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Die Passion Jesu Christi
von John Piper, Leseprobe Kapitel 46-50

 

Kapitel 46
Christus litt und starb ...
um alle seine Schafe aus aller Welt zu sammeln
"Dies aber sagte er nicht aus sich selbst, sondern da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation allein, sondern dass er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte"
Johannes 11,51-52
"Ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein."
Johannes 10,16
Es kann vorkommen, dass ein Esel ohne es zu wissen als Sprachrohr Gottes fungiert (4. Mose 22,28). Gleiches kann für einen Prediger oder Priester gelten. So war es bei Kajaphas, der zur Zeit von Jesu Verurteilung Hoherpriester in Israel war. Ohne die eigentliche Bedeutung zu kennen, sagte er zu den führenden Israeliten: "Es ist euch nützlich, dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation umkomme." (Johannes 11,50). Das hatte eine zweifache Bedeutung. Kajaphas meinte: Besser Jesus stirbt, als dass die Römer dem Volk Verrat vorwerfen und es vernichten. Aber Gott meinte mit dieser Aussage etwas anderes. Die Bibel klärt uns auf: "Dies aber sagte er nicht aus sich selbst, sondern da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation allein, sondern dass er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte" (Johannes 11,51-52).
Jesus sagte mit einer anderen Metapher dasselbe: Anstatt von "zerstreuten Kindern Gottes" sprach er von "Schafen" außerhalb der Herde Israels. "Ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein."
Beide Aussagen sind auf ihre Weise höchst erstaunlich. Sie lehren, dass es überall auf der Welt Menschen gibt, die Gott dazu erwählt hat, dass sie mit dem Evangelium erreicht und durch Jesus Christus errettet werden. Es gibt die in der Welt "zerstreuten Kinder Gottes". Es gibt die "Schafe, die nicht aus diesem [jüdischen] Hof sind". Das bedeutet, dass Gott sehr energisch damit beschäftigt ist, ein Volk für seinen Sohn zu sammeln. Er ruft sein Volk auf, hinauszugehen und Jünger zu machen, aber er geht auch vor ihnen her. Schon bevor seine Boten irgendwo hinkommen, hat er dort sein erwähltes Volk. So spricht Jesus von Bekehrten, die Gott zu seinem Eigentumsvolk gemacht und dann zu seinem Sohn gebracht hat: "Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen ... Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben." (Johannes 6,37; 17,6)
Es ist eine gewaltige Sache, dass Gott auf alle Völker der Welt herabschaut und sich eine Herde erwählt - und dann Missionare im Namen Christi zu ihnen sendet und seine Erwählten unter die Verkündigung des Evangeliums bringt und sie errettet. Auf keine andere Weise könnten sie errettet werden. Mission ist unentbehrlich. "Die Schafe hören seine Stimme und er ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus ... und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen" (Johannes 10,3-4).
Jesus litt und starb, damit die Schafe seine Stimme hören können und leben. Genau das sagte Kajaphas unwissentlich: "dass Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation allein, sondern dass er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte." Er gab sein Leben, um die Schafe zu sammeln. Mit seinem Blut erwarb er die Gnade, die seine Stimme für die Seinen unverkennbar macht. Beten Sie, dass Gott Ihnen diese Gnade gibt, damit Sie hören und leben.
Kapitel 47
Christus litt und starb ...
um uns vor dem künftigen Gericht zu retten
So wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male ohne Beziehung zur Sünde denen zum Heil erscheinen, die ihn erwarten.
Hebräer 9,28
Das christliche Heil betrifft die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Bibel sagt: "Denn aus Gnade seid ihr errettet [worden] durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es" (Epheser 2,8). Sie bezeichnet das Evangelium als die Kraft Gottes für uns, "die wir errettet werden" (1. Korinther 1,18). Und sie sagt: "Jetzt ist unsere Rettung näher, als da wir zum Glauben kamen" (Römer 13,11). Wir sind einst gerettet worden. Wir werden jetzt gerettet. Und wir werden in Zukunft gerettet werden.
