Die Gemeinde - Plan oder Panne?
Verfasst: 28.10.2005 06:24
Ich möchte folgenden Artikel zur Diskussion stellen und bin gespannt auf die Antworten.
Quelle: http://www.fbgg.de/perspektiven/1996-1998/pe-5-197.htm
Wer ist das wahre Israel Gottes?
Die Gemeinde -
Plan oder Panne?
Nach einer weit verbreiteten Lehrmeinung ist das von Abraham abstammende jüdische Volk auch heute noch Gottes auserwähltes Heilsvolk, das Israel Gottes. Viele Christen erwarten für dieses Volk, das Jesus von Nazareth als seinen von Gott bestätigten Messias ablehnte und kreuzigen ließ (Apg 2,22.23), noch einmal eine besondere Heilszeit, die im sogenannten tausendjährigen Reich auf dieser Erde gipfeln soll. Die an Christus glaubende Gemeinde dagegen ist dieser Lehre zufolge nur eine Zwischenlösung, eine eingeschobene zweite Heilskörperschaft, die im ursprünglichen Heilsplan Gottes gar nicht vorgesehen gewesen sei.
Es ist nur schwer zu verstehen, wie man diese Lehrmeinung mit dem Neuen Testament vereinbaren will, das doch erklärtermaßen in Christus und seiner Gemeinde nicht nur die Erfüllung der Heilsprophetie des Alten Testaments sieht (Röm 1,1-6; 2.Kor 1,19), sondern auch die Offenbarung der Weisheit Gottes (Eph 3,8-11).
Die wahren Kinder Abrahams
Wer ist denn in der Sicht des Neuen Testaments das wahre Israel Gottes? Oder zunächst anders gefragt: Wer sind die wahren Kinder Abrahams?
Für einen Juden war es äußerst wichtig, daß er seine Abstammung von Abraham nachweisen konnte, denn Abraham und seiner Nachkommenschaft war die göttliche Segensverheißung zugesprochen worden (l.Mose 22,17.18; Gal 3,16). Die Pharisäer waren sicher, daß sie zu dieser Nachkommenschaft gehörten, weil sie ihre physische Abstammung bis auf Abraham zurückverfolgen konnten. Doch schon Johannes der Täufer warnte sie vor falscher Sicherheit: »Denkt nur nicht, daß ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken« (Mt 3,9). Die leibliche Abstammung allein gab niemandem im jüdischen Volk das Recht, sich zur wahren Nachkommenschaft Abrahams zu rechnen.
Jesus lehrte dasselbe wie sein Vorläufer. Auch ihm gegenüber pochten die Juden auf ihren Stammbaum: »Abraham ist unser Vater« (Joh 8,39). Doch Jesus wies ihren Anspruch entschieden zurück: »Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke« (Vers 39b). Der Textzusammenhang macht deutlich, was Jesus damit meinte: Sie würden - wie Abraham - an ihn glauben (Vers 56).
Später haben die Apostel, die selber zum jüdischen Volk gehörten, ebenso deutlich gelehrt, wer in Gottes Augen die wahren Kinder Abrahams sind. Hören wir Paulus, den großen Apostel Jesu Christi:
»Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, auch ist nicht das die Beschneidung, die äußerlich am Fleisch geschieht; sondern der ist ein Jude, der es inwendig verborgen ist, und das ist die Beschneidung des Herzens, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht. Das Lob eines solchen ist nicht von Menschen, sondern von Gott« (Röm 2,28.29).
»So war es mit Abraham: `Er hat Gott geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden' (1. Mose 15,6). Erkennt also: die aus dem Glauben sind, das sind Abrahams Kinder« (Gal 3,6.7).
»Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben« (Gal 3,29).
