Heilsgewissheit
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Teil 4 des Buches Was
ist rettender Glaube von A.W. Pink
© Betanien Verlag, 2001
Inhalt:
(Kapitel 11)
Lektionen aus der Kirchengeschichte
Einleitend und zur Einstimmung des Lesers auf den besonderen
Blickwinkel, unter welchem wir unser Thema nun betrachten wollen,
sei herausgestellt: Die sich verändernden Umstände
in der Christenheit erfordern es, verschiedener Aspekte der
göttlichen Wahrheit stets unterschiedlich zu betonen. Zu
verschiedenen Zeiten mussten die wahren Diener Gottes mit sehr
unterschiedlichen Situationen umgehen und ganz verschiedene
Fehler korrigieren. Das erforderte Angriffe und Verteidigungen,
die jeweils angepasst waren auf die Dringlichkeit der Situationen.
Die Waffen, die für den einen Konflikt taugten, waren unnütz
bei einem anderen; ständig mussten neue Waffen aus der
Waffenkammer der Schrift hervorgeholt werden.
Am Ende der langen Periode, die als finsteres Mittelalter
bekannt ist (obgleich Gott auch in jener Zeit niemals ohne deutliches
Zeugnis war), gab der Herr viel Licht für die Christenheit,
und in der Folgezeit sahen sich die Reformatoren den alten Irrtümern
des Katholizismus gegenüber. Zu diesen Irrtümern gehörte
auch die feste Behauptung, niemand könne vor seinem Tod
seines Heils gewiss sein. Das veranlasste Luther und seine Zeitgenossen,
eine positive Botschaft zu verkünden: Sie wollten zur Zuversicht
in Gott ermuntern und dazu, Gottes sichere Verheißungen
zu ergreifen. Doch bisweilen ging ihr Eifer zu weit und brachte
sie zu einer Auffassung, die von der Schrift her nicht belegt
werden konnte. Viele Reformatoren behaupteten, Heilsgewissheit
sei ein unverzichtbarer Bestandteil rettenden Glaubens, und
wenn jemand sich nicht gewiss ist, dass er begnadigt ist
in dem Geliebten, so sei er noch in seinen Sünden.
Im Kampf gegen den Katholizismus lehnten sich die Protestanten
zu weit auf die andere Seite vom Pferd.
In der Gnade Gottes wurde zur Zeit der Puritaner [Fußnote:
Die Puritaner waren eine ausgeprägte reformatorische und
nachreformatorische Erweckungsbewegung in England. Einer ihrer
berühmtesten Vertreter ist John Bunyan (1628-1688), Verfasser
der Pilgerreise. 1620 segelten einige Puritaner,
die sich von der Staatskirche distanziert hatten und deshalb
verfolgt wurden, mit der Mayflower nach Nordamerika,
wo sich der puritanische Glaube verbreitete. Auf die dortige
Ankunft dieser Pilgerväter geht das US-amerikanische
Nationalfest Thanksgiving zurück.] die Ausgewogenheit
der Wahrheit wieder hergestellt. Die grundlegende Lehre, die
Luther und seine Mitstreiter so ausdrücklich betont hatten,
war die Rechtfertigung allein aus Glauben, doch gegen Ende des
16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts verbreiteten Männer
wie Perkins, Gattaker, Rollock und andere die dazugehörige
Lehre der Heiligung durch den Heiligen Geist. Die darauffolgenden
fünfzig Jahre lang war die Gemeinde auf Erden gesegnet
mit vielen Männern, die mächtig in den Schriften,
zutiefst von Gott belehrt und von ihm zu einem wirksamen Dienst
befähigt waren. Männer wie Goodwin, Owen, Charnock,
Flavel, Sibbs und andere lebten zwar in schwierigen Zeiten und
erlitten schwere Verfolgungen, doch lehrten sie das Wort Gottes
u.E. hilfreicher und wurden mehr von Gott gebraucht als sonst
irgendwer seit den Tagen der Apostel bis heute.
Das Wirken der Puritaner war enorm herausfordernd. Sie priesen
die freie Gnade Gottes in deutlichen Worten, lehrten klar, dass
allein die Genugtuung Christi ein Anrecht auf den Himmel geben
kann, lehnten alle Verdienste des Geschöpfes entschieden
ab, doch bei alledem hielten sie unbeirrbar daran fest, dass
ein übernatürliches und umgestaltendes Werk des Heiligen
Geistes im Herzen und Leben des Gläubigen unverzichtbar
ist, um ihn für den Himmel geeignet zu machen. Bekenner
wurden streng geprüft, und bevor Echtheit des Glaubens
zugestanden wurde, verlangte man dessen Früchte. Immer
wieder bestanden sie auf Selbstprüfung, und ausführliche
Details wurden genannt, wie man sich vergewissern kann, dass
man eine neue Schöpfung in Christus Jesus ist.
Die Christen wurden ständig gedrängt, ihre Berufung
und Erwählung fest zu machen (2Petr 1,10), indem
sie sicherstellten, dass die Kennzeichen der Errettung bei ihnen
vorhanden waren. Zwar herrschten auch damals bei weitem keine
vollkommenen Zustände, doch gibt es gute Gründe anzunehmen,
dass mehr getäuschte Seelen überführt und mehr
Heuchler entlarvt wurden als zu jeder anderen Zeit seit dem
ersten Jahrhundert.
Im 18. Jahrhundert war ein trauriges Nachlassen und Abweichen
vom Glauben zu verzeichnen. Weltliches Wohlergehen brachte geistlichen
Verfall mit sich. Als die führenden Puritaner ausstarben,
wuchsen keine Nachfolger heran. Der Arminianismus [Fußnote:
Die Arminianer gehen auf Jacobus Arminius (1560-1609) zurück
Sie lehren die freie Entscheidungsfähigkeit des Menschen
und lehnen die souveräne Erwählung Gottes ab.] verbreitete
sich rapide, gefolgt vom Deismus (Unitarianismus) [Fußnote:
Der Deismus war vor allem in England seit dem 17. Jhdt. ein
gesellschaftlich hoch angesehener Glaube, der zwar die Existenz
Gottes annimmt, aber nicht die Wahrheit der Bibel. Der Unitarianismus
leugnet die Dreieinigkeit.] und anderen fatalen Irrtümern.
Weltlichkeit machte sich in den Gemeinden breit und Gesetzlosigkeit
und Bosheit nahmen überhand. Die Posaune des Evangeliums
verstummte beinahe, und der Überrest des Volkes Gottes
schrumpfte auf eine unbedeutende und hilflose kleine Schar.
Doch wo Sünde zunahm, ist die Gnade überreich geworden.
Wiederum strahlte das Licht Gottes vollmächtig in der Finsternis
auf: Whitefield, Romaine, Gill, Hervey und andere wurden von
Gott erweckt, um die Seinen zu neuem Leben zu rufen und viele
Sünder zu Christus zu bekehren. Das Hauptgewicht ihrer
Verkündigung und Lehre lag auf der souveränen Gnade
Gottes, darstellt im ewigen Bund, auf der sicheren Wirksamkeit
von Christi Sühnopfer für alle, für die es vollbracht
wurde, und das Werk des Heiligen Geistes in der Wiedergeburt.
Bei den Erweckungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
ging es vorrang um die großen Lehren des christlichen
Glaubens. Doch damit die Ausgewogenheit der Wahrheit auch während
der nächsten zwei oder drei Generationen erhalten bliebe,
mussten die Diener Gottes unbedingt die erfahrungsmäßige
Seite der Dinge betonen. Theoretische Rechtgläubigkeit
qualifiziert niemanden für den Himmel: Es muss eine moralische
und geistliche Umwandlung stattfinden, ein Wunder der Gnade
muss in der Seele geschehen, das mit der Wiedergeburt beginnt
und mit der Heiligung fortfährt. Während dieser Periode
rückte die lehrmäßige Auslegung mehr und mehr
in den Hintergrund und die praktische Anwendung des Wortes Gottes
auf Herz und Leben war das charakteristische Kennzeichen in
rechtgläubigen Kreisen. Diese Anwendung verlangte ernstliche
Selbstprüfung und führte in vielen Fällen zu
Zweifel und Schwermut. Wo die Prediger und Lehrer nicht ein
angemessenes Gleichgewicht zwischen den objektiven und subjektiven
Seiten der Wahrheit bewahren, sondern das Subjektive überbetonen,
entsteht folglich entweder eine Abart das Mystizismus oder ein
Mangel an Gewissheit.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen viele
Kreise bekennender Christen am Rande der Verzweiflung. In vielen
Gemeinschaften sah man völlige Heilsgewissheit als Fanatismus
oder als fleischliche Anmaßung an. Tausende armer Seelen
waren übermäßig mit sich selbst beschäftigt
und schlecht belehrt über die zwei Naturen
des Christen. So sahen sie Zweifel und Ängste, Seufzer
und Ächzen als höchste Erweise für die Wiedergeburt
an; aber jene, die von weltlichen und fleischlichen Lüsten
umgetrieben wurden, wagten nicht, sich als Kinder Gottes zu
bezeichnen. Um dieser Situation zu begegnen, versuchten viele
schlecht zugerüstete Evangelisten und Lehrer, die Aufmerksamkeit
auf Christus und sein vollbrachtes Werk zu lenken und ihre Zuhörer
dazu zu bewegen, ihre Zuversicht allein auf das Wort Gottes
zu richten. Doch während das eine Übel korrigiert
wurde, beging man ein anderes: Zwar wurde der Buchstabe der
Schrift geehrt, doch das Werk des Geistes wurde - unbewusst
- entehrt. Ihre Annahme, sie hätten ein Heilmittel gefunden,
das in allen Fällen gleichermaßen Abhilfe schafft,
führte zu einem oberflächlichen Werk, dessen Auswirkungen
in der Folgezeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) geerntet wurden.
Tausende von Menschen ohne jede Anzeichen, wiedergeboren zu
sein, sind höchst zuversichtlich, dass Christus sie errettet
habe.
Aus diesem kurzen geschichtlichen Abriss wird deutlich, dass
das Pendel in Sachen Heilsgewissheit stets von einer Seite auf
die andere geschlagen ist. Der Mensch neigt zu Extremen und
nichts als die Gnade Gottes kann uns zu einem ausgewogenen Mittelweg
befähigen. Auch ein sorgfältiges Studium der Kirchengeschichte
zeigt, dass die Diener Gottes von Zeit zu Zeit verpflichtet
waren, ihren Schwerpunkt zu verlagern. Das ist eine Bedeutung
des Ausdrucks in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt
(2Petr 1,12): jener spezielle Aspekt der Wahrheit, der zu einer
bestimmten Zeit besonders vonnöten ist. Wenn die Puritaner
die Errungenschaften und Lehren der Reformatoren lediglich wiederholt
hätten, dann hätten sie diese verloren, anstatt geistliche
Fortschritte zu erzielen. John Owen widersprach nicht Luther,
sondern ergänzte ihn vielmehr. Wo besonders betont wurde,
wie bedeutend der Ratschluss der souveränen Gnade Gottes
und die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi für das Heil
ist, dort war nötig, dass anschließend herausgestellt
wurde, wie bedeutend das Werk des Heiligen Geistes in den Gläubigen
ist. Ebenso gilt: Wo bisher viel Nachdruck auf den persönlichen
Zustand des Christen gelegt wurde, muss eine klare Auslegung
seiner Stellung in Christus folgen.
Was wir für heute daraus lernen
Es ist wahrhaft bedauerlich, dass nur so wenige erkannt haben,
wie dringend dieses Prinzip angewendet werden muss. Viele haben
einen Eifer, der nicht durch Erkenntnis gezügelt wird,
und weil irgendein ehrwürdiger Diener Gottes früher
so großen geistlichen Erfolg hatte, da er sich intensiv
mit einer besonderen Seite der Wahrheit beschäftigte, meinen
diese Eiferer, sie würden denselben Erfolg erzielen, wenn
sie ihn imitieren. Doch die Umstände ändern die Dinge.
Die verschiedenen Situationen, die die Christenheit durchläuft,
erfordern verschiedene Schwerpunkte in der Verkündigung.
Es gibt so etwas wie ein Wort zur rechten Zeit (Spr
15,23). Möge es doch Gott gefallen, die Augen vieler dafür
zu öffnen, was das rechte Wort in unseren verkommenen Zeiten
ist, und möge er ihnen geistliches Unterscheidungsvermögen
geben, um zu erkennen, dass viele Seiten göttlicher Wahrheit
für Seelen sogar gefährlich sein können, wenn
ihnen diese Wahrheiten zur falschen Zeit präsentiert werden.
In materiellen Dingen erkennen wir diese Tatsache nur zu
leicht an, aber warum zögern wir damit so sehr, wenn es
um geistliche Dinge geht? Fleisch und Nüsse sind sicherlich
nahrhaft, aber wer käme auf den Gedanken, einen Säugling
damit zu füttern? Ein kranker Körper erfordert eine
besondere Ernährung. Das gleiche gilt für die Seele.
Um das zu verdeutlichen, wollen wir einige Extremfälle
betrachten.
Die Wahrheit der ewigen Höllenstrafe sollte treu von
jedem Diener Gottes gelehrt werden, aber wäre das eine
passende Botschaft für eine Frau mit gebrochenem Herzen,
die gerade ihren Mann oder ihr Kind verloren hat? Die Herrlichkeit
des Himmels ist ein wunderbares Thema, aber wäre es angemessen
für einen geistlich toten Namenschristen, der sich in seinem
wahren Seelenzustand täuscht? Die ewige Heilssicherheit
der Gläubigen ist in der Heiligen Schrift deutlich offenbart,
aber berechtigt mich das dazu, sie einem zurückgefallenen
Kind Gottes vorzustellen?
Ein treuer Verkündiger des Wortes Gottes sieht sich
heute einer schrecklich ernsten Situation gegenüber. Zu
einem Großteil dessen, was seinem Herzen lieb ist, muss
er schweigen. Wenn er im Umgang mit Seelen gewissenhaft ist,
muss er auf deren Situation eingehen. Wenn er nicht aufpasst
und nicht ständig die Weisheit und Leitung von oben sucht,
wird er wahrscheinlich alles nur noch schlimmer machen. Überall
begegnet er Leuten mit voller Heilsgewissheit und ohne Zweifel,
auf dem Weg zum Himmel zu sein, doch ihr Alltagsleben zeigt
klar, dass sie sich täuschen und dass ihre Gewissheit nur
fleischlich ist. Tausende befinden sich, um ihre eigenen Worte
zu gebrauchen, im Vertrauen auf Johannes 3,16 und
haben nicht den geringsten Zweifel, dass sie die Ewigkeit mit
Christus verbringen werden. Dennoch ist jeder wahre Diener Gottes
dazu verpflichtet, den meisten von ihnen zu erklären, dass
sie vom Teufel furchtbar getäuscht worden sind. Möge
es Gott gefallen, uns bei einigen von ihnen Gehör und Aufmerksamkeit
zu verschaffen.
Echtheit kann geprüft werden
Vor einiger Zeit lasen wir von einem Vorfall, der sich in
etwa wie folgt zugetragen hatte: Vor über hundert Jahren
waren die Zustände in England ganz ähnlich wie heute.
[Fußnote: Anfang der 1930er Jahre, während der Weltwirtschaftskrise]
Banken gingen bankrott und die Leute gerieten in Panik. Ein
Mann, der sein Vertrauen in die Banken verloren hatte, hob sein
ganzes Geld in Fünf-Pfund-Noten ab und beauftragte einen
Freund, das Geld in Gold zu tauschen. Die Situation wurde immer
schlimmer, andere Banken mussten schließen und einige
Freunde dieses Mannes berichteten ihm, dass sie alles verloren
hätten. Mit großer Zuversicht informierte er sie,
dass er sein Geld abgehoben und in Gold eingetauscht habe, welches
nun an einem geheimen Ort verborgen sei; er sei also vollkommen
sicher. Einige Zeit später, als er etwas kaufen wollte,
begab er sich zu seinem geheimen Versteck und nahm fünf
Goldmünzen heraus. Er ging von einem Geschäft zum
nächsten, doch niemand nahm die Münzen an - sie waren
alle gefälscht. Zutiefst erschrocken untersuchte er sein
verstecktes Gold und musste feststellen, dass alle Münzen
unecht waren!
