Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps65

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Erläuterungen und Kernworte

V. 6. Mit furchtbaren Taten antwortest du uns in Gerechtigkeit. (Grundtext) Der Sinn ist: "HERR, du erhörest uns immer, dass aus wunderbaren Befreiungen ebenso deine Kraft erhellt wird wie einst, als unsre Väter aus Ägypten gingen." Gott hat die Kirche stets nicht auf gewöhnliche Weise, sondern mit Erweisung furchtbarer Macht gerettet. Jean Calvin † 1564.

Der du bist Zuversicht aller Enden der Erde usw. Gott ist dies an sich, potenziell, abgesehen davon, ob die Menschen es erkennen; aber es kommen Zeiten, wo es auch von allen erkannt werden wird. (Ps. 22,28 f.) Ein Vorbild darauf war, dass die Königin von Reicharabien "vom Ende der Erde" zu Salomo kam (Mt. 12,42). A. R. Fausset 1866.

V. 9. Die Ausgangsstätten des Morgens und des Abends sind die Gegenden, wo der Morgen und der Abend hervorgehen oder aufgehen. )cfOm (Ausgang, Aufgang), das sonst nur vom Morgen vorkommt, da die Sonne aufgeht, ist hier durch ein sogenanntes Zeugma auch auf den Abend bezogen. Auch die Araber sprechen von den beiden Aufgängen, wie Bäthgen bemerkt. Gott erfüllt Ost und West, die ganze Kreatur, voran natürlich die Menschen dort, mit Jubel. Luther hat irrigerweise das Wort von den des Morgens und Abends hervorgehenden und sich fröhlich regenden und webenden Geschöpfen (Menschen, Vieh, den wilden Tieren) verstanden. - James Millard

V. 10. Der Gottesbach ist nach Bäthgen und andern der Regen, welcher in einem Kanal oder einer Rinne (glepIe) aus dem über dem Himmelsgewölbe gedachten Ozean auf die Erde hinabgeleitet werde. Vergl. Hiob 38,25: Wer hat dem Platzregen eine Rinne geteilt? - Delitzsch übersetzt Brunnen und versteht darunter den unerschöpflichen Segensspeicher und insbesondere die Fülle der himmlischen Wasser. - Fr. W. Schulz übersetzt Bach und fasst das Wort kollektivisch: Gottes Bäche wurden voll Wassers. "Der Bach Gottes" sei jeder Bach, zu dem sich Gott mit seinem Segen und Regen bekenne. - James Millard

Der Bach Gottes ist den irdischen Strömen entgegengesetzt. Mögen diese versiegen, die göttlichen Hilfsquellen sind unerschöpflich. Joseph Addison Alexander 1850.

Und wässerst es. Was ist gemeiner in der Welt denn Wasser, und wer hat je daran gedacht, einmal Gott dafür zu danken? Aber wie nötig und köstlich es ist, das würden wir wohl müssen sagen, wenn wir sollten eine Stunde kein Wasser haben. Und dass es Gottes Gabe sei vom Himmel, das kann er uns auch wohl lehren, wenn er uns einen Monden oder zwei nicht regnen lässt, da beide, Brunnen und Bäche, vertrocknen, dass beide, Menschen und Vieh, um Wasser schreien müssen. Solche Erfahrungen zeugen und zeigen uns fein, dass er es selbst tun muss und mit keinem menschlichen Vermögen und Fleiß nichts dazu geholfen sei, dass ein Halm oder Körnlein aus der Erde wachse, und müsse unserthalben alles, was da lebet, verschmachten und alle Gewächse vergehen. Aber wo er Wasser gibt, da nimmt es alles zu und züchtiget sich und trägt Früchte, dass sich alles erholen und gedeihen kann. Martin Luther 1534.

Denn also bauest du das Land. Du bist der rechte Bauherr, der das Land bauet, viel mehr und besser denn der Ackermann, welcher nichts mehr dazu tut, denn dass er den Acker bricht, pflügt und säet und danach liegen lässt. Gott aber muss stets dabei sein, mit Regen und Wärme, und alles tun, dass es wachse und wohl gerate, dieweil der Ackermann daheim liegt und schläft, und nichts getan hat, ohne dass er das Erdreich vorbereitet. Aber Gott muss es selbst bauen, wo etwas soll herauswachsen; sonst müsste der Bauer wohl ewig pflügen, säen und sich zu Tod arbeiten, ehe er ein Hälmlein herausbrächte, und ist alle seine Mühe und Arbeit verloren, wo es Gott nicht selbst tut. Nicht, dass er darum nicht soll arbeiten und tun alles, was er weiß und kann, denn er selbst hiermit die Arbeit fördert und lobet, weil er spricht: seine Furchen und sein Gepflügtes; sondern will uns allein zeigen, dass es nicht genug an derselben ist, ja gar nichts schaffet, wo er es nicht selbst ausrichtet, über unser Zutun, Gedanken und Rat. Denn wo es soll in unserm Witz und Macht stehen, wie wir es selbst möchten erdenken, so würde doch nichts daraus, und würde uns gehen gleich wie jenem Bauer, der unserm HERRN Gott auch zu klug war, und konnte es ihm nimmer recht machen, wie er es wittern ließ, dass er ihn bat, er wollte ihn nur einmal selbst lassen wittern, wie er wollte, und Gott seine Bitte erhörete und sagte es ihm zu. Da fing der Bauer an und machte es, wie er es haben wollte, und ging so vonstatten nach alle seinem Wunsch, dass es regnete und die Sonne schien, wenn er wollte, und war das köstlichste Wetter, wie man es wünschen sollte, und stand aufs Allerschönste, dass er meinte, so ein gut Jahr zu kriegen, desgleichen kein Mensch erlebt hätte. Aber aufs Letzte, da er erntete, fand er eitel hohle Ähren und ledig Stroh; da dachte er erst daran, dass er hätte des Windes vergessen. Martin Luther 1534.

V. 10-14. Der Regen hat eine erweichende Kraft. Wenn der Erdboden durch lange Dürre oder harte Fröste eisern geworden ist, so genügen einige gute Regenschauer, ihn weich zu machen, dass er bearbeitet werden kann. Das gleiche mag von der Gnade gesagt werden. Wie verhärtet ist manchmal das Menschenherz durch den Betrug der Sünde! Aber mag jemand hier sein, dessen Herz hart ist wie ein Kiesel: wenn Jesus jetzt einige Tropfen seines gnädigen Regens vom Himmel her auf ihn fallen ließe, würde der harte Kieselstein zur Wasserquelle werden. - Der Regen hat eine befruchtende Kraft. Alle Arbeit des Landmanns ist verloren, wenn Gott den Frühregen oder den Spätregen versagt. Der Psalmdichter schildert diese Wirkung des Regens in den Versen 10-14. Ausbleiben des Regens bringt eine Hungersnot über das Land. So auch im Geistlichen. Wenn Christus nicht seinen Gnadenregen niederträufeln lässt, gibt es keine Frucht, und alle Mühe der geistlichen Ackerleute ist umsonst; aber wenn die Schauer sich ergießen, werden die Fluren grün. - Der Regen erquickt und belebt, dass Menschen und Tiere fröhlich werden und die Pflanzen ihre Häupter erheben. Die Vögel zwitschern, die Tiere des Feldes freuen sich, jedes in seiner Art; ja auch über die unbeseelte Kreatur kommt eine Art Freude. Der Psalmdichter spricht ja auch davon: Die Anger und Talgründe jauchzen einander zu und singen. (V. 14 Grundtext) Wenn nach langer Dürre ein Regen niederfällt, ertönt gleichsam die ganze Natur von Musik, dem Schöpfer zu Ehren. Ist es nicht ebenso, wenn Christi Gnadenregen auf Herz und Haus und Gemeinde niederträufelt? Ralph Robinson † 1655.

V. 12. Du krönest das Jahr. Eine reiche Ernte ist die Krone des Jahres, und solcher Segen entspringt der unverdienten Güte Gottes. Du umgibst und schmückst es mit Segen als mit einem Diadem. Eine feine Ausdrucksweise. Adam Clarke † 1832.

Die Kräuter, Früchte und Blumen werden hier sehr schön als eine feine, farbenprächtige Krone dargestellt, die der Erde von ihrem Schöpfer aufs Haupt gesetzt wird. Samuel Burder 1839.

Deine Fußtapfen triefen von Fett. Wenn ein Eroberer durch die Lande zieht, so triefen seine Fußtapfen von Blut. Feuerschein und rauchende Trümmer bezeichnen den Weg, den er gezogen, und Tränen, Seufzer und Flüche geben ihm das Geleit. Aber wo der HERR wandelt, triefen seine Fußtapfen von Fett (wie Luther sagt: Wo Gott geht, da wächst es wohl). Wenn die Könige des Altertums ihre Länder bereisten, verursachten sie eine Teuerung, wo immer sie verweilten; denn die Höflinge, von denen das Hoflager wimmelte, vertilgten gleich den Wanderraupen oder den Heuschrecken in unersättlicher Gier alles, was sie fanden. Aber wo der König der Könige hinkommt, da macht er das Land reich. - Mit einem kühnen, dem Hebräer geläufigen Bilde werden die Wolken als der Wagen Gottes dargestellt. "Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen" (Ps. 104,3). Und während Jehova so auf dem Wolkenhimmel einherfährt, träufelt der Regen auf das Land nieder; daher werden die Wagenspuren (Grundtext) Jehovas durch den Segen bezeichnet, welcher das Erdreich erfreut. Wohl dem Volke, das einen solchen Gott anbetet, dessen Kommen für seine Kreaturen so glückbringend ist. C. H. Spurgeon 1872.

V. 13.14. Die Hügel waren, wo sie nicht beackert waren, buschig und grün und mit zahlreichen Schafherden besät, die breiten Täler mit wogenden Ähren bedeckt und die Felder voll von Schnittern und Garbenbindern, die mitten in der Ernte waren. Esel und Kamele empfingen ihre Last an Garben und weideten sich, da ihnen das Maul nicht verbunden war und niemand sie störte, nach Herzenslust an der reifen Frucht. Eduard Robinson † 1864.

V. 14. Dass man jauchzet und singet. Auch unsere Erntezeiten sind Zeiten der Freude; aber ich wünschte, unsere Pflüger und Schnitter schrieben auch so frommen Herzens alles Gott zu wie der Psalmdichter hier: Du - du - du, V. 10 ff. Nicht ein Wort von Menschen, von menschlicher Geschicklichkeit und Arbeitsamkeit. Wie grundverschieden von jenem Manne, dessen Feld wohl getragen hatte und dessen einziger Gedanke war: Ich will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! (Lk. 12,19.) Barton Bouchier 1855.

Homiletische Winke

V. 2a. Die Angemessenheit der Stille im Gottesdienst, ihr rechter Platz und richtiger Gebrauch und ihre Macht.
Dir wird Ergebung als Lobpreis. (Grundtext) Gläubige Ergebung ein Gott wohlgefälliger Lobpreis.
V. 2b. Beschränkungen, Vorteile und Verbindlichkeit der Gelübde.
V. 3a. Das Hören und Gewähren unserer Bitten ist Gottes Vorrecht, Gepflogenheit, Freude und Ehre.
V. 4. 1) Ein demütigendes Bekenntnis: Verschuldungen hatten mich überwältigt. a) Wann überwältigt uns die Sünde? Wenn wir nicht wachen, uns in Versuchungen begeben, sogar nach den heiligsten Beschäftigungen und Erlebnissen. b) Wie? Vermöge unserer angeborenen Verderbnis, unserer natürlichen Anlagen, bei Vernachlässigung der Gnadenmittel und Mangel an Gemeinschaft. c) Wen? Auch die Besten. Ein David muss es von sich bekennen. Lasst uns die Warnung beherzigen. 2) Ein ermutigendes Bekenntnis: Du sühnst unsere Vergehungen. Die Sünde ist getilgt: a) von Gott; b) durch Sühnung; c) ganz.
1) Ein Notruf: Die Stadt Menschenseele belagert. 2) Ein Freudenruf: Die Stadt Menschenseele befreit. Edwin Gorsuch Gange 1872.
V. 5. Innige Gemeinschaft mit Gott ist die Grundlage unserer wahren Glückseligkeit. Diese Wahrheit erhellt aus der Erwägung, was die drei Hauptbestandteile der Glückseligkeit sind: Betrachtung des edelsten Gegenstandes, zur Befriedigung aller unserer Verstandeskräfte; Liebe zum höchsten Gut, zur Befriedigung der edelsten Kräfte unseres Willens; und die dauernde süße Empfindung und Gewissheit der Liebe eines allmächtigen Freundes, der uns erlösen wird von allem Übel, welches unsere Natur befürchten könnte, und uns all das Gute mitteilen wird, welches ein Geschöpf weislich und unschuldig begehren kann. So kommen alle Fähigkeiten des Menschen in ihren höchsten und köstlichsten Beschäftigungen und Freuden in Übung. Isaac Watts † 1748.
Erwählung, wirksame Berufung, Zulassung zu Gott, Annahme bei Gott, Bewahrung bis ans Ende, volle Befriedigung. Der Vers ist ein ganzer Folioband von Gottesgelehrsamkeit en miniature.
V. 8. Der HERR der Urheber und Erhalter des Friedens.
V. 9. Zeichen der Gegenwart Gottes, teils Schrecken, teils Freude hervorrufend.
Jubel in Ost und West. Missionspredigt.
V. 10. Gottes Gnadenheimsuchungen und ihre Folgen.
Gottes Brünnlein reich und nimmer versiegend. In der Natur und im Reich der Gnade.
V. 10-14. Erntepredigt. 1) Die Allgemeinheit der Güte Gottes. Er sucht die Erde heim im Rundlauf der Jahreszeiten. 2) Die Reichlichkeit seiner Hilfsquellen: Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle, ist nicht gleich den Brunnen der Menschen, welche versiegen. 3) Die Mannigfaltigkeit seiner Wohltaten: Getreide, Wasser, Gewächs usw. 4) Die Unaufhörlichkeit seiner Segnungen: Du krönest das Jahr, umgibst es mit Gutem. E. G. Gange 1872.
V. 11. Gottes Gnade gleich dem Regen in 1) ihrem Ursprung, 2) ihrer Reichlichkeit, 3) ihren Wirkungen auf das Menschenherz und die ganze Kreatur: erweichend, ebnend usw., 4) ihrer Fruchtbarkeit.
Frühling im Herzen. Predigt von C. H. Spurgeon. Siehe Ackerpredigten Nr. 10, Schwert und Kelle Jahrg. 3. Baptist. Verlag, Kassel, 1883.
V. 12. Die Fußtapfen Gottes in der Natur.
V. 14c. (Grundtext) Das Loblied der Natur und wer es vernimmt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps66

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PSALM 66 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Psalmlied, vorzusingen, wörtl.: dem Musikmeister. Es gehörte ein Mann von hervorragenden Fähigkeiten dazu, einen Psalm wie diesen würdig zu singen. Die beste Musik in der Welt müsste es sich zur Ehre rechnen, solchen Worten ihre Töne zu leihen. Der Psalm ist ein wunderbares Gedicht, wenn man ihn bloß liest; aber in eine edle Singweise gesetzt, muss er eins der erhabensten Musikwerke gewesen sein, welchem das jüdische Volk hat lauschen dürfen.

Der Inhalt des Psalms ist Lobpreis, und der Gegenstand dieses Lobpreises sind die großen Taten des HERRN, sein gnädiges Wohltun, sein treues Erretten, überhaupt sein wunderbares Walten gegen sein Volk. Den Schluss bildet ein persönliches Zeugnis des prophetischen Sängers von den besonderen Wohltaten, die er selbst erfahren hat.

Einteilung

Die Vers 1-4 fordern alle Völker auf Gott zu preisen und legen ihnen die Worte zu einem passenden Liede in den Mund; sie bilden somit eine Art einleitenden Lobgesangs. V. 5-7 laden die Völker ein: "Kommt her und sehet die Werke des HERRN." Von diesen Gottestaten wird besonders die Teilung des Roten Meers und vielleicht auch die des Jordans herausgehoben. Die Erinnerung an Ägypten legt den Gedanken an die ähnliche Lage des Volkes Gottes in der Gegenwart nahe, dessen Prüfungen nebst deren fröhlichem Ausgang in V. 8-12 zur Schilderung kommen. Nun redet der Sänger in V. 13-15 persönlich, bekennt seine Verpflichtungen gegen den HERRN und verkündigt V. 16-20, in ein kräftiges "Kommet und höret" ausbrechend, unter Danksagung die besonderen Gnadenerweisungen, die der HERR ihm erwiesen hat.

Auslegung

1. Jauchzet Gott, alle Lande!
2. Lobsinget zu Ehren seinem Namen;
rühmet ihn herrlich!
3. Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!
Es wird deinen Feinden fehlen vor deiner großen Macht.
4. Alles Land bete dich an und lobsinge dir,
lobsinge deinem Namen. Sela.



1. Jauchzet Gott. "Zu Zion," wo sich die geförderteren Heiligen in tiefe Betrachtungen zu versenken pflegten, lobte man Gott in der Stille (Ps. 65,2), und dieser stille Lobpreis fand bei Gott gnädige Annahme; aber in den großen Volksversammlungen waren rauschende Freudenbezeugungen natürlicher und angemessener, und auch diese Art der Anbetung ist Gott angenehm. Soll sich unser Lobpreisen andern mitteilen, so dürfen wir es nicht im Schrein des Herzens verschließen, sondern müssen Gott laut loben; frohlockende Lobgesänge ergreifen die Gemüter mächtig und tragen die heilige Dankesstimmung auf andere über. Unsere Tonsetzer sollten darauf bedacht sein, dass die Weisen, welche sie für den Gemeindegesang dichten, fröhlicher Art seien: wir sollen und wollen dem HERRN jauchzen. Unsre Stimme soll den HERRN loben, und unser Herz soll mit dem Munde übereinstimmen. Aller Lobpreis aller Völker sollte Gott geweiht sein. Gesegneter Tag, da nicht mehr Dschagannatha und Buddha und keinem andern Götzen mehr ein Jauchzen erklingen, sondern die ganze Erde ihren Schöpfer anbeten wird! Alle Lande, ihr Heidenvölker alle, die ihr Jehova bisher nicht kanntet. Sind der Nationen und Sprachen auch viele, so mögen doch die Lobgesänge aus allen Landen in einem Akkord dem einigen und alleinigen Gott erschallen.

2. Lobsinget zu Ehren seinem Namen, wörtl.: Besinget die Ehre oder Herrlichkeit seines Namens. Es handelt sich bei dem Jauchzen nicht um ein Lärm Machen in unverständlichen Tönen, sondern um ein Singen Geist begabter Geschöpfe, dem Höchsten zu Ehren. Da es der Gott der Ordnung und Harmonie ist, den wir anbeten, muss der Ausdruck unserer Freude auch in Melodie und Takt lieblich und fein sein. Die Ehre oder Herrlichkeit Gottes sollte der Gegenstand, seine Verherrlichung der Zweck unseres Singens sein. Gott Ruhm darbringen heißt ja nur, ihm geben, was ihm gehört. Unsere Ehre ist es, dass wir Gott ehren können, und alle wirkliche Ehre, die uns wird, sollten wir Gott zuschreiben, denn es ist seine Ehre. Soli Deo gloria, das sei der Wahlspruch aller wahrhaft Gläubigen. Der Name, d. i. die Offenbarung Gottes von seinem Wesen und von seinen Gedanken gegen die Menschenkinder, ist der höchsten Verherrlichung würdig. Rühmet ihn herrlich.1 Euer Lobpreisen sei nicht niedrig und kriechend; feierlich und herrlich steige das Lobgetöne empor. Das Gepränge der israelitischen Feste haben wir, die wir in dem neutestamentlichen Zeitalter der Anbetung im Geist und in der Wahrheit leben, nicht nachzuahmen; dafür sollen wir aber so viel Herz und heilige Andacht ganz in unseren Gottesdienst legen, dass er der Beste ist, den wir darbringen können. Herzenshingebung und geistliche Freude machen das Lob Gottes herrlicher, als es Pracht der Gewänder, Weihrauchduft und rauschende Musik je vermögen.

3. Sprecht zu Gott. Richtet all euer Lobpreisen auf ihn. Ist unser Singen nicht von Herzen Gott zugewendet, so hat es nicht mehr Wert und Nutzen, als wenn jemand in den Wind pfeift. Wie wunderbar, Grundtext: wie furchtbar, d. i. Ehrfurcht erregend, sind deine Werke! Das menschliche Gemüt wird zunächst meist von denjenigen Eigenschaften und Taten Gottes gefesselt, welche Furcht und Zittern erregen; ja auch wenn das Herz angefangen hat, Gott zu lieben und in ihm zu ruhen, so wird doch die Andacht gesteigert, wenn eine außerordentliche Entfaltung der furchterregenden göttlichen Eigenschaften die Seele in besonderer Weise mit heiliger Scheu erfüllt. Im Blick auf Erdbeben, welche ganze Erdteile erschüttert haben, auf Orkane, welche weite Länder verwüstet, auf Seuchen, welche volkreiche Städte verödet haben, und auf andere staunenerregende Entfaltungen der göttlichen Macht mag der Mensch wohl ausrufen: Wie furchtbar sind deine Werke! Das Furchtbare wiegt in allen unseren Vorstellungen von Gott so lange vor, bis wir ihn in Christus sehen. Es wird deinen Feinden fehlen vor deiner großen Macht. Deine Feinde müssen sich vor dir beugen. Jedoch ist hier, wie das Hebräische klar anzeigt, von einer erzwungenen, heuchlerischen Unterwerfung die Rede: Ob der Größe deiner Macht heucheln dir deine Feinde (Ergebenheit). Gewalt kann Menschen auf die Knie bringen, aber die Liebe allein gewinnt die Herzen. Pharao sagte, er wollte Israel ziehen lassen, aber er log Gott; er unterwarf sich mit Worten, aber nicht mit der Tat. Zehntausende, sowohl auf Erden wie in der Hölle, bringen dem Allmächtigen solche erzwungene Huldigung dar. Sie bücken sich, weil sie nicht anders können. Nicht ihre Anhänglichkeit, sondern seine Macht ist es, was sie als Untertanen seines unbegrenzten Reiches festhält.

4. Alles Land (wörtl.: die ganze Erde) bete dich an und lobsinge dir. Alle Menschen müssen sich schon jetzt vor dir niederwerfen; aber es kommt die Zeit, wo sie dieses mit Freuden tun werden. Dann wird sich zu der Anbetung aus Furcht das Lobsingen aus Liebe gesellen. Was für eine Veränderung wird das sein, wenn in allen Landen statt des Seufzens Singen erschallt und Musik die Mühsal verdrängt! Lobsinge deinem Namen. Der Gegenstand des allgemeinen Lobliedes der ganzen Erdenwelt werden das Wesen und die Werke Gottes sein, er selbst der Gegenstand der freudigen Anbetung unseres befreiten Geschlechts. Die rechte Anbetung preist Gott nicht bloß als den geheimnisvollen, unwiderstehlichen Allherrn, sondern ist durchduftet von der Erkenntnis seines Namens oder seines geoffenbarten Wesens. Jehova wünscht nicht als ein unbekannter Gott angebetet zu werden; er will nicht, dass von seinem Volk gesagt werden könne: Ihr wisset nicht, was ihr anbetet (Joh. 4,22). Möchte doch bald die Erkenntnis des HERRN die Erde bedecken (Jes. 11,9; Hab. 2,14), damit eine vernünftige, geistige Anbetung allgemein möglich werde! Eine derartige Vollendungszeit wurde augenscheinlich von dem Schreiber dieses Psalms erwartet oder doch ersehnt, und es finden sich auch wirklich durch alle alttestamentlichen Schriften hindurch Andeutungen davon, dass in der Zukunft die Anbetung Gottes allgemein verbreitet sein wird. Es war ein Zeichen von selbstverschuldeter Unwissenheit und von Scheinheiligkeit, wenn die Juden in der apostolischen Zeit dagegen wüteten, dass den Völkern das Evangelium verkündigt würde. Ein verdrehtes Judentum mag engherzig sein; die Religion eines Mose, eines David und Jesaja war es nicht.
Sela. Nach einer so großen Weissagung wird mit Recht eine kleine Pause für heiliges, ausschauendes Erwarten eingeschoben, und auch der Wink, die Herzen zu erheben,2 ist passend. Keine sinnende Betrachtung kann ja mehr erfreuen als eine solche, die durch die Aussicht auf eine mit ihrem Schöpfer versöhnte Welt hervorgerufen wird.

Fußnoten
1. Wörtl. wohl: Macht seinen Lobpreis zu Herrlichkeit, d. h. herrlich.

2. Einige ältere Ausleger wollten ja das Sela als Sursum corda, Die Herzen empor!, deuten. Es ist aber ohne Zweifel ein musikalisches Zeichen. Seine Bedeutung ist ungewiss. Vergl. zu Ps. 3,3.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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5. Kommt her und sehet an die Werke Gottes,
der so wunderbar ist mit seinem Tun unter den Menschenkindern.
6. Er verwandelte das Meer ins Trockne,
dass man zu Fuß über das Wasser ging;
dort freueten wir uns sein.
7. Er herrschet mit seiner Gewalt ewiglich;
seine Augen schauen auf die Völker.
Die Abtrünnigen werden sich nicht erhöhen können. Sela.


5. Kommt her und sehet an die Werke (die Großtaten) Gottes. So gewaltige Ereignisse wie die Teilung des Roten Meeres und die Niederlage Pharaos (V. 6) sind stehende Wunder, und über ihnen erschallt durch alle Zeiten eine Stimme: "Kommt her und sehet!" Ja, bis zum Ende aller Dinge werden die wunderbaren Taten Gottes am Schilfmeer Gegenstand anbetender Betrachtung sein; denn auch die triumphierenden Scharen, die droben an dem gläsernen, mit Feuer gemengten Meere stehen, singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes. (Off. 15,2 f.) Jene Errettungstat ist stets ein Lieblingsthema der gottbegeisterten Dichter gewesen, und diese Wahl war sehr angemessen. Der so wunderbar (Grundtext: furchtbar, d. i. Ehrfurcht erregend) ist mit seinem Tun unter den Menschenkindern (wörtl.: über die Menschenkinder hin). Um seine Gemeinde zu verteidigen und ihre Feinde niederzuwerfen, teilt er niederschmetternde Streiche aus und schlägt die Mächtigen mit Furcht. O Feind, warum prahlst du so? Lass doch dein Rühmen und Trotzen und gedenke der Plagen, die den Willen Pharaos brachen, des Untergangs der ägyptischen Kriegswagen im Roten Meer, des Sieges über Og und Sihon, der Vertreibung der Kanaaniter vor den Stämmen Israels und all der andern Großtaten Jehovas. Auch heute noch lebt derselbe Gott, und ihm gebührt Anbetung in zitternder Ehrfurcht.

