unterschiedenheit, Abgesondertheit, Ähnlichkeit und geordnete Gliederung. Sie sind nicht ein wirrer Haufe, sondern eine zu einer Einheit geordnete Gemeine. b) Sein Volk. Dies sind sie als vom Vater ihm gegeben, durch sein Blut erkauft und durch den Heiligen Geist wirksam berufen. 2) Wie beschaffen sind sie? a) Ein treu gesinntes Volk - "lauter Freiwilligkeit". b) Ein überwundenes Volk - "nach deinem Siege". c) Ein heiliges Volk. d) Ein unzählbares Volk. Die große Zahl der bei der ersten Verkündigung des Evangeliums Bekehrten war nur der Tau des Morgenanbruchs. George Rogers 1878.
Wie sich Christi königliche Herrlichkeit in seinem Volke erweist. 1) Der innere Erweis: sein Volk ist lauter Freiwilligkeit. 2) Der Erweis nach außen: ihr Schmuck (ihre glänzende Uniform) die Heiligkeit. J. Bennet 1829.
Alle wahren Nachfolger Jesu sind 1) Priester (in heiligem Schmuck); 2) Krieger (am Tage deines Heerbanns); 3) Freiwillige; 4) Wohltäter (wie der Tau).
In diesem Vers ist ein ganzes Bündel von Predigtthemen beisammen: Die Willigkeit des Volkes Gottes. Der heilige Schmuck der Christen. Wie der Tau das Feld, so beleben und zieren Neubekehrte die Gemeinde. Das Wunder der Bekehrung usw.
V. 4.
Das ewige Priestertum Christi. Worauf seine immerwährende Dauer gegründet ist und was für segensreiche Wirkungen davon ausgehen.
1) Die bei der Priesterweihe unseres Herrn gebrauchte Ordinationsformel. 2) Das ihm übertragene Amt. 3) Die Vorrechte seines Amtes. Dieses ist a) ewig, b) ordnungsgemäß, c) königlich. Daniel Featley † 1645.
Melchisedek als Vorbild des ewigen Priesterkönigs. Ein fruchtbares Thema.
V. 5.
Die sicher in Aussicht stehende Niederwerfung aller Mächte, die sich dem Evangelium entgegenstellen.
V. 6.
Die Gerichte, die über Völker hereingebrochen sind und hereinbrechen werden um der Verwerfung des Herrn Jesus willen.
V. 7.
Jesu Entschlossenheit, Selbstverleugnung, Schlichtheit und Siegesgewissheit als Ursachen seines Erfolgs und von uns nachzuahmendes Beispiel.
Christi Erniedrigung und Erhöhung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Psalm 111

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PSALM 111 (Auslegung & Kommentar)

Inhalt

Dieser Psalm trägt keine Überschrift. Er ist wie der nächste alphabetisch, d. h. seine 22 Zeilen tragen je einen der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets der Reihe nach an der Spitze. Dem Inhalt nach ist er ein Lobgesang auf des HERRN Werke in der Schöpfung, Vorsehung und Erlösung. Ein Grundgedanke zieht sich hindurch: Dass des HERRN Volk seinen Gott erkennen sollte und dass diese Gotteserkenntnis, in tätige Frömmigkeit umgesetzt, des Menschen wahre Weisheit und eine nie versiegende Quelle der Anbetung ist. Viele leben in trauriger Unwissenheit über das, was ihr Schöpfer getan hat, dahin; darum sind sie Toren nach der Gesinnung ihres Herzens und stumm, was das Lob Gottes betrifft. Dem kann nur abgeholfen werden, wenn sie sich Gottes Werke und Taten vergegenwärtigen und sie mit Fleiß erforschen; und dazu eben will uns der Psalm erwecken. Man kann ihn das Lied von Gottes Werken nennen, das den Zweck hat, uns zum Werk des dankbaren Lobes anzureizen.

Einteilung


Der Psalmdichter beginnt mit einer Aufforderung, den HERRN zu preisen, V. 1. Dann geht er dazu über, uns aus Gottes Werken und den Führungen seines Volkes zu zeigen, wie reichen Anlass wir zur Anbetung haben, V. 2-9. Der Psalm schließt mit einer Empfehlung tätiger Frömmigkeit.

Auslegung

1.
Hallelujah!
Ich danke dem HERRN von ganzem Herzen
im Rat der Frommen und in der Gemeinde.



1. Hallelujah, d. i. Preist den HERRN. Ihr seine Heiligen alle, vereinigt euch in der Anbetung Jehovahs, dessen Wirken so ruhmwürdig ist. Lobt ihn jetzt und allezeit, tut es von Herzen und einmütig, schon hienieden wie einst ewig. Lassen andere es daran fehlen, so sorgt doch, dass ihr stets ein Lied für euren Gott habt. Tut alles Zweifeln und misstrauische Fragen, alles Murren und Widerstreben von euch und gebt euch ganz dem einen hin, den HERRN zu preisen, und zwar mit Herz und Lied, mit Leib und Leben. Ich will den HERRN preisen von ganzem Herzen. (Grundtext) Der begnadete Sänger stimmt selbst das Loblied an, denn sein Herz ist ganz in Flammen. Mögen andere mittun oder nicht, er will alsbald damit beginnen und nicht so bald wieder aufhören. Was wir andern predigen, sollten wir vor allem selbst tun. Die beste Weise, eine Ermahnung wirksam zu machen, ist die, dass wir mit dem eigenen Beispiel vorangehen. Das Vorbild, das wir geben, sollte aber auch von der besten Art sein, wir möchten sonst die andern anleiten, ihr Werk lässig zu tun. Der Dichter dieses Psalms weihte der seligen Aufgabe sein ganzes Herz, nichts weniger. Alle seine Liebe strömte aus gegen Gott, und nicht nur seine Gefühle, sondern auch den ganzen Eifer seines Wollens und alle seine Gaben stellte er Gott zu Dienst. Jehovah, den einen und ungeteilten Gott, kann man mit geteiltem Herzen nicht würdig preisen, und niemand sollte es wagen, ihn so zu entehren; ist doch unser ganzes Herz wahrlich klein genug für seinen Ruhm, auch gibt es keinen Grund, warum es sich nicht völlig seinem Preise hingeben sollte. Alle seine Werke sind des Preisens würdig; drum wollen wir ihn mit unserem ganzen Wesen anbeten. Im Rat (im vertraulichen Beisammensein) der Frommen und in der Gemeinde. Ob er im engeren Kreis ist oder in der großen Gemeine, ob auserlesene Geister ihn umgeben oder die Masse des Volks, unter allen Umständen soll sich sein ganzes Herz in Lob und Preis ergießen. Für die gewählteste Gesellschaft kann es keine bessere Verwendung der kostbaren Zeit geben und für die große Versammlung des Volks nichts geeigneter sein. Für den engen Kreis der Gläubigen am Tisch des HERRN wie für die große Schar, die sich unter dem Schall des Wortes versammelt, für die Familie wie für die Bürgerversammlung, für das verschwiegene Stübchen gottseliger Freunde wie für die breite Öffentlichkeit passt ein Lied zu Gottes Preis; wenigstens sollte, wer es treulich meint, allüberall sein Hallelujah singen. Warum sollten wir uns vor Menschen scheuen? Die Edelsten werden in unser Lied mit einstimmen, und wenn andere von gemeinerem Schlage es nicht tun, mag unser Beispiel ihnen ein sehr nötiger Tadel sein. Und du, lieber Leser? Der diese Worte der Auslegung schreibt, erhebt dabei in seinem Herzen den HERRN; willst du nicht auch einen Augenblick innehalten und dich mit ihm in diesem seligen Werk vereinigen?

2.
Groß sind die Werke des HERRN;
wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran.
3.
Was er ordnet, das ist löblich und herrlich,
und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
4.
Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder,
der gnädige und barmherzige HERR.
5.
Er gibt Speise denen, so ihn fürchten;
er gedenkt ewiglich an seinen Bund.
6.
Er lässt verkündigen seine gewaltigen Taten seinem Volk,
dass er ihnen gebe das Erbe der Heiden.
7.
Die Werke seiner Hände sind Wahrheit und Recht;
alle seine Gebote sind rechtschaffen.
8.
Sie werden erhalten immer und ewiglich
und geschehen treulich und redlich.
9.
Er sendet eine Erlösung seinem Volk;
er verheißt, dass sein Bund ewiglich bleiben soll.
Heilig und hehr ist sein Name.



2. Groß sind die Werke des HERRN. Ja, groß sind alle Werke des HERRN in jeder Beziehung, nach ihrer Anlage, ihrem Umfang, ihrer Zahl und ihrer Vortrefflichkeit. Selbst das Kleinste, das Gott tut und schafft, ist groß. In der einen oder andern Hinsicht wird jede der Schöpfungen seiner Macht wie der Taten seiner Weisheit dem, der verständigen Herzens ist, groß erscheinen. Wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran, oder: durchforscht (und der Erforschung wert) von allen, die ihre Lust daran haben. Wer seinen Schöpfer liebt, der hat auch Freude an seiner Hände Werken. Solche merken, dass mehr darin verborgen liegt, als sich an der Oberfläche zeigt; darum legen sie sich mit Fleiß darauf, sie zu erforschen und verstehen zu lernen. Der gläubige Naturforscher durchsucht die Natur, der Geschichtsforscher sucht das Dunkel der Geschichte aufzuhellen und spürt dem verborgenen Zusammenhang der Ereignisse nach, und der Schriftforscher gräbt in dem Bergwerk der biblischen Offenbarung und sammelt all die Goldkörner der göttlichen Wahrheit. Gottes Werke sind unserer Durchforschung wert, sie gewähren uns Belehrung und Vergnügen in wundervollem Verein, und sie wachsen zusehends vor unseren Augen, denn sie erscheinen uns, je mehr wir sie erforschen, viel größer als zuvor. Der Menschen Werke sehen großartig aus, wenn man sie aus der Entfernung betrachtet; Gottes Werke sind wahrhaft groß, wenn man sie genau besieht. Groß sind die Werke und Taten Gottes namentlich auch nach ihren Zwecken und Zielen (wie Delitzsch früher unseren Vers auffasste). Gottes Absichten bei allem, was er schafft und tut, sind gleich bewundernswert wie die Werke selbst. Das Herrlichste an Gottes Werken ist die darin verborgene geheime Weisheit Gottes; darum kommen Leute, deren Blick an der Oberfläche hängen bleibt, um das Beste von dem, was er uns lehren will. Weil die Werke so groß sind, lassen sie sich nicht mit einem Blick übersehen, sondern wollen mit Sorgfalt genau betrachtet werden, und dieses Erforschen ist uns von großem Vorteil, indem es unsere Fähigkeiten ausbildet und unser Geistesauge immer mehr stärkt, das Licht der göttlichen Herrlichkeit zu ertragen. Es ist uns gut, dass wir nicht alles auf den ersten Blick sehen können; denn die Übung, in die Geheimnisse der Werke Gottes einzudringen, ist uns ebenso nützlich wie das Wissen selbst, das wir dadurch erlangen. Sonderlich ist die Geschichte der Wege Gottes mit seinem Volke ein trefflicher Gegenstand des Nachsinnens für empfängliche, von Ehrfurcht vor Gott erfüllte Gemüter; sie werden darin süßen Trost und eine unversiegbare Quelle der Freude finden.

3. Majestät und Herrlichkeit ist sein Tun. (Grundtext) Gilt dies von all seinem Tun, so sonderlich von seinem vornehmsten Werk auf Erden, dem Heilswerk an seiner Gemeinde. Im hellsten Glanze erstrahlt darin seine königliche Herrlichkeit. Darum ist es auch billig der Gegenstand des höchsten Lobpreises; wer es versteht und an sich selbst erfährt, der kann nicht anders, als Gott alle Ehre und allen Ruhm zuzuschreiben. Der Plan dieses Heilswerkes, die sicheren Grundlagen, auf denen es ruht, sein gnadenreicher Zweck, die weisen Vorbereitungen, die Gabe, die es uns bringt, Jesus als Erlöser, die Zueignung der Erlösung durch den Heiligen Geist in Wiedergeburt und Heiligung und was sonst noch zu dem herrlichen Ganzen gehört, alles gereicht zu nimmer endendem Ruhme ihm, der solch erstaunlichen Plan zu unserem Heil erfand und ausführte. Kein anderes Werk kann damit verglichen werden; es ehrt den Retter und bringt auch die Geretteten zu Ehren, dient zu Gottes Verherrlichung und führt uns zur Herrlichkeit. Es ist kein Gott wie der Gott Jesuruns, und nichts kommt der Erlösung gleich, die er für sein Volk gewirkt hat. Und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Bei dem Werk der Gnade ist die Gerechtigkeit nicht außer Acht gelassen noch wird sie ihrer Krone beraubt, sondern im Gegenteil, sie wird gerade durch dasselbe vor den gesamten Intelligenzen des Weltalls zu den höchsten Ehren gebracht. Dass unser Stellvertreter unsere Schuld tragen musste, beweist, dass Gott nicht einmal, um seine Gnadenabsichten zu verwirklichen, die Gerechtigkeit hintansetzt. Nie kann Gottes Gerechtigkeit auf eine härtere Probe gestellt werden, als diejenige war, die sie bereits in der Dahingabe seines geliebten Sohnes bestanden hat; hinfort wird sie wahrlich ewiglich bleiben, für immer bestehen. Noch mehr: es kann nun nie ein Zweifel aufkommen, ob Gottes Gerechtigkeit in seinem ganzen Ratschluss wohl zu ihrem Recht kommen werde; denn alles, was sie verlangt, ist bereits erfüllt, ihre Forderungen sind befriedigt durch die zwiefache Tat unseres Herrn, da er sowohl die gebührende Strafe trug, als auch dem Gesetz völligen Gehorsam leistete. Willkür schleicht sich in Gottes Regierung nicht ein, die Rechtschaffenheit derselben ist für immer über allen Zweifel erhoben. In keiner einzigen Handlung Gottes ist Ungerechtigkeit zu finden noch wird je davon eine Spur zu entdecken sein; das ist der höchste Ruhm seines Tuns, und selbst seine Widersacher können das nicht abstreiten. Darum mögen die Gläubigen ihn immerdar preisen und sich niemals schämen, von dem so löblichen und herrlichen Tun ihres Gottes zu sprechen.


4. Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder. Er wollte, dass diese bei seinem Volk stets in frischem Andenken bleiben; und das ist in der Tat der Fall, teils, weil sie an sich denkwürdig sind, und teils, weil er für ihre Aufzeichnung durch inspirierte Federn Sorge getragen und sie durch den Heiligen Geist seinen Kindern ins Herz geschrieben hat. Durch die Anordnungen des mosaischen Gesetzes wurden der Auszug aus Ägypten, der Aufenthalt in der Wüste und andere Denkwürdigkeiten der Geschichte Israels dem Volke immer wieder vergegenwärtigt, und das junge Geschlecht ward auf diese Weise über die Wunder unterwiesen, die Gott in alten Zeiten getan hatte. Taten solcher Art, wie Gott sie vollbracht hat, sind nicht dazu da, eine kurze Weile bewundert und dann vergessen zu werden, sondern sind zu dauernden Denkmalen und lehrreichen Wahrzeichen für alle kommenden Geschlechter hingestellt; und vor allem sind sie dazu bestimmt, das Volk des HERRN in dem Vertrauen auf Gottes Liebe zu befestigen und es sie tief erkennen zu lassen, dass ihr Bundesgott der gnädige und barmherzige HERR ist. Sie können ohne Furcht für die Zukunft seiner Gnade trauen, denn sie kennen sie aus der Vergangenheit. Die Gnade gibt sich in Gottes Walten ebenso klar zu erkennen wie seine Gerechtigkeit; ja, eine Fülle zärtlicher Liebe sehen wir in allem, was er getan hat. Er behandelt die Seinen voller Rücksicht auf ihre Schwächen und Gebrechen; hat er doch für sie dasselbe Mitgefühl wie ein Vater für seine Kinder. Sollten wir ihn dafür nicht preisen? Ein silberner Faden herzlicher Barmherzigkeit zieht sich durch das ganze Gewebe der göttlichen Weltregierung wie der Erlösung ununterbrochen hindurch. Mögen seine Auserwählten diese Tatsache stets im Gedächtnis behalten und mit dankbarer Freude davon Zeugnis ablegen!
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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5. Er gibt (wörtl.: hat gegeben) Speise denen, so ihn fürchten. Da das gewählte Wort eigentlich Beute bedeutet, dachten ältere Ausleger an die Schätze, die die Kinder Israel bei dem Auszug aus dem Diensthause auf ihr Verlangen von den bedrängten Ägyptern erhielten, wie auch sonst Israel jeweils sich von seinen Feinden bereicherte. Allein die Wahl des Wortes ist durch die alphabetische Anordnung des Psalms bedingt und wird auch Spr. 31,25 für Speise gebraucht. Wie der HERR in der Wüste sein Volk mit Manna speiste, so sorgt er auch sonst durch die Mittel seiner Vorsehung dafür, dass die Bedürfnisse der Seinen gestillt werden. Irgendwo und irgendwie haben sie noch stets Nahrung gefunden, wie sie sie brauchten, und das selbst in Zeiten drückenden Mangels. Mit geistlicher Speise sind sie vollends reichlich versehen in Christo Jesu; da werden sie mit dem besten Weizen gespeist und dürfen allezeit an des Königs Tische Festmahl halten. Sein Wort ist für die Seele so nahrhaft wie Brot für den Leib, und von diesem Manna ist eine solche Fülle vorhanden, dass keiner der nach dem himmlischen Kanaan Wandernden jemals Hunger leiden braucht. Wahrlich, die Furcht des HERRN ist Weisheit, denn sie verbürgt einem Menschen die Versorgung mit allem, was er bedarf für Seele und Leib. Er gedenkt ewiglich an seinen Bund. Er konnte es seinem Volke nicht an Speise fehlen lassen, weil er mit ihm einen Bund gemacht hatte; und seine Auserwählten werden auch in Zukunft nie Mangel leiden, weil er nach wie vor nach den Satzungen dieses Bundes handeln wird. Keine Verheißung des HERRN wird dahinfallen, noch wird je irgendein Teil der feierlichen Übereinkunft, die die ewige Liebe geschlossen, widerrufen werden oder in Vergessenheit geraten. Der Gnadenbund ist der Grundriss des gewaltigen Werkes, das Gott zum Besten seines Volkes ausführt, und niemals wird Gott von diesem Plane abweichen. Er hat ihn unterzeichnet und sein Siegel darunter gesetzt, sein Ruhm ist damit unlöslich verknüpft, ja die Ehre seines Namens hängt daran; so wird er sein eingedenk bleiben selbst bis auf den kleinsten Buchstaben und Tüttel. Des ist die Ernährung seines Volkes ein Unterpfands: er würde nicht so fort und fort für ihre Bedürfnisse sorgen, wenn er dennoch sie schließlich verderben zu lassen gedächte. Lasst uns auf dies so tröstliche Unterpfand und Angeld achten; wir wollen auf die Treue Gottes zählen und ihn jedesmal, wenn wir irdische Speise genießen oder uns an seinem Worte laben, von ganzem Herzen preisen.

6. Er hat kundgetan (wörtl.) seine gewaltigen Taten seinem Volk. Sie haben mit Augen gesehen, was er zu tun vermag und welche gewaltige Kraft er ihrethalben aufzubieten bereit ist. Diese Macht schaute Israel in den großen Taten, die Gott auf dem Gebiet der Natur wirkte, und wir schauen sie in Geisteswundern, denn wir nehmen die unvergleichliche Wirkenskraft des Heiligen Geistes wahr und erfahren sie an dem eigenen Herzen. In Zeiten tiefster Not hat der HERR uns seine Gnade so machtvoll erleben lassen, dass wir die Größe seiner Kraft anbeten mussten; und das war gerade einer der Gründe, warum er uns in solche Umstände führte, damit er uns seinen starken Arm offenbaren könnte. Hätten wir je seine Kraft so herrlich kennen lernen können, wenn wir nicht in Lagen gewesen wären, wo wir Hilfe so dringend bedurften? Wir können diesen Vers trefflich in die Bitte umwandeln, dass uns gegeben werde, die Macht des HERRN in diesen letzten Zeiten immer mehr am Werk zu schauen. Ja, HERR, lass uns jetzt sehen, wie mächtig du wirken kannst, sowohl in der Errettung von Sündern als in der Bewahrung und Erlösung der Deinen. Indem er ihnen gab das Erbe der Heiden. (Grundtext) Er bot alle seine Macht auf, die Kanaaniter zu vertreiben und sein Volk ins gelobte Land zu bringen. Möge es ebenso seiner unendlichen Weisheit gefallen, seiner Gemeinde die Heiden zum Erbe zu geben in dem Namen Jesu. Nur große Kraft kann dies zustande bringen; aber zu seiner Zeit wird es gewisslich vollführt werden.