In jeder Phase werden wir durch den Tod Christi gerettet. In der Vergangenheit hat Christus ein für allemal für unsere Sünden bezahlt. Wir wurden allein durch Glauben gerechtfertigt. In der Gegenwart gewährleistet der Tod Jesu die Kraft des Heiligen Geistes, um uns fortschreitend von der Herrschaft und Verunreinigung der Sünde zu retten. Und in der Zukunft wird es das am Kreuz vergossene Blut Jesu sein, das uns vor dem Zorn Gottes schützt und uns zur Vollendung und ewigen Freude führt.
Ein ganz reales Gericht wird stattfinden. Die Bibel beschreibt es als "furchtbares Erwarten des Gerichts und [als] Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird" (Hebräer 10,27). Gott ruft uns auf: "Wir [sollen] Gott wohlgefällig dienen mit Scheu und Furcht! Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer" (Hebräer 12,28-29). Johannes der Täufer warnte seine Zeitgenossen: "Wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen?" (Matthäus 3,7). Denn Jesus selbst wird "vom Himmel her [kommen] mit den Engeln seiner Macht, in flammendem Feuer. Dabei übt er Vergeltung an denen, die Gott nicht kennen, und an denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus nicht gehorchen; sie werden Strafe leiden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke" (2. Thessalonicher 1,7-9).
Manche Bilder von diesem künftigen Zorn sind fast unfassbar schrecklich. Ironischerweise gibt uns gerade Johannes, der "Apostel der Liebe", die anschaulichsten Einblicke in die Hölle. Wer Christus verwirft und sich mit dem Widersacher verbündet "wird trinken vom Wein des Grimmes Gottes, der unvermischt im Kelch seines Zornes bereitet ist; und er wird mit Feuer und Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm. Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht" (Offenbarung 14,10-11).
Wenn wir nicht zumindest etwas vom Schrecken des künftigen Zornes Gottes erkannt haben, werden wir wahrscheinlich nicht verstehen, wie erleichternd das Heilswerk Christi von den ersten Christen empfunden wurde: Sie erwarteten "seinen Sohn aus den Himmeln, den er aus den Toten auferweckt hat - Jesus, der uns errettet von dem kommenden Zorn" (1. Thessalonicher 1,10). Allein Jesus Christus kann uns vor dem kommenden Zorn retten. Ohne ihn würden wir für immer im Verderben untergehen.
Doch wenn er uns am Ende errettet, dann auf Grundlage seines Blutes. "So wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male ohne Beziehung zur Sünde denen zum Heil erscheinen, die ihn erwarten" (Hebräer 9,28). Das Problem der Sünde ist ein für allemal gelöst. Kein weiteres Opfer ist nötig. Unser Schutzschild vor dem künftigen Zorn ist so sicher wie das Leiden Christi an unserer Statt. So lasst uns aufgrund des Kreuzes über die zukünftige Gnade jubeln!

Kapitel 48
Christus litt und starb ...
um seine und unsere Freude zu erlangen
"Jesus ... der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes."
Hebräer 12,2
Der Weg zur Freude ist mühsam. Er ist mühsam für uns, und er war mühsam für Jesus. Er kostete ihm das Leben. Auch uns kann er das Leben kosten. "Um der vor ihm liegenden Freude willen erduldete er das Kreuz." Erst kam das Leid des Kreuzes, dann das Glück des Himmels. Einen anderen Weg gab es nicht.
Die "vor ihm liegende Freude" hat viele Aspekte. Sie ist die Freude, wieder eins mit dem Vater zu sein: "Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar" (Psalm 16,11) Es ist die Freude, über die Sünde zu triumphieren: "Er hat sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt, nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat" (Hebräer 1,3). Es ist die Freude, seine göttlichen Rechte wieder erlangt zu haben: Er hat sich "gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes" (Hebräer 12,2).Es ist die Freude, vom Lobpreis all derer umgeben zu sein, für die er gestorben ist: "So wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut" (Lukas 15,7) - und wie viel Freude wird dann erst über Millionen von erlösten Sündern sein!
Und was ist nun mit uns? Ist er in die Freude eingegangen und hat uns hier im Elend zurückgelassen? Nein. Bevor er starb, stellte er den Zusammenhang zwischen seiner und unserer Freude her: "Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde" (Johannes 15,11). Er wusste, welche Freude vor ihm liegt und sagte: "Meine Freude soll in euch sein." Wir, die wir an ihn glauben, werden eine so große Freude mit Jesus teilen, wie sie ein begrenztes Geschöpf größer nicht erfahren kann.
