Schirrmacher schreibt: „Die meisten Probleme, die wir heute haben, sind eine Folge einer organisierten, unorganisierten und persönlichen Verkündigung des Evangeliums wie nie zuvor, gerade in Ländern ohne Religionsfreiheit und Menschenrechtsschutz. Dass ein Weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen organisiert wird und sich die Weltweite Evangelische Allianz bei der UN und bei Regierungen für Religionsfreiheit einsetzt, ist eine Folge der globalen Missionsarbeit und der Ausbreitung der Gemeinde Jesu wie nie zuvor.“
Dass Christen sich für verfolgte Glaubensgeschwister einsetzen, ist doch ganz verständlich. Dass der Politiker, der Christ ist, einen ganz anderen Einflussbereich haben kann als der Christ, dem lediglich eine Petitionsunterschrift möglich ist – kann doch auch nicht verwundern. Das Engagement von Christen sich diesbezüglich überörtlich zum Gebet zu versammeln, wer wollte das tadeln? Ich sehe nicht, wo sich Erdmann gegen solche Unternehmungen wendet.
Nach der Lektüre des Buches von Erdmann kann man aber nicht umhin daran zu denken, dass globale Initiativen auch ein höheres Ziel haben.
Erdmann erwähnt den weltweiten Gebetstag für verfolgte Christen nicht. Dafür äußert sich Erdmann zu einem ganz speziellen Gebetstag auf Seite 79 seines Buches im Fünften Kapitel „Ganzheitliche Mission“, 5. 4. „Kirche am Marktplatz“. Dort geht es um geschäftliches Treiben, das in eine spirituelle Aura gehüllt wird, um „Transformation Afrika“, um die Verbreitung der „Geistlichen Kriegführung“ mit Hilfe vieler „Gebetszellen“. Dieser Gebetstag findet jährlich statt.
Es handelt sich dabei um diese Initiative:
http://www.worldea.org/index.php/news/2912
Dort lese ich von einer Menge „aktueller globaler Herausforderungen und Möglichkeiten“.
„Verfolgung“ reiht sich ein neben: Globalisierung, Migration, HIV/AIDS, Finanzkrise, Krieg, Klimawandel, Urbanisierung und Kernwaffen.
Außerdem lese ich noch die Vision der Weltweiten Evangelischen Allianz: „das Reich Gottes zu erweitern, indem Jünger in allen Nationen gemacht werden und eine christozentrische Transformation innerhalb der Gesellschaft stattfindet.“
Also wenn ich mich dem zuwende, was wirklich Inhalt des Buches ist – komme ich nicht auf die Idee, dass dies die Bewältigung von Folgen der Evangeliumsverkündigung wäre. Ich komme auch nicht auf die Idee, dass es keine wirklichen Situationen wären. Angesichts der Millionen von Christen hier, gehe ich auch nicht davon aus, dass dies mit realen Gemeinden nichts zu tun hat.
Erdmann legt doch in seinem Buch dahinter stehende Ziele dar und diese Ziele haben ganz reale Auswirkungen. Da braucht man gar nicht lange suchen:
Z. B.:
http://www.jesus.ch/themen/kirche_und_c ... hkeit.html
Zitat: „Die Evangelische Allianz vernetzt Nachfolger von Jesus lokal und national, auch kontinental und global. Gespräche mit den Leitern der Weltweiten Evangelischen Allianz und ihres europäischen Teils zeigen die Dynamik der Bewegung. …
Der WEA-Leiter spart nicht mit Kritik: „Kirchen haben eine Festungsmentalität entwickelt und sich verbunkert, statt zu fragen, wie sie die Gemeinschaft, Gruppen und Menschen für das Gute engagieren können. Wie arbeiten wir mit Menschen zusammen, die vielleicht nicht dasselbe Glaubenssystem haben, aber auch von einer besseren Welt träumen?"…“
Bezogen auf China sieht das dann so aus?
http://www.ead.de/arbeitskreise/religio ... ion-1.html
Zitat: „ (12. 03. 2012) …In den letzten 5 Jahren hat Pastor HE verstärkt feststellen können, dass sich die Einstellung der Regierungsbeamten gegenüber den Christen grundlegend geändert hat. Christen werden mehr und mehr als wichtiger Teil des Sozialgefüges der chinesischen Gesellschaft angesehen und nicht mehr als ausländische Religion.“
Zitat: „2. Politik & Gesellschaft
Aufruf zur Wohltätigkeit enthält raffinierten Haken
[CA] Bei dem Aufruf der Regierung an die Religionsgemeinschaften, verstärkt Wohltätigkeitsprojekte zu entwickeln (siehe China-Informationen 2012-03), hat sich nun ein raffinierter Haken herausgestellt: Es ist untersagt, während solcher Aktivitäten religiöse Ideen zu predigen.“
Im deutschsprachigen Raum dann wohl so?
http://missiologie.blogspot.de/
Zitat: „ …Die Lausanner Theologische Arbeitsgruppe (in Zusammenarbeit mit der Theologischen Kommission der Weltweite Evangelische Allianz) hat im Februar 2010 folgendes Statement abgegeben:
„Unsere missionarische Berufung verlangt sorgfältigeren und kritischeren Konsum, kreativere Produktion, prophetisches Anprangern, Fürsprache für und Mobilisierung der Opfer der Ungerechtigkeiten der Welt. Während wir uns einig erklären mit der Micha-Initiative, indem wir unsere Regierungen zur Verantwortung ziehen, ihren Verpflichtungen gegenüber „Make Poverty History” („Deine Stimme gegen Armut”) nachzukommen, identifizieren wir uns auch damit, „unsere Stimme gegen die Gier“ zu erheben, in unserem eigenen Leben, in den Gemeinden, Gemeinschaften, Ländern und in der Welt.“
Die Frage ist: Was geschieht konkret?