Christus der eigentliche Nachkomme Abrahams
Wie wir aus dem Alten Testament wissen, sollte sich die göttliche Verheißung des Heilssegens durch (oder in) Abrahams Nachkommenschaft erfüllen: »Durch dein Geschlecht (wörtlich: Same = Nachkommen) sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden« (1. Mose 22,18). Das jüdische Volk wartet noch heute darauf, daß Gott diese Verheißung erfüllen möge, obwohl sie längst durch Christus erfüllt ist. Daß auch Christen mit den Juden und für die Juden noch darauf warten, ist schwer zu begreifen und kann eigentlich nur dadurch erklärt werden, daß man das Alte Testament nicht im Licht des Neuen Testaments auslegt.
Das Neue Testament stellt in Galater 3,15 und 16 zwei Tatsachen unmißverständlich klar heraus:
1. Die dem Abraham und seiner Nachkommenschaft zugesagte Verheißung hat testamentarische Gültigkeit (lies Vers 15). Der mosaische Gesetzesbund mit dem Volk Israel hat an dieser Verheißung nichts geändert. Die nationalreligiöse Geschichte mit dem Volk Israel ist zwar eine wesentliche, aber nur vorübergehende heilspädagogische Maßnahme Gottes (lies Gal 3,17-29; beachte insbesondere Vers 24).
2. Die abrahamitische Heilsverheißung ist in Christus erfüllt (lies Vers 16). Die Abraham und seiner Nachkommenschaft gegebene Verheißung, die im Verlauf der alttestamentlichen Geschichte viele Male bestätigt worden ist, bezieht sich auf einen ganz bestimmten Nachkommen Abrahams. Der Apostel Paulus schließt ausdrücklich eine Mehrzahl aus. Die Heilsverheißungen dürfen somit nicht auf das jüdische Volk in seiner zahlenmäßigen Gesamtheit oder gar auf zwei verschiedene Körperschaften bezogen werden. Die Verheißung zielt vielmehr zunächst und primär eindeutig auf einen einzigen Sohn und Nachkommen Abrahams: CHRISTUS! Das ist auch der heilsgeschichtliche Sinn des Stammbaums, den der Apostel Matthäus seinem Evangelium voranstellt (Mt 1,1-16).
Allein Christus ist also der eigentliche Nachkomme Abrahams. Aber Christus will nicht allein bleiben. Alle, die mit dem Glauben Abrahams an ihn glauben, werden durch ihn, mit ihm und in ihm ebenfalls wahre Kinder Abrahams. Alle anderen jedoch, die ihm den Glaubensgehorsam verweigern, sind aus der wahren Nachkommenschaft ausgeschlossen und haben auch keinen Anteil an dem Abraham verheißenen geistlichen Segenserbe. Es spielt nun keine Rolle mehr, ob jemand von Hause aus ein Jude oder ein Nichtjude ist. Entscheidend ist allein die Zugehörigkeit zu Christus (lies Gal 3,27-29).
Das Neue Testament will nicht allegorisch verstanden werden, wenn es uns belehrt, wer heute die Kinder Abrahams sind. Es geht nicht um religiöse Allegorie, sondern um heilshistorische Realität, um Wahrheit und Wirklichkeit, wenn Jesus und seine Apostel uns belehren, wer die »wahren« Kinder Abrahams sind.
Das neue Israel
So wie es einen alten und einen neuen Bund gibt, so gibt es auch ein altes und ein neues Israel. Das alte Israel bestand aus den zwölf Stämmen, die den Namen der zwölf Söhne Jakobs trugen. Indem Jesus zwölf Apostel erwählte, ergriff er Maßnahmen, die christliche Gemeinde zu gründen. Aber warum erwählte er ausgerechnet zwölf Apostel? Und warum bezeichnete Jakobus die Empfänger seines Briefes als »die zwölf Stämme in der Zerstreuung«?
