Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps77

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17. Die Wasser sahen dich, Gott,
die Wasser sahen dich und ängsteten sich,und die Tiefen tobeten.
18. Die dicken Wolken gossen Wasser,
die Wolken donnerten,und die Strahlen fuhren daher.
19. Es donnerte im Himmel,
deine Blitze leuchteten auf dem Erdboden; das Erdreich regete sich und bebete davon.
20. Dein Weg war im Meer,
und dein Pfad in großen Wassern,und man spürte doch deinen Fuß nicht.
21. Du führetest dein Volk wie eine Herde Schafe
durch Mose und Aaron.


17. Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und ängsteten sich. Als ob es sich der Gegenwart seines Schöpfers bewusst gewesen wäre, schickte sich das Meer an, vor seinem Angesicht zu fliehen. Die Vorstellung ist hochdichterisch; der Psalmsänger hat die Begebenheit am Schilfmeer lebhaft vor Augen und beschreibt sie in großartigen Zügen. Die Wasser sahen ihren göttlichen Meister; aber der Mensch will ihn nicht erkennen. Jene erbebten vor Angst wie in Geburtswehen; aber stolze Sünder empören sich frech wider Gott und scheuen sich nicht vor ihm! Und die Fluten erzitterten. (Grundtext) Bis in die Tiefen erschauerten die Wassermassen vor Furcht; die stillen Höhlen der See, tief drunten in den Meeresabgründen, wurden von Beben ergriffen, und die tiefsten Rinnsale wurden entblößt, als das Wasser von seinem Ort wegstürzte im Schrecken vor dem Gott Israels.

18. Die dicken Wolken gossen Wasser. Im Gehorsam gegen den allgewaltigen Gebieter half die niedere Schicht des Dunstkreises mit bei der Vernichtung des ägyptischen Heeres. Die Wolkenwagen des Himmels jagten herbei, um ihre Fluten über sie auszuschütten. Die (hohen) Wolken donnerten. Aus den höheren Regionen ließ die furchtbare Artillerie des Königs der Heerscharen den Donner ihrer Geschützsalven ertönen. Krach auf Krach erdröhnte über den Häuptern der verwirrten Feinde, und jeder Schlag mehrte ihren Schrecken und steigerte ihre Bestürzung. Und die Strahlen fuhren daher. Blitze schossen wie Pfeile von dem Bogen Gottes. Schnell fuhren die roten Flammenzungen daher, hierhin und dorthin; bald funkelten sie auf Helm und Schild, bald wieder erleuchteten sie mit unheimlichem Glanze die Schlünde der hungrigen See, die schon darauf lauerte, den Stolz Ägyptens zu verschlingen. Seht, wie alle Kreatur bereit ist, Gottes Winken zu gehorchen und ihre Macht an seinen Feinden zu erweisen!

19. Dein Donner erschallte rollend, wörtl.: im (schnellen) Wirbel, oder nach andern: im Wirbelwind. (Grundtext5 Mit entsetzlicher Schnelligkeit raste der Sturmwind daher und trieb alles vor sich hin, einem mit wildem Ungestüm getriebenen Streitwagen vergleichbar, dessen wirbelnde Räder alles zermalmen. Und aus dem feurigen Gefährt erscholl eine gewaltige Stimme - deine Stimme, o HERR -, wie wenn ein mächtiger Held sein Schlachtross in den Kampf treibt und dazu lautes Kriegsgeschrei erhebt. Der ganze Himmel erdröhnte von der Stimme des Herrn der Heerscharen. Deine Blitze leuchteten auf dem Erdboden. Der ganze Erdkreis leuchtete auf von den Blitzflammen Jehovas. Es bedurfte keines anderen Lichtes bei der Schlacht jener Schreckensnacht; jede Woge funkelte von Feuerflammen, und das Ufer leuchtete im Glanze unzähliger Himmelsfackeln. Wie bleich waren die Angesichter der Menschen in jener Stunde, als ringsumher das Feuer vom Meer zum Ufer, von den Klippen zu den Hügeln, von den Bergen zu den Sternen hüpfte, bis das ganze Weltall, Jehovas Sieg zu Ehren, illuminiert war! Das Erdreich regete sich und bebete davon. Ein Erdbebenstoß folgte dem andern. Das feste Land geriet, von demselben Schauergefühl wie das Meer ergriffen, ganz aus seiner Ruhe und hob und senkte sich keuchend und stöhnend vor Furcht. Wie erschrecklich bist du, o Gott, wenn du hervortrittst in deiner Majestät, um deine übermütigen Feinde in den Staub zu legen!

20. Dein Weg war im Meer. Weit unten in den verborgenen Rinnsalen der Tiefe ist dein heimlicher Pfad, und wenn es dir beliebt, kannst du das wogende Meer zur Heerstraße deines ruhmvollen Kriegszuges machen. Und dein Pfad in großen Wassern. Da, wo die Wellen schwellen und wallen, gehst du doch in majestätischer Ruhe einher, du Herrscher einer jeglichen schaumgekrönten Woge! Und man spürte doch deinen Fuß nicht, Grundtext: Und deine Fußstapfen waren nicht zu erkennen. Niemand kann deinen Spuren weder mit dem Fuß noch mit dem Auge folgen. Du bist allein in deiner Herrlichkeit, und deine Wege sind dem Auge der Sterblichen verborgen. Deine Absichten wirst du ausführen, aber die Mittel und Wege, welche du dazu benutzest, sind oft verhüllt; sie bedürfen keines Verbergens, denn sie sind an sich schon geheimnisvoll und unermesslich für das menschliche Verständnis. Anbetung sei dir, du Unerforschlicher!

21. Du führetest dein Volk (sanft) wie eine Herde Schafe durch Mose und Aaron. Welcher Übergang vom Sturmwetter zur Stille, vom Zorn zur Liebe. Sanft wie eine Herde war Israel geleitet worden, vom HERRN, aber durch menschliche Vermittlung, welche die überschwengliche Herrlichkeit der Gegenwart Gottes verhüllte. Der Ägypten schlug, war der Hirte Israels. Er trieb seine Feinde vor sich her, aber nicht so sein Volk; vor seiner Herde ging er her mit sanftem Schritt. Himmel und Erde fochten an seiner Seite gegen die Söhne Hams; aber sie waren ebenso dienstbar zu Nutz und Frommen der Söhne Jakobs. So schließen wir denn in der Stimmung andächtiger Freude und reich getröstet diesen inhaltreichen Psalm, das Lied eines Mannes, der das Sprechen verlernt hatte und doch so lieblich singen lernte wie kaum einer seiner Genossen.

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der Sänger ringt im Gebet mit Jahve und mit sich selbst. Immer aufs Neue versucht er, den Frieden der Seele zu gewinnen; aber er kann nicht zur Ruhe und zum Frieden kommen. Da erinnert er sich selbst und seinen Gott an dessen frühere Taten für sein Volk; er erinnert daran, wie Jahve Israel in früherer Zeit mit kraftvollem Arm aus Ägypten befreit und es durch Mose und Aaron geleitet hat. Durch die Erinnerung an die Vorzeit will er die Nöte der Gegenwart überwinden. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.

V. 2-4. fasst er wie in einem Eingang alles summarisch zusammen, unter was für Not und Ernst er sich zu Gott gedrungen habe. Da scheint es zwar, als wenn die Erhörung nicht so lange ausgeblieben wäre; aber dabei ist zu merken, dass ein solcher Psalm erst nach überstandener Not ist gemacht worden, daher Asaph den Notstand und die gnädige Erhörung und Hilfe Gottes hat so nahe zusammennehmen können. Was aber dazwischen hineingekommen ist, das beschreibt er im Psalm weiter kläglich genug. So gibt es auch in unseren Kirchenliedern Stellen, wo z. B. die Sündennot, Gewissensangst und der Trost Gottes und die Freudigkeit daraus nahe in wenigen Versen zusammengenommen werden. Aber da muss man nicht meinen, dass es auch in der Erfahrung gerade so hurtig aufeinander gehe, als hurtig es sich nacheinander hersagen lässt, sondern es kann oft einen ziemlichen Weg geben, bis man von einem Vers in den andern überschreiten kann. Inzwischen hat es doch seinen Grund und guten Nutzen, dass Angst und die Genesung aus derselben so nahe zusammenkommt. Denn es findet sich beim guten Ausgang, dass einem doch Gott mitten in der Angst nahe gewesen ist; und dem, der in der Not steckt, macht dies ein gutes Herz, dass der Schritt in die das Herz erquickende Gnade Gottes nicht ferne sei. Karl Heinrich Rieger † 1791.

V. 2. Ich schreie mit meiner Stimme zu Gott. Der Psalmendichter murrte nicht wider Gott, er vergrub sich auch nicht in seinen Kummer, noch erfüllte er die Luft mit nutzlosem Gejammer, sondern er eilte in seiner Not schnurstracks zu Gott und schüttete ihm sein Herz aus, flehend, dass Gott ihm nicht die Gnade versagen wolle, welche er freigebig allen anbietet. Das ist das eine von alters her bis heute wohl erprobte Heilmittel, welches allen Kummer stillt. D.H. Moller 1639.

V. 3. In der Zeit meiner Not suche ich den Herrn. Zeiten der Not sollen Zeiten anhaltenden Flehens sein; sonderlich in Zeiten innerer Anfechtung, wenn Gott sich uns entzogen zu haben scheint, gilt es, ihn zu suchen, und zu suchen, bis wir ihn gefunden haben. Der Psalmist suchte in seiner Trübsal nicht Zerstreuung in Arbeit oder Vergnügen, um einen Kummer auf diese Weise abzuschütteln, sondern er suchte Gott und seine Gnade. Wer Herzenskummer hat, der denke nicht daran, ihn hinunterzutrinken oder wegzulachen, sondern gehe auf seine Knie, um ihn wegzubeten. Matthew Henry † 1714.

Meine Seele will sich nicht trösten lassen. Gott hat Vorsorge getroffen, dass es den Seinen nie an stichhaltigem und genugsamem Troste fehle. Er sendet ihnen Tröster, wie sie es nach ihren Umständen bedürfen. Aber sie weigern sich zuzeiten, den lieblichen Tönen zu lauschen, wie eine Schlange, die ihr Ohr verstopft, dass sie nicht höre die Stimme des Zauberers. (Ps. 58,5 f.) Der HERR hat ihnen vielleicht einen Götzen weggenommen; er enthält ihnen seine fühlbare Nähe vor, damit sie lernen, im Glauben zu leben; er hindert ihre irdischen Aussichten, oder er schreibt Eitelkeit auf alle ihre Kürbisse (Jona 4,7.8). Sie geben sich zornigem Unmut hin wie Jona, oder sie sinken in düstere Schwermut, oder sie lassen ihren Geist von ungebeugtem Stolz beherrschen, oder sie überlassen sich ganz dem Gram wie Rahel, oder sie fallen der Gewalt der Versuchung anheim, oder sie geben sich der Meinung hin, sie hätten kein Anrecht auf irgendwelchen Trost. Das ist falsch, alles entschieden falsch. Schau doch auf das, was dir geblieben ist, auf das, was das Evangelium dir anbietet, auf das, was der Himmel dir sein wird. Der Psalmdichter war von diesem Zustand genesen. Er hatte sich überzeugt, dass er unrecht getan hatte, sich des Trostes zu weigern. Er bereute diesen Fehler. Gesinnung und Verhalten waren bei ihm anders geworden, und er schrieb den Psalm uns zur Unterweisung und Warnung. Man beachte, dass Leute, die auf allen Trost Anspruch haben, oft durch ihre eigene Torheit am wenigsten Trost genießen. Gottes Kinder sind oft ihre eigenen Quälgeister, indem sie den Kelch der göttlichen Tröstungen von sich stoßen, sagend, sie seien dessen nicht wert. James Smith † 1862.

Fußnote
5. lgIal:gIa wird an unserer Stelle sehr verschieden gedeutet. Abzuweisen ist die Beziehung auf die Himmelsrunde (Luther), denn ’g "bezeichnet nicht die ruhende Figur des Rades, sondern die wirbelnde Bewegung desselben." (Moll.) Möglich ist, dass an das rollende Rad des göttlichen Kriegswagens gedacht ist (Bäthgen u. a.). Andere (Hitz., Del., Kautzsch) verstehen darunter den Wirbelwind; doch sprechen die dafür angeführten Stellen (Ps. 83,14; Jes. 17,13) eher gegen diese Auffassung und für die Übersetzung Wirbel. (Fr. W. Schulz: Dein Donner ertönte im Wirbel, d. i. schnell und rollend aufeinander folgend.)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 3. Wiewohl ich nur auf ein kurzes Leben zurückschaue, habe ich doch schon so manche kennen gelernt, die so tief in die Verzweiflung geraten waren, dass sie jeden geistlichen Labetrunk, den man ihnen anbot, gleichsam gegen die Wand schmissen. Sie verstanden es meisterhaft, Beweisgründe gegen ihre eigene Seele zu finden, und setzten sich mit festem Willen gegen alles, das ihnen ein Trost und eine Stütze hätte sein können. Sie hatten eine Abneigung gegen alles Religiöse, wollten für sich nicht mehr Gottes Wort lesen und beten und weigerten sich auch, es mit andern zu tun, ja in dem überwältigenden Gefühl ihrer Sünde und des auf ihnen lastenden Zornes wiesen sie sogar die nötigen Bedürfnisse und Annehmlichkeiten des Lebens zurück, und das bis zu solchem Maße, dass ihr Leben untergraben wurde. Und doch, aus diesem schrecklichen Abgrund, aus diesem Zustand, da sie auf Erden schon fast in der Hölle waren, hat Gott sie errettet und ihnen solch reiche Erfahrungen seiner Huld und Gnade zuteil werden lasen, dass sie sie nicht um tausend Welten hergeben würden. O ihr verzweifelnden Seelen, ihr seht, dass andere, deren Zustand eben so schlimm, wo nicht schlimmer als der eure war, Gnade erlangt haben. Gott hat ihre Hölle in einen Himmel verwandelt, er hat sie in ihrem Elend angesehen, er hat ihr nagendes Gewissen gestillt und ihre verstörten Seelen zur Ruhe gebracht; er hat die Tränen von ihrem Angesicht gewischt und ist ihren Herzen ein Brunnquell des Lebens geworden. Darum verzaget nicht, sondern schaut auf zum Gnadenthron! Thomas Brooks † 1680.

Meine Seele will sich nicht trösten lassen. Verstehe: mit Menschentrost und irdischer Hilfe, bis Gott selbst ihr zuspricht: Ich bin deine Hilfe. Johann David Frisch 1719.

V. 4. Ich gedenke an Gott und seufze. (Grundtext) Es sind Stunden, wie alle Gläubigen sie erleben, wo Gott und seine Wege dem Menschen unverständlich werden und der Mensch in tiefes Sinnen versinkt und am Ende nichts übrigbleibt als ein verzagungsvoller Seufzer. Durch Paulus wissen wir aber, dass es der Heilige Geist ist, der in solchen Seufzern den Gläubigen vor Gott vertritt (Röm. 8,26). Prof. August Tholuck 1843.

V. 5. Meine Augen hältst du, dass sie wachen. Du bist mit Schlaflosigkeit heimgesucht? Das ist ein Leiden, das Leuten mit einem schwachen Körper und einem nachdenksamen, tiefsinnigen Gemüte eigen ist. O wie ermüdend ist es, sich die ganze lange Nacht auf dem Lager von einer Seite zur andern zu werfen, dem Schlaf nachjagend, der doch, je ungestümer man ihn zu erreichen sucht, desto weiter von uns flieht! Könntest du es über dich gewinnen, das Verlangen nach dem Schlaf aufzugeben, so käme er vielleicht von selbst; nun du aber um ihn anhältst, weicht er immer ferner von dir. Sieh, der Mann, der über hundertundsiebenundzwanzig Länder gebieten konnte, vermochte doch nicht sich Schlummer zu entbieten. "In derselben Nacht konnte der König Ahasveros nicht schlafen", heißt es Esther 6,1. Und der gewaltige Beherrscher des babylonischen Reiches konnte den Schlaf, wiewohl er ihn schon erwischt hatte, nicht festhalten: sein Geist ward in Unruhe versetzt durch einen Traum, dass es um seinen Schlaf geschehen war (Dan. 2,1). Auch der Prediger wusste, was es ist, wenn einer weder Tag noch Nacht den Schlaf siehet mit seinen Augen (Pred. 8,16). Ja gewiss, wie es auf Erden nichts gibt, das der Natur süßer ist als der Schlaf (vergl. Jer. 31,26), so gibt es auch kaum etwas, das zu missen schmerzlicher und entmutigender ist. Wohlan, wenn du deine Augenlider nicht schließen kannst, so richte deine Augen, statt vergeblich den Schlaf zu suchen, aufwärts zu dem Schöpfer deines Lebens. Was immer für Mittelursachen deine Schlaflosigkeit bewirken mögen, so ist doch im letzten Grunde Er es, der deine Augenlider offen hält. Er, der deine Augen gemacht hat, hält den Schlaf von deinem Leibe ab zum Nutzen deiner Seele; so lass denn deine Augen nicht ohne dein Herz wachen. Wenn du deine Lider nicht zum Schlummer schließen kannst, so trachte danach, den Unsichtbaren zu schauen. Ein solcher Blick ist mehr wert als aller Schlaf, den deine Augen genießen könnten. Übergib dich seinen treuen Händen, dass er mit dir mache, was ihm beliebt. Solche Ergebung wirkt unendlich süße Seelenruhe; kannst du die finden, so wirst du dich ruhig in den Mangel leiblichen Schlafes schicken können. Bischof Joseph Hall † 1656.

