Eine Erklärung zum bapt. Glaubensbekenntnis(1689) für heute.

Basiert auf "Biblische Lehre" - aber damit die Praxis nicht zu kurz kommt, ein Extra-Forum

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Jörg
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D. Sie passt nicht zu der Aufrichtigkeit Gottes.
Es stellt sich die Frage, wie Gott den gefallenen Menschen aufrichtig Barmherzigkeit anbieten kann, wenn er doch gleichzeitig weiß, dass sie niemals zu ihm kommen werden, wenn er sie nicht zieht? Dies ist tatsächlich eine Schwierigkeit. Die Bibel lehrt klar, dass Gott den gottlosen Menschen unterschiedslos sein Erbarmen anbietet. Andererseits lehrt die Bibel ebenso klar, dass die Menschen nicht zu ihm kommen können. Die Bibel stellt uns vor dieses Problem, es wird uns nicht durch irgendein theologisches System aufgezwungen. Wir stehen vor einem Problem, das ähnliche Ausmaße wie die Frage nach dem Bösen hat. Und auch dieses Problem lässt sich auf die grundlegende Spannung zurückführen, die zwischen den zwei Aspekten des einen Willens Gottes besteht: dem verordneten und dem vorgeschriebenen Willen Gottes (vgl. Kapitel 3). Im Blick auf die Sünde hat Gott verordnet, dass Sünde sicher geschehen wird, woraufhin er uns befiehlt, dass wir sie nicht tun dürfen. Hier haben wir genau das umgekehrte Problem. Gott befiehlt, dass die Menschen glauben sollen, aber Gott hat verordnet, dass dies nicht geschehen wird. Es besteht eine Spannung zwischen Gottes geheimem Ratschluss und seinem vorgeschriebenem Willen. Dass es ein derartiges Geheimnis gibt, widerlegt weder die eine noch die andere Seite, zwischen denen diese Spannung besteht. Wir müssen dazu bereit sein, unseren Verstand der gesamten Offenbarung des unbegreiflichen Gottes zu unterwerfen. Das ist christliche Demut (Ps 131). Nach den Aussagen des Bekenntnisses und der Bibel können die Menschen nichts tun, um sich selbst auf das Heil vorzubereiten. Die Auseinandersetzung mit der völligen Unfähigkeit muss daher mit dem deutlichen Hinweis abgeschlossen werden, dass diese Lehre jegliche Form von „Vorbereitung“ zunichte macht.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Eine solche „Vorbereitung“ ist in jeder Lehre und jedem Ansatz enthalten, die den Leuten vermittelt, dass sie etwas tun müssen, bevor sie an Christus glauben und über ihre Sünde Buße tun können. Es scheint so, als ob dies die logische Konsequenz wäre, die einige aus der Lehre von der völligen Unfähigkeit gezogen haben. Da der Mensch nicht zu Christus kommen kann und die Gnade von Gott geschenkt werden muss, haben sie daraus geschlossen, dass dem Menschen klar gemacht werden muss, dass er vorher selbst etwas tun muss. Solche Leute sagen anderen oft, dass sie beispielsweise für ein neues Herz beten sollen. Doch derartige Schlussfolgerungen sind nicht nur unlogisch, sie untergraben auch das Evangelium. Wenn der Mensch, bevor er errettet ist, nichts geistlich Gutes tun kann, dann ist alles, was er darüber hinaus tut, um den ersten Aufforderungen des Evangeliums Folge zu leisten, nicht gut. Die erste geistlich gute Sache, zu der Gott jemals einen Menschen befähigt, besteht darin, dass er Buße tut und an das Evangelium glaubt. Daher ist dies das erste, was den Menschen gesagt werden muss. Außerdem ist alles, was den Menschen gesagt wird, was sie über die Aufforderung: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) hinaus zu ihrer Errettung tun könnten, kein biblisches Evangelium, sondern ein falsches Evangelium.
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Jörg
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10. Über die wirksame Berufung

