Eine Erklärung zum bapt. Glaubensbekenntnis(1689) für heute.

Basiert auf "Biblische Lehre" - aber damit die Praxis nicht zu kurz kommt, ein Extra-Forum

Moderator: eddi

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Wenn wir nach dem Irrtum oder den Irrtümern Ausschau halten, die für die Zusammenstellung dieses Kapitels Anlass hätten geben können, scheinen allerdings wenig harte Fakten vorhanden zu sein. Uns bleibt nichts anderes übrig, als diese Irrlehren aus dem Inhalt des Kapitels und aus dem Allgemeinwissen über die historische Epoche, in der es geschrieben wurde, zu erschließen. Der Inhalt des Kapitels weist darauf hin, dass die Irrlehre, um die es sich handelt, die Notwendigkeit für die in der Heiligen Schrift enthaltene spezielle Offenbarung zum Heil gering achtete. Das Allgemeinwissen über diese Epoche lässt die fundierte Annahme zu, dass die puritanischen Autoren bereits die intellektuelle Tendenz erkannt hatten, aus der später der Deismus hervorgehen sollte, der betont, dass die menschliche Vernunft und die natürliche Offenbarung völlig ausreichen, und der sich deutlich gegen die übernatürliche Offenbarung und die christlichen Grundlehren wendet, die diese von anderen Religionen unterscheidet. Diese Leute wollten eine völlig rational begründete Grundlage für die Existenz Gottes und die Moral schaffen. Sie hatten eine Abneigung gegen die Vorstellung, dass eine spezielle Offenbarung, die nur einigen Menschen zuteil wurde, notwendig sei, um Gott in rechter Weise zu verehren und zu dienen. Der weit verbreitete naturalistische Materialismus unserer Tage mit seiner Ablehnung von Wundern hat eine ganz ähnliche Ausrichtung wie der Deismus. Daher ist die Betonung dieses Kapitels immer noch aktuell. Das Bekenntnis reagiert auf die Anfänge des Deismus in seiner Zeit mit biblischen Lehren, die heute in gleicher Weise zutreffend sind. In diesem Kapitel wird Folgendes betont: 1. Die Unzulänglichkeit der natürlichen Offenbarung und die Notwendigkeit übernatürlicher Offenbarung für den wahren und rettenden Glauben. 2. Das souveräne Vorrecht Gottes, das Evangelium denen zu geben, denen er es geben will. 3. Die Notwendigkeit des direkten, göttlichen und übernatürlichen Eingreifens des Heiligen Geistes als erneuernde Kraft zur Errettung des Einzelnen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