Ich bin voller Unruhe, dass ich nicht reden kann. (Grundtext) Kleine Leiden wollen geklagt sein, große Leiden machen stumm. Bei großen Trübsalen und Schrecken lässt der Geist die äußeren Glieder im Stich und zieht sich in das Innerste zurück; die Leibesglieder sind keiner willkürlichen Bewegung fähig, der ganze Körper zittert, die Augen blicken starr und die Zunge vergisst ihren Dienst. Daher kommt es, dass Niobe von den Dichtern als in einen Stein verwandelt dargestellt wurde. Bekannt ist auch die Erzählung im Herodot, wie Psammenit (Psammetich III.), der unglückliche ägyptische König, das Unglück seiner eigenen Kinder in stummem Schmerze betrauerte, als er aber die Leiden seiner Freunde erfuhr, diese mit bittern Tränen beklagte. H. Moller 1639.

V. 6. Ohne Zweifel war unseren ersten Eltern das Dunkel der ersten Nacht etwas Seltsames; Menschen, die noch nichts anderes als das Tageslicht gesehen hatten, konnten, als die Schatten der ersten Nacht sie umschlossen, nicht ohne Furcht sein. Aber als sie eine Anzahl Nächte hinter sich hatten, nach deren jeder sie das Morgenrot des neuen Tages hatten aufgehen sehen, durchlebten sie das Dunkel der finstersten Nächte ohne Furcht und in ebenso großer Sicherheit wie die heitersten Tage. Wenn Leute, die stets auf dem Festland gelebt haben, zum ersten Mal auf das Meer kommen, sind ihnen Wind und Wellen ganz entsetzlich; aber wenn sie nach und nach mit dem wilden Element vertraut werden, schlägt ihre Furchtsamkeit in Mut und Entschlossenheit um. Es ist von großem Wert, sich des zu erinnern, dass die Dinge, welche uns am meisten quälen, nicht neu sind, sondern schon vor unserer Zeit gewesen sind. Robert Baylie 1643.

V. 6 f. Ein redlicher Bürger in Stuttgart sagte auf seinem Totenbette, es sei ihm einmal zu einer Zeit der Demütigung nichts übrig gewesen, als dem Herrn zu sagen: Herr Jesu, du weißt doch, wie ich dich ehemals geliebt, gesucht, genossen, gelobt habe, d. h.: Ich denke der alten Zeit, ich denke der Saitenspiele usw. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Mit diesem Spruch hat sich was Bedenkliches zugetragen. Da einst zu Rom ein Kardinal einen Papagei hatte und der Papst selbst in einer lustigen Gelegenheit ihn fragte, was er machte, hat dieses Tier zur Antwort gegeben: Ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre. Das wurde als eine Bestrafung der Üppigkeit der römischen Klerisei angesehen und der arme Vogel getötet, wie Voetius aus einem römischen Skribenten anführt. Johann David Frisch 1719.

V. 7. Ich denke des Nachts an mein Saitenspiel. Da die Gegenwart ihm so spärlichen Unterhalt für seine Seele bot, war er froh, von dem alten Vorrat zehren zu können, wie es die Bienen im Winter machen. John Trapp † 1669.

An mein Saitenspiel in der Nacht. (And. Übers.) Das "Gesänge in der Nacht" (Hiob 35,10) ist ein Lieblingston des Alten Testaments, wie das "Wir rühmen uns der Trübsale" des Neuen Testaments, und es zeigt das auch, dass die beiden Testamente dieselben Wurzeln und denselben Geist haben. John Ker 1869.

V. 9. Hat die Verheißung ein Ende? Lass dich nicht durch den Anschein der Unmöglichkeit verleiten, bei irgendeiner der gnadenreichen Zusagen zu zweifeln, dass Gott sie erfüllen werde. Ob du auch gar nicht zu sehen vermagst, wie es geschehen könne - es ist genug, wenn Gott gesagt hat, dass er es tun werde. Es kann für das verheißene Heil gar keine Hindernisse geben, die wir zu fürchten hätten. Der HERR wird sich zur Ausführung seines Werkes seinen Weg bereiten. Wenn irgend etwas das Kommen des Reiches Christi zurückhalten könnte, so wäre es unser Unglaube; aber der Herr wird kommen, ob er auch keinen Glauben auf Erden fände (Lk. 18,8; vergl. Röm. 3,3). Wirf dein Vertrauen nicht weg, weil Gott seine Verheißung verzieht. Ob die Wege der Vorsehung auch kreuz und quer und rückwärts und vorwärts laufen, so hast du doch ein festes und gewisses Wort, darauf du dich verlassen kannst. Ob die Verheißungen auch für eine Weile scheinbar verzögert werden, können sie doch nimmermehr ungültig gemacht werden. Wage es nicht, solchen Gedanken in dir Raum zu geben. Das Dasein Gottes könnte so gut ein Ende haben wie seine Verheißung. Was nicht zu deiner Zeit kommt, wird zu seiner Zeit eilend erfüllt werden, und Gottes Stunde ist stets die beste. Timothy Cruso † 1697.

Die Verheißung. Das Wort des Grundtextes kann bedeuten das Wort der Verheißung und das Wort der Unterweisung. Beides, so es der Seele abgehet, ist ihr unerträglich. J. D. Frisch 1719.

V. 10. Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? In was für Seelenangst musst du doch gewesen sein, Asaph, dass dir solch unglückselige Worte entschlüpfen konnten! Wahrlich, die Versuchung ward so schwer, dass der nächste Schritt Lästern gewesen wäre. Hätte nicht der gütige Gott, den du in dieser schwachen Stunde so kühn der Vergesslichkeit zeihst, deiner in großer Barmherzigkeit gedacht, so wäre aus dem, wovon du gestehst, dass es eine Schwachheit gewesen sei (V. 11 nach der anderen Übersetzung: Dies ist meine Krankheit), sündliche Verzweiflung geworden. Ich darf es wohl in deinem Namen sagen, dass um dieses Wort willen viele Tränen über deine Wangen geronnen sind - und es wäre noch viele mehr wert gewesen; denn was kann dir, o Gott, so nahe gehen wie der Ruhm deiner Barmherzigkeit? Es ist unter deinen Eigenschaften keine, die du so den Menschenkindern vor Augen zu stellen bemüht bist, und keine, die durch Verleumdungen beschimpft zu sehen dir mehr ein Abscheu wäre. Du kannst deinen Zorn gegen dein Volk vergessen, du kannst unsere Missetaten hinter dich werfen und unsre Sünden aus deinem Gedächtnis tilgen, HERR; aber du kannst ebenso wenig vergessen, gnädig zu sein, als du aufhören kannst, du selber zu sein. Ach Gott, ich fehle stündlich gegen deine Gerechtigkeit, und deine Barmherzigkeit tritt dabei immer wieder ins Mittel, dass mir die Schuld erlassen werde; o bewahre mich aber davor, gegen deine Barmherzigkeit zu sündigen. Auf welche Fürsprache könnte ich noch hoffen, wenn ich mir meinen Fürsprecher zum Feind gemacht hätte? Bischof Joseph Hall † 1656.

V. 11 ff. Die Sache nimmt plötzlich eine andere Wendung. Aus den herrlichen Erweisungen Gottes in der Vergangenheit, die bis dahin dem Zweifel an der fortdauernden Erwählung Nahrung gegeben, wächst auf einmal der Glaube an diese hervor. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

Doch da spreche ich, d. h.: "So antworte ich denn aus solche Fragen." Damit ermannt sich der Dichter, wie aus dem Folgenden erhellt. ytiOlIxa ist Inf. Piel von hlx mit zurückgezogenem Ton. Es kann heißen: "das Mich-krank-machen" oder "mein Flehen ". Der Zusammenhang spricht mehr für die zweite Bedeutung. Die erste Bedeutung würde etwa darauf führen, dass der Dichter sich nun über die Ursache seines inwendigen Leides klar geworden ist: Gott hat sein Verhalten zu Israel gegen früher geändert. Aber diese Erkenntnis wäre wenig trostreich, ja, verglichen mit dem Vorangegangenen, nichts Neues, und die anspruchsvolle Einführung mit dem einen Entschluss markierenden rma)owf (Und ich spreche) überflüssig. Der Dichter entschließt sich vielmehr, zu beten (vergl. den vorausgenommenen Gebetsruf V. 2); damit hat er seine Anfechtung potenziell (dem Vermögen nach) überwunden. Lic. Hans Keßler 1899.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 12. Darum gedenke ich usw. Der Glaube hat ein gutes Gedächtnis und kann dem Christen gar viele köstliche Geschichten von alten Gnadentaten erzählen. An diesen vorigen Wundern des HERRN hielt sich der Psalmist fest, als er schon den Abhang der Versuchung hinabglitt. Manchmal ist es irgendein kleines Schriftstück, das sich im Schreibpult aufbewahrt findet, wodurch ein Mann davor beschützt wird, ins Gefängnis zu müssen; so kann auch eine im Gedächtnis aufbewahrte Erfahrung die Seele vor dem Kerker der Verzweiflung bewahren, in welchem der Teufel den Christen so gern auf ewig verschlossen sähe. Wenn ein Jagdhund die Fährte verloren hat, eilt er zurück, um sie wiederzufinden, und dann verfolgt er die Spur mit um so lauterem Gebell. So mach auch du es, lieber Christ! Wenn dein Hoffen die rechte Spur verloren hat und du an deinem Heil zweifelst, dann gehe rückwärts und besieh, was Gott bereits für dich getan hat. Für manche Verheißungen ist hienieden der Zahlungstag, andere werden wir erst im Himmel ausbezahlt erhalten. Die hier stattfindende Einlösung gewisser Versprechungen nun ist ein Handgeld, welches Gott dem Glauben gibt als Bürgschaft, dass die andern ebenfalls treulich werden berichtigt werden, wenn ihr Verfalltag gekommen ist; gerade wie auch jedes Gericht, das hienieden an den Gottlosen vollstreckt wird, als ein Angeld des göttlichen Zornes gesandt wird, dessen volle Summe Gott in der Hölle auszahlen wird. William Gurnall † 1679.

V. 14. Gott, dein Weg ist heilig. Die Erwähnung der Heiligkeit der Wege Gottes, die der Sänger hier ausdrücklich hervorhebt, weil er die schweren Führungen, in denen er steht, jetzt als Züchtigungsleiden ansieht (V. 11), welches der heilige Gott ihm geschickt habe, um ihn zu läutern, erinnert uns unwillkürlich an Ps. 50, worin Asaph seinem Volke das heilige Wesen Gottes so anschaulich vor Augen hält. Lic. Dr. H.V. Andreä 1885.

V. 16. Die Kinder Jakobs und Josephs. War Joseph der Erzeuger der Kinder Israels oder Jakob? Gewiss zeugte Jakob sie, aber da Joseph ihr Nährvater wurde, werden sie ebenfalls nach seinem Namen genannt. Talmud.

V. 17. Die Wasser sahen dich, Gott, usw. "Die Wasser des Roten Meeres", sagt Bischof Horne († 1792), "werden hier sehr schön als mit Gefühl begabt dargestellt, als hätten sie die Gegenwart und Macht ihres erhabenen Schöpfers gesehen und empfunden und wären sie bis in die Tiefen erschüttert worden, als er ihnen befahl, einen Weg freizumachen und auf beiden Seiten desselben eine Mauer zu bilden, bis sein Volk hindurchgegangen wäre." Das ist echte Poesie, und in dieser Gestaltungskraft der Fantasie, unbeseelten Dingen Leben, Geist, Gefühl, Tätigkeit und Leidentlichkeit zuzuschreiben, können keine Dichter mit denen der hebräischen Nation [oder allgemeiner der semitischen Völker] wetteifern. Richard Mant † 1849.

V. 17-19. Die Wasser sahen dich, aber die Menschen sehen dich nicht. Die Fluten erzitterten vor dir, aber die Menschen sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Die Wolken gossen Wasser, aber die Menschen vergießen nicht Tränen, schütten kein Flehen vor Gott aus. Die Himmelswolken ließen Getöne hören, aber der Mensch spricht nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer? Deine Pfeile fuhren daher, aber keine Pfeile der Reue und Bitte um Gnade kommen von den Menschen als Antwort zurück. Die Stimme deines Donners ertönte rollend, aber die Menschen hören nicht den noch lauteren Donner des göttlichen Gesetzes. Blitze erhellten den Erdkreis, aber das Licht der Wahrheit scheint in der Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht. Die Erde bebte und schwankte, aber das Menschenherz bleibt ungerührt! Prof. George Rogers 1871.

Sobald das Heer der Ägypter in dem Meeresbett war, floss das Wasser wieder an seinen Ort; es kam hernieder mit gewaltigen Gussbächen, die durch furchtbare Windstöße herbeigeführt wurden, und umschloss die Ägypter. Regengüsse strömten auch vom Himmel nieder, und schreckliche Donner und Blitze mit Feuerflammen fuhren daher. Donnerkeile schossen auf sie nieder, ja es gab nichts, was Gott als Zeichen seines Zornes über die Menschen zu senden pflegt, das zu der Zeit nicht geschehen wäre; denn unheimlich finstere Nacht bedrückte sie. So kamen sie alle um, dass nicht einer überblieb, der den übrigen Ägyptern ein Bote dieses Unglücks hätte sein können. Flavius Josephus † 93.

V. 20. Dein Weg war im Meer, wo kein Mensch den Fuß setzen kann, es gehe denn Gott vor ihm her, wo aber jeder wandeln kann, wenn Gott ihn bei der Hand nimmt und hindurchführt. David Dickson † 1662.

Und deine Fußspuren waren nicht zu erkennen. (Wörtl.) Bei einer gewissen Angelegenheit von sehr großer Tragweite war Luther sehr ungestüm vor dem Gnadenthron; er wollte wissen, was Gott für Beweggründe und Absichten habe, dass er so handle, und es war ihm, als hörte er Gott zu seinem Herzen sagen: "Ich bin unerforschlich." Aber wenn wir Gottes Wege auch nicht zu erforschen vermögen, so können wir ihm doch trauen, und eine Frömmigkeit, die einen nicht befähigt, Gott zu vertrauen, wo man ihn nicht erforschen noch sehen kann, wäre wenig wert. Aber alles hat seine Zeit unter der Sonne; auch der Allmächtige hat seine Zeiten und Stunden. Unsere Uhren laufen oft der Sonne vor: dann müssen sie zurückgesetzt werden. Das war ein feines Wort Flavels: Manche Taten der Vorsehung müssen wie die hebräische Schrift von rückwärts gelesen werden. Christian Treasury 1849.

V. 21. Du führetest dein Volk wie eine Herde Schafe. Der gute Hirte führt die Seinen wie Schafe: erstens mit großer Achtsamkeit, um sie vor Wölfen zu beschützen, zweitens mit Sorgfalt und Freundlichkeit, denn das Schaf ist ein harmloses Tier; drittens mit weiser Strenge, weil die Schafe sich leicht verlaufen und von allen Tieren die dümmsten sind. Thomas Le Blanc † 1669.

Durch Mose und Aaron. Er sagt nicht: "Mose und Aaron führten .das Volk Israel", sondern: "Du führtest das Volk, und zwar dein Volk, durch Mose und Aaron." Die Macht dieser beiden Männer war groß; dennoch war keiner von ihnen der Hirt der Schafe, sondern beide waren Knechte des einen und alleinigen Hirten, welchem ausschließlich die Schafe gehörten. Auch war keiner von beiden der Führer der Schafe, sondern der Hirte war selbst gegenwärtig und führte seine Herde, und Mose und Aaron taten dabei nur Knechtsdienst. Wir können demnach dreierlei aus diesen Worten entnehmen: 1) Die Schafe gehören nicht den Knechten, sondern dem wahren Hirten. 2) Dieser ist selbst der Führer seiner Schafe. 3) Das Amt Moses und Aarons war, als Gehilfen des Erzhirten dazu zu sehen, dass die Schafe den rechten Weg gingen und gute Weide hätten. So führt Christus selbst die Schafe, seine Schafe, und verwendet zu diesem Dienst an den Schafen seine Knechte. Wolfgang Musculus † 1563.

Der Psalmist hat den Gipfel erreicht; er hat Erleichterung von seinem Kummer gefunden, indem er seine Gedanken in eine andere Richtung leitete, nämlich auf die Betrachtung der mächtigsten Wunder Gottes aus der Vorzeit. Aber da muss er schließen; bei der gegenwärtigen Heftigkeit seiner Gemütsbewegungen kann er sich nicht zutrauen, im Einzelnen weitere tröstliche Lehren aus der Geschichtsbetrachtung hervorzuholen. Es gibt Zeiten, wo auch der heiligste Glaube es nicht vertragen kann, Worten, die zu überzeugen und zu ermahnen suchen, zuzuhören, während er wohl darin einen Halt für seine Seele finden kann, dass er die großen Taten, welche Gott gewirkt hat, in ihrer natürlichen Erhabenheit einfach anschaut. Joseph Franeis Thrupp 1860.