1. Es gefällt Gott, diejenigen,1 die er zum Leben vorherbestimmt hat,2 zu dervon ihm bestimmten und ihm angenehmen Zeit3 wirksam4 durch sein Wort5 und seinen Geist6 aus dem Stand der Sünde und des Todes, in dem sie von Natur aus sind, zur Gnade und Erlösung durch Jesus Christus zu berufen,7 indem er ihren Verstand geistlich und zum Heil erleuchtet, damit sie die göttlichen Dinge verstehen können;8 indem er ihr steinernes Herz wegnimmt und ihnen ein fleischernes Herz gibt.9 Dadurch erneuert er ihren Willen und bestimmt sie durch seine allmächtige Kraft zum Guten, und er zieht sie wirksam zu Jesus Christus,10 doch so, dass sie völlig freiwillig kommen, da sie durch seine Gnade dazu gebracht worden sind, es selbst zu wollen.11
1. Röm 8,28-29.
2. Röm 8,29-30; 9,22-24; 1Kor 1,26-28; 2Thess 2,13-14; 2Tim 1,9.
3. Joh 3,8; Eph 1,11.
4. Mt 22,14; 1Kor 1,23-24; Röm 1,6; 8,28; Jud 1; Ps 29; Joh 5,25; Röm 4,17.
5. 2Thess 2,14; 1Petr 1,23-25; Jak 1,17-25; 1Joh 5,1-5; Röm 1,16-17; 10,14; Hebr 4,12.
6. Joh 3,3.5-6.8; 2Kor 3,3.6.
7. Röm 8,2; 1Kor 1,9; Eph 2,1-6; 2Tim 1,9-10.
8. Apg 26,18; 1Kor 2,10.12; Eph 1,17-18.
9. Hes 36,26.
10. 5Mose 30,6; Hes 36,27; Joh 6,44-45; Eph 1,19; Phil 2,13.
11. Ps 110,3; Joh 6,37; Röm 6,16-18.
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Jörg
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2. Diese wirksame Berufung geschieht allein durch die freie und besondere Gnade Gottes, keinesfalls durch irgendetwas, das im Menschen vorausgesehen wurde, noch durch irgendeine Fähigkeit oder Tätigkeit im Menschen, die mit seiner besonderen Gnade zusammenwirken würde.1 Der Mensch ist dabei vollkommen passiv, da er in Sünden und Übertretungen tot ist, bis er vom Heiligen Geist belebt und erneuert wird.2 Dadurch ist er dazu fähig, diesem Ruf zu folgen und die darin angebotene und vermittelte Gnade anzunehmen, und das durch keine geringere Macht als die, die Christus von den Toten auferweckte.3
1. 2Tim 1,9; Tit 3,4-5; Eph 2,4-5.8-9; Röm 9,11.
2. 1Kor 2,14; Röm 8,7; Eph 2,5.
3. Joh 6,37; Hes 36,27; Joh 5,25.

3. Erwählte Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, sind durch Christus
mittels des Geistes wiedergeboren und erlöst. Er wirkt wann, wo und wie es ihm gefällt.1 Ebenso verhält es sich auch bei allen anderen erwählten Personen, die nicht in der Lage sind, äußerlich durch den Dienst des Wortes berufen zu werden.
1. Joh 3,8.

4. Andere, die nicht erwählt sind, — auch wenn sie durch den Dienst des Wortes gerufen werden und vielleicht einige allgemeine Wirkungen des Geisteserfahren,1 jedoch nicht wirksam vom Vater gezogen werden — wollen noch können weder wirklich zu Christus kommen und können daher nicht gerettet werden. Noch viel weniger können Menschen, die den christlichen Glauben nicht annehmen, errettet werden,2 auch wenn sie noch so gewissenhaft ihr Leben im Licht der natürlichen Offenbarung und nach dem Gesetz ihrer Religion führen.3
1. Mt 13,20-21; 22,14; Hebr 6,4-5; Mt 7,22.
2. Joh 6,44-45.64-66; 8,24.
3. Apg 4,12; Joh 4,22; 17,3.
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Jörg
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Gliederung des Kapitels

Abschnitt 1

I. Ein allgemeiner Überblick über die wirksame Berufung
A. Ihr Urheber: „Gott“ (der Vater)
B. Ihre Empfänger: „die er zum Leben vorherbestimmt hat“
C. Ihr Eintreten: „zu der von ihm bestimmten und ihm angenehmen Zeit“
D. Ihre Wirksamkeit: „wirksam … zu berufen“
E. Ihre Mittel: „durch sein Wort und seinen Geist“
F. Ihre Veränderung: „aus dem Stand der Sünde und des Todes, in dem sie von Natur aus sind, zur Gnade und Erlösung durch Jesus Christus“
G. Ihre Wirkungsweise: „erleuchtet … wegnimmt … erneuert… so, dass sie völlig freiwillig kommen“

Abschnitt2-4

II. Die konkreten Fragen im Zusammenhang mit der wirksamen Berufung

2 A. Die Frage nach dem Handelnden
3-4 B. Die Fragen nach den Hilfsmitteln
3 1. Das Hilfsmittel des Wortes und die Kleinkinder und geistig Behinderten
4a 2. Das Hilfsmittel des Wortes und die nichterwählten Hörer
4b 3. Das Hilfsmittel des Wortes und die gleichgültigen Heiden