6. Er verwandelte3 das Meer ins Trockne. Es war kein geringes Wunder, einen Weg durchs Meer zu bahnen, und zwar so, dass eine ganze Nation hindurchziehen konnte. Der dieses zuwege brachte, vermag alles und muss Gott sein, der ewig Anbetungswürdige. Und was lernt der Christ daraus? Dass ihn kein Hindernis auf dem Wege zum Himmel zu hemmen braucht; denn auch das Meer konnte Israel nicht zurückhalten. Ja der Tod selbst soll sein wie das Leben (Röm. 8,38); der Jordan wird trockenes Land, wenn Gottes Gegenwart spürbar wird: zu Fuß gingen sie durch den Strom hinüber. (Wörtl.) Die Stämme zogen trockenen Fußes durch den Fluss; der Jordan fürchtete sich vor ihnen.

Was war dir, o Meer, dass du flohest?
Wer zähmte der Wogen Wut?
Was war dir, o Jordan, dass stille
Sich legte die wallende Flut?

Vor Gott muss die Erde erbeben,
Vor Gott muss sich beugen die Welt,
Der Bäche lässt quellen vom Felsen
Und alles in Händen hält.

Dort freueten wir uns sein, und heute nehmen wir teil an jener alten Freude; wie lebendig steht das Ereignis vor unseren Augen! Es ist uns, als wären wir persönlich dabei gewesen, lobsingend dem HERRN, der dort so herrlich triumphierte. Der Glaube versetzt sich völlig in die Freuden, die das Volk Gottes in vergangenen Tagen erlebt hat, und macht sie sich ebenso zu eigen, wie er sich in die glorreiche Zukunft versetzt und dadurch eine gewisse Zuversicht wird des, das man hoffet (Hebr. 11,1). Man merke: Israel freute sich seines Gottes, und solcherart sei auch unsre Freude. Es ist nicht so sehr das, was er getan hat, als vielmehr das, was er ist, was in uns solch heiliges Frohlocken erweckt. Er ist mein Gott, ich will ihn preisen; er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben (2. Mose 15,2).

7. Er herrschet mit seiner Gewalt ewiglich. Er ist nicht gestorben, hat nicht abgedankt, noch je eine Niederlage erlitten. Seine Kraft, die er einst am Roten Meer entfaltet hat, ist unverkürzt, und die göttliche Herrschaft dauert in die Ewigkeiten der Ewigkeiten. Seine Augen schauen auf die Völker. Wie er damals aus der Feuersäule und Wolke auf die Ägypter schaute und sie schreckte, so erspäht er auch jetzt seine Feinde, und ihre Anschläge entgehen ihm nicht. Seine Hand herrscht und sein Auge wacht; weder ist jene schwach noch dieses trüb geworden. Er sitzt über dem Kreis der Erde, und die darauf wohnen, sind vor ihm wie Heuschrecken. Er überschaut alle und übersieht niemand, und mit einem Blick erfasst er alle ihre Wege. Die Abtrünnigen werden sich nicht erheben können, oder, wie andere übersetzen: mögen sich nicht Erhebung erlauben. Die Stolzesten haben keine Ursache, stolz zu sein. Könnten die Widerspenstigen sich sehen, wie Gott sie sieht, so würden sie in ein Nichts zusammenschrumpfen. Wenn die Empörung wider Gott zu großer Macht anschwillt und sich des Erfolges sicher wähnt, genügt zur Dämpfung unserer Befürchtungen der Gedanke, dass der allmächtige Herrscher zugleich ein allwissender Beobachter ist. Ihr hochmütigen Empörer, bedenkt doch, dass der HERR die Pfeile seines Bogens auf die hoch kreisenden Adler richtet und sie von ihrem Sternennest zur Erde herunterbringt (Jer. 49,16; Obadja 1,4). Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebt die Niedrigen (Lk. 1,52). Wenn die Menschen, die sich wider den HERRN auflehnen, recht bei Sinnen wären, so würden sie nach einem Blick auf das Rote Meer alle Lust zum Kampfe verlieren, ja sie würden sich dem allgewaltigen Sieger zu Füßen werfen. Sela. Haltet einen Augenblick inne und beugt euch tief vor dem Thron des Ewigen.

8. Lobet, ihr Völker, unseren Gott;
lasst seinen Ruhm weit erschallen,
9. der unsre Seelen im Leben erhält
und lässt unsere Füße nicht gleiten.
10. Denn, Gott, du hast uns versucht und geläutert,
wie das Silber geläutert wird;
11. du hast uns lassen in den Turm werfen,
du hast auf unsere Lenden eine Last gelegt,
12. du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren;
wir sind in Feuer und Wasser kommen;
aber du hast uns ausgeführt und erquicket..


8. Lobet (benedeiet), ihr Völker, unseren Gott; lasst seinen Ruhm weit erschallen. Abermals werden die Nationen der Heiden aufgefordert, den Gott zu preisen, der sich an dem auserwählten Samen so herrlich erweist. Wohl dem Volke, das diesen Wundergott seinen Gott nennen darf! Natürlich soll es den Nationen im Lobpreis seines Bundesgottes vorangehen; aber alle Völker sollen in das Gloria Israels einstimmen. Auch du, mein Volk, solltest nicht zurückbleiben!

9. Der unsre Seelen im Leben erhält.4 Zu jeder Zeit ist die Erhaltung des Lebens, und besonders des Lebens der Seele, Grund zu brünstigem Dank, sonderlich aber, wenn es uns auferlegt war, schwere Trübsale zu erleiden, die uns erdrückt hätten, wenn der HERR nicht unser Beistand gewesen wäre. Gebenedeit sei Gott, dem es gefallen hat, unseren Seelen das Leben zu geben und diese Himmelsgabe vor der zerstörenden Gewalt des Feindes zu bewahren. Und lässt unsere Füße nicht gleiten. Dies ist eine weitere kostbare Gabe. Wenn Gott uns in den Stand setzt, nicht nur unser Leben, sondern auch unsere Stellung zu bewahren, so sind wir verpflichtet, ihm zwiefachen Lobpreis zu zollen. Die Gläubigen leben nicht nur, sondern stehen auch fest, und beides durch Gottes Gnade. Unsterblich und unbeweglich sind diejenigen, welche Gott bewahrt. Satan steht beschämt da; denn er ist nicht einmal imstande, die Heiligen zum Straucheln zu bringen, geschweige denn sie umzubringen, wie er gehofft hatte. Gott vermag die Schwächsten so mit Stärke zu gürten, dass sie feststehen ohne Wanken; er will es auch an uns tun.

10. Denn, Gott, du hast uns versucht. Jehova versuchte sein Israel mit schmerzlichen Prüfungen. David selber kam in mancherlei Proben. Alle Heiligen müssen in den Schmelztiegel. Gott hatte einen Sohn ohne Sünde, aber nie einen ohne Prüfungen. Warum sollten wir uns denn beklagen, wenn wir der der ganzen Gottesfamilie gemeinsamen Regel unterworfen werden, die sich an allen Gliedern derselben so segensreich erwiesen hat? Ist es doch der HERR selbst, der uns prüft; wer wird dann zweifelnd fragen, ob Weisheit und Liebe sein Tun regieren? Es wird der Tag kommen, wo sich, wie hier bei Israel, unsere Betrübnisse in Loblieder verwandeln, die dann umso süßer erklingen werden, weil unser Mund durch den bitteren Trank gereinigt sein wird. Und geläutert, wie das Silber geläutert wird. Wiederholte scharfe und gründliche Herzensdurchforschung war das Läuterungsfeuer, und es hatte denselben Erfolg wie beim Edelmetall; denn Schlacken und Schmutz waren verzehrt worden und das lautere Gold aus dem Feuer hervorgegangen. Wenn die heiße Prüfung aber einem so begehrenswerten Zwecke dient, wollen wir uns ihr dann nicht mit völliger Gelassenheit unterwerfen?

Fußnoten
3. Andere, z.B. Bäthgen u. Keßler, übersetzen den Vers präsentisch wegen des Futurums im letzten Versglied.

4. Eigentl.: ins Leben versetzt, mit dem Sinn: uns das Leben rettet.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps66

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11. Du hast uns lassen in den Turm werfen. So übersetzt Luther und ähnlich viele neuere Ausleger: Du hast uns ins Gefängnis gebracht. Andere aber, so auch die engl. Bibel, übersetzen nach den LXX: Du hast uns ins Netz gebracht. Das Volk Gottes war in der alten Zeit oft von der Macht seiner Feinde eingeschlossen worden wie Fische oder Vögel in einem Netz. Es schien für sie keinen Ausweg zu geben. Ihr einziger Hoffnungsschimmer war, dass Gott selbst sie dahingebracht hatte; aber auch dieser Trost tat nicht immer gleich seine Wirkung, weil sie wohl wussten, dass er sie in seinem Zorn, als Strafe für ihre Übertretungen, in solche Not geführt hatte. Israels Lage in Ägypten war sehr ähnlich der eines Vogels, der in dem Netz des Vogelstellers gefangen ist. Du hast auf unsere Lenden eine Last gelegt. Ihre Lasten und Leiden wurden durch den harten Druck, den sie auf sie ausübten, zu einer fast unerträglichen Qual. Die Bürde lag nicht allein auf ihrem Rücken, sondern auch ihre Lenden wurden durch die Wucht des Missgeschicks gepresst und gequetscht. Die Trübsal ist auf Erden ein fast unzertrennlicher Gefährte des Volkes Gottes. Wie jeder Israelit in Ägypten ein Lastträger war, geradeso ist es jeder Gläubige, solange er in diesem Land der Fremdlingsschaft weilt. Wie Israel ob der schmerzlichen Bedrückung zu Gott schrie, so tun das auch die Heiligen. Wir vergessen zu oft, dass Gott es ist, der die Trübsale auf uns legt; wenn wir das nicht aus den Augen ließen, würden wir uns ihrem Druck geduldiger unterwerfen. Jetzt schmerzt er uns; aber es kommt die Zeit, da wir für jedes Quäntchen unserer jetzigen Bürde ein, wie der Apostel sich ausdrückt, überschwengliches ewiges Gewicht von Herrlichkeit empfangen werden (2. Kor. 4,17).

12. Du hast Menschen lassen über unser Haupt5 fahren. Menschen, die selber nur Staub von der Erde waren, elende Wichte (man vergl. das enosch des Grundtext6, ritten doch hoch zu Ross und behandelten in ihrer Anmaßung die Glieder des Volkes Gottes, als ob diese die allerverächtlichsten Kreaturen wären. Sie ritten über die im Staube Liegenden dahin, sogar über ihr Haupt, wie man über einen Wurm hinschreitet und ihn zertritt. Wenn Gottes Knechte hochmütigen Verfolgern in die Hände fallen, ist nichts zu schlecht für sie. Wir sind in Feuer und Wasser kommen, d. h. in Gefahren und Leiden allerart. Viele Prüfungen mannigfaltiger Art musste Israel in Ägypten erdulden, und das gleiche ist bis heute das Los der Gotteskinder in der Welt. Das Feuer der Ziegelöfen und die Wasser des Nils taten ihr Äußerstes, um das erwählte Volk zu vernichten; Fronarbeit und Kindesmord, beides versuchte der Tyrann - aber unverletzt ging Israel durch alle Proben, und ganz ebenso hat die Gemeinde Gottes alle Ränke und Grausamkeiten der Menschen überlebt und wird sie auch ferner überleben. Feuer und Wasser verschlingen alles ohne Erbarmen; aber ein Befehlswort aus dem Munde des Allmächtigen hemmt ihre Wut und verbietet diesen oder irgendwelchen anderen Mächten, den auserwählten Samen gänzlich zu vernichten. Mancher Himmelserbe hat entsetzliche Trübsale durchgemacht: das Feuer, in das er geriet, war schrecklicher als dasjenige, welches die Knochen verkohlt, denn es nährte sich an dem Mark seines Geistes und brannte in das Innerste des Herzens hinein, und die Wasserfluten der Trübsal, in denen er versinken zu müssen schien, waren mehr zu fürchten als die grausame See, denn sie drangen in die Seele selbst ein und rissen den inneren Menschen in Schreckenstiefen hinab, an die man nicht ohne Zittern denken kann. Und doch hat bisher noch jeder wahrhaft aus Gott Geborene in dem allen weit überwunden, und es wird auch ferner so sein. Noch niemand hat ein Feuer angezündet, das den Weibessamen verbrennen könnte, und auch selbst der Drache vermag keinen Strom auszuspeien, der jenen ersäufen könnte. (Off. 12,15 f.) Aber du hast uns ausgeführt und erquicket, oder wörtlicher: Aber du hast uns ausgeführt in die Fülle (Luther 1524), oder nach anderer Lesart: ins Weite.7 Ein gesegneter Ausgang einer traurigen Geschichte. Kanaan war in der Tat ein weiter, wahrhaft königlicher Besitz für die ehedem geknechteten Stämme. Gott, der sie nach Ägypten geführt hatte, brachte sie auch in das Land, darinnen Milch und Honig floss, und nach seinem Plan war Ägypten eine Station auf der Reise nach Kanaan. Der Weg zum Himmel führt auch heute durch das Elendstal. Doch nur mutig voran: der HERR führt aus der Enge in die Weite, aus der Knechtschaft in die Freiheit, aus der Drangsal zu reicher Erquickung. Wie frei und reich ist der Stand des Gläubigen! Und er empfindet dies doppelt gegenüber der früheren Knechtschaft. Welche Lieder könnten uns genügen, der Freude und dem Danke für solch herrliche Befreiung und solch reiche Erbschaft gebührend Ausdruck zu geben! Noch mehr aber wartet unser. Die Tiefen unserer Kummernisse stehen in keinem Verhältnis zu der Höhe der Wonne, die wir genießen sollen. Für unsere Schmach werden wir Zwiefältiges, ja mehr als das an Herrlichkeit empfangen. Wir sollen wie Joseph aus dem Kerker zum Königspalast steigen, wie Mardochai dem Galgen entgehen, den uns die Bosheit zugerichtet hat, und auf dem königlichen Leibross reiten und das königliche Gewand tragen, das uns überströmende Huld beschert. Statt des Netzes Freiheit, statt der Last auf den Lenden eine Krone auf unserm Haupt! Statt dass Menschen über uns reiten, sollen wir über die Völker herrschen. Kein Feuer soll uns mehr anfechten, denn unsere Natur wird so herrlich verändert sein, dass wir an dem gläsernen Meer stehen können, das mit Feuer gemengt ist (Off. 15,2), und das Wasser wird uns keinen Schaden mehr tun können, denn das Meer wird nicht mehr sein (Off. 21,1). O welch glanzvoller Abschluss der düsteren Geschichte des Volkes Gottes! Preis und Anbetung sei Ihm, der in dem, was uns als Übel erschien, den richtigen Weg zu dem wahren Guten erkannt hat! Wir wollen mit Geduld das gegenwärtige Dunkel ertragen, denn der Morgen kommt. Der Glaube schaut über den Hügeln den Anbruch des Tages, in dessen Licht wir in die Himmelsweite eingehen werden.

13. Darum will ich mit Brandopfern gehen in dein Haus
und dir meine Gelübde bezahlen;
14. wie ich meine Lippen habe aufgetan
und mein Mund geredet hat in meiner Not.
15. Ich will dir Brandopfer bringen von feisten Schafen
samt dem Rauch von Widdern, ich will opfern Rinder mit Böcken. Sela.


13. (Das Darum steht im Grundtext nicht.) Ich will. Das Gotteskind ist sich dessen so stark bewusst, wie sehr es persönlich der Gnade verpflichtet ist, dass es nicht anders kann als für sich selber Gott Dank darbringen. Wohl nimmt es an der allgemeinen Danksagung teil; weil aber auch die beste öffentliche Form nie jedem einzelnen Falle Rechnung tragen kann, so sorgt das Gotteskind dafür, dass auch die besonderen Erweise der Barmherzigkeit, die es empfangen hat, nicht vergessen werden, indem es sie mit der eigenen Feder niederschreibt und mit den eigenen Lippen besingt. Ich will mit Brandopfern gehen in dein Haus, wie es alle frommen Menschen tun. Auch das ganz von Dankesstimmung erfüllte Herz darf nicht ohne Opfer zu Gott nahen. Wir können sowohl von dieser wie von jeder anderen Form des Gottesdienstes sagen: Des Leibes Leben ist in seinem Blut (3. Mose 17,14). Lieber Leser, versuche nie vor Gott zu treten ohne Jesus, das von Gott verheißene, gegebene und angenommene Brandopfer. Und dir meine Gelübde bezahlen. Der Psalmist will nicht mit leeren üHänden vor dem HERRN erscheinen; aber er will auch nicht mit dem, was er opfert, prahlen, da er weiß, dass er damit nur tut, was er infolge seiner Gelübde zu tun schuldig ist. Schließlich sind ja unsere größten Gaben bloß Zahlungen fälliger Schulden; geben wir noch so viel, so müssen wir doch bekennen: Von dir ist’s alles gekommen, und von deiner Hand haben wir dir’s gegeben (1. Chr. 29,14). Wir sollten langsam sein Gelübde zu übernehmen, aber eilfertig sie auszuführen. Wenn Gott uns aus der Not befreit hat und wir dann wieder zum Hause des HERRN hinaufgehen können, sollten wir sofort die Gelegenheit wahrnehmen, um unsere Versprechungen zu erfüllen. Wie können wir ein andermal Hilfe erwarten, wenn wir uns gegenüber den Gelübden treubrüchig erweisen, die wir aus eigenem Antrieb in Stunden der Not eingegangen sind?

14. Wie ich meine Lippen habe aufgetan, oder wörtlicher: wozu sich meine Lippen aufgetan haben. Heißt das vielleicht, wie man so in gemeiner Rede sagt: "womit meine Lippen herausgeplatzt sind"? (Vergl. den nämlichen Ausdruck Richter 11,35) Dann waren ihm seine Gelübde also abgerungen; die äußerste Not hatte die Tür der Lippen aufgebrochen, und das Gelübde war herausgeschossen wie ein lang eingedämmter Wildbach, der endlich einen Ausweg gefunden hat. Ebenso eifrig, wie wir im Geloben waren, sollten wir aber auch im Erfüllen sein; doch geht leider manches Gelübde in so raschem Wortschwall aus den Lippen hervor, dass damit die ganze Kraft erschöpft ist und keine mehr für die Ausführung übrigbleibt. Und mein Mund geredet hat. Er hatte das Versprechen öffentlich gegeben und denkt nicht daran, davon zurückzugehen; ein ehrlicher Mann ist immer bereit, eine Schuld anzuerkennen. In meiner Not. Die Bedrängnis hatte ihm das Gelübde ausgepresst, Gott hatte es angenommen und der Not ein Ende gemacht, und jetzt wünscht der Psalmist sein Versprechen einzulösen. Für jeden Menschen ist es nützlich, sich der einstigen Not zu erinnern. Stolze Geister sprechen gerne so, als ob ihr Weg immer glatt gewesen wäre und als ob kein Hund es sich herausnehmen dürfe, ihre hochwohledle Persönlichkeit anzubellen, ja kaum ein Regentropfen es wagen dürfe, ihren Glanz zu bespritzen; aber gerade diese Emporkömmlinge haben aller Wahrscheinlichkeit nach Zeiten hinter sich, wo es äußerlich und innerlich um sie so trostlos stand, dass sie herzlich gern die Hilfe jener, die ihnen jetzt so verächtlich sind, angenommen hätten. Ja sogar der große Cäsar, dessen Blick die Welt zum Zittern brachte, musste sein Teil Not haben und schwach werden wie andere Menschen, dass sein Feind die bittere Bemerkung machen konnte: "Ich merkte gut, wie er zitterte, wenn er seine Anfälle bekam." Von dem stärksten Mann könnte seine Amme eine Geschichte von der äußersten Hilflosigkeit erzählen, und vom Prahler könnte seine Frau sagen: "Ich hörte ihn da seufzen und stöhnen, alle Farbe war von seinen Lippen gewichen." Allen Menschen ist ihr Teil Trübsal zugemessen; aber ihr Verhalten in der Not ist verschieden: der Gottlose macht sich ans Fluchen und der Fromme ans Beten. Schlechte und Gute nehmen je und je ihre Zuflucht zu Gelübden; doch lügen die einen damit Gott etwas vor, während die andern ihr Wort gewissenhaft halten.

15. Ich will dir Brandopfer bringen von feisten Schafen. Ein rechtschaffener Mann gibt Gott das Beste. Er schleppt kein halb verhungertes Tier zum Altar, sondern sucht die feistesten aus, die sich auf der Weide finden, und lässt ihren Duft auf dem heiligen Feuer im Rauch emporsteigen. Wer gegen Gott geizig ist, ist in der Tat ein Lump. Nicht viele von denen, die sich Kinder des großen Königs nennen, beweisen es auch im Geben, dass sie fürstliche Gedanken haben (Jes. 32,8); aber diese wenigen finden darin reichen Lohn. Samt dem Rauch von Widdern. Auch der Opferduft der brennenden Widder soll vom Altar emporsteigen; von allem, was er hat, will er das Beste dem HERRN darbringen. Gebührt es nicht auch uns, dem HERRN von allem, was wir haben, sein Teil zu geben, und muss dieses nicht das Auserlesenste sein? Das Verbrennen des Fettes auf Jehovas Altar war keine Verschwendung, ebenso wenig wie das Ausschütten der köstlichen Salbe auf Jesu Haupt (Mt. 26,7). Große Geschenke und reichliche Opfergaben an die Gemeinde Gottes bedeuten auch für niemand einen Vermögensverlust; denn solches Geld ist zu einem guten Zinsfuß angelegt und wird da aufbewahrt, wo die Diebe es nicht stehlen und Motten und Rost es nicht fressen können (Mt. 6,19). Ich will opfern Rinder mit Böcken. Ein besonders reiches Opfer sollte den Kreis der Gaben vervollständigen und die starke Liebe des Darbringers anzeigen. Wir sollten den HERRN durch Großes und Kleines zu verherrlichen suchen. Nichts von dem, was er verordnet hat, darf missachtet werden; wir sollen weder die Farren noch die Widder vergessen. Diese drei Vers führen uns eine Dankbarkeit vor Augen, die sich nicht mit Worten begnügt, sondern ihre Aufrichtigkeit durch Taten gehorsamen Opfers beweist.
Sela. Auch wir wollen einen Augenblick innehalten und die Stille

Fußnoten
5. Keßler übersetzt etwas anders: Du hast Menschen (mit Rossen und Wagen, vergl. Ps. 129,3; Jes. 51,23) an unserm Haupt hinfahren lassen, so dass unser Leben in der größten Gefahr schwebte.

6. $On)E dient häufig zur Bezeichnung der Tyrannen als elender Sterblicher, nichtiger Wichte, z. B. Ps. 9,20 f.; 10,18; 56,2. Andere freilich nehmen es einfach als poetischen Ausdruck für Mensch, ohne Nebenbedeutung.

7. Man kann bei der masoretischen Lesart hyfwfr:lf (in den Überfluss, in reichliche Fülle, wie Ps. 23,5) bleiben, der auch Luther 1524 folgte. Passender aber ist die von den meisten Neueren angenommene Lesart hxfwfr:lf ins Weite, die auch allen alten Übersetzungen, sowie der späteren Übersetzung Luthers (ausgeführt und erquickt, vergl. LXX ei)j a)nayuch/n) zugrunde zu liegen scheint.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps66

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16. Kommt her, höret zu, alle, die ihr Gott fürchtet;
ich will erzählen, was er an meiner Seele getan hat.
17. Zu ihm rief ich mit meinem Munde
und pries ihn mit meiner Zunge.
18. Wo ich Unrechtes vorhätte in meinem Herzen,
so würde der Herr nicht hören.
19. Aber Gott hat mich erhöret
und gemerkt auf mein Flehen.
20. Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft,
noch seine Güte von mir wendet.


16. Kommt her, höret zu. Vorher hieß die Aufforderung: "Kommt her und sehet." Das Gehör ist das Auge des Glaubens. Die Gnade kommt zu uns durch die Pforte des Ohrs. Höret, so wird eure Seele leben (Jes. 55,3). Sie sollten kommen und sehen, wie furchtbar Gott ist (V. 5), aber kommen und hören, wie gnädig er ist. Alle, die ihr Gott fürchtet: solche Leute sind die rechten Zuhörer, wenn ein Gottesmann sich anschickt, seine Erfahrungen zu erzählen. Wir tun wohl daran, in der Auswahl unserer Zuhörer wählerisch zu sein, wenn wir von den inneren Angelegenheiten der Seele reden wollen. Wir dürfen die Perlen nicht vor die Säue werfen. Wir begehren nicht, losen Leuten Stoff zu faulen Witzen an die Hand zu geben; darum ist es weise, wenn wir von unseren persönlichen geistlichen Erfahrungen nur da reden, wo man sie versteht, und nicht, wo man darüber Possen reißt. Alle gottesfürchtigen Menschen dürfen es hören; aber fort mit euch, die ihr das Heilige mit Füßen tretet! Ich will erzählen, was er an meiner Seele getan hat. Ich will immer aufs Neue die Barmherzigkeit rühmen, die Gott mir, meiner Seele, meinem besten Teil, meinem eigentlichsten Ich, erwiesen hat. Alle erfahrenen, gereiften Christen sollten treulich von dem Zeugnis ablegen, was Gott an ihnen getan hat, damit das jüngere, schwächere Geschlecht dadurch Mut gewinne, ebenfalls auf den HERRN zu trauen. Das Tun und Treiben der Menschen zu erzählen ist unnötig; dasselbe ist allzu kleinlich und nichtig, und überdies sind deren schon gerade genug, die das alles ausposaunen. Aber die gnadenreichen Taten Gottes verkündigen, das bringt Belehrung, Trost und Anfeuerung, ja es ist unabsehbar, welch wohltätige Folgen es haben kann. Jeder spreche dabei für sich selbst; denn das persönliche Zeugnis ist das glaubwürdigste und nachdrücklichste. Erfahrungen, die man nur andern nachspricht, sind wie eine aufgewärmte Speise: es fehlt der frische Geschmack, die Anziehungskraft des Selbsterlebten. Darum soll den dankbaren Gläubigen keine falsche Bescheidenheit zurückhalten, von sich, oder vielmehr von dem, was Gott an ihm getan hat, zu reden; er ist es der Ehre des HERRN schuldig. Er braucht sich dabei auch nicht zu scheuen, ganz persönlich zu reden, also die erste Person der Einzahl zu gebrauchen, wie der Psalmdichter hier, weil er die Liebeswege des HERRN so am besten im Einzelnen schildern kann. Gewiss sollen wir unser Ich nicht in den Vordergrund stellen; aber wenn es gilt, für den HERRN Zeugnis abzulegen, dann darf auch dieses Ich nicht fehlen.