I. Das Einsetzen dieser Offenbarung (Abschnitt 1)

Die Aussage, die diesem Abschnitt zu Grunde liegt, besagt, dass Gott nach dem Sündenfall, als der Mensch nicht mehr in der Lage war, durch den Bund der Werke das Leben zu erlangen, das Evangelium als Mittel zur Errettung von Sündern bekannt gemacht hat. Es ist leicht zu erkennen, welche Irrlehre mit dieser Feststellung angesprochen wird. Nicht selten haben falsche Lehrer behauptet, dass die Menschen zur Zeit des Alten Testaments, insbesondere in der ersten Zeit, nicht durch das Evangelium, sondern auf eine andere Weise errettet wurden. Dabei gehen sie davon aus, dass das Evangelium als Heilsweg erst in späteren Zeiten der Weltgeschichte zur Verfügung stand. Auch wenn dies von anderen behauptet wurde, so war dies wahrscheinlich doch ein Argument, das die ersten Deisten Mitte des 17. Jahrhunderts gebrauchten, denn darin ist auch ihre anfängliche Abneigung gegenüber der speziellen Offenbarung und gegenüber dem Ausschließlichkeitsanspruch der Christen enthalten. Auf diese Irrlehre (ob sie nun von Deisten in der Mitte des 17. Jahrhunderts oder von Dispensationalisten im 20. Jahrhundert vorgetragen wird) erwidert das Bekenntnis, dass bereits die Verheißung hinsichtlich des Samens der Frau, die unmittelbar nach dem Sündenfall im Garten Eden gegeben worden war, im Kern das Evangelium enthält. 1. Mose 3,15 ist in der Tat eine Verheißung des Messias. Der Same der Frau umschließt dabei alle ihre rechtschaffenen Nachkommen, aber nicht all ihre leiblichen Nachkommen (Röm 16,20; Offb 12,17). Der Blick richtet sich ganz klar auf das Werk Christi als dem Samen der Frau, der in besonderer Weise den Kopf der Schlange zertreten würde. Edward J. Young bringt die Sache gut auf den Punkt: „Es ist der Same der Frau, wie er im Erlöser eingeschlossen ist, der von dem tödlichen Schlag befreien wird.“
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Diese Deutung von 1. Mose 3,15 wird in erster Linie dadurch bestätigt, dass es sich hierbei um die erste von vielen Heilsankündigungen handelt, die in und durch einen „Samen“ geschehen sollten. Auf den nachfolgenden Seiten des Alten Testaments lesen wir von dem „Samen Abrahams“ (Isaak und Jakob), dem „Samen Judas“ und dem „Samen Davids“. Außerdem scheinen sich Epheser 2,12 mit dem Hinweis auf die „Bündnisse der Verheißung“ und Galater 4,4, wo von dem einen die Rede ist, der „als aber die Fülle der Zeit kam … von einer Frau“ geboren wurde, auf 1. Mose 3,15 zu beziehen. Egal ob dies nun zutrifft oder nicht — diese beiden Stellen machen auf jeden Fall deutlich, dass das Evangelium des Christus einfach das abschließende Ende eines Prozesses ist und eine Enthüllung der Wurzeln, die weit in die Geschichte zurückreichen. Hebräer 11,13 besagt, dass sie — gemeint sind Abel, Henoch, Noah, Abraham und Sara — die Verheißungen des Heils besaßen, an sie glaubten und dadurch ein Zeugnis erhielten (Hebr 11,39). Lukas identifiziert den gläubigen Überrest in Israel dreimal als diejenigen, die im Glauben auf die Erfüllung der Erlösungsverheißungen Gottes warteten (Lk 2,25.38; 23,51). Diese biblischen Belege zeigen sehr deutlich, dass das Heil niemals darin zu finden war, dass man lediglich dem Licht der Natur entsprechend lebte und dem Gott der Schöpfung mit einem moralischen Leben diente. Das Heil war vielmehr zu allen Zeiten mit dem auf die Heilsoffenbarung ausgerichteten Glauben verbunden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Jemand könnte die eben dargebotenen Ausführungen anzweifeln, indem er fragt: „Wie viel konnten Adam und Eva in der Tat wirklich über die Heilsbotschaft wissen? 1. Mose 3,15 ist doch nur eine sehr kurze und dann auch noch recht unpräzise Aussage.“ Einer solchen Anfrage muss zugestanden werden, dass Adam und Eva gewiss viel weniger verstanden hatten als wir im Neuen Bund. Es wäre unredlich, wenn wir in Adams und Evas Verständnis das hineinlesen würden, was wir heute anhand von 1. Mose 3,15 verstehen, nachdem dies in der Heilsgeschichte zunehmend enthüllt worden ist. Wenn selbst Johannes der Täufer (der letzte und größte der Propheten) die Erfüllung von Gottes Verheißungen nicht sofort verstanden hatte (Mt 11,1-19), dürfen wir das genaue Verständnis früherer Personen in der Heilsgeschichte nicht überschätzen. Verheißungen wie 1. Mose 3,15 sind wie Rätsel. Sie sind leicht, wenn man die Antwort kennt, aber vorher sind sie schwer und verwirrend. Aber selbst wenn wir all dies berücksichtigen, so muss doch gesagt werden, dass Adam und Eva in der Verheißung des Samens mehr über das Evangelium geoffenbart worden war, als man gemeinhin annimmt. 1. Sie wussten, dass das Heil allein aus Gottes Gnade und seinem unverdienten souveränen Erbarmen kommt. Die Botschaft des Heils wurde zuerst in der Form einer Weissagung und Verheißung gegeben und nicht in der Form eines Gebots. Adam hatte gesündigt. Auf Grund von 1. Mose 2,16-17 wusste er, dass er nichts anderes als den Tod verdient hatte (1Mose 3,7-10). In dieser Situation machte Gott unilateral und freiwillig eine Verheißung. Dies war nichts als Gnade. Adam konnte daher sehr gut verstanden haben, dass Heil aus Gnade und nicht aus Gesetzeswerken geschieht (Röm 4,13-16; Gal 3,15-22). 2. Sie wussten, dass man durch Glauben errettet wird. Wie reagiert man in angemessener Weise auf eine Verheißung? Verheißungen muss man in erster Linie und vor allen Dingen Glauben schenken und ihnen vertrauen. Römer 4,13-16 und Galater 3,15-20 bringen den Gedanken der Verheißung nicht nur mit Gnade, sondern auch mit Glauben in Verbindung. 3. Sie wussten, dass das Heil durch einen kommenden Erlöser erwirkt wird. Der Sieg über Satan und die Sünde sollte nicht aus ihren eigenen Anstrengungen hervorkommen, sondern aus dem Sieg, der durch den Samen der Frau erlangt wird.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

