Sünder in den Händen
eines zürnenden Gottes
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Ein Auszug aus dem Buch Der
Geist der Erweckung von Benedikt Peters über
eine der berühmtesten und wirksamsten Predigten aller Zeiten
Am 8. Juli 1741 die Große Erweckung stand in
jenem Sommer auf dem Höhepunkt hielt Jonathan Edwards
in Enfield eine Predigt, die ihrer Folgen wegen zu seiner vielleicht
bekanntesten geworden ist. Er sprach, von 5. Mose 32,35 ausgehend,
über »Sünder in den Händen eines zürnenden
Gottes«. Der Inhalt dieser Predigt hebt sich scharf von
allem ab, was wir heute gewohnt sind. Der Hauptunterschied besteht
hierin: Im Gegensatz zu damals steht in der heutigen Verkündigung
nicht mehr Gott mit Seinen gerechten Forderungen und Seiner
souveränen Gnade im Mittelpunkt, sondern der Mensch mit
seinen Bedürfnissen und seinen Fähigkeiten. Das gilt
inzwischen für nahezu die gesamte evangelikale Christenheit
und in besonders hohem Maße für die charismatischen
Gruppierungen. Unter Charismatikern werden ja all die Lehren
geglaubt und praktiziert, die ein Edwards und Whitefield und
ihre Mitstreiter mit Entsetzen von sich gewiesen hätten,
wie z.B. die Auffassung, dass es der Mensch in der Hand habe,
den Heiligen Geist und Seine Gaben zu vermitteln.
Es folgen einige Schwerpunkte aus der Predigt Edwards,
die er wie alle seine Predigten im vollen Wortlaut niederschrieb
und dann in ruhigem Ton nahezu Wort für Wort wiedergab.
5. Mose 32,35: »Die Rache ist mein; ich will vergelten.
Zu seiner Zeit soll ihr Fuß ausgleiten; denn die Zeit
ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll,
eilt herzu.« In diesem Vers wird die Rache Gottes über
ein gottloses Israel angedroht
Der aus diesem Vers entlehnte
Ausdruck, den ich als Überschrift über meine Predigt
gesetzt habe, lautet: »Ihr Fuß wird zur bestimmten
Zeit ausgleiten.« Das sagt Folgendes über die Strafe
und das Verderben dieser gottlosen Israeliten:
1. Dass sie allezeit dem Verderben ausgesetzt waren, so wie
jemand, der auf glitschigem Boden geht, jederzeit in Gefahr
steht, zu fallen
2. Es bedeutet, dass sie plötzlich und unverhofft verderben
werden, so wie jemand, der auf glitschigem Bode geht, den Augenblick
nicht absehen kann, in dem er fallen wird
3. Es bedeutet ferner, dass sie von selbst fallen werden,
ohne dass ein anderer sie umstößt, so wie jemand,
der auf glitschigem Boden geht, nichts außer seinem Eigengewicht
braucht, um zu stürzen
4. Es bedeutet schließlich, dass die einzige Ursache,
warum sie noch nicht gefallen sind und nicht jetzt stürzen,
der ist, dass der von Gott bestimmte Zeitpunkt noch nicht gekommen
ist; denn es heißt, dass ihr Fuß zur bestimmten
Zeit ausgleiten wird. Dann sind sie sich selbst überlassen
und fallen, indem sie durch ihr eigenes Gewicht niedergerissen
werden. Gott wird sie nicht mehr halten; und sobald Er sie nicht
mehr hält, stürzen sie ins Verderben
Die Beobachtung, auf die ich nun mit Nachdruck hinweisen
will, ist die: Es gibt nichts, was gottlose Menschen auch nur
einen Augenblick von der Hölle fernhält, als das bloße
Wohlgefallen Gottes. Wenn ich sage: das bloße Wohlgefallen
Gottes, dann meine ich damit Sein souveränes Wohlgefallen,
Sein unumschränkter Wille, der durch keine Verpflichtung
zurückgehalten und durch keine Schwierigkeit gehindert
