Kapitel.34 Elias Fortgang
Auch das Ende der furchtbaren Dürrezeit geschah auf die Fürbitte des Propheten hin: „Und er betete abermals, und der Himmel gab den Regen, und die Erde gab ihre Frucht“ (Jak. 5,18). Die geistliche Bedeutung und Anwendung davon sind offensichtlich. Seit vielen Jahren befinden sich die Kirchen in einem verdorrten, dahinsiechenden Zustand. Dies wird deutlich an den verschiedenen Hilfsmittel, von denen sie sich ‚Erweckung‘ und Stärkung erhofften. Wo nicht direkt fleischliche Mittel eingesetzt wurden, um Außenstehende anzuziehen, wurden religiöse ‚Spezialisten‘ in der Gestalt von ‚erfolgreichen Evangelisten‘ oder ‚bekannten Bibellehrern‘ zu Sonderveranstaltungen eingeladen ein ebenso untrügliches Zeichen für den schlechten Gesundheitszustand der Kirchen wie das Herbeirufen eines Arztes. Doch künstliche Aufputschmittel verlieren schnell ihre Wirkung oder machen den Kranken, wenn er nicht auf natürliche Weise gesund wird, noch kränker als zuvor. So ist es mit den Kirchen geschehen, und ihren trockenen, toten Zustand haben sie sogar selbst schon bemerkt. Ja, es sei denn, das Ende der Welt ist gekommen, werden noch wieder Schauer göttlichen Segens herniedergehen (wenn auch möglicherweise in anderen Teilen der Erde als zuvor), und diese Schauer werden (zur festgesetzten Zeit) kommen, wenn Menschen wie Elia beten!
5. Elia war ein Mann von unerschrockenem Mut, und damit meine ich nicht natürliche Tapferkeit, sondern geistliche Kühnheit. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn sie wird selten erkannt. Nur wenige scheinen heute in der Lage zu unterscheiden zwischen dem, was vom Fleisch, und dem, was vom Geist gewirkt ist. Die verbreitete Gewohnheit, biblische Begriffe anhand des Wörterbuches und nicht anhand ihrer Anwendung in der Heiligen Schrift zu definieren, hat viel zu der Verwirrung beigetragen. Nimm beispielsweise die Gnadengabe der geistlichen Geduld: Wie oft wird sie mit einem ausgeglichenen, ruhigen Temperament verwechselt; und weil sie diesen natürlichen Wesenszug nicht besitzen, meinen viele, sie hätten überhaupt keine Geduld. Die Geduld, deren Urheber der Geist ist, ist keine ruhige Gleichmütigkeit, die sich niemals durch Verzögerungen irritieren lässt, sie ist auch nicht jene sanfte Anmut, die Beleidigungen und Verletzungen ohne Vergeltung, ja sogar ohne Murren erträgt sondern das ist vielmehr mit dem Begriff Sanftmut bezeichnet. Wie viele haben sich schon über das Wort gewundert: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist“ (Heb. 12,1)? Sie machen sich das Verständnis schwer, wenn sie meinen, „Geduld“ sei eine passive, und keine aktive Gnadengabe.
Die „Geduld“ der Christen ist keine passive Tugend, sondern eine aktive Gnade, keine natürliche Begabung, sondern eine geistliche Frucht. Sie bezeichnet Ausdauer: sie ist es, die den Heiligen die Fähigkeit gibt, angesichts von Entmutigungen weiterzuarbeiten und trotz aller Widerstände am Weg festzuhalten. In gleicher Weise ist auch christlicher „Mut“ keine natürliche Veranlagung, sondern eine himmlische Ausrüstung: keine natürliche Eigenschaft, sondern etwas Übernatürliches. „Der Gottlose flieht, auch wenn niemand ihn jagt (weil ein schuldiges Gewissen ihn mit Schrecken erfüllt), der Gerechte aber ist furchtlos wie ein junger Löwe“ (Spr. 28,1). Wer wahrhaftig Gott fürchtet, ist furchtlos vor Menschen. Jene geistliche Unerschrockenheit oder Kühnheit war in so mancher schwachen, ängstlichen, scheuen Frau sichtbar. Menschen, die bei dem Gedanken gezittert hätten, allein in dunkler Nacht über einen Friedhof zu gehen, schreckten nicht davor zurück, Christus zu bekennen, als ihnen der Feuertod dafür gewiss war. Die Kühnheit, mit der Elia Ahab ins Gesicht verklagte und seiner Armee falscher Propheten ganz allein gegenübertrat, darf nicht seiner natürlichen Gemütsart zugeschrieben werden, sondern der Wirkungskraft des Heiligen Geistes.
6. Elia war ein Mann, der einen tiefen Sturz erlebte, und auch das ist zu unserer Belehrung überliefert: nicht als Entschuldigung, hinter der wir uns verstecken können, sondern als ernste Warnung, die wir zu Herzen nehmen sollten. Die Schwachstellen in Elias Charakter, die überliefert wurden, sind wahrlich nur wenige, doch Vollkommenheit hat er in dieser Welt nicht erlangt. So sehr er auch von seinem Meister geehrt wurde, so war doch die Sünde nicht aus seinem Wesen ausgelöscht worden. Überaus herrlich war der „Schatz“, den er trug, dennoch gefiel es Gott deutlich zu machen, dass er ihn in einem „irdenen Gefäß“ bewahrte. Interessanterweise versagte er gerade in seinem Glauben und in seinem Mut, denn er wandte seine Augen einen kurzen Moment lang von dem Herrn ab und flüchtete voller Schrecken vor einer Frau. Wie deutlich wird doch hieran das Gewicht der Ermahnung: „Wer meint, dass er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle“ (1.Kor. 10,12)! Für die Aufrechterhaltung unserer geistlichen Gnadengaben sind wir ebenso sehr von Gott abhängig wie für die Verleihung derselben. Doch wenn er auch stürzte, so war Elia dennoch nicht gänzlich am Boden zerstört. Die göttliche Gnade suchte ihn, befreite ihn aus seiner Verzagtheit, stellte ihn wieder auf den Pfad der Rechtschaffenheit und erneuerte ihn in solcher Weise am inneren Menschen, dass er danach wieder ebenso treu und mutig wurde, wie er es zuvor gewesen war.
7. Elia war ein Mann, der einen übernatürlichen Fortgang aus dieser Welt erlebte. Da dies das Thema unseres letztes Kapitels sein wird, will ich meinen Anmerkungen hier nicht vorgreifen.Statistik: Verfasst von Joschie — 12.06.2022 07:13
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