1. Mose 3,15 ist der Same, aus dem die großen Schlagworte der Reformation erwuchsen. Dieser Vers lehrt heute (und lehrte Adam und Eva), dass das Heil gemäß der Verheißung allein aus Gnade (sola gratia), allein aus Glauben (sola fide) und allein durch Christus (solus Christus) geschieht. Damit ist die Einheit der Heilsbotschaft zu allen Zeiten erwiesen. Menschen wurden zu allen Zeiten auf dieselbe Weise und durch dasselbe Evangelium errettet. Dieses Evangelium wurde im Alten und im Neuen Testament offenbart. Jeder Mensch, der jemals errettet wurde, wurde dadurch errettet. Dies korrigiert den wankelmütigen Christen, der gerne sagen möchte, dass die Menschen zu allen Zeiten durch Christus errettet wurden, dem aber doch immer wieder gesagt worden ist, dass dies im Alten Testament doch irgendwie anders war. Solchen Leuten können wir versichern: Menschen wurden stets auf dieselbe Weise errettet, und nichts anderes! Auch die Notwendigkeit des Evangeliums als das alleinige Mittel zum Heil wird auf diese Weise verteidigt. An dieser Stelle muss jedoch eine allgemeine Einschränkung vorangestellt werden. Es soll hier nicht berücksichtigt werden, was über Kleinkinder und stark geistig behinderte Menschen gesagt werden kann (vgl. Kapitel 10). In Abschnitt 4 werden wir sehen, dass, wenn Menschen errettet werden sollen, zusätzlich zum Evangelium die erneuernde Kraft des Geistes notwendig ist. Manche haben jedoch die unwiderstehliche erneuernde Kraft des Heiligen Geistes so sehr betont, dass sie dadurch die absolute Notwendigkeit, an das Evangelium zu glauben, sträflich vernachlässigt haben. Sie haben so getan, als ob der Heilige Geist Menschen ohne das Evangelium erneuern könnte oder würde. Das wäre gerade so, als ob der Heilige Geist das Licht der Natur oder das bloße Gesetz Gottes gebrauchen würde, um Menschen zu erneuern. Das stimmt einfach nicht! Der Heilige Geist erneuert Menschen nicht durch das Licht der Natur oder durch das Gesetz. Er gebraucht das Evangelium Jesu Christi. Dieses Evangelium allein ist „Gottes Kraft zum Heil“ (Röm 1,16).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