Homiletische Winke

V. 2. Der Nutzen des Gebrauchs der Stimme bei dem Gebet im Kämmerlein.
V. 3. 1) Besonderes Gebet: Am Tage meiner Not usw. 2) Unablässiges Gebet: Tag, Nacht, Hand ohne Ablassen ausgestreckt. 3) Mit der Verzweiflung ringendes Gebet: Meine Seele will sich nicht trösten lassen, bis die Erhörung kommt. George Rogers 1871.
V. 3c. Wann ist dies weise und wann tadelnswert?
V. 5. 1) Ein redlich frommer Mensch kann auf seinem Lager nicht Ruhe finden, bis seine Seele in Gott Ruhe gefunden hat. 2) Er kann nicht freimütig mit andern reden, bis Gott einer Seele Frieden zugesprochen hat. George Rogers 1871.
Gute Beschäftigung für Schlaflose und guter Trost für Sprachlose.
V. 6.7. Vier Winke für solche, die in Trübsal Trost finden wollen: 1) Betrachte die Güte, welche Gott seinem Volke vor alters erwiesen hat. 2) Gedenke dessen, was du selber von Gottes Güte erfahren hast. 3) Prüfe dich selbst. 4) Forsche fleißig in Gottes Wort. George Rogers 1871.
V. 7. Ein gutes Gedächtnis ist sehr nützlich. 1) Es hilft zur Erkenntnis; denn was nützt dich dein Lesen oder Hören, wenn du nichts behältst? 2) Es stärkt den Glauben: 1. Kor. 15,2. 3) Es gewährt Trost. Wenn ein Christ in der Trübsal der Verheißungen Gottes gedenken kann, werden sie ihn mit neuer Lebenskraft erfüllen; wenn er sie aber vergisst, wird ihm der Mut entfallen. 4) Es hilft zur Dankbarkeit. 5) Es belebt die Hoffnung; denn Erfahrung bringt Hoffnung, das Gedächtnis aber ist der Speicher, in welchem die Erfahrungen aufbewahrt werden. 6) Es führt zur Buße; denn wie können wir bereuen oder beklagen, was wir vergessen haben? 7) Es setzt uns in den Stand, andern nützlich zu sein. Wenn ein Gnadefunke im Herzen hell glüht, wird er bald suchen, auch andere brennend zu machen. Richard Steele † 1692.
V. 8. Um die Frage kräftig zu beleuchten, lasst uns betrachten: 1) In Bezug auf wen wird die Frage erhoben? In Bezug auf Jehova. 2) Was wird befürchtet? Dass er ewiglich verstoßen habe. 3) Auf wen bezieht sich diese Befürchtung? .
V. 9. Die Fragen setzen 1) eine Veränderung in dem unveränderlichen Jehova voraus. Sie sind 2) gegen alles, was die Vergangenheit beweist. Sie können 3) nur aus dem Fleisch oder durch satanische Einflüsterung im Herzen entstehen. Daher sind sie 4) abzuweisen in der Macht des Geistes, mit starkem Glauben an den ewigen Gott.
V. 12.13. Trost 1) geschöpft aus der Erinnerung an die Vergangenheit, 2) vertieft durch Nachsinnen, 3) gemehrt durch Mitteilung an andere.
V. 13. Gegenstände, gleich geeignet für das stille Nachsinnen wie für das laute Verkündigen: die Schöpfung, die Vorsehung, die Erlösung usw.
V. 14.20. Gottes Weg ist unausforschlich, wiewohl ohne allen Zweifel richtig; in seiner Heiligkeit liegt die Antwort auf seine Rätsel. V. 15. Der große Wundertäter.
V. 16. Und Josephs. Die Ehre, solchen ein Nährvater sein zu dürfen, welche durch anderer Wirken aus Gott geboren sind.
1) Die Erlösten: Dein Volk, die Kinder Jakobs und Josephs. a) In Gefangenschaft, wiewohl Gottes Volk. b) Gottes Volk, wiewohl in Gefangenschaft. 2) Die Erlösung: aus der ägyptischen Knechtschaft. 3) Der Erlöser: Du, mit (deinem) Arm. Dieser Arm Gottes ist Christus (Jes. 53,1). George Rogers 1871.
V. 17-19. 1) Die Natur huldigt dem Gott der Gnade. 2) Sie ist seinen Absichten dienstbar. Gerorge Rogers 1871.
V. 20. 1) Die Wege Gottes mit den Menschenkindern sind eigenartig: im Meer, dein Pfad usw. 2) Sie haben Gleichartiges: Fußspuren. 3) Sie sind unerforschlich: wie der Pfad des Schiffes im Wasser, nicht wie die Furche der Pflugschar im Lande.
Auch über das so veränderliche, unlenkbare, unermesslich weite, bodenlos tiefe, schreckliche, alles überwältigende Meer (und seinesgleichen) hat Gott die Herrschermacht.
V. 21. 1) Wer steht unter Gottes Führung? Dein Volk. 2) Wie wird es geführt? Wie eine Herde Schafe: abgesondert von andern, in sich gesammelt, in Abhängigkeit vom Hirten. 3) Die dabei benutzten Unterhirten. George Rogers 1871.
Die Geschichte der Gemeinde Gottes. 1) Die Gemeinde eine Herde. 2) Gott führt sie sichtlich vorwärts. 3) Er bedient sich zu ihrer Führung und Förderung menschlicher Werkzeuge.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 78 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Eine Unterweisung Asaphs. Mit vollem Recht wird dieser Psalm eine Unterweisung1 genannt; denn sein Zweck ist nicht bloß, eine Reihe der wichtigsten Ereignisse aus der israelitischen Geschichte in gedrängter Schilderung vorzuführen, sondern er will als ein Gleichnis angesehen sein, in welchem die Gläubigen aller Zeiten ihr Verhalten und ihre Erfahrungen abgespiegelt sehen können. Es ist ein auffallender Beweis von der Torheit mancher gelehrten Leute, dass es Homiletiker gibt, welche dagegen Einwendungen erheben, dass man die geschichtlichen Teile der Schrift in Predigten und Bibelstunden behandle, als ob diese Stücke keine Unterweisung in geistlichen Dingen enthielten. Wären solche Männer wirklich vom Geiste Gottes erleuchtet, so würden sie einsehen, dass die ganze Schrift nütze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit (2. Tim. 3,16) und würden ob der sündlichen Torheit, einen Teil der göttlichen Offenbarungsurkunde unterschätzt zu haben, erröten.

Einteilung

Wiewohl der Psalm ein einheitliches Ganzes bildet, wollen wir doch zur Bequemlichkeit des Lesers bemerken, dass man die V. 1-8 als eine Einleitung betrachten kann, in welcher der Dichter den Zweck seines epischen Gedichtes entwickelt, und dass bei dem Übrigen etwa folgende Teile zu unterscheiden sind: In V. 9-41 ist der Gegenstand: Israel in der Wüste. Darauf wird V. 42-53 geschildert, wie gütig der HERR sich vorzeiten gegen Israel bewiesen hat, indem er es durch Plagen und Wunder aus Ägypten führte. Die Geschichte des Volkes wird von V. 54 an wieder aufgenommen und bis V. 66 fortgesetzt, wo wir an die Zeit kommen, da die Bundeslade nach dem Zion übergeführt wurde und die Führerschaft in Israel von Ephraim auf Juda überging. Davon reden die Schlussverse, 67-72.

Auslegung

1. Höre, mein Volk, mein Gesetz;
neiget eure Ohren zu der Rede meines Mundes!
2. Ich will meinen Mund auftun zu Sprüchen
und alte Geschichten aussprechen,
3. die wir gehört haben und wissen
und unsre Väter uns erzählet haben,
4. dass wir’s nicht verhalten sollten ihren Kindern,
die hernach kommen, und verkündigten den Ruhm des Herrn
und seine Macht und Wunder, die er getan hat.
5. Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob
und gab ein Gesetz in Israel,
das er unseren Vätern gebot zu lehren ihre Kinder,
6. auf dass es die Nachkommen lerneten
und die Kinder, die noch sollten geboren werden;
wenn sie aufkämen, dass sie es auch ihren Kindern verkündigten;
7. dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung
und nicht vergäßen der Taten Gottes
und seine Gebote hielten
8. und nicht würden wie ihre Väter,
eine abtrünnige und ungehorsame Art,
welchen ihr Herz nicht fest war
und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott.


1. Höre, mein Volk, mein Gesetz (meine Unterweisung). Der gottbegeisterte Barde fordert seine Volksgenossen auf, seinem patriotischen Lehrgedicht Beachtung zu schenken. Wir erwarten ganz natürlich, dass Gottes auserwähltes Geschlecht das erste sein werde, auf Gottes Stimme zu hören. Wenn der HERR seine Wahrheit in unserer Sprache erschallen lässt und seine Boten aussendet, die er sich dazu herangebildet hat, dass sie sein Wort in Kraft verkündigen, so ist das Wenigste, was wir tun können, dass wir ihnen unser Ohr leihen und von Herzen gehorsam werden. Wenn Gott redet, sollten da seine Kinder sich weigern zu hören? Sein Lehrwort hat Gesetzeskraft; darum lasst uns ihm Ohr und Herz zuwenden. Neiget eure Ohren zu der Rede meines Mundes. Gebt gut Acht, beugt euren steifen Nacken, neigt euch vor, dass euch kein Laut entgehe. Wir, die wir die heiligen Urkunden lesen, sind auch heutigentags verpflichtet, uns in sie zu vertiefen, ihren Sinn zu erforschen und danach zu ringen, dass wir ihre Lehren in die Tat umsetzen. Wie der Offizier das Exerzieren mit dem Kommando: Achtung! beginnt, so ergeht auch an den Streiter Christi die Aufforderung, den Worten seines himmlischen Befehlshabers seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir Menschen hören ja so gern Musik: wieviel mehr denn sollten wir den ewigen Harmonien des Evangeliums lauschen! Wie oft sitzen die Leute in lautloser Stille, wie gefesselt, einem menschlichen Redner zu Füßen: wieviel mehr sollten sie sich dem Einfluss der Beredsamkeit des Himmels hingeben!

2. Ich will meinen Mund auftun zu Sprüchen. Der Dichter gibt in dem Psalm einen Abriss der Geschichte seines Volks von Mose bis David; aber nicht als Geschichtsschreiber erzählt er, sondern als mahnender Prophet hält er seinen Zeitgenossen Gottes Barmherzigkeit und Treue und Israels Ungehorsam und Undankbarkeit vor. Er nennt seinen Psalm eine Spruch- oder Gleichnisrede, weil derselbe Lehre für die Hörer enthält. (Die Form der Darstellung schließt sich ebenfalls der markigen, malenden Art der Spruchrede an.) Auch uns soll die Geschichte Israels als ein mahnendes Gleichnis dienen. Ähnlichkeiten zwischen der Geschichte Israels und dem Lebensgang der Gläubigen sind nicht ein Erzeugnis unserer Einbildung, sondern sind von Gott in die Geschichte hineingelegt, damit wir sie aufspüren und verfolgen. Israel war dazu verordnet, uns - sei es reizend, sei es warnend - als Vorbild zu dienen; die Stämme und ihre Erlebnisse sind lebendige Sinnbilder, gezeichnet von der Hand der allweisen Vorsehung. Leute, die kein geistliches Verständnis haben, mögen das als ein Spielen mit Einbildungen und als dunkeln Mystizismus bespötteln; aber Paulus hat sich treffend ausgedrückt, als er Gal. 4,24 von dem Hausstande Abrahams sagte, sein Bild werde in der Schrift so überliefert, dass darin ein tieferer Sinn ausgedrückt sei, und ebenso trifft Asaph hier das Rechte, wenn er seine Erzählung ein Gleichnis, eine sinnbildliche Lehrrede nennt. In dieser Lehrweise war er ein Vorgänger Jesu, bei dem sie ihre Vollendung fand; Matthäus kann daher die Spruchrede Asaphs als eine tatsächliche Weissagung auf Christi Gleichnisreden anführen. (Mt. 13,34 f.) Und alte Geschichten aussprechen, Grundtext: will Rätsel aus der alten Zeit vortragen, eigentlich: hervorsprudeln lassen. Die Gedanken des prophetischen Sängers waren so voll ehrwürdiger Lehre aus der alten Zeit, dass er sie im Liede wie einen mächtigen Strom hervorsprudeln ließ, und in der Tiefe der wallenden Flut, auf dem Bett dieses Stromes, lagen Perlen und Edelsteine geistlicher Wahrheit als lockende reiche Beute für die, welche in die Tiefe zu tauchen und sie heraufzuholen vermochten. Schon als einfache Geschichtsdarstellung hat der Psalm seinen Wert; aber der innere, gleichnis- und rätselartig darin verborgene tiefere Sinn ist unschätzbar. Hatte der erste Vers zur Aufmerksamkeit aufgefordert, so rechtfertigt der zweite dies Verlangen, indem er eben andeutet, dass der Wortsinn eine höhere Bedeutung berge, welche nur der fassen könne, welcher sich nachdenklich in den Psalm versenke.

3. Was2 wir gehört haben und wissen und unsre Väter uns erzählet haben. Die mündliche Überlieferung von Geschlecht zu Geschlecht war für das Volk Gottes in der alten Zeit, ehe das sicherere prophetische Wort vollständig geworden und allgemein zugänglich gemacht war, von der höchsten Bedeutung. Dass er die Wahrheit von den Lippen anderer empfangen hatte, legte dem also unterwiesenen Gläubigen die feierliche Verpflichtung auf, sie auch seinerseits wieder dem folgenden Geschlechte zu überliefern. Wahrheiten, die uns durch ihre Verknüpfung mit lieben Erinnerungen an gottselige Eltern und ehrwürdige väterliche Freunde besonders wert geworden sind, haben Anspruch darauf, dass wir unsere besten Kräfte einsetzen, sie zu bewahren und auszubreiten. Unsere Väter haben uns erzählt, wir haben ihnen Gehör gegeben und wissen infolgedessen das, was sie gelehrt haben, nun selbst; so ist es nun unsere Aufgabe, auch unserseits das Empfangene wieder weiterzugeben. Wir haben jetzt, Gott sei Dank, das weniger der Gefahr des Verändertwerdens ausgesetzte schriftliche Zeugnis der Offenbarung. Aber das mindert in keiner Weise unsere Verpflichtung, unsere Kinder durch das mündliche Wort in der göttlichen Wahrheit zu unterweisen; wir sollten vielmehr, weil wir ein so herrliches Hilfsmittel haben, die Unsern noch viel vollkommener in die göttlichen Dinge einführen. Der so gesegnete Doddridge3 verdankte viel den holländischen Bilderkacheln am Ofen seines Vaterhauses, an deren Hand seine Mutter ihm die biblischen Erzählungen erklärt hattet. Je mehr Unterweisung durch die Eltern, desto besser; Prediger und Sonntagsschullehrer sollen und können nicht die Tränen der Mutter und die Gebete des Vaters ersetzen.

4. Das wollen wir ihren Kindern nicht verhehlen. (Grundtext) Nie und nimmer soll lässiges Schweigen unserseits unsere und unserer Väter Nachkommen der köstlichen von Gott geoffenbarten Wahrheit berauben; es wäre schändlich, wenn wir uns das zuschulden kommen ließen. Indem wir dem nachfolgenden Geschlecht den Ruhm (die ruhmwürdigen Taten) des HERRN verkündigen. (Grundtext) Wir wollen unseren Blick auf die kommenden Geschlechter richten und ernstlich dafür Versorge zu treffen suchen, dass sie gottselig erzogen werden. Es ist die Pflicht der Gemeinde des HERRN, alle von Gott gegebenen Mittel zur religiösen Erziehung der Jugend in frischer Kraft zu erhalten und zu fördern. Gründet sich doch unsere Hoffnung für die Kirche der Zukunft auf die, welche jetzt noch Kinder sind! Und je nach der Saat, die wir jetzt unter der Jugend ausstreuen, wird hernach unsere Ernte sein. Die Kinder sollen angeleitet werden den HERRN zu preisen; wir müssen sie daher aufs beste über sein wunderbares Walten in den vergangenen Zeiten unterweisen, damit sie kennen seine Macht und Wunder, die er getan hat. Das erste, was ein Kind lernt, sollte sein, dass es den Gott seiner Mutter kennen lernt. Lehre dein Kind so vieles du willst; wenn es nicht die Furcht des HERRN lernt, so wird es an dem Mangel dieser Grundweisheit zugrunde gehen. Grammatik und Rechenkunst sind armselige Nahrung für die unsterbliche Seele, wenn sie nicht mit Erkenntnis des Überweltlichen gewürzt werden. In keinem Schulranzen sollte die Bibel fehlen. Mag die Welt nur weltliches Wissen lehren - das ist ja die ganze Erkenntnis, an der ihr gelegen ist - so darf die Gemeinde Gottes doch ihre Jugend nicht so behandeln; sie hat ihre Fürsorge auf jeden kleinen Timotheus zu richten und dazu zu sehen, dass er von Kind auf die Heilige Schrift kenne. (2. Tim. 3,15) Jeder Hausvater sollte, mit seinen Hausgenossen um das flackernde Kaminfeuer geschart, die herrlichen Geschichten der Bibel in lebendiger Anschaulichkeit erzählen, dazu die Taten der Märtyrer und der Reformatoren, und nicht zuletzt auch die Gnadenführungen des HERRN, die er in seinem eigenen Leben erfahren hat. Wir dürfen den nichtigen und nichtsnutzigen Überlieferungen der abtrünnigen Kirche Roms nicht Folge leisten und sind auch weit davon entfernt, die fehlbaren Erinnerungen auch des besten menschlichen Gedächtnisses dem unfehlbaren geschriebenen Gotteswort irgendwie gleichzustellen; doch sähen wir so gern die mündliche Überlieferung von jedem Christen in seiner Familie eifrig gepflegt, sähen, ach wie gern! die Kinder von ihren Müttern und Vätern durch das mündliche Wort in heiterer, lieblicher Weise unterwiesen und nicht nur durch die gedruckten Blätter der Bücher, die sie so oft schon von vornherein als trockene, langweilige Aufgabenbücher ansehen. Was für glückliche Stunden und liebliche Abende sind das für die Kinder, wenn sie auf Vaters Knie einer schönen Geschichte aus der alten Zeit lauschen dürfen! Lieber Leser, hat Gott dir Kinder anvertraut, so achte darauf, dass du in diesem Stück nicht deine Schuldigkeit versäumest!

5. Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob. Das so bevorzugte Volk war eben zu dem Zweck da, Gottes Wahrheit inmitten des ringsumher wuchernden Götzendienstes festzuhalten. Ihm war vertraut, was Gott geredet hatte (Röm. 3,2); sie waren die verordneten Wächter und Erhalter der Wahrheit. Und gab ein Gesetz in Israel, das er unseren Vätern gebot zu lehren ihre Kinder. Das Zeugnis für den allein wahren Gott sollte durch die sorgfältige häusliche Unterweisung von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt werden. Wir begegnen dem Gebot dieser mündlichen Überlieferung sehr häufig in den Büchern Mose; es genüge die Anführung einer Stelle, 5. Mose 6,6 f.: "Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehest, wenn du dich niederlegest oder aufstehest." Bist du Vater oder Mutter, lieber Leser, so ist die ernste Frage, ob du diese Pflicht gewissenhaft erfüllt hast.

Fußnoten
1. Vergl. übrigens die Anmerk. zu Ps. 32

2. Wir verbinden V. 3 mit V. 4

3. Phil. Doddridge, † 1751, ein hochgeschätzter engl. Prediger und theol. Lehrer, auch den Deutschen nicht unbekannt durch die Übersetzung seines im Englischen sehr verbreiteten Buches über den Anfang und Fortgang des geistlichen Lebens.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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6. Auf dass es die Nachkommen lerneten und die Kinder, die noch sollten geboren werden. Auf so weit hinaus, wie unser kurzes Leben uns Vorkehr zu treffen gestattet, sollen wir mit Fleiß dafür sorgen, dass die Jugend gottselig auferzogen werde. Die Geschichten, Gebote und Lehren des Wortes Gottes sind nicht veraltet und abgenutzt; sie sind bestimmt, einen mächtigen Einfluss auszuüben, solange das Menschengeschlecht besteht. Wenn sie aufkämen, oder wohl besser; dass sie aufträten, nämlich als Zeugen, dass sie es auch ihren Kindern verkündigten. Immer wieder wird auf das eine gezielt: dass die Wahrheit den kommenden Geschlechtern überliefert werde; denn dazu ist sie gegeben.

7. Dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung. Der Glaube kommt aus der Predigt, aus dem Hören der Kunde (Röm. 10,17). Die den Namen des HERRN kennen, setzen auf ihn ihr Vertrauen, und die Menschenkinder zu solchem Glauben zu führen ist das Ziel aller geistlichen Unterweisung. Und nicht vergäßen der (großen) Taten Gottes. Gnade ist das beste Heilmittel für ein schlechtes Gedächtnis. Leute, die die gnädigen Taten des HERRN so schnell vergessen, müssen oft über sie belehrt werden; sie haben es nötig, die heilige Gedächtniskunst zu lernen. Und seine Gebote hielten. Wer Gottes Tun vergisst, wird es sicher am eignen Tun fehlen lassen. Wer die Liebe Gottes nicht im Gedächtnis hat, wird auch seiner Gebote nicht gedenken. Der Zweck des Lehrens ist ein praktischer; Heiligung vor Gott ist das Ziel, auf das wir lossteuern, und nicht, dass die Köpfe mit spekulativen Begriffen angefüllt werden.

8. Und nicht würden wie ihre Väter, eine abtrünnige (unbändige, ungeratene) und ungehorsame Art. Es war Anlass genug vorhanden, auf Fortschritt und Besserung hinzuarbeiten. Väter, die halsstarrig ihren verkehrten Eigenwillen durchsetzen und gegen Gottes geoffenbarten Willen widerspenstig und ungehorsam sind, geben ihren Kindern ein trauriges Beispiel; darum wünscht der Psalmist ernstlich, dass dank der besseren Unterweisung ein besseres Geschlecht erstehe. Vielerorten pflegen die Leute die Sitte ihrer Familie für die allerbeste Regel zu halten; aber der Ungehorsam lässt sich damit nicht entschuldigen, dass er erblich überkommen ist. Oder ist der Aussatz etwa weniger ekelhaft, weil er schon lange in einer Familie herrscht? Waren unsere Väter abtrünnig und widerspenstig gegen Gott, so müssen wir besser sein als sie, wenn wir nicht verloren gehen wollen wie sie. Welchen ihr Herz nicht fest war. Sie hatten keine Entschiedenheit für Gerechtigkeit und Wahrheit; sie hatten ihrem Herzen nicht die rechte Richtung, nämlich aus Gott (vergl. V. 37), gegeben. Weder Züchtigungen noch Gnadenheimsuchungen konnten ihr Herz an ihn binden; sie waren unbeständig wie der Wind und veränderlich wie die Wogen. Und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott. Die Stämme Israels waren in der Wüste nur in einem beständig, nämlich in ihrer Unbeständigkeit; man konnte sich auch nicht im Mindesten auf sie verlassen. Es war in der Tat nötig, dass ihre Nachkommen gewarnt würden, damit sie ihnen nicht blindlings nachahmten. Welch ein Segen würde das für die Menschheit sein, wenn jedes Zeitalter gegen das vorhergehende einen wahren Fortschritt aufwiese; aber es ist leider zu fürchten, dass die Rückschritte häufiger sind als die Fortschritte. Die Nachkommen echter Christen sind oft noch viel ungehorsamer und tiefer von Gott abgefallen, als es ihre Väter in ihrem unwiedergeborenen Zustand waren. Möchte doch das Lesen dieses so echt patriotischen und zugleich geistlich tiefen Dichterwortes viele dazu bewegen, auf die Förderung und Hebung ihrer selbst und ihrer Nachkommen mit allem Fleiß hinzuarbeiten!

9. Wie die Kinder Ephraim, so geharnischt den Bogen führeten,
abfielen zur Zeit des Streits.
10. Sie hielten den Bund Gottes nicht
und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln
11. und vergaßen seiner Taten
und seiner Wunder, die er ihnen erzeiget hatte.
12. Vor ihren Vätern tat er Wunder
in Ägyptenland, im Felde Zoan.
13. Er zerteilte das Meer und ließ sie hindurch gehen
und stellte das Wasser wie eine Mauer.
14. Er leitete sie des Tages mit einer Wolke
und des Nachts mit einem hellen Feuer.
15. Er riss die Felsen in der Wüste
und tränkte sie mit Wasser die Fülle
16. und ließ Bäche aus den Felsen fließen,
dass sie hinabflossen wie Wasserströme.
17. Dennoch sündigten sie weiter wider ihn
und erzürneten den Höchsten in der Wüste
18. und versuchten Gott in ihrem Herzen,
dass sie Speise forderten für ihre Seelen,
19. und redeten wider Gott und sprachen:
Ja, Gott sollte wohl können einen Tisch bereiten in der Wüste?
20. Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser flossen
und Bäche sich ergossen;
aber wie kann er Brot geben
und seinem Volk Fleisch verschaffen?
21. Da nun das der HERR hörte, entbrannte er,
und Feuer ging an in Jakob,
und Zorn kam über Israel,
22. dass sie nicht glaubten an Gott
und hoffeten nicht auf seine Hilfe.
23. Und er gebot den Wolken droben
und tat auf die Türen des Himmels
24. und ließ das Man auf sie regnen zu essen
und gab ihnen Himmelsbrot.
25. Sie aßen Engelbrot;
er sandte ihnen Speise die Fülle.
26. Er ließ wehen den Ostwind unter dem Himmel
und erregte durch seine Stärke den Südwind
27. und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub
und Vögel wie Sand am Meer
28. und ließ sie fallen unter ihr Lager
allenthalben, da sie wohneten.
29. Da aßen sie und wurden allzu satt;
er ließ sie ihre Lust büßen.
30. Da sie nun ihre Lust gebüßet hatten
und noch davon aßen,
31. da kam der Zorn Gottes über sie
und erwürgte die Vornehmsten unter ihnen
und schlug darnieder die Besten in Israel.
32. Aber über das alles sündigten sie noch mehr
und glaubten nicht an seine Wunder.
33. Darum ließ er sie dahinsterben, dass sie nichts erlangeten,
und mussten ihr Leben lang geplagt sein.
34. Wenn er sie erwürgte, suchten sie ihn
und kehreten sich zu Gott
35. und gedachten, dass Gott ihr Hort ist
und Gott der Höchste ihr Erlöser ist,
36. und heuchelten ihm mit ihrem Munde
und logen ihm mit ihrer Zunge;
37. aber ihr Herz war nicht fest an ihm
und hielten nicht treulich an seinem Bunde.
38. Er aber war barmherzig
und vergab die Missetat und vertilgte sie nicht
und wandte oft seinen Zorn ab
und ließ nicht seinen ganzen Zorn gehen.
39. Denn er gedachte, dass sie Fleisch sind,
ein Wind, der dahin fähret und nicht wiederkommt.
40. Wie oft erzürneten sie ihn in der Wüste
und entrüsteten ihn in der Einöde!
41. Sie versuchten Gott immer wieder
und meisterten den Heiligen in Israel.


9. Die Kinder Ephraim, so geharnischt den Bogen führeten, fielen ab (Grundtext: wandten um) zur Zeit des Streits. Nach der die ersten acht Vers umfassenden Einleitung werden uns nun Geschichtsbilder vorgeführt; und zwar wird zunächst ein bedeutsamer Blick auf den einstigen Führerstamm Ephraim geworfen. Wiewohl dieser mit den besten Waffen seiner Zeit wohl ausgerüstet war, machte er vor dem Feind kehrt; ein trauriger Mangel an Mannesmut und Glaubenszuversicht trat darin zutage. Von einer Niederlage und Flucht der Ephraimiten vor Jephtha und den Gileaditern berichtet Richter 12. Es ist aber eher wahrscheinlich, dass der Psalmist darauf anspielt, wie sehr gerade der mächtige, wehrhafte Stamm Ephraim die Erwartungen, welche man in ihn setzen konnte, täuschte, als es galt, die Eroberung des Landes im Einzelnen völlig durchzuführen. Er, der allen hätte vorangehen sollen, ward darin besonders lässig; man vergleiche Richter 1 (Oder es könnte mit Delitzsch die Aussage allgemeiner und nach V. 57 bildlich zu verstehen sein: Ephraim bewies sich in Verfechtung und Führung der Sache Gottes kampfflüchtig und kampfscheu; er gab sie auf, er ließ sie im Stich.) Wie oft haben auch wir, obwohl uns die trefflichsten Waffen aus Gottes Zeughaus zu Gebot standen, den Kampf wider unsre Sünde nicht erfolgreich durchgeführt! Wir marschierten kühn voran, bis die Stunde der Erprobung kam; aber dann, am Tage des Kampfes, wurden wir unseren guten Vorsätzen und heiligen Verpflichtungen untreu. Ach, wie gänzlich unzuverlässig ist doch der Mensch, solange er nicht von Grund auf erneuert ist! Wappne ihn mit dem Trefflichsten, das Natur und Gnade darbieten; er bleibt in dem heiligen Krieg doch eine Memme, solange ihm der lebendige Glaube an den HERRN als seinen Gott fehlt.

10. Sie hielten den Bund Gottes nicht. Gelübde und Versprechungen wurden gebrochen; Götzenbilder wurden aufgerichtet und der lebendige Gott schnöde verlassen. Die Kinder Israel wurden aus Ägypten heraufgeführt, um ein dem HERRN ausgesondertes Volk zu sein; aber sie verfielen in die Gräuel der andern Völker und wurden ihrem Beruf ganz untreu, ein reines Zeugnis von dem allein wahren Gott abzulegen. Und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln. Sie gaben sich dem Götzendienst, der Hurerei und andern Freveln gegen das heilige Sittengesetz hin und waren oft in Aufruhr gegen die milde Gottesherrschaft, unter der sie lebten. Am Sinai hatten sie feierlich gelobt, das Gesetz zu halten, und dann vergingen sie sich mutwillig gegen dasselbe; so waren sie demnach bundbrüchig.

11. Und vergaßen seiner (großen) Taten und seiner Wunder, die er ihnen erzeiget hatte. Hätten sie diese im Gedächtnis bewahrt, so wären sie von Dankbarkeit und heiliger Ehrfurcht erfüllt gewesen; aber die Erinnerung an die Gnadenerweisungen des HERRN war so schnell bei ihnen verwischt wie Schrift, die man ins Wasser schreibt. Kaum konnte ein Geschlecht für sich das Bewusstsein festhalten, dass Gott in wundertätiger Macht unter ihm gegenwärtig sei; die folgende Generation bedurfte schon wieder neuer außerordentlicher Kundgebungen Gottes und ließ sich auch dann nicht überzeugen ohne eine erdrückende Menge solcher göttlichen Selbstbezeugungen. Ehe wir aber jene verurteilen, lasst uns die eigene böse Vergesslichkeit bereuen und es eingestehen, bei wie vielen Gelegenheiten auch wir empfangener Wohltaten nicht eingedenk gewesen sind.

12. Vor ihren Vätern tat er Wunder in Ägyptenland, im Felde Zoan. Ägypten und sonderlich die Stadt Zoan und ihr Umkreis4 waren der Schauplatz wunderbarer Dinge, die sich am hellen Tage vor den Augen der Israeliten abspielten. So außerordentlich, so großartig, so staunenerregend und zugleich unanfechtbar tatsächlich waren diese Ereignisse, dass es einem Israeliten hätte unmöglich sein müssen, gegen Jehova, den Gott Israels, treulos zu werden.

13. Er zerteilte das Meer und ließ sie hindurch gehen. Das war ein zwiefältiges Wunder; denn als die Wasser geteilt worden, war der Meeresboden nichts weniger als eine gute Straße für ein solch großes Heer wie das israelitische. Das Meeresbett wäre in der Tat ungangbar gewesen, wenn der HERR seinem Volke nicht auch noch den Weg gebahnt hätte. Wer sonst hat wohl je eine ganze Nation durch ein Meer geführt? Und doch hat der HERR seinen Heiligen so oft Ähnliches getan, wenn er sie in wunderbarem Walten seiner Vorsehung rettete, indem er da eine ebene Bahn machte, wo nur der Arm der Allmacht das zu tun vermochte. Und stellte das Wasser wie eine Mauer. Auch nicht ein Tröpflein durfte auf seine Auserwählten fallen, nicht einmal fliegender Schaum durfte sie benetzen von den kristallenen Mauern, die ihre Straße auf beiden Seiten einschlossen. Wenn der Herr des Alls es gebietet, so steigt das Feuer niederwärts und das Wasser steht zu Berg. Die Natur der geschaffenen Dinge ist ja, strenggenommen, diesen nicht wesentlich eigen, sondern wird beibehalten oder geändert nach dem Willen des Schöpfers. So stehen auch die Übel in seiner Hand; wenn sie uns zu überwältigen drohen, kann er ihre gewöhnliche Tätigkeit aufheben, dass sie unschädlich sind.

14. Er leitete sie des Tages mit einer Wolke. Er tat es alles, er allein. Er brachte sie in die Wüste, und Er führte sie hindurch. Es ist nicht des HERRN Art, ein Werk anzufangen und dann unvollendet liegen zu lassen. Die Wolke führte die Stämme, und zugleich überschattete sie dieselben. Sie war bei Tage ein riesiger Schirm, der die glühende Hitze der Sonne und den blendenden Schein des Wüstensandes erträglich machte. Und des Nachts (Grundtext: die ganze Nacht hindurch) mit einem hellen Feuer. Die Fürsorge des Erzhirten der Schafe war so beständig, dass das Zeichen seiner Gegenwart jede Nacht und die ganze Nacht hindurch sein Volk begleitete. Dieselbe Wolke, welche am Tage Schatten bot, war zur Nachtzeit eine Sonne. Geradeso ist es mit der Gnade: sie kühlt und wärmt, erleuchtet und beschattet, wie wir es gerade bedürfen, und hilft uns, Tag und Nacht ununterbrochen unsre Wanderschaft fortsetzen (2. Mose 13,21). Welch ein Vorrecht ist es, dass wir inmitten all der Schrecknisse der einsamen Wüste der Trübsal einen hellen Feuerschein bei uns haben! Unser Gott ist uns das alles gewesen; sollen wir uns gegen ihn treulos erzeigen? Wir haben es erfahren, dass er uns beides, ein Schatten vor der Hitze und ein Licht in der Finsternis, gewesen ist, je nachdem wie es unsere wechselnden Umstände erforderten. Möge diese so oft gemachte Erfahrung unsere Herzen mit ihm unlösbar verknüpfen.

