Missionare verfolgen Ungläubige quer durch Deutschland
Von Jens Lubbadeh, Berlin
Sie sind gottlos glücklich: Überzeugte Atheisten warben drei Wochen lang mit einer spektakulären Bustour durch Deutschland für ein erfülltes Leben ohne Religion. Aber ein christlicher Bus war den Atheisten stets dicht auf den Fersen - in Berlin kam es zum Showdown.
Selbst nach drei Wochen können sie sich immer noch über den Witz amüsieren, der aus einem Wort besteht:
Christenverfolgung.
Es ist ein Wortspiel. Denn nicht wie damals im Alten Rom werden die Gläubigen verfolgt. 2000 Jahre später sind es die Ungläubigen, auf die Jagd gemacht wird.
Drei Wochen lang haben Carsten Frerk, Philipp Möller und Peter Iblher auf einer Bus-Werbetour für ein Leben ohne Gott geworben, in der ganzen Republik. Und die ganze Zeit wurden sie von einem anderen Bus verfolgt. Darin saßen Christen, die dem gottlosen Treiben etwas entgegensetzen wollten.
Es ist Donnerstag dieser Woche, Berlin, Brandenburger Tor. An dem Ort, an dem einmal die Grenze zwischen den beiden Deutschlands verlief, startete vor 20 Tagen der rote Doppeldeckerbus mit dem provokanten Spruch "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott". 24 deutsche Städte steuerten Möller, Iblher und Frerk an - die Christen waren ihnen dabei stets auf den Fersen. Mit dem Spruch: "Und wenn es ihn doch gibt ..." Nun soll die Buskampagne dort enden, wo sie begann.
Um 13 Uhr wollen die Atheisten da sein. Der Christenbus ist es schon. Es ist viel los am Brandenburger Tor, Polizeiautos mit offenbar wichtigen Diplomaten im Schlepptau hupen den Pariser Platz frei, zahlreiche Touristengruppen flanieren um und durch das Wahrzeichen der Stadt. Das Wetter kippt langsam, Nieselregen löst den Sonnenschein der letzten Tage ab.
Ingmar Bartsch ist Pressesprecher der Christen-Bustour. Der große, etwas beleibte Mann Anfang 30 scheut den Kontakt nicht und streckt einem sofort den Arm hin. Er weiß, wie man mit den Medien umgehen muss - Bartsch hat Journalistik studiert und macht hauptamtlich die Öffentlichkeitsarbeit für die christliche Vereinigung "Campus für Christus", die hinter der Gegen-Bustour steht.
Nein, mit den Atheisten habe man sich nicht in die Wolle gekriegt in diesen drei Wochen, sagt Bartsch - auch wenn das die Medien gerne so hätten. Überhaupt sei es ja gut, dass sie diese Kampagne gestartet hätten. Es bringe die Leute zum Nachdenken. Und es sei schade gewesen, dass sie nicht auf Bussen und Bahnen werben durften. "Sie wollen als Atheisten respektiert werden, das finde ich okay", sagt Bartsch. Er ist um Toleranz bemüht, lobt die Kontrahenten für ihre Organisation - trotz der wenigen Leute.
Wozu aber die Gegenkampagne?
"Wir wollen, dass man über Gott spricht", sagt Bartsch ruhig und lächelt. Er lächelt viel. Die Atheisten behaupteten für ein Drittel der Bevölkerung zu sprechen, das offiziell konfessionslos ist. Tatsächlich aber sei ein Großteil dieser Leute nicht atheistisch, sondern ihnen sei das Thema schlichtweg egal. "Eingefleischte Atheisten werden wir mit dieser Kampagne nicht bekehren", sagt Bartsch und winkt ab. "Aber diese Leute, denen das bislang alles egal war, die wollen wir erreichen."
Kurz nach 13 Uhr dann kommen sie, die Gottlosen. Der rote Doppeldeckerbus biegt um die Ecke und kommt rechts vor dem Brandenburger Tor zum stehen - dort, wo auch die anderen Stadtrundfahrtbusse parken. Der Christenbus stellt sich sogleich direkt dahinter.