17. Zu ihm rief ich mit meinem Munde und pries ihn mit meiner Zunge, Grundtext: und Lobpreis war (währenddessen in der Gewissheit der Erhörung schon) unter meiner Zunge (bereit, sofort hervorzubrechen). Bitten und Preisen gehören zusammen wie die Pferde an Pharaos Wagen. Manche schreien wohl zu Gott in der Not, preisen ihn aber nicht; andere singen mit ihrer Zunge wohl Loblieder, wissen aber nichts von dem Rufen aus tiefer Not. Wir halten es mit dem Doppelgespann. Weil Gott die Erhörung unseren Bitten häufig auf dem Fuß folgen, ja sie überholen lässt, ziemt es sich, dass wir das dankerfüllte Lob mit unseren demütigen Bitten Schritt halten lassen. Man merke: des Psalmisten Mund war aufgetan, und das Band seiner Zunge war los. Ja, der HERR hat aus seinen Kindern den stummen Teufel ausgetrieben, und diejenigen, die am wenigsten fließend reden können, haben oft die größte Herzensberedsamkeit.

18. Wo ich Unrechtes vor (Augen gehabt) hätte in meinem Herzen. Wenn ich, nachdem ich Unrecht in meinem Herzen gefunden, dieses fortgesetzt ohne Abneigung angeschaut, es gehegt, es mit Seitenblicken der Liebe angesehen, es zu entschuldigen und abzuschwächen versucht hätte, so würde der Herr nicht hören. Wie könnte er das auch? Wie kann ich erwarten, dass er die Augen über meine Sünde zudrücken und mich gnädig ansehen werde, solange ich eigensinnig auf bösem Wege weiter wandle? Nichts hemmt den Lauf unserer Gebete so, als wenn wir Ungerechtigkeit in unserm Busen herbergen; es ist dann wie bei Kain: die Sünde liegt vor der Tür (1. Mose 4,7) und versperrt den Weg. Wenn du auf den Teufel hörst, wird Gott nicht auf dich hören. Wenn du dich weigerst, Gottes Befehlen zu lauschen, so wird Gott sich auch weigern, auf deine Gebete zu lauschen. Gott hört um Christi willen auch Gebete, die sehr mangelhaft sind, aber keins, das mit Wissen und Willen gefälscht ist. Wenn Gott unsere Gebete annähme, solange wir an der Sünde Gefallen haben, so würde er sich zum Gott der Heuchler machen; aber das ist wahrlich ein treffenderer Name für den Satan als für den Heiligen Israels.

19. Aber Gott hat mich erhöret. Ein sicheres Kennzeichen, dass der Beter von geheimer Sündenliebe frei war. Die Erhörung seines Gebets war ihm eine neue Versicherung, dass sein Herz vor Gott aufrichtig war. Siehe, wie gewiss der Psalmdichter war, dass Gott ihm geantwortet hatte. Diese Gewissheit der Erhörung ist ein ander Ding als bloße Hoffnung, Einbildung und Vermutung. So hat es der Psalmist mit gesegneten Tatsachen zu tun, die ihm einerseits Gottes Herz als voller Liebe und anderseits sein Herz als aufrichtig offenbaren. Und gemerkt auf mein (lautes) Flehen, indem er sein Ohr zu demselben neigte, es dolmetschte, annahm und beantwortete. Darin hat er beidem, seiner Gnade wie der Geradheit meines Herzens, Zeugnis gegeben. Liebe zur Sünde ist eine Pestbeule, ein Brandmal im Gewissen, das von aller Gemeinschaft mit Gott ausschließt. Gebete, welche bei Gott lebendig und mächtig sind, steigen aus Herzen auf, die allem Liebäugeln mit der Sünde Valet gesagt haben. Möge der Leser zusehen, dass er im innersten Grunde seiner Seele alle Verbindung mit der Ungerechtigkeit abgebrochen, alles Dulden geheimer Lust oder verborgenen Unrechtes aufgegeben habe.

20. Gelobt (gebenedeit) sei Gott. Sein Name werde gepriesen; ihm gehöre die ganze Liebe meines Herzens. Der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet. Er verstößt weder mein Gebet noch mich. Der Grundtext lautet etwas anders, eigentümlich aber kräftig: Der mein Gebet und seine Gnade mir nicht entzogen hat, was wohl bedeutet: Er hat mir seine Gnade nicht entzogen, was sich darin erwies, dass ich beten konnte und durfte. Wenn Gott einem Menschen seine Gnade entzieht, so entzieht er ihm auch das Gebet, dass er nicht mehr beten kann, sondern in Verzweiflung versinken muss. Gott bewahre uns vor solch entsetzlichem Gericht! Lasst es uns als ein Geschenk der Barmherzigkeit des HERRN erkennen, wenn wir beten können, und mit dem Psalmdichter Gott preisen: Er hat mir seine Liebe und die Freiheit zum Beten nicht entzogen! Seine Barmherzigkeit und mein Flehen treffen noch immer zusammen und folgen einander wie das Echo dem Ruf. So schließt der Psalm mit seinem Grundton; denn wie ein goldener Faden zieht sich das Wörtlein Loben durch den ganzen Psalm. HERR, hilf uns von Herzen einstimmen! Amen.

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Ps. 66 war der Text bei dem Dankgottesdienst, der in allen Kirchen Kursachsens gefeiert wurde, als Gustav Adolf am 7. Sept. 1631 den glänzenden Sieg über Tilly bei Breitenfeld errungen hatte. Nach Th. u. Ph. Schmidt 1713.

V. 1. Jauchzet Gott, alle Lande! Gott wird sich erweisen als der Gott nicht nur der Juden, sondern auch der Heiden, und es werden diese geradeso "Christus" rufen wie jene "Messias", diese "Vater" sagen wie jene "Abba". Überall auf Erden soll einmal dieselbe große Freude herrschen wie einst in Samaria, als dort die Freudenbotschaft des Heils ihren Einzug hielt (Apg. 8,8). John Trapp † 1669.

V. 3. Sprecht, sagt David. Es ist nicht genug, bloß an Gott zu denken. Obwohl auch das seine Zeit und seinen Ort hat, dass wir uns sinnend in Gott und die göttlichen Dinge versenken, so ist doch jenes, das Sprechen von und zu Gott, mehr als dieses und auch mehr als bloßes Bewundern; denn dies alles kann in Schwärmereien und Torheiten, in nutzlosen und sogar leichtfertigen und gottlosen Grübeleien und Träumereien endigen. John Donne † 1631.

Wie furchtbar sind deine Werke. (Grundtext) Wenn man, wie es manche gern hätten, aus der Bibel die furchtbaren Wahrheiten und aus der göttlichen Weltregierung die schreckenerregenden Taten herausnähme, so würden damit die ganze Welt- und Wahrheitsordnung, unter welche Gott uns gestellt hat, ihres männlichen Ernstes beraubt. William Swan Plumer 1867.

Ob der Größe deiner Macht heucheln dir deine Feinde Ergebenheit. (Grundtext) Also Gott selbst hat Feinde; wie könnten wir denn hoffen oder auch nur begehren, ohne solche zu sein? Aber auch die Feinde müssen zu Gottes Verherrlichung dienen, und ähnlich kann auch uns die Feindschaft, die wir erfahren, auf dem Weg zur Herrlichkeit fördern, indem wir dadurch in der Geduld geübt werden. Diejenigen Wesen, für welche Gott am meisten getan hatte, die Engel, waren die ersten, die sich gegen ihn kehrten; so wundere du dich nicht, wenn solche, denen du sonderliche Liebe erwiesen hast, dir mit tödlichem Hass vergelten. - Gott selbst hat Feinde, und das ist sehr tröstlich für dich, sein angefochtenes Kind; aber noch tröstlicher ist, dass Gott deine Feinde seine Feinde nennt. Wir hören von unserm Heiland keine Wehklage über das Leid, das ihm zugefügt wurde; schweigend duldete er die Wut seiner Feinde, solange diese sich nur gegen seine Person richtete. Aber als Saul mit Dräuen und Morden wider die Jünger des Herrn schnaubte, da schwieg Christus nicht, sondern rief: Saul, Saul, was verfolgest du - mich? John Donne † 1631.

Heucheln dir. In Zeiten der Trübsal, da Gottes große Macht sich offenbart, ist Krethi und Plethi willig, sich vor Gott zu beugen; aber selten ist solche Unterwerfung aufrichtig. Jeremiah Burroughs † 1646.

Die Erdbeben in Neuengland (dem nordöstlichen Teil der späteren Vereinigten Staaten von Nordamerika) verursachten eine Art religiöser Panik. Einer der damaligen Prediger von Boston berichtet, dass unmittelbar nach dem großen Erdbeben viele seiner Zuhörer zu ihm gekommen seien und den Wunsch ausgesprochen hätten, in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Er habe aber bei der Unterredung mit ihnen keinerlei Erweis gefunden, dass sie innerlich anders geworden wären, keine Erkenntnis ihrer Sündhaftigkeit, kurzum nichts anderes als eine gewisse abergläubische Furcht, die durch die Meinung, als ob das Ende der Welt gekommen sei, hervorgerufen war. Alle Antworten, die sie gaben, zeugten davon, dass diese Leute sich nicht zu Gott bekehrt hatten, wiewohl sie die Größe seiner Macht in dem Erdbeben gefühlt hatten. Edward Payson † 1827.

V. 5. Kommt her und sehet an die Werke Gottes. Damit ist mittelbar ein Tadel ausgesprochen über jene fast allgemeine Gedankenlosigkeit, welche die Menschen dazu führt, das Lob Gottes zu vernachlässigen. Jean Calvin † 1564.

Kommt her und sehet, so ruft die Gemeinde des HERRN allezeit der Welt zu, wie Jesus den beiden Jüngern des Täufers und Philippus dem Nathanael (Joh. 1,39.46). Gottes Wunder könnten alle schauen, und sie in der rechten Weise sehen ist der erste Schritt zum Glauben an ihren göttlichen Urheber. A. R. Fausset 1866.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 6. Dieser Vers mit seiner Aufeinanderfolge von Perfekt und Imperfekt (im Hebräischen) wird, wie bei den Alten, so auch heute verschieden übersetzt. Kautzsch z. B. übersetzt wie Luther. Wer meint, der Dichter denke ausschließlich an den Durchgang durchs Rote Meer und den Jordan, der wird dieser Übersetzung folgen. Die meisten Neueren übersetzen: Er wandelt das Meer ins Trockene (in Festland), durch den Strom zieht man zu Fuß; da wollen oder können wir uns seiner freuen! Hengstenberg fasste dies so auf, als sähe der Dichter jene uralten Tatsachen als ihrem Wesen nach durch alle Jahrhunderte hindurchgehend. "Gottes Führung seines Volks ist eine beständige Meeres-und Jordansaustrocknung, und die Freude über seine Großtaten erhält immer neuen Stoff." Wer den Psalm aber als nachexilisch auffasst, der wird beachten, dass der Dichter in V. 6 seine Zeitgenossen aufgefordert hat, Jehovas Taten zu sehen, dass diese also nicht wohl der uralten Vergangenheit angehören können. Man vergleiche auch das vergegenwärtigende Partizip in V. 7. Der Dichter wird vielmehr die Tatsachen der letzten großen Vergangenheit im Sinn haben, wenn ihm auch für die Form der Schilderung allerdings jene großen am Anfang der Geschichte Israels gewirkten Taten maßgebend waren. "Er hebt hier," sagt Keßler, "negativ die Beseitigung der Hindernisse, die der Errettung des Volks entgegenstanden, in V. 8-12 die Errettung selbst hervor. Wieder waren Meer und Strom im Weg, diesmal im uneigentlichen Sinn, darum nicht weniger schwierig, aber wieder vergebens, nach Jes. 11,15.16, vergl. Sach. 10,11. So erklärt sich der Gebrauch von rhfnIfha (der Strom), das nicht vom Jordan, sondern vom Euphrat gebräuchlich ist, so auch die 1. Person: Wir wollen (oder können) uns freuen." - James Millard

Da wollen wir uns fein freuen. (Wörtl.) Der Prophet setzt (im Hebräischen) das Futurum wohl für die Vergangenheit, es wäre denn, dass er damit andeuten wollte, dass jenen Wundern am Roten Meer und am Jordan noch viel größere folgen würden, von denen jene nur die Vorbilder gewesen seien. Als ein viel größeres Wunder sehen wir es in der Tat an, dass Menschen über das wilde Meer des Lebens fahren und durch den schwellenden Todesjordan gehen und doch sicher und lebendig ans Ufer kommen, in das Land der Verheißung, wo sie sich ewig Gottes erfreuen, den sie dann sehen werden von Angesicht zu Angesicht. Und doch tut Gott dies größere Wunder, so dass viele dies Meer durchziehen, als wäre es festes Land, und trockenen Fußes den Strom überschreiten; mit andern Worten: sie werden los von den irdischen Dingen, dass sie weder an dem Angenehmen hangen noch sich vor dem Übel fürchten, und also erreichen sie sicher das himmlische Jerusalem, allwo wir uns sein, d. i. unsers Gottes, freuen werden, und zwar nicht bloß in Hoffnung, wie hienieden, sondern in ewigem Besitz. Kardinal Robert Bellarmin † 1621.

V. 7. Seine Augen schauen auf die Völker. Dieser Gedanke sollte von vielem Unrecht abhalten. Kann das Gewissen eines Menschen dasjenige leichthin und mit Behagen hinunterschlucken, wovon er weiß, dass Gott es sieht und seine heiligen Augen es verabscheuen? Sieht Gott nicht meine Wege und zählt er nicht alle meine Gänge? sagt Hiob 31,4. Die Erwägung der göttlichen Allwissenheit sollte uns tief in den Staub beugen. Wie niedergeschlagen würde ein Mensch werden, wenn ihm gewiss würde, dass alle Engel im Himmel und alle Menschen auf Erden sein ganzes Leben, alle seine Gedanken und Werke kennten. Aber was ist alle Erkenntnis der Geschöpfe gegenüber dem Urteil des Unendlichen? Wenn wir erwägen, dass er alle unsere Handlungen, ja alle unsere Gedanken, diese ungezählten Millionen, kennt, sodann alle Wohltaten, die er uns zugewandt hat, und alle die Kränkungen, mit denen wir ihm diese vergolten haben, ferner all den Götzendienst, die Gotteslästerungen und die geheime Feindschaft wider ihn, die in jedermanns Herzen sind, alle Ungerechtigkeiten, geheimen Lüste, Unterlassungen von Pflichten, Verletzungen klarer Gebote, alle törichten Einbildungen usw., und alle diese Sünden mit allen ihren Umständen und in ihren geheimsten Wurzeln, - wenn wir das alles erwägen, müsste es nicht unsere Herzen schmelzen, müsste es uns nicht dazu bringen, dass wir in tiefer Zerknirschung und mit heiligem Ernst von ihm Vergebung erflehen? Stephen Charnock † 1680.

V. 9. Der unsere Seele im Leben erhält. Läge unser Leben in unseren Händen, so würde es uns leicht durch die Finger gleiten. Matthew Henry † 1714.

Und lässt unsere Füße nicht gleiten. Es ist eine große Gnade, wenn man in Zeiten, wo ein Unglück nach dem andern über einen hereinbricht, vor Schritten der Verzweiflung behütet wird, wenn man unter schweren Lasten aufrechterhalten wird, dass man nicht hinsinkt, oder in Verfolgungszeiten davor bewahrt wird, Gott oder seine Wahrheit zu verleugnen. David Dickson † 1662.

V. 10. Denn, Gott, du hast uns versucht. Erst wenn das Korn gedroschen wird, zeigt es sich, wieviel Frucht darin ist, und die Trauben müssen unter die Presse, soll ihr köstlicher Saft gewonnen werden. Die Gnade ist in Gottes Kindern verborgen, wie das wohlriechende Wasser in den Rosenblättern; das Feuer der Anfechtung holt heraus, was in ihnen ist. Und geläutert wie das Silber. Auch die Gottlosen werden versucht (vergl. Off. 3,10), aber sie erweisen sich nicht als Silber, sondern als eitel Schlacken, sind ein verworfenes Silber (Jer. 6,30) oder im besten Fall gleich dem Gold der Alchimisten, das keine Feuerprobe aushält. John Trapp † 1669.

Und geläutert wie das Silber. Da mir der häufige Gebrauch dieses Bildes die Überzeugung aufdrängte, dass das Verfahren der Prüfung und Läuterung des Silbers ganz besonders lehrreich sein müsse, habe ich mich bemüht, einiges darüber zu sammeln. Der eine so viel angewandte Zug, dass der Schmelzer das Silber so lange im Läuterungsfeuer lasse, bis er in der Schmelzmasse sein eigen Bild sehe, hat die Meisten von uns so gefesselt, dass wir uns gar nicht nach weiteren sinnbildlichen Zügen umgesehen haben; aber suchen wir ein wenig tiefer, so können wir noch viele andere treffende Bilder gewinnen.
Das Läutern des Silbers erfordert große Aufmerksamkeit des Schmelzers. Das Verfahren bei der Läuterung des Goldes und Silbers ist in der Theorie sehr einfach, aber in der Praxis erfordert es große Erfahrung, wenn es richtig gemacht werden soll, und es gibt keinen Gewerbezweig, der mehr persönliche und ungeteilte Aufmerksamkeit erforderte. Der Erfolg ist dem Einfluss so vieler Zufälligkeiten ausgesetzt, dass kein Schmelzer, der auf seinen guten Ruf hält, die hauptsächlichsten Vorgänge bei dem Verfahren einem andern überlassen wird, es wäre denn, dass dieser ihm an Geübtheit gleichkäme. Bei dem Feststellen des Gehalts nach dem Gewicht sind Abzüge und Ausgleichungen vorzunehmen, die nur dem erfahrenen Probierer bekannt sind. Würde dies, wie es bei einem Neuling leicht der Fall sein könnte, außer Acht gelassen oder nicht richtig ausgeführt, so würde der Befund weit von der Wahrheit abweichen. - Auf ägyptischen Denkmälern sieht man die Schmelzer mit Blasebälgen bei einem kleinen Feuerplatz arbeiten, der mit Schirmen versehen ist, welche die Hitze zusammenhalten und zurückstrahlen lassen. Der Schmelzer sitzt davor und wendet der Arbeit augenscheinlich seine ganze Aufmerksamkeit zu. Man vergl. Mal. 3,3: Er wird sich hinsetzen, wie um Silber zu schmelzen und zu reinigen.
Das Bewähren des Silbers erfordert ferner einen kunstvollen Ofen. Wir wollen den Leser nicht mit der Beschreibung eines solchen aufhalten; aber derselbe ist offenbar schon an sich ein Kunstwerk. Die Weise, wie Gott unseren Glauben bewährt, ist noch viel köstlicher als die, welche beim Gold und Silber angewandt wird. Er hat uns geläutert, aber nicht wie Silber (Jes. 48,10), denn einem gewöhnlichen Schmelzofen wollte er uns nicht anvertrauen; der Ofen des Elends, worin er uns auserwählt macht, ist viel kunstvoller zugerichtet.
Zum Läutern des Silbers muss auch die Hitze genau bemessen werden. Die Aufmerksamkeit des Schmelzers muss sich, während das Metall in der Glut ist, vor allem auf die Hitze des Ofens richten, welche weder zu stark noch zu schwach sein darf. Würde die Glut zu heiß, so würden kleine Teile des Silbers mit den Schlacken abgehen; die infolge der Hitze weit geöffneten Poren des Schmelzgefäßes würden überdies zu viel von dem Metall in sich aufnehmen, so dass auch hierdurch ein größerer Verlust entstände. Ein Anzeigen zu großer Hitze ist es, wenn die Dämpfe schnell und gerade zur Decke der Muffel aufsteigen. Fallen die Dämpfe dagegen zu Boden, so ist die Muffel zu kalt, und wird da nicht Abhilfe geschafft, so erfolgt das Abtreiben des Silbers wiederum nur unvollständig, indem das Edelmetall nicht ganz von den unedeln Bestandteilen befreit wird.
Der Schmelzer wiederholt das Verfahren. Gewöhnlich werden zwei oder drei Prüfungen vorgenommen. In der Schrift ist von siebenfältiger Läuterung des Silbers die Rede; so kommen auch die Gläubigen nur durch vielerlei Läuterungen zur verheißenen Ruhe. C. H. Spurgeon 1872.

Israel ist wie edles Metall im Ofen des Elends geprüft (Jes. 48,10; Mal. 3,3). Der Vergleichungspunkt ist aber hier nicht das Absondern der Schlacken, sondern die quälende Glut. Prof. Friedrich Baethgen 1904.

V. 11. Die Lenden werden genannt, weil beim Tragen schwerer Lasten, die man niederhockend aufzunehmen hat, die untere Rückgratsgegend vorzugsweise beteiligt ist. Die Lenden oder, wie wir sagen, das Kreuz sind der Stützpunkt des ganzen Oberkörpers und besonders des lasttragenden Rückens. Prof. Fr. Delitzsch † 1890.

V. 12. Du hast Menschen lassen über unser Haupt fahren. Dass Gott solches zulässt, vermindert die Sünde der Bedrücker nicht. Der Mensch ist zur Gemeinschaft geschaffen und sollte mit seinesgleichen in Liebe und Frieden leben. Ein Mensch sollte dem andern helfen, ihm beistehen, ihn aufrecht halten; statt dessen stößt er ihn nieder, reitet über ihn und tritt ihn unter die Füße. Welcher Abfall, nicht nur von den Forderungen der Religion, sondern von der Menschlichkeit! Wer ist des Menschen größter Feind? Der Mensch, antwortet schon Seneka. Die Schlangen speien ihr Gift nicht auf ihresgleichen aus; aber ein Mensch sucht über den andern Unheil zu bringen. Alle wilden Tiere miteinander richten unter den Menschen nicht solche Verheerungen an wie diese selbst. Lasst uns näher zusehen, was von den Bedrückern gesagt ist. 1) Sie reiten. Was brauchen sie sich noch aufs Pferd zu setzen? Kann ihr "Fuß des Übermuts" (Ps. 36,12) uns nicht genugsam untertreten? 2) Über uns. Der Weg, den sie ziehen, ist breit genug, denn er ist des Teufels Heerstraße. Sie könnten den Elenden wohl aus dem Wege gehen, es ist Raum genug da; sie haben wahrlich nicht Not, über uns hinzureiten. Wollen sie ihre Tapferkeit beweisen, so lasst sie doch solche anrennen, die ihnen gewappnet in den Weg treten! Aber wie feig ist das, harmlose und wehrlose Menschen über den Haufen zu rennen! Wir machen ihnen wahrlich den Platz nicht streitig; wir beneiden sie nicht um den Weg des Verderbens, den sie wandeln; eher bemitleiden wir sie. Was brauchen sie über uns zu reiten? 3) Über unsere Köpfe. Tut es ihrem Stolz nicht Genüge, dass sie hoch zu Ross sitzen, und ihrer Bosheit, dass sie über uns hin reiten? Müssen sie auch noch am Blutvergießen so ihre Freude haben, dass sie über unsere Köpfe reiten? Wird ihr Übermut nicht gekühlt, wenn sie uns Arm und Bein brechen oder etliche Rippen eindrücken? Ist’s nicht genug, dass sie uns martern, uns alle Kraft zerbrechen, sich über unsere Einfalt und Wehrlosigkeit lustig machen, uns unser armseliges Hab und Gut rauben? Müssen sie auch noch nach unserm Blut und Leben dürsten? Wozu wird ihre Tollheit sie noch treiben? Thomas Adams 1614.

Es gab auch bei uns eine Zeit, wo Leute von der Art eines Bonner8 mit ihren Henkersknechten über die Häupter der Heiligen ritten und die Erde mit deren Blut tränkten; aber jeder Tropfen solchen Blutes erzeugte einen neuen Bekenner. Thomas Adams 1614.

Dieser Vers gleicht dem See Genezareth (Mt. 8,24), der zuerst so vom Sturm bewegt war, dass das Schifflein mit Wellen bedeckt ward; aber Christi Drohwort beschwichtigte das Ungestüm von Wind und Meer, dass eine große Stille ward. Wir sehen hier grausame Nimrode über die Häupter der Unschuldigen reiten wie über braches Land, wir sehen die Auserwählten Gottes mitten in Feuer und Wasser; aber bald legt sich der Sturm, oder vielmehr die Seefahrer landen an sicherer Küste und gehen aus allen Gefahren unversehrt hervor: aber du hast uns herausgeführt in reiche Fülle. So geht das Lied hier aus tiefer Molltonart in jubelnde Freudenklänge über. Erst sehen wir Gottes Volk scheinbar verlassen, dem Übermut der Tyrannen und der Wut der Elemente preisgegeben, hernach aber reichlich getröstet und erquickt. Auf die tiefste Erniedrigung, bis unter die Füße der Tiere, folgt eine herrliche Errettung und Erhöhung. In beidem aber erscheint Gott tätig, das erstere zulassend, das andere wirkend. In dem einen benutzt er Werkzeuge, im andern ist er die allein wirkende Ursache. Am Elend verherrlicht sich die Gnade. Hätten wir keine Trübsal, so lernten wir auch nicht die Köstlichkeit der Errettung kennen. Die Leiden, durch welche das Volk Gottes hindurch musste, werden in sehr starken Ausdrücken geschildert; dennoch ist dem allen an die Stirn geschrieben: Du hast es getan oder zugelassen. Da mögen nun gottlose Menschen es versuchen, ihren Schmutz an Gottes Reinheit abzureiben, und sich für all die Schändlichkeiten, die sie gegen die Heiligen Gottes verüben, mit Berufung auf Gottes Zulassung einen Freibrief ausstellen. Darauf antworten wir jedoch zur Rechtfertigung der Wahrheit, dass Gott zwar allerdings jede Verfolgung, die über seine Kinder hereinbricht, ordnet, aber ohne dass er damit dem Werkzeug, das den Streich ausführt, irgendwelches Recht oder irgendwelche Straflosigkeit einräumte. Gott wirkt wohl in dem gleichen Werke, aber in ganz anderer Weise und mit ganz andern Absichten. Bei der Trübsal, welche über Hiob kam, waren drei Handelnde: Gott, der Satan und die chaldäischen Räuber. Der Teufel wirkt auf Hiobs Leib ein und die Chaldäer rauben seine Güter; doch erkennt Hiob noch einen dritten Handelnden an: Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen. In unserm Text zertreten gottlose Bedrücker die Auserwählten, und es wird gesagt, dass Gott es verursacht oder zugelassen habe; aber er bewirkt die Trübsal zur Läuterung des Volkes Gottes (siehe V. 10), wohingegen sie aus Bosheit handeln. So kann denn weder Gott deswegen angeklagt werden, noch können sie sich entschuldigen. Thomas Adams 1614.

