Die Passion Jesu Christi
von John Piper, Leseprobe Kapitel 46-50
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Kapitel 46
Christus litt und starb ...
um alle seine Schafe aus aller Welt
zu sammeln
"Dies aber sagte er nicht aus sich selbst,
sondern da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass
Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für
die Nation allein, sondern dass er auch die zerstreuten Kinder
Gottes in eins versammelte"
Johannes 11,51-52
"Ich habe andere Schafe, die nicht aus
diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden
meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein."
Johannes 10,16
Es kann vorkommen, dass ein Esel ohne es zu
wissen als Sprachrohr Gottes fungiert (4. Mose 22,28). Gleiches
kann für einen Prediger oder Priester gelten. So war es
bei Kajaphas, der zur Zeit von Jesu Verurteilung Hoherpriester
in Israel war. Ohne die eigentliche Bedeutung zu kennen, sagte
er zu den führenden Israeliten: "Es ist euch nützlich,
dass ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze
Nation umkomme." (Johannes 11,50). Das hatte eine zweifache
Bedeutung. Kajaphas meinte: Besser Jesus stirbt, als dass die
Römer dem Volk Verrat vorwerfen und es vernichten. Aber
Gott meinte mit dieser Aussage etwas anderes. Die Bibel klärt
uns auf: "Dies aber sagte er nicht aus sich selbst, sondern
da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass Jesus
für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation
allein, sondern dass er auch die zerstreuten Kinder Gottes in
eins versammelte" (Johannes 11,51-52).
Jesus sagte mit einer anderen Metapher dasselbe: Anstatt von
"zerstreuten Kindern Gottes" sprach er von "Schafen"
außerhalb der Herde Israels. "Ich habe andere Schafe,
die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen,
und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde,
ein Hirte sein."
Beide Aussagen sind auf ihre Weise höchst erstaunlich.
Sie lehren, dass es überall auf der Welt Menschen gibt,
die Gott dazu erwählt hat, dass sie mit dem Evangelium
erreicht und durch Jesus Christus errettet werden. Es gibt die
in der Welt "zerstreuten Kinder Gottes". Es gibt die
"Schafe, die nicht aus diesem [jüdischen] Hof sind".
Das bedeutet, dass Gott sehr energisch damit beschäftigt
ist, ein Volk für seinen Sohn zu sammeln. Er ruft sein
Volk auf, hinauszugehen und Jünger zu machen, aber er geht
auch vor ihnen her. Schon bevor seine Boten irgendwo hinkommen,
hat er dort sein erwähltes Volk. So spricht Jesus von Bekehrten,
die Gott zu seinem Eigentumsvolk gemacht und dann zu seinem
Sohn gebracht hat: "Alles, was mir der Vater gibt, wird
zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen
... Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben." (Johannes
6,37; 17,6)
Es ist eine gewaltige Sache, dass Gott auf alle Völker
der Welt herabschaut und sich eine Herde erwählt - und
dann Missionare im Namen Christi zu ihnen sendet und seine Erwählten
unter die Verkündigung des Evangeliums bringt und sie errettet.
Auf keine andere Weise könnten sie errettet werden. Mission
ist unentbehrlich. "Die Schafe hören seine Stimme
und er ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie
heraus ... und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme
kennen" (Johannes 10,3-4).
Jesus litt und starb, damit die Schafe seine Stimme hören
können und leben. Genau das sagte Kajaphas unwissentlich:
"dass Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht
für die Nation allein, sondern dass er auch die zerstreuten
Kinder Gottes in eins versammelte." Er gab sein Leben,
um die Schafe zu sammeln. Mit seinem Blut erwarb er die Gnade,
die seine Stimme für die Seinen unverkennbar macht. Beten
Sie, dass Gott Ihnen diese Gnade gibt, damit Sie hören
und leben.