II. Die Notwendigkeit dieser Offenbarung (Abschnitt 2)


Abschnitt 2 greift das Thema der Notwendigkeit der Evangeliumsoffenbarung auf, die in Abschnitt 1 kurz angedeutet wurde (vgl. Kapitel 1). Der Abschnitt beginnt mit der Aussage: „Diese Verheißung des Christus und die Erlösung durch ihn wird nur durch das Wort Gottes offenbart.“ (20,2). Damit ist ausschließlich die in der Bibel enthaltene spezielle Heilsoffenbarung gemeint. Das wird anschließend dadurch untermauert, dass die negativen Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben, genannt werden. Die erste Schlussfolgerung besagt, dass das Evangelium nicht einmal auf unklare Weise durch das offenbart wurde, was man die allgemeine oder natürliche Offenbarung genannt hat. Die zweite Schlussfolgerung ergibt sich aus der ersten und besagt, dass kein Mensch durch die natürliche Offenbarung zum rettenden Glauben oder zur Buße gelangen kann. Wir wollen uns hier auf die erste der beiden Schlussfolgerungen konzentrieren, während wir die zweite unter Abschnitt 3 aufgreifen wollen. Durch die starke Betonung, die dieser Abschnitt der verschriftlichten Offenbarung beimisst, soll nicht die Klarheit oder das Ausmaß der allgemeinen Offenbarung herabgesetzt werden. Stellen wie 1. Mose 1,31; Psalm 19,2-7; Apg 14,16-17; Römer 1,18-23 und 2,12-14 halten ausdrücklich fest, dass Gottes Existenz, seine Weisheit, seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit, sein Gesetz, sein Zorn und seine Güte (die allgemeine Gnade) klar und überzeugend in der Schöpfung geoffenbart sind. Die Güte oder die allgemeine Gnade Gottes ist jedoch nicht das Evangelium. Die Verheißung eines Erlösers wurde und konnte in einer nicht gefallenen Welt, in der alles sehr gut war (1Mose 1,31), nicht geoffenbart werden. Die Bibel betont daher nachdrücklich, dass der Mensch nur durch die Erkenntnis Christi errettet werden kann (Apg 4,12; Röm 10,13-15).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Der Zusammenhang zwischen Römer 1,16-17 und dem darauf folgenden Abschnitt, Römer 1,18-2,16, bestätigt diese nüchternen Behauptungen. Neben der ausdrücklichen Feststellung, dass das Evangelium die Kraft Gottes zum Heil sowohl für Juden als auch für Griechen ist, stehen die Aussagen, dass in der allgemeinen Offenbarung Gottes Zorn geoffenbart wird (1,18), damit die Menschen „ohne Entschuldigung seien“ (1,20) und dass „so viele ohne Gesetz gesündigt haben, … auch ohne Gesetz verloren gehen“ werden (2,12). Die Aussage von Römer 2,12 verdient dabei besondere Beachtung. Hier wird bekräftigt, dass der Besitz der speziellen Offenbarung, die Kenntnis des Evangeliums, keine Voraussetzung ist, um verdammt zu werden. Menschen können „ohne Gesetz“, d. h. ohne spezielle Offenbarung, verloren gehen. Da in Römer 3,9-20 mit größtem Nachdruck und in allumfassendster Weise gesagt wird, dass alle gesündigt haben (Röm 3,23), folgt daher aus Röm 2,12, dass alle, die ohne die spezielle Offenbarung gelebt haben und gestorben sind, in der Tat verloren gehen werden. Wenn Römer 3,21 unmittelbar nach 3,9-20 feststellt: „Jetzt aber ist ohne Gesetz Gottes Gerechtigkeit geoffenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.“, dann lautet die eindeutige sich daraus ergebende Schlussfolgerung abermals, dass das Heil nur durch die spezielle Offenbarung erlangt werden kann. Auch aus Psalm 19 lassen sich ähnliche Schlussfolgerungen ziehen. Dort wird die natürliche Offenbarung (Vers 2-7) der speziellen Offenbarung (Vers 8-15) gegenübergestellt. Die Verse 8-12 enthalten wiederholt die Feststellung, dass die spezielle Offenbarung zum Heil wirksam ist.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Dies steht in einem deutlichen Gegensatz zu den Versen 2-7, in denen zwar die natürliche Offenbarung hinsichtlich ihrer Klarheit, ihres Inhalts und ihrer Allgemeingültigkeit gepriesen wird, aber kein Wort über irgendeine Auswirkung, die aus ihr hervorkommen könnte, gesagt wird, geschweige denn über eine Wirksamkeit zum Heil. Schließlich muss in diesem Zusammenhang der Befehl, allen Nationen das Evangelium zu verkündigen, erwogen werden (Mt 28,18-20; Lk 24,46-47). Die Dringlichkeit und die Notwendigkeit dieses Befehls lässt sich gewiss nicht ohne die Vorstellung erklären, dass die Menschen ohne das Evangelium verloren gehen. Dies sagt die Heilige Schrift ganz ausdrücklich (Apg 17,29-30; Röm 3,9-20). Die praktischen Schlussfolgerungen, die sich aus dieser biblischen Lehre ergeben, sollen nun kurz zusammengefasst werden: Menschen gehen verloren, selbst wenn sie niemals das Evangelium gehört haben. Menschen müssen das Evangelium hören, um auch nur die Möglichkeit zu haben, errettet zu werden. Kein Mensch hat es verdient, eine Chance zu erhalten, errettet zu werden. Gott ist gerecht, und doch bietet er vielen Menschen keine Möglichkeit zur Errettung. Die Menschen haben genug göttliche Offenbarung empfangen, um ohne Entschuldigung zu sein, aber nicht genug, um errettet zu werden. Menschen werden daher nicht nur oder lediglich deshalb verdammt, weil sie nicht an Christus geglaubt haben. Einige, die sich zwar niemals der Sünde, das Evangelium abzuweisen, schuldig gemacht haben, werden doch wegen ihrer Sünde zur Hölle fahren.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