Aber der Weg dorthin ist mühsam. Jesus warnte uns: "In der Welt habt ihr Bedrängnis" (Johannes 16,33). "Ein Jünger ist nicht über dem Lehrer ... Wenn sie den Hausherrn Beelzebul genannt haben, wie viel mehr seine Hausgenossen!" (Matthäus 10,24-25). "Sie werden einige von euch töten; und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen" (Lukas 21,16-17). Das ist der Weg, den Jesus ging, und das ist der Weg zur Freude - so wird seine Freude in uns triumphieren und unsere Freude völlig werden.
So wie die Hoffnung auf die Freude Christus befähigte, das Kreuz zu erdulden, so ermöglicht auch uns die Hoffnung auf diese Freude, mit ihm mitzuleiden. Genau darauf bereitete Jesus uns vor, als er sagte: "Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln" (Matthäus 5,11-12). Unser Lohn wird es sein, Gott mit derselben Freude zu genießen, wie der Sohn Gottes seinen Vater genießt.
Wenn Jesus nicht bereitwillig gestorben wäre, dann wären wir in unseren Sünden umgekommen. Seine und unsere Freude wurde am Kreuz errungen. Nun folgen wir ihm auf dem Weg der Liebe. Wir meinen, "dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll" (Römer 8,18). Jetzt leiden wir zusammen mit ihm Schmach. Aber dann wird ungetrübte Freude herrschen. Jedes Risiko, das wegen der Liebe nötig ist, werden wir auf uns nehmen. Nicht mit heroischer Stärke, aber in der Kraft der Hoffnung: "Am Abend kehrt Weinen ein, und am Morgen ist Jubel da" (Psalm 30,6).

Kapitel 49
Christus litt und starb ...
damit er mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt wird
"Wir sehen aber Jesus ... wegen des Todesleidens mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt."
Hebräer 2,9
"Indem er den Menschen gleich geworden ist und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist."
Philipper 2,7-9
"Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Lobpreis."
Offenbarung 5,12
Am Vorabend seines Todes betete Jesus im Bewusstsein dessen, was ihn erwartete: "Nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war!" (Johannes 17,5). Und so geschah es auch: Er wurde "wegen des Todesleidens mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt" (Hebräer 2,9). Seine Verherrlichung war der Lohn für sein Leiden. Er war "gehorsam bis zum Tod ... Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben" (Philipper 2,8-9). Gerade weil das Lamm geschlachtet worden ist, ist es "würdig ... zu empfangen ... Ehre und Herrlichkeit" (Offenbarung 5,12). Die Passion Jesu Christi fand nicht einfach zeitlich vor seiner Krönung statt, sondern war der Preis und die Krönung war der Lohn. Er starb, um diese Herrlichkeit zu erlangen.
Viele stolpern über diesen Punkt. Sie sagen: "Wie kann das Liebe sein? Wie kann Jesus motiviert gewesen sein einerseits von dem Ziel, uns Freude zu geben, und andererseits von dem Ziel, seine eigene Herrlichkeit zu erlangen? Seit wann ist Eitelkeit eine Tugend?" Das ist eine gute Frage - und es gibt eine wunderbare biblische Antwort darauf.
Die Antwort liegt darin begründet, was echte Liebe wirklich ist. Die meisten von uns sind mit der Vorstellung groß geworden, geliebt zu werden, bedeute, dass man wertvoll gemacht wird. Das ganze Weltsystem scheint auf dieser Annahme zu beruhen. Wenn ich dich liebe, dann mach ich dich wertvoll. Ich helfe dir, gute Gefühle über dich selbst zu haben. Man könnte meinen, der Schlüssel zu Glück sei der richtige Blick für sich selbst.
Aber wir wissen es besser. Sogar ohne in die Bibel zu schauen, wissen wir, dass diese Vorstellung falsch ist. Unsere glücklichsten Augenblicke waren nicht die, als wir von uns selbst erfüllt, sondern als wir selbstvergessen waren. Vielleicht standen wir am Grand Canyon oder am Fuß des Kilimanjaro oder beobachteten einen atemberaubenden Sonnenuntergang in der Wüste - und erlebten für einen flüchtigen Augenblick das Glück reiner Bewunderung. Das ist es, wozu wir erschaffen sind. Das Paradies wird kein Spiegelsaal sein. Es wird die Vorführung von Majestät sein - aber nicht unserer.