Lieber Leser, vielleicht sind auch Sie sich völlig sicher,
dass Ihr Glaube an Christus echt ist, wie echtes Gold, obwohl
er sich letztlich als falsch erweisen wird. Eine solche Gefahr
ist keine Phantasie, sondern durchaus real. Das Herz des Menschen
ist äußerst trügerisch (Jer 17,9). Gottes Wort
warnt uns klar vor einer Generation, die in ihren Augen
rein ist und doch nicht gewaschen von ihrem Unflat (Spr
30,12). Fragen Sie sich: Wie kann ich sicher sein, ob mein Glaube
echt und rettend ist? Die Antwort lautet: Prüfen Sie ihn.
Stellen Sie sicher, dass es der Glauben der Auserwählten
Gottes ist (Tit 1,1). Vergewissern Sie sich, ob Ihr Glaube
die Früchte bringt, die untrennbar mit einem von Gott gegebenen
und vom Heiligen Geist bewirkten Glauben verbunden sind.
Wahrscheinlich sagen viele: Ein solcher Umstand ist überhaupt
nicht nötig; ich weiß, dass mein Glaube rettend ist,
denn ich vertraue auf das vollbrache Werk Christi. Doch ein
solcher Einwand ist töricht. Gott selbst fordert die Seinen
auf, ihre Berufung und Erwählung fest zu machen
(2Petr 1,10). Ist das eine überflüssige Ermahnung?
O, dass wir doch nicht unsere nichtige Zuversicht gegen die
Weisheit Gottes aufbieten! Der Teufel versucht viele um jeden
Preis von dieser Prüfung abzuhalten, damit sie nicht erkennen,
dass ihr Haus auf Sand gebaut ist. Wenn jemand einsieht, dass
er sich getäuscht hat, gibt es Hoffnung für ihn, aber
keine Hoffnung gibt es für die, die weiterhin der Lüge
des Teufels glauben und sich mit dem spürbaren, aber falschen
Frieden begnügen, den er so vielen seiner armen Opfern
eingibt.
Gott selbst hat uns solche Prüfungskriterien gegeben,
und wir wären töricht, wenn wir von ihnen keinen Gebrauch
machen und uns nicht aufrichtig an ihnen messen würden:
Dies habe ich euch geschrieben, die ihr glaubt an den
Namen des Sohnes Gottes, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben
habt, und damit ihr [erst recht] an den Namen des Sohnes Gottes
glaubt (1Jo 5,13). Der Heilige Geist selbst bewegte einen
seiner Diener zum Verfassen eines ganzen Briefes, der erklärt,
wie wir wissen können, ob wir ewiges Leben haben oder nicht.
Erweckt das den Anschein, dass die Frage so einfach geklärt
und beigelegt werden könne, wie viele Prediger und Autoren
es heute darstellen? Wenn nichts weiter nötig wäre
als eine feste Überzeugung von der Wahrheit von Johannes
3,16 oder 5,24, um mich meines Heils zu vergewissern, warum
sollte Gott dann einen ganzen Brief zu diesem Thema inspirieren?
Wer sich ernstlich Gedanken macht, sollte langsam und bedächtig
diesen 1. Johannesbrief lesen und beobachten, dass uns kein
einziges Mal in diesen fünf Kapiteln gesagt wird: Wir
wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen
sind, weil wir auf das vollbrachte Werk Christi vertrauen.
Das völlige Fehlen einer solchen Aussage sollte uns gewiss
überzeugen, dass an der heute populären Verkündigung
etwas grundsätzlich falsch sein muss. Doch fehlt im 1.
Johannesbrief nicht nur eine solche Aussage, sondern gleich
der erste Abschnitt, der das vertraute wir wissen
oder erkennen wir enthält, besagt genau das
Gegenteil dessen, was heute so verbreitet als Grundlage für
Heilsgewissheit vertreten wird: Und hieran erkennen wir,
dass wir ihn erkannt haben: wenn wir seine Gebote halten
(1Jo 2,3). Ist das nicht deutlich genug? Ein gottesfürchtiges
Leben ist der erste Beweis dafür, dass ich ein Kind Gottes
bin.
Aber betrachten wir die ernste Erklärung, die unmittelbar
darauf folgt: Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält
seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in dem ist nicht
die Wahrheit (1Jo 2,4). Ärgern Sie sich über
diese Aussage? Hoffentlich nicht. Es ist nicht unsere Behauptung,
sondern Gottes. Würden Sie dieses Kapitel lieber nicht
weiterlesen? Das wäre ein schlechtes Zeichen: Ein aufrichtiges
Herz fürchtet nicht das Licht. Eine ehrliche Seele ist
bereit, sich von der Wahrheit prüfen zu lassen. Wer jetzt
nicht imstande ist, die seichten Herausforderungen eines Dieners
Gottes zu ertragen, wie wird dieser am baldigen Tag bestehen
können, wenn der Herr selbst ihn durch und durch erforschen
wird? Lieber Leser, geben Sie Ihrer Seele eine faire Chance;
Seien Sie bereit sich zu vergewissern, ob Ihr Glaube echter
Weizen ist oder bloß Unkraut. Wenn sich das letztere herausstellt,
haben Sie noch Gelegenheit, sich vor Gott zu demütigen
und zu ihm zu rufen, dass er Ihnen rettenden Glauben gebe. Aber
an jenem Tag wird es zu spät sein!
Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine
Gebote nicht, ist ein Lügner, und in dem ist nicht die
Wahrheit (1Jo 2,4). Wie klar und deutlich ist diese Sprache!
Wie unmissverständlich die Aussage! Sehen Sie nicht, lieber
Leser, dass dieser Vers einfach besagt, dass es solche gibt,
die behaupten, Christus zu kennen, und doch Lügner sind?
Der Vater der Lüge hat sie betrogen und er tut alles in
seiner Macht Stehende, um sie vom Entdecken ihrer Täuschung
abzuhalten. Deshalb wird dem unerretteten Leser dieses Kapitel
so widerwärtig sein, dass er es lieber ignoriert. Wir bitten
Sie: Widerstehen Sie dieser Versuchung! Gott hat uns gerade
diesen Vers gegeben, damit wir uns daran prüfen und feststellen,
ob unsere Heilsgewissheit dem Test an seinem heiligen Wort bestehen
wird. Stecken Sie nicht wie der Vogel Strauß den Kopf
in den Sand, anstatt sich der Gefahr zu stellen.
Einen Vers weiter finden wir wiederum das bekannte erkennen
wir: Wer aber sein (Christi) Wort hält, in
dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran erkennen
wir, dass wir in ihm sind (1Jo 2,5). Das steht im krassen
Gegensatz zum vorigen Vers. Der Apostel wurde hier geleitet,
uns einige klare biblische Indizien für echten Glauben
und geistliche Liebe vorzustellen, die den Unterschied zwischen
Schafen und Böcken darstellen. In Vers 4 ist es der leere
Bekenner, der sagt: Ich kenne Jesus als meinen persönlichen
Retter. Er hat eine theoretische, aber keine lebendige
Erkenntnis von ihm. Er rühmt sich, auf Jesu vollbrachtem
Werk zu ruhen und ist zuversichtlich, dass er gerettet sei,
hält aber Jesu Gebote nicht. Er ist lebt immer noch für
sich selbst. Wie der Faule Salomos ist er in
seinen Augen weiser als sieben, die verständig antworten
(Spr 26,16). Er redet kühn, doch wandelt er nachlässig.
In Vers 5 geht es um den echten Christen. Er sagt nicht bloß:
Ich kenne ihn, sondern stellt dies vielmehr unter
Beweis. Johannes nennt hier nicht Christus als den Inhalt des
Glaubens, sondern beschreibt denjenigen, der in rettender Weise
an den Herrn glaubt anhand der daraus resultierenden Auswirkungen.
Für einen solchen Gläubigen ist das Wort Christi alles:
seine Speise, sein beständiges Nachsinnen, sein Lebenselixier.
Er hält oder bewahrt es, in seinem Gedächtnis,
in seinem Herzen und in seinem Handeln. Sein Denken und seine
Gebete sind ebenso von Christi Geboten erfüllt wie von
seinen Verheißungen. Dieses Wort, das in ihm wirkt, unterwirft
seine fleischlichen Begierden, nährt seine Gnadengaben
und führt sie zur rechten Ausübung. Dieses Wort nimmt
einen solchen Platz in seinem Herzen und Denken ein, dass er
nicht anders kann, als dies in seinem Reden und Wandeln unter
Beweis zu stellen. Auf diese Weise wird in ihm die Liebe
Gottes vollendet: Die familiäre Ähnlichkeit
wird ihm unverkennbar aufgeprägt; jeder kann sehen, zu
welchem Vater er gehört (vgl. im Gegensatz dazu Joh 8,44).
Wer aber sein Wort hält ... Hieran erkennen wir,
dass wir in ihm sind. Geht es darum, Christi Wort vollkommen
einzuhalten? Nein, sondern es geht darum, sich wirklich mit
seinem ganzen Wesen und Streben danach zu sehnen, dieses Wort
zu halten. Ja, die Wiedergeburt ist dieses Wunder der Gnade
Gottes an der Seele, das die Zuneigungen auf Gott ausrichtet,
den menschlichen Willen dem göttlichen unterwirft und eine
reale und radikale Lebensveränderung bewirkt. Diese Veränderung
besteht darin, dass der Gläubige von Weltlichkeit zu Gottseligkeit
wechselt, vom Ungehorsam zum Gehorsam. Bei der Wiedergeburt
wird die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist ins Herz ausgegossen,
und dieses Liebe zeigt sich in einem alles beherrschenden Sehnen
und dem aufrichtigen Streben, in allem dem zu gefallen, der
mich wie ein Scheit aus dem Feuer gerettet hat. Zwischen dem
echten Christen und dem irregeleiteten Namenschristen besteht
ein größerer Unterschied als zwischen einem lebenden
Menschen und einer Leiche. Niemand muss im Zweifel verhaften,
wenn er sich aufrichtig am Wort Gottes beurteilt.
Der vierfache Ackerboden
Am Ende dieses Kapitels bleibt nur noch Raum, um kurz eine
weitere Schriftstelle betrachten: das Gleichnis vom vierfachen
Ackerboden. Warum gab uns der Herr Jesus dieses Gleichnis? Aus
welch anderem Grund als dem, um mich zu ernstlicher Selbstprüfung
anzureizen, damit ich feststelle, zu welchem Ackerboden, zu
welchen Hörern des Wortes ich gehöre! In diesem Gleichnis
streut der Sämann Samen aus, der auf vier verschieden gute
Böden fällt. Drei von den vier Böden bringen
keine Frucht zur Reife. Das ist eine außerordentlich erhabene
und herausfordernde Tatsache. Im ersten Fall nimmt der Teufel
den guten Samen aus dem Herzen weg (Lk 8,12). Im zweiten Fall
glauben sie für eine Zeit, und in der Zeit der Versuchung
fallen sie ab (Lk 8,13). Der dritte Fall entspricht denen,
welche gehört haben und hingehen und durch Sorgen
und Reichtum und Vergnügungen des Lebens erstickt werden
(Lk 8,14). Trifft eine dieser Beschreibungen womöglich
auf Sie zu? Wir bitten Sie:
Ignorieren Sie diese Frage nicht; stellen Sie sich aufrichtig
dieser Herausforderung und vergewissern Sie sich, welcher der
vier Ackerböden Ihr Herz repräsentiert.
Doch bei einigen Hörern des Wortes fiel der Same auf
guten Boden. Wie kann man erkennen, wer diesem Boden
entspricht? Was sagt der unfehlbare Sohn Gottes über diese
Menschen? Wie hat er sie beschrieben? Sagte er: Das in
der guten Erde aber sind die, welche auf das Wort Gottes vertrauen
und nicht an seinen Verheißungen zweifeln; die fest überzeugt
sind, dass sie gerettet sind und dennoch so weiterleben wie
bisher? Nein, keineswegs. Im Gegenteil erklärte er:
Das in der guten Erde aber sind die, welche in einem redlichen
und guten Herzen das Wort, nachdem sie es gehört haben,
bewahren und Frucht bringen mit Ausharren (Lk 8,15). Das
Prüfungskriterium ist also Frucht - nicht Erkenntnis,
nicht Rühmen, nicht Rechtgläubigkeit, nicht Freude,
sondern Frucht; und zwar solche Frucht, wie sie aus dem natürlichen
Herzen nicht hervorkommen kann. Es ist die Frucht des Weinstocks:
Christusähnlichkeit, in sein Bild verwandelt zu werden.
Möge der Heilige Geist einen jeden von uns prüfen.
Westminster versus Scofield
Vergleichen wir zum Schluss noch folgende zwei Erklärungen
zur Heilgewissheit:
Können wahre Gläubige unfehlbar gewiss sein, dass
sie im Stand der Gnade sind und darin zum Heil verharren? Antwort:
Diejenigen, die wahrhaftig an Christus glauben und sich befleißigen,
in gutem Gewissen vor ihm zu wandeln (1Jo 2,3) können,
ohne außerordentliche Offenbarung, durch Glauben aufgrund
der Wahrheit der Verheißungen Gottes, und durch den Heiligen
Geist, der sie befähigt, in sich jene Gnadengaben zu erkennen,
auf die die Verheißungen des Lebens gegeben sind (1Jo
3,14.18.19.21.24; Hebr 6,11-12 etc.), und der mit ihrem Geist
bezeugt, dass sie Kinder Gottes sind (Röm 8,16), unfehlbar
gewiss sein, dass sie im Stand der Gnade sind und darin zum
Heil beharren werden (1Jo 5,13; 2Tim 1,12).
Gewissheit ist die volle Überzeugung des Gläubigen,
dass er allein durch das Werk Christi, das er im Glauben angenommen
hat, eine Erlösung besitzt, in der er ewig bewahrt werden
wird. Diese Gewissheit beruht allein auf den Verheißungen
der Schrift, die dem gegeben sind, der glaubt.
Der aufmerksame Leser wird einen beträchtlichen Unterschied
in der Lehre dieser beiden Zitate feststellen. Das erste ist
das Produkt der Puritaner, das letztere ein treffendes Beispiel
für das, was die prahlerische Erleuchtung des 20. Jahrhunderts
hervorgebracht hat. Das erste stammt aus dem Westminster-Bekenntnis
(der dogmatischen Darlegung der Presbyterianer), das andere
aus der Scofield-Bibel (Anmerkung zu Judas 1). In
dem ersten finden wir die Ausgewogenheit der Wahrheit hilfreich
bewahrt; im letzteren wird das Werk und das Zeugnis des Heiligen
Geistes völlig ignoriert. Dieses Beispiel ist nur eines
von vielen, die in trauriger Weise illustrieren, wie weit sich
die evangelikale Christenheit zurückentwickelt hat. Die
von den Puritaner vorgelegte Antwort ist darauf ausgelegt, zur
Herzensprüfung zu führen; die Definition des populären
Dispensationalisten Scofield dient wahrscheinlich dazu, die
Getäuschten zu bestärken. Das führt uns dazu,
uns ausführlicher mit dem Wesen der Heilsgewissheit zu
befassen.
(Kapitel 12)
Heilsgewissheit: ihr Wesen
Zu Beginn wollen wir die Frage stellen: Gewissheit worüber?
Dass die Heilige Schrift das inspirierte und unfehlbare Wort
Gottes ist? Nein, das ist nicht unser Thema. Die Gewissheit,
dass das Heil allein aus Gnade ist? Nein, auch darum geht es
uns nicht direkt. Vielmehr geht es um die Gewissheit, dass ich
nicht mehr in einem natürlichen Stand bin, sondern im Stand
- im Zustand - der Gnade. Eine solche Gewissheit darf keine
auf Vermutung beruhende Überzeugung sein, sondern sie muss
auf sicheren Beweisen ruhen. Diese Gewissheit ist die gut beglaubigte
Erkenntnis, dass nicht nur mein Verstand über die großen
Wahrheiten der Bibel erleuchtet wurde, sondern dass ein übernatürliches
Werk in meiner Seele gewirkt wurde, das mich zu einer neuen
Schöpfung in Christus gemacht hat. Eine biblische Heilsgewissheit
ist jene Erkenntnis, die der Heilige Geist dem Herzen durch
die Schrift verleiht, dass mein Glaube kein natürlicher
Glaube ist, sondern der Glaube der Auserwählten
(Tit 1,1), dass meine Liebe zu Christus aufrichtig und nicht
eingebildet ist und dass mein täglicher Wandel der eines
Wiedergeborenen ist.