I. Die bedrückende Frage nach dem Heil von Kleinkindern, die in ihrer Kindheit sterben

Das Bekenntnis greift in den Abschnitten 2 bis 4 eine ganze Reihe konkreter Fragen auf, die mit dem Überblick über die wirksame Berufung in Abschnitt 1 zusammenhängen. Diese Fragen befassen sich, wie die obige Gliederung erkennen lässt, mit denen, die bei der wirksamen Berufung handeln, und den Hilfsmitteln. Diese Fragen ergeben sich aus der Behauptung in Abschnitt 1, dass die wirksame Berufung durch die beiden Mittel, „sein Wort und seinen Geist“, geschieht. Abschnitt 2 hält fest, dass die Handlung bei der wirksamen Berufung monergistisch ist (d. h. sie geschieht durch die alleinige Wirksamkeit Gottes). Abschnitt 3 und 4 befassen sich mit drei Fragen im Zusammenhang mit dem Hilfsmittel des Wortes bei der wirksamen Berufung. Wenn die wirksame Berufung unter Mitwirkung des Wortes geschieht, dann stellen sich uns drei Fragen: „Wie steht es um diejenigen, die mental nicht in der Lage sind, das Wort zu verstehen (Kleinkinder und geistig Behinderte)? Wie steht es um diejenigen, die das Wort hören, aber nicht erwählt sind? Und wie steht es um die gleichgültigen Heiden, die das Wort niemals hören?“ Die zweite dieser Fragen wird in der Erklärung zu Kapitel 3 des Bekenntnisses beantwortet. Die dritte Frage wird in Kapitel 1, Abschnitt 1 aufgegriffen (vgl. auch Kapitel 20). Folglich muss an dieser Stelle lediglich die erste Frage behandelt werden. Bevor auf die Frage nach der biblischen Grundlage für die Aussage von Abschnitt 3 eingegangen werden soll, müssen wir zunächst genau feststellen, was eigentlich ausgesagt wird. Der Ausdruck, der diejenigen erwähnt, „die nicht in der Lage sind, äußerlich durch den Dienst des Wortes berufen zu werden“ (10,3), bezieht sich ohne jeden Zweifel auf geistig stark behinderte Menschen. Die Fragen im Zusammenhang mit dem Ausdruck der „[e]rwählte[n] Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben“ (10,3), sind etwas komplizierter. Manche Ausgaben des Bekenntnisses enthalten das Wort „erwählte“ nicht. Es ist jedoch im Originalwortlaut des Bekenntnisses von 1689 eindeutig vorhanden. Vielleicht dachte jemand, dass dieser Ausdruck implizieren würde, dass einige Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, verdammt werden würden. Doch wird durch die Worte: „[e]rwählte Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben“, nicht wirklich behauptet, dass nur einige Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, erwählt sind. Es wird lediglich gesagt, dass wenigstens einige Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, erwählt sind. Es wird nicht notwendigerweise mehr gesagt.
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Jörg
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Als biblische Belegstelle für diese Behauptung, die sowohl vom Westminster Bekenntnis als auch vom baptistischen Glaubensbekenntnis von 1689 zitiert wird, wird Johannes 3,8 angeführt. Während diese Schriftstelle klar bezeugt, dass Gott in der Lage ist, jeden, den er möchte, zu neuem Leben zu gebären, sagt sie nichts darüber aus, ob er einige oder alle Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, erretten wird. Oft werden Johannes der Täufer (Lk 1,44) und der Prophet Jeremia (Jer 1,5) als Beleg für diese Behauptung angeführt. Selbst wenn man einmal die berechtigten Anfragen an die Bedeutung dieser Stellen beiseite lässt, bleibt das Problem bestehen, dass weder Johannes noch Jeremia in der Kindheit gestorben sind. Viele haben sich auch auf die Aussagen Davids über seinen verstorbenen Säugling in 2. Samuel 12,23 berufen: „Ich gehe einmal zu ihm, aber es wird nicht zu mir zurückkehren.“ Dabei nimmt man an, dass David hier vom Himmel spricht. Doch die Parallelstellen im Alten Testament legen in überzeugender Weise nahe, dass David vom Scheol oder vom Grab spricht (Hiob 7,7-8; Pred 3,20). David wird einmal ins Grab, den Scheol,werden, aber das Baby wird aus dem Grab nicht wieder zu David zurückkehren. Aus einer Schriftstelle, die mit großer Wahrscheinlichkeit anders verstanden werden muss, kann kein sicherer Beleg für die Lehre, die hier im Bekenntnis geboten wird, abgeleitet werden. Tatsächlich schweigt die Bibel zu dieser Frage. Es wäre daher viel besser gewesen, wenn das Bekenntnis über diesen Punkt einfach nichts gesagt hätte. Denn dies, davon bin ich überzeugt, ist genau das, was die Bibel sagt. Doch es handelt sich hierbei um eine Angelegenheit, mit der viele beim Tod ihrer eigenen Kinder oder der Kinder von anderen konfrontiert werden. Wenn die Bibel sich nicht direkt zu dieser Frage äußert, dann muss unser Verständnis über den Zustand von Kleinkindern, die in ihrer Kindheit sterben, folglich durch allgemein biblische Prinzipien geprägt sein. Drei große Wahrheiten vermitteln uns genug Einsicht, um uns in dieser Sache zu leiten und zu trösten. Unser Wissen über das Wesen Gottes, sein Erbarmen und seine Güte, seine Gerechtigkeit und seine Rechtschaffenheit, seine Macht und Souveränität sollten uns leiten. Wir wissen, dass Gott bei allem, was er Kleinkindern widerfahren lässt, das tut, was gut und gerecht ist (1Mose 18,25). Wir wissen auch, dass ihn nichts davon abhalten kann, das zu tun, was ihm gefällt. Es ist für ihn nicht unmöglich, Kleinkinder, die in ihrer Kindheit sterben, zu erretten (Joh 3,8). Unser Wissen über die Schuld und den sündhaften Zustand von Kleinkindern muss uns leiten. Die Bibel lehrt, dass diese Schuld wirklich vorhanden ist (Ps 51,6-7; 58,4; Spr 22,15; Jona 4,1-11; Eph 2,1-3). Es gibt keinen biblischen Anhaltspunkt dafür, dass es ein bestimmtes Alter gibt, von dem an sich jemand verantworten muss, oder für die Vorstellung, dass die Kinder von Gläubigen von Geburt an weniger verdorben sind als andere. Jedoch lehrt die Bibel auch, dass diese Schuld begrenzt ist (Lk 12,47-48; 2Kor 5,10-11; Jak 4,17). Wenn es also Kleinkinder geben sollte, die in die Hölle kommen, wird ihre Strafe wesentlich geringer sein als die Strafe, die andere erhalten werden. Auch unser Wissen über die Absichten Gottes muss uns leiten. Wir wissen, dass Gott im Allgemeinen gegenüber seinen Kindern barmherzig ist, was zeitliche und sogar geistliche Segnungen für ihre Kinder in deren Gesamtheit betrifft (Spr 20,7; Ps 112,1-2; 115,14-15). Wir müssen hier vorsichtig sein, denn es handelt sich hierbei lediglich um allgemeine Verheißungen, die an Bedingungen geknüpft sind. Dennoch ist es nicht falsch, wenn wir aus solchen Schriftstellen schließen, dass Gott seine Kinder so sehr liebt, dass er häufig deren Kinder in seine Heilsabsicht mit eingeschlossen hat. Überlegungen wie diese, auch wenn sie nicht ausreichen, um die fleischliche Neugier oder den rebellischen Kummer zufriedenzustellen, sind geeignet, um den seelischen Schmerz der Hinterbliebenen, aber Gott ergebenen Gotteskinder zu lindern.
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Jörg
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II. Die biblische Grundlage für die Lehre von der wirksamen Berufung