Wenn das wahr ist und Christus die majestätischste Person im Universum ist, worin erweist er dann seine Liebe zu uns? Gewiss nicht darin, dass er uns ein großes Selbstwertgefühl vermittelt. Das würde unsere Seelen nicht sättigen. Wir sind für etwas viel Größeres erschaffen worden. Wenn wir so glücklich wie nur irgend möglich sein wollen, müssen wir die glorreichste Person des Universums anschauen und genießen: Jesus Christus. Das bedeutet, um uns zu lieben, muss Jesus die Fülle seiner eigenen Herrlichkeit erlangen und uns diese zu unserem Genuss offenbaren. Deshalb betete er am Vorabend seines Todes: "Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen" (Johannes 17,24). Das war Liebe. "Ich werde ihnen meine Herrlichkeit zeigen". Als Jesus starb, um die Fülle seiner Herrlichkeit wiederzuerlangen, starb er für unsere Freude. Liebe bedeutet, sich ungeachtet der Kosten abzumühen, um Menschen zu helfen, von dem begeistert zu sein, was sie am glücklichsten machen kann. Und das ist Jesus Christus. So liebt Jesus.

Kapitel 50
Christus litt und starb ...
um zu zeigen, dass das schlimmste Übel von Gott zum Guten gedacht ist
"In dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus ... sowohl Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass es geschehen sollte."
Apostelgeschichte 4,27-28
Das Tiefgründigste, was wir über Leid und Übel sagen können, ist, dass Gott in Jesus Christus darin gegenwärtig ist und es zum Guten wendet. Der Ursprung des Bösen bleibt als Geheimnis verhüllt. Die Bibel sagt uns nicht alles, was wir gern wissen würden. Vielmehr sagt sie: "Das Verborgene steht bei dem HERRN, unserm Gott; aber das Offenbare gilt uns" (5. Mose 29,28).
Die Bibel dient nicht als Erklärung, woher das Böse kommt, sondern als Offenbarung, wie Gott sich des Bösen bedient und es ins Gegenteil wendet: Er macht ewige Gerechtigkeit und Freude daraus. Überall im Alten Testament finden sich Hinweise, dass es dem Messias ebenso ergehen wird. Josef, der Sohn Jakobs, wurde in die Sklaverei nach Ägypten verkauft. Siebzehn Jahre lang schien er wie von Gott verlassen zu sein. Aber Gott hatte bei alledem die Fäden in der Hand und machte ihn zum Regenten Ägyptens, sodass er bei einer großen Hungersnot seinen Brüdern, die ihn verkauft hatten, das Leben retten konnte. Seine Geschichte fasst er in den Worten an seine Brüder zusammen: "Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott aber im Sinne, es gut zu machen" (1. Mose 50,20; unrev. Elb.). Das war ein Vorschatten auf Christus hin, der verlassen wurde, um zu retten.
Oder denken wir an die Vorfahren Christi. Einst war Gott der einzige König in Israel. Aber das Volk rebellierte und wollte einen menschlichen König: "Nein, sondern ein König soll über uns sein" (1. Samuel 8,19). Später bekannten sie: "Zu all unsern Sünden haben wir das Böse begangen, einen König für uns zu erbitten" (1. Samuel 12,19). Aber Gott hatte seine Hand darin. Aus der Abstammungslinie dieser Könige brachte er Christus in die Welt. Die irdische Abstammung des sündlosen Heilands geht auf Sünde zurück, denn er kam, um Sünder zu retten.