7. Die Werke seiner Hände sind Wahrheit und Recht. In allem, was Jehovah tut, leuchten seine Wahrhaftigkeit oder Verheißungstreue und seine Gerechtigkeit durch. Nichts von Arglist oder Winkelzügen ist je an seinem Walten wahrzunehmen; er handelt treulich und redlich an seinem Volke, gerecht und unparteiisch an allen Menschen. Auch dies sollte uns bewegen, ihn zu preisen, da es uns zum höchsten Vorteil dient, unter einem königlichen Herrn zu leben, dessen Ratschlüsse, Gesetze, Rechtssprüche, Verfügungen und Handlungen ganz und gar Wahrheit und Recht sind. Alle seine Gebote sind rechtschaffen oder zuverlässig. Alles, was er bestimmt und beschlossen hat, wird sicheren Bestand haben, und die Befehle, die er erlassen hat, werden sich unseres Gehorsams würdig erweisen; denn Gerechtigkeit ist ihr fester Grund und ihr Zweck unser Wohlergehen, ja ewiges Heil. Er ist kein wankelmütiger, launischer Tyrann, der heute dies und morgen etwas ganz anderes befiehlt, sondern seine Gebote bleiben schlechthin unverändert, ihre Notwendigkeit erweist sich stets gleich unanfechtbar, ihre Vortrefflichkeit über allen Zweifel erhaben, ihr Lohn ewig sicher. Mag man unter den Verordnungen des HERRN, von denen der Vers redet, Gottes Ratschlüsse oder seine Befehle verstehen, in beiden Fällen haben die Worte einen wichtigen Sinn. Der Zusammenhang, besonders der nächste Vers legt es nahe, sie in der ersteren Bedeutung aufzufassen, also an die Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen des Königs der Könige zu denken.

8. Sie werden erhalten (wörtl.: sind gestützt, d. i. fest, wohlbegründet) immer und ewiglich, nämlich seine erhabenen Ratschlüsse, Befehle und Handlungsweisen. Der HERR wird nicht von vorübergehenden Eindrücken bestimmt noch lässt er sich von den Umständen des Augenblicks bewegen. Unabänderliche Grundsätze herrschen in seiner Regierung, und er verfolgt seine ewigen Ziele ohne einen Schatten von Veränderlichkeit. Unsere Werke gleichen, ach wie oft, einem Bau von Holz, Heu und Stoppeln; seine Taten sind lauter Gold, Silber, edle Steine. Wir verfolgen ein Ziel eine Weile und verlassen es, um dann wieder einem andern nachzujagen; er aber ist immer gleichen Sinnes, und niemand vermag ihn von seinem Vorsatz abzubringen. All sein Tun geschieht in der Ewigkeit und für die Ewigkeit; darum bleibt, was er wirkt, für immer bestehen. Dass seine Willensäußerungen solch dauernden Bestand haben, beruht zum großen Teil auf der nun zunächst erwähnten Tatsache, dass sie geschehen treulich und redlich. Nur Redlichkeit hat Bestand. Falschheit vergeht bald, denn sie ist nur Schein; die Wahrheit aber hat Salz bei sich, das sie vor dem Verfall bewahrt. Gott handelt stets nach den erhabenen Grundsätzen der Wahrheit und Rechtschaffenheit, darum bedarf es bei ihm nie einer Änderung oder des Widerrufs und überdauern seine Taten und Worte die Zeit.

9. Er sendet (Grundtext hat gesendet) eine Erlösung seinem Volk. Als die Erben der Verheißung in Ägypten waren, sandte er ihnen einen Retter und führte die Befreiung auch wirklich durch. Eine herrliche, in ihrer Art vollkommene Erlösung ward ihnen zuteil. Das Gleiche hat er in höherer, geistlicher Weise für sein Volk des Neuen Bundes getan, indem er die Seinen erst mit Blut erkaufte aus der Hand des Feindes und sie dann mit Macht errettete aus den Banden der Sünde. Wir dürfen von der Erlösung als einer vollendeten Tatsache singen: sie ist für uns vollbracht, uns angeboten und freudig von uns angenommen worden, so sind wir in der Tat und Wahrheit des HERRN Erlöste. Hat auf ewig seinen Bund bestellt. (Grundtext) Sein göttlicher Ratschluss hat den Bund seiner Gnade zu einer feststehenden, ewigen Einrichtung gemacht. Dass die Erlösung durch Blut geschehen, beweist, dass der Bund keine Veränderung erleiden kann; denn das Blut versiegelt ihn als rechtskräftig und unwiderruflich. Auch dies gibt Grund zu fröhlichem Lobpreis. Die Erlösung ist es würdig, in den herzinnigsten Tönen besungen zu werden; und vollends, wenn wir sie verbunden sehen mit heiligen Verbindlichkeiten, die der HERR in seiner Gnade auf sich genommen hat und von denen er nach seiner Wahrhaftigkeit nicht abgehen kann, dann mag dieser Gegenstand wohl die Seele zu begeistertster Dankbarkeit entflammen. Die Erlösung und der Gnadenbund reichen wahrlich hin, selbst den Stummen den Mund zu Lobliedern zu öffnen! Heilig und hehr (ehrwürdig) ist sein Name. Wohl mag der Psalmist also sagen. Das ganze geoffenbarte Wesen Gottes ist in jeder Hinsicht unserer tiefsten Ehrfurcht würdig, weil es vollkommen und ohne Fehl ist, von vollendeter Heiligkeit. Nie sollten wir darum den Namen Gottes gedankenlos und leichtfertig aussprechen, nie ihn ohne tiefe Ehrerbietung hören. Ja sein Name mag uns wohl zum Erbeben bringen, er ist furchtbar in seiner Heiligkeit; selbst die Gott am besten kennen, freuen sich vor ihm mit Zittern. Wie fromme Männer es sich gefallen lassen können, Ehrwürden1 genannt zu werden, vermögen wir nicht zu verstehen. Da wir keinen Grund entdecken können, warum unsere Mitmenschen uns so besonderer Ehren würdig halten sollten, sind wir geneigt zu vermuten, dass auch bei andern nicht sehr viel zu finden sein wird, das sie berechtigte, sich Ehrwürden, Hochehrwürden, Hochwürden usw. nennen zu lassen. Es mag das eine geringfügige Sache scheinen; aber eben deshalb möchten wir darauf hinwirken, dass man die törichte Sitte außer Brauch kommen lasse.

10.
Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang;
das ist eine feine Klugheit, wer danach tut; des Lob bleibt ewiglich.



10. Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang. Sie ist die erste Grundlage dazu, aber auch ihre Krone und ihr Hauptgewinn. Das hier mit Anfang übersetzte Wort kann auch das dem Wert nach erste, das Obenanstehende, Kostbarste bezeichnen. Echte Frömmigkeit ist in der Tat beides, das Grundelement der Weisheit und ihre köstlichste Frucht. Gott also zu erkennen, dass man aufrichtig vor ihm wandelt, ist die größte aller angewandten Wissenschaften. Heilige Ehrfurcht vor Gott führt uns von selbst dazu, Gott zu preisen, und dies ist das Ziel, auf das der Psalm hinsteuert, denn das ist weise getan von dem Geschöpf gegenüber seinem Schöpfer. Das ist eine feine Klugheit, wer danach tut.Gehorsam gegen Gott beweist, dass wir ein gesundes Urteil haben. Welcher Grund könnte auch dagegen gefunden werden? Fordert nicht unsere Vernunft selber, dass dem, der der Herr über alles ist, Gehorsam geleistet werde? Nur ein Mensch, dessen Vernunft verfinstert ist, kann jemals die Empörung wider den heiligen Gott rechtfertigen wollen. Tatsächlich ausgeübte Gottseligkeit ist die Probe wahrer Weisheit. Man mag Wissen besitzen und sehr rechtgläubig sein, man mag von den göttlichen Dingen reden und sogar große Beredsamkeit entfalten, man mag eine zum Forschen veranlagte Natur haben und sogar ein tiefer Denker sein; der beste Beweis von wahrer Einsicht und tiefem Verständnis ist doch in dem tatsächlichen Gehorsam gegen Gottes Willen zu finden. Der vorhergehende Teil des Psalms lehrte uns durch die Beschreibung der Werke Gottes seine Natur und sein Wesen erkennen; dieser Vers bringt die praktische Anwendung der Lehre durch die Schlussfolgerung, dass diesen Gott zu ehren und ihm zu gehorchen die Forderung echter Weisheit sei. Mit Freuden bekennen wir uns dazu. Sein (Jehovahs) Lob bleibt ewiglich. Das Lob Gottes wird nie ein Ende nehmen, denn seine Taten werden stets Anbetung hervorrufen, und der Menschen beste Weisheit wird stets darin bestehen, den Gott, der solch herrliche Taten vollbringt, zu erheben. Luther hat mit manchen Alten den Satz so aufgefasst, als beziehe er sich auf die, welche den HERRN fürchten; und wenn wir diese Auffassung auch mit fast sämtlichen neueren Auslegern als dem Zusammenhang und der ganzen Gedankenrichtung des Psalms nicht entsprechend ansehen müssen, so ist es doch wahr - und der nächste Psalm wird diesen Gedanken durchführen - dass die, welche ein Leben des Gehorsams führen, von Gott Ehre und Ruhm erlangen, die ewiglich bleiben. Und ein Wort der Anerkennung aus dem Munde Gottes ist eine Ehrung, die alle Auszeichnungen überstrahlt, welche Könige und Kaiser verleihen können.
HERR, hilf uns deine Werke und Taten erforschen und hinfort unser Leben lang dich mit jedem Atemzug preisen!


Fußnote
1. Die englische Bibel hat für hehr hier reverend, dasselbe Wort, das in England stets dem Namen der Träger des geistlichen Amtes vorgesetzt wird. Spurgeon durchbrach diese alteingewurzelte Sitte, er nannte sich nie Reverend, sondern suchte durch sein Beispiel das in England ungebräuchliche biblische Wort Pastor (Hirte) in den Freikirchen in Aufnahme zu bringen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Psalm 111

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Erläuterungen und Kernworte


Zum ganzen Psalm. Mit diesem Psalm beginnt eine Trilogie von Hallelujah-Psalmen. Der 111. reiht Lob an Lob der Taten Jahves und seiner Stiftungen. In engster Verwandtschaft steht er zu Psalm 112. "Während Ps. 111", sagt Hitzig richtig, "im Kreise der Frommen die Herrlichkeit, Macht und Gnade Jahves preist, preist Ps. 112 die daraus fließende Herrlichkeit und Glückseligkeit der Frommen selbst, der Jahveverehrer". Die zwei Psalmen sind Zwillinge in Form und Inhalt. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Die beiden Psalmen 111; 112 gleichen einander in dem ganzen Bau, der regelmäßigen alphabetischen Anordnung, dem spruchartigen Charakter und überhaupt in ihrem Ton. Der Inhalt des einen ist das Gegenstück des andern; Ps. 111 legt die Größe, Güte und Gerechtigkeit Gottes dar, Ps. 112 die Abspiegelung dieser Eigenschaften in der Größe (V. 2), der Barmherzigkeit (V. 5) und der Gerechtigkeit (V. 4 und V. 9) seiner Auserwählten. Diese Übereinstimmung des Inhalts der beiden Psalmen ist wichtig für das richtige Verständnis einiger Stellen in dem zweiten. The Speaker’s Commentary 1873.

Der Psalm ist ein reiner Lobpsalm, in streng alphabetischer Ordnung der: 22 Verszeilen nach den 22 hebräischen Buchstaben. Daraus mögen wir mancherlei lernen. 1) Oft ist es gut, dass wir alles andere beiseite setzen und uns absichtlich und ausschließlich dem Lobe Gottes zuwenden, wie es in diesem Psalm geschieht. 2) Das Lob Gottes vermag alle Buchstaben in allen ihren möglichen Zusammensetzungen zu Wörtern zu füllen. Er ist das A und das O samt den dazwischenliegenden Buchstaben des Alphabets des Lobpreises. 3) Das Lob des HERRN ist es wert, im Gedächtnis behalten zu werden. Ohne Zweifel ist der Psalm ja eben dazu, um besser behalten werden zu können, alphabetisch verfasst. David Dickson † 1662.

Dieser Psalm siehet mich an, als sei er aufs Osterfest gemacht und gebraucht worden, beim Osterlamm dem HERRN zu danken für alle seine Werke. Aber nun gehet dieser Dankpsalm durch die ganze Welt, und ist nicht mehr in dem engen Lande Kanaan als in einem kleinen Winkel der Welt; er ist nun größer worden, so viel höher und größer die Erlösung ist, die unser Osterlamm erworben, und klinget weiter. Und fängt an: Hallelujah, lasset uns den HERRN rühmen. Das ist die Drommete des Heiligen Geistes, damit er die Christen erweckt und vermahnet, Gott zu danken mit solchem Psalm. Martin Luther 1530.

V. 1. Von ganzem Herzen. Der Mangel solch ganzen Herzens ist ein Krebsschaden für alle Gottseligkeit. Die Menschen versuchen immer wieder zu vereinigen, was das Wort Gottes als schlechterdings unvereinbar erklärt, die Liebe zur Welt und die Liebe zu Gott. Darum ist vieler Leben so unglücklich, weil sie ihre kostbaren Kräfte in diesem vergeblichen Bemühen verzehren, halb der Welt und halb Gott zu leben. Sieh, mit welcher Lust und Tatkraft ein Mann die Arbeit anfasst, der sein Herz gehört, wie er all seine Gedanken, Empfindungen und Kräfte darauf richtet. Wir sagen mit Recht: Er gibt sich ganz dem hin, er legt sein ganzes Herz darein. Versuche es, ihn zu bewegen, seine Zeit und Kraft zugleich an etwas anderes zu wenden; er wird sich wundern, dass es so törichte und unwissende Leute gibt, die ihm solch schlechten Rat erteilen können. Nimm dir am Teufel eine Lehre: sieh, wie er all seine Kräfte auf den einzelnen Menschen richtet, als gäbe es nur diesen einen und hätte er nichts anderes zu tun, als diese eine Seele zu verderben. Mit solch völliger Entschlossenheit suche du deinen Gott zu verherrlichen! Barton Bouchier1856.

Im Rat der Aufrichtigen, das ist, derer Frommen und Heiligen. Da zeiget er, wo und an welchem Orte dieser Psalm solle gesungen werden; wie die Kinder Israel am Osterfeste zusammenkamen in den Häusern, und musste kein Heide dabei sein; auf dass sei eine züchtige, feine, ehrliche Versammlung, an sonderlichen Orten. Denn das Wort, das ich Rat verdeutschet habe, heißt ein heimlich Gespräch und Rat, so etliche an sondern Orten halten, wie die Ratsherrn auf dem Rathause, die Fürsten in der Ratsstube. Da ist kein Winkel noch Meuchelrotten; denn man weiß öffentlich wohl, wo sie miteinander sind, und ist doch der Handel soferne heimlich, dass nicht jedermann dabei sein muss, sondern allein, die dazu gehören. Martin Luther 1530.

Welch eine Wohltat, wenn man noch immer einige zusammenbringen kann, mit denen man von Gottes Werken reden und sein Lob besingen kann! Sonst geht man aus Gewohnheit und Unachtsamkeit an vielem vorbei, woraus man eine Stärkung des Glaubens ziehen könnte. Karl Heinr. Rieger † 1791.

V. 2. Gottes Werke und Taten sind zwar so groß, dass sie weit hinausgehen über den Bereich dessen, was Menschen von ihnen entdecken können; doch werden sie mit Lust durchforscht von allen, die den Gott lieben, der sich in Natur und Geschichte offenbart. Denn wenn sie auch vielfach zu groß sind, um verstanden zu werden, so sind sie auch zu groß, als dass sie vergessen werden könnten. Edw. G. Marsh 1832.

Gott in den Werken seiner Hände zu schauen, ihn zu lieben und mit ihm zu verkehren, war die Beschäftigung des Menschen vor dem Fall. Dies hat so wenig aufgehört, unsre Pflicht zu sein, dass es vielmehr Christi Werk ist, durch den Glauben, uns dazu zu erneuern. Darum sind die heiligsten Menschen am vortrefflichsten geeignet, Gottes Werke zu erforschen. Und alles Studium der Naturwissenschaften, der Geschichte oder irgendwelcher Wissenschaften entbehrt seiner Krone, seines wahren Zweckes und Wertes, wenn man mittelst ihrer nicht Gott sucht. Dann wird die Weisheit zur Narrheit, Röm. 1,22; Ps. 14,1. Richard Baxter † 1691.

Durchforscht von allen, die sie lieb haben. (Andere Übers.) Die Philosophie sucht die Wahrheit, die Theologie findet sie, aber die Religion besitzt sie. Menschliche Dinge muss man erkennen, um sie zu lieben; die göttlichen Dinge hingegen muss man lieben, um sie zu erkennen. Blaise Pascal † 1662.

V. 2-4. Dass der HERR gnädig und barmherzig ist, das ist die große Entdeckung aller, die die Werke und Taten des HERRN im rechten Lichte erforschen, und wie herrlich ist dieses Ergebnis! Gleichwie in der Erforschung der Natur für diejenigen, die sich diesem Studium mit Liebe hingeben, ein nie endender Genuss liegt, so gibt es auch für den, der an Gottes heilsgeschichtlichem Wirken seine Lust hat und sich der Aufgabe widmet, Gottes Güte darin auszukundschaften, nichts Erquickenderes, als die Entdeckung neuer Seiten der Gnade, die die Majestät und Herrlichkeit des göttlichen Tuns in neues Licht stellen. Darum bemühe dich, im Verstehen des göttlichen Tuns an den Menschenkindern recht geschickt zu werden und erforsche sorgfältig das Verhalten deines himmlischen Freundes gegen dich. Eben dazu hat er dich geschaffen und dich zum Freundschaftsbund mit ihm zugelassen, damit er an dir zeige, wie innig er dich zu lieben vermag. Thomas Goodwin † 1679.

V. 4.5. Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder. Das deutet auf die Feste, besonders auf das Passahfest, dieses Gedächtnis (2. Mose 12,14) an das in Ägypten erlebte bundestreue Verschonen. Denn V. 5 will doch wohl an die wundersame Speisung und Tränkung in der Wüste nach dem Auszug (besonders Manna und Felsenwasser, Ps. 105,40-43) erinnern. Schon seit Theodoret und Augustin verbindet sich mit V. 5 der Gedanke an die Eucharistie; Ps 111 ist der kirchliche Abendmahlspsalm geworden. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Die wohlriechenden Spezereien der göttlichen Taten müssen durch das Nachsinnen zerstoßen und dann im Schrein unseres Gedächtnisses aufbewahrt werden. Gott gibt uns die Perlen der Heilsgeschichte nicht, um sie, wie es einst die Römerinnen mit den Juwelen machten, an den Füßen zu tragen, oder gar sie mit den Füßen zu zertreten, sondern dass wir sie, zu einer kostbaren Kette verbunden, uns um den Hals knüpfen und aufs Herz binden. (Spr. 6,21) Abraham Wright 1661.

Die erstaunliche Verkehrtheit des Menschen erweist sich darin, dass er an Ereignisse und göttliche Taten nicht gedenkt, die Gott so gewirkt hat, dass sie zu vergessen unmöglich erscheinen sollte. William Swan Plumer 1867.

V. 5. Er hat Speise gegeben usw.; er gedenkt ewiglich an seinen Bund. (Grundtext) Indem der Psalmist die Wohltaten betrachtet, die Gott Israel vormals erwiesen, freut er sich des Gedankens, dass sie nur einzelne Erfüllungen einer Bundesverheißung waren, die noch besteht und ewig bestehen wird. James H. Vidal 1863.

V. 6. Er hat kundgetan (Grundtext) seine gewaltigen Taten seinem Volk. Ihnen ist es gegeben zu sehen, den andern aber nicht, über die vielmehr Blindheit verhängt ist. "Rufe mir, so will ich dir antworten und will dir anzeigen große und gewaltige Dinge, die du nicht weißt." (Jer. 33,3) John Trapp † 1669.

V. 7. Die Taten Gottes sind Ausprägungen seiner Wahrheiten. Wie jede Handlung eines Christen eine Ausführung göttlicher Wahrheit und göttlichen Rechtes sein sollte, so ist es tatsächlich bei Gott. Wenn wir nicht recht verstehen können, was Gott mit dem einen oder andern seiner Worte meint, so mag es sein, dass uns das Verständnis an seinen Taten aufgeht; denn seine Werke sind ein unfehlbarer Kommentar zu seinen Worten. Joseph Caryl † 1673.

V. 7.8. Die Werke seiner Hände sind Wahrheit und Recht, denn sie sind die Verwirklichung des währenden, sich erwahrenden Wahren und des sich siegreich behauptenden Rechten. Seine Anordnungen sind gefestigt, bewährt, zu festem Vertrauen auf ihre Heilsamkeit in sich und ihren Folgen berechtigend; gestützt, nämlich nicht von außen, sondern in sich selber, also unerschütterlich; vollführt, hinausgeführt, nämlich von Seiten Gottes, in Wahrheit und gerade. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 9. Heilig und hehr ist sein Name: ehrwürdig allen, die ihn lieben, schrecklich denen, die trotz aller Gnadenmittel unheilig bleiben. Bischof G. Horne † 1792.

Weil sein Name heilig und hehr ist, sollten wir nicht uns vermessen, ihn gedankenlos zu brauchen. Die Juden sprachen den Jehovah-Namen bekanntlich gar nicht aus. Suidas teilt mit, dass die Griechen, wenn sie bei Jupiter schwören wollten, es unterließen, ihn zu nennen. Das sollte vor der unter uns üblichen leichtfertigen Art, den Namen Gottes zu gebrauchen, zurückschrecken. Und mögen diejenigen, welche wünschen, dass ihr Name als ehrwürdig behandelt werde, danach ringen, heilig zu sein, wie Gott heilig ist. John Trapp † 1669.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Psalm 111

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Erläuterungen und Kernworte


V. 10. Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang. Das ist ein überaus wichtiger Hauptgrundsatz der Schrift. Hiob wirft die Frage auf: Die Weisheit, woher kommt sie, und wo ist der Ort, da man die Erkenntnis findet? Er durchsucht die ganze Natur, aber nirgends kann er sie finden. Mit Gold aus Ophir ist sie nicht zu kaufen, und ihr Preis geht über Perlen. Gott allein kennt den Weg zu ihr, und er hat zum Menschen gesprochen: Siehe, Furcht des HERRN, das ist Weisheit. (Hiob 28.) Salomo, der weiseste unter allen Menschen, fängt seine Weisheitssprüche mit dem gleichen Lebensgrundsatz an, Spr. 1,7, und wiederholt ihn Spr. 9,10. Die Furcht des HERRN bezeichnet in der Schrift nicht nur die kindlich ehrfürchtige Gesinnung gegen unseren anbetungswürdigen himmlischen Vater, sondern ist oft der Ausdruck für die Summe der praktischen Frömmigkeit, so auch in unserm Psalmvers. Nach der ewigen Glückseligkeit zu streben, mit Heiligkeit als dem Mittel dazu, das ist wahre Weisheit, eine feine Klugheit, außer der es überhaupt keine wahre Klugheit gibt. Samuel Davies † 1761.