Kapitel 47
Christus litt und starb ...
um uns vor dem künftigen Gericht
zu retten
So wird auch der Christus, nachdem er einmal
geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten
Male ohne Beziehung zur Sünde denen zum Heil erscheinen,
die ihn erwarten.
Hebräer 9,28
Das christliche Heil betrifft die Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Die Bibel sagt: "Denn aus Gnade
seid ihr errettet [worden] durch Glauben, und das nicht aus
euch, Gottes Gabe ist es" (Epheser 2,8). Sie bezeichnet
das Evangelium als die Kraft Gottes für uns, "die
wir errettet werden" (1. Korinther 1,18). Und sie sagt:
"Jetzt ist unsere Rettung näher, als da wir zum Glauben
kamen" (Römer 13,11). Wir sind einst gerettet worden.
Wir werden jetzt gerettet. Und wir werden in Zukunft gerettet
werden.
In jeder Phase werden wir durch den Tod Christi gerettet. In
der Vergangenheit hat Christus ein für allemal für
unsere Sünden bezahlt. Wir wurden allein durch Glauben
gerechtfertigt. In der Gegenwart gewährleistet der Tod
Jesu die Kraft des Heiligen Geistes, um uns fortschreitend von
der Herrschaft und Verunreinigung der Sünde zu retten.
Und in der Zukunft wird es das am Kreuz vergossene Blut Jesu
sein, das uns vor dem Zorn Gottes schützt und uns zur Vollendung
und ewigen Freude führt.
Ein ganz reales Gericht wird stattfinden. Die Bibel beschreibt
es als "furchtbares Erwarten des Gerichts und [als] Eifer
eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird" (Hebräer
10,27). Gott ruft uns auf: "Wir [sollen] Gott wohlgefällig
dienen mit Scheu und Furcht! Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes
Feuer" (Hebräer 12,28-29). Johannes der Täufer
warnte seine Zeitgenossen: "Wer hat euch gewiesen, dem
kommenden Zorn zu entfliehen?" (Matthäus 3,7). Denn
Jesus selbst wird "vom Himmel her [kommen] mit den Engeln
seiner Macht, in flammendem Feuer. Dabei übt er Vergeltung
an denen, die Gott nicht kennen, und an denen, die dem Evangelium
unseres Herrn Jesus nicht gehorchen; sie werden Strafe leiden,
ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit
seiner Stärke" (2. Thessalonicher 1,7-9).
Manche Bilder von diesem künftigen Zorn sind fast unfassbar
schrecklich. Ironischerweise gibt uns gerade Johannes, der "Apostel
der Liebe", die anschaulichsten Einblicke in die Hölle.
Wer Christus verwirft und sich mit dem Widersacher verbündet
"wird trinken vom Wein des Grimmes Gottes, der unvermischt
im Kelch seines Zornes bereitet ist; und er wird mit Feuer und
Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor
dem Lamm. Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu
Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht" (Offenbarung
14,10-11).
Wenn wir nicht zumindest etwas vom Schrecken des künftigen
Zornes Gottes erkannt haben, werden wir wahrscheinlich nicht
verstehen, wie erleichternd das Heilswerk Christi von den ersten
Christen empfunden wurde: Sie erwarteten "seinen Sohn aus
den Himmeln, den er aus den Toten auferweckt hat - Jesus, der
uns errettet von dem kommenden Zorn" (1. Thessalonicher
1,10). Allein Jesus Christus kann uns vor dem kommenden Zorn
retten. Ohne ihn würden wir für immer im Verderben
untergehen.
Doch wenn er uns am Ende errettet, dann auf Grundlage seines
Blutes. "So wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert
worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male
ohne Beziehung zur Sünde denen zum Heil erscheinen, die
ihn erwarten" (Hebräer 9,28). Das Problem der Sünde
ist ein für allemal gelöst. Kein weiteres Opfer ist
nötig. Unser Schutzschild vor dem künftigen Zorn ist
so sicher wie das Leiden Christi an unserer Statt. So lasst
uns aufgrund des Kreuzes über die zukünftige Gnade
jubeln!