Ohne Zweifel sollen wir in den zwölf Aposteln den Anfang und die Repräsentanten des neuen Israel sehen. Und Jakobus richtet seinen Brief nicht pauschal an seine jüdischen Volksgenossen, die damals verstreut in heidnischen Ländern lebten. Er denkt vielmehr an seine jüdischen Brüder, die zum »Glauben an Jesus Christus« (Jak 2,1) gekommen waren und nun zum wahren Israel gehörten. Auch Petrus verwendet den Ausdruck »Fremdlinge in der Zerstreuung« (1. Petr 1,1 wörtlich) offensichtlich im übertragenen Sinn und erklärt damit die christliche Gemeinde zum wahren Israel (lies 1. Petr 2,9.10).
Die neutestamentliche Gemeinde ist keine neben dem alten Israel existierende Heilskörperschaft, die Gott wegen des unvorhergesehenen Unglaubens des jüdischen Volkes als Zwischenlösung in die Heilsgeschichte eingefügt hat. Das »neue« Israel ist vielmehr von Anfang an, ja, schon vor Grundlegung der Welt »in Christus« Gottes weiser Plan gewesen (lies Eph 1,3-22). Im Neuen Testament wird alles, was mit dem Heilswerk Christi zusammenhängt, als »neu« gekennzeichnet: neuer Bund, neues Gebot, neue Schöpfung, neuer Mensch, neues Jerusalem. Der Begriff »neu« (griechisch »kainos«), den die Schreiber unter der Inspiration des Heiligen Geistes wählten, bedeutet nicht (im Gegensatz zum griechischen Wort »neos«) zeitlich neu, sondern qualitativ neu. Es handelt sich also nicht um etwas, das nicht in Gottes Plan vorgesehen oder im Alten Testament noch nicht vorbildhaft vorhanden war, sondern um die qualitativ neue Erfüllung der göttlichen Prophetie. Aus diesem Grund ist die neutestamentliche Heilsgeschichte nicht einfach eine Fortsetzung der alttestamentlichen Heilsgeschichte im buchstäblichen Verständnis, sondern etwas qualitativ Neues, eine durch Gottes Geist gewirkte »neue Schöpfung« (lies 2. Kor 5,17; Gal 6,15.16).
Der Tod Christi am Kreuz bewirkt eine doppelte Versöhnung. Zuerst will Gott durch den Tod seines Sohnes die Welt mit sich selbst versöhnen (lies 2.Kor 5,19.20). Doch dann sollen durch das Kreuz auch alle nationalen, rassischen und religiösen Schranken fallen, insbesondere die Schranken zwischen den Juden und den Nichtjuden. Beide, die durch Christus mit Gott versöhnten Juden und Heiden, sollen die eine Gemeinde, den einen Leib Christi bilden und zusammen das neue Israel sein. Der ganze Epheserbrief ist diesem Thema gewidmet. »Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Christi. Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft« (Eph 2,13.14). Der ganze Abschnitt Epheser 2,11-22 trägt in der Luther-Bibel die treffende Überschrift: »Die Einheit der Gemeinde aus Juden und Heiden«. Wollen wir den Zaun, den unser Herr Jesus Christus durch seinen bitteren Kreuzestod beseitigt hat, wieder neu aufrichten?
Alles, was das alttestamentliche Volk Israel im prophetischen und heilspädagogischen Sinn war, das ist nun das neutestamentliche Volk Israel, das sich aus gläubigen Juden und Heiden zusammensetzt, durch Christus in Wahrheit und Wirklichkeit:
Abrahams Nachkommenschaft (Gal 3,29)
Gottes Volk
(1. Petr 2,9.10)
Gottes Tempel
(Eph 2,19-22)
Die wahre Beschneidung (Phil 3,3)
Fremdlinge in der Zerstreuung (1. Petr 1,1; 2,11)
»Darum hat es nichts zu sagen, ob einer beschnitten ist oder nicht. Es kommt allein darauf an, ein Mensch zu sein, den Gott neugemacht hat. Denen, die sich an diesen Grundsatz halten, schenkt Gott seinen Frieden und sein Erbarmen. Sie sind das wahre Israel Gottes.« (Gal 6,15.16 nach »Das Neue Testament in heutigem Deutsch«)
Helmut Raschpichler
Quelle: http://www.fbgg.de/perspektiven/1996-1998/pe-5-197.htm
Wer ist das wahre Israel Gottes?