Die Christen sind schneller, wirken eifriger und besser organisiert als ihre ungläubige Konkurrenz: Fast alle Mitarbeiter tragen T-Shirts mit dem "Und wenn es ihn doch gibt ..."-Slogan, verteilen Handzettel. Ab und zu gibt es auch ein Neues Testament oder eine DVD ("Maria aus Magdala - von der Liebe berührt").
"Es war eine Umarmung mit Mundgeruch"
Carsten Frerk springt aus dem Atheistenbus und fängt sofort an zu erzählen: Die Tour sei voller Überraschungen gewesen, sagt Frerk, 64 Jahre alt und Kurator der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung. In Ecken Deutschlands, wo man eingefleischte Christenbastionen erwartet hätte - München und Stuttgart beispielsweise - habe man nur lachende Gesichter gesehen. Pöbelchristen hätte es in Dresden, Regensburg ("Sie kommen alle in die Hölle") und in Dortmund gegeben. Auch das erzkatholische Münster sei keine Freude gewesen, erzählt er. "Wir haben die Busschilder auf einer Spezialfolie gedruckt - weil wir Angst vor Schmierereien hatten." Vorsichtshalber habe man nie vorher bekannt gegeben, wo man den Bus nachts abstellen wollte.
Nur wenige Passanten nehmen von den Bussen Notiz, die meisten Leute sind Journalisten und Kampagnenmitglieder. Ein Fahrradfahrer betrachtet den Atheistenbus eine Weile lang stirnrunzelnd. Ein wenig einschüchternd wirke der Spruch ja schon, meint er. Doch die Sache an sich fände er gut.
Es gibt offenbar Interessanteres zu sehen: Ein Zug Demonstranten zieht laut pfeifend hinter den Bussen vorbei, von Polizei begleitet. Es sind Opfer der Lehman-Brothers-Pleite. Einer der Christen-Bustourer sagt: "Das passiert, wenn man nur auf Geld setzt. Es gibt noch andere Dinge im Leben, die wichtig sind." Zum Beispiel Kinder. Er selbst habe welche und sei glücklich darüber, dass die an der Universität studierten.
So glücklich darüber, dass sie an deutschen Universitäten studieren dürfen, sind freilich dieser Tage nicht alle deutschen Studenten: Kurze Zeit später kommen am Brandenburger Tor Demonstranten vorbei, die gegen die Bildungssituation an den Unis protestieren. Nun schauen die Passanten in ihre Richtung.
Peter Iblher hat zusammen mit Carsten Frerk, Philipp Möller und Melanie Wieland und noch drei weiteren die Buskampagne gegründet. Er hat viele Lachfältchen in seinen Augenwinkeln, man glaubt ihm kaum, dass er 44 Jahre alt ist. Er trägt einen Hut und fällt damit ein wenig auf.
Ja, die Christen seien immer höflich zu ihnen gewesen, erzählt er, aber man sieht seine Genervtheit. Es seien eben echte Missionare, meint Iblher. Teilweise auch recht aufdringlich. Man habe sich zwar verstanden. "Aber es war eine Umarmung mit Mundgeruch." Iblher grinst. Ja, das dürfe man ruhig so schreiben. Frerk wird da deutlicher: "Sie haben unseren Tourplan geklaut, unsere Organisation, sich einfach an uns geklebt", beschreibt er genervt die Verfolgungstour der Gläubigen. "Wir gehen doch auch nicht in Kirchen und verteilen dort unsere Handzettel!"
"Glaubst du mir, dass Pumuckl existiert?"
Man versteht sich, spricht miteinander, lächelt sich zu - aber vor dem Atheistenbus wird es nun doch noch einmal etwas hitzig: Philipp Möller hat sich auf ein Wortgefecht mit Ingmar Bartsch eingelassen. Pressesprecher gegen Pressesprecher, sofort ist ein Kamerateam bei ihnen. Der 28-jährige Erzieher sieht ernst aus, sein Ton ist bestimmt und herausfordernd. Bartsch hingegen bemüht sich um eine entspannte Miene, lächelt. Seine Stimme ist leiser als die von Möller.
"Wenn ich dir sage, dass Pumuckl existiert, glaubst du mir das dann?", fragt Möller fordernd.
"Wenn du es mir beweist, dann glaube ich es dir", entgegnet Bartsch.
Möller: "Siehst du, genau das möchte ich von dir auch. Beweis mir, dass Gott existiert."