15. Er riss die Felsen in der Wüste. Nicht Mose war es, der Wasser aus dem Felsen brachte (vergl. 4. Mose 20,10), und nicht sein Stab spaltete den harten Stein; der HERR tat es, und Mose war nur sein Werkzeug. Der Gott Jakobs war’s, der zweimal den Felsen in einen Wasserteich verwandelte, den Kieselstein in einen Wasserquell (Ps. 114,8). Was sollte er nicht vermögen? Und tränkte sie mit Wasser die Fülle, wörtl.: wie mit Fluten in Fülle. Jehova versorgte sie überreichlich mit dem frischen, belebenden Trank; so war es Gottes würdig. Diese Wundertat der Liebe hätte sie ihrem Gott für immer in unwandelbarer Treue verbinden sollen.

16. Und ließ (Gieß-) Bäche aus den Felsen fließen, dass sie hinabflossen wie Wasserströme. In Sturzbächen, nicht tröpfelnd, kam der Segen aus dem Gestein. Ein Strom quoll hervor für das durstige Volk und folgte dem Heerzuge Israels;5 nicht für eine Stunde oder einen Tag nur wurden sie versorgt. Das war erstaunliche Güte. Wenn wir den überfließenden Reichtum der göttlichen Gnade betrachten, so werden wir von Bewunderung hingerissen. Auch uns sind mächtige Liebesströme in der Wüste geflossen. O du großer Gott, unser Dank steht in keinem Verhältnis dazu; ja, in gar seltsamer Weise haben wir deine Liebe erwidert!

Fußnoten
4. Das Gefilde Zoans ist das Gebiet jener berühmten alten Stadt (Tanis), die nach den Forschungen von Brugsch und Ebers mit Ramses (4. Mose 33,3) einerlei ist und sowohl Ramses II., dem Pharao der Bedrückung, als seinem Sohne Menephta, dem Pharao des Auszugs, wenigstens zeitenweise als Residenz gedient hat. Zoan war auch eine Hauptstadt des Landes Gosen und der Anfangspunkt des Auszuges der Kinder Israel.

5. Davon berichtet freilich die Geschichte nichts. Will Spurgeon so etwa einen Kern aus der späteren rabbinischen Dichtung herausschälen, dass der Fels sich dem Zuge Israels nach gewälzt habe. 1. Kor. 10,4 hat jedenfalls mit dieser rabbinischen Sage nichts zu tun; denn nicht von dem natürlichen, sondern von dem geistlichen Felsen (Christus) wird dort das Mitfolgen ausgesagt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps78

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17. Dennoch sündigten sie weiter wider ihn: sie überboten ihre früheren Missetaten, gerieten in immer größere Tiefen der Sünde. Je mehr sie empfingen, desto lauter schrien sie nach mehr und murrten, weil sie nicht jeden Genuss hatten, den ein verwöhnter, der gesunden Speise überdrüssiger Gaumen begehren konnte. Es war schlimm genug gewesen, als sie Gott nicht zugetraut hatten, dass er sie mit dem Notwendigen versorgen werde; aber sich gegen ihn aufzulehnen in gieriger Lust nach Überflüssigem, das war noch weit schlechter. Es ging da wie immer mit der Krankheit der Sünde: sie nimmt stetig an Bösartigkeit zu. Die Menschen werden das Sündigen niemals müde, sondern laufen immer schneller um die Wette dem Bösen nach. In dem vorliegenden Fall wurde Gottes Güte zu einem Grund, noch schlimmer zu sündigen, missbraucht. Hätte der HERR sich gegen sie nicht so freigebig bewiesen, so wären sie nicht so unverschämt geworden. Hätte er vordem nicht so viele Wunder für sie getan, so wären sie in ihrem Unglauben nicht so unentschuldbar, in ihrem Götzendienst nicht so üppig gewesen. Und erzürneten (Grundtext: empörten sich gegen) den Höchsten in der Wüste. Wiewohl sie in einer Lage waren, wo es so augenscheinlich hervortrat, wie gänzlich sie für alles auf den HERRN angewiesen waren, da sie sich ja in der Wüste befanden, die für ihren Lebensunterhalt schlechterdings nichts bot, waren sie doch so frech, sich gegen ihren Wohltäter aufzulehnen. Bald entflammten sie seine Eifersucht dadurch, dass sie falschen Göttern nachhingen, dann wieder reizten sie ihn zum Zorn, indem sie seine Macht herausforderten, seine Güte verunglimpften und gegen seinen Willen widerspenstig waren. Er floss über von freigebiger Liebe; so flossen sie über von Ungezogenheit. Sie waren vor allen anderen Völkern bevorzugt, übertrafen aber die andern an Schlechtigkeit. Für sie träufelte der Himmel Manna, und sie vergalten es mit Murren; der Fels gab ihnen Wasser in Bächen, und sie erwiderten es mit Strömen der Bosheit. Darin erkennen wir wie in einem Spiegel unser eigenes Bild: das Israel der Wüste stellt als in einem Drama die ganze Geschichte des Verhaltens des Menschen gegen seinen Gott dar.

18. Und versuchten Gott in ihrem Herzen. Er ward freilich nicht versucht, denn er kann von niemand versucht werden (Jak. 1,13); aber sie handelten in einer Weise, die darauf berechnet war, ihn zu versuchen, und es ist ja recht und billig, dem Menschen das zuzurechnen, was die offenbare Absicht seines Handelns ist. So kann ja auch Christus nicht abermals sterben, und doch kreuzigen ihn viele wiederum - denn dazu würde ihr Verhalten folgerichtig führen, wenn nicht andere Umstände diese Wirkung verhinderten. Das aufrührerische Geschlecht in der Wüste wünschte, dass der HERR sein weises Verfahren ändere, um ihre Launen zu befriedigen; darum heißt es von ihnen, sie hätten ihn versucht. Dass sie Speise forderten für ihre Seelen, d.h. für ihr Gelüsten. O ja, Gott sollte wohl gar ihr Hof-Furier werden, der jeden Augenblick bereitstünde, alles und jedes herbeizuschaffen, was der überreizte Gaumen der gnädigen Herren begehren mochte! Ihre Sünde begann im Herzen; aber es dauerte nicht lange, so machte sich das Übel auf der Zunge bemerkbar. Was sie erst stillschweigend gewünscht hatten, das forderten sie bald laut genug mit Drohungen Beleidigungen und Vorwürfen.

19. Aus diesem Vers ersehen wir, dass der Unglaube eine Lästerung Gottes ist. Sie redeten wider Gott. Aber wie? Indem sie sprachen: Ja, Gott sollte wohl können einen Tisch bereiten in der Wüste? Das Allvermögen eines solchen Gottes, der sich so offenbarlich als der Allmächtige erwiesen hat, in Frage stellen, heißt freventlich wider Gott reden. Diese Leute waren gemein genug zu sagen, dass Gott, obwohl er ihnen Brot und Wasser gegeben6, ihnen doch nicht regelrecht einen Tisch decken könne. Ja, dürftige Speise könne er ihnen wohl geben, aber nicht eine ordentliche Mahlzeit bereiten. Als ob das süße Himmelsbrot und das köstliche Wasser aus dem Felsen nur grobe Gefängniskost gewesen wäre! Ja, sie begehren etwa Besseres, einen regelrecht gedeckten Tisch, wie sie es in Ägypten gewohnt gewesen waren. O das herrliche Ägypten! Ach, haben wir nicht auch oft gegen die uns zuteil gewordenen Wohltaten allerlei einzuwenden gehabt und sehnlich nach irgendeinem eingebildeten Glück verlangt, indem wir das, was wir genossen, für nichts achteten, weil es nicht ganz mit unseren törichten Erwartungen übereinstimmte? Wer unzufrieden sein will, wird über die Vorsehung klagen, selbst wenn sie ihn täglich mit Wohltaten überhäuft.

20. Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser flossen und Bäche sich ergossen. Sie geben das, was er getan hat, zu, und doch verlangen sie in grenzenloser Unverständigkeit und Frechheit noch weitere Beweise seiner Allmacht. Aber wie kann er Brot geben und seinem Volk Fleisch verschaffen? Wenn sie geurteilt hätten: "Kann er das nicht auch tun?" so wäre ihr Schluss vernünftig gewesen; aber so sind ihre Fragen ganz unsinnig. Wie konnten sie nach all den Wundern der Allmacht, die sie erlebt hatten, es noch anzudeuten wagen, dass anderes über die göttliche Macht hinausgehe? Aber haben wir nicht auch in diesem Stück das sinnlose Gebaren jener nachgeahmt? Hat nicht jede neue Schwierigkeit neuen Unglauben erweckt oder uns wenigstens die Gefahr desselben nahe gebracht? Wir sind noch immer Toren und trägen Herzens, wenn es gilt, unserm Gott unbedingt zu vertrauen, und diesen Fehler sollten wir in tiefer Reue beklagen. Um dieser Ursache willen zürnt der HERR oft mit uns und züchtigt uns empfindlich, weil in dem Unglauben eine so schwere Herausforderung liegt.

21. Da nun das der HERR hörte, entbrannte er. Es war ihm nicht gleichgültig, was sie sagten. Er wohnte in ihrer Mitte in dem heiligen Zelt; sie beleidigten ihn demnach ins Gesicht. Er hörte nicht nur einen Bericht von dem, was sie sagten, sondern ihre Rede drang unmittelbar an sein Ohr. Und Feuer ging an in Jakob: das Feuer der göttlichen Entrüstung, das sich sichtbar und fühlbar in dem Lagerbrand kundgab (4. Mose 11,1-4). Und Zorn kam über Israel. Ob er sie im niederen oder im höheren Lichte, als Jakob oder als Israel betrachtete, so konnte er nicht anders als über sie im Zorn entbrennen. Schon vom rein menschlichen Standpunkt aus wären sie verpflichtet gewesen ihm zu glauben; vom Standpunkt des erwählten Volkes aber gab es für ihr schändliches Misstrauen keine Entschuldigung. Der HERR hatte das volle Recht, über die undankbare, grundlose und charakterlose Beleidigung erzürnt zu sein, welche darin lag, dass sie seine Macht in Frage stellten.

22. Dass sie nicht glaubten an Gott und hoffeten nicht auf seine Hilfe. Der Unglaube ist die größte Sünde. Wie Jerobeam, der Sohn Nebats, selber sündigte und Israel zur Sünde verführte, so ist der Unglaube an sich böse und ein Erzeuger vieles Bösen. Diese Sünde war es, welche dem alten Volke Israel das Gelobte Land verschloss, und sie schließt heute noch Tausende und aber Tausende vom Himmel aus. Gott ist bereit, zu helfen und zu retten, es gebricht ihm weder an Macht noch an Willigkeit dazu; aber der widerspenstige Mensch will seinem Helfer und Heiland nicht trauen, und damit ist er schon gerichtet. Unser Vers stellt die Sache so dar, als seien alle andern Sünden Israels nichts gewesen im Vergleich zu dieser; der Unglaube ist das eine, worauf der HERR hinweist, er ist die himmelschreiende Sünde, welche seinen Zorn besonders herausfordert. Daraus lerne jeder Ungläubige, über seinen Unglauben mehr als über alles andere erzittern. Ist er auch kein Ehebrecher oder Dieb oder Lügner, so möge er doch bedenken, dass es zu seiner Verdammnis ganz genügt, wenn er nicht an Gottes Heilsgnade glaubt.

23. Und er gebot den Wolken droben. Solch ein Wunder hätte allen Unglauben unmöglich machen müssen: wenn Wolken Kornkammern werden, da sollte sehen glauben heißen und müssten sich alle Zweifel auflösen. Und tat auf die Türen des Himmels. Die Tore des großen Himmelsspeichers wurden weit geöffnet und das Himmelskorn in Haufen hinabgeschüttet. Wer da nicht glauben wollte, musste in der Tat ein ganz verhärtetes Gemüt haben. Und doch - stellen wir uns nicht ähnlich? Auch uns zugute hat der HERR große Taten, ganz ebenso denkwürdig und unleugbar, gewirkt, und trotzdem werden wir von Misstrauen und bösen Ahnungen geplagt! Er hätte die Pforten der Hölle hinter uns zuschließen können, und stattdessen hat er uns die Tür des Himmels geöffnet: sollten wir nicht um deswillen ihm rückhaltlos vertrauen und seinen Namen preisen?

24. Und ließ das Man auf sie regnen, zu essen. Die Himmel troffen von Speise; ein Regen von Segen ergoss sich über sie. Die Speise war gut, nicht bloß zum Ansehen, sondern zum Essen; sie konnten sie so, wie sie gesammelt ward, essen. Wiewohl die Gabe geheimnisvoll war, so dass man sie Man nannte, nach dem Ausruf des Erstaunens man hu, d. h. "Was ist das?"7 in welchen die Israeliten beim ersten Erblicken derselben ausgebrochen waren (2. Mose 16,15.31), so war sie doch zur menschlichen Nahrung vorzüglich geeignet; und wie sie in reicher Fülle vom Himmel herabgeschüttet ward und ganz dem Bedürfnis des Volks entsprach, so war sie auch leicht zu erreichen. Die Israeliten brauchten das nährende Brot nicht aus weiter Ferne zu holen; es war ihnen ganz nahe, sie hatten es nur zu nehmen. Herr Jesus, du gesegnetes Himmelsmanna (Joh. 6,51; Off. 2,17), wie passt das doch alles auf dich! Wir wollen uns auch jetzt an dir laben als unserer geistlichen Speise und bitten dich, du mögest all den bösen Unglauben aus uns vertreiben. Unsere Väter aßen Manna und zweifelten; wir genießen dich und werden dadurch mit Glaubenszuversicht erfüllt. Und gab ihnen Himmelsbrot, eigentlich: Himmelskorn. Als freie Gabe, ohne Geld und umsonst, empfingen sie die köstliche Speise. Das Manna war rund von Gestalt, wie Koriandersamen, es war nahrhaft wie Getreide und konnte zu allerlei Backwerk verarbeitet werden, so dass es mit Recht Korn (Getreide) genannt werden konnte, und Himmelskorn hieß es, weil es nicht wie das gewöhnliche Brotgetreide aus der Erde wuchs, sondern aus den Wolken herabkam. Was wir aber vor allem zu beachten haben, ist, dass die Leute, welche dies große Wunder mit ihren Augen sahen und mit ihrem Gaumen schmeckten, hernach so sehr wie nur je zuvor geneigt waren, dem HERRN zu misstrauen.

Fußnoten
6. Spurgeon verwickelt sich hier, wie V. 20 beweist, in Widerspruch mit dem Psalm, weil er sich in allzu großer geschichtlicher Ängstlichkeit auf die chronologische Ordnung der hier in dichterischer Freiheit behandelten Begebenheiten versteift. Der Psalmist fasst augenscheinlich in V. 15 f. die beiden Wasserspendungen zu Raphidim (2. Mose 17) und zu Kadesch (4. Mose 20) und ebenso darauf in V. 18 ff. die beiden Gott versuchenden Forderungen nach Speise (2. Mose 16 und 4. Mose 11) zusammen, wiewohl die erstere derselben, auf welche die Speisung mit dem Manna erfolgte (2. Mose 16), der ersten Wasserspendung (2. Mose 17) zeitlich vorausging. Man vergl. auch, wie frei der Dichter nachher die ägyptischen Plagen behandelt.

7. Andere übersetzen: "Ein Geschenk ist das." Dazu stimmt, dass das natürliche Tamarisken-Manna bei den Arabern noch heute mann-es-semâ, Himmelsgeschenk, heißt. Der Ägyptologe Ebers führt den hebr. Namen auf das ägyptische mennu, Pflanzensaft, zurück; aber wenn diese Vermutung auch richtig sein sollte, ist das hebraisierte Wort doch davon unabhängig zu deuten. Es ist ja eine nicht vereinzelte Erscheinung, dass fremde Namen, in ähnlich lautende hebräische Form übergeführt, in dem israelitischen Bewusstsein ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren und nach der Wurzel des hebräischen Wortes, in welches sie umgebildet sind, gedeutet werden. Man vergleiche z. B. V. 51 den altägyptischen Namen des Nillandes Ham (kemi, das schwarze Land), ferner Mose, Babel usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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25. Brot der Starken, d. h. wohl (vergl. Ps. 103,20) der Engel, aß der Mensch. (Grundtext) Die leckersten Speisen königlicher Tafeln waren übertroffen, denn es gab Engelbrot zu essen. Das Brot der Starken fiel dem schwachen Menschen zu. Die Deutung des Ausdrucks ist freilich schwierig, da die Schrift sonst die Engel auch in der Poesie nicht als der Speise bedürftig erscheinen lässt. Engelbrot heißt das Manna demnach wohl als durch den Dienst der Engel dargereicht, oder weil es, als aus dem Himmel kommend, der Engel würdig gewesen wäre. Solches Himmelsbrot ward dem schwachen, sterblichen Menschen zuteil! Andere übersetzen (wie Luther 1524): Jedermann aß Engelbrot. Nicht für die Priester oder die Fürsten nur fiel das Manna nieder, sondern für alles Volk, für Männer, Frauen und Kinder. Und es war reichlich da für sie alle, denn er sandte ihnen Speise die Fülle. Wenn Gott ein Fest gibt, kargt er nicht: er stellt die beste Speise auf, und alles in Hülle und Fülle. Auch das Mahl, welches der Herr uns im Evangelium darbietet, verdient in jeder Beziehung das höchste Lob: der Tisch ist für jedermann gedeckt und die Speise ist köstlich; Gott selbst hat sie bereitet, er schickt sie, und er teilt sie aus, frei und umsonst. Wen Gott speist, der ist wohl versorgt; die Himmelskost ist vorzüglich und reichlich. Wer je geschmeckt hat, was uns in Christus bereitet ist, der hat Besseres als Engelbrot gekostet; denn kein Seraph hat je erfahren, was es ist um erlösende Gnade und Liebe bis in den Tod. Wir tun weise, von diesem Himmelsmanna zur vollen Sättigung zu essen; denn Gott hat es in solch unerschöpflicher Fülle gesandt, dass unserm Genießen keine anderen Grenzen gesteckt sind als die, welche in unserm Aufnahmevermögen liegen. Glückliche Pilgrime, die in der Wüste ihre Speise aus dem höchsteigenen Palast des Himmelskönigs zugesandt bekommen! Mögen sie sich an dem himmlischen Festmahl gütlich tun und die allgenügsame Gnade dessen preisen, welcher alle ihre Bedürfnisse in Christo Jesu in herrlicher Weise nach seinem Reichtum erfüllt (Phil. 4, 19).