Die Gemeinde -
Plan oder Panne?
Nach einer weit verbreiteten Lehrmeinung ist das von Abraham abstammende jüdische Volk auch heute noch Gottes auserwähltes Heilsvolk, das Israel Gottes. Viele Christen erwarten für dieses Volk, das Jesus von Nazareth als seinen von Gott bestätigten Messias ablehnte und kreuzigen ließ (Apg 2,22.23), noch einmal eine besondere Heilszeit, die im sogenannten tausendjährigen Reich auf dieser Erde gipfeln soll. Die an Christus glaubende Gemeinde dagegen ist dieser Lehre zufolge nur eine Zwischenlösung, eine eingeschobene zweite Heilskörperschaft, die im ursprünglichen Heilsplan Gottes gar nicht vorgesehen gewesen sei.
Es ist nur schwer zu verstehen, wie man diese Lehrmeinung mit dem Neuen Testament vereinbaren will, das doch erklärtermaßen in Christus und seiner Gemeinde nicht nur die Erfüllung der Heilsprophetie des Alten Testaments sieht (Röm 1,1-6; 2.Kor 1,19), sondern auch die Offenbarung der Weisheit Gottes (Eph 3,8-11).
Die wahren Kinder Abrahams
Wer ist denn in der Sicht des Neuen Testaments das wahre Israel Gottes? Oder zunächst anders gefragt: Wer sind die wahren Kinder Abrahams?
Für einen Juden war es äußerst wichtig, daß er seine Abstammung von Abraham nachweisen konnte, denn Abraham und seiner Nachkommenschaft war die göttliche Segensverheißung zugesprochen worden (l.Mose 22,17.18; Gal 3,16). Die Pharisäer waren sicher, daß sie zu dieser Nachkommenschaft gehörten, weil sie ihre physische Abstammung bis auf Abraham zurückverfolgen konnten. Doch schon Johannes der Täufer warnte sie vor falscher Sicherheit: »Denkt nur nicht, daß ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken« (Mt 3,9). Die leibliche Abstammung allein gab niemandem im jüdischen Volk das Recht, sich zur wahren Nachkommenschaft Abrahams zu rechnen.
Jesus lehrte dasselbe wie sein Vorläufer. Auch ihm gegenüber pochten die Juden auf ihren Stammbaum: »Abraham ist unser Vater« (Joh 8,39). Doch Jesus wies ihren Anspruch entschieden zurück: »Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke« (Vers 39b). Der Textzusammenhang macht deutlich, was Jesus damit meinte: Sie würden - wie Abraham - an ihn glauben (Vers 56).
Später haben die Apostel, die selber zum jüdischen Volk gehörten, ebenso deutlich gelehrt, wer in Gottes Augen die wahren Kinder Abrahams sind. Hören wir Paulus, den großen Apostel Jesu Christi:
»Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, auch ist nicht das die Beschneidung, die äußerlich am Fleisch geschieht; sondern der ist ein Jude, der es inwendig verborgen ist, und das ist die Beschneidung des Herzens, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht. Das Lob eines solchen ist nicht von Menschen, sondern von Gott« (Röm 2,28.29).
»So war es mit Abraham: `Er hat Gott geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden' (1. Mose 15,6). Erkennt also: die aus dem Glauben sind, das sind Abrahams Kinder« (Gal 3,6.7).
»Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben« (Gal 3,29).