A. Die Hilfsmittel

Wenn wir uns im Folgenden der Frage nach den Mitteln der wirksamen Berufung zuwenden, dann werden wir ein Thema erörtern, das sehr häufig ganz eng mit der ganzen Frage nach dem Heil von Kleinkindern zusammenhängt. Viele sind bereit, aus der Lehre über das Heil von Kleinkindern eine falsche und unnötige Schlussfolgerung zu ziehen. Sie argumentieren etwa folgendermaßen: Kleinkinder sind wiedergeboren und errettet. Wenn Kleinkinder wiedergeboren und errettet sind, dann kann dies nicht durch das Mittel des Wortes geschehen sein. Daher werden Kleinkinder ohne das Mittel des Wortes Gottes durch das alleinige Wirken des Heiligen Geistes wiedergeboren, berufen und errettet. Folglich würden auch Erwachsene nicht durch das Mittel des Wortes wiedergeboren. Wiedergeburt sei das unmittelbare Wirken des Heiligen Geistes, ohne das Wort. Aus dieser Lehre wurden verschiedene gefährliche Schlussfolgerungen gezogen. Es wurde beispielsweise behauptet, dass viele Jahre, bevor sie das Evangelium hören, errettet seien, dass viele wiedergeboren seien, die jetzt dennoch in Sünde leben, und dass eine lange Zeit zwischen der Wiedergeburt und der Bekehrung liegen könne. Das Problem bei dieser Argumentationskette besteht darin, dass die Bibel an keiner Stelle behauptet, dass Kleinkinder wiedergeboren seien. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob sich Jeremia 1,5 und Lukas 1,44 (die Beispiele von Jeremia und Johannes dem Täufer) überhaupt auf die Bekehrung von Kleinkindern beziehen. Sollten Kleinkinder zudem tatsächlich wiedergeboren sein, sagt uns die Bibel nicht, wie das geschieht. Wenn Gott in der Lage ist, das Herz von Kleinkindern zu verändern, warum sollte es dann für Gott nicht auch möglich sein, ihnen die Fähigkeit zu verleihen, sein Wort im Glauben anzunehmen? Sollten des Weiteren Kleinkinder dennoch ohne das Wort wiedergeboren werden, bedeutet das noch lange nicht, dass Erwachsene ohne das Wort wiedergeboren werden oder wiedergeboren werden können. Schließlich endet das Ergebnis dieser Art von Argumentation, die auf spekulativen Voraussetzungen beruht, im klaren Widerspruch zur eindeutigen Lehre der Bibel. Die wirksame Berufung und die Wiedergeburt geschehen durch das Mittel des Wortes (Röm 1,16-17; 10,14 2Thess 2,14; Hebr 4,12; Jak 1,17-25; 1Petr 1,23-25; 1Joh 5,1-5). Aus einer spekulativen Annahme über die Wiedergeburt von Kleinkindern heraus etwas abzuleiten, das im klaren Widerspruch zur Heiligen Schrift steht, ist ein Vorgehen, das sich niemals rechtfertigen lässt.
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B. Der Sachverhalt