Bartsch: "Beweise, dass er nicht existiert."
Möller: "Wenn du seine Existenz behauptest, bist du in der Beweispflicht. Und nicht ich."
Bartsch: "Du nimmst doch manchmal Aspirin, oder? Warum? Du kannst doch nicht sehen, was darin ist."
Möller: "Es steht aber auf der Packung, was drin ist."
Bartsch: "Und wieso glaubst du das einfach so, was auf der Packung steht?"
Pumuckl gegen Aspirin. So geht es noch eine ganze Weile.
"Die Nichtexistenz - weder die von Pumuckl, noch von Gott - kann nicht bewiesen werden", sagt Möller. Darum auch die ungelenke Formulierung "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit". Man wolle schließlich wissenschaftlich korrekt sein. "Aber eine ganze Menge Indizien sprechen gegen Gott", betont er. Der Erzieher ist Sprecher der Atheisten - und so eloquent wie ein Prediger.
Der Motor des Atheistenbusses startet, man will die erste Stadtrundfahrt beginnen. Es sind nicht viele Leute eingestiegen: Ein junges Pärchen sitzt mit auf dem Aussichtsdeck, weiter vorne eine Mutter mit Kind. Der Rest sind Journalisten und Fernsehteams. Natürlich fährt auch der Christenbus los.
Möller schnappt sich sogleich das Mikro und übernimmt die Moderation, erzählt über den Hintergrund der Kampagne. "Man muss ihn nur anpieksen, dann sprudelt es aus ihm heraus", sagt Iblher grinsend.
Zwischenstopp bei Scientology
Der Bus kommt auch an der Scientology-Zentrale vorbei und hält. Der Busfahrer hupt. Vor dem Eingang von Scientology steht ein Schild "Tag der offenen Tür". "Da ist wohl jeden Tag Tag der offenen Tür", sagt Iblher, geht hinein und holt ein paar Infobroschüren. "Dianetics", sagt Möller nachdenklich, während er eine der Broschüren durchblättert. "Das klingt erst mal wie eine Wissenschaft."
Es dauert nicht lange, bis eine Frau aus dem Scientology-Gebäude herauskommt und die Atheisten bittet, weiterzufahren. "Stimmt es, dass Scientologen auch nicht an Gott glauben?", fragt Iblher forsch. Nein, das stimme nicht, sagt die Frau. Auch Scientology propagiere ein höheres Wesen.
Der Christenbus ist schon lange nicht mehr zu sehen. Möller zieht ein positives Resümee der Tour: 3800 Kilometer sei man gefahren, geschätzte 500.000 Menschen hätten den Bus gesehen, noch viel mehr hätten die Artikel in den Zeitungen gelesen. "Wir haben eine Menge erreicht." Weitere derartige Aktionen seien aber erst einmal nicht geplant, meint Iblher. Möller sagt, er könne sich vorstellen weiterzumachen.
Sind ihm durch seine öffentlichen Aktionen berufliche Nachteile erwachsen? Schließlich arbeitet er in einer Schule. Seine Miene wird ernster: "Ja, das kommt jetzt so langsam. Die Kinder haben mich gefragt, ob es einen Gott gibt. Ich habe ihnen gesagt, dass jeder, der sagt, dass es einen Gott gibt, lügt." Denn Gewissheit gibt es nicht, kann es nicht geben. "Man kann seine Existenz weder beweisen noch widerlegen." Er sagt das sehr bestimmt.
Natürlich dauerte es nicht lange, bis die Kinder dann die Religionslehrerin mit unbequemen Fragen bombardierten. "Die Kinder haben ihr sogar gesagt: 'Ich bin Gott' - beweisen Sie mir das Gegenteil!" Möller grinst. Die Sache landete schließlich bei der Schulleiterin - "die ist evangelische Christin". Doch bislang zeigte sie Verständnis für seine Position. Aber wie lange noch? "Mein Vertrag ist bis Juli befristet", sagt Möller. "Und dann - wer weiß?"
Quelle:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 42,00.html
Ist es unbedingt notwendig als Christ immer Recht haben zu müssen? Machen wir uns nicht eher
dadurch zum Gespött und wird der Name unseres Herrn nicht eher
dadurch verlästert? Wirft man hier nicht die "Perlen vor die Säue"?