Christus der eigentliche Nachkomme Abrahams
Wie wir aus dem Alten Testament wissen, sollte sich die göttliche Verheißung des Heilssegens durch (oder in) Abrahams Nachkommenschaft erfüllen: »Durch dein Geschlecht (wörtlich: Same = Nachkommen) sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden« (1. Mose 22,18). Das jüdische Volk wartet noch heute darauf, daß Gott diese Verheißung erfüllen möge, obwohl sie längst durch Christus erfüllt ist. Daß auch Christen mit den Juden und für die Juden noch darauf warten, ist schwer zu begreifen und kann eigentlich nur dadurch erklärt werden, daß man das Alte Testament nicht im Licht des Neuen Testaments auslegt.
Das Neue Testament stellt in Galater 3,15 und 16 zwei Tatsachen unmißverständlich klar heraus:
1. Die dem Abraham und seiner Nachkommenschaft zugesagte Verheißung hat testamentarische Gültigkeit (lies Vers 15). Der mosaische Gesetzesbund mit dem Volk Israel hat an dieser Verheißung nichts geändert. Die nationalreligiöse Geschichte mit dem Volk Israel ist zwar eine wesentliche, aber nur vorübergehende heilspädagogische Maßnahme Gottes (lies Gal 3,17-29; beachte insbesondere Vers 24).
2. Die abrahamitische Heilsverheißung ist in Christus erfüllt (lies Vers 16). Die Abraham und seiner Nachkommenschaft gegebene Verheißung, die im Verlauf der alttestamentlichen Geschichte viele Male bestätigt worden ist, bezieht sich auf einen ganz bestimmten Nachkommen Abrahams. Der Apostel Paulus schließt ausdrücklich eine Mehrzahl aus. Die Heilsverheißungen dürfen somit nicht auf das jüdische Volk in seiner zahlenmäßigen Gesamtheit oder gar auf zwei verschiedene Körperschaften bezogen werden. Die Verheißung zielt vielmehr zunächst und primär eindeutig auf einen einzigen Sohn und Nachkommen Abrahams: CHRISTUS! Das ist auch der heilsgeschichtliche Sinn des Stammbaums, den der Apostel Matthäus seinem Evangelium voranstellt (Mt 1,1-16).
Allein Christus ist also der eigentliche Nachkomme Abrahams. Aber Christus will nicht allein bleiben. Alle, die mit dem Glauben Abrahams an ihn glauben, werden durch ihn, mit ihm und in ihm ebenfalls wahre Kinder Abrahams. Alle anderen jedoch, die ihm den Glaubensgehorsam verweigern, sind aus der wahren Nachkommenschaft ausgeschlossen und haben auch keinen Anteil an dem Abraham verheißenen geistlichen Segenserbe. Es spielt nun keine Rolle mehr, ob jemand von Hause aus ein Jude oder ein Nichtjude ist. Entscheidend ist allein die Zugehörigkeit zu Christus (lies Gal 3,27-29).
Das Neue Testament will nicht allegorisch verstanden werden, wenn es uns belehrt, wer heute die Kinder Abrahams sind. Es geht nicht um religiöse Allegorie, sondern um heilshistorische Realität, um Wahrheit und Wirklichkeit, wenn Jesus und seine Apostel uns belehren, wer die »wahren« Kinder Abrahams sind.
Das neue Israel
So wie es einen alten und einen neuen Bund gibt, so gibt es auch ein altes und ein neues Israel. Das alte Israel bestand aus den zwölf Stämmen, die den Namen der zwölf Söhne Jakobs trugen. Indem Jesus zwölf Apostel erwählte, ergriff er Maßnahmen, die christliche Gemeinde zu gründen. Aber warum erwählte er ausgerechnet zwölf Apostel? Und warum bezeichnete Jakobus die Empfänger seines Briefes als »die zwölf Stämme in der Zerstreuung«?
