Weicheier
Mit den "Weicheiern" bezog ich mich nicht auf das Anerkennen von Unrecht, unter dem mancher sehr leidet. Ebensowenig wollte ich den Eindruck erwecken, daß der einzelne Arbeitnehmer schuld ist an seiner Misere, oder daß Firmen im großen und ganzen richtig lägen... es ging mir nur darum, daß das Jammern und die damit einhergehende Aneinanderreihung an Psycho-Vokabular heute von vielen Menschen benutzt wird, um sich selbst zu rechtfertigen und die Umstände für das eigene Leiden verantwortlich zu machen.Mephiboscheth hat geschrieben:ich wäre mit solchen Aussagen wie "Weicheiern" sehr sehr vorsichtig. Was für dich gilt, muß noch lange nicht für Deinen Nächsten gelten. Sonst gleichst du den Freunden Hiobs, die aus IHRER Perspektive und IHREN Beobachtungen allgemeine Schlußfolgerungen zogen, die auf ihren Freund sicherlich nicht zutrafen.
Der Herr hat's genommen
Gerade Hiob ist ein gutes Beispiel. War er selbst schuld an seinem Leiden? Nein. Waren es dann die anderen Menschen? Nein. (Von den wenig erbaulichen Ratschlägen seiner Freunde mal abgesehen ;o) Hiob erkannte, daß Gott am Werk war. Und genau da müssen wir wieder hin. Ein Christ muß zunächst anerkennen, daß Angriffe auf seine Seele ("Psyche") vom Feind kommen. Ob dies nun durch eigene Sünde hervorgerufen wird oder durch die Tatsache, daß Gott es zuläßt... wir müssen bei Gott die Antwort suchen und uns an unseren liebenden Vater wenden, weil er allein die Umstände kennt.
Die verlockende Abkürzung
Heutzutage hätte sich ein Hiob ein Antidepressivum verschreiben lassen, hätte sich beim Hautarzt noch ein Präparat gegen die Geschwüre abgeholt und wäre in einer (wenn auch künstlich generierten) guten Laune seines Weges gezogen. Die tiefe Auseinandersetzung mit Gott, die allein durch sein Leiden angestoßen wurde, hätte nie stattgefunden. Er hätte, wenn auch kerngesund, die wertvollste Zeit seines Lebens verpaßt: Die Zeit der völligen Abhängigkeit von seinem Schöpfer, der kompletten Neuausrichtung auf ihn.
Wir Christen sehen Leid immer als etwas schlechtes an. In wie vielen Gemeinden wird gegen Hunger und Krieg gebetet, was das Zeug hält. Dabei kommen selten so viele Menschen zur Buße wie in solchen Situationen. Es ist dieser Gesichtspunkt, der mir viele Medikamente als "Abkürzung" erscheinen läßt. Wir sind nicht mehr bereit, einen Leidensweg durchzumachen, weil uns die Welt eine schnelle, billige Lösung verspricht. Und dann wundern wir uns darüber, daß wir auch schneller "zusammenbrechen".
Opfer unserer selbst
Die heutige Situation ist eigentlich "besser". Zu Jesu Zeiten und bis ins letzte Jahrhundert hinein gab es die Sklaverei, wo der Einzelne nicht nur "wenig respektiert", sondern auch unbezahlt war. Heute zwingt uns niemand, diesen oder jenen Job zu machen. Jeder hat die Wahl - nur unser Stolz hält uns oft am falschen Ort fest. Viele Manager brennen völlig aus, obwohl sie genausogut hätten früher abspringen und Briefträger werden können. Nur fehlte dann das Prestige und das Geld für die nächste große Reise. Es gibt fast niemanden, der nicht eine schlechte Arbeitsumgebung (Streß, Druck, Mobbing...) jederzeit eintauschen könnte gegen eine weniger gut bezahlte Tätigkeit. Bei McDonald's suchen die ständig Leute, ebenso bei der Post. Zugegeben: Man müßte eventuiell bereit sein, den Wohnort zu wechseln. Und Sachsen-Anhalt ist für manche nicht gut genug.Mephiboscheth hat geschrieben:Wir ernten die Früchte einer immer schneller rotierenden Welt, die den Einzelnen immer weniger respektiert.
Daß wir "Stille brauchen", ist genau meine Meinung. Statt der medizinischen Schnellintervention, nach der es dann sofort im alten Tempo weitergeht, ist manchmal ein "Ausstrigen" vonnöten. Mal eine Weile auf Sparflamme arbeiten und mit weniger auskommen. Und viel Zeit damit verbringen, Gott zu suchen. Amen dazu.