III. Der souveräne Herr dieser Offenbarung (Abschnitt 3)

Souverän bedeutet in diesem Zusammenhang die vollkommene Unabhängigkeit und Freiheit Gottes, das Licht des Evangeliums Menschen und Nationen zu gewähren. Dadurch, dass die Souveränität hervorgehoben wird, mit der Gott das Evangelium zu den Menschen kommen lässt, verwirft das Bekenntnis sehr deutlich eine andere Meinung in dieser Sache. Auf diese Meinung bezieht sich die Feststellung, dass die Evangeliumsoffenbarung „nicht kraft irgendeiner Verheißung mit der angemessenen Vervollkommnung der natürlichen Fähigkeiten des Menschen verknüpft [ist], und auch nicht kraft des allgemeinen Lichts, das man auch ohne das Evangelium empfängt, was nie jemand geschafft hat oder schaffen kann“ (20,3). Kurz gesagt: Es handelt sich bei dieser Meinung um die Auffassung, dass, auch wenn in der Tat niemand durch natürliche Fähigkeiten und das allgemeine Licht errettet wird, doch einige dieses Licht so steigern, dass Gott ihnen die Verheißung gibt, ihren Fleiß mit dem Licht des Evangeliums zu entlohnen. Der Hauptmann Kornelius wird oft als Beispiel für einen solch tugendhaften Heiden genannt. Da Kornelius jedoch, schon bevor er die Vision empfing, eindeutig die spezielle Offenbarung kannte und möglicherweise sogar bekehrt war (Apg 10,1-3), ist der Verweis auf ihn hinfällig. Die Aussagen der Bibel zu diesen Meinungen sind klar und deutlich: 1. Niemals hat jemand das allgemeine Licht so sehr gesteigert (Röm 3,10-12). 2. Niemals kann jemand das allgemeine Licht so sehr steigern (Röm 8,7-8). (Vgl. Kapitel 9 für weitere Belege über die Lehre der völligen Unfähigkeit des Menschen.) 3. Gott gewährt den Menschen das Licht des Evangeliums nicht deshalb, weil er vorher weiß, dass sie in der rechten Weise darauf reagieren werden, sondern auf der Grundlage seines eigenen souveränen Wohlgefallens (Mt 11,20).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit der Lehren der Gnade (oder des Calvinismus), um evangelistische Missionsbestrebungen vor Irrtümern zu bewahren, die den Missionseifer zerstören könnten. Häufig wird denjenigen, die an den Lehren der Gnade festhalten, vorgeworfen, dass sie an einer Meinung festhalten, die den Missionseifer zerstören würde. Tatsächlich ist es aber so, dass nur diese Lehren diesen Eifer vor der völligen Zerstörung bewahren können. Nur ein Calvinist ist gegen die evangeliumszerstörerischen Irrlehren, die in diesem Kapitel zurückgewiesen werden. Er weiß, dass die Menschen völlig verdorben und nicht in der Lage sind, ihr natürliches Licht zu steigern. Daher bewahrt ihn die Lehre von der völligen Unfähigkeit des Menschen vor diesem Irrtum. Er weiß, dass Gott in seinem Heilshandeln souverän ist und keinem Menschen eine „Chance“ zum Heil schuldet. Aus diesem Grund ist er davon überzeugt, dass Gott das Evangelium senden wird, zu wem er will, und dass er es niemandem schuldet. Er weiß, dass das Evangelium „das Mittel“ ist, „durch das er die Erwählten beruft“ (20,1). Er kann sich deshalb nicht vorstellen, dass jemand auf eine andere als auf die von Gott verordnete Art und Weise errettet wird. Das Evangelium ist keine willkürliche, zweitbeste Erfindung, die durch den freien Willen des Menschen oder irgend ein anderes Mittel ergänzt werden muss. Es ist der von Ewigkeit her von Gott verordnete Weg zur Errettung seines erwählten Volkes. Wenn jemand erwählt ist — so glaubt es der Calvinist — dann ist Gott auch in der Lage, ihm das Evangelium zu senden, und er wird es ihm auch senden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