So frage ich denn dich Weltkind: Was ist die höchste und tiefste Weisheit? Besteht sie darin, ein großes Vermögen zu erwerben? Ist das der Inbegriff der Weisheit, ein Millionär zu werden? Siehe, Paulus sagt, Gottseligkeit sei ein großer Erwerb, und Clemens von Alexandrien, der Christ sei der einzige Reiche auf Erden. Oder ist ein "lustiges" Leben die Krone der Klugheit? Siehe, Freude kennen nur die frommen Herzen (Vergl. Ps. 97,11.) Oder strebst du nach Ehre? Siehe, unser Psalm sagt: Wer danach tut (nämlich nach der Furcht des HERRN), des Lob bleibet ewiglich. Wie manche berühmte Männer der Welt sind jetzt höchst unglücklich, weil sie gerühmt werden, wo sie nicht sind, und gequält, wo sie sind; die Hölle hallt von ihren Schmerzensseufzern wieder, während auf Erden ihr Lob ertönt. Gesegnet aber ist der Mann, der den HERRN fürchtet (Ps. 112,1), denn in dieser Welt ist er geehrt bei den besten Menschen, und in der zukünftigen wird er seinen Lohn empfangen unter Heiligen und Engeln in dem Reich der Herrlichkeit. John Boys † 1625.

Die Furcht des HERRN ist nicht nur der Weisheit Anfang, sondern auch ihr Mittel und Ende. Sie ist in der Tat das A und O, der Leib und die Seele, die Summe und der Kern. Sicherlich ist es weise, zu lieben, was am liebenswertesten ist, und unsre Herzen mit dem zu beschäftigen, was es am meisten verdient, dass wir unser Herz daran hängen, und am besten geeignet ist, unser Innerstes zu befriedigen. Daniel de Superville 1700.

Wer danach tut. Furcht ist also nicht alles. Der faule Knecht, der sein Pfund im Schweißtuch vergrub, wusste zwar auch von Furcht vor seinem Herrn zu reden, aber diese war bei ihm nicht der Weisheit Anfang. Sie führte nicht zu fruchtbaren Taten. Darum ward er samt seiner Furcht hinausgetan in die äußerste Finsternis. Bischof Lancelot Andrewes † 1626.

Ist denn die nichtchristliche Welt ohne Weisheit? Hat sie nicht einen Aristoteles, einen Sokrates, Tacitus, Goethe, Gibbon usw.? Lasst uns wohl verstehen, was Weisheit ist. Ein Haufe von Wissen, und wäre er noch so groß, macht noch nicht Weisheit aus. Es handelt sich vor allem auch darum, dass die Kenntnisse, die jemand hat, seinem Lebenszweck angemessen und nützlich seien. Ein Mensch, der sich selbst in seiner Beziehung zu Gott und zu seinen Mitmenschen nicht kennt, der über seine Pflichten, seine Gefahren, seine wahren Bedürfnisse usw. falsch berichtet ist, der ist, auch wenn er unzählige Werke von erhabener Art geschrieben hätte, doch nicht als ein weiser Mensch zu bezeichnen. Was gibst du darum, dass dein Knecht in der Mathematik bewandert ist, wenn er unwissend ist in Bezug auf das, was dein Wille ist, und wie er ihn tun könne? Die glänzenden Gaben eines Voltaire, eines Spinoza, eines Byron lassen ihre Torheit nur in desto grellerem Licht hervortreten. Ihre Lebensarbeit kommt uns gerade so vor, wie wenn jemand, der eilends den Niagarafällen zugetrieben würde, sich damit abgeben wollte, ein bewundernswertes Gemälde der herrlichen Naturumgebung zu zeichnen. Männer, die bei der Welt in der höchsten Schätzung stehen, haben die ausfallendsten Missgriffe gemacht betreffs der allerwichtigsten Dinge; und nur weil die Welt diese Dinge nicht als wichtig betrachtet, bleibt das Ansehen dieser Männer bestehen. George Bowen 1873.

Wie es Stufen der Weisheit gibt, so auch der Furcht des HERRN. Aber auch die niederste Stufe der wahren Furcht des HERRN ist schon ein Anfang wenigstens der Weisheit. Und es gibt keine Stufe der Weisheit, so hoch oder vollkommen sie sei, die nicht ihre Wurzel, ihren Ursprung in der Furcht des HERRN habe. Joseph Caryl † 1673.

Das ist eine feine Klugheit, wer danach tut. Nicht wer von Gottes Geboten redet, schreibt, predigt, sondern wer sie tut. Die andern haben eine falsche, eitle Klugheit, eine Klugheit gleich derjenigen der Schriftgelehrten und Pharisäer, die sie wohl verdammen, aber nicht retten konnte. Henry Smith † 1591.

Des Lob bleibt ewiglich. Manche Ausleger beziehen das auf Gott, weil das im Grundtexte gebrauchte Wort fast ausschließlich von dem Gott gebührenden Lobe gebraucht wird. Andre beziehen es auf den Gottesfürchtigen, aber in verschiedenem Sinn. Während die meisten es von dem bleibendem Andenken des Gerechten verstehen, vergl. Ps. 112,6, legt Augustin die Worte folgendermaßen aus: Sein (des Gerechten) Lob des HERRN bleibt ewiglich, da er zu denen gehört, welche Ps. 84,5 selig gepriesen werden, weil sie in Gottes Haus wohnen, wo sie Gott immerdar preisen. John Boys † 1625.

Homiletische Winke


V. 1.
Preiset den HERRN: da haben wir eine Ermahnung. Ich will den HERRN preisen: ein Gelübde. Es soll von ganzem Herzen geschehen: hier sehen wir praktische Frömmigkeit. Im Kreise der Frommen: da tritt uns die Stellung des Gläubigen in der Gemeinde Gottes entgegen. Joseph Irons † 1852.
Von ganzem Herzen: d.h. geistlich (nicht in totem, fleischlichem Formendienst), einfältig, inbrünstig. J. Irons † 1852.
1) Was sind das für Leute, die Frommen, von denen hier die Rede ist? 2) Was ist ihre liebste Beschäftigung? Den HERRN zu preisen. 3) Was werde ich tun, wenn ich das Vorrecht habe, zu ihnen zu gehören? Ich will den HERRN preisen von ganzem Herzen usw.
Wo ich am liebsten bin, und was ich am liebsten tue.
V. 2.
Der christliche Naturforscher. 1) Sein Forschungsgebiet: die Werke des HERRN. 2) Seine Arbeit: erforschen. 3) Seine Freude. 4) Zweck und Ziel seiner Arbeit: Gottes Preis.
V. 2-9.
Lob Gottes aus den Werken und Taten Gottes. Sie sind 1) groß und herrlich, 2) gerecht, 3) gnädig, 4) gewaltig, 5) in Übereinstimmung mit Gottes Verheißungen, 6) von ewigem Bestand. Matthew Henry † 1714.
V. 3b.
Seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich: als Eigenschaft des göttlichen Wesens, ferner als in der Vorsehung enthüllt, als in der Erlösung behauptet, als in mancherlei Strafheimsuchungen erwiesen, endlich als von den Gläubigen angeeignet.
V. 4.
Wie sich die Herablassung des HERRN darin erweist, dass er dem Gedächtnis seiner Kinder zu Hilfe kommt.
V. 4.5.
1) Es ist Gottes Wille, dass seine Wunder im Gedächtnis bleiben. Darum hat er a) sie so groß gemacht, b) sie gewirkt für Leute, die sie nicht verdienten, c) sie zu denkwürdigen Zeiten vollbracht d) sie aufzeichnen lassen, e) besondere Erinnerungszeichen gestiftet, f) seinem Volke befohlen, sie ihren Kindern einzuschärfen, g) je und je durch sein Tun ihr Gedächtnis aufgefrischt. 2) Es ist unser eigener Nutzen, wenn wir der Wunder des HERRN gedenken, denn a) wir werden dadurch seines Erbarmens gewiss, b) sie veranlassen uns, seine Großmut zu erwägen, c) sie bestätigen uns seine Treue, d) sie erwecken uns zum Lobe Gottes.
V. 5.
1) Ermutigung aus der Vergangenheit: Er hat Speise gegeben usw. 2) Zuversicht für die Zukunft: Er gedenkt ewiglich an seinen Bund. George Rogers 1878.
V. 6.
Die Macht Gottes eine Ermutigung zur Heidenmission.
V. 9.
Die Erlösung. Von Gott geplant, vorbereitet, ausgeführt und zugeeignet. Um einen teuren Preis, durch große Macht. Von Sünde und Tod. Damit wir frei, des HERRN eigentümlich Volk, des HERRN Ruhm seien.
Die Erlösung. 1) Ihr Urheber: Er sandte usw. 2) Wem sie gilt: seinem Volk. 3) Was sie uns verbürgt: Er hat auf ewig seinen Bund bestellt. 4) Der Lobpreis, den sie in uns erweckt: Heilig und hehr ist sein Name.
V. 9c.
Heilig usw. 1) Die Heiligkeit Gottes ist Gegenstand unserer Ehrfurcht. 2) Solche Ehrfurcht ist von heilsamem Einfluss auf uns. 3) Sie sollte stets unseren Glauben an die Erlösung und Gottes ewigen Gnadenbund begleiten, siehe V. 9a und
V. 10.
Eine Predigt für Studenten. 1) Der Anfänger in des HERRN Schule. 2) Der Gereiftere, der einen Grad erworben ("Das ist eine feine Klugheit"), und welcher Art die Prüfung ("Wer danach tut"). 3) Der Lehrer, der das Lob empfängt: Sein (des HERRN) Lob bleibt ewiglich.
1) Der Anfang der Weisheit: die Furcht des HERRN. 2) Der Fortschritt in der Weisheit: wenn die Furcht des HERRN, die im Herzen ist, sich im Leben entfaltet. 3) Ihr Ziel: Gott zu preisen immerdar. George Rogers 1878.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Psalm 112

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PSALM 112 (Auslegung & Kommentar)

Inhalt

Der vorliegende Psalm macht mit dem 111. augenscheinlich ein Paar aus. Er ist gleich diesem ein alphabetischer. Selbst in der Zahl der Vers sowie der Versglieder stimmt er mit seinem Vorgänger überein, wie auch in vielen Wörtern und Wendungen. Der Leser wird gut tun, die beiden Psalmen Zeile um Zeile genau zu vergleichen. Der Gegenstand der uns jetzt beschäftigenden Dichtung ist die Glückseligkeit des Gerechten. Somit steht er zu dem vorhergehenden in dem gleichen Verhältnis wie der Mond zur Sonne; denn während der erste den Ruhm Gottes verkündigt, redet der zweite von der Abspiegelung des göttlichen Glanzes in den Gerechten, in Menschen, die von oben geboren sind. Gott wird hier gepriesen für die Offenbarung seiner Herrlichkeit, die sich in den Seinen zu schauen gibt, gerade wie er in dem vorangehenden Psalm um seiner selbsteignen Taten willen erhoben worden war. Der 111. Psalm spricht von dem erhabenen Vater, dieser schildert seine Kinder, die nach seinem Ebenbilde erneuert sind. Es ist unmöglich, den Psalm als eine Verherrlichung des Menschen zu betrachten, denn er beginnt mit dem Aufruf, den HERRN zu preisen, und hat den Zweck, Gott all die Ehre zu geben für den Reichtum seiner Gnade, den er an den Söhnen Gottes erweist.

Einteilung


Der erste Vers enthält das Thema, das in den Versen 2-9 unter verschiedenerlei Gesichtspunkten ausgeführt wird. In dem 10. Vers wird dann das Glück des Gerechten noch durch den Gegensatz, das Schicksal des Gottlosen, besonders scharf beleuchtet.

Auslegung

1.
Hallelujah!
Wohl dem, der den HERRN fürchtet,
der große Lust hat zu seinen Geboten!



1. Hallelujah, d. i. Preiset den HERRN. Diese Ermahnung kann nie zu oft gegeben werden. Der HERR verdient es allezeit, gepriesen zu werden, wir sollten ihm allezeit das Lob darbringen, nur zu oft vergessen wir’s, und es ist darum gut, wenn wir immer wieder dazu aufgemuntert werden. Die Aufforderung ist an alle denkenden Leute gerichtet, die das Verhalten und den Lebensgang derjenigen Menschen, die den HERRN fürchten, beobachten. Ist da irgendeine Tugend, irgendetwas Lobenswertes zu schauen, so sollte der HERR den Ruhm davon haben, denn wir sind sein Werk. Wohl dem, der den HERRN fürchtet. Nach dem letzten Vers des 111. Psalms ist die Furcht des HERRN der Weisheit Anfang. So hat der Mann, von dem hier die Rede ist, also begonnen, weise zu sein, und die Weisheit hat ihm gegenwärtiges Glück eingebracht und verbürgt ihm ewige Seligkeit. Jehovah ist so erhaben, dass er mit heiliger Ehrfurcht zu fürchten ist von allen, die vor ihm stehen, und er ist zugleich so unendlich gütig, dass die Furcht sich in kindliche Liebe verwandelt und zu einem süßen, wonnigen Erschauern des Gemütes wird, dem aller Knechtssinn fremd ist. Es gibt eine knechtische Furcht, die den Fluch in sich trägt; aber jene gottselige Furcht, die uns den Dienst Gottes zur Wonne macht, ist ein unerschöpfliches Glück. Der HERR ist zu preisen sowohl dafür, dass er Menschenkindern solche gottselige Furcht ins Herz gibt, als für die Glückseligkeit, die sie infolge jener genießen. Sollten wir nicht Gott dafür rühmen, wenn er Menschen also segnet, und besonders dafür, dass er den Gottesfürchtigen das Siegel seines Wohlgefallens aufdrückt? Die Huld, die er denen erzeigt, die ihn fürchten, enthüllt ihnen sein anbetungswürdiges Wesen und erweckt wiederum in andern liebreiche Empfindungen und Handlungen gegen sie; darum lasst uns Ihn preisen. Der große Lust hat zu seinen Geboten. Der Mann, der uns hier geschildert wird, sinnt nicht nur über Gottes Befehle und bemüht sich, sie zu beobachten, sondern es ist ihm eine Lust, solches zu tun. Ihm ist Frömmigkeit edelste Fröhlichkeit, Recht zu tun ein Reichtum, Heiligkeit der Vorgeschmack der Herrlichkeit. Er erfreut sich an den Ordnungen der Gottseligkeit, ja er hat große Lust an ihnen. Wir haben wohl erlebt, dass Heuchler für diese und jene Lehren begeistert waren, aber nie, dass der Gehorsam gegen die Gebote des HERRN, das Tun des Willens Gottes ihres Herzens Wonne war. Menschen ohne Leben aus Gott mögen wohl aus Furcht den Geboten einigermaßen gehorchen, aber nur der Begnadigte wird sie mit Lust beobachten. Freudiger Gehorsam allein ist vollkommener Gehorsam; wer nur widerwillig gehorcht, ist mit dem Herzen ungehorsam, aber wer an dem Halten des Gebotes Wohlgefallen hat, der ist wahrhaft treu gesinnt. Finden wir uns dank der göttlichen Gnade in den beiden Sätzen dieses Verses beschrieben, so lasst uns Gott alles Lob dafür darbringen; denn er hat alle unsere Werke in uns gewirkt samt der Geneigtheit und den Fähigkeiten, aus denen sie entsprungen. Mögen selbstgerechte Leute sich immerhin selber preisen; wer durch die Gnade zu einem Gerechten geworden ist, gibt Gott allein allen Ruhm.

2.
Des Same wird gewaltig sein auf Erden;
das Geschlecht der Frommen wird gesegnet sein.
3.
Reichtum und die Fülle wird in ihrem Hause sein,
und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
4.
Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis
von dem Gnädigen, Barmherzigen und Gerechten.
5.
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht
und richtet seine Sachen aus, dass er niemand Unrecht tue!
6.
Denn er wird ewiglich bleiben;
des Gerechten wird nimmermehr vergessen.
7.
Wenn eine Plage kommen will, so fürchtet er sich nicht;
sein Herz hofft unverzagt auf den HERRN.
8.
Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht,
bis er seine Lust an seinen Feinden sieht.
9.
Er streut aus und gibt den Armen;
seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich,
sein Horn wird erhöht mit Ehren.



2. Des Same wird gewaltig sein auf Erden. Aufeinander folgende Geschlechter von Gottesfürchtigen werden in der menschlichen Gesellschaft kraftvoll und einflussreich sein, und zuletzt werden sie die Herrschaft haben. Der wahre Same der Gerechten sind diejenigen, welche ihnen in ihren Tugenden nachfolgen, gerade wie die Gläubigen der Same Abrahams sind, weil sie ihm im Glauben nachahmen. Und diese sind die wirklichen Heroen ihres Zeitalters, die wahrhaft großen unter den Söhnen Adams; ihr Leben ist von überirdischem Adel, und die Macht, die sie auf ihre Zeit ausüben, ist weit größer, als es auf den ersten Blick scheint. Wird die Verheißung dieses Verses ihrem nächsten Sinne gemäß auf die natürliche Nachkommenschaft bezogen, so ist sie mehr allgemein als Feststellung des durchschnittlichen, der Regel entsprechenden Tatbestandes aufzufassen, nicht als eine jedem Einzelnen gegebene Zusage; denn die Kinder der Gottesfürchtigen sind weder alle von zeitlichem Glück begünstigt noch lauter berühmte Leute. Nichtsdestoweniger ist es wahr, dass der Mann, der Gott fürchtet und einen heiligen Wandel führt, meist auch für die gedeihliche Fortentwicklung seiner Familie das Beste tut, was er nur tun kann. Kein Erbteil kommt dem eines unbefleckten Namens gleich, und kein Vermächtnis vermag den Segen eines mit Gott lebenden Vaters an Wert zu übertreffen; und nehmen wir alles in allem, so treten in der Tat die Kinder der Gerechten mit größeren Vorteilen als andere ins Leben hinaus und haben bessere Aussicht, im besten und höchsten Sinn des Wortes im Leben voranzukommen. Das Geschlecht der Frommen wird gesegnet sein. Die Menschenklasse der Redlichen, Geraden, wahrhaft Frommen und Gerechten wird von einem Menschenalter zum andern aufrechterhalten und bleibt stets unter Gottes Segen. Die Gottseligen mögen Verfolgung genug leiden müssen, aber sie werden nicht verlassen; die Flüche der Menschen können sie des Segens Gottes nicht berauben, denn da erweisen sich Bileams Worte immer neu als wahr: Er segnet, und ich kann’s nicht wenden. (4. Mose 23,20) Auch ihre Kinder stehen unter der besonderen Fürsorge des Himmels, und in der Regel wird sich herausstellen, dass sie den göttlichen Segen ererben. Ehrenhaftigkeit und Lauterkeit sind gediegenere Ecksteine für ein ehrenwertes, stattliches Haus als bloße Klugheit und Habsucht oder selbst als hohe Fähigkeiten und nimmer ermüdende Strebsamkeit. Gottesfurcht und ein aufrichtiger Wandel sind ein höherer Adel, als unvermengtes blaues Blut an sich je geben kann.