Fußnote
8 Bischof Bonner wütete als Vorsitzer des Ketzergerichts unter der blutigen Maria gegen die Bekenner des Evangeliums in England.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Du hast Menschen - wörtl.: Elende, Menschen, deren man nur mit Entrüstung gedenken kann und die man am besten im Grabe der Vergessenheit begrübe, wie die ägyptischen und babylonischen Götzendiener, welchen die Israeliten dienen mussten - lassen auf unserm Haupt reiten, d. h. sie uns unterjochen lassen, wie der Reiter das Tier, auf welchem er reitet, mit Zügel, Sporen und Peitsche regiert. Joh. Lorinus † 1634.

Die vorstehende, von Lorinus, De Wette u. a. gewählte Übersetzung entspricht schwerlich dem Sinn des Psalmdichters. L. Clauß (1831) macht dagegen mit Recht geltend, dass der Reiter ja nicht auf dem Kopf des Pferdes sitze, und sodann, dass das Bild von der Bändigung des Rosses wohl Dämpfung des Mutwillens, Bezähmung der Hartnäckigkeit u. dergl. bezeichnen könnte, aber nicht Gewalttätigkeit und Misshandlung an dem Unschuldigen, was doch hier erfordert werde. - James Millard

In Feuer und Wasser. Man denke an die mannigfaltigen Trübsale und Prüfungen der Erzväter, der Israeliten und aller derer, die gottselig leben wollen in Christus Jesus. Miles Smith † 1624.

Das jüdische Gesetz schrieb für die Kriegsbeute eine Reinigung durch Feuer und Wasser vor, sofern die Gegenstände es ertragen konnten, siehe 4. Mose 31,23. So werden auch die Heiligen Gottes beiderlei Reinigung unterworfen. C. H. Spurgeon 1872.

V. 13. Brandopfer. Was uns betrifft, so seien wir versichert, dass das beste Opfer, das wir Gott bringen können, die gehorsame und gläubige Hingabe des Herzens ist. (Vergl. 1. Samuel 15,22.) Gott will von uns nicht tote Tiere, sondern das lebendige Herz. Möge das unser Brandopfer, unser Ganzopfer (denn die Brandopfer wurden ganz dem HERRN im heiligen Feuer hingegeben) sein, dass wir Leib und Seele, unser ganzes Wesen, dem HERRN weihen. (Röm. 12,1 f.) Erst das Herz: Gib mir, mein Sohn, dein Herz (Spr. 23,26). Ist das Herz nicht genug? Nein, auch die Hände müssen wir Gott weihen (Jes. 1,16), die Füße (Spr. 4,27), die Lippen und die Zunge (Ps. 34,14), die Ohren (Off. 2,7), die Augen (Spr. 23,26), kurz alle Kräfte des Leibes und des Geistes (1. Kor. 6,20). Thomas Adams 1614.

V. 14. Hier sehen wir, in welcher Weise Gelübde gewöhnlich abgelegt werden: die Lippen platzen damit heraus unter dem Druck schwerer Trübsal. Aber wie hart kommt manchen hernach das Bezahlen an! John Trapp † 1669.

V. 15. Feiste Schafe oder Lämmer konnte jeder als Brandopfer opfern. Die Widder dagegen waren die Brandopfertiere des Hohenpriesters, der Stammfürsten und des Volks, der jüngere Ziegenbock das Schlachtopfertier der Stammfürsten, 4. Mose 7. Ich will Rinder opfern mit jungen Böcken heißt also soviel wie: zugleich mit den Opfern, die für die Gemeinde und ihre Vertreter dargebracht werden. Der Sänger will durch diese Detaillierung die Feierlichkeit der Opferung veranschaulichen. Prof. Fr. W. Schulz 1888.

V. 16. Man merke, dass die Einladung nur an diejenigen gerichtet wird, die Gott fürchten. Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang. Gott ist es, der die Füße frei macht, dass sie kommen können, und die Ohren öffnet, dass sie hören. Darum ist es nutzlos, die, welche Gott nicht fürchten, zum Kommen und zum Hören einzuladen. Kardinal Robert Bellarmin † 1621.

Die Gottesfürchtigen sind Gäste, von denen man etwas empfangen kann; kein Wunder, dass ihre Gesellschaft von denen, die selber Gott fürchten, so begehrt wird. Samuel Heskins 1654.

Ich will erzählen usw., will euch die Geheimnisse meines Herzens und meine Erfahrungen mitteilen. Solch Erzählen kann viel Segen stiften. So ward der spätere Bischof Hugh Latimer († als Märtyrer 1555) dadurch für die evangelische Wahrheit gewonnen, dass Bilney, der wahrnahm, wie jener für Gott eiferte, doch mit Unverstand, zu ihm in sein Studierzimmer kam und ihn um Gottes willen bat, sein Bekenntnis zu hören. "Ich willfahrte ihm," berichtet Latimer, "und, die Wahrheit zu sagen, ich lernte durch das Anhören dieses Bekenntnisses mehr als zuvor in vielen Jahren, so dass ich von der Stunde an begann, am Worte Gottes Geschmack zu finden, und die scholastische Gelehrsamkeit und andere solche Torheiten vergaß." John Trapp † 1669.

Unserm Arzt zu Ehren lasst uns reden von den jämmerlichen Wunden, die uns einst schmerzten, und von der sanften Hand, die uns half, als es mit uns aufs äußerste gekommen war. Zu Ehren unseres Lotsen wollen wir erzählen von den Klippen und Sandbänken, den mancherlei Gefahren und dem drohenden Verderben, dem allen er uns durch seine weise Führung entgehen ließ. Und dass andere, die jetzt noch im wilden Sturm sind, uns nach solchen Gefahren sicher an Land sehen, kann sie dazu bringen, sich demselben Steuermann anzuvertrauen, der mächtig und willig ist, sie ebenso zu retten, wie er uns gerettet hat. Es gebührt sich, dass wir, gleich den Kriegern nach überstandenem, gefährlichem Feldzug, von den Schlachten erzählen, die wir geschlagen, von der Angst, die wir ausgestanden, den Gefahren, die wir durchgemacht, und den Siegen, die wir errungen haben. So sollen wir unsere Erfahrungen den zweifelnden oder mitten in Anfechtung stehenden und noch nicht durch so große und lange Prüfungen hindurchgegangenen Christen kundmachen. Timothy Rogers † 1729.

V. 17. Und Lobpreis war unter meiner Zunge. (Wörtl.) Es wird von heiligen Gedanken gesagt, sie seien unter der Zunge, wenn wir in Bereitschaft sind sie auszusprechen. Joseph Caryl † 1673.

Die zehn Aussätzigen riefen alle zum HERRN, und allen ward die Hilfe zuteil; aber nur einer von ihnen hatte Lobpreis unter seiner Zunge. John Morison † 1829.

Der Sinn ist wohl: Kaum hatte ich zu ihm gerufen, als er mir auch schon, indem er mich errettete, überschwengliche Ursache gab, ihn zu preisen. A. R. Fausset 1866.

V. 18. Warum hindert es die Annahme unserer Gebete, wenn wir Unrechtes vorhaben? 1) Weil wir dann nicht im Geiste beten können; alle Gebete aber, welche bei Gott angenehm sind, sind nichts anderes als das Seufzen seines Geistes in uns (Röm. 8,26). 2) Weil wir dann nicht im Glauben beten können, d. h. auf Gottes Verheißung der Erhörung keine begründete Zuversicht setzen können, da diese nur den Aufrichtigen gegeben ist. Solange daher jemand die Liebe zur Sünde im Busen nährt, versteht er entweder die Verheißungen nicht, betet also unverständig, oder er versteht sie wohl, wendet sie aber fälschlich doch auf sich an, betet also in Anmaßung; in beiden Fällen ist wenig Grund vorhanden, auf Erhörung zu hoffen. 3) Weil wir dann nicht mit Inbrunst beten können, und doch ist die Inbrunst neben der Aufrichtigkeit das, worauf Gott besondern Wert legt, wie so manche Schriftstellen zeigen. Der Eifer aber im Erstreben des Guten richtet sich nach der Liebe, die wir für dasselbe im Herzen haben, und diese ist mit der Liebe zur Sünde unverträglich. Ist nun auf unserer Seite kein eifriges Verlangen, so brauchen wir uns auch nicht zu wundern, wenn Gott unsere Bitten nicht erhört; es ist uns ja selber nicht Ernst damit! Robert South † 1716.

Wenn auch die Sache selbst, um welche wir bitten, in Gottes Wort begründet ist, der Zweck aber, zu dem wir sie uns erbitten, nicht lauter ist, so ist das ein Riegel, der unser Gebet nicht erhörlich zu Gott dringen lässt. Vergl. Jak. 4,3. Ich gestehe zu, dass der Christ, wenn er in der rechten inneren Verfassung ist, in allem auf Gottes Verherrlichung zielt. Wie aber die Kompassnadel, wenn sie von einem Magnet berührt wird, von der Richtung, an die sie von Natur gebunden ist, abschweift, wiewohl sie keine Ruhe findet, bis sie jene Grundrichtung wieder eingenommen hat, so kann auch eine begnadigte Seele in einer bestimmten Angelegenheit durch Betrug des Satans oder der ihr einwohnenden Verderbnis aus ihrer rechten Richtung kommen. Haltet ihr es nicht auch für möglich, dass ein gläubiger Christ, der an Leib und Seele leidet und daher um Genesung für seinen Leib und um Erquickung für seine Seele bittet, dabei zu selbstsüchtig seine eigene Ruhe und Gemächlichkeit im Auge habe? Ja freilich. Und ein anderer bittet vielleicht, dass Gott ihn für einen hervorragenden Dienst im Reiche Gottes mit Gaben ausrüste und ihm darin beistehe, und begehrt dabei im letzten Grunde doch für sich Ansehen und Beifall; oder er bittet, dass Gott ihm einen Sohn schenke, ist aber dabei in einer über das Maß hinausgehenden Weise von dem Wunsch erfüllt, dass die Ehre seines Hauses dadurch befestigt werde. An sich ist es ja gewiss kein Unrecht, Gesundheit, Ruhe des Gemüts, Einfluss und dergleichen Dinge zu wünschen, solange diese Wünsche in den von Gott gesetzten Schranken bleiben; aber wenn sie zu solcher Höhe anschwellen, dass sie das Begehren, Gott zu verherrlichen, überfluten, ja wenn sie ihm nur gleichkommen, so sind sie ein Gräuel. Darum prüfe dich, lieber Christ, wenn du betest, ob du dabei wirklich Gottes Verherrlichung im Auge hast. William Gurnall † 1679.

Unrechtes beabsichtigt im Herzen tatsächlich, wer 1) heimlich Sünde tut, sich zwar äußerlich vom Weltwesen fernhält, aber nicht wirklich von Furcht vor dem Herzenskündiger, vor welchem es kein Verbergen gibt (Jer. 23,24), beseelt ist. 2) Wer die Liebe zur Sünde im Herzen pflegt und nährt, wiewohl er durch Umstände, Erziehung und dergleichen von dem tatsächlichen Begehen der Sünden zurückgehalten werden mag. Ich bin überzeugt, die Fälle sind nicht selten, da Leute sich an sündlichen Begierden weiden, wiewohl sie dieselben, sei es aus Mangel an Gelegenheit, sei es aus Furcht vor der Schande bei den Menschen, sei es aus einer gewissen Zurückhaltung, die ihnen ihr Gewissen noch auferlegt, nicht in Taten auszuführen wagen. 3) Wer auf Sünden der Vergangenheit mit einem gewissen Wohlbehagen der Erinnerung oder doch ohne aufrichtige Beugung zurückdenkt. Vielleicht lässt sich unsere wirkliche Herzensgesinnung, sowohl der Sünde als der Pflicht gegenüber, ebensogut an der Stellung erkennen, welche wir hernach zu unserm Tun einnehmen, wie daran, wie wir uns in dem betreffenden Augenblick benahmen. Die Stärke und Plötzlichkeit der Versuchung können auch einen rechtschaffenen Menschen zur Begehung einer Sünde verleiten, und die Trägheit unseres Herzens und die Macht des uns innewohnenden Verderbens kann uns die Pflicht zu einer Last machen und viele Mängel in deren Erfüllung verursachen; aber jeder echte Christ denkt an seine Sünden mit ungeheuchelter Reue und einer tiefen Empfindung seiner Unwürdigkeit vor Gott zurück, wohingegen ihm die Erfüllung der Pflicht, so schwer sie ihm zur Zeit geworden sein mag, beim Rückblick die edelste Freude bereitet. Bei vielen steht es anders; sie können sich ihrer Sünden ohne Herzeleid erinnern und davon ohne Scham reden, ja wohl gar mit einer Beimischung von Ruhmsucht. Hast du sie nie ihre früheren Torheiten mit solchem Wohlbehagen erzählen hören, dass es vielmehr schien, als kosteten sie das Vergnügen noch einmal durch, als dass sie die Sünde bereuten? 4) Wer die Sünden anderer (denken wir dabei nur z. B. ans Afterreden) mit Beifall oder doch ohne Kummer sehen kann. Vergleiche dagegen Ps. 119,136.158; 5) Endlich, wer sich nicht der göttlichen Herzensdurchforschung und Läuterung willig überlässt. John Witherspoon † 1749.

V. 18-20. Zieht David hier nicht einen falschen Schluss? Die zwei Vordersätze sind: a) Wenn ich Unrechtes vorhätte, so würde der Herr nicht hören; b) aber Gott hat gehört. Nun sollte, meine ich, der Schluss, den er daraus zieht, doch lauten: Also habe ich nichts Unrechtes vor in meinem Herzen. Aber stattdessen lautet sein Schluss: Gelobt sei Gott, der mein Gebet und seine Gnade mir nicht entzogen hat. Nein, der Schluss ist wohl überraschend, aber doch richtig. Ich erwartete, David würde die Krone sich selber aufs Haupt setzen, und stattdessen setzt er sie Gott auf. Das ist eine heilige Logik, die will ich lernen, denn sie ist vortrefflicher als die des Aristoteles: dass ich, was immer die Prämissen seien, Gottes Ruhm als Schluss ziehe. Thomas Fuller † 1661.

Homiletische Winke

V. 3. Das Furchtbare (Ehrfurchtgebietende, Grundtext) in Gottes Tun, sowohl in der Natur als in der Geschichte.
V. 4. 1) Wer? Alle Lande, d. h. alle Bewohner der Erde. a) Alle ohne Unterschied, aller Rassen und Nationen; b) alle, jeder einzelne; c) alle miteinander im Einklang. 2) Was? Müssen dich anbeten und dir lobsingen, also a) sich beugen (wörtlich: sich vor dir niederwerfen) und b) sich freuen. 3) Wann? Müssen: zeigt an a) die Zukünftigkeit, b) die Gewissheit. Gott hat es vorausgesagt, und alles zielt darauf hin. George Rogers 1871.
V. 5. 1) Ein Gegenstand für das allgemeine Studium: die Werke Gottes. 2) Ein Gegenstand für das besondere Studium: Gottes Walten über die Menschenkinder. Dies ist besonders wunderbar und geht uns besonders nahe an.
V. 6. Gewaltige Hindernisse, unerwarteterweise überwunden, ein Gegenstand der Freude.
V. 6c. Unser Interesse an den Errettungen, welche das Volk Gottes in vergangenen Zeiten erfahren hat.
V. 7. Gottes Hoheit, Unwandelbarkeit ("in Ewigkeit") und Allwissenheit als die Feinde stolzer Empörer.
V. 9. Unsere Pflicht, Gott für die Errettung und Behütung des natürlichen und des geistlichen Lebens, des unsrigen wie dessen unserer Mitchristen, einzeln und miteinander zu preisen. George Rogers 1871.
Das Beharren in der Gnade, und zwar a) die Erhaltung des inneren Lebens, b) die Unverletztheit des äußeren Wandels, ein reicher Anlass, Gott zu preisen.
V. 10. Die Läuterung der Gläubigen.
1) Der Zweck unserer Trübsale: a) uns zu prüfen, b) uns zu läutern. 2) Das zur Veranschaulichung dieses Zwecks hier gebrauchte Bild: läutern wie Silber. 3) Das Ergebnis des Verfahrens.
V. 11.12. Wir sollten Gottes Hand erkennen a) in unseren Anfechtungen (Netz, nach der Übersetzung etlicher), b) unseren leiblichen Trübsalen (Last auf den Lenden), c) unseren Verfolgungen (hast Menschen lassen über unser Haupt fahren), d) unseren Errettungen (ausgeführt ins Weite). George Rogers 1871.
V.12. Feuer und Wasser. Gefahren verschiedenster Art. 1) Sie decken verschiedenerlei Böses auf, 2) prüfen uns nach verschiedenen Seiten, 3) erziehen zu verschiedenen Tugenden, 4) machen uns mancherlei Verheißungen teuer, 5) enthüllen uns die verschiedenen Vollkommenheiten Gottes, 6) reichen uns vielfältige Erkenntnis dar und bereiten uns 7) zu, die mannigfaltigen Freuden des Himmels zu genießen.
V. 13-15. Heilige Entschlüsse eines Erretteten. 1) Wir sehen hier einen Erretteten solche fassen (V. 13), nämlich a) Opfer der Anbetung zu bringen, b) für die erfahrenen Errettungen, c) in Gottes Haus. 2) Wir hören ihn sie äußern (V. 14) a) gegen Gott, b) vor den Menschen. 3) Wir sehen ihn sie ausführen a) durch öffentliche Anerkennung der Gelübde, b) durch herzliche Danksagung, c) durch noch häufigeren Besuch des Hauses Gottes, d) durch erneute Selbsthingabe, e) durch vermehrte Opferwilligkeit. George Rogers 1871.
V. 16. 1) Was hat Gott an der Seele eines jeden Christen getan? 2) Warum wünscht der Christ dies zu erzählen? 3) Warum vor solchen, die Gott fürchten? Weil sie allein a) es verstehen können, b) ihm wirklich glauben werden, c) ihm mit inniger Teilnahme zuhören und mit ihm den göttlichen Wohltäter preisen werden. E. Payson † 1827.
Wollen wir anderen christliche Unterweisung geben, so soll sie 1) einfach sein (erzählen, kundtun), 2) ernstlich (kommt, hört); sodann müssen wir 3) die Gelegenheiten benutzen (ihr alle), 4) die rechten Zuhörer suchen (die ihr Gott fürchtet), und 5) aus persönlicher Erfahrung reden können (was er an meiner Seele getan hat).
V. 17. 1) Die zwei Hauptstücke der Andacht: Bitten und Danken. 2) Ihr Grad: im Bitten Rufen oder Schreien, im Danken Lobpreisen. 3) Ihre Ordnung: erst bitten, dann preisen. Was wir durchs Bitten erlangen, opfern wir Gott wieder mit Lobpreis.
V. 18-20. Ein Gottesurteil. 1) Der Beter des Psalms erklärt sich bereit, sich einem solchen zu unterwerfen. 2) Dasselbe wird angewandt. 3) Das Ergebnis: Lob der Gnade.
V. 20. Wie Gottes Gnade sich darin erweist, dass er 1) uns Freimut zum Beten gibt, 2) sich zu unserm Flehen neigt und 3) es erhört.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 67(Auslegung & Kommentar)



Überschrift

Ein Psalmlied. Vergl. zu Ps. 48. Feierlichkeit und leichtfließender Verstakt sind hier vereinigt. Dem Vorsänger. Wer das war, daran liegt wenig, und auch wer wir seien, ist von geringer Bedeutung, wenn nur der HERR verherrlicht wird. Auf Saitenspiel. Unser Psalm ist der fünfte, dem diese Bemerkung vorgesetzt ist. Der Name des Verfassers ist nicht genannt.1

Auslegung

2. Gott sei uns gnädig und segne uns;
er lasse uns sein Antlitz leuchten! Sela.
3. Dass man auf Erden erkenne seinen Weg,
unter allen Heiden sein Heil.
4. Es danken dir, Gott, die Völker;
es danken dir alle Völker.
5. Die Völker freuen sich und jauchzen,
dass du die Leute recht richtest und regierest die Leute auf Erden. Sela.
6. Es danken dir, Gott, die Völker;
es danken dir alle Völker.
7. Das Land gibt sein Gewächs.
Es segne uns Gott, unser Gott.
8. Es segne uns Gott
und alle Welt fürchte ihn!



2. Gott sei uns gnädig und segne uns; er lasse sein Antlitz bei uns leuchten! (Grundtext) Diese Worte sind ein schöner Widerhall des hohepriesterlichen Segens 4. Mose 6,24-26. Die Bitte beginnt am rechten Ende: mit dem Ruf um Gnade. Die Vergebung der Sünden ist stets das erste Glied in der Kette der Gnadenerweisungen, die wir erfahren. Die sich zum Sünder neigende Liebe ist diejenige Eigenschaft Gottes, auf welcher all unser Heil ruht. Die geförderten Heiligen und die schlimmsten Sünder dürfen sich in der Bitte vereinigen: Gott sei uns gnädig! Sie wird gerichtet an den Gott der Gnade von solchen, die erkennen und fühlen, dass sie der Gnade bedürfen, und sie schließt in sich den Tod aller Hoffnung auf Gesetzesgerechtigkeit und allen Anspruch eines Verdienstes. Darauf bittet die Gemeinde um den Segen Gottes: Gott segne uns! - eine sehr umfassende und weitreichende Bitte. Gottes Segen ist kein leeres Wort; er erweist sich in reichen Gaben und machtvollen Taten. Doch Gottes Gaben sind nicht alles und nicht das Höchste, wonach seine Kinder verlangen; sie begehren vor allem die persönliche Gewissheit seiner Huld und bitten daher, dass er mit dem Licht seines Antlitzes bei ihnen gegenwärtig sei. Diese drei Bitten schließen alles in sich, was wir hienieden und einst droben bedürfen.
Der Vers kann als Gebet der ganzen israelitischen Gemeinde betrachtet werden, und die christliche Gemeinde mag ihn ebenfalls zu ihrem Gebet machen. Der Psalm hat in den folgenden Versen einen sehr weiten, alle Völker umfassenden Gesichtskreis; aber er beginnt daheim. Die ganze Gemeinde des HERRN, jede Einzelgemeinde und jedes kleine Häuflein darf wohl beten: Segne uns. Es würde jedoch sehr unrichtig sein, wenn unsere Nächstenliebe mit diesem ersten, schüchternen Anfang der Betätigung schon ihr Ende fände, wie es bei manchen in der Tat der Fall ist. Unsere Liebe darf in die weite Ferne schweifen, unsere Gebete sollten weit ausholen: wir sollen die ganze Welt in unsere Fürbitte einschließen.
Sela. Erhebt die Herzen, erhöht eure Stimme: was folgt, erfordert einen höheren Ton.

3. Dass man auf Erden erkenne deinen Weg. (Grundtext) Wie die Wasser, welche zuerst als Regenschauer auf die Gebirge niederfallen, hernach als Bäche und Ströme die weiten Ebenen durchfließen, so kommt der Segen des Höchsten durch die Gemeinde auf die Welt. Wir empfangen die Segnungen ebenso sehr für andere wie für uns selber. Gott führt die Seinen gnädige Wege, und dann machen sie diese göttlichen Wege weit und breit bekannt, so dass des HERRN Name auf Erden berühmt wird. Die Unwissenheit über Gott und die göttlichen Dinge ist der größte Feind der Menschheit, und die dankerfüllten, auf der persönlichen Erfahrung beruhenden Zeugnisse der Gottesmenschen überwinden diesen Erzfeind. Gott hat einen bestimmten Heilsweg geordnet, und es ist Pflicht und Vorrecht einer lebendigen Kirche, diesen Heilsweg überall bekannt zu machen. Unter allen Heiden dein Heil. Alle Völker bedürfen dieses Heils Gottes; aber viele kennen, begehren und suchen es nicht. Unser Bitten und Arbeiten muss dahin zielen, dass die Erkenntnis des Heils sich so allgemein verbreite wie das Licht der Sonne. Entgegen den düsteren Zukunftserwartungen, welche manche hegen, halten wir an dem Glauben fest, dass Christi Reich noch die ganze bewohnbare Erde umspannen und alles Fleisch das Heil Gottes sehen wird, und nach dieser glorreichen Vollendung ringen wir in unseren Gebeten.

4. Es müssen dich preisen, Gott, (die) Völker. (Grundtext) Bringe sie dazu, dass sie deine Güte anerkennen und dich von ganzem Herzen loben; mögen nicht nur einzelne, sondern ganze Völker dies tun, und nicht nur einmal, vorübergehend, sondern beständig, aus wohlgegründeter Erkenntnis deines wunderbaren Heilsweges. Es müssen dich preisen alle Völker. Möge keine Nation in der unzählbaren Schar der heiligen Sänger fehlen. Sind doch alle dir so hoch verpflichtet! Ihnen wird es großen Gewinn, dir große Ehre bringen; darum gib, HERR, allen Gnade, deine Gnade anzubeten. Wir können diesen und den folgenden Vers als Wunsch oder als Weissagung lesen.