Kapitel 48
Christus litt und starb ...
um seine und unsere Freude zu erlangen
"Jesus ... der um der vor ihm liegenden
Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete
und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes."
Hebräer 12,2
Der Weg zur Freude ist mühsam. Er ist
mühsam für uns, und er war mühsam für Jesus.
Er kostete ihm das Leben. Auch uns kann er das Leben kosten.
"Um der vor ihm liegenden Freude willen erduldete er das
Kreuz." Erst kam das Leid des Kreuzes, dann das Glück
des Himmels. Einen anderen Weg gab es nicht.
Die "vor ihm liegende Freude" hat viele Aspekte. Sie
ist die Freude, wieder eins mit dem Vater zu sein: "Fülle
von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner
Rechten immerdar" (Psalm 16,11) Es ist die Freude, über
die Sünde zu triumphieren: "Er hat sich zur Rechten
der Majestät in der Höhe gesetzt, nachdem er die Reinigung
von den Sünden bewirkt hat" (Hebräer 1,3). Es
ist die Freude, seine göttlichen Rechte wieder erlangt
zu haben: Er hat sich "gesetzt zur Rechten des Thrones
Gottes" (Hebräer 12,2).Es ist die Freude, vom Lobpreis
all derer umgeben zu sein, für die er gestorben ist: "So
wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der
Buße tut" (Lukas 15,7) - und wie viel Freude wird
dann erst über Millionen von erlösten Sündern
sein!
Und was ist nun mit uns? Ist er in die Freude eingegangen und
hat uns hier im Elend zurückgelassen? Nein. Bevor er starb,
stellte er den Zusammenhang zwischen seiner und unserer Freude
her: "Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude
in euch sei und eure Freude völlig werde" (Johannes
15,11). Er wusste, welche Freude vor ihm liegt und sagte: "Meine
Freude soll in euch sein." Wir, die wir an ihn glauben,
werden eine so große Freude mit Jesus teilen, wie sie
ein begrenztes Geschöpf größer nicht erfahren
kann.
Aber der Weg dorthin ist mühsam. Jesus warnte uns: "In
der Welt habt ihr Bedrängnis" (Johannes 16,33). "Ein
Jünger ist nicht über dem Lehrer ... Wenn sie den
Hausherrn Beelzebul genannt haben, wie viel mehr seine Hausgenossen!"
(Matthäus 10,24-25). "Sie werden einige von euch töten;
und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen"
(Lukas 21,16-17). Das ist der Weg, den Jesus ging, und das ist
der Weg zur Freude - so wird seine Freude in uns triumphieren
und unsere Freude völlig werden.
So wie die Hoffnung auf die Freude Christus befähigte,
das Kreuz zu erdulden, so ermöglicht auch uns die Hoffnung
auf diese Freude, mit ihm mitzuleiden. Genau darauf bereitete
Jesus uns vor, als er sagte: "Glückselig seid ihr,
wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse
lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut
euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln"
(Matthäus 5,11-12). Unser Lohn wird es sein, Gott mit derselben
Freude zu genießen, wie der Sohn Gottes seinen Vater genießt.
Wenn Jesus nicht bereitwillig gestorben wäre, dann wären
wir in unseren Sünden umgekommen. Seine und unsere Freude
wurde am Kreuz errungen. Nun folgen wir ihm auf dem Weg der
Liebe. Wir meinen, "dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht
ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit,
die an uns geoffenbart werden soll" (Römer 8,18).
Jetzt leiden wir zusammen mit ihm Schmach. Aber dann wird ungetrübte
Freude herrschen. Jedes Risiko, das wegen der Liebe nötig
ist, werden wir auf uns nehmen. Nicht mit heroischer Stärke,
aber in der Kraft der Hoffnung: "Am Abend kehrt Weinen
ein, und am Morgen ist Jubel da" (Psalm 30,6).