26. Er ließ den Ostwind aufbrechen am Himmel. (Wörtl.) Er ist der Allherr, hoch erhaben auch über alle Geistermächte, die in der Luft herrschen; Stürme wehen, Unwetter brechen aus auf seinen Befehl. Die Winde schlafen, bis Gott sie aufweckt; dann antwortet jeder wie Samuel: "Siehe, hier bin ich! du hast mir gerufen" (1. Samuel 3,5). Und erregte (wörtl.: leitete, d. i. führte herbei) durch seine Stärke den Südwind. Entweder sind diese Winde aufeinander gefolgt, so dass sie die Vögel in der gewünschten Richtung trieben, oder sie bildeten zusammen einen Südostwind.8 In jedem Fall dienten sie der Absicht des HERRN und waren ein Beweis, wie erhaben und allumfassend seine Macht ist. Erfüllt der eine Wind nicht den Zweck, so tut es der andere; ja, wenn nötig, müssen beide zusammenwirken. Wir sprechen geringschätzig von der Veränderlichkeit der Winde; aber nach dem Gehorsam, welchen sie ihrem Meister leisten, verdienen sie ein besseres Beiwort. Wären wir nur halb so gehorsam wie sie, so stände es besser um uns.

27. Und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub, wie vorher schon Brot statt Feuers und Schwefels, wozu er ein Recht gehabt hätte. Die Worte zeigen die Schnelligkeit und die Fülle an, in der die Wachteln herabkamen. Und Vögel wie Sand am Meer: so unzählbar. Ungeheure Mengen dieser Wandervögel mussten sich, von Gottes Vorsehung geleitet, rings um die Zelte Israels niederlassen. Doch war es ein zweifelhafter Segen, wie das bei leichterworbenem übermäßigem Reichtum gemeiniglich der Fall ist. Der HERR bewahre uns vor Speise, die mit göttlichem Grimm gewürzt ist!

28. Und ließ sie fallen unter ihr Lager allenthalben, da sie wohneten.9 Sie brauchten nicht erst weit zu gehen. Sie hatten laut nach Fleisch gerufen; nun flog es ihnen fast in den Mund. Das war für den Augenblick freilich lustig. Sie wussten aber offenbar nicht, dass Gaben auch im Zorn gesandt werden können; sonst hätten sie gezittert bei dem Anblick all der guten Dinge, womit ihr Gelüst befriedigt ward.

29. Da aßen sie und wurden allzu satt. Gierig verschlangen sie die Vögel, sogar bis zur Übersättigung. Der HERR zeigte ihnen, dass er "seinem Volke Fleisch verschaffen könne" (V. 20) genug und übergenug. Er ließ sie aber auch erfahren, dass die Lust sich, sobald sie das Begehrte hat, in Enttäuschung und durch Übersättigung sogar in Ekel wandelt. Erst sättigt der heißbegehrte Genuss, dann erzeugt er Widerwillen und Übelkeit. Er ließ sie ihre Lust büßen, d. h.: er befriedigte ihr Gelüst. Sie sollten ihren Willen haben. Die Fleischspeise war ihnen nicht gesund; aber sie hatten danach geschrien, so bekamen sie sie und zugleich damit das Unheil. Mein Gott, lieber versage mir meine dringendsten Bitten, als dass du sie in Ungnade erhörest! Besser hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, als wohl gesättigt werden mit den Leckerbissen der sündlichen Lust.

30.31. Noch hatten sie sich von ihrem Gelüste (d. h. von dem Gegenstand desselben) nicht abgewandt, noch war ihre Speise in ihrem Munde, da kam der Zorn Gottes über sie. (Grundtext) Noch ehe sie die so begehrte Speise verdauen konnten, erwies sie sich ihnen verhängnisvoll. Kurz war die Lust, plötzlich kam das Gericht; das Fest endete in einem schauerlichen Massenbegräbnis. Und würgte unter ihren Wohlgenährten und schlug darnieder die Jünglinge Israels. (Wörtl.) Unter den Wohlgenährten (Feisten) mögen mit Luther (vergl. Ps. 22,30) die Vornehmen zu verstehen sein, oder aber die Rädelsführer, welche in den andern die Lüsternheit geweckt und sich dann selber mit den Wachteln mehr noch als alle andern den Bauch gefüllt hatten: sie traf die Strafe zuerst. Und auch die Jünglinge, die Kräftigsten, der Kern des Volkes, erlagen der Seuche. Gottes Strafgerechtigkeit kennt kein Ansehen der Person; die Hohen und Mächtigen verfallen ihr ebenso wohl wie die Schwachen und Geringen. Was jene auf Erden in sich fraßen, mussten sie in der Hölle verdauen, wie viele nach ihnen. Wie plötzlich starben sie dahin und sahen und fühlten doch kein Schwert! Wie grässlich war das Gemetzel, wiewohl kein Waffengeklirr ertönte! Ja, Leidenschaft schafft Leiden - wie wahr ist dieses Sprichwort! Sieh hier an einem furchtbaren Beispiel, wie gefährlich es ist, sich den Begierden zu ergeben: sie sind die Pförtner der Hölle. Mögen die Kinder Gottes den Hunger aus Erfahrung kennen lernen müssen, Gott liebt sie dennoch, und Lazarus ist sein Freund, ob er sich auch kümmerlich von Brosamen nähren muss; aber wenn Gott die Gottlosen auch fett macht, so verabscheut er sie doch, und der reiche Mann ist ein Verworfener, ob er auch alle Tage herrlich und in Freuden leben kann. Wir dürfen eines Menschen Glück nicht von seiner Speisekarte ablesen wollen; das Herz ist der Punkt, wohin wir schauen müssen. Der ärmste Hungerleider, der durch den Glauben die Anwartschaft auf das ewige Erbe hat, ist mehr zu beneiden als der feinste Schlecker der Welt. Es ist besser, Gottes Hündlein als des Teufels Schoßkind zu sein.

32. Aber über das alles (Grundtext: bei alledem) sündigten sie noch mehr. Züchtigungen rührten sie so wenig wie Wohltaten. Sie trotzten dem Zorne Gottes. Wiewohl sie am eigenen Leibe erfuhren, welch tödliches Gift die Sünde ist, ließen sie doch nicht davon, sondern schlürften weiter den süßen Taumelkelch, als ob er ein heilsamer Trank wäre. Wie passen die Worte doch auf so viele, die, obwohl sie so oft heimgesucht, auf das Krankenbett gelegt, in tiefen Kummer der bittere Armut geführt worden sind, doch in ihren bösen Wegen verharren, weder von Schrecken noch von Drohungen beeinflusst. Und glaubten nicht an seine Wunder. Ihr Unglaube war ein chronisches, ja ein unheilbares Leiden. Weder Gnaden- noch Gerichtswunder vermochten etwas bei ihnen. Sie konnten wohl zum Erstaunen, aber nicht zum Glauben gebracht werden. Beharren in der Sünde und Beharren im Unglauben gehen miteinander Hand in Hand. Wenn sie Glauben gehabt hätten, so hätten sie nicht der Sünde gefrönt, und wenn sie nicht durch die Sünde verblendet gewesen wären, so hätten sie geglaubt. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Glauben und der Handlungsweise eines Menschen. Wie kann, wer die Sünde liebhat, glauben? Und wie kann anderseits jemand, der ohne Glauben ist, von der Sünde lassen? Gottes Wege mit den Menschenkindern sind derart, dass in ihnen eine Kraft zur Überführung und Bekehrung liegt; aber die Natur des Menschen ist solcherart, dass sie sich durch sie nicht überführen und bekehren lassen will.

33. Darum ließ er ihre Tage in Nichtigkeit dahin schwinden. (Wörtl.) Ohne Glauben ist das ganze Leben eitel. In der Wüste hin und her wandern, das war wahrlich ein nichtiges Leben, nachdem der Unglaube ihnen das Gelobte Land auf immer verschlossen hatte. Es war in der Ordnung, dass diejenigen, welche nicht im Glauben und Gehorsam für den gottverordneten Lebenszweck leben wollten, nun ein zweckloses Leben führen und vor der Zeit sterben mussten, unbefriedigt und ungesegnet. Da sie ihre Tage ja in der Sünde vergeudeten, hatten sie wenig Grund sich zu wundern, als der HERR ihr Leben verkürzte und schwur, sie sollten nicht zu der Ruhe kommen, die sie verachtet hatten. Und mussten ihr Leben lang geplaget sein. Tag um Tag und Jahr um Jahr mussten sie mit endloser Mühsal in der Wüste umherziehen, ohne einen Hoffnungsschimmer, jemals bessere Tage zu sehen. Und das Ende war der schauerliche Tod. Nach dem Grundtext setzt diese Vershälfte die erste fort: und (ließ dahinschwinden) ihre Jahre in bestürzender Schnelle. Unzählige Gräber bezeichneten den Weg, den Israel gezogen war, und wenn jemand fragt: "Wer hat diese alle getötet?" so muss die Antwort lauten: "Sie konnten nicht hineinkommen um ihres Unglaubens willen." Und wenn wir über das Leben vieler schreiben müssen, es sei ein verfehltes, voll Verdruss und leer von Nutzen, so hat das ohne Zweifel darin seine Ursache, dass es vom Unglauben unterhöhlt und von Leidenschaften zerrüttet ist. Niemand führt ein so unfruchtbares und jämmerliches Dasein, als wer Gesicht und Sinne den Glauben untertreten und Vernunft und Begierden über die Gottesfurcht Herr werden lässt. Schnell genug gehen unsere Tage und Jahre schon nach dem gewöhnlichen Flug der Zeit dahin; aber der HERR kann machen, dass sie in einer noch betrübenderen Weise hinschwinden, dass sie nämlich gleichsam wegrosten, so dass wir das Gefühl haben, der Kummer verzehre unser Innerstes und zernage unser Leben wie der Krebs. Das war die Strafe des aufrührerischen Israels; gebe Gott, dass wir nicht gleiches erfahren!

Fußnoten
8. Häufig verteilt die hebräische Poesie rhythmisch auf beide Versglieder, was logisch zusammengehört. Davon liegt hier ein besonders auffälliges Beispiel vor. Der Wind, welcher die Wachteln herauftrieb, kam vom Meer herüber (4. Mose 11,31), d. i. vom Atlantischen Golf, war also ein Südostwind.

9. Grundtext: mitten in sein Lager, rings um seine Wohnung her. Das kann man auf Israel oder auf Gott beziehen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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34. Wenn er sie erwürgte, suchten sie ihn. Sie machten’s wie die Hunde, die, wenn sie durchgepeitscht sind, ihrem Herrn die Füße lecken. Sie waren nur gehorsam, solange sie die Geißel auf ihrem Rücken fühlten. Was sind das für harte Herzen, auf die nur der Tod noch Eindruck machen kann! Als Tausende um sie her starben, da wurden die Israeliten plötzlich religiös und wandten sich in Scharen der Tür der Stiftshütte zu, wie die Schafe, die in einen Haufen zusammenlaufen, wenn der schwarze Hund sie treibt, sich aber bald wieder zerstreuen und irregehen, wenn der Schäfer ihn fortpfeift. Und kehreten sich zu Gott, wörtl.10: und kehreten um und suchten Gott (ernstlich). Jetzt konnten sie nicht eifrig genug sein; sie beeilten sich, einer schneller als der andere, ihre Anhänglichkeit an ihren göttlichen König zu zeigen. "Als der Teufel krank ward, wollte er ein Mönch werden." Wer wollte nicht fromm sein, wenn die Seuche wütet? Dann sieht man das weiße Kreuz auf Türen, die vordem nie solch ein geweihtes Zeichen getragen haben. Selbst ganz ruchlose Menschen schicken nach dem Pfarrer, wenn sie im Sterben liegen. So zollen die Sünder unfreiwillig der Macht der Gerechtigkeit und Majestät Gottes ihre Huldigung; aber solch heuchlerische Unterwerfung hat in den Augen des erhabenen Richters wenig Wert.

35. Und gedachten, dass Gott ihr Hort ist. Die scharfen Schläge weckten ihr schlummerndes Gedächtnis auf. Die Heimsuchung führte sie zum Nachdenken. Sie lernten einsehen, dass sie ihr Vertrauen ganz und allein auf Gott setzen müssten, der allein ihre Zuflucht, ihr einiger fester Grund, ihr einziger unwandelbarer Freund gewesen war. Wie hatten sie das doch vergessen können? War daran das schuld, dass ihr Bauch so voll war von dem Fleisch, dass ihnen kein Raum mehr blieb, daneben noch geistliche Dinge zu verarbeiten? Und Gott, der Höchste, ihr Erlöser ist. Auch das hatten sie vergessen. Die erhobene Hand und der ausgestreckte Arm, die sie aus der Knechtschaft geführt hatten, waren ihrem geistigen Auge ganz entschwunden. Ach, du armseliger Mensch, wie rasch vergissest du deinen Gott! Schmach über dich, du undankbarer Wurm der Erde, dass du von Wohltaten schon wenige Tage, nachdem du sie empfangen hast, nichts mehr weißt! Ist denn nichts imstande, dir die Güte deines Gottes ins Gedächtnis einzuprägen, als wenn sie dir entzogen wird?

36. Und heuchelten ihm mit ihrem Munde. Auch ihr Bestes taugte nichts: ihr Kniebeugen war Heuchelei, ihr Beten Lüge. Lippendienst ohne Herzenshingabe muss Gott im höchsten Grad widrig sein. Andere Könige mögen Schmeicheleien gern hören; der König aller Könige hat einen Gräuel daran. Dass fleischlich gesinnten Menschen auch die härtesten Züchtigungen nur eine heuchlerische Unterwerfung abnötigen können, darin liegt ein klarer Beweis, wie überaus arglistig und bösartig das Menschenherz ist (Jer. 17,9) und dass die Sünde in unserm innersten Wesen eingewurzelt ist. Gib einem Tiger noch so viele Hiebe, du kannst ihn nicht in ein Lamm umwandeln. Mit Schlägen kann man den Teufel nicht aus der menschlichen Natur austreiben, wiewohl man einen anderen Teufel, die Heuchelei, hineinprügeln kann. Frömmigkeit, die in der dumpfen Luft des Kummers und der Hitze des Schreckens erzeugt worden ist, hat die Art der Pilze an sich: sie schießt schnell auf - "sie suchten eifrig wieder Gott" (V. 34) - ist aber auch nur ein schwammiges Gebilde schnell vergehender Gefühlsaufregung. Im Grundtext liegt der Sinn, dass sie Gott durch ihr frommes Geschwätz betören wollten, wie wenn er ein leichtgläubiger, mit glatten Worten schnell zu beredender Mensch wäre. Und logen ihm mit ihrer Zunge. Ihre gottseligen Reden waren Verstellung, ihr Lobpreisen reiner Wind, ihr Beten Betrug. Ihre oberflächliche Reue war ein zu dünnes Häutlein, um die tödliche Wunde der Sünde zu verdecken. Wir sehen daraus, dass wir auf die Bußbekenntnisse von Leuten, die im Sterben liegen, nicht viel geben dürfen, nicht einmal auf die Geständnisse anderer, wenn sie ihnen augenscheinlich nur durch knechtische Furcht erpresst werden. Jeder gemeine Dieb würde dem Richter Reue vorwimmern, wenn er dächte, dass der Hüter des Gesetzes dadurch bewogen werden könnte, ihn ungestraft ausgehen zu lassen.

37. Aber ihr Herz war nicht fest an ihm. Ihre Reue ging nicht tiefer als in die Haut, ihre Umkehr war nicht Herzenssache; darum waren sie veränderlich wie der Wetterhahn, jeder Wind drehte sie. Und hielten nicht treulich an seinem Bunde. Kaum hatten sie ein Versprechen gemacht, so war es auch schon gebrochen, als ob sie mit dem Geloben nur Spott getrieben hätten. Die guten Vorsätze kehrten in ihre Herzen ein wie Leute in ein Wirtshaus: sie verweilten einen Augenblick und gingen dann wieder.11 Heute brannten sie vor Eifer, heilige Leute zu werden; am andern Morgen war ihnen das höchst gleichgültig. Sie wechselten die Farbe wie der Delphin, schlugen von Verehrung in Empörung, von Dankbarkeit in Murren um. An einem Tage gaben sie ihr Gold her, damit Jehova die Stiftshütte erbaut werde, und am nächsten Tage rissen sie ihre Ohrringe ab, dass man daraus ein goldenes Kalb mache. Wahrlich, das Menschenherz ist ein Chamäleon. Proteus konnte sich nicht so oft verwandeln. Wie man im Fieber bald brennt, bald friert, so geht es unbeständigen Naturen mit ihrer Religiosität.