3. Reichtum und die Fülle wird in ihrem Hause sein. Buchstäblich verstanden sind diese Worte viel mehr eine Verheißung des Alten als des Neuen Bundes, denn viele von den Besten in Gottes Volk sind sehr arm; doch hat es sich als wahr erwiesen, dass Redlichkeit der Weg zum Erfolg ist, und vorausgesetzt, dass alle anderen Umstände gleich sind, ist der ehrenhafte Mann der, dem die Zukunft gehört. Viele Leute bleiben arm, weil sie unredlich sind oder Lastern huldigen; die Gottseligkeit hingegen hat die Verheißung auch dieses Lebens. (1. Tim. 4,8) Nehmen wir die Stelle im geistlichen Sinn, so ist sie von tiefer, umfassender Wahrheit. Welcher Reichtum wäre dem der Liebe Gottes gleich? Welche Schätze könnten das Glück eines zufriedenen Herzens übertreffen? Was tut’s, ob das Dach von Stroh und der Fußboden von kalten Steinen ist? Das Herz, dem die Sonne der himmlischen Gnade lacht, ist dennoch so reich an Seligkeit, dass es die Fülle nicht erfassen kann. Und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Häufig geschieht es, dass, wenn das Gold zum Hause einzieht, der Glaube auszieht; aber bei dem Manne, den der Psalm selig preist, ist das nicht der Fall. Der Wohlstand stört weder die Heiligkeit seines Wandels noch die Demut seines Herzens. Sein Charakter hält die Probe aus; er überwindet die Versuchungen des Reichtums, übersteht die Angriffe der Verleumdung, überlebt die Trübsale dieser Zeit und erträgt die Untersuchung des Jüngsten Tages. Die Gerechtigkeit eines wahrhaft frommen Menschen bleibt ewiglich, weil sie derselben Wurzel entstammt wie die Gerechtigkeit Gottes selbst und in Wirklichkeit die Widerstrahlung dieser ist. Solange der HERR gerecht bleibt, wird er auch durch seine Gnade die Gerechtigkeit der Seinen erhalten. Sie werden auf dem guten und geraden Wege des HERRN fortwandeln und, stets stärker werdend, immer festere Schritte tun. Es gibt noch eine Gerechtigkeit, die den Auserwählten Gottes zugehört und die ganz sicherlich ewig bleiben wird, nämlich die ihnen zugerechnete Gerechtigkeit des Herrn Jesus, welche die ewige Gerechtigkeit genannt wird (Dan. 9,24), da sie dem ewigen Sohne Gottes selbst angehört, der da ist "Der HERR unsere Gerechtigkeit". (Jer. 23,6.)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Psalm 112

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4. Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis. Der Redliche neigt sich nicht zu Ungerechtigkeit, um sich ein bequemes Leben zu verschaffen, sondern steht aufrecht wie eine Säule, und er wird stehend erfunden werden, wenn die Gottlosen, die da sind wie eine hangende Wand und zerrissene Mauer, in Trümmern im Staube liegen werden. Auch er wird seine dunkeln Tage haben; Krankheit und Kummer, Elend und Erdenleid aller Art können über ihn kommen wie über andere Leute, seine Reichtümer mögen Flügel bekommen und in alle Winde zerstieben, während selbst seine Rechtschaffenheit vielleicht unbarmherzig verdächtigt wird. So mögen die Wolken sich immer dichter und dunkler über ihn niedersenken; aber die Düsternis wird nicht immer währen. Der HERR wird es ihm zur rechten Zeit wieder licht werden lassen; denn es ist unumstößlich gewiss, dass die Sonne, mag ihr Untergang auch alles in Nacht versenken, dem Aufrichtigen wieder aufgehen muss. Ist seine Dunkelheit durch Niedergeschlagenheit des Gemütes veranlasst, so wird der Heilige Geist sich als sein Tröster erweisen; sind Einbuße an irdischem Gut oder Verluste der Lieben die Ursache, so wird die Nähe seines Heilandes ihn erquicken; ist es die Finsternis der gottfeindlichen Welt, die sich in Verfolgung oder Verleumdung über ihn breitet, so wird das innige Mitleiden des Vaters der Barmherzigkeit seine Stärke und Stütze sein. Es ist für den Gerechten so natur- und ordnungsgemäß, dass ihm Trost aufgeht, wie es dem Tag natürlich ist, dass ihm die Morgendämmerung anbricht. Harre des Lichts, es wird gewisslich kommen; denn selbst wenn unser himmlischer Vater uns in unserem letzten Stündlein im Dunkeln zu Bett bringen sollte, werden wir doch einen hellen Morgen haben, wenn wir erwachen. - Sehr verschieden gedeutet werden die nächsten Worte: gnädig und barmherzig und gerecht. Delitzsch und andere beziehen sie auf den HERRN als die Sonne der Gerechtigkeit, die mit ihren Gnade und Erbarmen spendenden Strahlenfittichen denen, die es aufrichtig mit ihm meinen, in der Finsternis aufgehe. Hengstenberg bezieht die Worte auf den Frommen und verweist dabei auf
Jes. 58,7 ff., wo das Aufgehen des Lichtes ebenfalls an die Werke der Barmherzigkeit geknüpft wird. Was in dem 4. Vers des das Lob Jehovahs verkündenden 111. Psalmes von Gott ausgesagt wird, und zwar in Ausdrücken, die auch sonst in der Schrift in solcher Zusammenstellung stets nur von Gott gebraucht werden, das würde nach dieser Auffassung in dem das Lob des Gottesfürchtigen rühmenden 112. Psalm von Gottes Knecht gesagt: Er ist gnädig und barmherzig und gerecht. Das wäre in der Tat, mit Hengstenberg zu reden, eine heilige Parodie.


Vielleicht erscheint diese Deutung zu künstlich; aber die auch sonst überraschende Gleichklänge aufweisende Art der beiden Psalmen spricht dafür. Und Wahrheit ist jedenfalls, dass Gott den Menschen, wenn er ihn aufrichtig macht, ihm selber ähnlich macht. Wir sind im besten Fall nur bescheidene Kopien des erhabenen Originals; aber Kopien sind wir immerhin, und weil wir’s sind, loben wir Gott, der uns neu gezeugt hat in Christo Jesu. Der wahrhaft Fromme erweist sich in Gesinnung und Handlungsweise als ein Nachahmer des gnädigen Gottes, der sich so liebreich und barmherzig zu uns Menschen neigt. So ist auch er voller Freundlichkeit gegen alle, die um ihn sind; er ist nicht mürrisch und grob, sondern ist aus innerstem Herzenstrieb höflich und gefällig gegen Angehörige und Freunde, gütig gegen die Hilfsbedürftigen, gerne vergibt er den Fehlenden und ist eifrig auf das wahre Wohl aller bedacht. Er ist auch barmherzig, das heißt von zarter Empfindung für andere, er bemitleidet sie und steht ihnen bei, soviel in seiner Macht ist, wenn sie in Trübsal sind. Er muss zum Wohltun nicht getrieben werden, sein Herz geht über von echter Menschenfreundlichkeit; es ist ihm ein großes Stück Lebensfreude, dass er mit den Bekümmerten und Leidenden fühlen und ihnen sein Mitgefühl in Taten der Barmherzigkeit beweisen kann. Es wird auch von ihm ausgesagt, er sei gerecht. In seinem ganzen Verhalten gegen seine Mitmenschen gehorcht er den Ansprüchen des Rechts und der Billigkeit; niemand kann von ihm mit Grund sagen, dass er zu weit greife oder seinen Nächsten übervorteile. Seine Gerechtigkeit ist jedoch gemildert durch Barmherzigkeit und gewürzt mit Gütigkeit. Solche Männer findet man in unseren christlichen Gemeinden, und sie sind durchaus nicht so selten wie die tadelsüchtigen Leute meinen; gleichwohl ist es wahr, dass ihrer weit weniger sind, als die Menge der sich zum Herrn Bekennenden uns erwarten ließe. HERR, hilf uns allen zu diesen bewunderungswürdigen Eigenschaften!

5. Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht. Aufs Neue hebt der Psalmist an, das Glück des Frommen zu preisen. Das ist ein glücklicher Mann, ihm ergeht es wohl, der mildtätig schenkt und leiht. Er ist über die strenge Rechtlichkeit hinaus zu herzlichem Wohlwollen mit stets offener Hand vorgeschritten; in solcher Gesinnung blickt er freundlich auf alle um ihn her, und da er sich in Verhältnissen befindet, die es ihm ermöglichen, ein weniges von dem ihm Bescherten zu entbehren, leiht er in verständiger Weise da, wo ein solches Darlehen von dauerndem Nutzen sein kann. Er selber borgt nicht, denn Gott hat ihn über diese oft so bittere Notwendigkeit erhoben; er ist auch kein Schätzesammler, denn seine neue Natur bewahrt ihn vor dieser Versuchung, aber er gebraucht weise die Pfunde, die ihm anvertraut worden sind. Und richtet seine Sachen aus, dass er niemand Unrecht tue, Grundtext: nach dem Rechte. Leute, die ihr irdisches Geschäft vernachlässigen, dürfen die Frömmigkeit nicht als Entschuldigung vorschieben; denn wenn jemand wahrhaft rechtschaffen ist, wendet er große Sorgfalt an, seine Angelegenheiten pünktlich zu besorgen und in Ordnung zu halten, damit er rechtschaffen bleibe. Manchmal ist es bei Beurteilung der Menschen schwer, zwischen Unbedachtsamkeit und Unehrenhaftigkeit zu unterscheiden; Nachlässigkeit in Geschäftssachen kann für andere ein fast ebenso großes Übel werden wie wirkliche Unredlichkeit. Ein biederer Mann sollte nicht nur von redlicher Gesinnung sein, sondern auch so vorsichtig handeln, dass niemand auch nur den geringsten Grund haben kann, von ihm etwas anderes zu argwöhnen. Auch beim Ausleihen wendet der rechtlich Denkende Klugheit an; er setzt nicht sein ganzes Vermögen aufs Spiel, aus Besorgnis, er möchte nicht wieder leihen können, und wiederum leiht er nicht so wenig, dass das Darlehen von keinem Nutzen ist. Er treibt sein Geschäft und erlaubt nicht, dass es ihn treibe und zu weltlichem Sinne und ungöttlichen Handlungen fortreiße. Seine Bücher sind gerade und klar, seine Pläne besonnen und klug gefasst, seine Geschäftsgrundsätze lauter, die Methoden, nach denen er handelt, sorgfältig ausgewählt. Er ist klug, haushälterisch, sparsam, verständig, urteilsfähig, vorsichtig und besonnen. Die Leute schimpfen ihn einen Narren wegen seiner Frömmigkeit; aber sie finden ihn ganz anders, wenn sie geschäftlich mit ihm zu tun bekommen. Der Weisheit Anfang, die Furcht des HERRN, hat ihn weise gemacht, die göttliche Leitung hat ihn gelehrt, sein Geschäft zu leiten, und ein halbes Auge genügt, um zu sehen, dass er ein Mensch von gesunden Sinnen ist. Solche Männer sind eine wirksame Empfehlung der Gottseligkeit. Leider handeln manche offenbar brave Leute, als ob der Verstand ihnen laufen gegangen wäre; an ihren Torheiten ist aber nicht etwa ihre übergroße Frömmigkeit, sondern ihre Dummheit schuld. Echte Religion ist geheiligter Menschensinn. Das Trachten nach dem, das droben ist, nötigt uns nicht, die irdischen Angelegenheiten zu vernachlässigen; im Gegenteil, wer gelernt hat, seine Sache mit Gott im Reinen zu halten, sollte auch am besten befähigt sein, mit den Menschen in Handel und Wandel klar und wahr umzugehen. Die Kinder dieser Welt sind allerdings oft klüger als die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht; aber es ist kein Grund vorhanden, warum wir die Wahrheit dieses Sprichworts durch unser eigenes Exempel immer neu bestätigen sollten.

6. Denn er wird ewiglich bleiben, wörtl.: nimmer wanken. Gott hat ihn so eingewurzelt und befestigt, dass weder Menschen noch Teufel ihn von seiner Stätte hinwegreißen können. Sein Glück wird ein dauerndes sein und nicht gleich dem des Spielers oder Betrügers, deren Gewinne zerschmelzen und verwehen; sein guter Name wird sich Jahr um Jahr rein und klar erhalten, denn er ist kein bloßer Schein; ihm wird ein dauerndes Heim beschert sein, er wird es nicht nötig haben, von Ort zu Ort zu wandern wie ein Vogel, der aus seinem Nest weicht (Spr. 27,8); und selbst sein Gedächtnis wird bleiben, denn des Gerechten wird nimmermehr vergessen. Ihr Geschlecht ist eine uralte Familie; ihr Leben gleicht nicht dem der Pilze, die in einem Tage kommen und vergehen, sondern ihr ehrwürdiger Stammbaum wird noch in fröhlichem Blühen und Gedeihen erfunden werden, wenn all die stolzen Häuser der ungöttlichen Menschen längst bis auf die letzte Spur verschwunden sind. Die Gerechten sind es wert, dass man ihrer gedenkt, ihre Taten sind von jener Art, die sich von selbst in die Erinnerung einprägen, und Gott sorgt in eigener Person dafür, dass ihr Andenken erhalten bleibt. Er hütet die Denkmale ihres Lebens. Unser keiner mag den Gedanken leiden, vergessen zu werden; und doch ist der einzige Weg, diesem Lose zu entgehen, der, dass wir als Gerechte vor Gott wandeln.

7. Vor schlimmer Kunde (Grundtext) fürchtet er sich nicht. Er steht nicht in dem Bann abergläubischer Vorahnungen wie die, welche keinen lebendigen Gott haben, und wird nicht gleich den Unredlichen unter dem Druck des Schuldbewusstseins von steter Angst umgetrieben. Der Gerechte fürchtet nicht, dass Unglückskunde kommen werde, und wenn sie kommt, so wird sein Herz nicht dadurch außer Fassung gebracht. Leere Gerüchte und müßiges Geschwätz verachtet er, die Unglücksprophezeiungen blinder Schwärmer sind ihm lächerlich; wirkliche, sich beglaubigende Nachrichten von Verlusten und Unglück trägt er mit gefasstem Geist, alles Gottes treuen Händen befehlend. Sein Herz hofft unverzagt auf den HERRN, wörtl.: sein Herz ist fest (es bleibt aufrecht), voll Vertrauens auf den HERRN. Er ist weder wankelmütig noch feige. Auch wenn er im Augenblick nicht weiß, was für Schritte er tun soll, so ist sein Herz doch getrost und beständig. Seinen Plan mag er ändern, aber nicht den Vorsatz seiner Seele, die Richtung seines Lebens. Da sein Herz im lebendigen Gottvertrauen unerschütterlich eingewurzelt ist, bewegt ihn ein Wechsel seiner äußeren Umstände nur obenhin, wie der Sturm den Baum, trifft ihn nicht bis ins Innerste. Der Glaube hat ihn entschlossen und standhaft gemacht, darum würde er, selbst wenn Unglück über Unglück käme, still und gelassen und aufrecht bleiben, geduldig auf Gottes Hilfe harrend.

8. Sein Herz ist gestützt (wörtl.), d. i. fest gegründet. Seine Liebe zu Gott ist tief und wahr, seine Zuversicht auf Gott fest und unbeweglich; sein Mut hat einen sicheren Untergrund und wird von Gottes Allmacht gestützt. Er ist durch Erfahrung ein gesetzter Mann geworden, seine Grundsätze haben sich in langen Jahren gefestigt. Er ist nicht ein rollender Stein, sondern ein Pfeiler im Hause Gottes. Und fürchtet sich nicht. Er ist bereit, jedwedem Widersacher frei gegenüberzutreten. Ein geheiligtes Herz gibt festen Blick und eine mutige Stirn. Bis er seine Lust an seinen Feinden sieht. Während des ganzen Kampfes, bis endlich der Sieg errungen, ist er ohne Furcht. Wenn der Streit hin und her schwankt und der Ausgang zweifelhaft erscheint, vertraut er dennoch Gott und weiß nichts von Verzagtheit. Und ist der Feind bezwungen, so freut er sich, dass seiner guten Sache Gerechtigkeit widerfahren ist; nicht aber wünscht er denen, die ihn gekränkt und geschädigt haben, aus persönlicher Rachsucht Böses.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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9. Er streut aus und gibt den Armen. Was er empfangen, teilt er aus, und er spendet es denen, die es am nötigsten haben. Es hat Gott gefallen, ihn zu einem Sammelbecken seiner Güte zu machen, und aus dessen Fülle ergießen sich nun Ströme freigebiger Liebe in die Niederungen der menschlichen Armut und Dürftigkeit. Wenn das eines der Kennzeichen eines Mannes ist, der Gott fürchtet, so mag es ernstlich befremden, dass manche davon so gar nichts an sich haben. Im Sammeln leisten sie Großes, aber das Ausstreuen geht ihnen sehr langsam von der Hand; sie weiden sich am Glück des Empfangens, kosten jedoch selten die viel größere Freude des Gebens. Der Herr Jesus hat gesagt: "Geben ist seliger denn nehmen" - sie denken wohl bescheiden, die Seligkeit des Nehmens sei für sie schon groß genug! Seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Seine Freigebigkeit hat seine Gerechtigkeit mit Salz gewürzt, ihre Echtheit erwiesen und ihre Erhaltung gesichert. Zum zweiten Mal wird hier (vergl. V. 3) dieser auffallende Ausspruch auf den gottseligen Menschen angewendet, und wir haben die Sache so zu verstehen, dass das an dem Gerechten Gerühmte eine Wirkung der ewig währenden Gnade Gottes ist. Die Gesinnungs- und Handlungsweise des Gerechten gleicht nicht einer nur gelegentlich sprudelnden, immer wieder aussetzenden Quelle, er hat nicht nur je und dann Anwandlungen von Freigebigkeit und ist nicht nur in einzelnen Stücken aufrichtig und bieder; sein Leben ist das Ergebnis von Grundsätzen, seine Handlungen fließen aus klaren, sicheren und festen Überzeugungen, und darum bleibt seine Rechtschaffenheit erhalten, wo die anderer in die Brüche geht. Er lässt sich nicht von Freunden verführen und beugt sich nicht vor bösen Sitten der Gesellschaft oder allgemein geübten und doch nicht das volle Licht vertragenden Gepflogenheiten der Geschäftswelt. Er ist entschlossen in seinen Grundsätzen und unbeweglich in seiner Handlungsweise. Sein Horn wird erhöht mit Ehren.Gott wird ihn ehren, die ganze Welt der heiligen Wesen wird ihn ehren, und selbst die Gottlosen werden eine ehrerbietige Scheu vor ihm fühlen, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollen.- Lasst uns, indem wir nun die Eigenschaften des Gottesfürchtigen zusammenfassen, beachten, dass derselbe nicht nur als gerecht geschildert wird, sondern als ein Mann, dessen Charakter von jener Art ist, auf welche Paulus hinweist in dem denkwürdigen Vers Röm. 5,7: "Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen (der über die Schranken der Pflicht hinausgeht, in selbstloser Liebe mehr leistet, als der andere zu fordern ein Recht hat) möchte vielleicht jemand sterben." Freundlichkeit, Gütigkeit, Wohlwollen und Freigebigkeit sind unentbehrliche Züge in dem Charakterbild des seiner Bestimmung entsprechenden Menschen. Streng gerecht zu sein ist eines der Grunderfordernisse, aber es genügt allein nicht, denn Gott ist Liebe und wir sollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Jedem zu geben, was ihm zukommt, reicht nicht hin, sondern wir sollen nach denselben Grundsätzen der Gnade handeln, die in dem Herzen unseres Gottes alles beherrschen. Die Verheißungen von göttlicher Festigung und Glück und Wohlfahrt, die unser Psalm enthält, gelten nicht harten, von Herzen rohen Leuten, wie Nabal einer war, oder Geldkratzern, die sich die Filzigkeit eines Laban zum Vorbild nehmen, sondern großmütigen, mildtätigen Seelen, die sich als brauchbare Haushalter des HERRN erwiesen haben durch die rechte Weise, in der sie das ihnen anvertraute Gut gebrauchen.

10.
Der Gottlose wird’s sehen, und es wird ihn verdrießen;
seine Zähne wird er zusammenbeißen und vergehen.
Denn was die Gottlosen gerne wollten, das ist verloren.



10. Dieser letzte Vers stellt mit großer Kraft den Unterschied und Gegensatz zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen dar und lässt dadurch die Glückseligkeit des Gottesfürchtigen umso heller ins Licht treten. Das ist häufig der Fall, dass uns in der Schrift so Ebal und Garizim, der Segen und der Fluch, einander gegenübergestellt werden, um beide mit desto größerer Feierlichkeit zu bekleiden. Der Gottlose wird’s sehen, und es wird ihn verdrießen. Zunächst sehen die Bösen das gute Vorbild der Heiligen zu ihrer eigenen Verdammnis, und zuletzt werden sie die Glückseligkeit der Frommen schauen zur Mehrung ihrer ewigen Unseligkeit. Das Kind der Zorns wird genötigt sein, Augenzeuge der Seligkeit des Gerechten zu sein, wiewohl der Anblick ihn dazu bringen wird, sein eigenes Herz zu zernagen. Er wird vor Wut schäumen und toben, er wird wehklagen und fluchen, aber mit dem allem wird er’s nicht hindern noch ändern können, denn wen Gott segnet, der ist gesegnet. Seine Zähne wird er zusammenbeißen. Vor Ingrimm und auch vor Neid möchte er den Gerechten zwischen seinen Zähnen zermalmen; aber da ihm dies unmöglich ist, zerreibt er seine Zähne aneinander vor Wut und knirscht damit, als krachten die Knochen seiner Beute zwischen ihnen. Und vergehen. Die Hitze seiner Leidenschaft wird ihn schmelzen wie Wachs und die Sonne der göttlichen Vorsehung ihn vergehen machen wie Schnee, und schließlich wird das Feuer der Rache Gottes ihn ohne Ende verzehren wie das Fett von Widdern. Wie schrecklich muss ein Leben sein, das gleich dem der Schnecke im Fortschreiten zerfließt, eine schleimige Spur hinter sich lassend. Menschen, die die Tugend verdrießt und die sich über Güte ärgern, verdienen es, von solch verabscheuungswürdigem Gram verzehrt zu werden. Denn was die Gottlosen gerne wollten, das ist verloren. Der Böse wird sein Begehren nicht erreichen, als völlig enttäuschter Mann wird er sterben. Durch Gottlosigkeit hatte er gehofft, sein Vorhaben zu erlangen - und eben diese Gottlosigkeit wird sein Untergang sein. Während die Gerechten ewiglich bleiben und ihr Gedächtnis allezeit frisch ergrünt, wird der Gottlose vergehen und sein Andenken verwesen. Sein Begehren war, der Gründer einer mächtigen Familie zu werden und als Großer in der Nachwelt geehrt zu werden; aber er wird verschwinden, und sein Name wird mit ihm dahinsterben. Wie groß ist die Kluft, die den Gerechten von dem Gottlosen scheidet, und wie verschieden das Los, das der HERR ihnen beiden zuteilt. O dass wir alle zu den Gesegneten des HERRN gehören möchten! Das würde uns Anlass genug sein, ihn von ganzem Herzen zu preisen.