Kapitel 49
Christus litt und starb ...
damit er mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt wird
"Wir sehen aber Jesus ... wegen des Todesleidens
mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt."
Hebräer 2,9
"Indem er den Menschen gleich geworden
ist und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte
er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am
Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen
verliehen, der über jeden Namen ist."
Philipper 2,7-9
"Würdig ist das Lamm, das geschlachtet
worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit
und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Lobpreis."
Offenbarung 5,12
Am Vorabend seines Todes betete Jesus im Bewusstsein
dessen, was ihn erwartete: "Nun verherrliche du, Vater,
mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte,
ehe die Welt war!" (Johannes 17,5). Und so geschah es auch:
Er wurde "wegen des Todesleidens mit Herrlichkeit und Ehre
gekrönt" (Hebräer 2,9). Seine Verherrlichung
war der Lohn für sein Leiden. Er war "gehorsam bis
zum Tod ... Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben" (Philipper
2,8-9). Gerade weil das Lamm geschlachtet worden ist, ist es
"würdig ... zu empfangen ... Ehre und Herrlichkeit"
(Offenbarung 5,12). Die Passion Jesu Christi fand nicht einfach
zeitlich vor seiner Krönung statt, sondern war der Preis
und die Krönung war der Lohn. Er starb, um diese Herrlichkeit
zu erlangen.
Viele stolpern über diesen Punkt. Sie sagen: "Wie
kann das Liebe sein? Wie kann Jesus motiviert gewesen sein einerseits
von dem Ziel, uns Freude zu geben, und andererseits von dem
Ziel, seine eigene Herrlichkeit zu erlangen? Seit wann ist Eitelkeit
eine Tugend?" Das ist eine gute Frage - und es gibt eine
wunderbare biblische Antwort darauf.
Die Antwort liegt darin begründet, was echte Liebe wirklich
ist. Die meisten von uns sind mit der Vorstellung groß
geworden, geliebt zu werden, bedeute, dass man wertvoll gemacht
wird. Das ganze Weltsystem scheint auf dieser Annahme zu beruhen.
Wenn ich dich liebe, dann mach ich dich wertvoll. Ich helfe
dir, gute Gefühle über dich selbst zu haben. Man könnte
meinen, der Schlüssel zu Glück sei der richtige Blick
für sich selbst.
Aber wir wissen es besser. Sogar ohne in die Bibel zu schauen,
wissen wir, dass diese Vorstellung falsch ist. Unsere glücklichsten
Augenblicke waren nicht die, als wir von uns selbst erfüllt,
sondern als wir selbstvergessen waren. Vielleicht standen wir
am Grand Canyon oder am Fuß des Kilimanjaro oder beobachteten
einen atemberaubenden Sonnenuntergang in der Wüste - und
erlebten für einen flüchtigen Augenblick das Glück
reiner Bewunderung. Das ist es, wozu wir erschaffen sind. Das
Paradies wird kein Spiegelsaal sein. Es wird die Vorführung
von Majestät sein - aber nicht unserer.
Wenn das wahr ist und Christus die majestätischste Person
im Universum ist, worin erweist er dann seine Liebe zu uns?
Gewiss nicht darin, dass er uns ein großes Selbstwertgefühl
vermittelt. Das würde unsere Seelen nicht sättigen.
Wir sind für etwas viel Größeres erschaffen
worden. Wenn wir so glücklich wie nur irgend möglich
sein wollen, müssen wir die glorreichste Person des Universums
anschauen und genießen: Jesus Christus. Das bedeutet,
um uns zu lieben, muss Jesus die Fülle seiner eigenen Herrlichkeit
erlangen und uns diese zu unserem Genuss offenbaren. Deshalb
betete er am Vorabend seines Todes: "Vater, ich will, dass
die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich
bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen" (Johannes 17,24).
Das war Liebe. "Ich werde ihnen meine Herrlichkeit zeigen".