5. Es müssen sich freuen und jauchzen die Nationen. (Grundtext) Wenn die Menschen Gottes Heilsratschluss erkennen und sein Heil erfahren, werden ihre Herzen von großer Freude bewegt. Nichts erfüllt die Herzen so schnell und gewiss, so überströmend und bleibend mit Freude wie das göttliche Heil. Wahres Glück werden die Nationen nie kennen, bis sie dem Stabe des guten Hirten folgen; sie mögen die Staatsformen verändern, sich von Monarchien in Republiken, von Republiken in kommunistische Gemeinwesen verwandeln - das Elend schaffen sie damit nicht weg, solange die Sünde Meister ist und sie nicht dem HERRN in willigem Gehorsam huldigen. Jauchzen sollen aber diese armen Menschen noch. Welch herrliches Wort! Wir dürfen es jetzt schon tun. Manche singen aus bloßer Gewohnheit, andere, um mit ihrer Stimme zu glänzen, etliche ums liebe Brot, wieder andere zum Vergnügen; aber von ganzem Herzen singen, weil die überströmende Freude sich Luft machen muss, das heißt erst recht eigentlich singen. Ganze Nationen werden dies tun, wenn Jesus über sie herrscht mit der Macht seiner Gnade. Wir haben Hunderte und selbst Tausende im Chor singen hören; aber was wird das sein, dem Gesang ganzer Nationen lauschen zu dürfen, wenn ihre Stimme erschallt wie das Rauschen vieler Wasser und das Rollen mächtigen Donners! Wann wird dies Zeitalter des Jauchzens und Singens beginnen? Wann wird all das Seufzen und Murren ersterben und sich in heilige Psalmgesänge und fröhliche Loblieder auflösen? Dass du die Völker recht richtest. Ungerechtes Regiment ist eine mächtige Quelle nationalen Elends; aber unter Gottes Zepter steht es wohl um das Recht. Er tut niemandem Unrecht, seine Gesetze sind die Gerechtigkeit selbst. Er hilft vielmehr allen, die Unrecht leiden, zu ihrem Recht und befreit die Unterdrückten von ihren Peinigern. Wohl mögen die Nationen einst jauchzen, wenn die Gerechtigkeit auf dem Thron sitzt. Und regierest die Leute auf Erden. Er wird die Nationen leiten (wörtl.) wie ein Hirt seine Herde, und von seiner Gnade sanft gezogen werden sie ihm willig folgen; dann wird Friede sein auf Erden und Reichtum und Wohlstand in Fülle. Es ist eine große Herablassung, dass der HERR der Hirt der Völker werden und sie leiten will, so wie es für sie am besten ist; und es ist ein schweres Verbrechen, wenn ein Volk, das das Heil Gottes kennt, vom HERRN abfällt und spricht: Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche! Wir haben wohl Ursache zu fürchten, dass unser Volk solchem Gericht anheimfallen könnte; möge Gott uns davor bewahren!
Sela. Ehe der Kehrreim wiederholt wird, mögen die Harfenspieler ihre Harfen wieder stimmen, damit die lobpreisenden Klänge in voller Kraft und Reinheit erschallen

6. Es müssen dich preisen, Gott, (die) Völker, es müssen dich preisen alle Völker. (Grundtext) Die Worte sind es wert, nicht nur einmal, sondern immer aufs Neue wiederholt zu werden. Der erhabene Gegenstand des Psalms ist die Teilnahme der Heiden an der Verehrung Jehovas. Der Psalmsänger ist von diesem herrlichen Gedanken so erfüllt, dass er kaum weiß, wie er seiner Freude Worte geben soll.

7. Das Land gibt sein Gewächs. Die Sünde hat den Fluch über den Acker gebracht, und nur die Gnade kann ihn aufheben. Unter einer tyrannischen Regierung wird ein Land unfruchtbar; sogar das Land, welches einst von Milch und Honig floss, ist jetzt unter der Türkenherrschaft fast eine Wildnis. Aber wenn die ganze Menschheit einst durch die Grundsätze der wahren Religion aufgeklärt und die Herrschaft Jesu allgemein anerkannt sein wird, dann wird die Ackerbaukunst auf der Höhe der Vollendung stehen, die Menschen werden mit Lust arbeiten, alle Armut wird verschwunden und der Boden zu seiner ursprünglichen Fruchtbarkeit wiederhergestellt sein. Wir lesen in der Schrift, dass der HERR ein fruchtbares Land zur Salzwüste mache um der Bosheit willen derer, die drinnen wohnen (Ps. 107,34), und mancherlei Beobachtungen bestätigen die Wahrheit dieser göttlichen Drohung; doch war ebenfalls unter dem Gesetz verheißen: Der HERR, dein Gott, wird dir Glück geben in allen Werken deiner Hände, an der Frucht deines Leibes, an der Frucht deines Viehs, an der Frucht deines Landes, dass dir’s zugutekomme (5. Mose 30,9). Es besteht ganz gewiss eine innige Beziehung zwischen moralischem und physischem Übel und geistlichem und natürlichem Guten. Der Grundtext hat zwar die vergangene Zeit: Das Land hat seinen Ertrag gegeben, und Alexander (1850) meint, es verstoße gegen die Sprachkunde, den Ausspruch auf die Zukunft zu beziehen; uns dünkt aber, der prophetische Sänger sehe im Geiste den Erntesegen schon als gegeben, der alsbald folgen muss, wenn die Völker einst alle Gott huldigen. Es segne uns, oder: Segnen wird uns Gott, unser Gott. Er wird geben, dass der Ertrag der Erde ein wahrer Segen ist. Die Menschen werden in diesen reichen Gaben das gnädige Walten des Gottes erkennen, welchen Israel von alters her angebetet hat, und Israel wird sich in Sonderheit über den großen Segen freuen und seinen Gott erheben. Jeder gläubige Israelit muss von heiliger Freude erfüllt werden, dass die Nationen durch Abrahams Gott alle gesegnet werden sollen; aber auch jeder Gläubige aus den Heiden freut sich des, dass noch die ganze Welt den Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, der unser Gott und Vater ist, anbeten soll.

8. Es segne uns Gott, oder: Gott wird uns segnen. Die Bitte des Anfangsverses kehrt als frohlockender Gesang am Schluss wieder. Und zwar werden die Worte unmittelbar nacheinander wiederholt (V. 7b. 8); lässt doch auch der HERR seine Segnungen so unaufhörlich triefen: er segnet und segnet und segnet abermals. Seine Segnungen sind das Erbteil seiner Auserwählten; er ist ein Heiland aller Menschen, sonderlich aber der Gläubigen. Wir finden in diesem Vers einen Lobgesang, der alle Ewigkeiten umfasst. Gott wird uns segnen, das ist unsere gewisse Zuversicht; er mag uns züchtigen, aber segnen muss er uns. Er kann’s nicht lassen, seinen Auserwählten wohlzutun. Und alle Welt (wörtl.: alle Enden der Erde) fürchte ihn, oder: wird ihn fürchten. Auch die Fernsten werden ihn fürchten. Die Enden der Erde werden mit ihrem Götzendienst ein Ende machen und den allein wahren Gott als ihren Gott anbeten. Alle Menschenrassen ohne Ausnahme werden eine heilige Scheu empfinden vor dem Gott Israels. Alle Unwissenheit wird abgetan sein, aller Ungehorsam überwunden, alle Ungerechtigkeit verbannt, aller Götzendienst verabscheut sein, des HERRN Liebe, Licht und Leben werden in allen herrschen, und der HERR selber wird der König aller Könige und der Herr aller Herren sein. Amen, ja Amen.

Fußnote
1. Spurgeon fährt fort: "Wir halten den aber für kühn, der zu beweisen versuchen wollte dass David den Psalm nicht geschrieben habe. Es braucht bei uns schon einen starken Anstoß, ehe wir uns nach einem anderen Verfasser umsehen, um ihm die Vaterschaft solcher namenlosen Lieder zuzuschreiben, welche mitten unter davidischen Psalmen stehen und denen die Familienähnlichkeit mit diesen so deutlich aufgeprägt ist." - Es liegt jedoch sehr nahe, dieses liturgische Lied dem Gottesdienst des zweiten Tempels zuzuweisen. Auch der Missionston des Psalms spricht für eine spätere Zeit. Der vorhergehende und der nachfolgende Psalm weisen durch die Zitationen des Deuterojesaia ebenfalls auf die nachexilische Zeit als ihre Entstehungszeit hin. - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Wie Ps. 65, betrachtet auch dieser Psalm den noch auf den Fluren stehenden und der Ernte gewärtigen Fruchtertrag in heilsgeschichtlichem Lichte. Jede gesegnete Ernte ist für Israel eine Erfüllung der Verheißung 3. Mose 26,4 und eine Bürgschaft, dass Gott mit seinem Volke ist und dessen Beruf an die gesamte Völkerwelt nicht unausgerichtet bleiben werde. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Man vergleiche Luthers Lied: "Es wolle Gott uns gnädig sein." Der Missionston des Psalms klingt in dieser freien Nachbildung, wie Delitzsch bemerkt, entschieden und lieblich hindurch. - James Millard

Der Psalm ist eine liebliche Anleitung, Kleines und Großes zu verbinden und in dem Kleinen das Mittel des Großen, in dem Natürlichen eine Grundlage für das Geistliche zu sehen. Prof. Fr. W. Schultz 1888.

Welch schönes Ebenmaß herrscht in allen Teilen dieses Missionspsalms! Er gibt dem Sehnen des Volkes Gottes Ausdruck nach der Zeit, da alle Völker an seinen Vorrechten teilnehmen und alle Nationen Jehova preisen werden und die ganze Erde, die um der Sünde willen so lange Zeit unter dem Fluch geseufzt hat, in paradiesischer Pracht blühen wird. Und der Psalm ergeht sich dabei nicht in Träumereien, sondern begründet die Zukunftshoffnungen mit nüchternen Erwägungen. Denn wie denkt er sich die Verwirklichung dieser goldenen Zeiten? Die Gemeinde baut ihre Hoffnung zunächst auf die allgemeine Verbreitung der Erkenntnis des göttlichen Heilsweges (V. 3), und im Blick darauf bittet sie um eine Zeit der Erquickung vom Angesicht des HERRN (V. 2) und fasst den Mut zu solcher Bitte aus den Worten des von Gott selber verordneten hohepriesterlichen Segens. Es ist, als spräche Israel: "Hast du nicht den Söhnen Aarons geboten, deinen Namen auf uns zu legen und zu sagen: ,Der HERR segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig’? Gedenke dieses deines unverbrüchlichen Wortes. Lass diesen Segen über uns kommen, so werden wir auch ein Segen werden, dass alle Geschlechter der Erde durch uns mit deinem Heil bekannt werden." Solcherart ist die Hoffnung der Gemeinde des HERRN, und wer wollte sagen, sie sei unvernünftig? Wenn das kleine Häuflein der Jünger, die dort auf dem Söller zu Jerusalem zusammenkamen, lauter Leute von geringem Stande und unscheinbaren Fähigkeiten, durch die Geistestaufe mit solcher Kraft angetan wurden, dass binnen dreihundert Jahren das Heidentum im Römischen Reiche gestürzt war, so braucht man vor der Behauptung nicht zurückzuschrecken, dass es, um die ganze Welt mit dem Evangelium zu erfüllen, nichts anderes bedürfe, als dass die christlichen Gemeinden mit einer neuen Ausgießung des gleichen Geistes der Kraft getauft werden. William Binnie 1870.

V. 2.3. Der Prophet wünscht, dass Gottes Gunst an dem erwählten Volke sichtbar werde, damit diese durch ihren Glanz die Heiden zu der Gemeinschaft derselben Hoffnung führe. Jean Calvin † 1564.

Der Sänger redet zuerst von Gott (V. 2), weil er sich eng an den mosaischen Segen 4. Mose 6 anschließt; sobald aber die Beziehung auf diesen aufhört, tritt die Anrede ein: deinen Weg, dein Heil. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

V. 3. Dass man erkenne deinen Weg. Von Natur wissen wir wenig von Gott und nichts von Christus und dem Heilsweg. Es muss uns daher erst das Auge geöffnet werden, dass wir den Weg des Lebens sehen, ehe wir ihn im Glauben betreten können. Gott befördert die Seelen nicht in den Himmel wie Passagiere in einem Schiff, die unter den Luken eingesperrt sind und auf der ganzen Reise zu ihrem Bestimmungsort nichts sehen. Der rechte Glaube ist kein Köhlerglaube, kein blindes Beistimmen und Nachsprechen ohne irgendwelche Erkenntnis. William Gurnall † 1679.

Gottes Weg ist die fortschreitende Verwirklichung seines Ratschlusses, sein Heil ist das Heil, worauf dieser Ratschluss abzielt, das Heil nicht Israels bloß, sondern aller Menschheit. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Wie das natürliche Licht die Art an sich hat, sich mitzuteilen und auszubreiten, so auch das geistliche Licht. Wir sollen nicht nur für uns beten, sondern für alle andern auch, dass Gottes Ratschluss auf Erden bekannt werde und sein Heil unter allen Heiden. Dein Weg, d. i. dein Wille, dein Wort, deine Werke. Gottes Wille muss auf Erden bekannt werden, wenn er auf Erden geschehen soll wie im Himmel. Wie sollen wir unsers Herrn Willen tun, wenn wir ihn nicht kennen? Gottes Wille ist geoffenbart in seinem Wort, und sein Wort ist der Weg, auf dem wir wandeln sollen, ohne Abweichen weder zur Rechten noch zur Linken. Oder es ist unter dem Wege Gottes sein Walten gemeint, wie z. B. Ps. 25,10. Mit den Kirchenvätern Augustinus, Hieronymus und Hilarius können wir die Worte auch ins Neutestamentliche übersetzen und sagen: Dein Weg, das ist dein Christus (vergl. Joh. 14,6); dein Heil, das ist dein Heiland, dein Jesus, also: Lass deinen Sohn bekannt werden auf Erden, deinen Heiland unter allen Nationen. John Boys † 1643.

V. 4. Merke die liebliche Ordnung des Werks des Geistes: erst Begnadigung, dann Erkenntnis, zuletzt Preis Gottes. Seine Gnade bewirkt Erkenntnis, seine Erkenntnis Lobpreis. John Boys † 1643.

V. 5. Richten steht oft für regieren. Recht richten ist so viel wie gerecht und milde regieren, wie der Psalmist es ja hier erläutert durch das folgende Zeitwort, welches gnädiges, sanftes Führen bezeichnet. Vergl. zum Ganzen Ps. 72,12 f.; Jes. 11,3 f. John Boys † 1643.

Jetzt übt Gott wohl als Lenker der Geschicke die Oberherrschaft über die Völker aus, aber geleitet werden sie sicherlich von einem anderen Führer. Sie haben einen Zaum im Gebiss, der sie auf Irrwege leitet. Sie werden im Sieb der Eitelkeit behalten und geschüttelt, bis der kommt, dem die Herrschaft gebührt. Arthur Pridham 1869.

V. 4-6. Man beachte, wie diese Wiederholungen das vielstimmige, volltönende Lob, welches am Ende der Tage Gott von allen Nationen dargebracht werden wird, veranschaulichen. Lic. Dr. H.V. Andreä 1884.

V. 7. Zuletzt fasst der Sänger alle in dieser Endzeit zur Erscheinung kommende Herrlichkeit in das kurze, aber vielsagende Wort zusammen: Die Erde hat ihren Ertrag gebracht, d. h. die ganze Fülle des Gottessegens, zu der sie von Anfang an nach Gottes Ratschluss bestimmt war. Lic. Dr. H.V. Andreä 1884

Es ist keine unvernünftige Erwartung, dass unsere Erde, wenn die Gerechtigkeit einst auf ihr die unumschränkte Herrschaft haben wird, den ganzen reichen Ertrag geben werde, dessen sie fähig ist. Die durch Frömmigkeit geheiligte und geförderte Wissenschaft kann die Fruchtbarkeit der Erde sehr erhöhen, und der menschliche Erfindungsgeist kann noch in viel höherem Grade, als es jetzt geschieht, die Arbeit verkürzen und den irdischen Lebensgenuss erhöhen. Man bedenke, wie viel von den Erfindungen und Wohlfahrtseinrichtungen dem Einfluss des Christentums zuzuschreiben ist. Können wir dann daran zweifeln, dass in dem Zeitalter, dem wir hoffend entgegen schauen, die Arbeit aufhören werde eine Last zu sein? Können wir glauben, dass das Leben der arbeitenden Klassen stets ein endloser Kreis von Mühe und Qual sein werde? Die Schrift sagt die Aufhebung des Fluches voraus. William Reid 1871.

V. 8. Man beachte, wie die Freude in Gott und die Furcht vor Gott vereint sind. Durch die Freude wird die Traurigkeit und Ängstlichkeit des Misstrauens ausgeschlossen, durch die Furcht aber die Geringschätzung und die falsche Sicherheit gebannt. So heißt es Ps. 2: Dienet dem HERRN mit Furcht und freuet euch mit Zittern. Wolfgang Musculus † 1563.

Homiletische Winke

V. 2. 1) Gnade von Gott dem Vater. 2) Segnung als Frucht dieser Gnade in Gott dem Sohn. 3)Erfahrung dieser Segnung in den Tröstungen des Heiligen Geistes und der Gemeinschaft (bei uns, Grundtext) des dreieinigen Gottes.
Die Notwendigkeit, einen Segen für uns selbst zu suchen.
V. 2.3. Das Gedeihen der Heimatgemeinde, die Hoffnung der Missionen.
V. 3. 1) Gottes Weg, d. i. die fortschreitende Verwirklichung seines Heilsratschlusses, ein Weg a) der Gnade, b) des Segens, c) des Trostes. 2) Die Verbreitung der Erkenntnis dieses Weges a) durch äußere Mittel, b) durch innere Belehrung. 3) Die Frucht dieser Erkenntnis: Heil unter allen Nationen.
V. 4. Es müssen dich preisen, Gott, alle Völker. Betrachtet 1) als der Wunsch aller Gotteskinder; 2) als Gebet; 3) als Weissagung.
V. 5. 1) Die Herrschaft Gottes über die Welt. 2) Die Freude der Welt darüber. 3) Der Grund dieser Freude: dass du die Nationen recht regierst und leitest - treu deinem heiligen Gesetz, treu deinen gnädigen Verheißungen.
V. 7. Die Erde hat ihren Ertrag gebracht (Grundtext) - ein Zukunftserntelied.
V. 7.8. Die gegenwärtigen Gnadenerweisungen ein Pfand weiterer Segnungen.

Fußnoten
1. Spurgeon fährt fort: "Wir halten den aber für kühn, der zu beweisen versuchen wollte dass David den Psalm nicht geschrieben habe. Es braucht bei uns schon einen starken Anstoß, ehe wir uns nach einem anderen Verfasser umsehen, um ihm die Vaterschaft solcher namenlosen Lieder zuzuschreiben, welche mitten unter davidischen Psalmen stehen und denen die Familienähnlichkeit mit diesen so deutlich aufgeprägt ist." - Es liegt jedoch sehr nahe, dieses liturgische Lied dem Gottesdienst des zweiten Tempels zuzuweisen. Auch der Missionston des Psalms spricht für eine spätere Zeit. Der vorhergehende und der nachfolgende Psalm weisen durch die Zitationen des Deuterojesaia ebenfalls auf die nachexilische Zeit als ihre Entstehungszeit hin. - James Millard
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Jörg
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PSALM 68 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Psalmlied Davids, vorzusingen. Man vergleiche hierzu das zu Ps. 65; 66 Bemerkte.
Der Psalm scheint uns dazu bestimmt gewesen zu sein, bei einem Zug der Bundeslade gesungen zu werden. Vielleicht wurde er an jenem Tage angestimmt, da David die Bundeslade mit heiligem Frohlocken aus dem Hause Obed-Edoms in das auf dem Berge Zion bereitete Zelt überführte. Das Lied ist einer der feurigsten und kräftigsten unter allen Psalmen. Die ersten Vers desselben dienten den puritanischen Eisenseiten oft als Schlachtgesang. Der Psalm ist zugleich unübertrefflich erhaben und außerordentlich schwierig. Das Dunkel einiger seiner Vers ist, bis jetzt wenigstens noch, völlig undurchdringlich. Mit Recht spricht ein deutscher Gelehrter, F. Hitzig, von ihm als einem Titanen, des Meister zu werden keine geringe Aufgabe sei, und ein anderer Fachmann, Ed. Reuß, hat 1851 aus etwa vierhundert Auslegungen dieses Psalms ein "Denkmal exegetischer Not und Kunst zu Ehren der ganzen Theologenzunft" aufgebaut. Unser sehr bescheidenes Wissen hat uns ganz im Stich gelassen, so dass wir uns genötigt sahen, einem bewährten Führer zu folgen. Doch hoffen wir, dass unsere Bemerkungen nicht ohne Nutzen sein werden.

Inhalt

Wir deuten den Psalm auf den Zug der heiligen Lade nach Zion. Mit den Worten der ersten beiden Vers wird die Bundeslade aufgehoben. V. 4-7 werden die sich im Zuge befindenden Gottesfürchtigen aufgefordert, ihre fröhlichen Lieder anzustimmen, und Gründe angeführt, welche ihre Freude anspornen können. Dann werden der glorreiche Wüstenzug Jehovas besungen, V. 8-11, und seine Siege verherrlicht, V. 12-15. Die Freudenrufe werden lauter, da der Zion in Sicht kommt und die heilige Lade den Hügel hinangetragen wird, V. 16-20. Auf dem Gipfel stimmen die Priester ein Lied an von des HERRN Güte und Gerechtigkeit, der Sicherheit seiner Schützlinge und dem Untergang seiner Feinde, V. 21-24. Unterdessen wird die sich den Berg hinauf windende Prozession beschrieben, V. 25-28. Der Dichter schaut hinaus auf eine Zeit noch umfassenderer Siege, V. 29-32, und schließt mit einem feierlichen Lobgesang auf Jehova.

Auslegung

2. Es stehe Gott auf, dass seine Feinde zerstreuet werden
und die ihn hassen, vor ihm fliehen.
3. Vertreibe sie, wie der Rauch vertrieben wird;
wie das Wachs zerschmilzt vom Feuer,
so müssen umkommen die Gottlosen vor Gott.


2. Es stehe Gott auf. Der ganze Vers ist den Worten nachgebildet, welche Mose sprach, wenn die Wolke sich erhob und die Bundeslade weitergetragen ward (4. Mose 10,35). Die heilige Lade wäre ein armseliger Führer gewesen, wenn Jehova nicht in und mit dem Sinnbild gegenwärtig gewesen wäre. Ehe wir ziehen, sollte es stets unser Begehren sein, den HERRN uns voranziehen zu sehen. Die Worte setzen voraus, dass der HERR sich eine Zeit lang untätig verhalten, seinen Feinden zu wüten zugelassen, seine Macht aber zurückgehalten habe. Israel bittet ihn, aufzustehen, wie es anderwärts heißt, er möge aufwachen, sein Schwert um sich gürten, und was dergleichen Ausdrücke mehr sind. Auch wir dürfen so kühn den HERRN anrufen, dass es ihm gefallen möge, seinen Arm zu entblößen (Jes. 52,10) und die eigene Sache zu führen. Dass seine Feinde zerstreuet werden. Unser himmlischer Herzog schafft freie Bahn, soviel derer auch seien, die sich ihm entgegenstellen; er braucht sich nur zu erheben, so zerstieben sie. Er hat vor alters seine Widersacher mit leichter Mühe über den Haufen geworfen, und in aller Zukunft wird es nicht anders sein. Sünde, Tod und Hölle kennen seine Schrecken; die feindlichen Reihen stieben auseinander, wenn er naht. Unsere Feinde sind seine Feinde; darin liegt für uns die Gewissheit des Sieges. Und die ihn hassen, vor ihm fliehen. Den unendlich guten Gott zu hassen ist niederträchtig; die schwerste Strafe ist für solche nicht zu streng. Der Hass gegen Gott ist ohnmächtig; die trotzigsten Feinde können dem HERRN nicht widerstehen. Sie werden, von maßlosem Schrecken ergriffen, ausreißen, noch ehe es zum Gefecht kommt. Lange bevor das israelitische Heer zum Angriff schreiten kann, werden die Feinde vor dem fliehen, der der Vorkämpfer seines auserwählten Volkes ist. Er kommt, sieht und siegt. - Die Worte eignen sich unter anderem auch als Bitte im Anfang einer Zeit der Erweckung. Sie zeigen die richtige Weise, wie eine solche herbeigeführt wird: der HERR geht voran, die Seinen folgen hinter ihm drein, und die Feinde fliehen.

3. Vertreibe sie, wie der Rauch vertrieben wird. Gar leicht verjagt der Wind den Rauch, und er verweht ihn so vollständig, dass keine Spur zurückbleibt; so mach’ du es, HERR, mit den Feinden deines Volkes! Sie rauchen vor Ingrimm und Übermut, sie verdunkeln den Himmel mit ihrer Bosheit, sie steigen höher und immer höher in ihrer Anmaßung, sie beschmutzen alles, wo immer sie hindringen - HERR, lass deinen Odem sie auf immer zerstieben vor dem Heerzug deines Volkes! Die zweifelsüchtige irdische Weisheit ist ebenso trüb und haltlos wie der Rauch; möge der HERR seine Gemeinde auch von diesem eitlen Dunst befreien! Wie das Wachs zerschmilzt vom Feuer, so müssen umkommen die Gottlosen vor Gott. Das Wachs scheint ja fest, solange es sich selbst überlassen bleibt; aber bringe es ans Feuer - wie schnell schmilzt es hin! Gottlose Menschen sind trotzig, bis sie mit dem HERRN in Berührung kommen; dann aber fallen sie in Ohnmacht vor Furcht. Ihre Herzen zerfließen wie Wachs, wenn sie die Glut seines Zornes fühlen. Wachs brennt auch und vergeht; der Wachsstock wird gänzlich von der Flamme verzehrt: so wird die ganze prahlerische Macht der Widersacher des Evangeliums zunichtewerden. Auch das stolze Rom wird, gleich den Kerzen auf seinen Altären, zergehen, und ebenso gewiss ist, dass der Unglaube verschwinden wird. Die gläubigen Israeliten sahen in der Bundeslade Gott auf dem Gnadenthron - Macht in Verbindung mit Sühne - und freuten sich der Allmacht dieser göttlichen Selbstoffenbarung. Und in noch klarerer Weise ist dies die Zuversicht der neutestamentlichen Gemeinde; denn wir sehen Jesus, den von Gott bestellten Sühnmittler, gekrönt mit Herrlichkeit und Majestät, und vor seiner Gegenwart zerschmilzt aller Widerstand wie der Schnee an der Sonne. Schon wenn er kommt in der Kraft seines Geistes ist Sieg die Folge; aber wenn er sich einst in Person aufmachen wird, werden seine Feinde gänzlich umkommen.