IV. Die Hinlänglichkeit dieser Offenbarung (Abschnitt 4)

Dieser Abschnitt trifft zwei Feststellungen über die Hinlänglichkeit des Evangeliums. Als „das einzige äußerliche Mittel …, um Christus und die rettende Gnade zu offenbaren“, ist es für diesen Zweck „völlig ausreichend“ (20,4). Im Blick auf die innerliche Kraft zur Bekehrung ist es jedoch völlig unzureichend, wenn es nicht von der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes begleitet wird (Joh 6,44; 1Kor 1,22-24; 2Kor 4,4.6). Die Lampe in Ihrem Zimmer braucht zwei Dinge, damit sie das Zimmer erleuchten kann. Es muss eine Glühbirne eingeschraubt sein, aber das allein genügt noch nicht. Sie muss auch an den elektrischen Strom angeschlossen sein. Der elektrische Strom allein kann ihnen einen tödlichen Stromschlag versetzen, aber das wird Ihr Zimmer nicht richtig erleuchten. Um das zu erreichen, ist die Glühbirne dringend notwendig. In gleicher Weise ist die Kraft des Heiligen Geistes notwendig, doch muss er in und durch das Evangelium wirksam sein, wenn eine finstere Seele zum Heil erleuchtet werden soll.

21.Über die christliche Freiheit und die Freiheit des Gewissens

1. Die Freiheit, die Christus den Gläubigen unter dem Evangelium erworben hat, besteht in ihrer Freiheit von der Sündenschuld, dem verdammenden Zorn Gottes, der Härte und dem Fluch des Gesetzes1 und in ihrer Erlösung aus dieser gegenwärtigen bösen Welt, der Knechtschaft Satans und der Herrschaft der Sünde,2 von dem Übel der Leiden, der Furcht und dem Stachel des Todes, dem Sieg des Hades und der ewigen Verdammnis;3 ebenso in ihrem freien Zugang zu Gott und ihrem ihm ergebenen Gehorsam, der nicht aus knechtischer Furcht, sondern aus kindlicher Liebe und Bereitwilligkeit geschieht.4 Im Wesentlichen hatten an all dem auch die Gläubigen unter dem Gesetz Anteil.5 Aber unter dem Neuen Bund ist die Freiheit der Christen noch weiter vergrößert worden, indem sie vom Joch des Zeremonialgesetzes befreit worden sind, dem die jüdische Gemeinde unterworfen war, und indem sie mit größere Freimütigkeit Zugang zum Gnadenthron haben und eine umfassendere Mitteilung des freien Geistes Gottes empfangen, als sie den Gläubigen unter dem Gesetz normalerweise zu Teil wurde.6
1. Joh 3,36; Röm 8,33; Gal 3,13.
2. Gal 1,4; Eph 2,1-3; Kol 1,13; Apg 26,18; Röm 6,14-18; 8,3.
3. Röm 8,28; 1Kor 15,54-57; 1Thess 1,10; Hebr 2,14-15.
4. Eph 2,18; 3,12; Röm 8,15; 1Joh 4,18.
5. Joh 8,32; Ps 19,8-10; 119,14.24.45.47-48.72.97; Röm 4,5-11; Gal 3,9;
Hebr 11,27.33-34.
6. Joh 1,17; Hebr 1,1-2a; 7,19.22; 8,6; 9,23; 11,40; Gal 2,11-12; 4,1-3; Kol 2,16-17;
Hebr 10,19-21; Joh 7,38-39.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