Die goldenen Handschellen
Ganz ehrlich: Was hat denn der Teufel damit zu tun? Wir Menschen wollen immer alles erreichen, was wir irgendwie erreichen können. Wir sind derart beschäftigt, daß wir keine Ruhe finden... aber dies ist unsere Entscheidung, wenn wir Christen sind. Wir können nicht einerseits an unsere Freiheit in Christus glauben, und andererseits so tun, als wären wir dem Teufel ausgeliefert. Überhaupt ist dies eine Sache, die oft mißverstanden wird. In der Gemeinde wird diese Freiheit gepredigt. Wir nehmen das auch an, klagen aber Gott insgeheim an, weil wir uns überhaupt nicht frei fühlen und unter enormem Druck stehen. Nur: Gebrauchen wir denn die Autorität, die wir in Christus haben? Die uns verliehene Macht, unser Streben nach Geld und Karriere ein und für allemal (und manchmal auch immer wieder) mit dem alten Adam zu begraben? Nur selten sehen wir Christen, die ihre Karriere in den Augen der Welt beenden, weil sie eine neue Ausrichtung erlangt haben, in der Geld und Einfluß wertlos sind. Natürlich gibt es die bekannten Beispiele, die früher was ganz tolles waren und heute Pastoren sind. (Manche von denen verkünden das auch nur, um ihre Opferbereitschaft zur Schau zu stellen, obwohl sie als Pastoren viel besser fahren als als unterdurchschnittliche Manager unter enormem Leistungsdruck ;o)Mephiboscheth hat geschrieben:Aber der Teufel schwingt seine Peitsche und treibt die Menschen um, daß sie nur ja keine Zeit haben, zur Ruhe zu kommen.
Depression - eine Selbstwertkrise
Was mich etwas stört, ist das Reden von "Respekt". Letztendlich ist es ja gerade oft unsere Erwartungshaltung bezüglich eines angeblich verdienten "Respekts", die uns bei wiederholter Enttäuschung unserer Erwartungen in die "Depression" treibt. Doch das Problem ist diese falsche, völlig unbiblische Erwartungshaltung, und nicht die Tatsache, daß diese Welt keinerlei Interesse daran hat, unser Ego zu streicheln oder uns für unsere Arbeit Anerkennung und einen gerechten Lohn zu gönnen.
Wir müssen wieder lernen, daß unser Wert von Gott allein kommt - nicht von uns selbst oder unserer Arbeit, und auch nicht in Form irgendeines Respekts seitens anderer Menschen. Wenn wir auf einem solchen Fundament stehen, dann kann der Sturm um uns herum toben, wie er will - dann können Menschen sagen, was sie wollen. Sie können Druck ausüben in Bereichen, die uns dann gar nicht mehr wichtig sind. Sie können den Stolz angreifen, den wir bereits begraben haben, und letztendlich werden sie sich an uns die Zähne ausbeißen. Denn den Frieden, den ein Kind Gottes in Jesus Christus sein eigen nennt, denn können sie uns in keiner Weise nehmen... WENN UNSER FUNDAMENT STIMMT!
Notwendige Ent-Täuschung
In diesem Sinne stimme ich Arne voll zu - eine durch äußere Umstände hervorgerufene Depression ist keine "Krankheit". Sie ist meist das Resultat falscher Vorstellungen des einzelnen, die so lange enttäuscht wurden, bis derjenige keine Hoffnung mehr hat. Doch nicht die Bosheit der Welt ist das Problem, sondern unsere völlig falsche Erwartung, daß diese Welt doch irgendwie "gut" und "gerecht" zu uns sein müsse. Die Lösung ist in dieser Welt nicht zu finden, sondern allein bei unserem Herrn.
Ich finde in diesem Zusammenhang den Begriff "Enttäuschung" sehr gut: "Ent-Täuschung" beschreibt ja den seelischen Absturz, den man empfindet, wenn man lange einer Täuschung gefolgt ist und schließlich erkennen muß, daß man eine Illusion einem Stützpfeiler des eigenen Lebens gemacht hatte... es tut weh, ist aber heilsam.
Es tut mir leid, daß ich so viel schreibe, aber manchmal gelingt es mir nicht gut, meine Gedanken kurz und dennoch verständlich darzulegen. Bitte verzeiht mir :o)
Liebe Grüße in die Runde,
Andy