Es gibt eine Berufung, die sich vom allgemeinen Ruf des Evangeliums unterscheidet (Mt 22,14; Röm 1,6; 8,28; 1Kor 1,23-24; Jud 1). Nicht alle, die das Evangelium hören, gehören auch zu den Berufenen, sondern nur diejenigen, die dadurch errettet werden, wie es in diesen Schriftstellen heißt.

C. Der Vorrang

Diese wirksame Berufung geht jeglicher menschlichen Reaktion voraus, sie ist ihr daher vorgeordnet (Röm8,29-30; 1Kor 1,9.25-30; 2Thess 2,14). Doch auch wenn die Berufung dem Glauben vorausgeht, gibt es dennoch keine zeitliche Lücke. Diejenigen, die berufen sind, glauben sofort. John Murray bemerkt in seinem Kommentar zu Römer 1,16-17 sehr treffend: „Dies lehrt uns, dass das Heil nicht ungeachtet des Glaubens geschieht. Daher hat auch das Heil, von dem Paulus fortan in diesem Brief sprechen wird, keine Existenz, Gültigkeit oder Bedeutung ohne den Glauben … Der Vorrang der wirksamen Berufung und der Wiedergeburt in der ordo salutis [Heilsordnung] sollte nicht dazu führen, dass diese Wahrheit in unserem Denken oder Predigen Vorurteile erzeugt. Es stimmt, dass sich die Wiedergeburt vor dem Glauben ereignet. Aber dies ist nur die kausale Abfolge, doch der wiedergeborene Erwachsene glaubt ständig. Daher wird uns das Heil des Evangeliums niemals ohne den Glauben zuteil … Derjenige, der nur wiedergeboren ist, ist nicht errettet, einfach aus dem Grund, dass es so jemanden nicht gibt. Wer errettet ist, ist auch berufen, gerechtfertigt und als Kind angenommen.“
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D. Die Wirksamkeit

Die Wirksamkeit der wirksamen Berufung erweist sich in der Tatsache, dass alle, die so berufen sind, auch errettet sind. Man vergleiche hierzu, was oben über den Sachverhalt der wirksamen Berufung gesagt wurde. Auch am Zusammenhang mit der Erwählung kann die Wirksamkeit gezeigt werden (Röm 8,29-30; 9,22-24; 1Kor 1,26-28). Die Berufung ist die praktische Folge, die sich aus der Erwählung ergibt (Röm 8,28; 2Tim 1,9). Die Erwählung gibt das Muster für die Berufung vor. Ebenso zeigt sich die Wirksamkeit an der Vollmacht. Gottes Stimme erklingt mächtig in der Natur (Ps 29). Dies zeigt sich auch bei der Erlösung (Joh 5,25; Röm 4,17). Ein derartiger Ruf muss zwingend zu der Reaktion führen, die er fordert.

E. Die Individualität
Die wirksame Berufung ergeht nicht nur an Menschengruppen. Sie geschieht persönlich und individuell (Joh 10,3; 1Kor 7,18-24). Wir dürfen die Wirksamkeit der wirksamen Berufung nicht auf eine Gruppe oder Gemeinde beschränken, während wir den unwiderstehlichen Ruf an den Einzelnen leugnen.[/quote]
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11. Über Rechtfertigung


1. Diejenigen, die Gott wirksam beruft, rechtfertigt er auch aus Gnaden;1 nicht indem er sie mit Gerechtigkeit erfüllt, sondern indem er ihnen die Sünden vergibt und sie selbst für gerecht erklärt und als gerecht annimmt;2 nicht auf Grund von etwas, was in ihnen bewirkt oder von ihnen getan worden ist, sondern allein um Christi willen.3 Weder den Glauben selbst noch die Handlung des Glaubens noch irgendeinen anderen evangelischen Gehorsam rechnet er ihnen als ihre Gerechtigkeit an. Vielmehr rechnet er ihnen Christi aktiven Gehorsam gegenüber dem ganzen Gesetz und seinen passiven Gehorsam in seinem Tod als ihre vollkommene und einzige Gerechtigkeit an, wobei sie sich auf ihn und seine Gerechtigkeit verlassen und diese durch den Glauben empfangen. Diesen Glauben haben sie jedoch nicht aus sich selbst — er ist eine Gabe Gottes.4
1. Röm 3,24; 8,30.
2. Röm 4,5-8; Eph 1,7.
3. 1Kor 1,30-31; Röm 5,17-19.
4. 2Kor 5,19-21; Tit 3,5.7; Röm 3,22-28; Jer 23,6; Phil 3,9; Apg 13,38-39; Eph 2,7-8.