2. Gott allein ist Herr des Gewissens,1 und er hat es nicht an menschliche Lehren und Gebote gebunden, die in irgendeiner Weise seinem Wort entgegenstehen oder nicht darin enthalten sind.2 Daher wird die wahre Gewissensfreiheit verraten, wenn unter Berufung auf das Gewissen solchen Lehren geglaubt und solchen Geboten Gehorsam geleistet wird.3 Ebenso bedeutet die Forderung nach blindem Glauben und absolutem und blindem Gehorsam, dass die Gewissensfreiheit und auch die Freiheit der Vernunft zerstört werden.4
1. Jak 4,12; Röm 14,4; Gal 5,1.
2. Apg 4,19; 5,29; 1Kor 7,23; Mt 15,9.
3. Kol 2,20.22-23; Gal 1,10; 2,3-5; 5,1.
4. Röm 10,17; 14,23; Apg 17,11; Joh 4,22; 1Kor 3,5; 2Kor 1,24.

3. Diejenigen, die unter dem Vorwand christlicher Freiheit irgendeine Sünde begehen oder an irgendeiner sündigen Lust festhalten, zerstören so — da sie dadurch die wesentliche Absicht der Gnade des Evangeliums zu ihrem eigenen Verderben verdrehen1 — völlig den Zweck der christlichen Freiheit, der darin besteht, dass wir, die wir aus den Händen all unserer Feinde befreit sind, ohne Furcht dem Herrn dienen, in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle Tage unseres Lebens.2
1. Röm 6,1-2.
2. Lk 1,74-75; Röm 14,9; Gal 5,13; 2Petr 2,18.21.



Gliederung des Kapitels

Abschnitt1-3

1 I. Die Anordnung der christlichen Freiheit

A. Unter dem Evangelium
1. Negativ beschrieben
• Freiheit von der Schuld der Sünde
• Freiheit von der Macht der Sünde
• Freiheit von der Strafe für die Sünde
2. Positiv beschrieben
• Freier Zugang zu Gott
• Kindlicher Gehorsam gegenüber Gott
B. Unter dem Gesetz
1. Ihr gemeinsamer Inhalt
2. Ihre nachfolgende Zunahme
• Freiheit vom Zeremonialgesetz
• Größere Freimütigkeit beim Gebet
• Umfassendere Mitteilung des Geistes