Die Seligpreisungen
Die Gewissheit der Gläubigen beruht, wie das Westminster
Bekenntnis formuliert, auf dem Heiligen Geist, der sie
befähigt, in sich jene Gnadengaben zu erkennen, auf die
die Verheißungen des Lebens gegeben sind. Wir wollen
versuchen, diese Aussage zu erklären. Zu Beginn der Bergpredigt
sehen wir, wie der Herr Jesus Seligpreisungen über bestimmte
Menschen ausspricht. Sie werden nicht Gläubige
oder Heilige genannt, sondern werden stattdessen
mit ihrem Charakter beschrieben, und nur wenn wir uns selbst
und andere mit dieser Beschreibung aus dem Mund des Herrn Jesus
vergleichen, können wir solche Menschen von anderen unterscheiden.
Als erstes sagte er: Glückselig die Armen im Geist.
Arm zu sein im Geist bedeutet sich im klaren zu sein, dass in
mir, das ist in meinem Fleisch, nichts gutes wohnt (Röm
7,18). Es ist die Erkenntnis, dass es mir an allem fehlt, was
mir Gunst bei Gott verschaffen könnte. Es bedeutet einzusehen,
dass ich geistlich bankrott bin. Es ist das Gewissen, dass ich
auch jetzt (nicht nur vor Jahren, als ich erweckt worden war)
kraftlos bin und keine Weisheit habe und ein hilfloses Geschöpf
bin, das völlig von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes
abhängig ist. Arm zu sein im Geist ist das
Gegenteil von Laodizeanismus, der selbstzufrieden
und selbstgefällig ist und in der Haltung auftritt: Ich
bin reich und bedarf nichts (Offb 3,17).
Glückselig die Trauernden. Es ist eine Sache,
theoretisch zu glauben, dass ich geistlich ein armer Bettler
bin, aber es ist etwas ganz anderes, sich dessen akut bewusst
zu sein. Wo ein inneres Gespür für diese Armut vorhanden
ist, geht das Herz durch tiefe Übungen, die die erbitterte
Wehklage erwecken: Ich vergehe, ich vergehe, wehe mir!
(Jes 24,16). Eine solche Seele ist davon gequält, dass
sie so wenig in der Gnade wächst, so wenig Frucht zur Ehre
Gottes bringt, eine so jämmerliche Umkehr erfolgten, nach
dem er mir seine überströmende Gnade erwiesen hat.
Damit einher geht eine sich stets vertiefende Entdeckung der
eigenen Verdorbenheit in mir. Die Seele stellt fest, dass
bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden
ist (Röm 7,21). Sie wird betrübt durch den Unglauben,
den Stolz, die Rebellion gegen Gott. Anstelle von Frieden herrscht
innerer Krieg; anstelle von geistlichem Sieg erleidet dieser
Glückselige täglich Niederlagen, bis das geschundene
Herz ausruft: Ich elender Mensch! Wer wird mich retten
von diesem Leibe des Todes? (Röm 7,24).
Glückselig die Sanftmütigen. Sanftmut
ist Ergebenheit, das Gegenteil von Eigenwillen. Sanftmut bedeutet,
ein weiches und beugsames Herz zu haben, das mich unterwürfig
macht und auf Gottes Willen mit Gehorsam reagieren lässt.
Man beachte, dass diese drei ersten Kennzeichen der Glückseligen
keine äußeren Handlungen sind, sondern innere Gnadengaben;
keine vorzeigbaren Taten, sondern Zustände der Seele. Man
beachte ferner, dass sie alles andere sind als solche Eigenschaften,
die den Menschen vor der Welt bewundernswert machen. Wer sich
selbst als geistlicher Bettler fühlt, wird von den reichen
Laodizeern nicht willkommen geheißen werden. Wer täglich
klagt über seine Mittellosigkeit, Unfruchtbarkeit und Sündhaftigkeit,
wird von den Selbstgerechten nicht umworben werden. Die Selbstbewussten
dieser Welt werden nicht die Gemeinschaft des wahrhaft Sanftmütigen
suchen. Nein, er wird von den Pharisäern verschmäht
und von denen von oben herab betrachtet werden, die sich rühmen,
Römer 7 hinter sich gelassen zu haben und in Römer
8 zu leben. Diese herrlichen Gnadengaben, die in den Augen
Gottes sehr kostbar sind, werden von den aufgeblasenen Namenschristen
verachtet.
Von den weiteren Kennzeichen der Glückseligen,
die der Erlöser zu Beginn seiner wertvollen Bergpredigt
nennt, wollen wir nur noch ein weiteres betrachten: Glückselig
die um Gerechtigkeit willen Verfolgten ... Glückselig seid
ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen ... um meinetwillen
(Mt 5,10.11). Man beachte, dass die Glückseligen verfolgt
werden nicht etwa aufgrund ihrer bösen Taten oder weil
sie anderen Schaden zugefügt hätten. Wer mürrisch,
selbstsüchtig, stolz, verleumderisch oder grausam ist,
hat kein Recht, sich auf diese Seligpreisung zu berufen, wenn
er auf Widerstand stößt. Nein, hier geht es um Angriffe
gegen Christusähnlichkeit in Charakter und Verhalten; wo
die weltlichen Wege von leeren Namenschristen durch praktische
Gottesfurcht verurteilt werden, dort wird Feindseligkeit geschürt;
wo demütige, aber lebendige Frömmigkeit von denen
nicht toleriert wird, denen diese Eigenschaften fehlen. Glückselig,
sagte der Herr, sind jene Geistlichen, die von den Fleischlichen
gehasst werden - die sanftmütigen Schafe, auf welche die
Hunde einbeißen.
Lieber Leser, erstreben Sie die Gnade, sich aufrichtig an
diesen Kriterien zu messen! Ist Ihre Seele von diesen himmlischen
Gnadengaben geziert? Sind diese Kennzeichen derer, die der Sohn
Gottes glückselig erklärt, auf Ihrem Charakter eingeprägt?
Sind Sie wahrhaft arm im Geist? Wir sagen wahrhaft,
weil es so leicht ist, Bezeichnungen anzunehmen und sich selber
zu benennen. Wenn Sie sich darüber ärgern, wenn jemand
anderes diese Eigenschaften auf Sie anwendet, zeigt das, dass
Sie nicht das meinen, was Sie sagen. Trauern Sie
über Ihren Mangel an Christusähnlichkeit, über
Ihre Glaubensschwäche, über die Kühle Ihrer Liebe?
Sind Sie sanftmütig? Wurde Ihr Wille gebrochen
und Ihr Herz Gott unterwürfig gemacht? Hungern und dürsten
Sie nach Gerechtigkeit? Ist das ersichtlich aus Ihrem Gebrauch
der Gnadenmittel, dem Bibelstudium und dem Gebet? Sind Sie barmherzig
oder etwa überkritisch und scharf? Sind Sie reinen
Herzens? Betrübt, wenn Sie einen unreinen Gedanken
nicht abwehren konnten? Wenn nicht, haben Sie kein Recht, sich
als Glückselig zu betrachten; vielmehr stehen
Sie unter dem Fluch eines Gottes, der heilig ist und die Sünde
hasst.
Es geht nicht darum, dass diese geistlichen Gnadengaben in
voller Entfaltung vorhanden sein müssen; das werden sie
in diesem Leben niemals sein. Aber sind sie überhaupt vorhanden?
Es geht nicht darum, dass man völlig von sich selbst entleert
ist, aber ist es unser aufrichtiges Sehnen und ernstliches Gebet,
von uns selbst frei zu sein? Es geht nicht darum, so tief wie
nur möglich über die innewohnende Sünde und ihre
Auswirkungen zu trauern, aber hat man die Plage
seines Herzens (1Kö 8,38) überhaupt zu spüren
bekommen? Es geht nicht darum, dass unsere Sanftmut so groß
sein muss, wie nur irgend auszudenken, aber gibt es eindeutige
Anzeichen dafür, dass die Wurzel der Sanftmut überhaupt
in unser Herz gepflanzt worden ist? Es gibt einen Wachstumsprozess:
man sieht zuerst den Halm, danach die Ähre, dann
den vollen Weizen in der Ähre (Mk 4,28). Aber was
nicht existiert, kann auch nicht wachsen. Ist der Same (1Petr
1,23) der Gnade in Ihr Herz gepflanzt worden? Darum geht es,
und das müssen wir alle an uns überprüfen, nicht
als Vermutung oder Selbstverständlichkeit, sondern um es
fest zu machen oder sicherzustellen (2Petr 1,10).
Und das geschieht, wenn wir aufrichtig unser Herz prüfen
und feststellen, ob diese geistlichen Gnadengaben vorhanden
sind oder nicht, denen die Verheißungen Gottes gelten.
Unterscheidung ist möglich
Echte Heilsgewissheit ist zwar das Gegenteil von fleischlicher
Anmaßung und ungläubigen Zweifeln, doch widerspricht
sie bei weitem nicht einer gründlichen Selbstprüfung.
Aber leider wurden viele belehrt - und das von Männern,
die für ihre Rechtgläubigkeit bekannt sind -, es sei
hochgradig schädlich, wenn ein Christ in sich selbst hineinschaue.
Sicherlich muss man hier wie überall auf Ausgewogenheit
achten. Zugegeben kann man zu sehr auf sich selbst fixiert und
introspektiv werden, aber viele eindeutige Schriftstellen widerlegen
die Auffassung, dass ein Christ niemals sein eigenes Herz prüfen,
seinen Glauben erproben, seine Motive untersuchen und sich vergewissern
sollte, ob er die Wurzel der Sache in sich hat.
Die Wiedergeburt ist ein Werk, das Gott in uns wirkt (Phil 1,6)
und da das ewige Schicksal davon abhängt, ist jede aufrichtige
Seele verpflichtet, die äußersten Entbehrungen auf
sich zu nehmen und sicherzustellen, ob dieses Wunder der Gnade
an ihr gewirkt wurde oder nicht. Als Paulus über den Zustand
der Galater im Zweifel war, sagte er: Meine Kinder, um
die ich abermals Geburtswehen erleide, bis Christus in euch
Gestalt gewonnen hat (Gal 4,19). Und an die Kolosser schrieb
er: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit
(Kol 1,27).
Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt
nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt
werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht, damit
seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind
(Joh 3,20.21). Das ist einer der entscheidenden Unterschiede
zwischen dem natürlichen Menschen und dem wiedergeborenen.
Unglaube ist weit mehr als ein Irrtum in der Erkenntnis oder
ein spekulativer Fehler, in den ein aufrichtiger Denker fallen
kann; Unglaube kommt aus dem Herzen und ist Feindschaft gegen
Gott. Wenn der natürliche Mensch auf sich allein gestellt
ist, hasst er das durchleuchtende Licht Gottes (V. 19), da er
fürchtet, dass es sein Gewissen beunruhigt, den Trugschluss
seiner vermeintlichen Zuversicht entlarvt und seinen falschen
Frieden erschüttert. Aber bei dem, welchem Gott ein
redliches und gutes Herz (Lk 8,15) gegeben hat, ist es
genau umgekehrt. Wer aufrichtig und gewissenhaft handelt und
den ganzen Willen Gottes vorbehaltlos wissen und tun möchte,
freut sich über Licht.
Der echte Christ glaubt, was die Bibel über das natürliche
Herz sagt: Trügerisch ist das Herz, mehr als alles,
und unheilbar ist es (Jer 17,9). Der sicherste Beweis,
dass er tatsächlich an diese ernste Tatsache glaubt, ist
seine tiefe Sorge, dass sein Herz ihn irreführt
(Jes 44,20) und ihm vortäuscht, mit seiner Seele sei alles
beim Besten, obwohl er in Wirklichkeit noch voll bitterer
Galle und in Banden der Ungerechtigkeit ist (Apg 8,23).
Er glaubt, was Gottes Wort über den Teufel sagt, den großen
Verführer, und fürchtet, dass der Teufel ihn nicht
mit einem falschen Frieden betört hat. Das Bedenken einer
solchen Möglichkeit führt seine Seele durch tiefe
Übungen. Wie einst David (und jeder andere echte Gläubige),
denkt er nach in seinem eigenen Herzen (Ps 4,4)
und forscht mit seinem Geist (Ps 77,6). Er wendet
sich an das Licht der Heiligen Schrift, um seinen Charakter
und sein Verhalten daran zu überprüfen. Er wünscht
sich, dass aus seinen Taten erkennbar ist, ob sie entweder aus
Selbstliebe oder aus echter Liebe zu Gott entspringen.
Wir wollen hier keineswegs irgendeine Form von Selbstvertrauen
fördern, sondern vielmehr echtes Gottesvertrauen. Es ist
eine Sache, sich zu vergewissern, dass man Gott liebt, und es
ist eine ganz andere Sache, in dieser Liebe Genugtuung zu finden.
Bei der Selbstprüfung, zu der die Bibel auffordert (z.B.
in 1. Korinther 11,28), geht es nicht darum, etwas zu finden,
was uns annehmbarer bei Gott macht, noch etwas aufzuspüren,
was unserer Rechtfertigung vor ihm dient, sondern sie hat das
Ziel, festzustellen, ob Christus in mir Gestalt annimmt. Vor
zwei Extremen muss man sich hüten: einerseits die übertriebene
Beschäftigung mit dem Werk des Heiligen Geistes in mir
- dann würde das Herz vom Werk Christi für mich abgelenkt;
und andererseits vor einer so einseitigen Betonung der mir zugerechneten
Gerechtigkeit Christi, dass jene Gerechtigkeit ignoriert wird,
die der Heilige Geist in mir bewirkt. Es ist unmöglich,
dass die dritte Person der Dreifaltigkeit in einer Seele Wohnung
nimmt, ohne eine radikale Änderung in diesem Menschen zu
bewirken: Das ist es, wessen ich mich vergewissern muss.
Zwei Naturen
Wenn ich in mich hineinblicke und aufrichtig versuche, mein
Herz im Licht der Bibel zu untersuchen, werde ich dort gewiss
nicht nur das Werk des Heiligen Geistes entdecken. Nein, vielmehr
bleibt auch noch viel Verdorbenheit dort verhaften. Der echte
Christ findet klare Indizien für zwei Naturen, zwei einander
entgegengesetzte Prinzipien, die in ihm wirken. Das wird nicht
nur in Römer 7 und Galater 5,17 klar dargelegt, sondern
auch im Hohenlied Salomos: Was wollt ihr an Sulamith schauen?
Den Reigen der zwei Heerlager (hebr. Mahanajim)? (Hl 7,1).
Daher sagt die Braut in ihrem gegenwärtigen Zustand: Schwarz
bin ich und doch anmutig, ihr Töchter Jerusalems, wie die
Zelte Kedars, wie die Zeltdecken Salomos (Hl 1,5). Und:
Ich schlief, aber mein Herz war wach (Hl 5,2). Das
ist für den natürlichen Menschen eine befremdende
Ausdrucksweise, doch für den geistlichen Menschen ist sie
leicht nachvollziehbar. Und deshalb findet sich die wiedergeborene
Seele so häufig in dem verzweifelten Ruf wieder: Herr,
ich glaube. Hilf meinem Unglauben! (Mk 9,24).
Weil der echte Christ in sich so viel Widerstreitendes findet,
ist es für ihn schwierig, sich seines tatsächlichen
Zustands gewiss zu sein. Deshalb ruft er: Erprobe mich,
HERR, und prüfe mich; läutere meine Nieren und mein
Herz! (Ps 26,2). Wer voll fleischlicher Gewissheit ist,
voll eitler Anmaßung, hat kein Bedürfnis danach,
den Herrn zu bitten, ihn zu prüfen. Der Teufel
hat ihn so vollends getäuscht, dass er meint, das wäre
ein Akt des Unglaubens. Arme Seele! Ein solcher gehört
zu denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse;
die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis
(Jes 5,20). Eins der sichersten Kennzeichen der Wiedergeburt
ist das häufige Rufen der Seele: Erforsche mich,
Gott, und erkenne mein Herz. Prüfe mich und erkenne meine
Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist,
und leite mich auf dem ewigen Weg! (Ps 139,23.24).
Wem gelten die Verheißungen?