4. Die Gerechten aber müssen sich freuen und fröhlich sein
vor Gott und von Herzen sich freuen.
5. Singet Gott, lobsinget seinem Namen!
Macht Bahn dem, der durch die Wüste herfährt;
er heißt Herr; und freuet euch vor ihm,
6. der ein Vater ist der Waisen und ein Richter der Witwen.
Er ist Gott in seiner heiligen Wohnung;
7. ein Gott, der den Einsamen das Haus voll Kinder gibt;
der die Gefangenen ausführet zu rechter Zeit
und lässt die Abtrünnigen bleiben in der Dürre.


4. Die Gerechten aber müssen sich freuen. Die Gegenwart Gottes auf dem Gnadenstuhl ist eine überströmende Quelle der Wonne für die Gottseligen; mögen sie nicht versäumen, von diesen Wassern zu trinken, die dazu bestimmt sind, sie fröhlich zu machen. Und fröhlich sein vor Gott. Die Hofleute des seligen Gottes sollten mit Fröhlichkeit geziert sein; denn vor seinem Angesicht ist Freude die Fülle. Die Gegenwart Gottes, die der Schrecken und der Tod der Gottlosen ist, ist das Verlangen und die Wonne der Frommen. Und von Herzen sich freuen, wörtl.: und frohlocken in Wonne. Mögen sie vor großer Freude tanzen mit aller Macht wie David (2. Samuel 6,14). Der Freude im HERRN sollte man keine Schranken setzen. "Abermals sage ich: Freuet euch!" ruft der Apostel aus, als wollte er, dass wir Freude zu Freude fügen, ohne Maß und Grenzen und ohne Unterbrechung. Sehen wir in der Person unseres Immanuel das Antlitz Gottes vom Gnadenthron herab gnädig auf uns leuchten, so muss unser Herz ja vor Freude hüpfen, wenn wir zu denen gehören, welche gerecht gemacht und geheiligt sind. Wohlan denn, vorwärts mit Freudenklängen, du selige Schar der Erlösten des HERRN; denn Jesus ist an der Spitze des Zuges.

5. Singet Gott, lobsinget seinem Namen! In harmonischen Weisen feiert das Wesen und die Taten eures Bundesgottes. Stimmt immer von neuem das Loblied an und lasst allen Preis von Herzensgrund ihm allein geweiht sein. Singt nicht zum Gepränge sondern zur Anbetung; nicht um von den Menschen, sondern um vom HERRN selber gehört zu werden. Singet nicht der Gemeinde, sondern Gott. Macht Bahn dem, der durch die Wüste herfährt. Gott war schon einmal seinem Volke durch die Wüste vorhergezogen. Gottes majestätischer Heerzug ging durch die schauerliche Wildnis. Dort offenbarten sich seine ewige Macht und Gottheit in der Versorgung, Führung und Beschützung des großes Volkes, das er aus Ägypten heraufgeführt hatte. Der feierliche Zug der Bundeslade zum Berge Zion brachte dies alles frisch in Erinnerung und gab Anlass, davon zu singen. Er heißt HERR, wörtl.: Jah ist sein Name. Der Name Jah ist eine Abkürzung von Jehova. Doch vermindert diese Abkürzung nicht etwa den Inhalt; das Wort ist vielmehr intensiver Art, es fasst gleichsam den Auszug des gebräuchlicheren längeren Wortes in sich. Es kommt für sich nur in wenigen Stellen vor, dagegen häufig in der bekannten Verbindung Hallelu-Jah, d. i. rühmt Jehova. Und freuet euch vor ihm. In der Gegenwart dessen, der so glorreich an der Spitze der auserwählten Nation einherzog, ziemt es sich wohl, dass alles Volk heilige Freude an den Tag lege. Wir sollen in unseren Gottesdiensten alles matte, schläfrige Wesen meiden. Unsere Gesänge sollen gewichtig sein durch Feierlichkeit und Erhabenheit, aber nicht schwerfällig durch melancholischen Inhalt und Ton. Die Engel stehen dem Thron näher als wir; dennoch ist ihre tiefe Ehrfurcht vor Gott völlig geeint mit der reinsten Wonne und Freude. Die Empfindung der Erhabenheit Gottes soll unserer Seele nicht Schrecken, sondern Freude einflößen; wir sollen jubeln vor seinem Angesicht, wie es hier heißt.
Es sei unser Wunsch und Gebet, dass in der Wüste dieser Welt dem Gott des Heils der Weg bereitet werde. Bahnt in der Wüste Jehova den Weg, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott (Jes. 40,3): so rufen die Herolde des Evangeliums, und wir alle sollen mit Eifer dieser Stimme gehorchen; denn wo der Gott der Gnade seinen Einzug hält, werden den Menschenkindern unzählbare Segnungen zuteil.

6. (Vor) dem Vater der Waisen und Richter der Witwen, Gott in seiner heiligen Wohnung. (Grundtext) In der Wüste war Israel gleichsam ein verwaistes Volk; aber Gott war ihnen mehr als ein Vater. Als das Geschlecht, welches aus Ägypten gezogen war, allmählich ausstarb, gab es viele Witwen und Vaterlose im Lager; dennoch hatten sie weder Mangel noch Unrecht zu leiden, denn die gerechten Gesetze und die gewissenhaften Rechtsverwalter, welche Gott verordnet hatte, sorgten trefflich für das Wohl der Dürftigen. Die Stiftshütte war der Justizpalast, die Bundeslade der Stuhl des großen Königs. Des mochte Israel sich wohl freuen, dass es einen solchen Regenten hatte, der nicht litt, dass die Armen und Hilfsbedürftigen unterdrückt wurden. Bis auf diesen Tag und immerdar ist Gott der sonderliche Beschützer der Schutzlosen. Er ist der Oberinspektor der Waisenhäuser, der Oberanwalt der Witwen. Er ist erhaben über alle Himmel und doch so herablassend und mitleidig, dass er der Ärmsten unter den Armen auf Erden in tatkräftiger Liebe gedenkt. Mit welchem Liebeseifer sollte sich seine Gemeinde derer annehmen, welche hier als Jehovas ganz besondere Schützlinge bezeichnet und ausgezeichnet werden! Hören wir hier nicht in der Tat seine Stimme uns zurufen: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe? (Joh. 21,15.17) Welch köstliche Pflicht! Wir wollen es als unser Vorrecht achten, ihre Erfüllung zu einer der liebsten Aufgaben unseres Lebens zu machen.

7. (Vor) Gott, der Einsame im Hause wohnen macht (wörtl.), d. h. ihnen einen Hausstand schafft, oder, wie Luther frei übersetzt (vergl. Ps. 113,9): der den Einsamen das Haus voll Kinder gibt. "Haus" steht oft für Familienverbindung. Wir können auch daran denken, wie das Volk in Ägypten zerrissen und zersprengt war, so dass die Familienbande vernachlässigt wurden und die verwandtschaftliche Liebe nicht aufblühen konnte. Als Israel aber dem harten Zwange Pharaos entrann, wurden die Familien wiedervereinigt, und all die lieblichen Bande des Familienlebens kamen wieder zu ihrem Recht. Welche Freude musste das sein! Der Gefangene herausführt zu Wohlergehen. (Wörtl.) Diejenigen, denen es in Ägypten am schlechtesten erging, waren gefesselt und gefangen; aber der göttliche Befreier führte sie alle heraus zu Freiheit und Wohlstand! Der dies vor alters tat, setzt noch heute das herrliche Werk fort. Das arme, sich so verlassen fühlende, im Gram um die Sünde einsam trauernde Herz findet Aufnahme in die Familie der Erstgeborenen; der gefesselte Geist wird befreit und sein Kerker zersprengt, wenn die Sünde vergeben wird; und für dies alles sollen und wollen wir Gott hoch preisen, denn Er hat das große Werk vollbracht und die Herrlichkeit seiner Gnade darin erwiesen. Nur die Widerspenstigen sind im dürren Lande geblieben. (Wörtl.) Doch war dieser Unglücklichen, deren Leiber in der Wüste verfielen, eine große Zahl. Sie blieben in der sonnenverbrannten Wüste und kamen nicht in das gute Land der Verheißung. Das ist uns zur Warnung geschrieben.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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8. Gott, da du vor deinem Volk herzogest,
da du einhergingest in der Wüste (Sela),
9. da bebte die Erde, und die Himmel troffen vor Gott,
dieser Sinai vor dem Gott, der Israels Gott ist.
10. Du gabst, Gott, einen gnädigen Regen,
und dein Erbe, das dürre war, erquicktest du,
11. dass deine Herde drinnen wohnen könne.
Gott, du labtest die Elenden mit deinen Gütern.


8. Gott, da du vor deinem Volk herzogest. Wie lieblich diese Verbindung: Du und dein Volk - Du an der Spitze, dein Volk dir nachfolgend. Der HERR ging voraus, darum war es gleich, ob auch das Schilfmeer oder die glühende Wüste im Wege lag; die Wolken- und Feuerfäule leitete die Kinder Israel doch stets den rechten Weg. Da du einhergingest (einherschrittest) in der Wüste. Er war der Herzog, von dem ihnen alle Befehle zugingen, und ihr Zug war daher sein Zug. Wenn wir von den Wanderungen der Kinder Israel sprechen, dürfen wir dabei nicht an ein zweck- und zielloses Umherschweifen denken; es war vielmehr ein wohlbedachter und wohlgeordneter Zug (vergl. 2. Mose 12,41), und wenn die Reise vom Sinai aus nicht geradewegs nach Kanaan ging, sondern eine achtundreißig-jährige Zeit der Irrfahrt und des Todeselends in sich schloss, so war nur Israels Sünde daran schuld.
Sela. Die Pause scheint hier, mitten im Satz, nicht am Platze; aber es ist besser, einen Satz zu durchbrechen, als am Lobpreis Gottes etwa abzubrechen. Die Dichtung schwingt sich jetzt zur erhabensten Großartigkeit auf, und das Sela weist die Sänger und Spieler darauf hin, damit sie ihre Aufgabe mit gebührender Feierlichkeit erledigen. Es ist nie unzeitig, eine Gemeinde daran zu erinnern, dass der Gottesdienst in allen seinen Teilen von Andacht und Inbrunst getragen sein soll.

9. Da bebte die Erde. Unter den Tritten des Allerhabenen erzitterte der so fest scheinende Erdboden. Und die Himmel troffen vor Gott. Die Wolken kamen hernieder in strömendem Regen, als wollten sie sich zur Erde neigen vor Gott dem Allmächtigen. Dieser Sinai vor Gott. Der Bericht des zweiten Buches Mose sagt, der ganze Berg habe sehr gebebt. Das einsame, majestätische Granitgebirge beugte sich vor dem sich dort offenbarenden Gott, vor dem Gott Israels, dem allein wahren und lebendigen Gott, den Israel anbetete und der dies Volk erwählt hatte, dass es sein Eigentum sei vor allen Völkern auf Erden. Diese Stelle ist so erhaben, dass es schwer sein würde ihresgleichen zu finden. Möge der Leser sein Herz anbetend vor dem Gott neigen, gegen welchen Erde und Himmel sich benehmen, als erkennten sie ihren Schöpfer und erfasste sie vor ihm ehrfurchtsvolles Beben.

10. Du gabst, Gott, einen gnädigen Regen. Der feierliche Zug Gottes durch die Wüste war nicht ausschließlich durch Schrecken erregende Offenbarungen gekennzeichnet, sondern Gottes Güte und Mildtätigkeit wurden ebenfalls bei demselben sichtbar. Ein Regen, so köstlich, wie er nie zuvor erlebt worden war, ergoss sich auf den Wüstensand, ein Regen von Gaben (Grundtext1; Himmelsbrot und Wachteln fielen rings um das Lager nieder. Aus Gottes Füllhorn wurden gute Gaben über die Kinder Israel ausgeschüttet, und Wasser quoll ihnen dazu aus dem Felsen. Und dein Erbe, das dürre (oder ermattet) war, erquicktest (wörtl.: befestigtest) du. An jeder Lagerstätte, wo sie sich des Abends von der beschwerlichen Wanderung ermüdet zur Ruhe legten, fanden sie des Morgens die guten Gaben ausgestreut, dass sie bald wieder mit frischer Kraft des Tages Last auf sich nehmen konnten. Ihre Füße schwollen nicht all die vierzig Jahre (5. Mose 8,4). Wenn sie erschöpft waren, so war das doch nicht bei Gott der Fall. Mochten sie des Gehorchens müde werden, so ward er doch nicht des Wohltuns müde. Sie waren sein auserwähltes Erbe, und wenn er auch zu ihrem Besten zuließ, dass sie durch die mancherlei Beschwernisse ermüdet wurden und ihre Schwäche empfanden, pflegte er sie doch mit Muttertreue und sorgte in wahrhaft väterlicher Liebe für alle ihre Bedürfnisse. In gleicher Weise sind auch heute noch die Auserwählten Gottes auf ihrer Pilgerreise durch die Wüste geneigt, müde und matt zu werden; aber ihr getreuer Gott und Vater tritt immer wieder im rechten Augenblick mit seiner Hilfe ins Mittel, erquickt die Matten, stärkt die Schwachen, speist die Hungrigen, so dass auch jetzt das Volk des HERRN, wenn die silbernen Trompeten (4. Mose 10,2) erschallen, mit festen Schritten seiner ewigen Ruhestatt entgegenzieht. Durch diese Treue Gottes wird der Glaube der Seinen mächtig befestigt, dass ihre Herzen fest werden. Wenn Ermattung und Mangel sie in Gefahr bringen, im Vertrauen wankend zu werden, so stützt und stärkt sie zur rechten Zeit die Gnade wieder, dass sie mit neuer Kraft auf dem ewigen Grunde feststehen.

11. Deine Herde konnte drinnen wohnen. Mitten in der Wüste2 fand deine auserwählte Schar eine sichere Wohnung, wie von einer feurigen Mauer eingeschlossen. Gott, du labtest die Elenden mit deinen Gütern, wörtl.: du rüstetest3 in deiner Güte den Elenden zu. An diesem Ruheplatz fanden alle die Fülle alles Guten für sich bereitet. Alle waren ja arm in sich; dennoch gab es keinen Bettler im ganzen Lager Israels, denn Himmelsspeise war zu haben nur ums Sammeln. Auch wir finden alles für uns bereit; obwohl wir von Natur arm und elend sind, werden wir doch durch die Gnade reich gemacht. Die göttlichen Zurüstungen haben für alles Vorsorge getroffen. Glückliches Volk, obgleich es in der Wüste weilt! Alles ist unser, da wir der huldreichen Gegenwart Gottes teilhaftig sind.

12. Der Herr gab das Wort
mit großen Scharen Evangelisten.
13. Die Könige der Heerscharen flohen eilends,
und die Hausehre teilte den Raub aus.
14. Wenn ihr zwischen den Hürden laget,
so glänzte es als der Taube Flügel,
die wie Silber und Gold schimmern.
15. Als der Allmächtige die Könige im Lande zerstreute,
da ward es helle, wo es dunkel war.


12. In den nun folgenden Versen singen wir nicht mehr vom Pilgern und Reisen, sondern von Kampf und Sieg. Der Herr gab das Wort. Der Feind war nahe, und der Schall der Trompeten, der von der Stiftshütte her ertönte, war gleichsam Gottes Stimme, die das Lager Israel zu den Waffen rief. Dann gab es ein Hin- und Hereilen und ein allgemeines Weiterverbreiten der Botschaft: viel waren derer, die es verkündigten. (Andere Übers.4 Die Weiber rannten von Zelt zu Zelt und riefen ihre Eheherren zum Kampf auf. Wie sie allezeit bereit waren, den Siegesgesang anzustimmen, waren sie auch ebenso schnell dabei, die Kunde zu verbreiten, dass der Schlachtruf erschollen sei. Die Zehntausende von Jungfrauen Israels weckten die Schläfer, holten die heim, welche das Lager verlassen hatten, und drangen in die Helden, zum Kampf zu eilen. Ach, dass die Gemeinde des Herrn in unseren Tagen den gleichen Eifer zeigte, so dass Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen es sich so angelegen sein ließen, die frohe Botschaft, welche nun verkündigt ist, weiter zu tragen.

13. Die Könige der Heerscharen flohen eilends - kein Wunder, da der Herr der himmlischen Heerscharen über sie kam. Sowie die Bundeslade sich erhob, machte der Feind kehrt; selbst die fürstlichen Feldherren hielten nicht stand, sondern ergriffen das Hasenpanier. Die Verwirrung war vollkommen, der Rückzug geschah mit fliehender Eile und in völliger Auflösung aller Ordnung: sie fliehen, sie fliehen (wörtl.), Hals über Kopf, holterdiepolter, wie wir sagen. Und die Hausehre (wörtl.: die Bewohnerin des Hauses, d. h. die Hausfrau, die während des Krieges daheimbleibt) teilte den Raub aus. Die Frauen, die so wacker den Kriegsruf verbreitet hatten, wurden nun auch gewürdigt, ihr Teil an der Beute hinzunehmen. Auch die Schwächsten in Israel gingen nicht leer aus. Ritterliche Krieger warfen ihre Beute den Frauen zu Füßen und luden sie ein, sich herrlich zu schmücken und zu nehmen eine jegliche "Beute an farbigen Gewändern, an Buntgewirktem, farbiges Zeug, zwei buntgewirkte Tücher für ihren Hals". (Richter 5, 30) Wenn der HERR seinem Evangelium Sieg gibt, werden auch die geringsten und schwächsten Glieder des Volkes Gottes erfreut und wissen sich des Segens teilhaftig.

14. Dieser und der folgende Vers sind harte Nüsse, die auch die Riesen der Wissenschaft kaum zu knacken vermögen. Wenn wir alles wüssten, was man wusste, als dies alte Lied gedichtet ward, dann würden wir die in diesen Versen uns vor Augen gemalten Bilder ohne Zweifel höchst angemessen finden. So bleibt uns kaum etwas anderes übrig, als diese Verse mit etlichen andern als ungelöste Rätselworte ruhen zu lassen. Manche übersetzen: Wenn ihr euch zwischen den Hürden lagert,5 so glänzen die Flügel der Taube, silberbedeckt, und ihre Schwingen in schillerndem Golde. Das Lagern zwischen den Hürden ist ohne Zweifel ein Bild behaglichen Friedens und Ruhegenusses. Die Taube wäre Israel (Ps. 74,19), und das Schillern der Taubenflügel im Sonnenschein würde den Glanz des Volkes im Sonnenschein des Friedens ausmalen. Die Taube mit dem lieblichen Silberweiß und prächtigen pfauenartigen Schiller ihres Gefieders könnte wohl die milde und doch herrliche Schönheit Israels abmalen, wenn dieses in Festgewändern gekleidet und mit Edelsteinen und Gold geschmückt war. Doch hatte schon das alttestamentliche Gottesvolk noch schöneren Schmuck als solche äußeren Zierrate.

15. Als der Allmächtige die Könige darin zerstreute, da schneite es auf dem Zalmon: so übersetzt man diesen Vers jetzt meist, doch ohne dass damit schon eine Einheit der Auslegung sichergestellt wäre. - Der Sieg war einzig dem gewaltigen Arm des Allmächtigen zu verdanken; er sprengte die Mächtigen auseinander, die wider sein Volk heraufgezogen waren, und bewerkstelligte dies so leicht, wie der Wind den Schnee von den Abhängen des Zalmon (eines südwestlich vom Garizim mitten im heiligen Lande gelegenen Berges) weht. Jemand, der Palästina bereist hat, berichtete dem Verfasser, er habe an einem stürmischen Tage gesehen, wie der Abhang des Berges, welchen er für den Zalmon hielt, durch einen Windstoß plötzlich vom Schnee reingefegt worden sei, so dass der Schnee in der Luft wild hin und her gewirbelt worden sei wie Distelwolle oder aufspritzender Meeresschaum. So zerstreute der Allmächtige all die Gewaltigen, welche Israel zum Kampf herausgefordert hatten. Man kann auch übersetzen: Da ward es schneeweiß auf dem Zalmon, und das Bild von den bleichenden Gebeinen der Erschlagenen, welche die Walstatt bedeckten, verstehen, oder man kann auch bei der vorhin gegebenen Übersetzung sich die Menge der den Fliehenden entfallenden Beute mit einem Schneefall verglichen denken. Zu beachten ist dabei, dass das Wort Zalmon, wie Luther in seiner Auslegung vom Jahre 1521 richtig sagt, Schwarzwald oder schwarzer Berg, Dunkelberg übersetzt werden mag: dieser Berg hatte vor andern Bergen ein dunkles Aussehen, so dass der Schnee auf ihm recht leuchtend in die Augen fiel. Später fasste Luther mit den meisten älteren und vielen neueren Auslegern nach den Rabbinern das Wort nicht als Namen, sondern übersetzte es mit Dunkel. So fasst auch Ed. Reuß 1851 die Stelle: Und schneehell glänzt es im Dunkel. Vielleicht will der Dichter durch die Zeichnung des überraschenden Übergangs vom düsteren Dunkel des Waldschattens zur glänzenden Schneehelle den Wechsel vom Krieg zum Frieden andeuten. Was auch der genauere Sinn der Worte sein mag, jedenfalls soll der Vers die Herrlichkeit und Völligkeit des göttlichen Sieges über die mächtigsten Feinde abmalen. Mögen alle Gläubigen über diesen Triumph frohlocken.

Fußnoten
1. Die meisten übersetzen: freigebiger, d. i. reichlicher Regen. Fr. W. Schultz u. Keßler halten dagegen an der außer Ps. 110,3 durchweg vorliegenden konkreten Bedeutung des Plurals tObdfn: fest. Das Reichliche liegt schon in M$egIe, Gussregen.

2. Andere beziehen das "darin" auf das Land Kanaan.

3. Man kann auch "es" ergänzen; dann wäre das Land gemeint.

4. Grundtext: Der (Sieges-) Botinnen ist ein großes Heer. Ohne Zweifel ist nach dem Grundtext an eine Freudenbotschaft, also an die Verkündigung des Sieges, und zwar durch Frauen, zu denken. (Vergl. dazu 1. Samuel 18,6 f.; 2. Mose 15,20 f.; Richter 5.)

5. Am natürlichsten ist es, als Grundstelle von V. 14a Richter 5,16 (aus dem Lied der Debora, das in unserm Psalm ja mehrfach anklingt) anzunehmen. Dann werden die Worte auch hier (wie in der Grundstelle) als ironische Frage zu fassen sein: Wollt ihr (während eure Brüder im Kampfe ihr Leben einsetzen) zwischen den Hürden lagern? Die dann 14b u. c folgende Schilderung des Farbenspiels der im Sonnenschein fliegenden Taube ist an sich klar; doch verstehen wir nicht mehr, in welcher Beziehung sie zu dem Vorhergehenden stehen soll. Wahrscheinlich sind die Worte eine Anspielung auf ein damals wohlbekanntes Lied. Der Psalm strotzt ja, wie Keßler bemerkt, von Zitaten und Anspielungen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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16. Ein Gebirge Gottes ist das Gebirge Basans,
ein groß Gebirge ist das Gebirge Basans.
17. Was sehet ihr scheel, ihr großen Gebirge,
auf den Berg, da Gott Lust hat zu wohnen?
Und der HERR bleibt auch immer daselbst.
18. Der Wagen Gottes sind viel tausendmal tausend;
der Herr ist unter ihnen im heiligen Sinai.
19. Du bist in die Höhe gefahren
und hast das Gefängnis gefangen;
du hast Gaben empfangen für die Menschen,
auch die Abtrünnigen, auf dass Gott der Herr daselbst wohne.
20. Gelobt sei der Herr täglich.
Gott legt uns eine Last auf;
aber er hilft uns auch. Sela.


16. Nun beginnen die Priester, auf der Höhe des heiligen Berges angelangt, den HERRN dafür zu preisen, dass er den Zion zu seinem Wohnplatz erkoren hat. Ein Gebirge Gottes ist das Gebirge Basans, d. h. es ist ein hocherhabenes Gebirge. Es war bei den Hebräern ja Sitte, große, außerordentliche Dinge mit dem Zunamen "Gottes" zu benennen. Unsere Altvorderen haben eine sonderbare Vorliebe gehabt, gewaltige Felsen, wunderbare Naturbrücken und dergleichen mit dem Namen des Teufels zu zieren. Da haben es die Hebräer besser gemacht, die von Gottesbergen, Gottesbächen, Bäumen des Herrn usw. sprachen. Ein vielgipfeliges Gebirge (Grundtext) ist das Gebirge Basans. Der Basan wird hier, wie aus dem folgenden Vers ersichtlich ist, dem Zion gegenübergestellt. Der Zion hielt an Höhe und an Reichtum und Majestät der Formen mit den Basaltkolossen jenes Gebirges keinen Vergleich aus; und doch war der Zion weit herrlicher, denn Jehova hatte ihn durch seine Wahl über all die andere, weit höheren Gebirge hoch erhöht. Alle natürliche Höhe und Macht gelten vor dem HERRN nichts und werden vor ihm zunichte. Er trifft die Wahl nach seinem Belieben, und nach dem Ratschluss seines erhabenen Willens erkiest er den geringen Zion und geht an den stolzen, titanenhaft sich gebärdenden Kuppeln und Spitzen des Basan vorbei. So erwählt er das Unedle vor der Welt und das Verachtete, dass sie zu Denkmalen seiner Gnade und frei waltenden Macht werden.

17. Was sehet ihr scheel, ihr vielgipfligen Berge (Grundtext), auf den Berg, da Gott Lust hat zu wohnen? Neidet, so viel ihr wollt, - Gottes Wahl steht doch fest. Er hat den Zion zu seinem Sitz begehrt, und der HERR bleibt auch immer daselbst (wohnen). Geistlicherweise wohnt Jehova ewiglich in Zion, seiner Gemeinde, und es war die Herrlichkeit des Zionshügels, auf diese ein Vorbild zu sein. Was waren Basan oder Hermon bei all ihrer Höhe, verglichen mit Zion, der Freude der ganzen Erde? (Ps. 48,3) Gottes Wahl ist ein Adelsbrief. Das sind auserlesene Leute, die von Gott erkoren sind, und die Stätte, die Er mit seiner Gegenwart beehrt, trägt den Ehrenpreis über alle anderen davon.