38. Er aber war barmherzig und vergab die Missetat und vertilgte sie nicht. Wiewohl sie von Heuchelei erfüllt waren, blieb er doch voller Barmherzigkeit und hatte darum Mitleid mit ihnen. Nicht weil sie sich so gut verstellen, so kläglich jammern, so bußfertig schwatzen konnten, sondern weil er wirklich mit ihnen Erbarmen hatte, übersah er ihre Herausforderungen. Und wandte oft seinen Zorn ab. Selbst wenn sein Grimm schon heraufzog wie ein Unwetter, wandte er ihn, dass er nicht über sie losbrach. Siebenzigmal siebenmal vergab er ihnen ihre Beleidigungen und Missetaten. Er war langsam, ja wahrlich sehr langsam zum Zorn. Das Schwert war oft schon gezückt und blitzte in der Luft; doch ward es wieder in die Scheide gesteckt, und das Volk blieb am Leben. Wiewohl unser Psalm nicht davon spricht, wissen wir doch aus der Geschichte, dass ein Mittler dazwischen kam: Mose trat in den Riss. So fleht auch zur heutigen Stunde Jesus für die Sünder und wendet den göttlichen Zorn von ihnen ab. Mancher unfruchtbare Feigenbaum bleibt noch stehen, weil der Weingärtner bittet: "Herr, lass ihn noch dies Jahr!" Und ließ nicht seinen ganzen Zorn gehen. Hätte er all seinen Grimm aufgeboten, so hätten sie sämtlich in einem Augenblick umkommen müssen. Denn wenn sein Grimm nur ein wenig entbrennt, so werden die Menschen schon wie Spreu von den Flammen verzehrt; ließe er aber seine Zornglut sich zu voller Stärke erregen, so würde die Erde selbst schmelzen und die Hölle die Aufrührer alle verschlingen. Wer erkennt die Stärke deines Zornes, HERR? (Ps. 90,11.) Wir sehen etwa die Fülle des Erbarmens Gottes, aber nie seinen ganzen Zorn.

39. Denn er gedachte, dass sie Fleisch sind. Hatten sie Gottes vergessen, so gedachte er ihrer doch. Er wusste, dass sie aus irdenem, gebrechlichem und vergänglichem Stoff gemacht waren, und verfuhr darum sacht mit ihnen. Wiewohl er darin keine Entschuldigung für ihre Sünden erblicken konnte, so benutzte er es doch als einen Grund, Erbarmen walten zu lassen. Ein Wind (oder Hauch), der dahinfähret und nicht wiederkommt. Der menschliche Lebensgeist und der Wind (das Hebräische hat für Geist und Wind nur ein Wort) sind in dem Stück einander gleich: sie fahren beide dahin und können nicht zurückgerufen werden. Was für ein Nichts ist unser Leben! Wie gnädig aber ist es vom HERRN, dass er die menschliche Nichtigkeit als einen Grund ansieht, seinem gerechten Zorne Einhalt zu tun!

40. Wie oft erzürneten sie ihn in der Wüste. Ja, oft genug gingen sie empörerisch gegen ihn an: sie waren so beharrlich im Herausfordern Gottes wie er in der Geduld. Und wir selbst - wer mag die Menge seiner Verschuldungen zählen? Was für ein Buch könnte all die Fälle von Widerspenstigkeit und Auflehnung wider Gottes Willen und Wege aufzählen, die unser Leben aufweist? In der Wüste trat es so augenscheinlich hervor, wie abhängig das Volk von Gott war, wie völlig hilflos ohne seine ständige Fürsorge; dennoch verwundeten sie die Hand, die ihnen die Nahrung darbot, und zwar während sie das tat. Ist zwischen ihnen und uns keinerlei Ähnlichkeit? Treibt es uns nicht die Tränen ins Auge, wenn wir uns selbst hier wie in einem Spiegel sehen? Und entrüsteten (oder: betrübten) ihn in der Einöde. Ihr fortwährendes Reizen Gottes hatte seine Wirkung. Gott war nicht gefühllos dagegen; er ward dadurch betrübt, gekränkt, entrüstet. Seine Heiligkeit konnte an ihrer Sünde, seine Gerechtigkeit an ihrem ungerechten Wesen, seine Wahrhaftigkeit an ihrer Falschheit keinen Gefallen finden. Was muss das sein, den Gott der Liebe zu kränken! Und doch haben auch wir den heiligen Geist oft betrübt, und er hätte sich längst von uns entzogen, wenn er ein Mensch und nicht Gott wäre. Wir leben in der Wüste, wo wir unseren Gott sehr nötig haben; lasst sie uns nicht zu einer Einöde voll bleichender Gebeine machen dadurch, dass wir Gott betrüben und entrüsten.

41. Sie wandten sich um und versuchten Gott. (Luther 1524 und die englische Bibel.) Ihre Herzen schmachteten und seufzten nach Ägypten und seinen Fleischtöpfen. Immer wieder wandten sie sich zu ihren alten Wegen, sooft sie auch durch Gottes scharfe Zuchtrute aus ihnen herausgetrieben worden waren. Sie hielten nie den geraden Weg ein, sondern liebten die Schleichwege und krummen Pfade. - Wir übersetzen besser, wie auch Luther später: Sie versuchten Gott immer wieder. Einmal Gott versuchen ist schlimm genug; sie taten aber immer wieder ihr Möglichstes, in sündhafter Weise Gott auf die Probe zu stellen. Seine Wege waren gut; indem die Israeliten sie geändert zu sehen begehrten, versuchten sie Gott. Sie wollten immer aufs Neue erst Zeichen sehen, ehe sie glauben könnten; sie forderten, der HERR solle dies tun und jenes tun, und taten, als ob sie ihn durch Liebkosen und Schmeicheln zum gefügigen Werkzeug ihrer Gelüste machen könnten. Wie gotteslästerlich war das! Lasst uns aber auch Christus nicht versuchen, damit wir nicht wie jene umgebracht werden durch den Verderber. (1. Kor. 10,9 f.) Und meisterten12 (wohl besser mit Luther 1524: reizeten) den Heiligen in Israel. Sie bezweifelten seine Macht, indem sie ihr nach ihrem Dünken Grenzen setzten; sie machten seiner Weisheit Vorschriften: reizten sie ihn nicht durch solches Meistern? Gott einen Weg vorschreiben wollen ist anmaßende Gottlosigkeit. Was Gott tut muss recht sein, der Bundesgott Israels kann nicht anders als wahrhaftig und treu sein; darum ist es eine entrüstende Frechheit, ihm zu sagen: Du musst dies oder das tun, sonst bete ich dich nicht an. So lässt sich der Ewige nicht von seinem ohnmächtigen Geschöpf am Strick führen. Er ist Herr und wird tun, was ihn gut dünkt.

Fußnoten
10. Das "sie kehrten um" wird von den einen als selbständiger Begriff gefasst: "sie bekehrten sich und suchten Gott", von den andern als Umschreibung des Begriffs wiederum, wie sonst so häufig im Hebr., vergl. V. 41. übersetzen wir: ernstlich suchen; Luther und die engl. Bibel haben es nach den LXX als Denominativ. von, Morgenröte, gefasst: und kehreten sich frühe zu Gott.

11. Man nimmt in den englischen Wirtschaften meist "Standseidel".

12. haben manche Alte nach Hes. 9,4, wo es ein Zeichen machen bedeutet, hier erklärt: Gott Grenzen setzen, danach Luther: meistern, die englische Bibel: beschränken. Andere wie notare: beschimpfen. Vermutlich ist es nach dem Aramäischen zu erklären: betrüben, kränken. So die LXX und Luther 1524: reizen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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42. Sie gedachten nicht an seine Hand
des Tages, da er sie erlösete von den Feinden;
43. wie er denn seine Zeichen in Ägypten getan hatte
und seine Wunder im Lande Zoan;
44. da er ihr Wasser in Blut wandelte,
dass sie ihre Bäche nicht trinken konnten;
45. da er Ungeziefer unter sie schickte, das sie fraß,
und Frösche, die sie verderbeten,
46. und gab ihre Gewächse den Raupen
und ihre Saat den Heuschrecken;
47. da er ihre Weinstöcke mit Hagel schlug
und ihre Maulbeerbäume mit Schloßen;
48. da er ihr Vieh schlug mit Hagel
und ihre Herden mit Wetterstrahlen;
49. da er böse Engel unter sie sandte in seinem grimmigen Zorn
und ließ sie toben und wüten und Leid tun;
50. da er seinen Zorn ließ fortgehen
und ihrer Seele vor dem Tode nicht verschonte und übergab ihr Leben der Pestilenz;
51. da er alle Erstgeburt in Ägypten schlug,
die Erstlinge ihrer Kraft in den Hütten Hams,
52. und ließ sein Volk ausziehen wie Schafe
und führte sie wie eine Herde in der Wüste.
53. Und er leitete sie sicher, dass sie sich nicht fürchteten;
aber ihre Feinde bedeckte das Meer.


Diese Verse enthalten die schwere Anklage, Israel habe auch der Wunder vergessen, unter denen seine Befreiung aus Ägypten erfolgt war.

42. Sie gedachten nicht an seine Hand, obwohl es schwer sein musste, sie zu vergessen. Es muss eine außerordentliche Anstrengung erfordert haben, solche Erweise der göttlichen Macht, die Ägypten und sogar die entfernten Kanaaniter (vergl. Jos. 2,9 ff.) vor Staunen und Schrecken erstarren ließ, von den Tafeln des Gedächtnisses auszulöschen. Es wird wohl gemeint sein, dass sie die Machttaten Jehovas nicht sowohl im Kopf als im Herzen, nicht theoretisch, aber in ihrem praktischen Verhalten vergessen hätten. Wer den schuldigen Dank zu erstatten versäumt, dem wirft man mit Recht vor, dass er die Pflicht der Dankbarkeit vergesse. (Sie gedachten nicht) des Tages, da er sie erlösete von den Feinden. Der Tag stand nicht mehr in ihrem Kalender - obwohl sie das Jahr von dem Monat des Auszugs an rechneten. Es ist seltsam, welche Fähigkeit das menschliche Gedächtnis besitzt im Vergessen nicht minder als im Behalten. Die Sünde verkehrt die Kräfte und Gaben des Menschen; sie macht, dass sie nur nach falschen Richtungen wirksam werden und für rechte Zwecke so gut wie tot sind.

43. Wie er denn (oder: da er) seine Zeichen in Ägypten getan (wörtl.: hingestellt) hatte. Die Plagen waren Zeichen der Gegenwart Jehovas und Beweise seines Hasses gegen den Götzendienst. Diese lehrreichen Machttaten geschahen offen vor aller Augen, wie Signale, die man aufhisst, damit sie von jedermann, nah und fern, gesehen werden. Und seine Wunder im Lande Zoan. Mitten in der berühmten alten Stadt, und nicht nur dort, sondern weit umher in ihrem Gebiet, mitten unter dem stolzen Volk der Ägypter hatte Jehova Wunder getan. Diese denkwürdigen Taten hätten die Israeliten nie vergessen dürfen; waren sie doch das bevorzugte Volk, zu dessen Erlösung sie alle geschehen waren.

44. Da er ihr Wasser (ihre Ströme) in Blut wandelte.13 Die Gewässer des Nils hatten dazu herhalten müssen, die neugeborenen hebräischen Kindlein umzubringen, und nun verraten sie sozusagen das Verbrechen - sie erröten ob der Schandtat und rächen sie an den Mördern. Der Nil mit seinen zahlreichen Kanälen war gleichsam das Adernetz Ägyptens, in welchem das Lebensblut des Landes strömte; aber auf Gottes Geheiß ward er ein Fluchstrom, der die Strafe über das ganze Land ergoss. Jeder Tropfen dieser Flut war ein Schrecken, zum Trinken Gift, zum bloßen Anschauen entsetzlich. Wie schnell könnte der Allmächtige das gleiche mit der Themse oder der Seine, der Spree oder der Donau, dem Rhein oder der Newa tun! Zuweilen hat er es solchen, die er als Geißeln gebrauchte, zugelassen, Flüsse rot zu färben mit dem Blut der Erschlagenen, und das ist ein ernstes Gericht; aber dieses Ereignis dort in Ägypten war geheimnisvoller, allgemeiner und vollständiger und muss daher eine Plage ersten Grades gewesen sein. Und ihre Bäche, dass sie nicht trinken konnten. (Grundtext) Die Nebengewässer des Nils, die Bäche und Kanäle, mussten ebenfalls den Fluch verbreiten. Gott tut nichts halb. Ganz Ägypten war stolz auf das süße Wasser seines Stroms; aber nun erregte es ihnen mehr Ekel, als vordem Behagen und Wohlgenuss. Unsere Vorzüge können sich schnell genug in Quellen des Jammers, unsere Genüsse in Schrecknisse verwandeln, wenn der HERR sich anschickt, uns seinen Zorn fühlen zu lassen.

45. Da er Ungeziefer unter sie schickte, das sie fraß. Kleine Tierlein werden große Plagegeister. Wenn sie in Massen schwärmen, können sie einen Menschen stechen, dass er daran stirbt, und es gibt winzige Tierchen, die mit vereinten Kräften einen ganzen Menschen auffressen. Denken wir an die Ameisen oder gar an die Bazillen. Es ist hier die vierte ägyptische Plage gemeint, welche Luther und die englische Bibel nach hebräischen Auslegern von allerlei Ungeziefer verstehen. Ein schreckliches Heer von allerlei Waffengattungen, das da unter einem Banner focht! Voller Wut und Blutgier stürmten die unzählbaren Scharen daher und quälten die Sünder Ägyptens ohne Erbarmen. Die kleinlichsten Plagen sind oft die größten. Die griechischen Dolmetscher (der Septuaginta), die ja in Ägypten lebten, verstanden das Wort von der Hundsfliege, einem nach Blut und Fleisch sehr gierigen Insekt, unseren Bremsen verwandt. Welches Schwert, welcher Speer vermögen gegen diese zahllosen Räuberhorden anzukämpfen? Hilflos war der mächtige Herrscher Ägyptens ihnen preisgegeben, weder Purpur noch Rüstung schützten ihn; die kleinen Kannibalen verfuhren mit dem fürstlichen Leib nicht nachsichtiger als mit dem gewöhnlicher Sterblichen: er hatte dasselbe Blut in sich, dieselbe Schuld auf sich. Wie groß ist der Gott, der so durch das winzigste Geschöpf den allgewaltigsten Herrscher lahmlegen kann! Und Frösche, die sie verderbeten. Diese ekelhaften Tiere wimmelten überall umher, bis die Leute sterbenskrank wurden von ihrem bloßen Anblick; und als das Geschmeiß tot war, ging von den überall zusammengeschaufelten Haufen ihrer Kadaver ein solcher Fäulnisgestank aus, dass eine Pestseuche drohte. So sandten nicht nur Erde und Luft zahllose Heere von schrecklicher Behendigkeit und unwiderstehlicher Siegeskraft aus, auch das Wasser ließ seine grausigen Hilfstruppen dazu stoßen. Es war, als hätte der Nil sich erst in einen ekelhaften Pfuhl verwandelt und dann sein Bett gar verlassen, in Frosch- und Krötengestalt über Gärten und Felder, in Hütten und Paläste, in die Schlafkammern und die Betten, in die Backöfen und die Brotteige, auf Fürsten und Bettler hüpfend. Die Sterblichen, welche mit dem Allmächtigen streiten, haben wenig Ahnung davon, was für Pfeile er in seinem Köcher hat. Erstaunliche Sünden werden mit erstaunlichen Strafen heimgesucht.

46. Und gab ihre Gewächse den Raupen (wörtl.: dem Abfresser, womit eine Heuschreckenart gemeint ist) und ihre Saat (wörtl. Luther 1524: was sie gearbeitet hatten, den Ertrag ihrer Felder) den Heuschrecken. Verschiedene Arten von Heuschrecken verzehrten alles, dass nichts Grünes übrigblieb an Bäumen und Feldfrüchten in ganz Ägyptenland. Was die einen nicht fraßen, vertilgten die andern. Alles, was die Ägypter von der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens und ihrer mühsamen Arbeit als Ertrag einzuheimsen hofften, sahen sie vor ihren Augen von einer unersättlichen Menge verzehrt, gegen deren Verheerungen keine Waffe zu finden war. Man beachte in den vorliegenden Versen, dass der HERR dies alles tat; es heißt: er schickte, er gab, er schlug usw. Was immer als Mittel und Werkzeug dienen mag, die Hand des HERRN ist in jeder nationalen Heimsuchung selber tätig.