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der 111. und der 112. Psalm, zwei kürzere Dichtungen, die allem Anschein nach aus der spätesten Zeit der heiligen Psalmendichtung stammen, bieten solche Züge der Ähnlichkeit dar, dass kaum ein Zweifel obwalten kann, dass sie aus ein und derselben Feder geflossen sind. Auf jeden Fall ist der zweite dem ersten nachgebildet. In der ganzen Bauart sind sie gleichförmig; und diese äußerliche Ähnlichkeit ist bestimmt, die Aufmerksamkeit auf eine tiefere und wichtigere Ähnlichkeit zu richten. Der Inhalt des einen ist das genau entsprechende Gegenstück des Inhalts des anderen. Der erste rühmt die Eigenschaften und Werke Gottes, der zweite die Eigenschaften und das gesegnete Tun des gottesfürchtigen Menschen. William Binnie 1870.

V. 1. Dieser Psalm preist Gott (Hallelujah) für die Segnungen, die er dem Gläubigen verleiht, und der ganze Inhalt des Psalms erweist mit ebenso vielen Gründen, als er Vers zählt, den Satz des 1. Verses, dass der Gläubige ein gesegneter, glückseliger Mensch ist. Daraus mögen wir mancherlei lernen: 1) Auch wenn in manchen Psalmen oder Versen nichts unmittelbar über den HERRN ausgesagt wird, wird er doch gepriesen, wenn seine Wahrheit, seine Treue, sein Tun, wie es sich an den Seinen erweist, der Gegenstand unseres Liedes ist. 2) Es gereicht dem HERRN zum Ruhm, dass seine Knechte die einzigen wahrhaft glückseligen Menschen auf Erden sind. 3) Nicht der ist ein glücklicher Mann, der es am besten versteht, die Gelegenheiten zu Vergnügen, Gewinn und weltlichen Ehren zu ergreifen, sondern der am eifrigsten auf Gottes Wohlgefallen bedacht ist und am pünktlichsten Gottes Willen tut. David Dickson † 1662.

Wohl dem, der den HERRN fürchtet. Die Furcht allein macht’s nicht, es gibt eine Furcht, die nicht glückselig, sondern elend macht; es kommt darauf an, was und wie wir fürchten. Fürchten, wo sich’s nicht ziemt, und nicht fürchten, wo Furcht gebührt, ist beides elendig. Darum sagt der Prophet recht: Wohl dem, der den HERRN fürchtet. Und das Gegenspiel finden wir im 7. und 8. Vers: Er fürchtet sich nicht. Wolfg. Musculus † 1563.

Der große Lust hat zu seinen Geboten: das zeigt, welcher Art die rechte Furcht des HERRN ist, die im 111. Psalm der Weisheit Anfang genannt war. Wer diese durch die Gnade gewirkte Furcht im Herzen hat, der hat seine Lust nicht nur an verstandesmäßiger Erforschung, sondern am tatsächlichen Ausüben all der Gebote des HERRN. Solche Furcht ist wahrlich kein harter Dienst (Lk. 19,21), sondern ein stetes Wohlleben. Man vergleiche Jer. 32,39 und das Gebot des Evangeliums 1. Joh. 3,23.24; 5,3. Echter Gehorsam ist keine Last, wie Formenkrämer die Religion ansehen, sondern eine Lust. Da werden die weltlichen Lüste, die uns die Frömmigkeit zu einem mühseligen Dienst machten, verdrängt durch den ganz neu im Herzen geborenen Sinn und Geschmack für den Willen und die Wege Gottes (Ps. 19,8-11). A. R. Fausset 1866.

V. 1-3. Es ist wahrscheinlich, dass Lot so recht zum Besten seiner Familie zu handeln glaubte, als er die fruchtbare Gegend des gottlosen Sodom erwählte; aber das Ende war gar anders. Abraham fürchtete den HERRN und hatte große Lust zu seinen Geboten, und siehe, sein Same ward gewaltig auf Erden. So wird es gewöhnlich in jedem Zeitalter mit der Nachkommenschaft derer sein, die dem Vater der Gläubigen nachahmen. Ihre selbstlose, hochherzige Lebensführung wird sich schließlich für ihre Kinder als ein viel wertvolleres Erbe erweisen, als es Gold und Silber, Häuser und Ländereien hätten sein können. Thomas Scott † 1821.

V. 3. Das ist eine seltene, aber schöne und fröhliche Kunst: reich sein und doch (in dem tieferen Sinne der Schrift) gerecht bleiben, die Fülle haben und doch das Herz sich nicht füllen lassen durch den betrüblichen Reichtum. John Trapp † 1669.

Ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Es scheint kühn zu sein, von irgendetwas Menschlichem zu sagen, es bleibe ewiglich. Und doch ist es von der Gerechtigkeit der Gottesfürchtigen wahr; denn alle echte Gerechtigkeit der Menschen hat ihre Wurzel in Gottes Gerechtigkeit. Es handelt sich bei der Gerechtigkeit nicht nur um ein menschliches Bemühen, Gott nachzuahmen; sie ist Gottes Gabe und Gottes Werk im Menschen. Es besteht ein lebendiger Zusammenhang zwischen der Gerechtigkeit Gottes und der des Menschen, darum verbürgt die Unvergänglichkeit der ersteren auch die der andern. Deshalb wird hier von der Gerechtigkeit des Frommen das Gleiche bezeugt, was Ps. 111,3 von der Gerechtigkeit Gottes gesagt war. J. J. St. Perowne 1868.

Die Gerechtigkeit, deren sich die Selbstgefälligen vermessen oder mit der die Heuchler prunken, bleibt nicht ewiglich, weder vor Gott, dem sie ein Gräuel ist, noch vor den Menschen. Wie plötzlich bricht oft die ganze Herrlichkeit zusammen! - Nach Salomon Gesner † 1605.


V. 4. Das Aufgehen des Lichtes aus der Finsternis ist, wiewohl eine alltägliche, doch eine der schönsten und zugleich der wohltätigsten Naturerscheinungen. Wie schade, dass die meisten Städter die zarten Schönheiten der Morgendämmerung und den herrlichen Sieg des Lichtes über die Finsternis nur aus Gedichten oder sonstigen Schilderungen anderer kennen. Viele Millionen Menschen, die täglich mehr oder weniger bewusst das Licht in die Finsternis hinschwinden sehen und wohl auch jeweilen den bei aller Schönheit melancholischen Sonnenuntergang bewundern, nehmen das herrliche Schauspiel eines klaren Morgenanbruchs sozusagen nie, höchstens bei seltenen außerordentlichen Gelegenheiten wahr und denken wohl kaum je daran, mit welcher Dankbarkeit und Freude das neue Licht von denen begrüßt wird, die es, ach so sehnlich, erharrt haben - von dem Schiffer, der die ganze Nacht vom Unwetter umhergeschleudert und in gefährliche Nähe einer Sandbank oder der Küstenklippen getrieben worden; von dem von der Nacht überraschten, im Walde oder der Einöde verirrten Wanderer, der nicht Süd von Nord unterscheiden kann, bis die Sonne aufgeht; von der liebenden Pflegerin, die am Krankenbette Wache hält und o so oft in der schier endlosen Nacht den Seufzer hören und mitseufzen muss: "Ach, wenn’s doch Morgen wäre!" Welche Tiefen von Kummer, Furcht und Hoffnung können doch in solchen Worten wie jenen des 130. Psalms liegen: "Ich warte..., sehnsüchtiger als Wächter auf den Morgen, ja als Wächter auf den Morgen!" Nun steht mir außer Zweifel, dass wenigstens etwas von diesem tiefen Sinn auf das höhere Gebiet der geistlichen Erfahrung übertragen ist, wenn hier gesagt ist: Dem Frommen(Aufrichtigen) geht das Licht auf in der Finsternis. - Dem Redlichen, Aufrichtigen: ein ehrliches Begehren, die Wahrheit zu erkennen, Bereitwilligkeit, dem als Recht Erkannten zuliebe jegliches Opfer zu bringen, und Gehorsam gegen die Wahrheit, soweit sie bereits erkannt ist, - das ist, was Licht bringen wird, wenn nichts anderes es vermag. Alexander Raleigh 1872.

Er hat andere in ihren Trübsalen getröstet und ist ihnen in ihren Dunkelheiten ein Licht gewesen ; deshalb wird der HERR in gnadenreicher Vergeltung auch ihn in seiner Trübsal trösten und dem Licht gebieten, ihm in seinem Dunkel aufzugehen. Joseph Caryl † 1673.

Solange wir auf Erden pilgern, sind wir einer dreifachen Finsternis ausgesetzt: der Finsternis des Irrtums, des Elends und Kummers, und des Todes. Um diese Finsternis zu vertreiben, sucht Gott uns durch sein Wort mit einem dreifachen Lichte heim: mit dem Licht der Wahrheit, dem Licht des Trostes und dem Licht des Lebens. Bischof G. Horne † 1792.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Psalm 112

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Erläuterungen und Kernworte

V. 5. Wohl dem, der barmherzig ist usw. Lasst uns beachten, dass das Vermögen, Gutes zu tun, eine verantwortungsvolle Gabe ist, und dass es uns in höchste Gefahr bringt, wenn wir sie nicht oder nicht recht gebrauchen. Bedenke, dass Gott es ist, der den Reichtum gibt, und dass er einen entsprechenden Ertrag von dem anvertrauten Gut erwartet. Lebe nicht so unmenschlich dahin, als ob ein Nabal oder Judas in dir wieder zur Welt gekommen wären. Du wirst deine Brosamen den Elenden nicht vorenthalten, wenn du dankbar dessen gedenkst, dass Christus sein eigen Fleisch und Blut für dich hingegeben hat. Sinne dem nach, dass gerade wie die Armut dazu in der Welt ist, dass sie Geduld wirke, so ein Hauptzweck des Reichtums die Mildtätigkeit ist. Denke, welch eine Ehre es ist, dem erhabenen König der Welt ein Geschenk machen zu dürfen, und was für eine Herablassung es von ihm, dem Allgenugsamen, ist, dass er das Gute durch uns wirken will, das er doch ganz ohne uns tun könnte. Thomas Tenison † 1715.

Und gerne leiht. Ein Mensch, der immer borgt, ist kein begehrenswerter Nachbar; aber jemand, der nie leiht, der nie willig ist, auszuhelfen, ist einer, in dessen Nähe wahrlich niemand wohnen möchte. Echte Frömmigkeit wird stets die Gesinnung einflößen, auf jede nur mögliche Weise Liebestaten zu vollbringen. Albert Barnes † 1870.

Und richtet seine Sachen aus nach dem Recht. (Grundtext) Wiewohl die Mildtätigkeit im Herzen entspringt, muss sie doch vom Kopf geleitet werden, damit sie sich so nützlich wie möglich entfalte. Und zu den Sachen, die der Gerechte auszurichten hat, gehört vornehmlich auch die Verwaltung und Austeilung der Segnungen, mit denen Gott ihn betraut hat; denn an einem Haushalter sucht man, dass er treu erfunden werde. Michael Cox 1748.

V. 6. Des Gerechten wird nimmermehr vergessen. Die stattlichen die Jahrtausende überdauernden Pyramiden Ägyptens haben der Nachwelt nicht einmal die Namen aller derer, die in ihnen begraben liegen, überliefert. Und was hat den Toten das Einbalsamieren für Nutzen gebracht, als dass die Mumien in der Welt hin und her geschleppt und da und dort den Neugierigen als Schaustücke, die man mit Grausen betrachtet, vorgeführt werden? Die Frömmigkeit eines Abraham, eines Jakob, eines David, eines Hiskia, eines Josia und anderer hingegen wird gefeiert bis auf den heutigen Tag. Und wenn die Pyramiden in den Staub gesunken sein werden, wenn das Meer aufgehört hat zu wogen und Erde, Sonne, Mond und Sterne nicht mehr sind, dann wird noch der Gerechte in ewigem Andenken sein. John Dun 1790.

V. 7. Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht. (Grundtext) Wie könntest du ihn erschrecken? Bring’ ihm Botschaft, dass sein Vermögen ruiniert ist: "Mein Erbteil ist mir dennoch sicher", wird er dir sagen. "Dein Weib, dein Kind, dein teuerster Freund ist tot" - "Aber mein Vater lebt!" "Du selbst musst sterben" - "Wohl mir, dann geh’ ich heim zu meinem Vater, heim zu meinem ewigen Erbe." - Wenn es sich aber bei solch schlimmer Kunde nicht um Persönliches, sondern um die Allgemeinheit, sonderlich um Leiden der Gemeinde des HERRN handelt, so ist es ohne Zweifel ein Zeichen sowohl von wahrer Frömmigkeit als von edler Gemütsart, wenn uns solche Nachrichten tiefer erschüttern als alles, was uns selbst betrifft; und eben solches tiefes Mitleiden mit den Unglücksfällen irgendeines Volkes, sonderlich aber mit den Leiden des Volkes Gottes, ist ein hervorstechender Zug in dem Charakter solcher Männer, die Gott nahe stehen. Man achte auf die ergreifenden Klagetöne der Propheten, wenn sie die Verwüstung selbst heidnischer Königreiche vorhersagen müssen, wieviel mehr aber, wenn sie über Gottes auserwähltes Volk Unglück zu weissagen gezwungen sind. Vergl. Jer. 8,23 [9,1] und die Klagelieder. Aber selbst dann, und bei aller Tiefe des Mitleids, ist in dem Gemüt des Gläubigen eine wundersame, heilige Stille. Inmitten der schmerzlichen Nachrichten bleibt sein Herz fest, voll Vertrauens auf den HERRN. Er kann sein Herz damit stillen, dass die Hilfe kommen wird zur rechten Stunde, dass durch solche Heimsuchungen die Menschen gedemütigt und Gott erhöht werden wird, Jes. 2,11.17, und dass bei allem Getümmel und allen Wechseln der Erde, bei dem Umsturz von Staaten und dem Untergang der Welt Gottes Thron fest steht (Ps. 93,2) und eben damit auch das Herz des Gläubigen und die Stadt Gottes überhaupt unerschütterlich ist. (Ps. 46,6.) Erzbischof Robert Leighton † 1684.

Will jemand ein glückliches Leben haben, so suche er einen sicheren Stützpunkt für sein Vertrauen, so wird er wohlgeborgen sein. Als die schlimmen Nachrichten sich wie ein Wolkenbruch über Hiob ergossen, ward er dennoch nicht weggeschwemmt von dem Felsen, auf dem er gegründet war. Sein Herz blieb im Gleichgewicht. Es war nicht veränderlich wie die Meereswogen in Ebbe und Flut, sein Trost schwand nicht hin mit den Kreaturen, sondern er blieb auch im schwersten Leid fest, im Vertrauen auf den HERRN. - Nach Thomas Manton † 1677.

Sehet nun die Exempel an! Wie sagt Moses am Roten Meer: Stehet fest und sehet usw. (2. Mose 14,13.) Wie fest steht Josaphat als eine Mauer, da die hunderttausend ins Land fielen, und erschlägt sie alle mit einem Lobgesang. (2. Chr. 20,12.15.17) Wie fest steht David, da ihm Saul nachjagt; wie verzagt wird Saul, da die Philister ins Land fielen, dass er auch Rat sucht bei einer Zauberin. Welch eine Beständigkeit ist in Daniel in der Löwengrube. Welch eine Freudigkeit in St. Stephanus. Wie hat der heilige Basilius gesagt, da ihm Kaiser Valens so schrecklich dräuete, solche Mormolykia, Potzmänner, sollte man den Kindern vorsetzen. Athanasius, da ihn Julian suchen ließ: Es ist ein Nebel, der bald vorübergehet. Johann Arnd † 1621.

Voll Vertrauens auf den HERRN. Worauf könnte ein Mensch auch sonst seine Zuversicht setzen? Auf seine Schätze? Die können vergehen, oder aber sie mögen die Habsucht und den Neid eines mächtigen Feindes erwecken, wie es Hiskia am König von Babel erfahren (Jes. 39,4.6), so dass sie sich, statt als Schutzwehr, als Ursache des Untergangs erweisen. Oder wollen wir uns auf Macht verlassen? Ach, wir wissen, dass Menschenmacht, wenn sie zu groß wird, um von andern gestürzt zu werden, gemeiniglich von selber zusammenstürzt. Oder können wir endlich auf Klugheit vertrauen? Ach, tausend unerwartete Zufälle und unbeachtete verborgene Umstände durchkreuzen diese und machen oft den klügsten Ratgeber gleich Ahitophel nicht nur unglücklich, sondern auch der Verachtung wert. R. Lucas † 1715.

V. 8. Wohl dem, dessen Herz also in sich gefestigt ist. Andere mögen klug sein, er allein ist weise; andere mögen Glück haben, er allein ist wahrhaft groß; andere mögen tiefere Züge tun aus den Zisternen sinnlicher Lust, er allein darf von dem Holz des Lebens essen, das im Paradiese Gottes ist. Er ist ein Abbild des erhabenen Wesens, dem er vertraut; so mag auch er mitten in Sturm und Wetter und Erdbeben in heiterer, unerschütterter Ruhe weilen und die in den Staub niedergeworfene Welt aufrufen, den Herrn des Weltalls anzubeten. George Gleig 1803.

V. 9. Seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Wie wenig dies dem neutestamentlichen Bewusstsein entgegen ist, zeigt 2. Kor. 9,9, wo Paulus Vers 9 unseres Psalms zur Ermunterung christlicher Wohltätigkeit anwendet. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Das Horn ist Sinnbild der Macht; denn die ganze Kraft des Tieres, zur Abwehr wie zum Angriff, fasst sich in ihm zusammen. Als Füllhorn ist es das Zeichen der Fülle. Als Ölhorn ist es ein Sinnbild der Heiligkeit, denn es diente als Gefäß für das heilige Öl, damit die Könige gesalbt wurden. Endlich ist es ein Zeichen der Würde, als der Schmuck des damit ausgerüsteten Tieres. Isaak Barrow † 1677.

V. 10. Der Gottlose wird’s sehen und es wird ihn verdrießen usw. Es ist die Eigentümlichkeit des Teufels, dass er nicht etwa die Natur der Tugend verkennt und sie für ein Laster hält, sondern die Tugend eben deshalb hasst, weil sie gut ist und mithin seinen Absichten hinderlich sein muss. Die Gottlosen, seine Späher und Werkzeuge, ähneln ihm darin; es verdrießt sie, wenn die Schlechtigkeit ihrer Untugenden dadurch offenkundig wird, dass sie in das helle Licht eines tugendhaften Beispiels gerückt werden. Doch ob sie auch, gleich den Titanen der alten Sage, einen abenteuerlichen Krieg gegen den Himmel unternehmen, müssen doch alle ihre Geschosse mit zwiefacher Kraft auf sie zurückfallen und sie mit Schmach und Verwirrung bedecken. Ist es schon in dem gegenwärtigen Leben so, dass ihre Bosheit, statt denjenigen zu schaden, gegen die sie wüten, gemeiniglich zu ihrer eigenen Qual aufschlägt, wieviel mehr wird das der Fall sein, wenn der Vorhang über dem jenseitigen Leben aufgeht. Dann werden sie immerfort mit den Zähnen knirschen (die elendige einzige Unterhaltung in jenem Zustand der Verfluchtheit), und zwar sowohl vor Ärger und Pein über ihre eigenen Qualen als auch aus Wut und Neid über die Fülle der Ehren, die den Heiligen zuteil wird. William Berriman † 1749.

Und vergehen. Das ist die Wirkung des Neides; er verzehrt den, der ihn hegt. Das ist das einzige, das an dem abscheulichen Neid noch gut ist: dass er Auge und Herz des Neidischen zum Verschmachten bringt. Johann Le Clerc † 1736.