Am erstaunlichsten jedoch ist: Jesu Weg zum Sieg über Übel und Leid war selbst ein Weg des Übels und Leides. Jede hinterlistige und brutale Tat gegen Jesus war sündig und böse. Doch über all diesem stand Gott. Die Bibel sagt, dass Jesus "nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes hingegeben worden ist" (Apostelgeschichte 2,23). Die Geißelhiebe auf seinen Rücken, die Dornen auf seinem Kopf, der Speichel auf seiner Wange, die Prellungen in seinem Gesicht, die Nägel in seinen Händen, die Lanze in seiner Seite, der Spott der Machthaber, der Verrat seines Freundes, die Flucht seiner Jünger - alles war das Ergebnis von Sünde, und alles war von Gott geplant, um die Macht der Sünde zu besiegen. "Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels [haben alles getan,] was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass es geschehen sollte" (Apostelgeschichte 4,27-28).
Es gibt keine größere Sünde, als den Sohn Gottes zu hassen und umzubringen. Es gab kein größeres Leid und keine größere Unschuld als das Leid und die Unschuld Christi. Doch Gott war in all dem gegenwärtig. "Doch dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen" (Jesaja 53,10). Sein Ziel war es, durch erlittenes Böses und Leiden das Böse und das Leiden zunichte zu machen. "Durch seine Striemen ist uns Heilung geworden" (Jesaja 53,5). Ist also die Passion Jesu Christi von Gott dazu gedacht, der Welt zu zeigen, dass kein Sünde und kein Übel zu groß ist, als dass Gott in Christus nicht ewige Gerechtigkeit und Freude daraus hervorbringen könnte? Genau die Leiden, die wir verursacht haben, sind zur Hoffnung unseres Heils geworden. "Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lukas 23,34).
Ein Gebet
Vater im Himmel, im Namen Jesu Christi bitte ich dich für alle Leser, dass du ihnen das bestätigst, was in diesem Buch wahr ist und das wegnimmst, was vielleicht falsch ist. Ich bitte dich, dass niemand an Christus zu Fall kommt oder Anstoß nimmt an seiner Gottheit, oder an seinen unvergleichlichen Leiden, oder am Zweck seines Leidens. Für viele sind diese Dinge neu. Mögen sie mit Geduld darüber nachdenken. Und mögest du ihnen Verständnis und Einsicht geben.
Ich bitte dich, dass du den Nebel der Gleichgültigkeit gegenüber ewigen Dingen lüftest und dass ihnen die Realität von Himmel und Hölle klar wird. Ich bitte, dass ihnen die zentrale Stellung Jesu Christi in der Weltgeschichte deutlich wird und dass sie sein Leiden als das wichtigste Ereignis aller Zeiten ansehen. Gib bitte, dass wir über den Grat der Zeit sicher in die Ewigkeit eingehen, wo der Wind kristallklarer Wahrheit weht.
Und ich bitte, dass unsere Aufmerksamkeit nicht weggelenkt wird vom absoluten Vorrang deiner göttlichen Absichten, die du mit dem Leiden Christi verwirklicht hast. Bewahre uns, dass wir nicht von der weniger wichtigen Frage abgelenkt werden, welches Volk deinen Sohn getötet hat. Wir alle haben durch unsere Sünde dazu beigetragen. Aber das ist nicht die Hauptsache. Dein Plan und dein Handeln sind die Hauptsache. O Herr, öffne bitte unsere Augen, damit wir sehen, dass du selbst - und kein Mensch - das Leiden Jesu Christi geplant hast. Und gewähre uns von diesem erhabenen Blickpunkt aus eine Sicht für das unendliche Panorama deines von Gnade und Hoffnung bestimmten Ratschlusses mit dem Leiden Christi.
Welch erstaunliche Wahrheit hast du offenbart: "dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten" (1. Timotheus 1,15). Das tat er nicht in erster Linie durch sein Lehren, sondern durch sein Sterben. "Christus ist für unsere Sünden gestorben nach den Schriften" (1. Korinther 15,3). Gibt es eine wunderbarere Botschaft für Menschen wie uns, die wir wissen, dass wir weder die Anforderungen unseres Gewissens nicht erfüllen können, geschweige denn den Anspruch deiner Heiligkeit?
Daher gib bitte, Vater, dass alle, die dieses Buch lesen, ihre Bedürftigkeit und deine vollkommene Gabe in Christus erkennen - und glauben. Das bete ich, weil dein Sohn verheißen hat: "Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nich verloren geht, sondern ewiges Leben hat" (Johannes 3,16). Amen.
© CLV, 2004, Original © John Piper, 2004
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