wird
Die Wahrheit dieser Beobachtung kommt in folgenden
Betrachtungen zum Ausdruck:
1. Es mangelt Gott nicht an Macht, die Gottlosen jeden Augenblick
in die Hölle zu werfen
2. Sie verdienen es, in die Hölle geworfen zu werden,
sodass Gottes Gerechtigkeit Ihn nicht daran hindert, jeden Augenblick
Seine Macht zu gebrauchen und sie alsbald zu verderben
3. Sie stehen bereits unter dem Urteil der Verdammnis. Sie
verdienen es nicht allein, da hinabgestürzt zu werden,
sondern das Urteil des Gesetzes Gottes, jener unwandelbaren
Richtschnur göttlicher Gerechtigkeit, steht schon gegen
sie
4. Sie sind jetzt schon der Gegenstand des gleichen Zornes
und Grimmes Gottes, der seinen Ausdruck in der ewigen Pein der
Hölle findet. Die Ursache, warum sie jetzt nicht in die
Hölle stürzen, ist nicht etwa der, dass Gott ihnen
nicht zürnte
Gott ist nicht so, wie sie selbst sind
und wie sie sich Ihn denken. Der glühende Zorn Gottes ist
über ihnen, und ihr Verderben schlummert nicht. Die Grube
ist gegraben, das Feuer ist bereitet und der Ofen glüht,
bereit sie zu verschlingen; die Flammen rasen, das blitzende
Schwert ist geschärft und steht über ihren Häuptern,
und unter ihnen hat der Abgrund seinen Schlund aufgerissen
Der Bogen des göttlichen Zornes ist gespannt und der
Pfeil ist an die Sehne gelegt, und die Gerechtigkeit richtet
den Pfeil auf dein Herz, der Bogen will schier zerspringen,
und nichts hält den Pfeil zurück als das bloße
Wohlgefallen Gottes, eines zürnenden Gottes, der in keiner
Weise dem Sünder verpflichtet ist
Oh Sünder! Bedenke die große Gefahr, in der du
schwebst! Es ist ein großer Glutofen des Grimmes, ein
weiter und bodenloser Abgrund des flammenden Zornes Gottes,
und es ist Gottes Hand, die dich noch über dem Abgrund
hält, aber eines Gottes, den du selbst zu diesem Zorn erregt
hast; er zürnt dir nicht weniger als allen, die er bereits
ins Verderben versenkt hat. Du hängst an einem dünnen
Faden
und du hast kein Teil an einem Mittler
So
wird es dir ergehen, der du noch nicht bekehrt bist. Unendliche
Macht und Majestät und der Schrecken des allmächtigen
Gottes werden an dir erhöht werden durch die unaussprechliche
Stärke deiner Qualen
Und nun hast du eine außergewöhnliche Gelegenheit;
es ist ein Tag, an dem Christus die Tür des Erbarmens weit
aufgestoßen hat und mit gewaltiger Stimme die Sünder
ruft
Darum wache ein jeder auf, der außerhalb von
Christus ist, er wache auf und fliehe vor dem kommenden Zorn.
Der Zorn des allmächtigen Gottes steht zweifelsohne über
einen großen Teil dieser Versammlung. Es mache sich ein
jeder auf und fliehe aus Sodom: »Rette dich um deines
Lebens willen, sieh nicht hinter dich und bleibe nicht stehen;
rette dich auf das Gebirge, damit du nicht weggerafft werdest.«
Noch bevor Edwards seine Botschaft beendet hatte, ging ein
Stöhnen und ein Wimmern durch die Reihen der Zuhörer.
Ein Augenzeuge schrieb in sein Tagebuch:
Ging nach Enfield hinüber, wo ich Mr. Edwards von Northampton
traf, der eine äußerst aufwühlende Botschaft
über 5. Mose 32,35 hielt. Noch vor Ende der Predigt war
ein großes Stöhnen und Schreien im ganzen Haus: Was
muss ich tun, um gerettet zu werden? Ich fahre in die Hölle!
Was soll ich tun, um Christi willen? Daher musste der Prediger
innehalten die Schreie waren durchdringend und erstaunlich.