Homiletische Winke

V. 1.
Hallelujah. 1) Wer soll gepriesen werden? Nicht der Mensch, nicht mein Ich, nicht der Reichtum usw., sondern Gott allein. 2) Wer soll ihn preisen? Alle Menschen, sonderlich aber die Seinen, die Gesegneten, die in diesem Psalm geschildert werden. 3) Warum sollen sie ihn preisen? Aus den Gründen, die sich aus V. 1-10 ergeben. 4) Wie sollen sie ihn preisen? Vor allem auch, indem sie einen solchen Wandel führen wie hier beschrieben.
Wohl dem, der den HERRN fürchtet. 1) Die Furcht des HERRN, was ist sie? 2) Ihr Zusammenhang mit der in unserem Text erwähnten Lust. 3) Die Eigenschaften der Gebote, die gottesfürchtigen Gemütern solche Wonne bereiten.
V. 2.
Die wahre Macht des heiligen Samens und die Fülle köstlicher Segnungen, die er genießt.
V. 3a.
Des Christen Schätze: volle Genüge, Friede mit Gott, Heilsgewissheit, Macht des Gebetes, die Verheißungen, Gottes Vorsehung, und das beste Teil: Gott selbst.
V. 3b.
Die Beständigkeit der echten Gerechtigkeit. 1) Sie ist gegründet auf ewiger Grundlage. 2) Sie erwächst aus unvergänglichem Samen. 3) Sie wird erhalten durch den treuen Gott. 4) Sie steht in Lebenszusammenhang mit dem immerdar lebenden Christus.
V. 3.
(Verknüpfung der beiden Vershälften.) Die Kunst, reich und gerecht zugleich zu sein. Man ziehe die Lehren aus den folgenden Versen und betone, dass Freigebigkeit notwendig ist, wenn reiche Leute gerechte Menschen sein wollen.
V. 4.
1) Auch die Frommen (Redlichen) haben ihre dunkeln Zeiten. 2) Aber sie bekommen Trost. 3 Ihre eigene Gesinnungs- und Handlungsweise verbürgt dies.
1) Wie wird der Gerechte hier geschildert? Als fromm, d. h. geraden Sinnes, als gnädig usw. 2) Welche Vorrechte werden ihm zugesprochen? a) Licht sowohl als Dunkel. b) Mehr Licht als Dunkel. c) Licht im Dunkel: inneres Licht inmitten der ihn umgebenden Finsternis; Licht von oben, wenn hienieden alles dunkel ist; ja, das Dunkel selber wird ihm zum Vorboten des Lichtes. George Rogers 1878.
V. 4b.
Gnädig, barmherzig und gerecht: ein Dreiklang von Vortrefflichkeiten, erfunden in dem wahren Christen, in Christo und in Gott. Ihre Vereinigung bildet, wenn sie zueinander im rechten Gleichgewicht stehen, den vollkommenen Charakter. Man lege dar, wie sie sich im täglichen Leben erweisen müssen.
V. 5.
1) Ein guter Mensch ist wohltätig, aber die wohltätigen Leute sind nicht alle gute Menschen. 2) Ein guter Mensch ist klug, aber die klugen Menschen sind nicht alle gute Menschen. Erst der gute Baum, dann die gute Frucht. George Rogers 1878.
Leihen. 1) Es soll geschehen, 2) als Barmherzigkeit (entlehnen heißt ein Almosen begehren), 3) mit Vorsicht, vergl. den Schlusssatz. Man schließe daran eine Mahnung über das Borgen und Wiederbezahlen.
V. 6.
l) Solange der Christ auf Erden lebt, ist er standhaft, getrost und unüberwindlich (er wird nimmermehr wanken, Grundtext). 2) Und hernach bleibt sein Andenken geliebt, einflussreich und beständig.
1) Das Andenken des Gerechten ist von ewiger Dauer. 2) Auch sein Einfluss auf andere ist von ewiger Dauer. George Rogers 1878.
V. 7.
1) Der Gerechte fürchtet sich nicht: innerer Friede. 2) Sein Herz bleibt standhaftund fest: äußere Ruhe. 3) Er ist voll Vertrauens auf den HERRN: der Grund der beiden anderen Charakterzüge.
1) Die Wogen: schlimme Nachrichten. 2) Das stätige (seetüchtige) Schiff: Er fürchtet sich nicht. 3) Der Anker: Sein Herz ist fest, voll Vertrauens. 4) Der Ankergrund: der HERR.
V. 8.
Festigkeit des Herzens, die Zuversichtlichkeit, die ihr entspringt, und der Anblick, den die genießen werden, die sie besitzen.
1) Die Standhaftigkeit des Gerechten. 2) Seine Seelenruhe. 3) Seine Aussichten (völliger Sieg). George Rogers 1878.
V. 9.
Mildherzigkeit: ihre Erweisung im Wohltun, ihr erhaltender Einfluss auf den Charakter, und die Ehre, die sie gewinnt.
V. 10.
1) Was die Gottlosen sehen müssen und die Wirkung, die es auf sie hat. 2) Was sie niemals sehen werden (was sie gerne wollten) und die Folge ihrer Enttäuschung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Psalm 113

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PSALM 113 (Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Dieser Psalm enthält lauter Lobpreis, und nur weniges darin bedarf der Erklärung; ein warmes Herz, das von anbetender Bewunderung des Höchsten erfüllt ist, wird diese heilige Hymne am besten verstehen. Ihr Gegenstand ist die Erhabenheit und herablassende Güte des Gottes Israels, wie sie sich in der Erhöhung der Elenden aus ihrer Niedrigkeit erweist. Der Psalm eignet sich trefflich, von der Gemeinde in Zeiten der Erweckung gesungen zu werden, wenn sie nach langer Minderung und Erniedrigung die belebende und erhebende Kraft des HERRN erfährt. Mit diesem Psalm beginnt das sogenannte Hallel der Israeliten, der Lobgesang (Mk. 14,26), den sie an ihren hohen Festen sangen; wir können uns ihn also als Anfang des Hallel leicht merken. D. Edersheim berichtet uns, der Talmud hebe hervor, wie sehr das Hallel namentlich für das Passahfest geeignet sei, da es nicht nur im Allgemeinen die Güte Gottes gegen Israel, sondern auch namentlich die Errettung aus Ägypten feiere und darum sehr passend mit den Worten beginne: Lobet den Namen Jehovahs, ihr Knechte Jehovahs - und nicht mehr Knechte Pharaos. Seine Hinweisungen auf die im Staube und Kot liegenden Geringen und Armen halten sich ganz in dem Rahmen der Erinnerung an Israels Zustand in Ägypten, und ebenso verhält es sich mit der Hinweisung auf die Geburt zahlreicher Kinder, wo solche am wenigsten zu erwarten.
Wir betrachten den Psalm in einem Stück; will man ihn teilen, so mag man sagen, er ermuntere uns, den HERRN erstens wegen seiner Erhabenheit, V. 1-5, sodann wegen seiner Gnade, V. 6-9, zu preisen.

Auslegung

1.
Hallelujah.
Lobet, ihr Knechte des HERRN,lobet den Namen des HERRN!
2.
Gelobt sei des HERRN Name
von nun an bis in Ewigkeit!
3.
Von Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
sei gelobet der Name des HERRN!
4.
Der HERR ist hoch über alle Heiden;
seine Ehre geht, so weit der Himmel ist.
5.
Wer ist wie der HERR, unser Gott?
Der sich so hoch gesetzt hat
6.
und auf das Niedrige sieht
im Himmel und auf Erden;
7.
der den Geringen aufrichtet aus dem Staube
und erhöht den Armen aus dem Kot,
8.
dass er ihn setze neben die Fürsten,
neben die Fürsten seines Volks;
9.
der die Unfruchtbare im Hause wohnen macht,
dass sie eine fröhliche Kindermutter wird.
Hallelujah!



1. Hallelujah, das ist: Lobet Jah oder Jehovah. Preis des HERRN ist ein Hauptopfer bei allen hohen Festen des Volkes Gottes. Gebet ist die Myrrhe und Lob der Weihrauch, und beide sind dem HERRN darzubringen. Wie können wir um Gnade für die Zukunft bitten, wenn wir nicht für seine in der Vergangenheit uns erwiesene Liebe danken? Der HERR ist’s, der alle Fülle des Guten für uns gewirkt und bereitet hat; darum lasst uns ihn anbeten. Jeder andere Ruhm muss ausgeschlossen bleiben; die ganze Inbrunst der Seele ist Jehovah allein zu weihen. Lobet, ihr Knechte des HERRN. Ihr vor allen Menschen, denn ihr seid dazu verpflichtet durch euren Stand und Beruf. Wenn seine eigenen Diener Gott nicht preisen, wer wird es tun? Ihr seid ihm ja so nahe verbunden und solltet darum auch am eifrigsten sein, eure liebende Dankbarkeit zu betätigen. Als sie noch Sklaven Pharaos waren, konnten die Kinder Israel nur seufzen und stöhnen ob ihrer harten Dienstbarkeit; nun sie aber Knechte des HERRN geworden sind, dürfen Jubellieder von ihren Lippen strömen. Sein Dienst ist wahre Freiheit, und wer sich mit völligem Herzen diesem Dienst hingibt, entdeckt darin tausend Gründe zu seliger Anbetung. Es ist kein Zweifel, dass diejenigen Gott am besten preisen werden, die ihm am besten dienen; ja, dem HERRN dienen ist ihn preisen. Lobet den Namen des HERRN, verherrlicht sein Wesen, wie es sich geoffenbart hat, preist jede seiner heiligen Eigenschaften, frohlockt über allem seinem Tun und ehrt auch den Namen, mit dem er sich nennen lässt. Der Name Jehovah ist in diesem Vers dreimal gebraucht; wir, die wir die Lehre von der Dreieinigkeit verstehen, mögen darin eine leicht verhüllte Andeutung dieses heiligen Geheimnisses sehen. Mögen Vater, Sohn und Heiliger Geist miteinander gepriesen werden als der eine und alleinige lebendige und wahre Gott. Die nahe Aufeinanderfolge der Worte Hallelujah, Hallelu, Hallelu (im Hebräischen) muss im öffentlichen Gottesdienst von feiner Wirkung gewesen sein. Edersheim schildert den Tempeldienst als vielfach aus Responsorien (Antwortgesängen) bestehend und bemerkt: Jede erste Zeile eines Psalms wurde vom Volke wiederholt, während die andern Versglieder mit Hallelujah beantwortet wurden, in folgender Weise:

Die Leviten begannen: Hallelu Jah (Lobet den HERRN).
Das Volk wiederholte: Hallelu Jah.
Die Leviten: Lobet (Hallelu) ihr Knechte des HERRN.
Das Volk antwortete: Hallelu Jah.
Die Leviten: Lobet (Hallelu) den Namen des HERRN.
Das Volk erwiderte: Hallelu Jah.

Das waren keine müßigen Wiederholungen, denn der Gegenstand ist solcher Art, dass wir bei ihm in der Tat verweilen sollten; tief soll er uns ins Herz geprägt sein und in unserm Leben stets den ersten Platz einnehmen.

2. Gelobt (wörtl.: gesegnet) sei des HERRN Name. Während es seinen Gott öffentlich laut pries, sollte das auserwählte Geschlecht ihn auch in der Stille der Herzen segnen oder lobpreisen, seinem Namen Ruhm, der Sache seines Reichs Gelingen, seiner Wahrheit Sieg wünschend. Durch Erwähnung des Namens Jehovahs will der Psalmist uns wohl anweisen, jede der geoffenbarten Eigenschaften des Höchsten, die gleichsam die Buchstaben seines Namens sind, zu segnen, uns anbetend und lobend in sie zu versenken; dass wir also nicht hadern mit seiner Gerechtigkeit, nicht widerstreben dem Ernst seiner Heiligkeit, noch knechtisch seine Allgewalt fürchten, sondern ihn annehmen, wie wir ihn in dem geisterfüllten Bibelwort und in seinen Taten geoffenbart finden, und ihn als solchen lieben und rühmen. Wir dürfen dem HERRN nicht einen neuen Namen geben oder eine andere Beschaffenheit andichten; denn das hieße einen falschen Gott aufrichten. Jedes Mal, wenn wir an den Gott der Bibel denken, sollten wir ihn preisen und seinen hehren Namen nie ohne freudige Ehrfurcht aussprechen. Von nun an. Wenn wir ihn noch nie gepriesen haben, lasst uns jetzt beginnen. Das Passahfest, an dem dieses Hallel stets gesungen ward, lag ja am Anfang des Jahres; war es nicht ein trefflicher Anlass, jedes neue Jahr mit dem Preise dessen zu beginnen, der seinem Volke eine so herrliche Erlösung gewirkt hatte? Aber jedes der hohen Feste Israels hatte seine besonderen Erinnerungen an herrliche Gnadentaten des HERRN und konnte somit als ein Zeitpunkt betrachtet werden, an dem es sich geziemte, wieder mit frischem Eifer mit der Anbetung einzusetzen. Sind keine Gründe vorhanden, warum der Leser den heutigen Tag zum Anfang eines neuen Jahres des Lobpreises machen sollte? Wenn der HERR zu uns spricht: "Von nun an will ich dich segnen" (vergl. 5. Mose 26,18 f.; 27,9; Jos. 3,7; Joh. 1,51), so sollte unsre Antwort sein: "Gesegnet sei des HERRN Name von nun an."
Und bis in Ewigkeit. Dies Wort muss in seinem Vollsinn genommen werden. Könnten unsre Herzen je aufhören, den Namen des HERRN zu preisen? Können wir uns eine Zeit denken, da die Lobgesänge der Erlösten nicht mehr den Thron der göttlichen Majestät umgeben werden? Unmöglich. Immerdar und mehr als immerdar, wenn es ein Mehr geben kann, werde sein Ruhm erhoben.

3. Von Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des HERRN! Vom frühen Morgen bis zum Abend steige das Loblied ohne Ende zum Thron des Ewigen empor, und von Ost nach West um das ganze Erdenrund werde seiner Herrlichkeit Anbetung dargebracht. So sollte es sein; und Gott sei Dank, wir sind nicht ohne Hoffnung, dass es einmal so sein wird. Wir erwarten zuversichtlich, dass, ehe der düstere Weltabend kommt, der glorreiche Name des HERRN unter allen Völkern verkündigt sein wird und von allen Enden Lobgesänge aufsteigen werden. Bei der ersten Verkündigung des Evangeliums wurde der Name des HERRN herrlich in allen Landen; wird das nicht in noch viel höherem, umfassenderem Maße geschehen, ehe das Ende kommt? Auf jeden Fall ist das das Sehnen unserer Herzen. Und inzwischen wollen wir uns bestreben, jeden Tag zu heiligen, indem wir Gott loben. In der Morgenfrühe lasst uns den sich dem Himmelslicht öffnenden Blumen nacheifern, und den singenden Vöglein, die jeden Morgen neu des Schöpfers Güte preisen. Auf, träges Herz, erwache und stimme fröhlich ein. Ist’s nicht ein Wunder von Güte, dass die Sonne wieder aufgeht über die abtrünnigen Menschenkinder und ihnen, die es wahrlich nicht verdienen, Tage voll heiterer Frühlingspracht und reichen Erntesegens bereitet? O lasst uns für diese erstaunliche, ja diese verschwenderische Gütigkeit den Allherrn preisen! Von Stunde zu Stunde lasst uns das Lied neu anheben, denn jeder Augenblick bringt seine besonderen Gnadengaben. Und wenn die Sonne zur Ruhe geht, so wollen wir in dem feierlichen Schweigen der Natur die Musik unsrer Herzen nicht schweigen lassen, sondern mit dem letzten wachen Gedanken noch den Vater Himmels und der Erde preisen, der den Müden Ruhe gibt.

4. Der HERR ist hoch über alle Heiden. Wiewohl die Heiden Gott nicht kannten, war Jehovah doch der Lenker ihrer Geschicke; ihre Götzen waren keine Götter, und ihre Könige waren Marionetten in seiner Hand. Der HERR ist hoch erhaben über all die Gelehrsamkeit, scharfsinnige Urteilskraft und Erfindungsgabe der heidnischen Weisen, und seine Herrlichkeit übertrifft unendlich all die Pracht und Macht der gepriesensten Herrscher der Weltreiche. Gleich dem erhabenen Himmelsgewölbe überspannt seine Gegenwart alle Lande, die Wohnstätten der verschiedenen Rassen des Menschengeschlechts; denn seine Vorsehung waltet allüberall. Diese Tatsache ist wohl geeignet, uns zu kindlichem Vertrauen und freudigem Lobpreis anzuregen. Den Himmel überragt seine Herrlichkeit.(Grundtext) Erhabener als die erhabensten Teile der Schöpfung ist Gottes unvergleichliche Herrlichkeit. Die Wolken sind der Staub zu seinen Füßen, und Sonne, Mond und Sterne funkeln tief unter seinem Thron. Selbst der Himmel Himmel mögen ihn nicht fassen (1. Könige 8,27). Seine Herrlichkeit kann nicht von dem ganzen sichtbaren Weltall, nicht einmal von der erhabenen Pracht der Engelheere widergestrahlt werden; sie geht über alle geschöpfliche Fassungs- und Einbildungskraft hinaus, denn er ist Gott, der Unendliche. Lasst uns ihn über alles bewundern und preisen, der über alles erhaben ist.

5. Wer ist wie der HERR, unser Gott? Auf diese Herausforderung wird nie eine Antwort gegeben werden. Niemand kann mit ihm auch nur einen Augenblick verglichen werden. Israels Gott hat seinesgleichen nicht; unser Bundesgott steht einzig da. Selbst diejenigen, welche er sich in gewissen Beziehungen gleich gemacht hat, sind doch nicht ihm gleich in seinem göttlichen Wesen; denn viele seiner Vollkommenheiten sind unmittelbar und unnachahmlich. Keines der Bilder und Gleichnisse, unter denen der Ewige uns in der Schrift dargestellt wird, vermag uns einen vollkommenen Begriff von ihm zu geben; seine volle Ähnlichkeit spiegelt nichts auf Erden und im Himmel ab. Nur in Jesu wird die Gottheit erschaut, er aber hat ohne Zögern erklärt: Wer mich sieht, der sieht den Vater. Der sich so hoch gesetzt hat. Auch an Erhabenheit seiner Wohnstätte kann niemand ihm gleichen. Sein Thron, sein ganzes Dasein, seine Persönlichkeit, sein Wesen, alles an ihm ist erhaben und unendlich majestätisch, so dass niemand ihm verglichen werden kann. Sein erlauchter Geist bleibt stets in der erhabensten Höhe; seine Ehre ist unverletzlich, auch steigt er nie hernieder von der Höhe der lauteren Heiligkeit und unbeschränkten Vollkommenheit seiner Gesinnung und Handlungsweise. Seine Heiligen wohnen in der Höhe (vergl.
Ps. 148,1; Judas V. 14), und darin sind sie ein Abbild seiner Herrlichkeit; er selber aber hat seinen Wohnplatz in unausdenklicher Höhe und erhebt sich hoch über die am höchsten Erhobenen seines verklärten Volkes. Die niederste Stufe an seinem Thron ist zu hoch, als dass selbst ein Gabriel sie erklimmen könnte, und Michael würde es vergeblich versuchen, mit seinen hellen Augen bewundernd zu jenen Höhen zu dringen. Was sollen erst wir tun, die wir Staub und Asche sind? Und doch ist’s unser Vorrecht, aus dem Staub der Erde, aus der Asche der Buße ihn, den hohen, erhabenen Heiligen anzurufen und seine Gnade anzubeten.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Psalm 113

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6. Und auf das Niedrige sieht (wörtl.: tief herabschaut) im Himmel und auf Erden. Er wohnt in so ferner Höhe, dass er, selbst um himmlische Dinge zu sehen, in die Tiefe schauen muss. Er muss sich bücken, um das Firmament zu betrachten, und sich hinabneigen, um zu sehen, was die Engel tun. Wie groß muss denn seine Herablassung sein, da er die geringsten seiner Diener auf Erden beobachtet und sie frohlocken lässt wie Maria, weil er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Wie köstlich sind jene Worte bei Jesaja 57,15: Also spricht der Hohe und Erhabene, der ewig Thronende, dessen Name ist der Heilige: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, so zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Die heidnischen Philosophen konnten nicht glauben, dass der große Gott die kleinen Ereignisse der menschlichen Geschichte beachte; sie schilderten ihn als unwandelbar in erhabener Gleichgültigkeit gegen Wohl und Weh seiner Geschöpfe verharrend. Unser Fels ist nicht wie ihr Fels (5. Mose 32,31); wir haben einen Gott, der hoch erhaben ist über alle Götter und der dabei doch unser Vater ist, der weiß, was wir bedürfen, ehe denn wir ihn bitten, unser Hirte, der alle unsre Bedürfnisse erfüllt, unser Hüter, der die Haare auf unserem Haupte zählt, unser zart fühlender, sorgsamer Freund, der an allem, was unser Herz bewegt, herzlich teilnimmt. Ja wahrlich, der Name unseres sich so ganz zu uns herablassenden Gottes muss gelobt werden von allen, die ihn kennen.

7. Der den Geringen aufrichtet aus dem Staube. Dies ist ein Beispiel davon, wie gnadenreich seine Liebe sich niederbeugt. Er erhebt oft die Allerniedrigsten der Menschenkinder aus ihrer Armut und entwürdigenden Lage und versetzt sie in Stellungen von Macht und Ehre. Sein guter Geist sucht stets die in Gnaden heim, die niedergeschlagen am Boden liegen, gibt den Traurigen Schmuck für Asche und tröstet die Herzen der rechten Leidtragenden, bis sie vor Freude jauchzen. Diese aufrichtenden Taten der Gnade werden in unserem Psalm unmittelbar der Hand Gottes zugeschrieben; und wahrlich, bei allen, die sie erfahren haben, wird darüber kein Zweifel sein, dass es der HERR allein ist, der die Seinen aus dem Staube der Not und des Todes emporhebt. Wenn keine andre Hand als die seine helfen kann, dann greift er ein, und alsbald ist’s getan. Es ist der Mühe wert, niedergeschlagen zu sein, um so durch Gottes Kraft aus dem Staube aufgerichtet zu werden. Und erhöht den Armen aus dem Kot, vom Kehrichthaufen, wo er wie wertloser Auswurf und Unrat lag, verstoßen und verworfen, dem Verderben und Vergessenwerden, wie er meinte, preisgegeben. Welch großer Abstand zwischen seinem Thron hoch über allen Himmeln und dem elenden Kehrichthaufen dort im Winkel auf der Erde! Wie bewunderungswürdig ist diese Allmacht, die sich damit abgibt, Bettler aufzuheben, die ganz und gar besudelt sind mit dem Schmutz, darin sie lagen! Denn er erhöht sie aus dem Kot, scheut nicht davor zurück, sie mitten aus dem Unedlen der Welt herauszusuchen, damit er durch sie das, was vor der Welt groß ist, zunichtemache und alles menschliche Rühmen zu Schanden werde. (Vergl. 1. Kor. 1,26-29) Das Bild des Misthaufens mag wenig schmeichelhaft sein; aber entspricht es nicht dem Elend unserer Sünde? Wie verrottet war unser ursprünglicher Zustand! Und welch eine Masse von Abscheulichkeiten haben wir durch unser sündhaftes Leben aufgehäuft! Welch widerliche Dünste umgeben uns in der menschlichen Gesellschaft! Aus alledem hätten wir uns niemals durch eigene Anstrengung erheben können; es war ein Grab, in dem wir wie Tote dalagen und die Verwesung sahen (Apg. 2,27). Es ist ein allmächtiger Arm, der uns aufrichtete, uns noch heute aufrecht hält und zu der Vollkommenheit des Himmels emporheben wird. Hallelujah!