Vielleicht meinen einige unserer Leser immer noch: Ich
sehe nicht, dass es so schwierig sein muss, Gewissheit zu erlangen,
ob man verloren oder gerettet ist; ich vertraue auf Johannes
5,24, und das ist für mich ausreichend. Doch bitte
erlauben Sie uns, lieber Leser, kurz herauszustellen, dass Johannes
5,24 keine Verheißung ist, die der Herr Jesus einem bestimmten
Jünger gab, sondern es ist eine dogmatische Aussage, die
er vor einer gemischten Zuhörerschaft, einer großen
Volksmenge traf. Wenn jemand einwendet: Ich glaube, dass
dieser Vers eine Verheißung enthält, und ich werde
an dieser Verheißung festhalten, dann fragen wir
ihn liebevoll: Sind Sie sicher, dass diese Verheißung
Ihnen gilt? Wir erkennen dankbar an, dass Johannes 5,24 eine
kostbare Verheißung enthält, aber wem gilt sie? Prüfen
wir es nach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein
Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat
ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus
dem Tod in das Leben übergegangen.
Diese Verheißung wird einer eindeutig beschriebenen
Person gegeben, nämlich: Wer mein Wort hört.
Kann nun wahrhaft gesagt werden, dass Sie sein Wort hören?
Sind Sie sicher? Lassen Sie sich nicht vom äußeren
Schall der Worte täuschen. Hier geht es nicht um das Hören
des äußerlichen Ohres, sondern um die Reaktion des
Herzens. Als der Herr Jesus auf der Erde war, gab es viele,
über die er sagte, dass sie hörend nicht hören
noch verstehen (Mt 13,13), weil sie nicht mit dem Herzen
hörten. So ist es auch heute noch. Geistliches Hören,
rettendes Hören, bedeutet beachten (Mt 18,15)
und gehorchen (Mt 17,5; Joh 10,27; Hebr 3,7). Sind Sie gehorsam?
Haben Sie die Schriften fleißig durchforscht, um seine
Gebote zu entdecken? Und zwar nicht, um Ihre Neugierde zu befriedigen,
sondern aus dem Wunsch heraus, diese Gebote zu tun? Und praktizieren
Sie diese Gebote tatsächlich? Nicht nur ein- oder zweimal,
sondern regelmäßig als feste Lebensgewohnheit?
Es mag jemand einwenden: Das alles zieht nur weg von
der Einfalt Christi; es lenkt ab vom Wort Gottes
und versucht unseren Blick auf uns selbst zu lenken. Nun
gut, aber sagt die Schrift nicht: Habe acht auf dich selbst!
(1Tim 4,16)? Doch darauf wird vielleicht entgegnet: Es
kann keine Gewissheit geben, solange man mit seinem elendigen
eigenen Ich beschäftigt ist; ich ziehe es vor, beim geschriebenen
Wort zu bleiben. Da haben wir überhaupt nichts gegen:
Worauf wir hinauswollen, ist: Vergewissern Sie sich, dass die
Schriftstellen, auf die Sie sich berufen oder auf die Sie vertrauen,
auch tatsächlich berechtigterweise Ihnen gelten. Der Leser
kann auch verweisen auf den Vers: Glaube an den Herrn
Jesus, und du wirst errettet werden (Apg 16,31) und fragen:
Ist das nicht deutlich genug? Aber ist Ihnen jemals aufgefallen,
an wen die Apostel diese Aussage richten und wen der ganze Zusammenhang
betriff?
Hier war weder einer ehebrecherische Volksmenge angesprochen,
noch eine gleichgültige oder unbesorgte Seele. Vielmehr
war der Adressat eine erweckte, zutiefst geübte, bußfertige
Seele. Dieser Kerkermeister hatte seinen Platz im Staub eingenommen,
stand im Begriff, sich umzubringen und rief in tiefster Verzweiflung:
Was muss ich tun, dass ich errettet werde? Aber
wie wendet man heute Apostelgeschichte 16,31 an? Man sagt: Diese
Worte sind göttlich einfach; ich glaube an Christus, und
deshalb bin ich errettet. Das sagt Gott und der Teufel kann
mich darin nicht beirren. Vielleicht will der Teufel Sie
auch keineswegs von dieser Annahme abbringen; er ist ganz zufrieden,
wenn Sie in dieser fleischlichen Zuversicht verbleiben. Doch
beachten wir: Paulus und Silas forderten den Kerkermeister nicht
auf, an Jesus zu glauben oder an Christus,
sondern an den Herrn Jesus Christus.
Was bedeutet es also, in rettender Weise zu glauben?
Wir haben diese Frage in einem früheren Teil dieses Buches
bereits beantwortet, wollen aber eine kurze Zusammenfassung
geben: Aus Johanns 1,12 wird deutlich, dass glauben empfangen,
annehmen bedeutet, nämlich Christus Jesus als
Herrn empfangen (Kol 2,6). Niemand wird von Christus errettet,
der ihn nicht als Herrn annimmt. Der unmittelbare Zusammenhang
zeigt klar den besonderen Charakter, mit dem der Herr Jesus
hier dargestellt wird: Er kam in das Seine (Joh
1,11); er war ihr rechtmäßiger Eigentümer und
ihr Herr. Aber die Seinen nahmen ihn nicht an, sondern
erklärten vielmehr: Wir wollen nicht, dass dieser
über uns herrsche! (Lk 19,14). Haben Sie wirklich
den Herrn Jesus Christus angenommen? Wir fragen
nicht: Vertrauen Sie auf sein vollbrachtes Werk, sondern:
Haben Sie sich seinem Szepter gebeugt und sich seiner Autorität
in der Praxis unterworfen? Haben Sie Ihrer eigenen, sündigen
Herrschaft abgesetzt? Wenn nicht, sind Sie sicherlich nicht
der Aufforderung glaube an den Herr Jesus Christus
nachgekommen und somit gilt die Verheißung aus Apostelgeschichte
16,31 Ihnen nicht.
Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht
sein (Röm 8,9). Diese Aussage gehört genauso
gut zum Wort Gottes wie Apostelgeschichte 16,31. Warum wird
dieser Vers nicht so häufig zitiert? Und wie kann man wissen,
ob man den Geist Christi in sich hat? Nur indem man die Früchte
entdeckt, die durch die Gnadengaben der Wiedergeburt und Heiligung
bewirkt werden. Diese Früchte und auch die guten
Werke des Christen tragen zwar in keiner Weise zum Verdienst
des Heils bei, aber sie sind Erkennungsmerkmale der Söhne
Gottes.
(Kapitel 13)
Heilsgewissheit: ihre Grundlage
Mit diesem Kapitel stehen wir vor einer schwierigen Aufgabe.
Wir wollen einerseits nicht den Kindern das Brot wegzunehmen
und es den Hunden vorzuwerfen; andererseits ist
es unser Gebet, dass wir davor bewahrt bleiben, einem der kleinen
Kinder Gottes Anstoß zu geben und es zu Fall zu bringen.
Diese Ausgewogenheit ist deshalb so schwierig, weil wir jedes
tote Bekenntnis aufdecken und uns von Gott dazu gebrauchen lassen
möchten, die Augen derer zu öffnen, die nicht wiedergeboren
sind, die aber mit fleischlicher Zuversicht auf eine Verheißung
Gottes bauen, obgleich diese nur jenen gilt, die in Christus
sind - denn solange ein Sünder außerhalb von Christus
ist, gilt ihm keine der biblischen Verheißungen (siehe
2Kor 1,20). Dennoch müssen wir Weisheit von oben suchen,
um noch ungefestigte echte Gläubige nicht zur Schlussfolgerung
zu verleiten, sie seien noch tot in Sünden und Übertretungen.
Mit dieser zweifachen Zielsetzung vor Augen wollen wir fragen:
Reicht ein einfacher Glaube an Christus aus, um eine Seele für
Zeit und Ewigkeit zu erretten? Auch wenn womöglich einige
Leser dieses Buch weglegen und sich weigern weiterzulesen, antworten
wir ohne Zögern: Nein, das reicht nicht aus. Der Herr Jesus
selbst erklärte: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet
ihr alle ebenso umkommen (Lk 13,3). Buße ist für
die Errettung ebenso notwendig wie Glauben. Ferner lesen wir:
Willst du aber wissen, o eitler Mensch, dass der Glaube
ohne die Werke tot ist? (Jak 2,20). Ein einfacher
Glaube, der allein bleibt, der nicht das Herz reinigt
(Apg 15,9), durch Liebe wirksam ist (Gal 5,6) und die Welt überwindet
(1Jo 5,4), wird niemanden retten.
Viel Verwirrung ist dadurch entstanden, dass nicht aufgezeigt
wurde, wovon der Sünder Errettung braucht. Nur zu oft denkt
man dabei lediglich an die Hölle. Aber das ist eine äußerst
mangelhafte Vorstellung und erweist sich oft als irreführend.
Das einzige, was einen Menschen in die Hölle bringt, ist
seine Sünde, über die er keine Buße getan hat
und die ihm nicht vergeben wurde. Auf der ersten Seite des Neuen
Testaments hat der Heilige Geist ausdrücklich aufschreiben
lassen, dass der fleischgewordene Sohn Gottes deshalb Jesus
(d.h. Jahwe ist Rettung) genannt wurde, weil er
sein Volk retten wird von seinen Sünden (Mt
1,21). Wie kommt es, dass das, was Gott vornan gestellt hat,
von den meisten heutigen Evangelisten nach hinten abgeschoben
wird? Wenn man jemanden fragt, ob er vor der Hölle errettet
sei, ist das weit weniger eindeutig als die Frage, ob er von
seinen Sünden errettet ist.
Errettung von Sünden
Wir wollen uns mit diesem Thema ein wenig ausführlicher
befassen, denn Tausende bekennender Christen haben heute nicht
die leiseste Vorstellung davon, was es bedeutet, von Sünden
errettet zu sein.
Erstens bedeutet es, von der Liebe zur Sünde errettet
zu sein. Das Herz des natürlichen Menschen liebt alles,
was Gott entgegengesetzt ist. Vielleicht ist der Mensch sich
dessen nicht bewusst oder gibt es nicht zu, und dennoch ist
es eine Tatsache. Für ihn gilt: In Schuld bin ich
geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen
(Ps 51,5), und so kann er nicht anders, als das Böse zu
lieben, da es ja Bestandteil seines Wesens ist. Als der Herr
Jesus erklärte, warum das Verdammungsurteil auf den Verlorenen
ruht, sagte er: Die Menschen haben die Finsternis mehr
geliebt als das Licht (Joh 3,19). Nur eine übernatürliche
Veränderung des Herzens kann jemanden aus seinem schrecklichen
Zustand retten. Nur ein allmächtiger Erlöser kann
uns dazu bringen, uns wie Hiob selbst zu verabscheuen
(Hi 42,6) und Böses zu verachten. Genau dass tut der Heiland,
wenn er eine Seele rettet, denn: Die Furcht des HERRN
bedeutet, Böses zu hassen (Spr 8,13).
Zweitens bedeutet Errettung von unseren Sünden, befreit
zu sein von unserem Billigen der Sünde. Das natürliche
Herz neigt ausnahmslos dazu, böse Taten zu entschuldigen
und darüber hinwegzugehen. Schon zu Beginn lehnte Adam
es ab, seine Schuld einzugestehen und versuchte sie auf seine
Frau zu schieben. Eva reagierte ebenso: anstatt ihre Übeltat
ehrlich zuzugeben, schob sie die Verantwortung der Schlange
zu. Doch welch völlig andere Haltung hat der wiedergeborene
Mensch gegenüber seiner Sünde: Denn was ich
vollbringe, billige ich nicht(Röm 7,15; Schl.): Auch
Paulus sündigte, aber er billigte das nicht und versuchte
es noch viel weniger zu rechtfertigen. Er lehnte jede Milde
gegenüber der Sünde ab. Der wahre Christ tut Buße
über seine Missetaten, bekennt sie Gott, bedauert sie und
betet ernstlich, vor einer Wiederholung bewahrt zu bleiben.
Stolz, Kälte und Faulheit sind ihm verhasst, doch Tag für
Tag erlebt er, wie sie wieder Macht über ihn zu gewinnen
versuchen. Er jedoch nimmt Zuflucht zur Quelle, die in
Jerusalem geöffnet wurde gegen Sünde und gegen Befleckung
(Sach 13,1), damit er gereinigt werde. Der wahre Christ sehnt
sich danach, Gott völlig gehorsam zu sein und gibt sich
nicht mit weniger zufrieden, und anstatt sein Versagen zu beschönigen,
trauert er darüber.
Drittens bedeutet Errettung von Sünden, befreit zu sein
von der herrschenden Macht oder Knechtschaft der Sünde.
Die Sünde wohnt immer noch im Christen, versucht ihn, bedrängt
ihn, verwundet ihn und bringt ihn täglich zu Fall: Wir
alle straucheln oft (Jak 3,2). Dennoch wird der Christ
nicht von der Sünde beherrscht, denn er widersteht ihr
und bekämpft sie. Zwar ist er weit davon entfernt, sie
völlig zu besiegen, doch besteht ein enormer Unterschied
zwischen ihm und den hilflosen Sklaven Satans. Seine Buße,
seine Gebete, sein Streben nach Heiligkeit, sein Vorwärtsdrang
auf das Ziel hin - all das bezeugt, dass die Sünde ihn
nicht beherrscht (Röm 6,14). Zweifellos bestehen große
Unterschiede zwischen den Erfolgen von Gottes Kindern: In seiner
Souveränität gewährt Gott dem einem mehr Gnade
als dem anderen. Einige seiner Kinder werden weit mehr von Gewohnheitssünden
geplagt als andere. Manche werden so gut wie vollständig
vor äußeren Übertretungen bewahrt, stöhnen
und seufzen jedoch über innere Sünden. Manche werden
in großem Maße von Tatsünden bewahrt, doch
haben sie so manche Unterlassungssünden zu beklagen. Doch
von den Hausgenossen des Glaubens beherrscht die
Sünde niemanden mehr völlig.
Was ist die Herrschaft der Sünde?
Die letzte Aussage entmutigt vielleicht Gläubige mit
einem empfindlichen Gewissen. Wer wirklich ehrlich zu sich selbst
ist und mit geöffneten Augen seine schreckliche Sündhaftigkeit
sieht, und wer immer mehr diesen Abgrund an Bosheit erkennt,
diese Masse an Verdorbenheit, die immer noch in ihm wohnt, hat
oft den Eindruck, dass die Sünde ihn jetzt mehr beherrscht
als je zuvor. Wenn er sich danach sehnt, Gott von ganzem Herzen
zu vertrauen, scheint Unglaube ihn zu lähmen. Wenn er wünscht,
völlig dem Willen Gottes ausgeliefert zu sein, steigen
Einwände und Rebellion in ihm auf. Wenn er eine Stunde
mit dem Nachsinnen über geistliche Dinge verbringen möchte,
wird er von bösen Vorstellungen bedrängt. Wenn er
demütiger zu sein wünscht, wird er von Stolz befallen.
Will er beten, so schweifen seine Gedanken ab. Je mehr er gegen
diese Sünden kämpft, desto weiter scheint der Sieg
entfernt zu sein. Er hat den Eindruck, dass die Sünde ihn
sehr wohl beherrscht, und der Teufel flüstert ihm ein,
sein Bekenntnis sei leer. Was sollen wir einer solchen armen
Seele sagen, die wegen dieser Probleme durch so tiefe Übungen
geht? Zwei Dinge.
Erstens: Allein die Tatsache, dass Sie sich dieser Sünden
bewusst sind und sich so große Sorgen machen wegen Ihres
Versagens, ist ein gesundes Zeichen. Es sind die Blinden, die
nicht sehen können; es sind die Toten, die nichts spüren
- das gilt sowohl im natürlichen wie auch im geistlichen
Bereich. Nur wer zur Neuheit des Lebens erweckt
worden ist, kann sich wirklich über Sünden grämen.
Außerdem sind derartige Erfahrungen Anzeichen für
ein geistliches Wachstum: ein Wachstum in der Selbsterkenntnis.
Von dem weisen Salomo wissen wir: Wer Erkenntnis mehrt,
mehrt Kummer (Pred 1,18). In Gottes Licht sehen wir das
Licht (Ps 36,10). Je mehr der Heilige Geist mir die hohen Ansprüche
Gottes offenbart, desto mehr entdecke ich, wie weit ich sie
verfehle. Wenn die Mittagssonne in ein sonst dunkles Zimmer
scheint, kommen Staub und Dreck deutlich zum Vorschein, auch
wenn sie vorher den Blicken verborgen waren. So ist es auch
mit dem Christen: Je mehr Licht Gottes ins Herz vordringt, desto
mehr entdeckt er den geistlichen Schmutz, der dort haust. Lieber
Bruder, liebe Schwester, als Gläubige werden Sie nicht
immer sündiger, sondern Gott gibt Ihnen eine klarere und
vollständigere Sicht für Ihre Sündhaftigkeit.