Ohne Zweifel sollen wir in den zwölf Aposteln den Anfang und die Repräsentanten des neuen Israel sehen. Und Jakobus richtet seinen Brief nicht pauschal an seine jüdischen Volksgenossen, die damals verstreut in heidnischen Ländern lebten. Er denkt vielmehr an seine jüdischen Brüder, die zum »Glauben an Jesus Christus« (Jak 2,1) gekommen waren und nun zum wahren Israel gehörten. Auch Petrus verwendet den Ausdruck »Fremdlinge in der Zerstreuung« (1. Petr 1,1 wörtlich) offensichtlich im übertragenen Sinn und erklärt damit die christliche Gemeinde zum wahren Israel (lies 1. Petr 2,9.10).
Die neutestamentliche Gemeinde ist keine neben dem alten Israel existierende Heilskörperschaft, die Gott wegen des unvorhergesehenen Unglaubens des jüdischen Volkes als Zwischenlösung in die Heilsgeschichte eingefügt hat. Das »neue« Israel ist vielmehr von Anfang an, ja, schon vor Grundlegung der Welt »in Christus« Gottes weiser Plan gewesen (lies Eph 1,3-22). Im Neuen Testament wird alles, was mit dem Heilswerk Christi zusammenhängt, als »neu« gekennzeichnet: neuer Bund, neues Gebot, neue Schöpfung, neuer Mensch, neues Jerusalem. Der Begriff »neu« (griechisch »kainos«), den die Schreiber unter der Inspiration des Heiligen Geistes wählten, bedeutet nicht (im Gegensatz zum griechischen Wort »neos«) zeitlich neu, sondern qualitativ neu. Es handelt sich also nicht um etwas, das nicht in Gottes Plan vorgesehen oder im Alten Testament noch nicht vorbildhaft vorhanden war, sondern um die qualitativ neue Erfüllung der göttlichen Prophetie. Aus diesem Grund ist die neutestamentliche Heilsgeschichte nicht einfach eine Fortsetzung der alttestamentlichen Heilsgeschichte im buchstäblichen Verständnis, sondern etwas qualitativ Neues, eine durch Gottes Geist gewirkte »neue Schöpfung« (lies 2. Kor 5,17; Gal 6,15.16).
Der Tod Christi am Kreuz bewirkt eine doppelte Versöhnung. Zuerst will Gott durch den Tod seines Sohnes die Welt mit sich selbst versöhnen (lies 2.Kor 5,19.20). Doch dann sollen durch das Kreuz auch alle nationalen, rassischen und religiösen Schranken fallen, insbesondere die Schranken zwischen den Juden und den Nichtjuden. Beide, die durch Christus mit Gott versöhnten Juden und Heiden, sollen die eine Gemeinde, den einen Leib Christi bilden und zusammen das neue Israel sein. Der ganze Epheserbrief ist diesem Thema gewidmet. »Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Christi. Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft« (Eph 2,13.14). Der ganze Abschnitt Epheser 2,11-22 trägt in der Luther-Bibel die treffende Überschrift: »Die Einheit der Gemeinde aus Juden und Heiden«. Wollen wir den Zaun, den unser Herr Jesus Christus durch seinen bitteren Kreuzestod beseitigt hat, wieder neu aufrichten?
Alles, was das alttestamentliche Volk Israel im prophetischen und heilspädagogischen Sinn war, das ist nun das neutestamentliche Volk Israel, das sich aus gläubigen Juden und Heiden zusammensetzt, durch Christus in Wahrheit und Wirklichkeit:
Abrahams Nachkommenschaft (Gal 3,29)
Gottes Volk
(1. Petr 2,9.10)
Gottes Tempel
(Eph 2,19-22)
Die wahre Beschneidung (Phil 3,3)
Fremdlinge in der Zerstreuung (1. Petr 1,1; 2,11)
»Darum hat es nichts zu sagen, ob einer beschnitten ist oder nicht. Es kommt allein darauf an, ein Mensch zu sein, den Gott neugemacht hat. Denen, die sich an diesen Grundsatz halten, schenkt Gott seinen Frieden und sein Erbarmen. Sie sind das wahre Israel Gottes.« (Gal 6,15.16 nach »Das Neue Testament in heutigem Deutsch«)
Helmut Raschpichler