2 II. Die logische Folge der christlichen Freiheit: Gewissensfreiheit

A. Ihr Grundprinzip
B. Ihre grundsätzlichen Folgen
C. Ihre notwendigen Anforderungen
• An Nachfolger
• An Leiter

3 III. Die Verfälschung der christlichen Freiheit

A. Ihr Wesen
B. Ihre Folgen
1. Ihre Auswirkung auf die Gnade des Evangeliums
2. Ihre Auswirkung auf die christliche Freiheit
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Kirchlicher Totalitarismus, staatlicher Totalitarismus und überzogene Gegenreaktionen sind einige Ursachen für den historischen Hintergrund dieses Kapitels. Die römisch-katholische Kirche beanspruchte eine unangemessen hohe Autorität über das Gewissen der Christen. Sie forderte, dass die Menschen an ihre Verlautbarungen, die keine biblische Grundlage hatten, glaubten, und sie nahm für sich in Anspruch, Gesetze zu erlassen, die dem Wort Gottes etwas hinzufügten. Doch dies war nur ein Teil des Problems. Die reformatorischen Kirchen gerieten nämlich selbst ins Kreuzfeuer. Zur Zeit der Reformation flammte der Jahrhunderte lang andauernde Konflikt zwischen denjenigen, die lehrten, dass die Kirche die höchste menschliche Autorität sei, und denen, die lehrten, dass der Staat die größte menschliche Autorität innehabe, wieder neu auf. Selbst eine ganze Reihe der Reformatoren waren von der zweiten Sichtweise stark beeinflusst. Um sich selbst aus der Herrschaft des römischen Papstes zu befreien, unterstellten sie ihre Gemeinden dem Schutz und der Autorität der weltlichen Herrscher. Martin Luther in Deutschland und Heinrich VIII. in England sind bekannte Vertreter dieser Sichtweise. Im Gegensatz zu diesen beiden Extremen bestand die reformierte Christenheit auf der Lehre von der christlichen Freiheit. Hier lehrte man, dass weder die Kirche noch der Staat eine uneingeschränkte Autorität über den Christen besitzen. Schließlich bestand stets die Gefahr — und die Puritaner konnten dies um sich herum gut beobachten — dass die Leute, nachdem sie das Joch Roms abgeworfen hatten, in allerlei Exzesse verfielen, was aber ebenso verwerflich ist. Die Gefahr, welche die Puritaner in einer solch überzogenen Gegenreaktion erkannten, wird in einem Abschnitt hervorgehoben, der in dem Bekenntnis von 1689 nicht enthalten ist, der aber im Westminster Bekenntnis als Abschnitt 4 zu finden ist. Dieser gestrichene Abschnitt hob die Gefahr der überzogenen Gegenreaktionen deutlich hervor, indem er auf die Grenzen der christlichen Freiheit eingeht. Er verbietet es, sich in der Weise auf die Gewissensfreiheit zu berufen, wie es einige radikale Christen im 16. und 17. Jahrhundert taten.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Einige anabaptistische (wiedertäuferische) Randgruppen, wie beispielsweise die Anabaptisten in Münster oder die “Fifth Monarchy Men” („Männer des fünften Reiches“) in England, vertraten eine radikal revolutionäre Politik und unterstützten mit Berufung auf die christliche Freiheit den Sturz der bestehenden zivilen und kirchlichen Herrschaft. Da Christus König ist und er bald wiederkehren würde, so dachten sie, hätten sie das Recht, seine Herrschaft durch Gewalt und Aufstände herbeizuführen. Diese überzogene Gegenreaktion wird durch das Westminster Bekenntnis verworfen. Ebenso verwirft sie das Bekenntnis von 1689 (vgl. 24,3). Die Baptisten strichen diesen Abschnitt in ihrem Bekenntnis von 1689, wie es vor ihnen bereits die Kongregationalisten in der Savoy-Erklärung getan hatten. Und selbst die amerikanischen Presbyterianer am Ende des 18. Jahrhunderts veränderten diesen Abschnitt, da in ihm gegen Ende behauptet wird, dass es nur eine einzige presbyterianische Staatskirche geben solle und die bürgerliche Obrigkeit die Pflicht habe, Häresie zu bekämpfen. Unter Häresie verstand man jegliche Veröffentlichung oder jedes öffentliche Festhalten an Meinungen, welche die (presbyterianische) Regierung mit dem Licht der Natur oder den bekannten christlichen Prinzipien für nicht vereinbar hielt. Im Blick auf die so verstandene Häresie heißt es in diesem Abschnitt: „Man darf mit Kirchenzucht und mit der Gewalt der bürgerlichen Obrigkeit gegen diese Dinge vorgehen.“ (WBK 20,4).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2960
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Die Position, die in dieser Weise im Original des Westminster Bekenntnisses so zum Ausdruck gebracht worden war, wurde nicht nur von allen englischen Baptisten- und Kongregationalistengemeinden verworfen, sondern auch durch die presbyterianischen Gemeinden in Amerika. Diese Ablehnung des Originalwortlauts des Westminster Bekenntnisses mahnt zur Zurückhaltung im Umgang mit dem säkularen, liberalen Verständnis hinsichtlich der Trennung von Staat und Kirche, mit dem wir es heute zu tun haben. Es warnt davor, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Die englischen Baptisten und Kongregationalisten lehrten und glaubten schon früh, dass Staat und Kirche voneinander getrennt sein sollen, und sie wurden für diese Lehre verfolgt. Sie verwarfen die Vorstellung, dass der Staat das Recht habe, jemanden dafür zu bestrafen, dass er öffentlich Häresien vertritt. Diejenigen, die sich dafür einsetzen, dass liberalen Kirchen die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, oder die öffentlich lehren, dass die Regierung die öffentliche Lehre von Häresie unterbinden solle, sollten bei den lehrmäßigen Nachkommen dieser Glaubensväter keine Aufnahme finden. Diejenigen, die sich durch derartige Lehrmeinungen angezogen fühlen, sollten wissen, dass diese von kongregationalistischen und baptistischen Puritanern bewusst und nachdrücklich abgelehnt wurden. In der Erläuterung der Inhalte dieses Kapitels werden wir im Großen und Ganzen der oben dargebotenen Gliederung folgen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Antworten