Als Jesus starb, um die Fülle seiner Herrlichkeit wiederzuerlangen,
starb er für unsere Freude. Liebe bedeutet, sich ungeachtet
der Kosten abzumühen, um Menschen zu helfen, von dem begeistert
zu sein, was sie am glücklichsten machen kann. Und das
ist Jesus Christus. So liebt Jesus.
Kapitel 50
Christus litt und starb ...
um zu zeigen, dass das schlimmste Übel von Gott zum
Guten gedacht ist
"In dieser Stadt versammelten sich in
Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus ... sowohl Herodes
als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels,
alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt
hat, dass es geschehen sollte."
Apostelgeschichte 4,27-28
Das Tiefgründigste, was wir über
Leid und Übel sagen können, ist, dass Gott in Jesus
Christus darin gegenwärtig ist und es zum Guten wendet.
Der Ursprung des Bösen bleibt als Geheimnis verhüllt.
Die Bibel sagt uns nicht alles, was wir gern wissen würden.
Vielmehr sagt sie: "Das Verborgene steht bei dem HERRN,
unserm Gott; aber das Offenbare gilt uns" (5. Mose 29,28).
Die Bibel dient nicht als Erklärung, woher das Böse
kommt, sondern als Offenbarung, wie Gott sich des Bösen
bedient und es ins Gegenteil wendet: Er macht ewige Gerechtigkeit
und Freude daraus. Überall im Alten Testament finden sich
Hinweise, dass es dem Messias ebenso ergehen wird. Josef, der
Sohn Jakobs, wurde in die Sklaverei nach Ägypten verkauft.
Siebzehn Jahre lang schien er wie von Gott verlassen zu sein.
Aber Gott hatte bei alledem die Fäden in der Hand und machte
ihn zum Regenten Ägyptens, sodass er bei einer großen
Hungersnot seinen Brüdern, die ihn verkauft hatten, das
Leben retten konnte. Seine Geschichte fasst er in den Worten
an seine Brüder zusammen: "Ihr zwar, ihr hattet Böses
gegen mich beabsichtigt; Gott aber im Sinne, es gut zu machen"
(1. Mose 50,20; unrev. Elb.). Das war ein Vorschatten auf Christus
hin, der verlassen wurde, um zu retten.
Oder denken wir an die Vorfahren Christi. Einst war Gott der
einzige König in Israel. Aber das Volk rebellierte und
wollte einen menschlichen König: "Nein, sondern ein
König soll über uns sein" (1. Samuel 8,19). Später
bekannten sie: "Zu all unsern Sünden haben wir das
Böse begangen, einen König für uns zu erbitten"
(1. Samuel 12,19). Aber Gott hatte seine Hand darin. Aus der
Abstammungslinie dieser Könige brachte er Christus in die
Welt. Die irdische Abstammung des sündlosen Heilands geht
auf Sünde zurück, denn er kam, um Sünder zu retten.
Am erstaunlichsten jedoch ist: Jesu Weg zum Sieg über Übel
und Leid war selbst ein Weg des Übels und Leides. Jede
hinterlistige und brutale Tat gegen Jesus war sündig und
böse. Doch über all diesem stand Gott. Die Bibel sagt,
dass Jesus "nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis
Gottes hingegeben worden ist" (Apostelgeschichte 2,23).
Die Geißelhiebe auf seinen Rücken, die Dornen auf
seinem Kopf, der Speichel auf seiner Wange, die Prellungen in
seinem Gesicht, die Nägel in seinen Händen, die Lanze
in seiner Seite, der Spott der Machthaber, der Verrat seines
Freundes, die Flucht seiner Jünger - alles war das Ergebnis
von Sünde, und alles war von Gott geplant, um die Macht
der Sünde zu besiegen. "Herodes als Pontius Pilatus
mit den Nationen und den Völkern Israels [haben alles getan,]
was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass
es geschehen sollte" (Apostelgeschichte 4,27-28).