2. Glaube, der auf diese Weise Christus und seine Gerechtigkeit aufnimmt und sich darauf verlässt, ist das einzige Mittel der Rechtfertigung;1 doch nicht das einzige, das sich bei einer gerechtfertigten Person findet, vielmehr ist er stets mit allen anderen rettenden Gnadengabenverbunden. Es ist auch kein toter Glaube, sondern einer, der aus Liebe tätig ist.2
1. Röm 1,17; 3,27-31; Phil 3,9; Gal 3,5.
2. Gal 5,6; Jak 2,17.22.26.
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3. Christus hat durch seinen Gehorsam und seinen Tod die Schuld all derer, die gerechtfertigt sind, vollständig getilgt. Indem er sich selbst opferte, hat er für sie im Blut seines Kreuzes — indem er an ihrer Stelle die ihnen gebührende Strafe erduldete — die angemessene, wirkliche und vollkommene Sühnung vor Gottes Gericht erwirkt.1 Da er nun vom Vater für sie hingegeben wurde2 und da sein Gehorsam und seine Sühnung stellvertretend für sie gelten3 und ihnen beides frei und nicht für etwas, das in ihnen ist, zugerechnet wird, geschieht ihre Rechtfertigung allein aus freier Gnade,4 damit beide, sowohl die strikte Gerechtigkeit als auch die reiche Gnade Gottes, bei der Rechtfertigung von Sündern verherrlicht werden.5
1. Röm 5,8-10.19; 1Tim 2,5-6; Hebr 10,10.14; Jes 53,4-6.10-12.
2. Röm 8,32.
3. 2Kor 5,21; Mt 3,17; Eph 5,2.
4. Röm 3,24; Eph 1,7.
5. Röm 3,26; Eph 2,7.

4. Gott hat von aller Ewigkeit her beschlossen, alle Erwählten zu rechtfertigen, 1 und Christus ist, als die Zeit erfüllt war, für ihre Sünden gestorben und um ihrer Rechtfertigung willen wieder von den Toten auferstanden.2 Dennoch werden sie selbst nicht eher gerechtfertigt, bis ihnen der Heilige Geist zur rechten Zeit Christus tatsächlich zueignet.3
1. Gal 3,8; 1Petr 1,2.19-20; Röm 8,30.
2. Gal 4,4; 1Tim 2,6; Röm 4,25.
3. Kol 1,21-22; Gal 2,16; Tit 3,4-7; Eph 2,1-3.

5. Gott hört nicht auf, denjenigen, die gerechtfertigt sind, ihre Sünden zu vergeben.1 Und obwohl sie niemals aus dem Stand der Rechtfertigung fallen können,2 kann es dennoch geschehen, dass sie sich wegen ihrer Sünden Gottes väterliches Missfallen zuziehen. In diesem Zustand leuchtet gewöhnlich das Licht seines Angesichtes nicht eher wieder über ihnen, bis sie sich demütigen, ihre Sünden bekennen, um Vergebung bitten und ihren Glauben und ihre Buße erneuern.3
1. Mt 6,12; 1Joh 1,7-2,2; Joh 13,3-11.
2. Lk 22,32; Joh 10,28; Hebr 10,14.
3. Ps 32,5; 51,9-14; Mt 26,75; Lk 1,20.

6. Die Rechtfertigung der Gläubigen im Alten Testament war in jeglicher Hinsicht ein und dieselbe wie die Rechtfertigung der Gläubigen im Neuen Testament.1
1. Gal 3,9; Röm 4,22-24.
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Gliederung des Kapitels

Abschnitt1
I.Die Definition von Rechtfertigung
A. Das Wesen der Rechtfertigung: Vergebung und Annahme
1. Negativ: Es ist keine moralische Veränderung.
2. Positiv: Es ist eine rechtliche Übereignung.
B. Die Grundlage für die Rechtfertigung
1. Negativ: nicht in uns
2. Positiv: sondern in Christus
C. Die Methode der Rechtfertigung: Anrechnung (Imputation)
1. Negativ: nicht durch die Zurechung des Glaubens
oder des evangelischen Gehorsams selbst als Gerechtigkeit
2. Positiv: sondern durch die Zurechnung von Christi
aktivem und passivem Gehorsam