Preisen Sie ihn dafür, denn die Augen der meisten Ihrer
Mitchristen sind blind und können nicht sehen, was Sie
so betrübt!
Zweitens: Neben der Sünde ist in Ihrem Herzen auch Gnade.
Der Christ hat nicht nur eine alte und unheilige Natur, sondern
auch eine neue und heilige. Die Gnade ist aktiv in Ihnen, ebenso
wie die Sünde. Ihr Verhalten wird ebenso von der neuen
Natur bestimmt wie von der alten. Wie kommt es, dass Sie so
sehr wünschen, in das Bild Christi verwandelt zu werden,
ihm völlig zu vertrauen, ihn inbrünstig zu lieben
und ihm fleißig zu dienen? Diese Wünsche kommen nicht
aus dem Fleisch. Nein, lieber Bruder, liebe Schwester, Sie stehen
nicht unter völliger Herrschaft der Sünde; wenn dem
so wäre, dann würden alle Ihre Ambitionen, Gebete
und Ihr Streben nach Heiligkeit aus Ihrem Herzen verbannt. In
Ihrem Herzen findet der Reigen der zwei Heerlager
statt (Hl. 6,13, s.S.#+#+), und jede Partei kämpft um die
Herrschaft über den Christen. Bildhaft war es so bei Rebekka:
Die beiden Kinder stießen sich in ihrem Leib
(1Mo 25,22), und so ist es auch bei uns. Doch gerade dieser
Kampf, dieses sich stoßen, zeigt, dass die
Sache noch nicht entschieden ist: hätte die Sünde
gesiegt, könnte die Seele keinen Widerstand mehr leisten.
Der Eroberer entwaffnet seinen Feind, sodass er sich nicht mehr
wehren und verteidigen kann. Doch allein die Tatsache, dass
Sie kämpfen, beweist, dass die Sünde in
Ihnen nicht gesiegt hat! Vielleicht kommt es Ihnen so vor, als
würde das bald passieren, aber in dieser Sache gibt es
keinen Zweifel: Der Herr Jesus wird Sie auch noch von der Gegenwart
der Sünde erretten.
Nachdem wir nun in den obigen Abschnitten versucht haben,
der Aufforderung aus Hebräer 12,12.13 nachzukommen und
die erschlafften Hände und die gelähmten Knie
aufzurichten und gerade Bahn für eure Füße
zu machen, damit das Lahme nicht abirre, sondern vielmehr
geheilt werde, wollen wir unsere Aufmerksamkeit nun wieder
auf solche richten, die keinen Zweifel daran haben,
von Christus angenommen zu sein, und vielleicht meinen, sich
nicht prüfen zu brauchen. Der Herr sagte, dass ein Baum
an seinen Früchten erkannt wird, und deshalb kann es nicht
falsch sein, den Baum unseres Herzens zu untersuchen, um sicherzustellen,
welche Art von Frucht er bringt und um zu erkennen, ob eine
solche Frucht aus der Natur des Menschen hervorkommen kann oder
ob dafür innewohnende göttliche Gnade nötig ist.
Vielleicht wendet jemand sofort ein: Aus uns selbst kann
nichts Geistliches hervorkommen. Aus uns als natürliche
Menschen sicherlich nicht, aber aus einem wiedergeborenen Menschen
schon. Aber wie kann ein schlechter Baum jemals anders werden?
Der Herr Jesus sagte: Macht den Baum gut, dann ist seine
Frucht gut (Mt 12,33). Das kann man vergleichen mit dem
Aufpropfen eines frischen Zweiges auf einen alten Stumpf.
Heilsgewissheit oder heilige Gewissheit?
Jeder, der sich die gegenwärtige Freude der Heilsgewissheit
anmaßt, aber dessen Alltagsleben dem Evangelium unwürdig
ist, hat keine Grundlage für seine Hoffnung. Wer zuversichtlich
ist, ins ewige Glück einzugehen - welches vor allem völlige
Freiheit von aller Sünde bedeutet -, jetzt aber jedoch
Sünde in seinem Leben billigt (und sich einredet, dass
Christus dafür ja Sühne geleistet habe) täuscht
sich schwer. Niemand wünscht sich ernsthaft, in der Zukunft
von Sünde frei zu sein, wenn er in der Gegenwart sich nicht
aufrichtig von Sünde trennt. Wer hier nicht der Heiligkeit
nachjagt, irrt sich gewaltig, wenn er meint, er wünsche
sich Heiligkeit für die Ewigkeit. Die ewige Herrlichkeit
ist nichts anderes als die vollendete Gnade; das Leben im Himmel
ist nichts anderes als die volle Reife des wiedergeborenen Lebens
auf der Erde. Weder der Tod noch die Wiederkunft Christi werden
eine radikale Änderung in der Natur des Christen bewirken:
dabei wird nur das vollkommen werden, was er bereits hat und
ist. Daher gilt: Jeder, der angeblich Heilsgewissheit hat, sich
seiner Sündenvergebung rühmt und ewiges Leben zu haben
meint, aber nie eine tiefe Trübsal über seine Sünde,
echte Abscheu vor der Sünde und Selbsthass wegen seiner
Übertretungen erlebt hat, weiß nichts davon, was
eine heilige Gewissheit ist.
Wenn wir nach der Grundlage der Heilsgewissheit eines Christen
fragen, müssen wir scharf unterscheiden zwischen einerseits
dem Grund für seine Annahme bei Gott und andererseits seiner
Erkenntnis, dass er von Gott angenommen ist. Ein Sünder
kann einzig und allein durch die Gerechtigkeit Christi - die
der Herr durch sein vollkommenes Leben und seinen stellvertretenden
Tod verfügbar gemacht hat - eine annehmbare rechtmäßige
Stellung vor dem dreimal heiligen Gott erlangen. Und einzig
und allein die Verleihung einer neuen Natur - das übernatürliche
Werk der Gnade Gottes - kann den Beweis liefern, dass die Gerechtigkeit
Christi mir tatsächlich zugerechnet worden ist. Wenn Gott
einen Menschen seiner rechtlichen Stellung nach rettet, dann
rettet er ihn auch in Bezug auf seine Erfahrung. Wen Gott rettet,
den heiligt er auch. Wenn die Gerechtigkeit Christi jemandem
zugerechnet worden ist, wird ihm auch ein Prinzip der Heiligkeit
verliehen, wobei das erstere nur durch das letztere erkennbar
werden kann. Eine biblische Erkenntnis, dass die Verdienste
des vollbrachten Werkes Jesu zu meinen Gunsten angerechnet worden
sind, kann nur durch das wirksame Zeugnis des Heiligen Geistes
in meiner Seele erlangt werden.
Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr,
eure Berufung und Erwählung fest zu machen! (2Petr
1,10). Warum diese Reihenfolge, erst Berufung und
dann Erwählung? Hier finden wir die umgekehrte
Reihenfolge wie in Römer 8,30: Die er aber
1.) vorherbestimmt hat, diese hat er auch
2.) berufen
aber hier im 2. Petrusbrief wird der Christ aufgefordert,
1.) seine Berufung, und
2.) seine Erwählung
fest zu machen, d.h. sicherzustellen. Warum diese
andere Reihenfolge? Die Antwort ist simpel: in Römer 8,30
geht es um die Ausführung von Gottes ewigen Ratschlüssen;
aber in 2. Petrus 1,10 um die erfahrungsmäßige Erkenntnis
des Christen über diese Ratschlüsse. Ich muss aus
meiner Sicht von der Wirkung zur Ursache zurückgehen und
die Frucht untersuchen, um Rückschlüsse auf die Natur
des Baumes ziehen zu können. Ich habe keinen Einblick in
das Buch des Lebens des Lammes (Offb 13,8), aber
wenn ich klare Beweise habe, dass Gott mich wirksam berufen
hat aus der Finsternis der Sünde ins Licht der Versöhnung,
dann weiß ich, dass mein Name dort geschrieben ist.
Die Berufung und Erwählung sicherstellen
Und wie mache ich meine Berufung und Erwählung
fest? Das geht aus dem Zusammenhang dieses Verses deutlich
hervor: In Vers 5-7 lesen wir: Eben deshalb wendet aber
auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend
dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber
die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren,
in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit
aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe!
Das ist eine Zusammenfassung der Gnadengaben, die den Charakter
des Christen ausmachen. Der Ausdruck reicht dar
bedeutet wörtlich dazu-ausstatten oder zusätzlich
geben, so wie sich bei einem Chor mehrere Stimmen und
Gruppen zu einem harmonischen Ganzen vereinigen, oder wie bei
einem Regenbogen die verschiedenen Farben ein wunderschönes
Gesamtbild ergeben. In Vers 4 hatte Petrus von der Gnade Gottes
gesprochen, die an den Erwählten wirksam geworden war:
Durch die Wiedergeburt waren sie dem Verderben, das durch
die Begierde in der Welt ist, entflohen. Nun fügt
er hinzu: Gebt euch nicht mit dieser negativen Seite der Errettung
zufrieden, sondern strebt vorwärts zur Vollkommenheit:
Seid mit vollem Ernst darauf bedacht, diese Tugenden zu
eurem Glauben hinzuzufügen. Der Glaube soll nicht
allein bleiben, sondern die anderen geistlichen Gnadengaben
müssen ihn ergänzen und zieren.
In den Versen 8-9 inspirierte der Heilige Geist den Apostel
Petrus, uns zu erklären, welche Konsequenzen folgen, wenn
wir den in Vers 5-7 dargelegten Pflichten gehorchen oder nicht
gehorchen. Diese Dinge (V. 8) bezieht sich auf die
sieben Gnadengaben der vorherigen Verse. Wenn man allen
Fleiß aufwendet, um diese herrlichen Tugenden zu
erlangen und zu fördern, dann wird gewisslich eine bestimmte
Konsequenz folgen: So wie die Wirkung nur auf die Ursache hin
erfolgt, so ist Fruchtbarkeit abhängig vom Fleiß
des Christen. So wie das Versäumen der täglichen Mahlzeiten
zu Magerkeit und Schwäche führt, so wie Bewegungsmangel
zum Erschlaffen der Muskeln führt, so führt ein Missachten
der göttlichen Anweisung von Vers 5 zu seelischer Magerkeit,
geistlicher Kurzsichtigkeit und Verlust der Heilsgewissheit.
Damit kommen wir zu Vers 10.
Das darum, Brüder, befleißigt euch um so
mehr aus Vers 10 weist auf einen Gegensatz zur traurigen
Tragödie von Vers 9 hin. Dort sahen wir die bedauerlichen
Folgen eines zurückgefallenen Seelenzustands. Im Leben
des Christen gibt es keine Stagnation: Wer sich nicht weiterentwickelt,
der entwickelt sich zurück. Wer nicht fleißig die
Gebote Gottes bewahrt, verliert bald den Segen der göttlichen
Verheißungen. Wer zu seinem Glauben nicht
die Gnadengaben aus Vers 5-7 hinzufügt oder darin
darreicht, wird schon bald unter der Macht des Unglaubens
zu Fall kommen. Wer den Garten seiner Seele nicht kultiviert,
wird schnell feststellen, dass er mit Unkraut überwuchert
ist. Wer Gottes Ermahnungen außer Acht lässt, wird
die Freude seines Heils verlieren und in solche Zweifel hinabsinken,
dass er seine Gotteskindschaft ernsthaft in Frage stellt. Um
das zu verhindern, sagt der Apostel: Darum, Brüder,
befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung
fest zu machen!
Die offenkundige Bedeutung von dieser Aufforderung in 2.
Petrus 1,10 ist daher: Rafft euch auf, bemüht euch,
zufriedenstellende Indizien dafür zu erlangen, dass ihr
unter den Berufenen und Erwählten Gottes seid. Lasst nicht
zu, dass in dieser Sache Zweifel oder Ungewissheit besteht:
Wenn ihr bekennt, Kinder Gottes zu sein, dann rechtfertigt dieses
Bekenntnis, indem ihr den Charakter eines Kindes Gottes fördert
und das Verhalten eines solchen an den Tag legt. Das beweist
also, dass von uns mehr erwartet wird, als lediglich auf Johannes
5,24 oder Apostelgeschichte 16,31 zu vertrauen! Ob ein Christ
berechtigt ist, sich als Berufenen und Erwählten Gottes
zu betrachten und von anderen als solcher angesehen zu werden,
hängt davon ab, ob er die Früchte einer echten Bekehrung
hervorbringt. Nur in dem Maße, wie wir zu unserem Glauben
die anderen christlichen Gnadengaben hinzufügen, haben
wir einen festen Grund, auf dem unsere Gewissheit beruhen kann,
dass wir zur Familie Christi gehören. Nicht solche sind
Söhne Gottes, die durch ihren eigenen Willen geleitet werden,
sondern so viele durch den Geist Gottes geleitet werden,
die sind Söhne Gottes (Röm 8,14).
Robert Hawker wies darauf hin, dass die einzige Art und Weise,
wie man sich seines Heils gewiss sein kann, das Zeugnis und
Werk des Heiligen Geistes im Herzen ist: Der Gott der
Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden
im Glauben, damit ihr überreich seiet in der Hoffnung durch
die Kraft des Heiligen Geistes! (Röm 15,13). Heilsgewissheit
ist daher die biblisch begründete Erkenntnis, dass ich
mich auf dem schmalen Weg befinde, der zum ewigen Leben führt.
Daher basiert diese Gewissheit auf dem Wort Gottes, besteht
jedoch in der Befähigung durch den Heiligen Geist, in mir
einen Charakter zu entdecken, dem die Verheißungen Gottes
gelten. Wir beurteilen uns jetzt anhand desselben Wortes Gottes,
anhand dessen auch Gott einst Lebende und Tote richten wird.
Daher ist jede aufrichtige Seele verpflichtet, die biblischen
Kennzeichen der Kinder Gottes gegenüberzustellen mit den
Charaktermerkmalen seiner eigenen Seele, und zu bestimmen, ob
es irgendeine echte Übereinstimmung gibt. Wir wollen dieses
Kapitel beenden mit einem Zitat von Samuel Rutherford aus dem
Jahre 1637:
Du kannst dich von den Verworfenen unterscheiden, wenn du
diese Kennzeichen hast: Wenn du Christus und seine Wahrheit
so wertschätzt, dass du alles verkaufen und ihn erwerben
und für ihn leiden würdest. Wenn die Liebe Christi
dich mehr vom Sündigen abhält als das Gesetz oder
die Furcht vor der Hölle. Wenn du demütig bist und
deinen eigenen Willen verleugnest sowie deinen Verstand, dein
Ansehen, deine Laufbahn, deine Ehre, die Welt und alle ihren
Trug und Glanz. Dein Bekenntnis darf nicht fruchtlos und ohne
gute Werke sein. Du musst in allen Dingen nach Gottes Ehre streben.
Wenn du isst, schläfst, kaufst, verkaufst, sitzt, stehst,
sprichst, betest, liest und das Wort Gottes hörst, musst
du mit dem Herzen darauf ausgerichtet sein, das Gott geehrt
wird. Mache dir tägliches Gebet zur Gewohnheit, befiel
all deine Wege und Taten Gott an durch Gebet, Fürbitte
und Danksagung; und gib nicht viel darauf, verspottet zu werden,
denn Christus Jesus wurde vor dir verspottet.