Es gibt keine größere Sünde, als den Sohn Gottes
zu hassen und umzubringen. Es gab kein größeres Leid
und keine größere Unschuld als das Leid und die Unschuld
Christi. Doch Gott war in all dem gegenwärtig. "Doch
dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen"
(Jesaja 53,10). Sein Ziel war es, durch erlittenes Böses
und Leiden das Böse und das Leiden zunichte zu machen.
"Durch seine Striemen ist uns Heilung geworden" (Jesaja
53,5). Ist also die Passion Jesu Christi von Gott dazu gedacht,
der Welt zu zeigen, dass kein Sünde und kein Übel
zu groß ist, als dass Gott in Christus nicht ewige Gerechtigkeit
und Freude daraus hervorbringen könnte? Genau die Leiden,
die wir verursacht haben, sind zur Hoffnung unseres Heils geworden.
"Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun"
(Lukas 23,34).
Ein Gebet
Vater im Himmel, im Namen Jesu Christi bitte
ich dich für alle Leser, dass du ihnen das bestätigst,
was in diesem Buch wahr ist und das wegnimmst, was vielleicht
falsch ist. Ich bitte dich, dass niemand an Christus zu Fall
kommt oder Anstoß nimmt an seiner Gottheit, oder an seinen
unvergleichlichen Leiden, oder am Zweck seines Leidens. Für
viele sind diese Dinge neu. Mögen sie mit Geduld darüber
nachdenken. Und mögest du ihnen Verständnis und Einsicht
geben.
Ich bitte dich, dass du den Nebel der Gleichgültigkeit
gegenüber ewigen Dingen lüftest und dass ihnen die
Realität von Himmel und Hölle klar wird. Ich bitte,
dass ihnen die zentrale Stellung Jesu Christi in der Weltgeschichte
deutlich wird und dass sie sein Leiden als das wichtigste Ereignis
aller Zeiten ansehen. Gib bitte, dass wir über den Grat
der Zeit sicher in die Ewigkeit eingehen, wo der Wind kristallklarer
Wahrheit weht.
Und ich bitte, dass unsere Aufmerksamkeit nicht weggelenkt wird
vom absoluten Vorrang deiner göttlichen Absichten, die
du mit dem Leiden Christi verwirklicht hast. Bewahre uns, dass
wir nicht von der weniger wichtigen Frage abgelenkt werden,
welches Volk deinen Sohn getötet hat. Wir alle haben durch
unsere Sünde dazu beigetragen. Aber das ist nicht die Hauptsache.
Dein Plan und dein Handeln sind die Hauptsache. O Herr, öffne
bitte unsere Augen, damit wir sehen, dass du selbst - und kein
Mensch - das Leiden Jesu Christi geplant hast. Und gewähre
uns von diesem erhabenen Blickpunkt aus eine Sicht für
das unendliche Panorama deines von Gnade und Hoffnung bestimmten
Ratschlusses mit dem Leiden Christi.
Welch erstaunliche Wahrheit hast du offenbart: "dass Christus
Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten"
(1. Timotheus 1,15). Das tat er nicht in erster Linie durch
sein Lehren, sondern durch sein Sterben. "Christus ist
für unsere Sünden gestorben nach den Schriften"
(1. Korinther 15,3). Gibt es eine wunderbarere Botschaft für
Menschen wie uns, die wir wissen, dass wir weder die Anforderungen
unseres Gewissens nicht erfüllen können, geschweige
denn den Anspruch deiner Heiligkeit?
Daher gib bitte, Vater, dass alle, die dieses Buch lesen, ihre
Bedürftigkeit und deine vollkommene Gabe in Christus erkennen
- und glauben. Das bete ich, weil dein Sohn verheißen
hat: "Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen
eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nich
verloren geht, sondern ewiges Leben hat" (Johannes 3,16).
Amen.
© CLV, 2004, Original © John Piper,
2004
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