Abschnitt2
II. Das wirksame Mittel bei der Rechtfertigung
A. Die Einzigartigkeit des Glaubens
B. Die Begleitumstände des Glaubens

Abschnitt3
III. Der Zweck der Rechtfertigung



Abschnitt4
IV. Der genaue Zeitpunkt der Rechtfertigung



Abschnitt5
V. Die ausgewogene Wirklichkeit im Blick auf die Rechtfertigung



Abschnitt6
VI. Die unveränderliche Einheit der Rechtfertigung




Der Text in diesem Kapitel des Bekenntnisses stimmt nahezu wörtlich mit dem des Westminster Bekenntnisses überein. (Er wurde nur durch ein paar kleine Einschübe geändert, die aus der Savoy-Erklärung übernommen wurden, doch haben diese geringfügigen Änderungen keinen Einfluss auf den Inhalt.) Diese Tatsache unterstreicht, dass die Schreiber dieses Bekenntnisses mit der Rechtfertigungslehre, wie sie von Martin Luther und der gesamten protestantischen Reformation hochgehalten wurde, vollkommen übereinstimmen. Der Platz gestattet uns allerdings nur, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf fünf der wichtigsten Fragestellungen richten, die mit dieser wichtigen Lehre zusammenhängen.


I. Die Notwendigkeit der Rechtfertigung

Die Lehre von der Rechtfertigung führt uns zu den Kernfragen des Glaubens. Wie kann ich mit Gott ins Reine kommen oder gerecht vor ihm sein? Wir können die Rechtfertigung nicht richtig begreifen, wenn wir nicht die Probleme, die mit dieser Frage zusammenhängen, verstanden haben. Ist Gott in seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit erhaben? Ist er derjenige, der den Schuldigen keineswegs ungestraft lässt? Gibt es seine makellose Reinheit, seine verzehrende Heiligkeit, seinen brennenden Zorn wirklich? Sind wir auf der anderen Seite abscheuliche, schuldige Sünder? Haben wir den Lohn der Sünde, den Tod, zu Recht verdient? Wenn wir diese Fragen ernsthaft gestellt und beantwortet haben, dann werden wir die Frage: „Wie können wir mit Gott ins Reine kommen?“ erst richtig verstehen. Die Bibel konfrontiert uns mit dieser Frage in äußerst unverhohlener Weise (5Mose 25,1; Ps 130,3; 143,2; Röm 3,19-20). Ein ungerechtes Urteil ist in Gottes Augen ein Gräuel. Er ist der Richter, und er muss gerecht richten. Da dies der Fall ist, wie sollte jemand wie wir der ewigen Verdammnis entgehen?
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II. Der Handelnde bei der Rechtfertigung

Der Urheber oder der Handelnde bei der Rechtfertigung ist Gott, der Vater(Röm 3,25-26; 8,33). Wir dürfen also niemals meinen, dass wir uns vor Gott selbst rechtfertigen müssten, sei es dadurch, dass wir uns für unsere Sünde rechtfertigen, dass wir uns entschuldigen oder dass wir bestimmte Werke tun. Gott allein kann rechtfertigen.


III. Die Bedeutung der Rechtfertigung

A. Der allgemeine und weltliche Gebrauch

Der römische Katholizismus zwingt uns zu einer Auseinandersetzung mit dieser Frage, denn er lehrt, Rechtfertigung bedeute, dass jemand zu einem guten Menschen gemacht werde, der ein heiliges Wesen empfängt, eine ethische Ausrichtung der Liebe! Selbst der allgemeine Gebrauch des Wortes „rechtfertigen“ oder „Rechtfertigung“ widerspricht häufig dieser Behauptung. Wenn wir gewöhnlich davon sprechen, dass wir uns selbst rechtfertigen, dann heißt das nicht, dass wir uns gut machen, sondern dass wir uns selbst für gerecht erklären oder als gerecht bezeichnen. Diese Bedeutung findet sich auch in der Heiligen Schrift, wenn es um rein weltliche Angelegenheiten geht (5Mose 25,1; Spr 17,15; Lk 7,29; Röm 8,33-34), wobei in diesen Stellen diese Wortbedeutung dadurch untermauert wird, dass der Gegenbegriff, der dort gebraucht wird, „schuldig“ oder „verdammt“ heißt. Jemanden „verdammen“ bedeutet natürlich nicht, dass man jemanden schuldig macht, sondern dass man ihn schuldig spricht oder für schuldig erklärt. Außerdem steht Römer 8,33-34 in einem juristischen Kontext. Man beachte die Aussage: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“ (Röm 8,33). Die Rechtfertigung führt zu keinem Wandel in uns. Es handelt sich vielmehr um ein Urteil über uns. In der Rechtfertigung handelt Gott als Richter und nicht als Arzt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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B. Die einzigartige, erlösende Bedeutung