18. Der Wagen Gottes sind viel tausendmal tausend. Die Weltmächte, auf die im Vorhergehenden unter dem Bilde der vielgipfligen, stolzen Basaltberge angespielt war, rühmten sich ihrer Kriegswagen; Zion aber war, wiewohl weit geringer, doch stärker als die Welt mit aller ihrer Macht, denn die Allmacht Gottes gab der Gemeinde des HERRN einen Schutz von viel tausendmal tausend Wagen. Der Herr der Heerscharen konnte mehr Truppen ins Feld stellen als all die großen Herrlein miteinander, die sich auf ihre Armeen so viel einbildeten. Seine Feuerwagen und Feuerrosse (2. Könige 2,11; 6,17) waren ihren feurigen Schlachtrossen und blitzblanken Streitwagen mehr als ebenbürtig. Der Grundtext ist etwa zu übersetzen: Der Wagen Gottes sind Myriaden und Myriaden, Tausende und aber Tausende. Das Targum und ihm nach die englische Bibel übersetzen die letzten Worte: Tausende von Engeln.6 Nun sind die Engel zwar im hebräischen Text nicht genannt; aber da es stets eine Freude ist, unerwartet Engeln zu begegnen, lassen wir uns diese Eintragung gern gefallen, umso mehr als kein Zweifel darüber sein kann, dass die Engel eine der vornehmsten Schwadronen in dem vieltausendfältigen Heere Gottes sind. Vergl. 5. Mose 33,2; Hebr. 12,22. Einige Ausleger (Delitzsch, Fr. W. Schultz) halten an der strengwörtlichen Bedeutung der Dualform Doppel-Myriaden fest, so dass darauf hingedeutet wäre, dass die himmlischen Heerscharen entweder Gott (nach Delitzsch) oder Zion (so Fr. W. Schultz) auf beiden Seiten in zahllosen Tausenden umgeben. Zu der letztern Auffassung wäre Mahanaim 1. Mose 32,3 zu vergleichen. Der Herr ist unter ihnen. Gott ist in Zion gegenwärtig als der Oberbefehlshaber seiner unzählbaren Heerscharen, und wo er ist, da ist Heiligkeit; darum fährt der Dichter fort: Ein Sinai an Heiligkeit! (Grundtext) Der Thron der Gnade auf dem Zion ist so heilig wie der Thron der Gerechtigkeit, der einst auf dem Sinai aufgerichtet war. Die Entfaltungen der göttlichen Herrlichkeit mögen in dem neuen Bunde nicht so erschrecklich sein wie in dem alten; aber sie sind sogar noch wunderbarer und erhabener, wenn wir sie mit geistlichem Auge betrachten. Der Sinai hat vor dem Zion keinen Vorzug an Herrlichkeit; vielmehr erbleicht das Licht, welches das Gesetz auf ihm ausstrahlt, vor dem Mittagsglanz der Gnade und Wahrheit, der von Zion aus die Welt erhellt. Welche Freude war es für einen frommen Israeliten, zu wissen, dass Gott in der Stiftshütte und im Tempel so wahrhaftig bei seinem Volke war, wie inmitten der Schrecken des Berges Horeb; aber es ist für uns noch viel herzerquickender, des gewiss zu sein, dass der HERR in seiner Gemeinde bleibt und sie auf ewig zu seiner Ruhestätte erkoren hat. (Ps. 132,14) Lasst uns eifersüchtig wachen über die Heiligkeit des geistlichen Hauses, in welchem der Höchste zu wohnen geruht; möge das Bewusstsein seiner Gegenwart alle Irrtümer in Lehre und Wandel wie mit Feuerflammen verzehren. Dass Gott in seiner Gemeinde gegenwärtig ist, ist die Kraft derselben; alle Macht ist unser, wenn Gott mit uns ist. Den Tausenden von Boten, die das Evangelium an die Enden der Erde tragen, werden sich Zehntausende von himmlischen Reisigen zugesellen, zu Wacht und Wehr, und unberechenbare Kräfte werden zusammenwirken, um den heiligen Krieg zum Sieg hinauszuführen. Auf unserer Seite ist Gottes Vorsehung, und die hat ihre Diener überall. Es ist kein Raum vorhanden auch nur für einen Schatten von Zweifel oder Entmutigung, sondern wir haben allen Grund, felsenfest auf den HERRN zu vertrauen und uns seiner fröhlich zu rühmen.

19. Du bist zur Höhe emporgestiegen oder aufgefahren. Die heilige Lade war auf dem Berge Zion eingezogen; Gott selbst hatte seinen erhabenen Sitz dort eingenommen. Im Triumphzug war er zur Höhe aufgefahren, und dies war das Sinnbild der Hoheit, welche er vom Zion aus als Unterwerfer und Beherrscher der Völker erwies. Manche verstehen nach dem sonstigen biblischen Sprachgebrauch unter der Höhe die Himmelshöhe.7 Jedenfalls ist das Gegenbild der Bundeslade, Jesus, im Triumph zum Himmel aufgefahren, worauf Paulus Eph. 4,8 unsere Psalmstelle anwendet. Um mit unseren Feinden den Kampf zu führen, stieg der Herr von seinem erhabenen Thron hinab in die Erdentiefe; aber als der Kampf beendet war, kehrte er wieder in seine Herrlichkeit zurück, und nun ist er hoch erhöht über alles. Hast gefangen geführt Gefangenschaft (wörtl.), d. h. hast Kriegsgefangene gemacht oder weggeführt. Eine Menge Menschenkinder werden der Allgewalt des Messias zur Beute. David war das Werkzeug; Gott aber war es eigentlich, der sich an den Völkern so mächtig erwies. Wie in alten Zeiten mächtige Eroberer ganze Nationen in die Gefangenschaft schleppten, so führt Jesus aus dem Land des Feindes eine große Schar als Siegeszeichen seiner mächtigen Gnade mit sich. Dass Luther und desgleichen die engl. Bibel hier wie auch Eph. 4,8 übersetzen: Du hast das Gefängnis gefangen (geführt), beruht auf einem Missverstand des Grundtextes, wie Richter 5,12 (aus dem Debora-Lied, worauf auch hier wahrscheinlich zurückgegriffen ist) und andere Stellen zeigen. Aber wahr ist, dass von Jesus gefangen genommen zu werden bei der gnadenreichen Art seiner Herrschaft zugleich das Ende unserer harten Gefangenschaft im Bann der Sünde und des Todesgerichts bedeutet, so dass er in der Tat "das Gefängnis gefangen geführt" hat: wahrlich ein herrlicher Ausgang! Der Herr Jesus vernichtet seine Feinde mit ihren eigenen Waffen: er tötet den Tod, begräbt das Grab, führt das Gefängnis gefangen. Du hast Gaben unter den Menschen empfangen. (Grundtext) Sie haben dir, dem mächtigen Eroberer, Huldigungsgeschenke dargebracht, und sie werden auch in allen künftigen Zeiten dir willig ihren Tribut bringen voller Freude über dein Regiment. Die Geschenke, welche David, der Gesalbte des HERRN, als Sieger von den unterjochten Völkern empfing, galten im Grunde dem himmlischen König, dessen Kriege David führte. Die freie Anführung dieser Stelle bei Paulus (Eph. 4,8), welche irrtümlicherweise in Luthers Übersetzung auch in die Psalmstelle eingedrungen ist: Du hast Gaben empfangen für die Menschen, ist eine Umwandlung im evangelischen Sinn. Erleichtert wird das Verständnis dieser Änderung, wenn wir mit manchen Auslegern (Ewald, Moll u. a.) die Grundstelle im Psalm übersetzen: Du hast Huldigungsgaben an Menschen empfangen, d. h. der Tribut, welchen du als Siegesbeute empfängst, besteht aus Menschen, die sich dir willig hingeben. Jesus verwendet die Huldigungsgaben, welche er von den Menschen, oder nach der letztgenannten Auffassung, die Huldigungsgaben an Menschen, welche er empfängt, nicht selbstsüchtig für sich, sondern bereichert seine Gemeinde mit den unschätzbaren Trophäen seiner Erhöhung, als da sind Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer mit all ihren mannigfaltigen reichen Geistesgaben. (Eph. 4,11 ff.) - Auch der Schluss des Verses wird verschieden aufgefasst. Die einen ziehen die ersten Worte noch zum Vorhergehenden: Ja, auch von Widerspenstigen, nämlich: hast du Huldigungsgaben hingenommen, oder: Ja, auch Widerspenstige hast du (als Siegesbeute) hingenommen. Dann stehen die letzten Worte für sich: um zu thronen als Jah Elohim. Als das Land Kanaan unterworfen und die Zionsfeste den Jebusitern im Sturm entrissen worden war, ward daselbst eine Ruhestatte gefunden für die Bundeslade; so macht auch der HERR die Menschenherzen, wenn er sie mit den siegreichen Waffen der Gnade überwunden hat, in der ganzen Herrlichkeit seines Namens zu seinem lebendigen Tempel. Überdies ist die Auffahrt Christi die Veranlassung zu dem Herniederkommen des Heiligen Geistes. - Manche der Alten, aber auch neuere Ausleger übersetzen das Schlussglied: Und auch Widerspenstige sollen bei Jah Gott wohnen. Diese Auffassung stützt sich darauf, dass die vorliegenden Worte augenscheinlich zu dem Schluss von V. 7 in Beziehung stehen, wo zum Teil die gleichen Ausdrücke gebraucht sind. Dort war gesagt, dass die Widerspenstigen in dürrem Lande wohnen müssten. Hier wird dieser Gedanke dahin geändert, dass diese Feinde, von Gott überwunden, auch zu denen gehören sollen, welche ihm huldigen und als seine Untertanen bei ihm wohnen. Fassen wir die Stelle so auf, so ist sie ein herrlicher Ausblick auf die Vollendung des Gottesreichs durch die Bekehrung der Heiden.

20. Gelobet sei der Herr. (Das "Täglich" gehört nach der berichtigten hebr. Akzentuation zum Folgenden.) Der Psalm ist zu einem Höhepunkt gekommen: Gott thront als Jehova Gott auf Zion mitten unter seinem Volke. Da bricht der Sänger denn, von Ehrfurcht und Liebe hingerissen, in Lobpreis aus und benedeit Ihn, der sein Volk so überströmend segnet. Was die folgenden Worte betrifft, so ist es möglich, mit Luther das "Täglich" (gegen die hebr. Akzente) zum Versanfang zu ziehen und weiter zu übersetzen: Legt er uns auch eine Last auf, so ist er doch der Gott unserer Hilfe, und diese Auffassung ist jedenfalls berechtigter als die der englischen Bibel, Calvins und anderer, welche das Zeitwort gegen den Sprachgebrauch von einem Beladen mit Wohltaten verstehen: Täglich beladet er uns mit Wohltaten, er, der Gott unseres Heils. Diese beiden Übersetzungen enthalten freilich jede eine große, köstliche Wahrheit, aber wohl kaum diejenige, welche der Psalmdichter im Sinn hatte. Alexander, unter den deutschen Auslegern Moll u. andere, nehmen das Zeitwort unpersönlich: Belastet man uns - er, Gott, ist unsere Hilfe. Gemeint wäre der Druck, den die feindliche Welt auf die Gemeinde des HERRN ausübt. Auf den gleichen Sinn kommt die andere Auffassung Delitzschs u. anderer hinaus: Tagtäglich nimmt er für uns die Last auf, d.i. trägt er unsere Last oder hilft er uns tragen. Viele neuere Ausleger übersetzen: Tag für Tag trägt er uns,8 und ebenso hat schon Luther i. J. 1521 das Zeitwort aufgefasst: Gebenedeit sei Gott alle Tage, der sich mit uns beladet. So redet auch Jesaja (Jes. 46,3) Israel an: Die ihr von Mutterleibe an (von Gott) getragen werdet. Welcher der angeführten Auffassungen wir uns auch anschließen mögen, immer erweist sich der Vers als ein herrliches Kleinod. Wenn Gott selbst uns Bürden auflegt, so gibt er auch Kraft genug sie zu tragen; und wenn andere uns zu bedrücken suchen, so ist doch keine Ursache zur Furcht vorhanden, denn er selbst wird uns zu Hilfe kommen. Glückliches Volk, das einem solchen König unterworfen ist, dessen Joch sanft und dessen Last leicht ist, und der seine Untertanen von aller Furcht vor den fremden Lasten, welche ihre Feinde ihnen aufzwingen möchten, befreit! Und wie herrlich erfahren Gottes Kinder es, dass sie von ihm tagtäglich getragen, mit mehr denn mütterlicher Liebe gehegt und gepflegt werden! - Der Gott, der unsere Hilfe oder unser Heil ist: ein Name voller Herrlichkeit für den, der ihn trägt, und voll Trostes für uns. Es hat nichts zu sagen, wie groß die Not, wie stark der Feind auch sei: uns wird Hilfe, denn Gott selbst unternimmt es, sein Volk aus aller Drangsal zu befreien. Gepriesen sei sein Name ewiglich!
Sela. Wohl mögen die Saiten des Stimmens bedürfen; werden sie doch in dem mächtigen Psalm aufs höchste angespannt. Höher und höher erhebt den Ton, ihr Jünger der edlen Musik. Tanzt vor der heiligen Lade, ihr Töchter Israels. Nehmt eure Pauken und singet dem HERRN, der also herrlich im Triumph heraufgezogen.

Fußnoten
6. Indem sie das nur hier vorkommende Wort N)fn:$i, das wir mit Wiederholung übersetzen, als Syn. von K:)fl:ma, Engel, auffassen.

7. MOrmIfha mit Artikel ist sonst immer die Himmelshöhe. Vergl. Ps. 7,8; 18,17; 93,4; 102,20.

8. Man muss dann das l: nach bekanntem spät-hebräischem Gebrauch als Ersatz des Akkusativs ansehen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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21. Wir haben einen Gott, der da hilft,
und den HERRN, Herrn, der vom Tode errettet.
22. Ja, Gott wird den Kopf seiner Feinde zerschmettern,
den Haarschädel derer, die da fortfahren in ihrer Sünde.
23. Der Herr hat gesagt: Aus Basan will ich sie wiederholen,
aus der Tiefe des Meers will ich sie holen;
24. dass dein Fuß in der Feinde Blut gefärbet werde
und deine Hunde es lecken.


21. Wir haben einen Gott, der da hilft, wörtl.: Gott ist uns ein Gott, der uns zu Hilfe oder Errettung (und zwar in reicher Fülle, Plural) gereicht. Der Allmächtige, der mit uns einen Bund gemacht hat, ist die Ursache unserer Sicherheit und der Urheber der Errettungen, welche wir erfahren und erwarten. So gewiss er unser Gott ist, wird er uns helfen und befreien. Sein sein heißt sicher sein. Und Jehova, der Herr, hat Auswege (auch) für den Tod. (Grundtext) Er hat Wege und Mittel, seine Kinder dem Tode entgehen zu lassen; wenn sie mit ihrem Witz zu Ende sind und keinen Ausweg mehr wissen, so findet er doch eine Tür, durch die sie zur Freiheit ausgehen. Wie er allein des Grabes Pforte auftun kann, so dass wir nur auf sein Geheiß in die dunkle Kammer gehen werden, so ist er es auch, der die Tore des Hades auf der Himmelsseite geöffnet hat für alle die Seinen, so dass sie im Triumph aus dem Grabe hervorgehen werden.

22. Ja, Gott wird den Kopf seiner Feinde zerschmettern. Gott ist nicht nur ein Erretter, sondern er kann auch furchtbar verderben. Er hilft den Seinen eben dadurch, dass er ihre Widersacher, die auch die seinen sind, vernichtet. Er schlägt seine Feinde aufs Haupt, ja er zerschmettert ihren Schädel. Es gibt kein Widerstehen vor dem HERRN; er kann die trotzigen Stirnen seiner Widersacher in einem Augenblick zermalmen. Den Haarschädel derer, die da fortfahren in ihrer Sünde. Mögen sie, gleich Absalom, auf ihren wallenden Haarschmuck noch so stolz sein und mit ihrer üppigen Kraft prangen, des HERRN Schwert wird sie doch treffen und ihre Seele ausschütten. Starrköpfige Sünder werden es erfahren, dass Gottes Vorsehung sie trotz ihres harten Schädels überwältigen wird. Menschen, die mit stolzen Schritten in ihren Verschuldungen einherwandeln, werden gewahr werden, dass sie dem Gericht in die Arme laufen und dass gerade das, worauf sie so stolz sind, zum Werkzeug ihres Verderbens dienen kann. Wenn der Herr Jesus zum letzten Mal kommt, werden seine Feinde seine Gerichte über alles Erwarten schrecklich finden.

23. Der Herr hat gesagt: Aus Basan will ich (sie) wiederholen, aus der Tiefe des Meers will ich (sie) holen. Ist hier von der Wiederbringung Israels die Rede? So verstehen es mit der englischen Bibel manche bedeutende Ausleger, und man führt mit Recht zugunsten dieser Auffassung an, dass das Wort zurückführen, wenn es, wie hier, im Grundtext ohne Objekt steht, sonst stets von der Wiederbringung Israels gebraucht sei. Aber die Mehrzahl der Ausleger weist auf den Zusammenhang hin, wonach hier von den Feinden die Rede sein werde. Ob diese auch der gewaltigen Hand des HERRN (V. 22) zu entfliehen suchen, sie werden es nicht vermögen. Wie gegen Israels Gott kein Widerstand möglich ist, so gibt es auch kein Entrinnen vor ihm; weder die höhlen- und wälderreichen Berge Basans, noch die Tiefen des Meeres gewähren eine Zuflucht vor seinem alles durchdringenden Auge und seiner Gerechtigkeit übenden Hand. Noch stärker droht der HERR durch Amos (Kap. 9,2 f.) den abtrünnigen Israeliten, welche sich seiner Strafe zu entziehen suchten, er werde sie holen, wenn sie sich gleich in die Hölle vergrüben oder gen Himmel führen, sich oben auf dem Berge Karmel versteckten oder sich vor seinen Augen im Grunde des Meeres verbergen möchten. Die Bösen mögen fliehen, wohin sie wollen, der HERR wird sie in Haft nehmen und gefesselt zurückbringen, dass sie seinen Triumphzug zieren.

24. Dass du deinen Fuß in Blut badest.9 Dem unterdrückten Volke Gottes wird es gegeben werden, sich aufs furchtbarste an seinen Peinigern zu rächen. Die Zunge deiner Hunde an den Feinden ihr Teil habe.10 Auf dem grausigen Schlachtfelde werden die Feinde umherliegen, dass die unreinen Hunde sich an ihrem Blut gütlich tun werden. Hier kommt die Siegesfreude rauer Krieger in einer Sprache zum Ausdruck, die dem Ohr des Morgenländers unanstößig und sogar anmaßend vorkommt. Uns klingen die Worte grausam, und kein Christ wird sie in den Mund nehmen. Aber lasst uns nicht vergessen, dass auch wir die völlige, zermalmende Vernichtung alles Bösen begehren und es sehnlich wünschen, dass die Sünde und alles Unrecht der tiefsten Verachtung preisgegeben werden mögen. Schrecklich ist der Gott Israels, wenn er als Kriegsheld auszieht, und schrecklich auch der Christus Gottes, wenn er seine Macht anzieht, um seine Feinde zu zerschmeißen. Man lese aufmerksam die Worte in der Offenbarung Kap. 19, Vers 11-21, über die alle Widersacher des HERRN und seiner Heiligen wohl von Schauder und Zittern ergriffen werden mögen.

25. Man siehet, Gott, wie du einherzeuchst,
wie du, mein Gott und König, einherzeuchst im Heiligtum.
26. Die Sänger gehen vorher, danach die Spielleute
unter den Mägden, die da pauken.
27. Lobet Gott den Herrn in den Versammlungen,
ihr vom Brunnen Israels!
28. Da herrschet unter ihnen der kleine Benjamin,
die Fürsten Judas mit ihren Haufen,
die Fürsten Sebulons, die Fürsten Naphthalis.


25. Man schauet deinen Zug, Gott. (Wörtl.) Freund und Feind hatten den feierlichen Siegeszug Gottes aus Ägypten nach Kanaan geschaut, von welchem der Zug der heiligen Lade auf den Zion, den der Psalm schildert, das Abbild war. Wir nehmen an, die Prozession habe jetzt den Hügel vollends erstiegen und sei in den abgegrenzten Raum eingetreten, wo das heilige Zelt errichtet war. Es war in diesem Augenblick sehr angemessen, des zu gedenken, dass die Stämme Israels wie auch die Feinde den siegreichen Heerzug des HERRN geschaut hatten, da Jehova sein Volk in das gute Land brachte. Den Zug meines Gottes, meines Königs im Heiligtum. (Wörtl.) Der prächtige Zug der Bundeslade, des symbolischen Thrones des großen Königs, bewegte sich vor den Augen von Menschen und Engeln zu der heiligen Stätte, und der Psalmdichter weist frohlockend auf ihn hin, ehe er sich anschickt ihn zu schildern.

26. Die Sänger gehen vorher, danach die Spielleute unter den Mägden, die da pauken. Das war die Ordnung des Feierzugs, und bei allem Gottesdienst soll eine feine Ordnung herrschen. Zuerst kamen die Sänger, danach die Saitenspieler; denn der Gesang soll die Musik leiten, nicht aber diese den Gesang ersticken. Den Kranz um Sänger und Spielleute aber bildeten paukenschlagende Jungfrauen. Die in diesem Psalm geschilderte feierliche Prozession war eine Freudenfeier, und das Volk wandte alle ihm zu Gebote stehenden Mittel an, um seiner Wonne an dem HERRN, seinem Gott, gebührenden Ausdruck zu geben.

27. In Versammlungen lobet (benedeiet) Gott. (Wörtl.) Möge die ganze Gemeinde, zuhauf versammelt, den Gott preisen, hinter dessen Bundeslade sie herzieht. Der vereinigte Lobpreis des Volkes Gottes gleicht dem heiligen, aus mehrerlei Spezerei gemengten Räuchwerk (2. Mose 30,34 ff.), das ganz dem HERRN dargebracht ward. Er segnet uns; so lasst auch uns ihn segnen. Den Herrn, ihr vom Brunnen Israels. Von Israel, dem Patriarchen, aus hat sich das Volk als von seinem Quellort ausgebreitet. Man vergleiche dazu Jes. 48,1; 51,1. Zeigt euch eures Stammvaters und eurer wunderbaren Geschichte würdig; preist den Allherrn, euren mächtigen und gnädigen Gott!

28. Da ist Benjamin, der Kleine, der sie beherrscht. (Grundtext11 Wie Benjamin der kleinste unter Jakobs Söhnen gewesen war, so war auch sein Stamm an Gebietsgröße und Gliederzahl der kleinste; aber er hatte die Ehre, dass das Heiligtum aus Zion in seinen Grenzen lag, nach der Verheißung, welche Mose über ihn ausgesprochen hatte: Der Liebling Jehovas ist er; in Sicherheit wohnt er bei ihm. Er beschirmt ihn allezeit und hat Wohnung genommen zwischen seinen Bergrücken (5. Mose 33,12). Der kleine Benjamin war Jakobs Liebling gewesen, und nun wird seinen Nachkommen das Vorrecht zuteil, an der Spitze des Festzuges einherzuschreiten und dem Heiligtum am nächsten zu wohnen.
Die Fürsten Judas mit ihren Haufen. Juda war ein großer, mächtiger Stamm; er hatte viele Fürsten, und er glänzte in dem Zuge durch große Haufen Volks. So ist vielleicht mit Luther nach Kimchi das betreffende dunkle Wort zu deuten. Andere wollen nur die Bedeutung Steinhaufen oder Steinmasse gelten lassen. Einige finden in dem Wort eine Hinweisung auf die felsige Art des Gebietes Judas, womit zugleich auf die Felsenart des Charakters angespielt, dieser Stamm mithin als das Fundament und die Stärke des ganzen Volkes bezeichnet sei. Die Fürsten Sebulons, die Fürsten Naphthalis. Israel ist da wie auch Juda; keine Trennung herrscht im Volke. Der Norden sandte ebenso wie der Süden eine Schar von Stellvertretern, so dass der lange Zug darstellte, wie alle Stämme ihrem Herrn und König treu ergeben waren. Herrlicher Tag, an dem einst alle Gläubigen als ein Volk um den Gnadenthron geschart sein werden, alle nur von dem einen Verlangen erfüllt, den Gott aller Gnade zu verherrlichen!

Fußnoten
9. Nach der von den meisten Neueren angenommenen Lesart Cxar:tIi. Wahrscheinlich liegt diese Lesart, nur mit anderer Auffassung der Konstruktion, auch den LXX zugrunde, deren Übersetzung (auf dass dein Fuß sich [tauche und so] färbe im Blut) Luther folgt. Kimchi und Delitzsch gewinnen den gleichen Sinn wie die LXX durch Annahme einer Umsetzung der Konsonanten: CmaxetIe von Cxamf rot sein (Jes. 63,1).

10. So übersetzen die meisten, indem sie entweder auf das im Chaldäischen gebräuchliche Substantiv Nm" Anteil verweisen oder Otnfm: lesen. Zu der maskulinischen Konstruktion bei NO$lf vergl. Ps. 22,16; Spr. 26,38.

11. Diese Übersetzung der Verbalform ist nicht sicher.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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29. Dein Gott hat dein Reich aufgerichtet;
dasselbe wollest du, Gott, uns stärken, denn es ist dein Werk.
30. Um deines Tempels willen zu Jerusalem
werden dir die Könige Geschenke zuführen.
31. Schilt das Tier im Rohr,
die Rotte der Ochsen mit ihren Kälbern, den Völkern,
die da zertreten um Gelds willen.
Er zerstreuet die Völker, die da gern kriegen.
32. Die Fürsten aus Ägypten werden kommen;
Mohrenland wird seine Hände ausstrecken zu Gott.


Der Prophet legt nun der festlichen Menge ein Lied in den Mund, das die zukünftigen Siege Jehovas voraussagt.