8. Dass er ihn setze neben die Fürsten. Der HERR tut nichts halb; wenn er Menschen aus dem Staube erhöht, so ruht er nicht, bis er sie unter den Adel seines Reichs versetzt hat. Wir sind zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Anstatt der Armut gibt er uns fürstlichen Reichtum, statt der Schmach einen höheren Stand als den der Großen auf Erden. Neben die Fürsten seines Volks. Alle die Seinen sind Königskinder; somit entnehmen wir dem Textwort, dass Gott dürftige Menschenkinder, an denen er seine Gunst erweisen will, zu Fürsten unter Fürsten macht. Er macht oft solche, die in den hoffnungslosesten Tiefen waren, tüchtig, sich zu den höchsten Stufen des geistlichen Lebens und der Gnadengaben zu erheben; denn die Letzten werden die Ersten sein. Ja Paulus, der sich selbst als den Allergeringsten unter allen Heiligen bekannte (Eph. 3,8), wirkte doch die Gnade so mächtig, dass er in nichts auch nur im Geringsten den hohen Aposteln nachstand (2. Kor. 12,11); und in neueren Zeiten ward ein Bunyan, der gottvergessene Kesselflicker, zu einem andern Johannes erhoben, dessen Traum fast an die Gesichte der Offenbarung hinanreicht. Ja wahrlich, unser Gott vollbringt Wunder der Gnade; mögen unsere Lobgesänge sie immer aufs Neue erzählen. - Aus Schriftworten wie dem vorliegenden sollten gerade diejenigen, die in ihrem eigenen Urteil die Niedrigsten sind, mächtige Ermutigung schöpfen. Der HERR schüttet Verachtung auf Fürsten (Ps. 107,40); aber auf Menschenkinder, die im Staube liegen, blickt er voll Erbarmen nieder, handelt überaus gnädig an ihnen und erweist an ihnen den Reichtum seiner Herrlichkeit in Christo Jesu. Alle, die solch erstaunliche Huld erfahren haben, sollten dem Gott ihres Heils ein Hallelujah nach dem andern singen.

9. Der die unfruchtbare (Frau) des Hauses als fröhliche Kindermutter sesshaft macht.(Grundtext) Die Morgenländer, und sonderlich die Erben der dem Abraham gegebenen Verheißung, hatten ein mächtiges Verlangen nach Kindersegen; daher begrüßten sie die Geburt von Sprösslingen als das größte Glück, während Unfruchtbarkeit als ein Fluch angesehen ward. Deshalb ist dieser Vers an den Schluss gesetzt, um das Ganze zu krönen und in der Aufzählung von Wohltaten Gottes die oberste Stufe zu bilden. Der glorreiche HERR tut seine herablassende Gnade dar durch liebreiche Beachtung der Bedauernswerten, die wegen Unfruchtbarkeit, sei diese leiblich oder geistlich, Geringschätzung erdulden. Sarah, Rahel, die Frau des Manoah, Hanna, Elisabeth und andere sind lauter Beispiele davon, wie die Wunderkraft Gottes sich in wörtlicher Erfüllung des Psalmwortes erwiesen hat. Solange eine Ehefrau keinen Sohn hatte, war ihr noch kein Haus, d. i. keine Familie, erbaut; so hatte sie auch im Hause des Gatten keinen festen Stand, bis Gott ihr Kinder schenkte. In wie manchen Fällen aber ist es uns berichtet, wie der HERR solche im Verborgenen sich grämende kinderlose Frauen in Gnaden heimsuchte, indem er ihnen Kinder bescherte, so dass sie nun Hausmütter wurden, ja, ihnen ein beständiges Haus baute, so dass ihr Geschlecht sich durch die Jahrhunderte erhielt.


Die in der Heidenwelt sich erbauende Missionsgemeinde unserer Tage ist ein geistliches Beispiel im großen Maßstabe von der Gabe der Fruchtbarkeit nach langen Jahren aussichtsloser Unfruchtbarkeit; und die judenchristliche Gemeinde der letzten Tage wird eine neue erstaunliche Entfaltung der gleichen belebenden Gotteskraft sein. Israel, das um seines geistlichen Ehebruchs willen so lange verstoßene, wird volle Vergebung erfahren, wird wieder in Gnaden angenommen und in seine Rechte eingesetzt werden, und fröhlich wird es dem Hause vorstehen, das ihm jetzt wüste gelassen ist. Aber damit ist die Anwendung des Textes nicht erschöpft: es gibt wohl keinen unter denen, die an den Herrn Jesus glauben, der nicht zuzeiten über seine klägliche Unfruchtbarkeit hätte trauern müssen; er war allem Anschein nach ein dürrer Baum, der seinem Herrn keine Frucht brachte - und doch, da der Heilige Geist ihn heimsuchte, fand sich’s auf einmal, dass er dem Stabe Aarons glich, der grünte und blühte und reife Früchte trug! (4. Mose 17,23) Ehe wir recht wussten, wie es zuging, hatten wir, die Unfruchtbaren, ein fröhlich Haus, darin der Herr Jesus herbergte, unsere Gnade vervielfältigte sich, als wären uns in einer Stunde viele Kinder geboren, und wir konnten uns freuen und fröhlich sein vor dem HERRN. Da staunten wir darüber, dass der HERR, der so hoch thront, geruht hatte, solch armselige Kreaturen, die zu nichts nütze schienen, so gnadenvoll heimzusuchen. Gleich Maria haben wir da unser Magnificat angestimmt und mit Hanna bekannt: Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner; und ist kein Hort, wie unser Gott ist. (1. Samuel 2,2.)

Hallelujah. Die Musik endigt mit dem Anfangsakkord. Der Psalm schließt sich zum Kreis, er preist den HERRN von der ersten Silbe bis zur letzten. Möge der Psalm unseres Lebens von gleicher Art sein und keine Unterbrechung, kein Ende kennen. In endloser Kette von Lobgesängen lasst uns den HERRN preisen, dessen Gnadenerweisungen nie aufhören. Lasst uns ihn loben in der Jugend und alle die Jahre der Manneskraft hindurch; und wenn wir im hohen Alter uns gleich den reifen Ähren neigen, lasst uns immer noch den HERRN preisen, der seine alt gewordenen Diener nicht abdankt. Lasst uns nicht nur selber Gott loben, sondern auch andere dazu ermuntern, wie es der Psalmdichter tut. Und wenn wir mit dem einen und andern jener Armen zusammentreffen, die reich gemacht worden, und jener Unfruchtbaren, die zu fröhlichen Kindermüttern geworden, so lasst uns gemeinsam mit ihnen den Namen dessen erheben, dessen Gnade ewiglich währt. Und als solche, die selber aus tiefster geistlicher Armut und Unfruchtbarkeit erhöht worden sind, lasst uns nie unseren ehemaligen Stand vergessen noch die Gnade, die uns heimgesucht hat, sondern in alle Ewigkeit den HERRN loben. Hallelujah!

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Mit diesem Psalm beginnt das Hallel, welches an den drei hohen Festen, an dem Tempelweihfest (Joh. 10,22) und den Neumonden rezitiert wird, nicht am Neujahrs- und Versöhnungstag, weil heiterer Lobgesang nicht zu dem düstern Ernste dieser Tage stimmt, und nur bruchstückweise in den letzten Passahfesttagen, denn "meine Geschöpfe", sagt der Heilige, gebenedeit sei er, "ertranken damals im Meer, und ihr solltet Jubellieder anstimmen?" In der Familienfeier der Passahnacht wird es halbiert, indem die eine Hälfte, Ps. 113; 114, vor der Mahlzeit vor Leerung des zweiten Festbechers, und die andere Hälfte, Ps. 115-118, nach der Mahlzeit nach Einschenkung des vierten Festbechers gesungen wird, worauf sich das u(mnh/santej ("da sie den Lobgesang gesprochen hatten") Mt. 26,30; Mk. 14,26 beziehen mag. Paulus Burgensis nennt Ps. 113-118 Alleluja Iudaeorum magnum, das große Hallel. Diese Benennung findet sich auch sonst häufig. Aber herrschender Sitte gemäß heißen Ps. 113-118 und insbesondere Psalm 115-118 nur Hallel, und den Namen "das große Hallel" führt Ps. 136 mit seinen 26 Kehrreimen: "Denn seine Güte währet ewiglich." Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 1. Dies Loben Gottes beruht nicht auf bloßem Nachgrübeln über Gottes Vortrefflichkeit oder müßigem, beschaulichem Betrachten derselben, und es besteht nicht in hoch daher schwebenden Gedanken oder glatt hinfließenden schönen Worten, sondern hat zur Voraussetzung solch frische, lebhafte innere Erfassung der Hoheit und Herrlichkeit Gottes, dass die Gedanken und Begriffe tief ins Herz eindringen und dort Gemütsbewegungen hervorrufen, die ihnen angemessen sind, so dass wir ihn lieben wegen seiner Güte, ehren wegen seiner Erhabenheit, fürchten wegen seiner Gerechtigkeit, scheuen wegen seiner Macht, anbeten wegen seiner Weisheit und aller seiner Eigenschaften und in beständiger heiliger Ehrfurcht und treuem Gehorsam vor ihm wandeln. Das heißt Gott loben, und ohne das ist alles Knicksen und Hofieren vor ihm eitel Schmeicheln und Heucheln. Der Allmächtige hat uns dazu mit höheren und edleren Fähigkeiten begabt als andere Geschöpfe, dass wir sein Lob verkündigen. Denn wiewohl andere Dinge uns Stoff und Anlass zu Gottes Lob darreichen, ward doch der Mensch allein dazu ausersehen und befähigt, mit Bewusstsein und Willen auf Erden Gott zu verherrlichen. Und Gott hat seine eigene Herrlichkeit und unsere Glückseligkeit so eng miteinander verknüpft, dass wir, indem wir die eine zu Ehren bringen, zugleich auch die andere fördern. Matthew Hole † 1730.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Psalm 113

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Erläuterungen und Kernworte


V. 2.3. Welch tiefe Bedeutung gewann manches Wort auch dieses Psalms in dem Munde des Herrn Jesu bei dem letzten Passahmahle! Man vergleiche zu V. 2 z. B. das Wort des Herrn Joh. 13,31, nachdem der Verräter hinausgegangen war. Und mit welch heiterer Zuversicht sah Jesus auf die Frucht seiner Leiden, da des HERRN Name gepriesen werden sollte vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang durch das Zeugnis der Jünger und die, welche durch ihr Wort an ihn glauben sollten. Barton Bouchier 1856.

V. 3. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang - überall, von Ost bis West. Unser Abendland soll nach dieser Weissagung sich der Anbetung Gottes erfreuen nach den Juden, deren Heimat das Morgenland war. Auch unsere (britischen) Inseln, die in dem Meer liegen, darin schon nach dem Ausdruck der alten griechischen Dichter die Sonne untergeht. Samuel Torshell 1641.

Auch in Japan, dem "Lande der aufgehenden Sonne" (Nippon), soll der Name desHERRN gelobt werden. - James Millard


V. 4.5. Wie hoch ist denn der HERR? I. So hoch, dass alle Geschöpfe sich vor ihm neigen und ihm huldigen nach ihren verschiedenerlei Fähigkeiten. Der Seher Johannes führt sie uns alle vor: die vierundzwanzig Ältesten, die ihre güldenen Kronen von ihren Häuptern nehmen und sie vor dem Throne niederwerfen, die viel tausendmal tausend Engel, die vier Tiere oder Lebewesen, und alle Kreatur, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde ist und im Meer.
(Off. 4,4.10; 5,11-14) 1) Die einen Geschöpfe unterwerfen sich Gott freiwillig, die Engel und die Heiligen; sie neigen sich in Anbetung vor ihm und preisen seine Hoheit, während sie alle eigne Höhe in tiefer Demut verleugnen, und erkennen freudig seinen Willen als ihr oberstes Gesetz und als Ursprung ihrer eigenen Würde an. 2) Andere erkennen seine Erhabenheit unfreiwillig an durch die Bestürzung, von der sie erfasst werden, sobald seine Herrlichkeit sie auch nur mit einem Strahle trifft; alsbald zittern Teufel, Menschen beben. (Jak. 2,19; Jes. 33,14.) 3) Selbst die unbeseelte Schöpfung erkennt seine Größe an, indem sie sich den Einflüssen seiner Macht hingibt.
(Hab. 3,10.11; Jes. 48,13; Dan. 4,32.) II. Er ist so erhaben, dass er alle Fähigkeit der Geschöpfe, ihn begreifend zu erfassen, übertrifft (Hiob 11,7-9); ja seine Größe ist in der Tat unausforschlich, wie Ps. 145,3 sagt. Kurzum, er ist so hoch, dass 1) kein leibliches Auge ihn je gesehen hat noch sehen kann (1. Tim. 6,16), aber auch 2) das innere Auge, das Verständnis keines Geschöpfes ihn je völlig erschauen kann. Er wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann. Thomas Hodges 1642.

V. 5. Wer ist wie der HERR, unser Gott? Es ist der Liebe Art, dass sie spricht: "Wer ist wie mein Geliebter?" und darauf nur eine Antwort weiß: "In aller Welt ist seinesgleichen nicht". (Vergl. das Hohelied.) So denkt die Liebe stets, selbst von solchen, die in Wahrheit andern in vielen Stücken nachstehen; denn in Beurteilung der Menschen ist die Liebe, wie das Sprichwort sagt, blind. Wenn diejenigen aber, die den HERRN, ihren Gott, lieben, auch mit noch viel heißerer Inbrunst für ihn erglühend fragen würden: "Wer ist wie er?", so würden sie sich damit gerade als mit hellen Augen Sehende erweisen. Denn es gibt im Himmel und auf Erden in der Tat kein Wesen, das ihm irgend gleich käme. Ja, selbst die innigste Liebe zu Gott kann Gott nicht in seiner ganzen inneren Herrlichkeit erfassen und ausdenken, geschweige denn sein Wesen in Worte fassen. Wolfg. Musculus † 1563.

Der Psalm sagt von Gott nicht nur, dass er hoch sei (V. 4), sondern auch, dass er sich hoch gesetzt habe, d. i. hoch throne. Das zeigt ruhiges, gesetztes Wirken an. Der Unglaube hat zu allen Zeiten dadurch einen Schein der Glaubwürdigkeit bekommen, dass Gott dem Anschein nach die Ausführung seiner Ratschlüsse, seiner Verheißungen und Drohungen verzieht. Nun hat Gott ja bereits deutlich genug bewiesen, dass er seine Worte erfüllt; die Hauptantwort aber ist, dass das Wesen, welches von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, es nicht nötig hat, die Ausführung seiner Pläne zu übereilen. (Vergl. 2. Petr. 3,4-8.) Er thront in erhabener Höhe, und ihm sind alle seine Werke samt deren Zeiten und Stunden von Anfang her bewusst. Richard Watson 1831.

V. 5.6. Die Philosophie hat sich je und je zu hohen Anschauungen über das göttliche Wesen aufgeschwungen. Doch treffen wir, ob wir uns den Weisen der alten heidnischen Welt oder denen der Gegenwart zuwenden, auf die übereinstimmende Erscheinung, dass sie, je erhabener ihre Ansichten über Gottes Wesen sind, desto mehr zu Zweifel und Misstrauen neigen, und dass genau in dem Grade, als ihre Gedanken über Gott vornehm waren, auch der Eindruck sich bei ihnen vertieft hat, dass die Menschen, wenigstens als einzelne Individuen, nicht Gegenstand der unmittelbaren Fürsorge Gottes seien. Die Lehre von einer über den einzelnen waltenden Vorsehung und einer unmittelbaren göttlichen Einwirkung auf das Menschenherz ist ihnen stets abgeschmackt und schwärmerisch erschienen. Wenn ich mich jedoch den heiligen Männern zuwende, die ihre Weisheit der göttlichen Erleuchtung verdanken, so finde ich ein ganz anderes Ergebnis, dass nämlich ihre Zuversicht und Hoffnung im genauen Ebenmaß ist mit der Höhe ihrer Anschauungen von Gottes Herrlichkeit. Dass sich aus der gleichen Gedankenreihe zwei so entgegengesetzte Folgerungen ergeben, ist eine einzigartige Tatsache, die der Untersuchung wert ist. Die Antwort liegt darin, dass in unseren Versen zwei Behauptungen vorliegen, die die menschliche Vernunft aus sich nie vereinigen kann: Der so hoch thront - der seinen Blick tief hernieder richtet, also auch das Niedrigste nicht unbeachtet lässt, es vielmehr zum besonderen Gegenstand seines Augenmerks macht, V. 7 f. Die höchste Vereinigung dieser beiden Seiten des göttlichen Wesens, die nie in eines Menschen Herz kommen konnte, aber das Unvereinbare in vollste Harmonie und Einheit auflöst, ist Joh. 3,16 zu lesen. Richard Watson 1831.

V. 6. Gott der Höchste kann nicht über sich schauen, denn ihm ist niemand überlegen; auch kann er nicht um sich schauen, denn er hat seinesgleichen nicht. So richtet er denn seinen Blick hernieder, und je niedriger jemand ist in seinen eigenen Augen, desto näher ist er Gott. John Boys † 1625.

Was immer von Gott ausgesagt werden kann, das kann ihm im höchsten, unbegrenzten Maße zugeschrieben werden; was Gott ist, das ist er unendlich. So ist Gott auch an Herablassung, an Demut vollkommen und unendlich über alle unsere Fassungskraft und über alle Vergleiche erhaben. Setzen uns manche Beispiele der göttlichen Herablassung in Verwunderung, so mag es uns ganz außer Fassung bringen, wenn wir sehen, wie der erhabene König des Himmels sich von seiner Höhe niederneigt, um seinen Geschöpfen, die sich wider ihn empört haben, die Versöhnung anzubieten, Mensch wird, um selber ihre Schuld zu sühnen, ja sie nun bitten und überreden lässt, doch in die Versöhnung einzugehen, als ob sein Leben mit dem ihrigen unlöslich verknüpft wäre und seine Seligkeit von ihrem Glück abhinge; wenn wir sehen, wie der anbetungswürdige Geist Gottes sich mit unendlicher Langmut der Missachtung und den Beleidigungen solch verächtlicher Elenden aussetzt, wie wir dem Tode verfallene Sünder es sind! Ist das nicht erstaunlich? Valentin Nalson † 1724.

V. 7. Er erhöht den Armen. Das Evangelium darf mit Auszeichnung und im Unterschied von anderen Religionen die Religion der Armen genannt werden. Das ist sein höchster Ruhm. Man vergleiche, wie der Herr Jesus zum Erweis seiner göttlichen Sendung gegenüber den Gesandten des Täufers die Aufzählung seiner Wundertaten mit den Worten abschließt: Und den Armen wird das Evangelium gepredigt. (Mt. 11,5) Das ist ein ebenso großes Wunder, ein ebenso großes Wahrzeichen seines Messiasberufs, wie irgendeins der andern. Einzig die wahre Religion, im Alten wie im Neuen Bunde, nimmt gleiche Rücksicht auf alle Klassen der Gesellschaft. In allen andern Religionen gab und gibt es eine bevorzugte Klasse; hier aber ist keine. Es gibt vielleicht keine Seite, von der aus das Christentum sich uns anziehender und lehrreicher darbietet, als wenn wir betrachten, wie sehr es der Denkungsart und den Umständen der Armen und Elenden angepasst ist. Richard Watson 1831.

Wahrlich, die Reichen regieren nicht auf Erden, sondern am meisten kommen empor, die der HERR hervorzieht als arme Aschenbrödel, welche herrschen in der Welt. Martin Luther† 1546.

Die höchste Ehre, die je einem Geschöpf zuteil ward, ward gerade in Ansehung der tiefsten Niedrigkeit erwiesen: Der Sohn Gottes würdigte die Niedrigkeit der gebenedeiten Jungfrau solcher Aufmerksamkeit, dass er ihr die Ehre antat, sie zur Mutter seiner heiligen Menschheit zu erwählen. Und Chrysostomus bemerkt einmal, der Herr Jesus habe eben die Hand, die der demütige Täufer nicht für wert hielt, die Schuhriemen an den Füßen unseres erhabenen Erlösers zu lösen, für würdig erachtet, sein heiliges Haupt zu taufen. Valentin Nalson † 1724.

Der Staub ist nach 1. Kön. 16,2 (vergl. 14,7) Bild des niedrigen Standes, und der Kehrichthaufen Bild der tiefsten Armut und Verlassenheit, denn auf diesem, dem Dünger-oder Aschenhaufen, liegt in Syrien und Palästina der von der Gesellschaft Ausgeschlossene, am Tage die Vorübergehenden um Almosen anrufend, und nachts sich in die von der Sonne erwärmte Asche bergend. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 9. Tritt der Fall ein, dass eine verheiratete Frau, die lange für unfruchtbar gegolten hat, Mutter wird, so ist ihre, ihres Mannes und ihrer Gefreundten Freude über alle Maßen groß. "Man hat sie ,Krankheit’ (Unfruchtbarkeit) genannt; aber sie hat uns gute Frucht gegeben." "Sonst wiesen die Nachbarn mit Fingern auf mich und nannten mich ,Krankheit’; aber was werden sie jetzt sagen!" Von jemand, der aus irgendeinem Anlass überschwängliche Freude zeigt, sagt man, er gebärde sich wie ein unfruchtbares Weib, das endlich ein Kind geboren hat. Etwas außerordentlich Wertvolles wird etwa beschrieben: "Das ist so kostbar wie der Sohn der Unfruchtbaren", d. h. eines Weibes, das lange für unfruchtbar gehalten worden war. Joseph Roberts 1844.

Wie Niedrigkeit der Geburt und des Standes bei den Männern für ein großes Unglück gehalten wird, so Unfruchtbarkeit bei den Frauen. Aber wie Gott den Armen vom Kehrichthaufen erhöht, um ihn neben Fürsten zu setzen (V. 7 f.), so macht er auch die Unfruchtbare zur fröhlichen Kindermutter. Er lenkt alles, im engen Familienkreis wie im öffentlichen Leben. Kinder sind eine Gabe des HERRN (Ps. 127,3), und die Römischen, die zu der heiligen Anna um Kinder beten, sind daher ebenso im Irrtum wie die Heiden, die deshalb die Diana, Juno oder Latona anriefen. John Boys † 1625.