Doch wenn „rechtfertigen“ soviel wie „gerecht sprechen“ bedeutet, dann spitzt sich die oben aufgeworfene Frage noch weiter zu: Wie kann Gott den Ungerechten rechtfertigen? (vgl. 5Mose 25,1; Spr 17,15). Die Bibel lässt keinen Zweifel daran, dass Gott den Gottlosen tatsächlich rechtfertigt (Röm 3,19-24; 4,5). Und doch handelt er dabei nicht ungerecht (Röm 3,26). Was aber gibt ihm die Möglichkeit, gerecht zu bleiben, während er den Ungerechten rechtfertigt? Wenn Gott einen Sünder rechtfertigt, dann spricht er nicht nur einen Menschen gerecht, sondern er versetzt ihn in die Stellung eines Gerechten (Röm 5,19). Dies ist die einzigartige, erlösende Bedeutung der Rechtfertigung. Doch hier ist Vorsicht angebracht, denn Paulus will mit den Worten: „in die Stellung von Gerechten versetzt“ oder „gerecht gemacht“ nicht sagen, dass jemand zu einem guten Menschen gemacht wird. Er will damit sagen, dass Gott ihn in den rechtlichen Stand eines Gerechten erhoben hat. Der Grund, weshalb wir dies so formulieren, besteht darin, dass Gott nicht auf unsere eigene Gerechtigkeit blickt, sondern auf die eines anderen, wenn er uns rechtfertigt. Wenn er rechtfertigt, dann geschieht dies nicht auf Grund einer Gerechtigkeit, die wir durch unseren Gehorsam erworben hätten, sondern wegen Christi Gehorsam (Röm 5,17-19). Dies bringt uns zu der Grundlage für die Rechtfertigung.
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Jörg
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IV. Die Grundlage für die Rechtfertigung

Gott erklärt uns für gerecht. Doch auf welcher Grundlage tut er dies? Welche Gerechtigkeit rechnet er uns an, wenn er sagt, dass wir gerecht sind? Manche haben die Lehre von Römer 4,3-5 so verstanden, dass Gott als Grundlage für seinen Urteilsspruch, mit dem er uns für gerecht erklärt, auf unseren Glauben oder unseren evangelischen Gehorsam blicke. In Wahrheit ist eine solche Auslegung aber eine drastische Leugnung der biblischen Lehre von der Rechtfertigung.

A. Der biblische Beweis

Die folgenden Überlegungen bestätigen die oben erwähnte Wahrheit. 1. Es handelt sich nicht um den Glauben an sich, sondern um den Glauben, der Christus ergreift, wovon Paulus in Römer 4,5 spricht. Wir sprechen davon, dass ein Ring sehr viel Geld wert sein kann, selbst wenn es nicht die Einfassung ist, die so wertvoll ist, sondern der Diamant, der in den Ring eingesetzt ist. In derselben Weise spricht Paulus vom Glauben, der zur Gerechtigkeit gerechnet wird, denn es ist der Glaube, der Christus festhält und ihn besitzt. 2. Unser Gehorsam ist nicht vollkommen und erfüllt daher auch nicht Gottes vollkommenen Maßstab für die Gerechtigkeit. Und selbst wenn er vollkommen wäre, könnte er nicht die Sündenvergebung erwerben, die ein Teil der Rechtfertigung ist. 3. Die Rechtfertigung geschieht nicht durch unsere Werke (Röm 3,20; 4,2; 10,3-4; Gal 2,16; 3,11; 5,4; Phil 3,9). 4. Die Rechtfertigung geschieht aus Gnade. Es handelt sich nicht um irgendeinen Lohn für das, was wir tun (Röm 3,24-28; 5,15-21). 5. Die Rechtfertigung geschieht in Christus (Apg 13,38-39; Röm 8,1; 1Kor 6,11; Gal 2,17). Durch die Verbindung mit Christus, nicht durch unsere eigenen Taten oder unser eigenes Verdienst werden wir gerechtfertigt. 6. Die Rechtfertigung geschieht durch Christi Blut und durch seinen Tod (Röm 3,24-25;5,9; 8,33-34). 7. Sie geschieht durch die Gerechtigkeit Gottes (Röm 1,17; 3,21-22; 10,3; Phil 3,9). Es handelt sich wahrlich um eine eigenartige Auslegung, welche die herrliche Gerechtigkeit Gottes, die in diesen Texten erwähnt wird, als unseren Glauben oder unseren evangelischen Gehorsam versteht. 8. Schließlich gründet sich die Rechtfertigung auf die Gerechtigkeit des Gehorsams Christi (Röm 5,17-19). Aus all diesen Gründen kann die Grundlage für unsere Gerechtigkeit, das, was Gott vor Augen hat, wenn er uns gerecht spricht, einzig und allein der Gehorsam Christi sein.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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