29. Dein Gott hat verordnet deine Macht. (Grundtext) Der Ratschluss des HERRN hatte verordnet, dass Israel Sieg und Macht haben solle, und sein Arm hatte diesen seinen Willen ausgeführt. Andere denken daran, dass Jehova als der oberste Kriegsherr Israels die streitbaren Helden zum Kampf entboten und ihnen befohlen habe, sich am Schlachttag stark zu beweisen. Sämtliche alten Übersetzer haben gelesen: Entbeut, o Gott, deine Macht! Es folgt die Bitte: Befestige, Gott, was du für uns erwirkt hast. (So die engl. Bibel, auch Delitzsch nach alten Übersetzern.12 Wie alle Macht ihren Ursprung in Gott hat, so auch ihre Fortdauer. Haben wir Kraft, so sollen wir um Befestigung bitten. Wir erwarten, dass Gott sein eigenes Werk zum Ziel führen wird. Er hat noch nie ein Werk unvollendet gelassen. Da wir schwach waren, starb Christus für uns Gottlose; so dürfen wir denn jetzt, da wir mit Gott versöhnt sind, von ihm erwarten, dass er das zu unserm Heil unternommene Werk vollends hinausführen werde.

30. Um deines Tempels willen, der über Jerusalem ragt, werden Könige dir Geschenke bringen. (Grundtext nach vielen Auslegern.) Von dem Heiligtum Jehovas, das über Jerusalem emporragte13, wird geweissagt, dass es allen Ländern ein Wunder werden solle, und als dasselbe aus dem schlichten Zelt, welches David errichtet hatte, zum salomonischen Tempel erwuchs, ging das in Erfüllung. So prächtig war dieser Palast Jehovas, dass die Königin des fernen Reicharabien mit kostbaren Gaben kam und viele benachbarte Fürsten, von Staunen erfüllt ob der Herrlichkeit, die sich im Tempel enthüllte, dem Gott Israels ihre Huldigungsgeschenke darbrachten. Steht die Gemeinde Gottes wirklich in der Kraft des Geistes, so gewinnt sie ihrem Gott die Huldigung der Völker. Wenn einst in der Vollendungszeit die verborgene Herrlichkeit der Gemeinde enthüllt werden wird, wird diese Wahrheit noch viel buchstäblicher und umfassender in die Erscheinung treten.

31. Schilt das Tier im Rohr. Das Schilf ist Sinnbild Ägyptens. Unter dem Tier im Schilf ist entweder das Krokodil oder, da dieses im Nil selbst und nicht im Schilf lebt, vielleicht eher das Nilpferd (vergl. Hiob 40,21 [16]) gemeint, wiewohl nicht dieses, sondern das Krokodil sonst in der Bibel (z. B. Ps. 74,14; Jes. 27,1; 30,6; Hes. 29,3) als Symbol Ägyptens gebraucht wird. Bedrohe Ägypten, halte seine wachsende Macht und Eifersucht durch ein Wort aus deinem Munde nieder. Israel gedenkt seines alten Feindes, der auch jetzt wieder auf Unheil sinnt und solches später in den Zeiten Rehabeams und Josias wirklich über Juda brachte, und bittet um ein Machtwort seines allmächtigen himmlischen Freundes. Wie das Folgende zeigt, steht Ägypten hier als Vertreter der feindlichen Weltmächte überhaupt. Auch das antichristliche Wesen unserer Tage, wie dereinst den Antichrist selbst, kann nur ein wirksames Wort des HERRN bedrohen, im Zaum halten und vernichten. Die Rotte der Ochsen (wörtl.: der Starken, d. i. der Stiere): die starken Feinde, die Mächtigen, die Fürsten und Anführer der gleich darauf genannten Völker. Die stolzen, halsstarrigen, von Kraft und Wildheit strotzenden Bullen, welche das auserwählte Volk zu durchbohren suchen - auch für diese bedarf es des scheltenden Wortes des HERRN, und es soll wider sie ergehen. Alle heiligen Stiere Ägyptens vermochten nichts gegen ein "So spricht der HERR". Auch päpstliche Bullen und kaiserliche Edikte haben gegen die Gemeinde des HERRN gewütet; aber sie haben ihr nicht den Todesstoß zu geben vermocht und werden es nie können. Mit ihren Kälbern, den Völkern. Auch die gemeinen Leute, die Geringeren und Schwächeren, sind auf Unheil bedacht; aber die Stimme des HERRN kann sie in Schranken halten. Die Massen sind nichts vor Gott, wenn er seine Macht anzieht. Beide, Stiere und Kälber, sind nur Schlachtvieh, wenn die Allmacht sich wider sie wendet. Das Evangelium hat gleich der Bundeslade weder von Großen noch von Geringen etwas zu fürchten; es ist ein Stein, an dem jeder, der auf ihn fällt, zerschellt. Die nächstfolgenden Worte sind kaum zu enträtseln. Die Übersetzung Luthers ist keinesfalls haltbar. Die engl. Bibel rät mit manchen Auslegern auf folgenden Sinn: Bis ein jeglicher sich ergebe (sich huldigend niederwerfe) mit Silberstücken. Der HERR würde danach in diesen Worten gebeten, die Feinde Israels zu bezwingen, bis sie sich unterwerfen und in Silberbarren ihren Huldigungstribut darbringen. Gesegnetes Schelten, das nicht zerbricht, sondern beugt! Denn sich dem HERRN der Heerscharen unterwerfen bedeutet Freiheit, und ihm Tribut entrichten macht den reich, der solchen zahlt. Die Steuer, welche die Sünde uns auferlegt, ist viel drückender als der Tribut, den Gottes Dienst von uns fordert. Der kleine Finger der bösen Lust ist schwerer als die Lenden des Gesetzes. Silberstücke, Gott gegeben, werden in Gold heimgezahlt. Er zerstreuet (oder, wie man mit den alten Übersetzern meist liest: Zerstreue) die Völker, die da gern kriegen. Demnach war trotz der starken Sprache des 24. Verses Gottes Volk ein Volk von Friedenskindern: sie begehrten die Zerbrechung der gewalttätigen Völker nur, damit niemals wieder Krieg werde. Lass, o Gott, die Kämpfe, die den Frieden bringen sollen, so heftig werden, wie es sein muss; häufe feurige Kohlen auf das Haupt der Feinde und töte dadurch ihre Feindschaft. Dass, die den Krieg lieben, im Kriege umkommen, ist eine gerechte Ordnung zur Aufrichtung der Ruhe auf Erden. Wie kann Friede werden, solange der blutdürstigen Tyrannen und ihrer Henkersknechte so viele sind? Inbrünstig dürfen wir diese Bitte vor Gott bringen und mit gleicher Inbrunst Gott dafür preisen, dass sie gewisslich erhört werden wird; denn er ist der Gott, der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt (Ps. 46,10).

32. Die Fürsten (vielleicht: Feiste, d. h. Vornehme, Reiche) aus Ägypten werden kommen. Alte Feinde werden neue Freunde sein. Salomo wird in Pharaos Haus eine Braut finden. Christus wird sich aus dem Herrschaftsgebiet der Sünde fürstliche Diener holen. Vornehmste Sünder werden sich dem Zepter der Gnade unterwerfen. Mohrenland wird seine Hände ausstrecken zu Gott, wörtl. Kusch wird seine Hände zu Gott eilen lassen, sei es zum Flehen, sei es, um Friedensgaben darzubringen. Kandazes Kämmerer wird über Ihn fragen, der wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt ward. Abessinien wird sich noch zum HERRN kehren und Afrika eilend seine Hände nach dem Christus Gottes ausstrecken. Armes Afrika, die Hände sind dir lang gefesselt gewesen und von grausamem Arbeitszwang steif und hart geworden; aber Millionen deiner Kinder haben in der Sklaverei die Freiheit gefunden, mit welcher Christus die Menschen befreit hat, und so ist dein Kreuz gleich dem, das der Afrikaner Simon von Kyrene trug, Christi Kreuz gewesen und Gott ist dein Retter geworden. Lass bald den Tag herbeikommen, HERR, da ganz Mohrenland dich anbeten wird!

33. Ihr Königreiche auf Erden, singet Gott,
lobsinget dem Herrn (Sela),
34. dem der da fähret im Himmel allenthalben von Anbeginn!
Siehe, er wird seinem Donner Kraft geben.
35. Gebt Gott die Macht!
Seine Herrlichkeit ist über Israel
und seine Macht in den Wolken.
36. Gott ist wundersam in seinem Heiligtum.
Er ist Gott Israels; er wird dem Volk Macht und Kraft geben.
Gelobt sei Gott!


33. Ihr Königreiche auf Erden, singet Gott. Herrlich muss der Gesang sein, zu dem sich ganze Königreiche vereinigen. Wie glücklich ist das für uns Menschen, dass der wahre Gott ein solcher ist, dessen Wesen freudige Anbetung entspricht; denn wie ganz anderer Art sind die Dämonen, denen die Heiden dienen! Es ist um den Gesang etwas so Liebliches, dass er ganz dem HERRN geweiht sein sollte. Ein rein weltliches Konzert scheint uns fast eine Entweihung der herrlichen Stimmen, welche Gott den Menschen gegeben; ausgelassene oder gar grob oder fein unzüchtige Lieder aber sind ein Majestätsverbrechen. Lobsinget dem Herrn. Immer aufs Neue werde der Höchste gepriesen; davon wird es niemals, wie 1. Petr. 4,3 von der Sünde, heißen: Es ist genug. Sela. Eine beschauliche Pause ist nun, da wir mit dem Dichter mitten in die glorreiche Endzeit versetzt sind, wohl am Platze.

34. Dem, der in den Himmeln der Himmel, die von der Urzeit her sind, einherfährt. (Wörtl.) Vordem war Gott in seiner irdischen Offenbarung als durch die Wüste ziehend (V. 5) geschildert worden; jetzt in seiner himmlischen Glorie als in den ewigen Himmeln einherfahrend. Lange bevor unser sichtbarer Himmel gemacht war, standen die erhabenen Wohnungen des Ewigen fest; ehe Menschen und Engel geschaffen waren, lebte Gott schon in uralter Herrlichkeit. Unsere Kenntnis von Gott umfasst nur ein kleines Bruchstück seines Lebens, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her ist. Siehe, er lässt sich vernehmen mit seiner Stimme, seiner mächtigen Stimme. (Wörtl.) Ließ sich gerade Gottes Donner vom Himmel her vernehmen? Oder war der Dichter im Geiste in die Zeit zurückversetzt, da die Stimme Jehovas das lange Schweigen brechend sprach: Es werde Licht, und es ward Licht? Bis zu dem gegenwärtigen Augenblick ist Gottes Stimme voller Macht. Das Evangelium, Gottes Ruf an die Sünder, ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben. Unsere Stimmen werden mit Recht aufgefordert, den zu preisen, dessen Stimme uns ins Dasein rief und uns die wirksame Gnade verleiht, die unser ewiges Wohl verbürgt.

35. Gebt Gott die Macht! Wenn seine Stimme schon Felsen zerreißt und Zedern zerbricht, was wäre seiner Hand unmöglich? Sein Finger erschüttert die Erde; wer kann die Macht seines Arms erfassen? Lasst uns nie durch Zweifel oder gar durch Trotz Gottes Macht ableugnen; mögen im Gegenteil unsre Herzen sie durch Vertrauen und Hingabe anerkennen und ehren. Wenn wir mit Gott versöhnt sind, so ist seine Allmacht eine Eigenschaft, von der wir mit Freuden singen. Seine Herrlichkeit ist über Israel. Das auserwählte Volk wird durch Gottes Majestät beschirmt; seine Größe bedeutet für die Seinigen Huld, seine Herrlichkeit ist ihr Schutz. Und seine Macht in den Wolken. Er beschränkt die Erweisungen seiner Kraft nicht auf die Menschenkinder, sondern macht seine Allgewalt gleichsam zu einem Thronhimmel, der die ganze Welt überschattet. Regen, Schnee, Hagel, Sturm und Blitz sind seine Artillerie; er beherrscht die ganze Natur mit Ehrfurcht gebietender Majestät. Nichts ist so hoch, dass es über ihm wäre, oder so tief, dass es seinen Blicken entginge; so preist ihn denn, wie es seiner Hoheit gebührt.

36. Furchtbar erzeigst du dich, Gott, von deinem Heiligtum aus. (Grundtext) Du erfüllst alles mit Scheu und Ehrfurcht. Deine Heiligen gehorchen dir mit Furcht und Zittern, und deine Feinde fliehen vor dir mit Entsetzen. Von deinem Heiligtum aus erblitzt deine Majestät und macht, dass die Menschenkinder sich vor dir in heiliger Scheu niederwerfen. Israels Gott, er gibt dem Volke Macht und Kraft. (Wörtl.) Gerade dadurch bist du deinen Feinden schrecklich, dass du, der du Israels Bundesgott bist, deinem Volke Gewalt und Fülle der Kraft verleihst, so dass ihrer einer tausend jagt und ihrer zween zehntausend flüchtig machen. Alle Macht der Krieger Israels ist vom HERRN, dem Urquell aller Kraft. Er ist stark und macht stark; wohl denen, die aus dieser Quelle schöpfen; sie gewinnen immer wieder neue Kraft. Während diejenigen, welche sich selbst genug sind, ihre Ohnmacht einsehen müssen, wird der Allgenügsame die schwächsten Gläubigen erhalten. Gelobt (gesegnet, benedeit) sei Gott! Ein kurzer, aber schöner Schluss. Mögen unsere Herzen dazu Amen sagen!

Fußnoten
12. Andere übersetzen: Erweise dich stark, o Gott, der du für uns gewirkt hast.

13. An eine topographische Bestimmung darf man freilich nicht denken; denn dann wäre das Verhältnis umgekehrt. Doch vergl. man, dass vom Tempel das Wort hinaufgehen gebräuchlich ist, auch wenn Jerusalem der Ausgangspunkt ist, wie 1. Könige 8,1.4 usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Dieser großartige Psalm ist ein Triumphlied, in welchem uns der dem Geiste des Verfassers vorschwebende unwiderstehliche Siegesgang des Gottes Israels durch die Geschichte hindurch, von Anfang bis zu Ende, in lebhafter, hie und da etwas schwer verständlicher Bildersprache vor die Augen gemalt wird. Das Hauptbild, unter welchem dieser Siegesgang Gottes dargestellt erscheint, ist der Zug Israels. Auf diesem wurde es von seinem es in der Wolken und Feuersäule begleitenden Gott zunächst durch die Wüste bis zum Sinai geführt, daselbst zu einem Volke konstituiert und sodann, unter Gottes Gegenwart über der vor dem Volke einher ziehenden Bundeslade, in das verheißene Erbland Kanaan geleitet. Hier setzte es sich unter mancherlei Kämpfen zur Zeit Josuas und der Richter fest und breitete sich aus, bis zu Davids Zeiten die Bundeslade, als das israelitische Nationalheiligtum, auf dem Zionsberge ihre bleibende Wohnstätte fand, von wo aus sich Gott seinem Volke offenbarte und demselben verhieß, ihm den Sieg über alle Völker der Erde dereinst verleihen zu wollen. - Die Veranlassung zur Abfassung dieses Psalms lässt sich nicht mit Bestimmtheit ermitteln; doch darf mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass er von David als ein ermutigender Kriegsgesang für das israelitische Heer gedichtet worden sei, als dasselbe unter Mitnahme der Bundeslade zur Belagerung der ammonitischen Hauptstadt Rabbat auszog. Vergl. 2. Samuel 11,11. Durch Ausdruck und Originalität sowie durch seinen abschließenden Charakter ist er ein Seitenstück zu Ps. 8, und in demselben ist nichts zu finden, was seinem davidischen Ursprunge widerspräche. Lic. Dr. H.V. Andreä 1885.

Schon der altertümlichen Sprache, der gedrungenen Darstellung und dem durchaus frischen, kräftigen, oft naiv spottenden Tone der Dichtung nach gehört dies Lied gewiss zu den ältesten Denkmälern der hebräischen Poesie. Fr. Böttcher 1864.

Der feurigste, kühnste und kräftigste Hymnus, den wir in der Psalmensammlung haben. Prof. H. Hupfeld 1860.

Der Dichter schaut mit prophetischem Auge, wie Jahve sich erhebt und seine und Israels Feinde infolgedessen zerstieben, Israel aber sich freut und jubelt, V. 2-4. Er fordert seine Volksgenossen auf, dem Befreier und Rächer der Seinen dafür ein Loblied zu singen, V. 5-7. Es folgt ein historischer Rückblick auf die Führungen des Volkes durch seinen Gott, V. 8-19. Diese Erinnerung an Jahves frühere Großtaten dient als Gewähr dafür, dass die im Anfang des Psalms ausgesprochene Erwartung tatsächlich in Erfüllung gehen wird; denn der, welcher früher geholfen hat, wird die Seinen auch jetzt nicht im Stich lassen. Der Rückblick selbst spielt sich in drei Gemälden ab. Das erste zeichnet den Zug durch die Wüste nach der Befreiung aus Ägypten und die Vorbereitungen, um Kanaan zum Wohnsitz Israels zu machen, V. 8-11; das zweite feiert den Sieg über die Könige Kanaans, V. 12-15; das dritte endlich schildert, wie Jahve nach Eroberung des Landes seine irdische Residenz auf dem Zion aufschlug und nach Beendigung des großen Werkes in den Himmel zurückkehrte, V. 16-19. - Die zweite Hälfte des Psalms, V. 20-36, hat es mit der Gegenwart und der Zukunft zu tun. Noch täglich trägt Jahve sein Volk, errettet es aus Todesgefahr, vernichtet die Feinde und hat versprochen, die gefangenen Israeliten zurückzuführen, damit sie an den Feinden Rache nehmen, V. 20-24. Dafür wird ihm in feierlicher Prozession gedankt, V. 25-28. Möge nun aber Jahve auch wirklich bald einschreiten und seine Weltherrschaft zur allgemeinen Anerkennung bringen; möge er die mächtigen Völker, die Krieg lieben, zur Ruhe bringen und dafür sorgen, dass sie, der Weissagung der Propheten entsprechend, Huldigungsgeschenke nach Jerusalem bringen, V. 29-32. Schon sieht der Dichter im Geist diese messianische Hoffnung erfüllt; darum schließt er mit der Aufforderung an die Reiche der Welt, dem mächtigen Herrscher des Himmels, der Israels starker Schutzgott ist, Loblieder anzustimmen, V. 33-36. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.

Die schönsten und kräftigsten Stellen des Psalms sind wie eine Blumenlese aus älteren Liedern, die wir teils noch sonst im Alten Testament finden, teils als einst vorhanden gewesen voraussetzen müssen. Das Ganze ist mehr aus einer Reihe von älteren Glanzstellen schön zusammengesetzt, als neues Gut und feste Fügung; und da viele ältere Stellen sehr abgerissen sind (wahrscheinlich als den Sängern bekannt), so ist die Erklärung oft schwer. Prof G. H. Ewald 1866.

Es ist ein Psalm in Debora-Stil, auf dem höchsten Gipfel hymnischer Empfindung und Darstellung einherschreitend. W. Binnie (1870) bezeichnet ihn schon als ein hocherhabenes Triumphlied, das von Edelsteinen, aus den älteren Schriften gesammelt, glitzere. Das Herrlichste des Schrifttums der Vorzeit ist darin konzentriert: die Signalworte Moses (4. Mose 10,35), der Segen Moses (5. Mose 32; 33), die Weissagungen Bileams, das Deuteronomium, das Lied Hannas hallen hier wieder; aber auch übrigens ist die Sprache so kühn und so eigentümlich, dass wir nicht weniger als dreizehn sonst nicht weiter vorkommenden Wörtern begegnen. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Nachbildungen des Liedes der Debora: Vergl. V. 8.9 mit Richter 5,4 f.; V. 13 mit Richt. 5,30; V. 14 mit Richt. 5,16; V. 19 mit Richt. 5,12; V. 28 mit Richt. 5,14.18. Außer den vielen Berührungen mit dem Liede und dem Segen Moses (5. Mose 32; 33;) in einzelnen Wörtern vergleiche man auch diejenigen mit Jes. 40 ff.: vergl. V. 5 mit Jes. 40,3; 57,14; 62,10; V. 4 mit Jes. 51,11; V. 7 mit Jes. 49,9; 61,1; V. 10. 11 mit Jes. 48,21; V. 12 mit Jes. 40,9; V. 20.21 mit Jes. 63,8 f.; V. 27 mit Jes. 48,1; 51,1; V. 30 mit Jes. 49,7; 60,3; V. 33 mit Jes. 42,10-13. - Nach Prof. Friedrich Baethgen 1892.

Wie der 67. Psalm mit einer Bezugnahme auf den aaronitischen Segen begann, so dieser mit der Anspielung auf das Gebet, welches Mose zu sprechen pflegte, wenn die Wolkensäule das Lager zum Weitermarsch aufrief. Dort verbreitete das Angesicht Gottes Licht des Heils über das Volk des Eigentums, hier fliehen seine Feinde vor ebendemselben Angesicht. William Kay 1871.

Bei diesem Psalm haben wir besondern Anlass, die Zaghaftigkeit oder Vorsicht unserer Übersetzer zu tadeln oder zu bewundern, je nachdem man es ansieht, mit Bezug auf die Art, wie sie die Namen Gottes wiedergegeben haben. Während fast alle hervorragenden Namen Gottes in dem Liede angewandt sind - Elohim, Adonai, Schaddai, Jehova, Jah, El, Jehova Adonai, Jah Elohim - lesen wir in unseren Bibeln hier nur folgende: Gott, HERR (Herr) und der Allmächtige. R. H. Ryland 1853.

Dieser 68. Psalm spielt in den Verfolgungen der Hugenotten in Frankreich eine besonders wichtige Rolle. Die metrische Übersetzung Theodor Bezas lautet

Que Dieu se monstre seulement,
Et on verra soudainement
Abandonner la place
Le camp des enemis espars
Et ses haineux de toutes parts
Fuir devant sa face.
Dieu les fera tous s’enfuir
Ainsi qu’on va s’esvanouir
Un amas de fumée;
Comme la cire auprès du feu,
Ainsi des méchants devant Dieu
La force est consommée.

(Die Melodie dieses Psalms war eine deutsche. Sie war von dem Straßburger Matthäus Greiter auf den 119. Psalm komponiert [bekannter mit dem andern Text: "O Mensch, bewein’ dein’ Sünde groß"]. Calvin verwendete diese 1542 für einen der von ihm übersetzten fünf Psalmen [Ps. 36]. Die andern zu diesen fünf Psalmen von Calvin benutzten deutschen Melodien wurden im Gebrauch der Genfer nach und nach durch neue französische ersetzt; eine Ausnahme machte der 36. Psalm mit obiger Melodie. Diese Melodie gewann dadurch eine merkwürdige Bedeutung, dass Beza, wie bemerkt, darauf den 68. Psalm komponierte und dann die Hugenotten daraus ihren vornehmsten Kriegspsalm machten.)
Zum ersten Mal tritt dieser Psalm als Schlachtlied der Hugenotten auf, als sie unter Führung Heinrichs von Navarra, des nachmaligen Heinrich IV., 1587 den glänzenden Sieg bei Coutras gewannen. In dieser Schlacht standen sie zum ersten Mal in offener Feldschlacht ihren Bedrängern gegenüber. Vor Beginn der Schlacht fiel das Häuflein der Evangelischen auf die Knie; der Prediger Chandieu, † 1591 als Pfarrer und Professor in Genf, hielt ein inbrünstiges Gebet. Dann stimmten die Krieger den 68. Psalm an, und nach dem Fall des feindlichen Heerführers, des Herzogs von Joyense, neigte sich der Sieg auf ihre Seite.
Später, in den Kamisardenkriegen, zur Zeit Ludwigs XIV., war es derselbe Psalm, welcher die Verteidiger ihres protestantischen Glaubens ermutigte und ihnen zum Siege verhalf. Davon schreibt Douen: Dieses großartige und unvergleichliche Lied schlug, als man vom Gipfel der Cevennen unter dem Knattern des Kleingewehrfeuers herabstieg, die Truppen des großen Königs, die zur Verfolgung der Kamisarden ausgeschickt waren, mit einem gewissen abergläubischen Schrecken. - Der Anfang dieses Gesangs ist gedämpft und schwach, wie das Rollen des herannahenden Gewitters; gegen die Mitte erinnern gellende, anhaltende Töne an das Krachen des Donners, wobei es zweimal fast Schlag auf Schlag widerhallt, und der Schluss ist nicht ohne Ähnlichkeit mit dem letzten Rollen des Donners, der sich in der Ferne verliert.
Wegen dieser seiner geschichtlichen Bedeutung legte man unserm Psalm auch besondere Namen bei. So schreibt Tiersot: Die protestantischen Schriftsteller nennen den 68. Psalm den "Schlachtgesang der Hugenotten", die "Hugenotten-Marseillaise", das "Nationallied des französischen Protestantismus"; er war es, den die Glaubensmärtyrer immer feierlich anstimmten, während sie vor versammelter Menge dem Tode entgegengingen. Rudolf Kögel 1895.

Den 68. Psalm stimmte Oliver Cromwell 1650 an, als bei Dunbar das schottische Heer von ihm geschlagen war im Morgengrauen und nun die Sonne rotglühend aus dem Meer emporstieg. Da brach der Sieger frohlockend aus in die Worte: "Es stehe Gott auf, dass seine Feinde zerstreuet werden!" A. v. Salis 1902.

V. 2. Es stehe Gott auf. Die Barmherzigkeit Gottes ist ersichtlich an seiner Geduld gegen die Gottlosen, auf welche dieser Ruf hindeutet; denn es ist, als schlafe er und bemerke all das Unrecht nicht. Der HERR nahm sich zur Zerstörung einer Stadt (Jericho) mehr Zeit als zum Bau der ganzen Welt. Er ist langsam zum Zorn und schnell zu vergeben, und erhebt sich nicht zur Bestrafung einzelner und noch viel weniger zu allgemeinen Gerichten, ohne dass er vorher lange Zeit Geduld geübt und viel Güte bewiesen hat. John Boys † 1643.

V. 2.3. Die Leute, auf welche diese Verse hinweisen, werden mit dreierlei Namen genannt als so vielen Brandmalen, die ihnen auf die Stirn geprägt sind. Sie sind 1) Feinde, 2) Gotteshasser, 3) Gottlose. Was Gott veranlasst, seiner Geduld ein Ende zu machen und wider sie aufzustehen, ist, dass sie sich wider ihn und seine Gemeinde verbunden und versammelt haben, wie daraus hervorgeht, dass sie zerstreut werden. Ihre Vernichtung wird in viererlei Ausdrücken geschildert: sie sollen 1) zerstreut werden, 2) fliehen, 3) verschwinden wie Rauch, 4) zerschmelzen wie Wachs; und dies alles fasst sich zusammen in dem Wort: sie müssen umkommen vor dem Angesicht Gottes. Anthony Farindon † 1658.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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