(Kapitel 14)
Heilsgewissheit: Wie sie erlangt
wird
Als Paulus an die gläubigen Philipper schrieb, wurde
er zu der Aussage inspiriert: Ich bin ebenso in guter
Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen
hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu (Phil
1,6). Das ist es, was die wiedergeborenen Kinder Gottes von
leeren Bekennern unterscheidet - von solchen, die zwar den Namen
haben, dass sie leben, aber in Wirklichkeit tot sind (Offb
3,1). Das ist der Unterschied zwischen wahren und getäuschten
Christen. Und worin besteht dieses gute Werk, das
Gott in den Geretteten begonnen hat? Es wird in verschiedenen
Schriftstellen unterschiedlich beschrieben. Es ist die Reinigung
ihrer Herzen durch den Glauben (Apg 15,9). Es ist die Liebe
Gottes, die durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen
ist (Röm 5,5). Es ist das Eingravieren des Gesetzes Gottes
auf ihre Herzen (Hebr 8,10). Die Natur der Heilsgewissheit ist
daher eine gut begründete Erkenntnis, dass ich ein Kind
Gottes bin. Die Grundlage dafür ist die eindeutige Übereinstimmung
zwischen meinem Charakter, meiner Erfahrung und meines Lebens
damit, wie das Wort Gottes den Charakter, die Erfahrungen und
das Leben der Kinder Gottes beschreibt. Erlangt wird Heilsgewissheit
daher durch eine aufrichtige Selbstprüfung und einen ehrlichen
Vergleich zwischen mir und den biblischen Kennzeichen der Kinder
Gottes.
Selbstprüfung ist unerlässlich
Eine verlässliche und befriedigende Gewissheit kann nur
durch eine gründliche Selbstprüfung erlangt werden.
Richard Baxter schrieb 1680:
O, ihr Christen, ruht deshalb nicht, bis ihr diese Ruhe euer
eigen nennen könnt. Setz dich nicht nieder ohne Gewissheit.
Zieh dich ins Kämmerlein zurück und unterziehe dein
Herz einem gerichtlichen Verhör: Zwinge es, die ihm vorgelegten
Fragen zu beantworten, stelle die Merkmale der Gläubigen
auf die eine Seite, und die Merkmale deiner Seele auf die andere,
und dann urteile, welche Übereinstimmung zwischen beiden
besteht. Du hast dasselbe Wort Gottes vor dir, anhand dessen
du an jenem großen Tage gerichtet werden wirst. Du liest
dort dieselben Paragrafen, anhand derer du beurteilt werden
wirst; prüfe dich jetzt selbst an diesen Paragrafen. Mögest
du doch im voraus wissen, unter welchen Bedingungen die Menschen
angenommen oder verdammt werden. Prüfe jetzt, ob du das
besitzt, was dich annehmbar machen wird, oder ob du im Zustand
derer bist, die verdammt werden; und dementsprechend billige
oder verdamme dich selbst. Aber stelle sicher, dass du dich
an einem wahren Prüfstein prüfst, und missverstehe
nicht die biblische Beschreibung eines Heiligen, damit du dich
weder zu Unrecht billigst, noch zu Unrecht verdammst. (Aus:
The Saints Everlasting Rest).
Eine solche Selbstprüfung ist tatsächlich dringend
nötig, denn Unmengen werden getäuscht; sie sind sich
sicher, dass sie Christen sind, obwohl ihnen die Merkmale von
Christen fehlen. C.H. Spurgeon sagte in seiner Predigt über
1. Chronik 4,10:
Sie sagen sie seien gerettet, halten daran fest und halten
es für böse, daran zu zweifeln; und doch haben sie
keinerlei Grund, ihre Zuversicht beizubehalten. Zwischen Vermutung
und voller Gewissheit besteht ein großer Unterschied.
Volle Gewissheit ist mit der Vernunft nachvollziehbar, begründet
auf einer festen Grundlage. Vermutung nimmt etwas für selbstverständlich
an, und erklärt ohne Wimpernschlag das als Eigentum, auf
das keinerlei Anrecht besteht. Hüte dich davor - so bete
ich -, dir anzumaßen, du seiest errettet. Wenn dein Herz
erneuert ist, wenn du die Dinge hasst, die du einst liebtest
und die Dinge liebst, die du einst hasstest, wenn du wirklich
Buße getan hast, wenn eine tiefschürfende Änderung
in deinem Sinn stattgefunden hat, wenn du wiedergeboren wurdest,
dann hast du Grund zur Freude. Aber wenn keine grundlegende
Veränderung vorhanden ist, keine innere Gottseligkeit;
wenn da keine Liebe zu Gott ist, kein Gebet, kein Werk des Heiligen
Geistes, dann ist deine Aussage: Ich bin errettet,
nichts als deine eigene Behauptung, und sie wird dich irreführen,
aber nicht erretten.
O, welche Mühe gibt sich der Teufel, um die Menschen
von diesem entscheidend wichtigen und unverzichtbaren Werk der
Selbstprüfung abzuhalten! Er weiß nur zu gut: Wenn
viele seiner verführten Opfer dieser Aufgabe aufrichtig
nachkämen, dann würden sie bald erkennen, dass kein
Wunder der Gnade an ihnen geschehen ist, und das würde
sie veranlassen, den Herrn von ganzem Herzen zu suchen. Er weiß
auch, dass echte Christen beträchtliche Vorteile hätten
gegenüber der Macht der innewohnenden Sünde, wenn
sie nur ernstlich ihre Herzen prüfen würden. Viele
werden von diesem gesunden Werk abgehalten durch das schlechte
Vorbild so vieler, die heute den Namen Christi tragen. Nicht
wenige argumentieren, wenn sie einen solchen Christen kennen:
Wenn er, der so weltlich ist, so von der Lust des Fleisches,
der Lust der Augen und dem Hochmut des Lebens geleitet
ist (und er schon so lange Christ ist und die Bibel viel besser
kennt als ich) - wenn er sicher ist, dass er auf dem Weg zum
Himmel ist -, warum sollte ich mir dann Sorgen machen?
Hindernisse für eine Selbstprüfung
Der Zustand des Herzens hält viele von der Pflicht der
Selbstprüfung ab. Manche sind so unwissend, dass sie weder
wissen, was Selbstprüfung ist, noch was ein Diener Gottes
meint, wenn er Gläubige zu überreden versucht, sich
zu prüfen ... ob ihr im Glauben seid (2Kor 13,5).
Andere sind so in Liebe zur Sünde verhaftet und haben eine
solche Abneigung gegen die heiligen Wege Gottes, dass sie es
nicht wagen, sich auf eine Prüfung ihres Zustandes einzulassen.
Denn dann wären sie womöglich gezwungen, den Weg zu
verlassen, den sie so lieben, und einen Weg zu betreten, den
sie verabscheuen. Andere sind so von ihren weltlichen Geschäften
in Beschlag genommen und so damit beschäftigt, für
sich und ihre Familien zu sorgen, dass sie sagen: Ich
bitte dich, halte mich für entschuldigt (Lk 14,18).
Andere sind so faul und träge, dass sie durch keine Überlegung
dazu bewegt werden können, die nötigen Mühen
auf sich zu nehmen, um ihren eigenen Herzenszustand kennen zu
lernen.
Viele werden von Stolz davon abgehalten. Sie denken hoch
von sich selbst. Sie sind sich ihrer Errettung so gewiss, so
tief davon überzeugt, dass zwischen ihrer Seele und Gott
alles in Ordnung sei, und so halten sie jegliche Suche nach
Beweisen und jegliche schriftgemäße Selbstprüfung
an den Kennzeichen für neue Geschöpfe in Christus
Jesus für unnötig und überflüssig.
Sie sind in einer religiösen Atmosphäre aufgewachsen,
wo niemand unter den bekennenden Christen irgendwelche Zweifel
über seinen Zustand bekundete. Ihnen wurde beigebracht,
dass solche Zweifel vom Teufel kommen und die Gültigkeit
des Wortes Gottes in Abrede stellen. Sie haben so viele bestätigen
gehört: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt,
dass sie es als ihr Pflicht ansehen, diese Behauptung wie ein
Echo zu wiederholen, und vergessen dabei, dass Hiob, von dem
diese Aussage stammt (Hi 19,25), jemand war, von dem Gott sagte:
Es gibt keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen
und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet!
(Hi 1,8).
Zehntausenden wurde beigebracht, es sei falsch für den
Christen, in sich selbst hineinzublicken, und sie folgten blindlings
dem Rat dieser Kurpfuscher, wie Hiob sie nennt (Hi
13,4). Wie kann es falsch sein, wenn ich mein Herz prüfe,
um zu sehen, ob Gott sein Gesetz darauf geschrieben hat oder
nicht (Hebr 8,10)? Wie kann es falsch sein, nachzuschauen und
zu prüfen, ob Gott ein gutes Werk in mir begonnen
hat (Phil 1,6)? Wie kann es falsch sein, mich anhand des
Gleichnisses vom vierfachen Ackerboden zu prüfen, um zu
sehen, welcher dieser vier Böden mein eigenes Herz repräsentiert?
Wie kann es falsch sein, mich an dem Gleichnis von den klugen
und törichten Jungfrauen zu messen, um sicherzustellen,
ob das Öl der Gnade, die Wiedergeburt und Heiligung
bewirkt, im Gefäß meiner Seele vorhanden
ist (Mt 25,4)? Da Gott selbst erklärt: Wenn aber
jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein (Röm
8,9), wie kann es da falsch sein, wenn ich nachprüfe, ob
in mir der Geist Christi wohnt?
Der Puritaner John Owen, sagte richtigerweise (über
Hebräer 3,14; 1670):
Die Bibel ist gebietet und warnt uns immer wieder, dass mit
höchstem Fleiß bei suchen und prüfen sollen,
ob wir zu Teilhabern Christi gemacht worden sind oder nicht,
und ob der Heilige Geist in uns wohnt oder nicht. Diese Aufforderungen
zeigen sowohl, wie schwierig es ist, hierin eine sichere Gewissheit
zu erlangen, als auch wie gefährlich leicht man sich hierin
irrt. Aber sie zeigen auch, wie sicher der fleißige und
regelmäßige Gebrauch der verordneten Mittel zu einem
guten Ergebnis führen wird.
Genau das wurde in den letzten Jahrzehnten so heftig bekämpft.
Eine Religion der Lässigkeit wurde eifrig vorangetrieben,
die bewusst darauf ausgelegt ist, für lässige Menschen
wohlannehmbar zu sein. Die Errettung der Seele und die daraus
folgende Heilsgewissheit wurden dabei präsentiert als eine
äußerst simple Angelegenheit.
Das Problem der heutigen Evangeliumsverkündigung
Wer wirklich von Gott belehrt ist, für den ist offensichtlich,
dass die große Mehrheit der heutigen Evangelisten, christlichen
Autoren und Seelsorger nicht einmal die Hälfte dessen glaubt,
was die Heilige Schrift über die geistliche Ohnmacht des
natürlichen Menschen sagt und über die absolute Notwendigkeit,
dass ein Wunder der Gnade an ihm geschehen muss, bevor er in
rettender Weise zu Christus umkehren kann. Stattdessen meinen
sie irrigerweise, der gefallene Mensch sei frei in seinem
moralischen Handeln und habe die gleiche Macht, Christus
anzunehmen, wie ihn abzulehnen. Sie meinen, alles, was nötig
ist, sei Information und Überzeugung: das Evangelium zu
verkünden und die Menschen zu überreden, daran zu
glauben. Aber haben sie denn niemals vom Heiligen Geist gehört?
O doch, und sie bekennen zu glauben, dass nur er wirksam von
Sünde überführen und die Wiedergeburt bewirken
könne. Aber stimmt ihr Handeln mit diesem Bekenntnis überein?
Sicherlich nicht, denn es fehlt nicht nur praktisch an jedem
Warten auf Gott und an ernstlichen Erbitten der Macht des Heiligen
Geistes, sondern sie stürmen drauf los und sprechen zu
den Unerretteten, als gäbe es den Heiligen Geist gar nicht.
So wie solche Neubekehrten einfach davon ausgehen, dass verlorene
Sünder jederzeit Christus empfangen könnten, wann
immer sie sich dazu entscheiden - so wie ihnen ständig
gesagt wird, dass nichts weiter nötig sei, als zu glauben,
dass Christus für sie starb und sich auf Johannes 3,16
zu verlassen, dann seien sie errettet -, so wurde ihnen auch
die Vorstellung indoktriniert, dass der bekennende Christi jederzeit,
wann immer es ihm beliebt, volle Heilsgewissheit erlangen könne,
und dass dazu nichts weiter nötig sei, als auf Johannes
5,24 zu vertrauen usw. Ein einziger Bibelvers reicht aus,
um zu zeigen, dass diese verbreitete Vorstellung eine Lüge
ist: Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist,
dass wir Kinder Gottes sind (Röm 8,16). Wenn die
geschriebenen Verheißungen Gottes an sich ausreichen würden,
um Heilgewissheit zu geben, wozu würde dann noch die dritte
Person Gottes gebraucht, um zu bezeugen, dass ein
Christ tatsächlich ein Kind Gottes ist?
Der Heilige Geist bezeugt mit unserem Geist
Da die heutige Verkündigung Römer 8,16 so gut wie
außer Acht lässt, wollen wir diesen Vers hier näher
betrachten: Der Geist selbst bezeugt (zusammen) mit unserem
Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Diese Aussage beinhaltet
eindeutig, dass die Gotteskindschaft eines Gläubigen zumindest
zeitweise schmerzhaft ungewiss sein kann, und dass das übernatürliche
Wirken des Heiligen Geistes nötig ist, um diese Tatsache
zu bestätigen und alle Zweifel zu beseitigen. Um sich der
erstaunlichen Tatsache völlig gewiss zu sein, dass Gott
mein geistlicher Vater ist, ist mehr erforderlich als das Zeugnis
meiner eigenen Gefühle oder die Meinung von Menschen, und
- mit Ehrfurcht gesagt - mehr als das Vertrauen auf eine göttliche
Verheißung. Millionen haben auf die Worte vertraut dies
ist mein Leib, und sie ließen sich von keinem Argument
überzeugen, dass das Brot auf dem Tisch nicht buchstäblich
in das Fleisch Jesu verwandelt wird.
Wer ist kompetent genug, um das Werk des Heiligen Geistes
im Herzen zu bezeugen, als nur der Heilige Geist selbst? Und
wie bezeugt er dies dem Gläubigen? Weder durch Visionen
oder Stimmen, noch durch eine direkte Inspiration oder neue
Offenbarung. Auch nicht dadurch, dass dem Gläubigen einige
Schriftstellen einfallen, an die er gerade nicht dachte, sodass
das Herz vor Freude springt. Wenn der Christ keine sicherere
Grundlage hätte als diese, könnte er wohl verzweifeln.
Der Teufel kann ihm eine Schriftstelle vorstellen (siehe Mt
4,6) und sein Opfer zu intensiver Freude und falschem Frieden
verleiten. Deshalb muss das Zeugnis des Heiligen Geistes, wenn
es sicher und überzeugend sein soll, etwas sein, was der
Teufel nicht nachmachen kann. Und was ist das? Dieses: Der Teufel
kann dem Herzen keine göttliche Gnade und keine echte Heiligkeit
verleihen.
Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist.
Bezeugen ist ein juristischer Begriff und bedeutet,
gültige und überzeugende Indizien zu liefern. Unser
Geist bezieht sich hier auf das erneuerte Gewissen. Über
den natürlichen Menschen steht geschrieben: Sie beweisen,
dass das Werk des Gesetzes in ihren Herzen geschrieben ist,
indem ihr Gewissen mit Zeugnis gibt (Röm 2,15). Aber
das Gewissen des natürlichen Menschen ist parteiisch, verfinstert
und abgestumpft. Die Gnade macht es zartfühlend und weich
und bewirkt, dass es seine Aufgabe besser erfüllen kann.
Der wiedergeborene Mensch wünscht sich und strebt danach,
allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott
und den Menschen (Apg 24,16). Wo ein solches Gewissen
durch Gnade besteht, können wir mit dem Apostel sagen:
Unser Rühmen ist dies: (nicht das Vertrauen auf Joh.
3,16, sondern) das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir in Einfalt
und Lauterkeit Gottes ... gewandelt sind in der Welt (2Kor
1,12).
War Paulus etwa vom rechten Weg abgekommen, als er in sich
selbst etwas fand, was ihm ein Grund zum Rühmen
war? Vielen heutigen Predigern zufolge ja. Es ist sehr bedauerlich,
dass diese Männer nicht weniger auf menschliche Literatur
achten und nicht mehr auf die Heilige Schrift, denn dann würden
sie lesen: Von seinen Wegen wird satt, wer abtrünnigen
Herzens ist, und von dem, was in ihm ist, wird satt der gute
Mann (Spr 14,14). Und wenn jemand diesen Vers ablehnt,
weil er aus dem Alten Testament ist, sollte er auch im Neuen
Testament lesen: Ein jeder aber prüfe sein eigenes
Werk, und dann wird er nur im Blick auf sich selbst Ruhm haben
und nicht im Blick auf den anderen (Gal 6,4). Und ein
weiterer Beleg: Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten,
noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. Und hieran
werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und werden
vor ihm unsere Herzen überzeugen (1Jo 3,18.19). Welchen
Weg stellt Gott hier seinen Kindern vor, wie sie in ihren Herzen
Gewissheit des Heils erlangen? Nicht, indem sie ihm sagen, dass
sie eine seiner Verheißungen in Anspruch nehmen, sondern
indem sie in der Wahrheit wandeln, dann wird ihr Geist ihnen
ihre Gotteskindschaft bezeugen.
Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist,
dass wir Kinder Gottes sind. Nicht nur das erneuerte Gewissen,
das der Christ hat, wenn er - durch Gnade - in der Wahrheit
wandelt, bezeugt ihm seine Gotteskindschaft, sondern auch der
Heilige Geist fügt seine Bestätigung hinzu. Wie geschieht
das?
1.) Gott hat in der Bibel klare Kriterien gegeben, anhand
derer wir die Frage beantworten können: Denn so viele
durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne
Gottes (Röm 8,14). Warum wird uns das gesagt, wenn
nichts anderes nötig wäre, als auf Johannes 5,24 zu
vertrauen?
2.) Der Heilige Geist bewirkt solche Gnadengaben im Gläubigen,
die nur bei Gotteskindern möglich sind: In Galater 5,22
werden diese Gnadengaben ausdrücklich die Frucht
des Geistes genannt.
3.) Der Heilige Geist bezeugt die Errettung durch seinen geistlichen
Trost: Die Gemeinde wandelte in der Furcht des Herrn und
mehrte sich durch den Trost des Heiligen Geistes (Apg
9,31; vgl. Röm 15,13).
4.) Der Heilige Geist bezeugt, indem er im Christ die Zuneigungen
bewirkt, die pflichtbewusste Kinder einem weisen und liebevollen
Vater entgegenbringen (Röm 8,15).
Zusammenfassend können wir sagen: Der Heilige Geist bezeugt
zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind, indem
er uns befähigt, im Licht der Bibel die Auswirkungen und
Früchte seines übernatürlichen Wirkens in uns
zu erkennen. Das Verlangen des erneuerten Herzens nach Heiligkeit,
das Streben nach einer vermehrten Umgestaltung in das Bild Jesu
und der Kampf gegen die Sünde sind alle von ihm inspiriert.
Durch die Wiedergeburt zur göttlichen Natur, durch seine
Unterweisung die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden
zu verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig
zu leben in dem jetzigen Zeitlauf (Tit 2,12), führt
uns der Heilige Geist zur sicheren Gewissheit, dass wir Kinder
Gottes sind. Dadurch zeigt er uns eine echte Übereinstimmung
zwischen unserer Erfahrung und der offenbarten Wahrheit. Hieran
erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er
uns von seinem Geist gegeben hat (1Jo 4,13).
Kapitel 15
Heilsgewissheit: wer sie hat
In diesem Kapitel möchten wir kurz den Charakter derer
betrachten, die zu Recht das Vorrecht der Heilsgewissheit genießen.
Auch hier müssen wir uns wieder vor zwei Extremen hüten.
Auf der einen Seite gibt es die Gruppe, die irregeführt
wurde durch den Slogan: Glaube, dass du gerettet bist,
dann bist du gerettet. Dieser Auffassung hält man
am besten entgegen, dass echte Heilsgewissheit niemals größer
ist als die erkennbaren Anzeichen dafür, dass man errettet
ist. Andererseits gibt es jene, die fürchten, dass solche
Anzeichen unerreichbar sind, solange noch Sünde in ihnen
ist. Solche möchten wir fragen: Kann man denn unmöglich
feststellten, ob der eigene Körper gesund ist? Gibt es
nicht bestimmte Symptome und Zeichen, die eindeutige Hinweise
sind? Wenn ich daran zweifelte und befürchtete, dass ich
von einer tödlichen Krankheit befallen sei, dann würde
ich einen Arzt aufsuchen. Wenn dieser Arzt mich dann lediglich
anschaut und leichtfertig sagt, ich sei gesund, dann würde
ich mir einen kompetenteren Arzt suchen. Ich würde um eine
gründliche Untersuchung bitten: der Blutdruck sollte gemessen,
der Herzschlag geprüft, das Blut untersucht und die inneren
Organe abgetastet werden. Genauso sollte es mit der Seele sein.
Wenn wir anhand des Wortes Gottes herausfinden möchten,
wer zu Heilsgewissheit berechtigt ist, sollten wir eine Reihe
von Fragen stellen:
Bei wem wohnt der große Gott, der in der Höhe
und im Heiligen wohnt? Bei dem, der zerschlagenen
und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten
und zu beleben das Herz der Zerschlagenen (Jes 57,15).
Aber auf den will ich blicken: auf den Elenden und den,
der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem
Wort (Jes 66,2).
Zittern Sie vor seinem Wort? Oder machen Sie Witze oder disputieren
Sie über den heiligen Inhalt des Wortes Gottes?
Wem vergibt Gott wirklich? Denen, die Buße tun
und sich bekehren (Apg 3,19), d.h. denen, die der
Welt und der Sünde den Rücken kehren und sich Gott
ergeben; in deren Herzen Gott seine Gebote gibt und sie auf
ihren Sinn schreibt, sodass sie seine Gebote lieben, darüber
nachsinnen und sie halten: Man beachte, dass vor dem Ihrer
Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr
gedenken (Hebr 10,17) steht: Ich werde meine Gesetze
in ihre Herzen geben und sie auch in ihren Sinn schreiben
(Hebr 10,17)!
Was für einen Menschen verglich der Herr Jesus mit jemanden,
der sein Haus auf dem Felsen baut? Nicht mit jemanden, der nur
glaubt, sondern mit jemanden, der diese meine
Worte hört und sie tut (Mt 7,24).
Wer ist wirklich wiedergeboren? Jeder, der die Gerechtigkeit
tut (1Jo 2,29); wer die Brüder liebt, und zwar
mit einer solchen Liebe, wie sie beschrieben ist in 1. Johannes
3,17.18.
Wem offenbart Gott erfahrbar die ewigen Ratschlüsse seiner
Gnade? Das Geheimnis des HERRN ist für die, welche
ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun
(Ps 25,14).
Was sind die Erkennungsmerkmale rettenden Glaubens? Rettender
Glaube reinigt die Herzen (Apg 15,9), ist
durch Liebe wirksam (Gal 5,6) und überwindet
die Welt (1Jo 5,4): nur daran kann ich erkennen, dass
mein Glaube lebendig und geistlich ist.
Die Geburt aus Geist kann nur an ihren Auswirkungen erkannt
werden (Joh 3,8). Daher kann ich vergleichen und prüfen:
Stimmen die Verheißungen Gottes, was er an den Erwählten
durch seinen Geist tun wird, mit dem überein, was an meinem
Herzen geschehen ist, oder nicht? Nur so kann ich mich vergewissern,
ob ich ein Anrecht auf Heilsgewissheit habe. Das ist Geistliches
durch Geistliches deuten (1Kor 2,13).
Wunderbare Dinge hat Gott denen bereitet, die ihn lieben
(1. Korinther 2,9). Wie wichtig ist es daher für mich,
sicherzustellen, dass ich ihn tatsächlich liebe. Viele
meinen, sie liebten Gott, weil sie Furcht vor der ewigen Strafe
haben (oder hatten). Aber das kann nicht sein: Wahre Liebe zu
Gott kommt weder durch Furcht vor der Hölle zustande noch
durch die Hoffnung auf den Himmel: Wenn ich Gott nicht für
das liebe, was er in sich selbst ist, dann liebe ich ihn überhaupt
nicht! Und wenn ich ihn liebe, wird es mein Sehnen, Wünschen
und Streben sein, ihn in allen Dingen zu erfreuen.
(Kapitel 16)
Heilsgewissheit: Hindernisse
Frage: Sind alle wahren Gläubigen zu allen Zeiten ihres
gegenwärtigen Standes der Gnade und ihrer Errettung gewiss?
Antwort: Gewissheit der Gnade und des Heils sind keine Grundelemente
des Glaubens (2Petr 1,10); wahre Gläubige warten womöglich
lange darauf, diese Gewissheit zu erlangen (1Jo 5,13); und nachdem
sie diese Gewissheit erlangt haben, kann sie wieder geschwächt
und unterbrochen werden durch mannigfache Verstimmungen, Sünden,
Versuchungen und Abweichungen (Ps 77,7-9; 31,22 u.a.); doch
entbehren die Gläubigen niemals der Gegenwart und Hilfe
des Geistes Gottes, der sie vom Hinabsinken in völlige
Verzweiflung bewahrt (Ps 73,13-15.23; 1Jo 3,9; Jes 54,7-11).
(Westminster Bekenntnis)
So wie das Fehlen oder der Verlust der leiblichen Gesundheit
nicht immer auf dieselbe Ursache zurückgeht, kann man auch
das Fehlen von oder den Mangel an Heilsgewissheit nicht immer
auf dieselben Gründe zurückführen. Und so wie
ein Arzt sich als höchst inkompetent erweisen würde,
wenn er nur eine einzige Medizin gegen alle Krankheiten verschreiben
würde, so macht sich auch ein christlicher Seelsorger zu
einem Kurpfuscher (Hi 13,4), wenn er bei allen Seelenleiden
stets das gleiche Heilmittel verabreicht. Sowohl im leiblichen
als auch seelischen Bereich gibt es verschiedene Gesundheitsgrade.
Das liegt zuallererst an der Souveränität Gottes,
der seine sowohl natürlichen wie auch geistlichen Gaben
so zuteilt, wie es ihm gefällt. Wir können uns zwar
nicht selber Gesundheit verleihen, aber wir sollten unter dem
Segen Gottes von den berechtigten Mitteln Gebrauch machen, die
der Gesundheit zuträglich sind. So können wir auch
durch unsere sündige Torheit unsere Gesundheit schädigen
und verderben. Dasselbe gilt im geistlichen Bereich.
1. Natürliche Hindernisse
In vielen Fällen mangelt es an Heilsgewissheit wegen
eines schlechten seelischen Gesundheitszustands. Körperliche
Gebrechen wirken sich auf den Sinn aus. Geringe körperliche
Vitalität geht gewöhnlich mit einem niedergedrückten
Geist einher. Eine träge Leber verursacht Depression und
Niedergeschlagenheit. Vielen Depressiven würde
es viel besser gehen, wenn sie sich mehr an der frischen Luft
betätigen, sich besser ernähren und ein wenig Rizinusöl
einnehmen würden. Doch wir würden bei weitem nicht
sagen, solche Therapien würden zur Genesung oder Vermehrung
der Heilsgewissheit beitragen, denn geistliche Ergebnisse können
nicht durch materielle Mittel erzielt werden. Dennoch ist das
Beseitigen von körperlichen Hindernissen oft eine Hilfe.
Wer kann das Wort Gottes nutzbringend lesen, während er
unter nervenaufreibenden Kopfschmerzen leidet! Worauf wir hinauswollen,
ist dieses: Zumindest in manchen Fällen liegt es nur an
natürlichen Mängeln, dass man sich nicht recht an
den Dingen Gottes erfreuen kann. Damit meinen wir natürlich
nicht, dass jemand die Freude des Herrn nicht erfahren könne,
wenn er nicht völlig gesund ist. Viele faszinierende Fälle
beweisen das Gegenteil. Dennoch gilt, dass viele sich geistlichen
Segen entgehen lassen, weil sie nicht die elementaren Regeln
des leiblichen Wohlergehens beachten.
2. Schlechte Belehrung
Bei manchen Kindern Gottes verhindert eine schlechte geistliche
Belehrung, dass sie Heilsgewissheit haben. Sie sind unter einer
zu einseitigen Lehre aufgewachsen, der es an Ausgewogenheit
zwischen den objektiven und subjektiven Seiten der Wahrheit
fehlte. Sie wurden zu viel aufgefordert, sich mit sich selbst
als mit Christus zu beschäftigen. Da sie wissen, dass viele
verführt werden, fürchten sie, dass sie dasselbe Schicksal
erleiden könnten, und so bemühen sie sich in erster
Linie um Selbstprüfung. Angewidert vom anmaßenden
Prahlen leerer Bekenner erkennen sie, wie wertlos die fleischliche
Zuversicht ist, die von den seichten Frömmlern um sie her
bekundet wird. Daher zögern sie, ihre Errettung als gewiss
anzusehen, damit sie sich nicht der Anmaßung schuldig
machen oder sich aufblähen. Sie sehen Zweifel, Ängste
und Unsicherheit als beste Kennzeichen für geistliche Demut
an.
Eine solche Haltung möchten wir zwar auf keinen Fall
unterstützen, doch sagen wir ohne Zögern, dass wir
diese Einstellung bei weitem vorziehen im Vergleich zur anmaßenden
Gewissheit, die heute viele beanspruchen. Viel lieber möchten
wir unser Los teilen mit einer Gemeinschaft von niedrig gesinnten,
nachdenklichen, gegenüber sich selbst misstrauischen Menschen,
die sagen, wie es in einem Lied heißt: Dieses möchte
ich gerne wissen, es bringt mir ängstliche Gedanken ein:
Liebe ich den Herrn oder nicht; bin ich sein oder bin ichs
nicht? Gemeinschaft mit solchen ziehen wir vor gegenüber
der Verbrüderung mit solchen, die niemals im Geringsten
bezweifeln, dass sie von Christus angenommen sind, aber selbstgefällig
und stolz sind, und deren täglicher Lebenswandel weitaus
weniger gottesfürchtig ist als der Wandel der erstgenannten
Gruppe. Es ist weit besser, von einem Bewusstsein meiner Verdorbenheit
niedergedrückt zu sein und über die mangelnde Christusähnlichkeit
zu trauern, als meinen wahren Seelenzustand zu ignorieren und
unbekümmert, leichtsinnig und oberflächlich stets
ein Lächeln auf den Lippen zu tragen.
Aber sicherlich gibt es einen guten Mittelweg zwischen den
Extremen: einerseits stets am Rand der Verzweiflung und im Verlies
des Zweifels zu sein, sodass mir die Freude am Herrn völlig
fremd ist, und andererseits einen falschen Frieden zu haben,
der niemals von der Stimme des Gewissens erschüttert wird.
Heilige Gewissheit und demütige Gesinnung sind nicht unvereinbar.
Derselbe Paulus, der rief: Ich elender Mensch! Wer wird
mich retten von diesem Leibe des Todes? (Röm 7,24),
verkündete auch: Ich weiß, wem ich geglaubt
habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, mein
anvertrautes Gut bis auf jenen Tag zu bewahren (2Tim 1,12).
Seine Selbstbeschreibung als Traurige, aber allezeit uns
freuend (2Kor 6,10) ist eine treffende Zusammenfassung seiner
zweifachen Erfahrung. Auch wir sind täglich Traurige,
wenn Gott uns unsere Augen geöffnet hat, damit wir ein
wenig von unserer ungeheuren Verderbnis sehen, die immer noch
in uns steckt; auch sind wir traurig, wenn wir erkennen, wie
weit entfernt wir von dem Vorbild sind, welches Christus uns
hinterlassen hat. Doch wir sind auch allezeit uns freuend,
weil Gott uns in unseren schrecklichen Zustand nicht in Gleichgültigkeit
belassen, sondern in uns das Sehnen nach Heiligkeit eingepflanzt
hat, und weil wir wissen, dass dieses Sehnen völlig gestillt
werden wird, wenn wir von diesem Leib des Todes befreit werden.