Das prophetische Anprangern von sozialer Ungerechtigkeit ist eine gute biblische (alttestamentliche) Tradition und soziale Gerechtigkeit ein Herzensanliegen Gottes.
Fürsprache üben, das ist gut. Aber was tun wir, um die Opfer zu mobilisieren, so wie es in der Erklärung heißt? Was ist damit konkret gemeint?
Ethische Transformation ist keine automatische Folge der Verkündigung des Evangeliums. Wenn z.B. Lebensmittelspekulation eingedämmt oder abgeschafft werden soll, weil sie zu sozialen Katastrophen in der südlichen Hemisphäre führt, dann müssen wir auch das dahinter steckende kapitalistische System kritisieren. Mission heißt auch, im Namen Gottes gegen die negativen Folgen einer kapitalistischen Struktur vorgehen – durch Briefe, durch Aktionen dem „Rad in die Speichen fallen“. …“
Oder so mit großem Erfolg ein Dorf transformieren:
http://insist.ch/page/fileadmin/PDF/Bau ... mation.pdf
(Bausteine, Zeitschrift für Ethik, Kirche und Gesellschaft 3/2005)
Übrigens diese Zeitschrift ist auch deswegen so interessant, weil hier mal aus der Proeinstellung heraus die Theorie dahinter entfaltet wird. Es überrascht nicht, dass hier Konzepte und Namen auftauchen, die im Buch von Erdmann zu finden sind.
Und wenn dann noch das nötige Grundlagenwissen im Management fehlt, dann holt man sich eben einen Experten, wie hier:
http://www.ead.de/nachrichten/nachricht ... itern.html
Zitat: „Einen der führenden internationalen Leadership-Experten
Mit Prof. Fredmund Malik (St. Gallen) hatten die Veranstalter des Willow Creek-Leitungskongresses den führenden internationalen Leadership-Experten (Experten für die Schulung von Führungskräften) eingeladen. Der aus Österreich stammende Wissenschaftler und Unternehmensberater hat Ausbildungszentren in der Schweiz, in England, Canada und China. Malik beschäftigte sich mit der Frage, wie Menschen "Sicher sicher führen lernen".
http://de.wikipedia.org/wiki/Fredmund_Malik
Zitat: „Malik verwendet unter anderem systemtheoretische und kybernetische Ansätze zur Analyse und Gestaltung von Managementsystemen. Er lehrte früher an der Universität St. Gallen und ist dort Titularprofessor für Betriebswirtschaft mit besonderer Berücksichtigung der Unternehmensführungslehre.“
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fon ... 87022.html
Zitat: „Umsetzen erfordert zuverlässig funktionierende Organisationen in allen Bereichen. Das heißt richtiges statt falsches Management und es heißt Einsatz von kybernetischen Hochleistungssystemen, wie sie in der Technik längst üblich, aber in der Welt der Organisationen wenig bekannt sind. Würden zum Beispiel die Automobilunternehmen dieselben Funktionsprinzipien auch auf sich selbst anwenden, die sie in ihren intelligenten Autos verwenden, wäre bereits ein Neuanfang gemacht.“
Jetzt kann man fragen: wie sehen denn die von Schirrmacher bei Erdmann so bemängelten Lösungsvorschläge aus?
U. a. so:
So etwas findet man im Buch. Lösungsvorschläge würde ich es nicht nennen – „biblische Wahrheit“ contra setzen schon! Also ein Buch im Stile: „zehn Schritte zum Sieg“ oder so ähnlich, ist das Buch von Erdmann freilich nicht – aber das hat auch Keiner behauptet oder irgendwie Anlass gegeben so etwas zu vermuten….Das Prinzip der „Preisgabe“ unwirtschaftlicher Dinge mag eine gesunde Geschäftspraxis sein, aber die Heilige Schrift gibt uns eine andere Anweisung in Matthäus 18, 12 – 14: „ … wird er da nicht die neunundneunzig auf den Bergen zurücklassen und hingehen, um das verirrte zu suchen?“ (S. 178, unter „Rick Warren – Amerikas Pastor“)
Lutz
PS: Aber vielleicht hat Schirrmacher anders recht und das Ganze sind keine wirklichen Probleme für die evangelikale Bewegung, weil die Mehrheit überzeugt ist: Das ist Mission! Das ist „das Reich Gottes bauen“! … Vielleicht hat Beate Gsell mit ihrem Vorwort recht (S. 9):
Doch solche Skeptiker [also die, die damit Probleme haben] sind in der Minderheit und ziehen sich mehr oder weniger schweigend zurück.