Nach einer Zeit des Wartens war die Versammlung wieder stille,
sodass Mr. Edwards beten und dann von der Kanzel steigen und
sich mit den Menschen unterreden konnte. An mehreren Seelen
geschah in jener Nacht ein verheißungsvolles Werk
und oh, wie froh und wie lieblich sahen die Gesichter derer
aus, die Trost empfangen hatten. Möge Gott dieses Werk
stärken und bestätigen! Wir sangen ein Lied und beteten,
und dann wurde die Versammlung entlassen.11
Joseph Tracy beschreibt den Abend in Enfield mit folgenden
Worten:
Edwards predigte. Seine schlichte und bescheidene Art sowohl
im sprachlichen Ausdruck als auch in der Vortragsweise verbunden
mit seinem Ruf zur Heiligkeit und der Erkenntnis der Wahrheit
ließen keinen Verdacht zu, dass er irgendeinen rhetorischen
Trick versuchen würde, um die Hörer zu blenden. Er
begann in der klaren, sorgfältigen und demonstrativen Weise
eine Lehrers, dem viel am Ergebnis seiner Bemühungen liegt
und der darauf achtet, dass jeder Schritt innerhalb des fortlaufenden
Arguments klar verstanden wird. Sein Text war 5. Mose 32,35.
Indem er die Bedeutung dieses Textes Schritt für Schritt
entfaltete, brachte die allersorgfältigste Logik ihn und
seine Zuhörer zu Schlussfolgerungen, welche die schreckenerregendsten
bildlichen Vergleiche nur mangelhaft ausdrücken konnten.
Seine furchtbarsten Beschreibungen des drohenden Gerichts ließ
sie noch klarer die Wahrheiten erfassen, die zu glauben er sie
genötigt hatte. Die Erkenntnis derselben war nicht das
Produkt der Vorstellung, sondern ein Teil des logischen Arguments.
Das Ergebnis war so, wie man es sich hätte denken können.
Trumbull sagt uns: »Bevor die Predigt beendet war, schien
die ganze Versammlung tief bewegt und von einem furchtbaren
Bewusstsein der Sündenschuld und der Gefahr niedergebeugt.
Es wurde so laut nach Luft gerungen und geweint, dass der Prediger
sich an die Versammlung wenden und sie um Ruhe bitten musste,
damit man ihn hören könne.«12
Beachten wir die Ursache für die hier beschriebenen Phänomene:
Menschen wurden von solcher Erkenntnis der Heiligkeit Gottes
und der furchtbaren Wirklichkeit ihrer Sünde überführt,
dass sie seelisch zusammenbrachen:
Manchmal werden Personen an den Rand der Verzweiflung gebracht,
und kurz bevor der Tag dämmert, ist ihnen alles schwarze
Nacht. Es sind einige wenige Fälle aufgetreten, in denen
Personen einen solch ungeheuren Eindruck vom Zorn Gottes über
die Sünde hatten, dass sie davon überwältigt
wurden und laut riefen und es nicht fassen konnten, dass Gott
solche schuldigen und elenden Geschöpfe noch am Leben lässt
und sie nicht unverzüglich in die Hölle wirft.13
Beachten wir auch, dass diese Schreie der Verzweiflung nur
kurze Zeit dauerten. Edwards hielt in der Predigt wenige Augenblicke
inne, bis es im Saal wieder ruhig war, und dann konnte er sich
an die aufgestörten Seelen wenden; sie waren nicht außer
sich; sie waren nicht bewusstlos; sie lagen nicht wie Tote am
Boden, sondern sie waren im Gegenteil hellwach. Sie mussten
hellwach sein, hatte doch Gottes Geist sie aufgeweckt, der kein
Geist des Schlafes, sondern des Lichts und der Klarheit ist.
Und sie mussten bei absolut klarem Verstand sein, sollten sie
verstehen, wie sie errettet werden konnten; und gerade das wollte
der Geist Gottes ihnen deutlich machen. Darum hatte Er sie ja
überhaupt aufgeschreckt.
© Benedikt Peters, Arbon 2001
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