3. Die Angriffe des Teufels
Bei anderen Gläubigen wird die Heilsgewissheit beträchtlich
durch die Angriffe des Teufels gemindert. Dieser Feind versucht
drei wesentliche Dinge zu erreichen: uns zur Sünde zu verleiten,
uns am Ausüben unserer Gnadengaben zu hindern und unseren
Frieden und unsere Freude zu zerstören. Wenn er in den
ersten beiden Punkten scheitert, erzielt er oft im dritten Punkt
großen Erfolg. Er verstellt sich als Engel des Lichts,
predigt der Seele die Forderungen Gottes und die außerordentliche
Sündhaftigkeit der Sünde und verfolgt dabei das Ziel,
das Gewissen zu überwältigen und die Seele in Verzweiflung
zu stürzen. Er hält dem Christen die schreckliche
Vorherrschaft seines Unglaubens vor, seine Kaltherzigkeit gegenüber
Gott und die vielen Punkte, in denen sein Verhalten nicht christusähnlich
ist. Er erinnert den Christen an zahlreiche Sünden, sowohl
Unterlassungs- wie Tatsünden. Je zarter das Gewissen ist,
desto schmerzlicher sind diese Angriffe des Teufels. Viele erliegen
den Bemühungen des Teufels, ihren Frieden aufzustören
und ihre Gewissheit zu verderben, weil sie nicht wissen, wie
sie seinen Angriffen begegnen sollen, und weil sie vergessen,
dass die Bibel das Leben von Gotteskindern bei weitem nicht
fehlerlos und vollkommen schildert. Diesen Angriffen begegnet
man am besten, indem man anerkennt, dass das Fleisch weder aufgehört
hat zu existieren, noch veredelt worden ist. Dann nehmen wir
unsere Zuflucht zum Herrn, wie der Mann, der ihn anflehte: Herr,
ich glaube; hilf meinem Unglauben! (Mk 9,24).
4. Persönliche Sünde
Das verbreitetste Hindernis für Heilsgewissheit ist das
bewusste Verbleiben in Sünde. Wenn ein Christ vorsätzlich
einen Weg geht, den Gottes Wort verbietet, wenn er in sündigen
Gewohnheiten lebt und Gott ihn deswegen oft angerührt hat
und sein Gewissen arg getroffen wurde, er aber unbeirrt weitermacht,
dann ist es kein Wunder, wenn er die Heilsgewissheit und den
Trost des Heiligen Geistes verliert. Das Hegen von Sünde
verdunkelt notwendigerweise das Zeugnis der Gotteskindschaft,
denn es setzt unsere Gnadengaben so auf Sparflamme
herab, dass sie nicht mehr zu erkennen sind. Ungerichtete Sünde
verdunkelt das Auge der Seele so sehr, dass sie nicht mehr ihren
eigenen Stand erkennen kann, und stumpft das Herz so weit ab,
dass es seinen Zustand nicht mehr wahrnimmt. Aber mehr noch:
Sünde reizt Gott auf, sodass er uns das segensreiche Licht
seines Angesichts entzieht: Eure Vergehen sind es, die
eine Scheidung gemacht haben zwischen euch und eurem Gott, und
eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt,
dass er nicht hört (Jes 59,2).
Die traurige Geschichte Davids ist ein erhabenes Beispiel
hierfür. Als er mit Batseba in Sünde fiel, führte
das zu schmerzlichen Konsequenzen. In Psalm 32 schrieb er: Als
ich schwieg, zerfielen meine Gebeine durch mein Gestöhn
den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir deine Hand;
verwandelt wurde mein Saft in Sommergluten (V. 3.4). Doch,
dank sei Gott, endete sein irdisches Leben nicht in diesem beklagenswerten
Zustand: So tat ich dir kund meine Sünde und deckte
meine Schuld nicht zu. Ich sagte: Ich will dem HERRN meine Übertretungen
bekennen; und du, du hast vergeben die Schuld meiner Sünde
(Ps 32,5). Noch mehr Aufschluss über die tiefen Übungen,
durch die David ging, gibt uns Psalm 51. Dort hören wir
ihn weinen:
Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle
meine Schuld! Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere
in mir einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht,
und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir! Lass mir
wiederkehren die Freude deines Heils, und stütze mich mit
einem willigen Geist! (V. 11-14).
(Kapitel 17)
Heilsgewissheit: wie sie aufrechterhalten
wird
Auch hier müssen wir uns wieder vor zwei Extremen hüten:
einerseits vor der fatalistischen Lethargie nach dem Motto:
Ich kann mir sowieso nicht helfen, und andererseits
vor der humanistischen Anmaßung, die besagt, das Heilmittel
stünde in meinen eigenen Händen. Geistliche Heilsgewissheit
ist eine göttliche Gabe, und dennoch ist der Christ verantwortlich,
diese Gewissheit zu bewahren. Es stimmt, dass ich weder meinem
Gewissen Frieden einreden noch meinem verwundeten Herzen Balsam
aus Gilead auftragen kann, doch kann ich vieles tun, was
den großen Arzt der Ärzte betrübt und zurückweist.
Wir können uns nicht selber Gott nahe bringen, aber wir
können von ihm weggehen. Von uns selbst können wir
nicht zu seiner Ehre leben, aber wir können zu unserer
eigenen Ehre leben. Von uns selbst können wir nicht nach
dem Geist wandeln, aber nach dem Fleisch. Wir können uns
nicht selbst fruchtbar zu jedem guten Werk machen,
aber wir können durch Ungehorsam und Selbstgefälligkeit
Magerkeit über unsere Seelen bringen und Kälte über
unsere Gefühle. Wir können uns selber keine Gesundheit
verleihen, aber wir können von den Mitteln Gebrauch machen,
durch welche Gott uns gesund machen will.
1. Behüte dein Herz
Heilsgewissheit kann nicht bewahrt werden, wenn der Christ
nicht sein Herz behütet, und zwar mehr
als alles, was man sonst bewahrt (Spr 4,23). Wachet
und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! (Mk 14,38).
Seht zu, Brüder, dass nicht etwa in jemandem von
euch ein böses Herz des Unglaubens sei im Abfall vom lebendigen
Gott (Hebr 3,12). John Owen beschrieb, was dazu nötig
ist, als
einen wachsamer Kampf und Widerstand gegen das ganze Werk
der Sünde, sowohl in ihrem Trug als auch in ihrer Macht,
mit all ihren Begünstigungen und Bekräftigungen, die
sie vom Teufel und der Welt bezieht. Dazu ruft der Apostel besonders
auf mit seinen Warnungen und Ermahnungen an uns, dass wir Acht
haben sollen, dass wir nicht von der Sünde verhärtet
werden. Denn sie ist ganz darauf ausgelegt, unsere Zuneigung
zu Christus und unser Beharren in ihm zu beeinträchtigen
und uns so vom lebendigen Gott wegzuziehen.
Insbesondere müssen Christen beten und darum ringen,
gegen vorsätzliche Sünden anzugehen. Rechte Hände
müssen abgehauen und rechte Augen ausgerissen werden (Mt
5,29); ein erkranktes Glied muss amputiert werden, denn sonst
ist die tödliche Krankheit nicht aufzuhalten. Wir müssen
zu Gott flehen, dass er uns die Gnade gebe, die hartnäckigen
Sünden zu töten, die uns zu schaffen machen. Bedenken
wir: Es bedeutet, den Herrn zu versuchen, wenn man
sich bewusst an einen Ort der Gefahr begibt oder sich willentlich
den Angriffen der Sünde aussetzt. Begib dich nicht
auf den Pfad der Gottlosen und tue keinen Schritt auf dem Wege
der Bösen! Meide ihn, überschreite ihn nicht einmal,
weiche davon und gehe vorüber! (Spr 4,14.15). Zu
welch vorsichtigem, bedächtigen Wandeln sind wir aufgerufen
in einer Welt, die an jeder Ecke voller Fallstricken steckt!
2. Pflege die Gnadengaben
Heilsgewissheit kann nicht bewahrt werden, wenn der Christ
nicht fleißig seine Gnadengaben pflegt. Ein Christ ist
Teilhaber jener geistlichen Gaben geworden, die mit der
Seligkeit verbunden sind (Hebr 6,9), und um Trost und
Freude zu erlangen und zu bewahren ist es erforderlich, dass
er weiß, dass er diese Gaben besitzt. Der beste Beweis,
dass wir im Stand der Gnade sind, ist es, in der Gnade zu wachsen.
Dazu ist ein beständiges tägliches Hegen nötig
und das Streben, jede Gnadengabe zu fördern und zu stärken,
durch die wir in Christus bleiben. Vernachlässigte Gnade
wird verdorren und wird im Begriff stehen, zu sterben
(Offb 3,2). Ja, sie wird sogar völlig damit aufhören,
uns die Liebe Gottes zu uns und unsere Vereinigung mit Christus
zu bezeugen. Einige Gemeinden aus den Sendschreiben der Offenbarung
hatten ihre erste Liebe und auch ihre ersten Werke verlassen.
Daher ergeht an uns der Befehl, in der Gnade zu wachsen, und
diesem Befehl gehorchen wir, wenn die Gnade in uns wächst
und gedeiht. Das geschieht, wie John Owen schrieb, auf zweierlei
Weise:
Erstens wenn eine individuelle Gnade gefördert wird,
wenn jener Glaube, der schwach war, stark wird, und jene Liebe,
die matt und kalt war, leidenschaftlich und inbrünstig
wird. Das kann nur erreicht werden durch das eifrige Ausüben
dieser Gnaden selbst und einem beständigen Hinwenden unserer
Seelen durch diese Gnaden zum Herrn Jesus Christus.
Zweitens durch das Zufügen der einen Gnade zur anderen:
Eben deshalb wendet aber auch allen Fleiß auf und
reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die
Erkenntnis usw. (2Petr 1,5); das ist das rechte Werk geistlichen
Fleißes. Das ist die Natur der evangelischen Gnadengaben,
weil sie in Christus miteinander verbunden sind und in uns von
ein und demselben Geist gewirkt werden. Das Ausüben der
einen führt uns zur Förderung der anderen in der Seele
und zu deren Ausübung.
3. Bereinige Schuld unverzüglich
Heilsgewissheit wird aufrechterhalten, wenn wir vermeiden,
Schuld vor Gott aufzuhäufen und begangene Sünde sofort
bereinigen. Lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen
in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und
damit gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen
mit reinem Wasser (Hebr 10,22). Man beachte den engen
Zusammenhang zwischen diesen Dingen. Wir können Gott nicht
aufrichtig und von Herzen als Anbeter nahen, während die
Schuld von Sünde auf unserem Gewissen liegt. Unsere Freimütigkeit,
dem dreifach heiligem Gott zu nahen, wird durch nichts mehr
beeinträchtigt als durch die schmerzliche Erkenntnis, dass
mein Wandel ihm missfallen hat. Geliebte, wenn das Herz
uns nicht verurteilt, haben wir Freimütigkeit zu Gott
(1Jo 3,21). Doch so sehr der Christ sich auch mühen und
in Acht nehmen mag, wird er doch oft straucheln
(Jak 3,2), und zwar durch tägliche Unterlassungs- und Tatsünden.
Doch dank sei Gott, dass unser liebevoller Vater auch für
diese traurigen Versagen Vorkehrung getroffen hat: Wenn
wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass
er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit
(1Jo 1,9). Sobald uns bewusst wird, versagt zu haben, sollten
wir Gott unser Herz ausschütten, und nichts verbergen,
sondern jedes Vergehen freimütig bekennen. Wir sollten
uns auch nicht fürchten, dies häufig zu tun, täglich,
ja ständig. Wenn der Herr uns auffordert, unserem sündigenden
Bruder sieben mal siebzig Mal zu vergeben (Mt 18,22),
wird er dann weniger barmherzig sein? Wer seine Verbrechen
zudeckt, wird keinen Erfolg haben; wer sie aber bekennt und
lässt (im Herzen und im Streben), wird Erbarmen finden
(Spr 28,13).
4. Pflege die tägliche Gemeinschaft mit Gott
Und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit
seinem Sohn Jesus Christus. Und dies schreiben wir, damit unsere
Freude vollkommen sei (1Jo 1,3.4). Man beachte die Beziehung
zwischen diesen beiden Aussagen: Vollkommene Freude (was im
1. Johannesbrief vor allem bedeutet, in ungetrübter Gewissheit
der Gotteskindschaft zu leben) ist die Frucht der Gemeinschaft
mit dem Vater und seinem Sohn. Aber was bedeutet der Begriff
Gemeinschaft? Viele haben offenbar nur eine vage
und mutmaßliche Vorstellung davon. Diese Beziehung umfasst
Einheit des Herzens und Denkens, gemeinsame Interessen und Freuden,
Einheit des Willens und Strebens und gegenseitige Liebe. Es
ist eine Gemeinschaft im Licht (1Jo 1,5-7). Der
Herr Jesus hat diese Gemeinschaft mit Gott vollkommen verwirklicht
und uns ein perfektes Beispiel dafür gegeben. Er wandelte
in ununterbrochener Gemeinschaft mit dem Vater: Er freute sich
an Gottes Willen (Ps 40,8), hielt seine Gebote (Joh 14,31) und
tat stets das, was in Gottes Augen wohlgefällig war (Joh
8,29). Und gerade Johannes schreibt auch: Wer sagt, dass
er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie
er gewandelt ist (1Jo 2,6). Welch ein Maßstab wird
uns hier vorgestellt! Doch danach sollen wir uns unter Gebet
ständig ausstrecken.
Gemeinschaft mit Gott ist das Teilhaben am Licht und an der
Liebe Gottes. Sie beinhaltet, das zu verweigern, was er hasst
und die Dinge zu wählen, die ihn erfreuen. Sie bedeutet,
meinen ganzen Willen an ihn zu verlieren. Sie ist ein Aus-sich-selbst-Herausgehen
und ein Ergreifen Gottes in Christus. Sie bedeutet, seine Beurteilung
der Dinge anzunehmen, seine Gedanken nach-zudenken, die Welt
aus seinem Blickpunkt zu sehen, samt allem, was in ihr ist und
all unserem gegenwärtigen und zukünftigen Leben. Diese
Gemeinschaft bedeutet daher, in das Ebenbild seiner heiligen
Natur umgestaltet zu werden. Sie bedeutet, zu seiner Ehre zu
leben. Und so ist sie eine Gemeinschaft der Freude, und die
Freude am HERRN ist eure Stärke (Neh 8,10): Stärke
und Kraft, um Versuchungen zu überwinden, um die Pflichten
des Lebens zu bewältigen und alle Sorgen und Enttäuschungen
zu ertragen. Je enger wir mit dem Herrn wandeln, desto leuchtender
werden die Anzeichen unserer Gotteskindschaft hervorstrahlen.
(Kapitel 18)
Heilsgewissheit: ihre Früchte
Heilsgewissheit befreit von den Zweifeln und Befürchtungen,
die so manchen Christen seiner berechtigten Freude im Herrn
berauben. Das wird deutlich aus dem Kontrast in Römer 8,15:
Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen,
wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr
empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Unsicherheit
ist in vielen Lebenslagen schlecht, aber am schlimmsten in Verbindung
mit unserem ewigen Schicksal. Doch wahre Gewissheit befreit
uns von der schmerzlichen Knechtschaft der Ungewissheit und
nimmt sogar dem Tod seinen Schrecken. Die Seele, die Heilsgewissheit
hat, kann sagen: Freuen, ja freuen will ich mich in dem
HERRN! Jubeln soll meine Seele in meinem Gott! Denn er hat mich
bekleidet mit Kleidern des Heils (Jes 61,10).
Wahre Heilsgewissheit verleiht Geduld in Drangsalen: Denn
ihr habt sowohl mit den Gefangenen gelitten als auch den Raub
eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass
ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz
habt (Hebr 10,34). Wo das Herz in Gott verankert ist und
den Sonnenschein seines Angesichts genießt, wird sich
der Christ nicht vor üblen Nachrichten fürchten. Er
bleibt auch in Trauer gelassen und lässt sich von Verfolgungen
nicht erschüttern. Der Märtyrer Latimer sagte 1551
zu seinem Leidensgenossen Ridley: Wenn ich in einer gefestigten
und beständigen Gewissheit über den Stand meiner Seele
lebe, dünkt mich, dass ich kühn wie ein Löwe
bin. Ich kann über alle Drangsale lachen: kein Leid erschreckt
mich. Doch wenn mein Trost verfinstert ist, bin ich ein so furchtsamer
Geist, dass ich in jedes Mauseloch kriechen könnte.
Heilsgewissheit führt zu einer Freude an Gott, die den
Gläubigen dazu bringt, jene vergänglichen Vergnügungen
zu verachten, die der Weltling so heiß und innig liebt.
Der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist
kein Ertrag. Der Ölbaum versagt seine Leistung, und die
Terrassengärten bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe
sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den
Ställen. - Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken,
will jubeln über den Gott meines Heils (Hab 3,17.18).
Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr,
eure Berufung und Erwählung fest zu machen! ... Denn so
wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige
Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus (2Petr
1,10.11).
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