Georg hat geschrieben:mich würde der Vers interessieren, indem steht, dass der Hl. Geist nur die Apostel in alle Wahrheit geleitet hat, aber nicht mehr uns, weil wir das Wort haben.
Der Vers steht in Joh 16,12-13:
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen.
Dies ist eindeutig keine allgemeine, sondern eine situationsbezogene und persönliche Aussage an die Apostel. Sonst würde ja auch allgemein gelten, dass wir es "jetzt nicht tragen" können. Die Beweislast liegt also bei denen, die behaupten, hier würde eine allgemeine *direkte* Geistesleitung bzw. -offenbarung gelehrt. Wo lehrt das NT, dass alle Christen eine direkte Leitung und Offenbarung vom Heiligen Geist erwarten sollen?
Dadurch, dass der Heilige Geist die Apostel und ihre Mitarbeiter tatsächlich die ganze Wahrheit, den ganzen Ratschluss Gottes, offenbart hat, haben wir heute die Bibel und durch sie auch (genau wie die Apostel) die ganze Wahrheit, durch die uns der Hl. Geist leitet - ein unschätzbar großes Vorrecht!
Sehr gut finde ich hier, was Bernhard Kaiser in seinem Lehrbuch über die Offenbarung Gottes schreibt:
1. Sachlich findet die Offenbarung Gottes in Christus ihren Höhepunkt. Keiner kannte und kennt Gott, den Vater, besser als der Sohn. Christus ist Gott; in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Daraus ergibt sich, dass seit Christus keine Offenbarung stattfinden konnte, die über jene in Christus hätte hinausgehen können ... Aus der Perspektive des Autors des Hebräerbriefes hat Gott "Am Ende dieser Tage" (Hebr 1,1) durch seinen Sohn geredet. Dieser Begriff weist auf die End-Zeit, als die die messianische Zeit anzusehen ist. Das Reden Gottes durch seinen Sohn überholt das "vielfältig und auf vielerlei Weise" geschehene Reden Gottes im Alten Bund. Es ist seinerseits nicht mehr überbietbar. Insofern hat diese Aussage auch eine Zeitliche Implikation: Christus ist Gottes letztes Wort.
2. In Christus ist das Evangelium offenbar ... Mehr kann und muss nicht gesagt werden, um den Menschen ins Heil zu stellen.
3. Das NT stellt nicht in Aussicht, dass Gott in der neutestamentlichen Heilsordnung zu den Christen direkt reden werde, und es weist die Christen nicht an, auf solche Kundgebungen Gottes zu warten. Eine Fortsetzung der Offenbarung aber kann nicht postuliert werden ohne positiven biblischen Grund, auch nicht eine Offenbarung in eine der Bibel untergeordneten Form. Im AT hingegen wurde laufend auf den kommenden Christus hingewiesen. Das NT weist wohl auf die Wiederkunft Christi, aber nicht auf weitere Offenbarungen im Kontext der Gemeinde.
4. Indem im Rahmen der Offenbarungsgeschichte die Fakten, die das Heil konstituieren, zustande gekommen und bezeugt sind, kommt die Offenbarungsgeschichte zu einem vorläufigen Endpunkt. Gott hat sich seit der Zeit Christi und der Apostel nicht wieder in (offenbarungs-) geschichtlicher Dimension enthüllt. Christus ist der vorläufige geschichtliche Endpunkt der Selbsterschließung Gottes. Freilich wird Christus erst im apostolischen Zeugnis bekannt gemacht, so dass die von Christus autorisierten Apostel und damit die Jahrzehnte nach Christus zur Offenbarungsgeschichte hinzugehören. In diesen Jahrzehnten werden die Implikationen des Werkes Christi bekannt gemacht. Doch die zeit der neutestamentlichen Offenbarung endet mit dem Tod der Apostel, der Augenzeugen Jesu Christi, und ein Geschehen, das mit Recht als Offenbarung angesehen werden könnte, ist aus der nachapostolischen Zeit nicht überliefert.
5. Gott kommuniziert in seiner Offenbarung Inhalte. Er verfolgt bei seiner Offenbarung in der Geschichte nicht die Absicht, deutlich zu machen, wie er sich (immer wieder) offenbart. In diesem Falle müssten die Modi der Offenbarung ständig im Volk Gottes Anwendung finden: Gott müsste regelmäßig durch Träume, Nachtgesichte, Auditionen oder Zeichen und Wunder "reden". Die im Neupietismus verbreitete Ansicht, Gott habe im Rahmen der speziellen Offenbarung verdeutlicht, wie er generell zu den Menschen spreche, ist nicht durch biblische Aussagen gedeckt. AUch die Gaben der Prophetie und Zungenrede, die in apostolischer Zeit vorhanden waren, werden nicht als Modus für die Kommunikation zwischen Gott und der Gemeinde in Aussicht gestellt. Vielmehr wird deren Aufhören angekündigt (1Kor 13,8-10)
6. ...
Damit ist gesagt: Es gibt seit der Zeit der Apostel keine neuen Offenbarungen. Zwar hat es immer wieder Menschen und Bewegungen gegeben, die den Anspruch erhoben oder erheben, dass Gott durch sie rede. Doch damit rücken sie sich in die Welt der Sekten. ... Es lässt sich darüber hinaus zeigen, dass vieles, was im Lauf der Kirchengeschichte und selbst im Rahmen der Kirche den Anspruch erhoben hat, Offenbarung Gottes zu sein, ein Rückfall in Unglauben und Werkgerechtigkeit war.
Link zum Buch
Georg hat geschrieben:Der Buchstabe alleine tötet, aber der Hl. Geist führt in alle Wahrheit.
Vermutlich willst du - wie unter Charismatikern üblich - 2Kor 3,6 ("... der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig") als Totschlagargument missbrauchen, um den Glauben *allein* an die Schrift zu verurteilen. Dies beruht aber auf einer Fehldeutung von 2Kor 3,6. Beachte den Zusammenhang: mit "Buchstabe" ist in dem gesamten Abschnitt nicht ein Textzeichen gemeint, sondern das alttestamentliche Gesetz (das den Sünder verurteilt und tötet), und mit "Geist" das Evangelium (das ewiges Leben gibt). Lies selbst. Aber das Evangelium besteht nun auch mal aus Text.
Nach charismatischem Verständnis kann 2Kor 3,6 herangezogen werden, um Bibelstudium, Predigten, Lehre usw. zu verwerfen und sich stattdessen nach esoterisch-mystischen Erfahrungen auszustrecken, was als "Geist" definiert wird. Na dann gute Nacht, solchen "Geist" gibts im New Age, Spiritismus usw.
Grüße, Wernher
"Der Prophet, der einen Traum hat, erzähle den Traum! Wer aber mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit! Was hat das Stroh mit dem Korn gemeinsam? spricht der HERR." (Jer 23,28)
Lasst uns bei dem bleiben, was geschrieben steht! Sola Scriptura!