Die Unfruchtbare ist die arme, verlassene, betrübte Gemeinde Christi, die von der falschen Kirche unterdrückt, geschmäht und verfolgt wird und als nutzlos, elend und unfruchtbar betrachtet wird, weil jene größer und volkreicher ist und in der Tat den größten Teil der Welt einnimmt. Josua Arndt † 1685.

Hallelujah! Schon das Hören von den trostreichen Wandlungen, die der HERR die Bedrückten und Bekümmerten erfahren lassen kann und erfahren lässt, ist eine Erquickung für alle und ein Anlass, dass alle Gott preisen. David Dickson † 1662.

Homiletische Winke

Zum ganzen Psalm. Der Psalm enthält drei Teile. 1) Eine Aufforderung an die Knechte des HERRN, den HERRN zu loben,
V. 1. 2) Eine Vorschrift, wie und wo man ihn loben soll, V. 2.3) Die Gründe, die uns dazu bewegen sollen. a) Gottes unendliche Macht, V. 4.5. b) Seine Güte, wie sie sich im Himmel und auf Erden erweist, V. 6-9. Adam Clarke † 1832.
Aus der (mit den beiden Hallelujah) sechsmal in diesem Psalm wiederholten Aufforderung, den HERRN zu loben, mögen wir lernen, 1) wie wichtig es ist, den HERRN zu preisen, 2) wie viele Verpflichtungen wir dazu haben, 3) dass wir darin manche Versäumnis nachzuholen haben, 4) wie herzlich und wie häufig wir den HERRN preisen sollten, 5) dass es nötig ist, auch andre zu ermuntern, sich mit uns in Gottes Lob zu vereinigen.
V. 1.
1) Wem Lob gebührt. 2) Von wem. 3) Wofür: für seinen "Namen", für alle Offenbarung a) über sein Wesen, b) über das, was er seinen Knechten sein will. George Rogers 1878.
V. 1.9.
Hallelujah, preiset den HERRN. 1) Beginnt und schließt das Leben und jeden Lebenstag mit dem Lobe Gottes, desgleichen jeden Gottesdienst, alle Arbeit für den Meister, jede Leidenszeit usw. 2) Füllt auch die Zwischenzeit mit Gottes Lob. (Man überblicke die Zwischenverse.)
V. 2.
1) Das köstliche Werk des Himmels (den HERRN zu preisen) werde auf Erden begonnen: Von nun an. 2) Das auf Erden begonnene Werk wird im Himmel fortgesetzt werden: bis in Ewigkeit. Werden wir dort sein, um daran teilnehmen zu können? George Rogers 1878.
1) Es ist jetzt Zeit, dass wir beginnen, den HERRN zu preisen. Haben wir nicht besondere Ursache dazu, weil wir schon lange damit rückständig sind oder weil uns die Gegenwart neue Verpflichtungen dazu auferlegt usw.? 2) Dagegen gibt es keine Zeit, da wir damit aufhören könnten. Keine solche Zeit denkbar, keine Umstände ein Entschuldigungsgrund.
V. 3.
Der Name des HERRN sei gelobt a) den ganzen Tag, b) in aller Welt, c) im Licht der Öffentlichkeit, d) mitten in den täglichen Pflichten, e) ohne Unterbrechung - denn irgendwo ist es stets Tag.
Aus diesem Vers schließen wir: 1) die Aufhebung der besonderen heiligen Zeiten; 2) die Aufhebung der besonderen heiligen Orte. 3) Das Ziel demnach: allezeit heilige Zeit, überall heilig Land.
V. 5.6.
1) Die Größe Gottes, von hienieden beschaut, V. 5. 2) Die Herablassung Gottes, von oben her besehen, V. 6, und zwar wie sie sich kundtut a) in der Schöpfung, b) in der Menschwerdung, c) in der Erlösung. George Rogers 1878.
Die unvergleichliche Herablassung Gottes. 1) Niemand ist so groß wie er und darum imstande, sich so tief herniederzubeugen. 2) Niemand ist so gut wie er und darum so willig, sich herabzulassen. 3) Niemand ist so weise wie er und darum so fähig, die Bedürfnisse der Niedrigen zu erkennen. 4) Niemand ist unendlich wie er und darum fähig, sich so in die geringsten Einzelheiten einzulassen und auch den kleinsten Kummer mitzufühlen. Die Unendlichkeit erweist sich im Kleinen ebenso wie im unermesslich Großen.
V. 6.
1) Derselbe Gott regiert im Himmel wie auf Erden. 2) Beide Weltgebiete sind für ihr Glück gleich abhängig davon, dass er auf sie sieht. 3) Beide erfreuen sich seiner fürsorgenden Beachtung. 4) Alles, was in beiden geschieht, steht gleichermaßen unter seiner Aufsicht.
V. 7.
Das Evangelium und sein besonderes Augenmerk auf die Armen.
V. 7.8.
1) Wo befinden sich die Menschen von Natur? Im Staub des Elends und im Kot der Sünde. 2) Wer nimmt sich ihrer an? Er, der so hoch thront, V. 5. 3) Was tut er an ihnen? Er richtet sie auf, erhöht sie, setzt sie neben Fürsten, neben die Fürsten seines Volks.
V. 8.
Erhebung in den himmlischen Adel.
V. 9.
Für Mütterversammlungen. Eine fröhliche Kindermutter. 1) Es ist eine Freude, Mutter zu sein. 2) Sonderlich ist es eine Freude, lebende, gesunde, gehorsame Kinder zu haben. 3) Das Beste aber ist, gläubige Kinder zu haben. Preis gebührt dem HERRN, der solche Segnungen gibt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Psalm 114

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PSALM 114 (Auslegung & Kommentar)

Inhalt

Dieses kleine, aber feine Lied von dem Auszuge Israels ist unteilbar. Die heilige Poesie steigt in ihm zu hehrer Höhe auf; keine Menschenkunst hat je seine erhabene Schönheit zu erreichen, geschweige denn zu übertreffen vermocht. Der Psalm singt davon, wie Gott sein Volk aus Ägypten nach Kanaan führte und wie die ganze Erde bei seinem Kommen in Bewegung geriet. Wir sehen die unbeseelten Kreaturen sich gleich lebendigen Geschöpfen gebärden, da der Herr des Weltalls vorüberzieht. Sie werden mit wunderbarer Kraft der Sprache angeredet und gefragt, so dass wir uns mitten in das Schauspiel versetzt sehen. Der Psalm verherrlicht den Gott Jakobs als den, der über Meer und Fluss und Berge befiehlt und die gesamte Natur zwingt, seiner glorreichen Majestät zu huldigen und zu dienen.

Auslegung

1.
Da Israel aus Ägypten zog,
das Haus Jakob aus dem fremden Volk,
2.
da ward Juda sein Heiligtum,
Israel seine Herrschaft.
3.
Das Meer sah es und floh;
der Jordan wandte sich zurück;
4.
die Berge hüpften wie die Lämmer,
die Hügel wie die jungen Schafe.
5.
Was war dir, du Meer, dass du flohest,
und du Jordan, dass du dich zurückwandtest?
6.
Ihr Berge, dass ihr hüpftet wie die Lämmer,
ihr Hügel wie die jungen Schafe?
7.
Vor dem Herrn bebte die Erde,
vor dem Gott Jakobs,
8.
der den Fels wandelte in Wassersee
und die Steine in Wasserbrunnen.



1. Da Israel aus Ägypten zog. Das Lied setzt sofort mit vollen Akkorden ein, als ob des Dichters Begeisterung sich nicht mehr zurückhalten ließe. Die von der Herrlichkeit des göttlichen Waltens ganz erfüllte Seele gönnt sich nicht die Zeit, ein Vorwort auszusinnen, sondern ergießt sich alsbald in der Gedanken Fülle. Ja, das war ein Auszug ohnegleichen, da Israel aus Ägypten ging, heraus aus der Volksmasse, unter der es zerstreut gewesen war, fort von dem knechtischen Joch, hinweg von der eisernen Hand des Königs, der das freie Volk zu einer Herde von Sklaven erniedrigt hatte. Durch eine hohe Hand und einen ausgereckten Arm zog Israel aus, all der Macht des stolzen Reiches trotzend, und ganz Ägypten in schwere Wehen versetzend, als wäre das auserwählte Volk in jener Mitternachtsstunde daselbst zur Geburt gelangt. Das Haus Jakob aus dem fremden Volk.Als eine Familie, als das Haus Jakob, waren sie nach Ägypten hinabgezogen, und wiewohl aus den siebenzig Seelen tausendmal tausend geworden, waren sie doch so eng miteinander verbunden und wurden auch von Gott so ganz als eine Einheit angesehen, dass mit Recht von ihnen noch als dem Hause Jakob gesprochen wird. Wie ein Mann waren sie bereit gewesen, Gosen zu verlassen; so viel ihrer waren, blieb doch kein einziger zurück. Einmütigkeit ist ein liebliches Zeichen der Gegenwart Gottes unter seinem Volk und zugleich eine ihrer köstlichsten Früchte. Zu den Übelständen, die die Israeliten in Ägypten empfanden, gehörte auch die so große Verschiedenheit der Sprache. Wörtlich heißt es: aus dem stammelnden, d. h. unverständlich redenden Volke; die Septuaginta übersetzt mit ähnlichem Sinn: aus barbarischem Volke. Die Israeliten dünkte demnach die Sprache der Ägypter ein Gestammel, ein Kauderwelsch, das sie nicht verstehen konnten, und sehr natürlich hielten sie die Ägypter für Barbaren, denn gar oft wohl bekamen sie Schläge, weil sie die ihnen erteilten Befehle nicht verstanden. Die Sprache ausländischer Fronvögte ist für das Ohr armer fern von der Heimat Verbannter nie Musik. Wie lieblich klingt dem Christen, der gezwungen gewesen ist, das unflätige Geschwätz der Gottlosen zu hören, die heimatliche Sprache, wenn er endlich aus solcher Umgebung herausgeführt wird und unter seinem eigenen Volke weilen darf!

2. Da ward Juda sein Heiligtum, Israel seine Herrschaft. Das Fürwort sein tritt ein, wo wir Gottes Namen zu vernehmen erwartet hätten. Der Dichter ist ebenso völlig mit seinen Gedanken in den HERRN vertieft, dass er es vergisst, dessen Namen anzuführen, gerade wie die Braut in dem Hohenlied, deren Liebessehnsucht in die Worte ausbricht: "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes" (Hohelied 1,2), oder wie Maria Magdalena: "Sage mir, wo hast du ihn hingelegt?" (Joh. 20,15.) Daraus, dass hier Juda und Israel nebeneinander erwähnt sind, haben etliche Kritiker gefolgert, der Psalm müsse nach der Zertrennung des Reiches geschrieben sein; allein das ist nur ein neues Beispiel davon, auf welch schwachem Grunde die Gelehrten ihre Meinungen oft aufbauen. Schon lange vor der Bildung der beiden Reiche hatte ja David gesagt: Gehe hin, zähle Israel und Juda (2. Samuel 24,1). Das war so gebräuchliche Redeweise. Auch Uria, der Hethiter, drückte sich so aus: Die Lade und Israel und Juda bleiben in Zelten (2. Samuel 11,11), so dass aus dem Gebrauch der Namen ein Schluss nicht zu ziehen ist. An Getrenntsein der beiden Reiche kann hier nicht gedacht sein; spricht der Dichter doch von dem Auszuge aus Ägypten, da das Volk so sehr ein Ganzes war, dass er es eben zuvor das Haus Jakob genannt hatte. Man kann mit ebenso viel Recht aus dem ersten Vers folgern, dass der Psalm geschrieben worden, als das Volk noch in seiner Einheit bestand. Juda war bei der Wüstenwanderung der führende Stamm, und die Weissagung sah in ihm den königlichen Stamm; daher die auszeichnende Nennung, die ihm der Dichter hier zuteil werden lässt. Der Sinn dieses Versgliedes ist aber der, dass das ganze Volk, als es aus Ägypten gegangen war, dem HERRN abgesondert und geweiht war als Volk des Eigentums, als eine priesterliche Nation, deren Losung sein sollte: Heilig dem HERRN. Juda war des HERRN Heiligtum als das für seine heiligen Zwecke ausgesonderte Volk. Israel war auch in einzigartigem Sinn des HERRN Herrschaftsgebiet, denn es bildete eine Theokratie, einen Gottesstaat, wo Jehovah allein König war. Es war sein Gebiet in einem Sinn, wonach die ganze übrige Welt außerhalb seines Königreichs lag. Das waren die lieblichen Jahre, da Israel jung war, die Zeit seines Brautstandes, da es dem HERRN folgte in der Wüste und Jehovah vor ihm herging mit Zeichen und Wundern. Da war das ganze Volk der Gottheit Altar, das ganze Lager ein großer Tempel des Höchsten. Welch ein Wechsel muss das für die Gottesfürchtigen in Israel gewesen sein, als sie so von den Abgöttereien und lästerlichen Gräueln der Ägypter in den heiligen Dienst und unter die gerechte Herrschaft des erhabenen Königs versetzt wurden. Sie lebten in einer Welt der Wunder, wo sie Gott ebenso schauten in dem Wunderbrot, das sie aßen, und dem Wasser aus dem Felsen, das sie tranken, wie in den feierlichen Gottesdiensten seines Heiligtums, das unter ihnen aufgerichtet war. O wenn der HERR sich offenkundig in einer Gemeinde als in ihrer Mitte gegenwärtig kundtut und seine gnadenvolle Herrschaft in willigem Gehorsam anerkannt wird, ja da ist ein goldenes Zeitalter angebrochen, und wie groß sind die Vorrechte, deren sein Volk alsdann genießt! Ach, dass es also unter uns sei!

3. Das Meer sah es und floh. Was schaute es denn? Ihn, den großen, herrlichen Gott, und das auserwählte Volk, seiner Führung folgend; und von Beben ergriffen floh es hinweg. Ein kühnes Bild! Im Schilfmeer spiegelten sich die endlosen Scharen Israels ab, die an seine Ufer hinabgekommen waren, und in seinen Wogen strahlte die Wolke wider, die als das Wahrzeichen der Gegenwart Jehovahs hoch oben schwebte; nie zuvor hatte sich ein solches Schauspiel im Spiegel eines Meeres abgebildet. Solch ungewohnten, erstaunlichen Anblick vermochte das Meer nicht zu ertragen; es floh zur Rechten und Linken und erschloss damit dem auserwählten Volke einen Durchgang. Ein ganz ähnliches Wunder geschah am Schluss des langen Wüstenzuges Israels: Der Jordan wandte sich zurück. Dieser war ein rasch fließender Fluss, der sich mit starkem Gefälle durch die beispiellos tiefe Einsenkung hin zum Toten Meere ergoss; er wurde mithin nicht nur zerteilt, sondern sein Lauf wurde zurückgedrängt, so dass der noch dazu damals seine Ufer hoch überschwemmende Strom, aller Natur entgegen, bergan floss. Das war Gottes Werk. Der Dichter singt nicht von Aufhebung der Naturgesetze, auch nicht von einer einzigartigen, schwer erklärbaren Naturerscheinung; seine Seele ist davon erfüllt, wie Gottes Gegenwart unter seinem Volke sich fühlbar machte. Darum schildert er uns in diesem erhabenen Liede, wie der Strom sich zurückwandte, weil der HERR da war. Das ist hoch poetisch und doch nur ein buchstäblich getreuer Bericht der Tatsache. Von Erdichtung ist hier keine Spur, die ist vielmehr bei den ungläubigen Kritikern zu suchen, die lieber die unglaublichsten Erklärungen des Wunders versuchen, als dass sie zugeben, der HERR habe hier seinen mächtigen Arm vor den Augen seines Volkes offenbart. Die Teilung des Meeres und das Vertrocknen des Jordans sind hier zusammengestellt, wiewohl vierzig Jahre dazwischen lagen, weil sie der Eröffnungs- und der Schlussakt eines großen Schauspiels waren. So können auch wir unsere geistliche Geburt und unseren abschließenden Übergang aus dieser Welt in das verheißene Erbe im Glauben miteinander verbinden; denn derselbe Gott, der uns aus dem Ägypten der Sündenknechtschaft herausführte, wird uns auch durch den Todesjordan leiten, heraus aus der Wüste dieses versuchungs- und wechselvollen Lebens mit allen seinen Irrfahrten und Entbehrungen in die ewige Heimat. Es handelt sich bei dem Ganzen um ein und dieselbe Errettung, und der Anfang verbürgt uns das Ende.

4. Die Berge hüpften wie die Lämmer (wörtl. Luther 1524: wie die Widder, ebenso V. 6), die Hügel wie die jungen Schafe. Als der HERR auf den Sinai herabfuhr, bewegten sich die Berge, sei es, dass sie ob der Gegenwart ihres Schöpfers vor Freuden hüpften wie die jungen Lämmer, sei es, dass sie entsetzt auffuhren ob der schrecklichen Majestät Jehovahs und davonflohen gleich einer in Angst versetzten Herde Schafe. Den Menschen flößen die Berge Ehrfurcht, ja wohl Grauen ein; die Berge aber zittern vor dem HERRN. Leichten Fußes bewegen sich die Schafe und Lämmer auf den Wiesen; die Berge aber, die wir ewig nennen in ihrer starren Unbeweglichkeit, wurden in so lebhafte Bewegung versetzt, als gehörten sie zu den behendesten Geschöpfen. Die Widder sind bei ihren Kraftproben, die Lämmer bei ihrem Spiel nicht in größerer Erregung, als die granitenen Hügel es waren, da Jehovah nahte. Nichts ist unerschütterlich, außer Gott selbst: die Berge werden weichen und die Hügel hinfallen, aber sein Gnadenbund bleibt fest auf immer und ewig. Ebenso müssen auch Berge von Sünde und Not sich wegbewegen, wenn der HERR kommt, um sein Volk ins ewige Kanaan zu geleiten. Darum wollen wir uns nimmer fürchten, vielmehr spreche unser Glaube zu jedwedem Berge: "Hebe dich von hinnen und wirf dich ins Meer", so wird es geschehen.

5. Was war dir, du Meer? Erschrakest du so? Verließ dich deine Kraft? Entsank dir das Herz? Was war dir, du Meer, dass du flohest? Du warst ja von alters her der Nachbar des mächtigen Pharaonenreiches, und doch fürchtetest du seine Heere nicht. Und nie hatten die Stürme, so mächtig sie brausten, dich also bezwungen, dass du dich vor ihnen zerteilt hättest. Aber als des HERRN Pfad deine großen Wasser kreuzte, da wurdest du von Entsetzen ergriffen und wandtest dich zur Flucht! Und du Jordan, dass du dich zurückwandtest? Was ist dir geschehen, du sonst so mächtig abwärts drängender Strom? Deine Quellen sind doch nicht versiegt, auch hat sich doch kein Abgrund vor dir aufgetan, dich zu verschlingen! Das Herannahen Israels mit seinem Gott genügte, dass du deinen Lauf rückwärts wandtest. Und was ist all unseren Feinden, dass sie fliehen, wenn der HERR als Heerführer unserer Reihen sich kundtut? Was ist der Hölle selbst, dass sie so ganz in Verwirrung gerät, wenn Jesus wider sie sein Banner entfaltet? Angst und Zittern befällt sie, vor ihm wird auch das stärkste Herz feige, sinkt der Gewaltigste zu Boden als ein Toter.

6. Ihr Berge, dass ihr hüpftet wie die Lämmer, ihr Hügel wie die jungen Schafe? Was kam euch an, dass ihr in solche Bewegung gerietet? Es gibt darauf nur eine Antwort: Die Majestät Gottes ergriff euch also mächtig. Billig mag das durch Gottes Gnade erneuerte Gemüt die menschliche Natur strafen ob ihrer seltsamen Gefühllosigkeit, wenn selbst Meer und Fluss, Berge und Hügel die Gegenwart Gottes so erschütternd empfinden. Der Mensch, der mit Geist und Herz begabt ist, kann kalt bleiben bei dem, was die leblose Natur in Wehen versetzt! Gott ist uns wahrlich nähergekommen, als jemals dem Sinai oder dem Jordan, denn er hat unsere Natur angenommen; dennoch wendet sich die große Menge nicht von ihren Sünden, noch lässt sie sich bewegen, den Pfad des Gehorsams einzuschlagen.
In dem Grundtexte stehen die Fragen V. 5 und V. 6 in der Zeitform der Gegenwart: "Was ist dir, du Meer, dass du fliehst usw.?" So lebhaft vergegenwärtigt sich der Dichter das einst Geschehene. Und ebenso ist es mit dem folgenden Vers, der dem Sinne nach die Antwort auf jene Frage enthält.

7. Vor dem Angesichte des Herrn (des Herrschers) erbebe, du Erde, vor dem Angesichte des Gottes Jakobs. (Grundtext) Sehr passend ruft der Psalmist die ganze Natur auf, in heiligem Beben zu erschauern, weil ihr Herrscher in ihrer Mitte ist. Solches Zittern erfasste sie damals, und immer wieder (darum die Zeitform der Gegenwart) muss die Schöpfung in solche Bewegung geraten, wenn Gottes Nähe sich ihr in besonderer Weise zu erfahren gibt. Und auch der Gläubige wird, wenn ihn das Bewusstsein durchdringt, dass Gott gegenwärtig ist, dem HERRN dienen mit Furcht und sich freuen mit Zittern. Die heilige Ehrfurcht vor Gott wird durch den Glauben nicht ausgetrieben, sondern wird durch ihn vielmehr vertieft. Die höchste Ehrerbietung wird dem HERRN da, wo man ihn am meisten liebt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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