47. Da er ihre Weinstöcke mit Hagel schlug. Nicht mehr wird dein Mundschenk, o Pharao, die Trauben dir in deinen Becher zerdrücken. (1. Mose 40,11.) Die jungen, fruchttragenden Schößlinge sind abgebrochen, der Weinberg trägt auch nicht eine edle Traube mehr. Und ihre Maulbeer(feigen)bäume mit Schlossen. Das nur hier vorkommende Wort des Grundtextes wird nach manchen Alten wohl von schweren Hagelsteinen zu deuten sein; denn wir stehen an der siebenten Plage. Doch übersetzen es andere, wie auch Luther 1524, mit den meisten alten Übersetzungen Frost oder Reif. Frost war in Ägypten etwas ganz Außergewöhnliches; aber Jehova bindet sich nicht an die ja von ihm selber frei geordneten Naturgesetze, wenn die Menschen sich nicht an seine Sittengesetze gebunden achten. Die Früchte des Maulbeerfeigenbaums, eines der verbreitetsten Bäume Ägyptens, spielten in der Ernährung der breiten Volksschichten eine bedeutende Rolle. Von den Reichen wurde die nicht sehr würzige, etwas holzige Frucht dagegen wenig genossen, jedenfalls weniger als die Frucht der Reben. So war denn die Vernichtung dieser Bäume mehr ein Schlag für die Armen, während der schwere Hagelschaden an den Weinstöcken vornehmlich die Reichen traf. Siehe, wie die Himmel, ihrem Herrn gehorsam, ihren Hagelvorrat ausschütten, und wie das unbeständige Wetter dem göttlichen Willen dienstbar ist!

48. Da er ihr Vieh dem Hagel preisgab. (Wörtl.) Was für ein Hagel muss das gewesen sein, der Kraft genug hatte, Ochsen und Stiere niederzuschmettern! Für gewöhnlich bewahrt Gott die Tiere vor solchem Schaden; hier aber entzog er ihnen seinen Schutz und gab sie der Vernichtung anheim. Möge der HERR uns nie so dem Untergang preisgeben! Und ihre Herden den Wetterstrahlen. Hagel und Feuer fuhren untereinander; das Feuer schoss auf die Erde, sagt der Bericht 2. Mose 9,23 f. Alles Kleinvieh ward getötet. Was für ein Unwetter muss das gewesen sein! Die Wirkung auf die Reben und Bäume war schrecklich genug; aber der Anblick der vielen erschlagenen Tiere muss herzbrechend gewesen sein! Das waren Herzen von Stein, die unter solchen Schlägen nicht weich wurden, und härter noch als ein Diamant die Herzen derer, welche in späteren Jahren alle diese Gottestaten vergaßen und Jehova treubrüchig wurden.

49. Da er wider sie entsandte die Glut seines Zornes, Entrüstung und Grimm und Drangsal. (Wörtl.) Sein letzter Pfeil war der schärfste. Er sparte den starken Wein seines Zornes bis zuletzt auf. Man beachte, wie der Psalmist die Worte häuft. Es folgte Schlag auf Schlag, jeder heftiger als der vorhergehende, und der schrecklichste war bis zum Ende aufbehalten. Eine Schar (eigentlich: Aussendung) schädlicher Engel. (Wörtl.) Unglück bringende Boten traten um Mitternacht in die Häuser der Ägypter und schlugen ihre teuersten Lieblinge nieder. Die Engel waren ihnen verderbenbringend, wiewohl sie an sich gut waren. Dieselben Gesandten Gottes, welche für die Erben der Seligkeit Diener der Gnade sind, sind für die Erben des Zornes die Scharfrichter der unerbittlichen Gerechtigkeit. Wenn Gott Engel sendet, kommen sie unfehlbar, und wenn er ihnen Befehl gibt zu töten, so kennen sie kein Verschonen. Siehe, wie die Sünde alle Mächte des Himmels in Schlachtordnung stellt gegen den Menschen; im ganzen Weltall bleibt ihm kein Freund, wenn er Gott zum Feind hat.

50. Da er seinen Zorn ließ fortgehen, wörtl. (Luther 1524): da er seinem Zorn einen Weg machte. Nachdem Gott durch Zerstörung ihres Eigentums ihre Außenwerke angegriffen hatte, ging er nun wie durch eine Mauerbresche in die innere Festung und auf die Ägypter selber los. Erst brachte er sie um alle Annehmlichkeiten und Bedürfnisse des Lebens, dann führte er gegen ihr Leben selbst den Schlag. Nichts konnte ihm den Weg versperren; er machte einen Platz frei, auf welchem er den Urteilsspruch an seinen Widersachern vollstrecken konnte. Und ihrer Seele vor dem Tode nicht verschonte und übergab ihr Leben der Pestilenz. In ihrer Seele war die Quelle ihrer Sünde; so verfolgte er die Sünde denn bis zu ihrem Ursprung und schlug sie dort. Der schwarze Tod zog durchs Land und füllte es mit Gräbern. Jehova teilte Tausende von Todesstreichen aus, und Unzählige mussten darob ihren Geist ausgeben.

51. Da er alle Erstgeburt in Ägypten schlug. Nicht eine Ausnahme ward gemacht: der gewaltige Herrscher musste ebenso um seinen Erben trauern wie die Sklavin, die an der Handmühle saß. (2. Mose 11,5.) Sie hatten sich an Jehovas erstgeborenem Sohne vergriffen; so schlug er ihre Erstgeborenen. (2. Mose 4,23; Hos. 11,1.) Die Erstlinge ihrer Kraft in den Hütten Hams. Der Tod schwang seine Sense hoch über das Feld und schnitt damit die höchsten Blumen ab. Jede einzelne der Hütten Hams erfuhr ihre besondere Trauer, und die Ägypter mussten nun wohl oder übel mit dem Kummer mitfühlen lernen, den sie so erbarmungslos über die Wohnungen Israels gebracht hatten. So kommen die Flüche wie die Tauben immer wieder heim. Unterdrücker werden in ihrer eigenen Münze bezahlt, und ohne einen Pfennig

Fußnote
13. Die Aufzählung der Plagen beginnt hier mit der ersten und schließt V. 49-51 mit der letzten, der Tötung der Erstgeburt, greift aber zwischen diesen beiden folgende heraus: die vierte (Hundsfliegen), die zweite (Frösche), die achte (Heuschrecken) und die siebente (Hagel). Die freie Anordnung lässt die Plagen vom niederen unorganischen durch die Gewächse und das Vieh zu den Menschen aufsteigen.


Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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52. Und ließ sein Volk ausziehen wie Schafe. Der unvermittelte Übergang ist auffallend und malt trefflich den grellen Gegensatz zwischen dem Geschick Israels und der Ägypter, den das Volk nie hätte vergessen sollen. Die Wölfe wurden haufenweise erschlagen, die Schafe sorgsam gesammelt und herrlich errettet. Die Rollen wechselten; die armen Fronarbeiter stiegen plötzlich zu hohem Ansehen, während ihre Bedrücker vor ihnen gedemütigt wurden. Israel zog in geschlossenen Haufen aus wie eine Herde. Sie waren an und für sich so hilflos wie Schafe; aber unter ihrem allmächtigen Hirten waren sie ganz sicher. Sie verließen Ägypten so gemächlich, wie eine Schafherde von einer Weide zur andern zieht. Und führte sie wie eine Herde in der Wüste. Ihnen war der Weg völlig unbekannt; doch wurden sie recht geleitet, denn ihr allwissender Führer kannte jedes Fleckchen der Wüste. Zum Meer, durchs Meer und vom Meer weg führte der HERR seine Auserwählten, während ihren früheren Peinigern Mut und Kraft zu sehr gebrochen waren, als dass sie sie noch hätten belästigen dürfen.

53. Und er leitete sie sicher, dass sie sich nicht fürchteten. Wohl bekamen sie erst einen Schrecken, als sie sich von ihren alten Feinden und Bedrückern verfolgt sahen; aber bald nahmen sie sich ein Herz und wagten sich kühn in das Meeresbett und hernach in die menschenleere Wüste. Aber ihre Feinde bedeckte das Meer. Sie waren weg, hinweg für immer; nie wieder sollten sie die Flüchtlinge stören. Jener furchtbare Schlag schützte die Israeliten aufs wirksamste vierzig Jahre lang vor jedem weiteren Versuch der Ägypter, sie in das Land zurückzutreiben. Ägypten fand den Stein zu schwer; es ließ ihn gerne liegen. Gepriesen sei der HERR, der sein auserwähltes Volk mit so nachhaltiger Wirkung befreite!
Welch großartige Geschichte ist es doch, die wir da jetzt betrachtet haben! Händel, der gewaltige Meister heiliger Musik, tat einen guten Griff, als er "Israel in Ägypten" zum Gegenstand einer seiner genialen Tonschöpfungen wählte, und jedes gläubige Gemüt tut wohl daran, sinnend bei jedem einzelnen Akt des wunderbaren göttlichen Schauspiels zu verweilen, das sich dort in Zoan und am Schilfmeer abspielte. Unbegreiflich ist, wie das so hoch bevorzugte Volk so dahinleben konnte, als ob das alles es nichts anginge; und doch, so ist die menschliche Natur. Ach, du armer Mensch! oder vielmehr: Pfui, du gemeines Herz!

54. Und er brachte sie zu seiner heiligen Grenze,
zu diesem Berge, den seine Rechte erworben hat,
55. und vertrieb vor ihnen her die Völker
und ließ ihnen das Erbe austeilen
und ließ in jener Hütten die Stämme Israels wohnen.
56. Aber sie versuchten und erzürneten Gott, den Höchsten,
und hielten seine Zeugnisse nicht
57. und fielen zurück und verachteten alles wie ihre Väter
und hielten nicht, gleich wie ein loser Bogen,
58. und erzürneten ihn mit ihren Höhen
und reizeten ihn mit ihren Götzen.
59. Und da das Gott hörte, entbrannte er
und verwarf Israel gar,
60. dass er seine Wohnung zu Silo ließ fahren,
die Hütte, da er unter Menschen wohnte;
61. und gab seine Macht ins Gefängnis
und seine Herrlichkeit in die Hand des Feindes
62. und übergab sein Volk ins Schwert
und entbrannte über sein Erbe.
63. Ihre junge Mannschaft fraß das Feuer,
und ihre Jungfrauen mussten ungefreiet bleiben.
64. Ihre Priester fielen durchs Schwert,
und waren keine Witwen, die da weinen sollten.
65. Und der Herr erwachte wie ein Schlafender,
wie ein Starker jauchzet, der vom Wein kommt,
66. und schlug seine Feinde zurück
und hängte ihnen eine ewige Schande an.


Wir folgen nun wieder der Kette der Ereignisse und sehen, wie Israel in das Gelobte Land einzieht - um dort seine Torheiten zu wiederholen und seine Missetat zu vergrößern!

54. Und er brachte sie zu seiner heiligen Grenze. Er ließ sie auf der Wanderung zu ihrem verheißenen Erbland nicht halbwegs stecken, sondern schützte und leitete das Volk mit seiner Macht und Weisheit, bis die Palmen von Jericho jenseits des Jordans sichtbar wurden. Und auch dann verließ er sie nicht, sondern führte sie treulich, bis zu diesem Berge, den seine Rechte erworben hatte. Unter dem Berge kann das ganze heilige Gebirgsland verstanden werden, und so ist das Wort wohl in der prophetischen Grundstelle unseres Verses, 2. Mose 15,17, zu verstehen. Hier mögen wir aber auch an den Berg Zion insbesondere denken. Diesen hatte der HERR schon vorbildlich als sein Eigentum erworben durch die Opferung Isaaks, das treffende Sinnbild des größeren Opfers, welches zu seiner Zeit dort gebracht werden sollte. Diesen Berg hatte Jehova aber auch durch Gewalt erobert, als seine Rechte die Helden Israels stark machte, die Jebusiter zu schlagen und den heiligen Hügel den höhnenden Kanaanitern zu entreißen. So werden Gottes Auserwählte den sichern Schutz des Herrn der Heerscharen genießen bis zu dem Grenzland des Todes und durch den Strom hindurch bis zu dem Berge des HERRN in der Herrlichkeit. Das erkaufte Volk wird das erkaufte Erbe sicher erreichen.

55. Und vertrieb vor ihnen her die Völker. Nicht nur wurden feindliche Heere geschlagen, sondern ganze Völker vertrieben. Die Missetat der Kanaaniter war voll; das seit langem morsche Gebäude brach zusammen. Darum verschlang das Land seine Bewohner, Hornisse quälten sie, Pestilenz vernichtete sie, und das Schwert der Stämme Israels vollendete das Gericht, zu welchem die so lange schon herausgeforderte himmlische Gerechtigkeit sie jetzt bestimmt hatte. Der HERR war der eigentliche Eroberer Kanaans. Er warf die Einwohner heraus, wie Menschen den Unrat aus ihren Häusern; er entwurzelte sie, wie der Landmann schädliches Unkraut ausreißt. Und verloste sie (d. h. ihr Land) als zugemessenes Erbteil. Er verteilte das Land der Heviter, Pheresiter, Jebusiter, und wie die Völker alle hießen, mit Los und Messschnur unter die Stämme Simeon, Juda, Ephraim usw. Unter den dem Vertilgungsgericht verfallenen Völkern gab es nicht nur Riesen an Gestalt und Kraft, sondern auch Riesen an Lasterhaftigkeit. Diese Ungeheuer von Bosheit hatten die Erde zu lang schon geschändet; es war Zeit, dass ihnen die Möglichkeit genommen wurde, weiter den unnatürlichen Lastern zu huldigen, um derentwillen sie berüchtigt waren. Darum traf sie das Verhängnis, Land und Leben durch die Hand der Israeliten zu verlieren. Die Austeilung des verfallenen Landes geschah nach göttlicher Bestimmung. Es war kein wildes Ansichreißen fremden Gebietes (wie die berüchtigten Verteilungen der Indianer-Territorien), sondern eine gerichtliche Zuteilung von Ländereien, welche der Krone dadurch verfallen waren, dass die Besitzer ihr Leben verwirkt hatten. Und ließ in jener Hütten die Stämme Israels wohnen. Diese bevorzugten Leute bezogen gleichsam ein völlig ausgestattetes Haus; sie fanden die Speisekammern gefüllt, denn sie aßen von dem Getreide des Landes (Jos. 5,11), und ihre Heimstätten waren fertig zum Einziehen. So tritt oft ein Volk in das Erbe eines andern, und es ist sehr traurig, wenn solcher durch den Spruch der Gerechtigkeit verursachte Wechsel sich dann doch nicht als eine Veränderung zum Bessern erweist, weil die neuen Besitzer nicht nur die Güter, sondern auch das Böse der vor ihnen Vertriebenen erben. Diese gerichtliche Heimsuchung der Kanaaniter hätte auf die Stämme Israels einen heilsamen Einfluss üben sollen; aber ach, diese waren unverbesserlich und wollten nicht einmal von Beispielen lernen, die ihnen so nah vor die Augen geführt worden und so erschütternd ernst waren.

56. Aber sie versuchten und erzürneten Gott, den Höchsten. Der Wechsel ihrer äußeren Lage veränderte nicht ihre Gesinnung und ihr Verhalten. Sie gaben ihr Nomadenleben auf, aber nicht ihre Neigung, fern von Gott in die Irre zu schweifen. Wiewohl alle göttlichen Verheißungen buchstäblich in Erfüllung gegangen waren und das Land, das von Milch und Honig floss, nun tatsächlich ihr Eigentum war, versuchten sie doch den HERRN von neuem mit ihrem Unglauben und reizten ihn durch andere Sünden. Gott ist nicht bloß erhaben und herrlich, sondern der Höchste, das einzige Wesen, welchem es gebührt, so hoch in Ehren gehalten zu werden; aber statt ihn zu ehren, erzürnte ihn Israel durch Empörung. Und hielten seine Zeugnisse nicht. Sie waren nur einem treu: ihrer angeerbten Treulosigkeit; sie standen nur in einem fest: in dem Wankelmut ihres falschen Herzens. Sie kannten die göttliche Wahrheit, vergaßen sie aber, wussten um Gottes Willen, gehorchten ihm aber nicht, kannten wohl seine Gnade, verkehrten sie aber in einen Anlass zu desto größerer Übertretung. Lieber Leser, hast du einen Spiegel nötig? Sieh, hier ist einer, der für den, welcher diese Erklärung niederschreibt, gut passt; wirft er nicht auch dein Bild zurück?

57. Und wandten sich ab und waren treulos wie ihre Väter. (Grundtext) Damit zeigten sie sich als deren echte Kinder. Sie waren ein anderes Geschlecht, aber kein anderer Menschenschlag, ein neues Volk und doch das alte. Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen. Böse Neigungen erben sich fort. Der Wildesel erzeugt wilde Esel, und die Jungen des Raben fliegen zum Aas. Die menschliche Natur wird nicht besser; die neuen Auflagen derselben enthalten alle Druckfehler der ersten und zuweilen noch neue dazu. Und wandten sich wie ein falscher Bogen (Luther 1524), der den Pfeil nicht nur nicht in gerader Richtung zum Ziele schickt, sondern ihn sogar zurückfliegend den Schützen selber treffen und in die Reihen der Freunde fahren lässt.

58. Und erzürneten ihn mit ihren Höhen. Das war ihr erster Hauptfehler: selbsterwählter Gottesdienst. Sie beteten Gott an, aber nicht nach seinen Verordnungen, sondern nach ihrem Gutdünken. Viele denken darüber sehr leicht; es ist das aber nichtsdestoweniger eine nicht geringe Sünde, und es liegen darin überdies kräftige Keime zu weiteren Vergehen. Der HERR wollte, dass das von ihm verordnete Heiligtum der einzige Ort sei, wo Opfer dargebracht würden; Israel aber war in eigenwilliger Auflehnung gegen den göttlichen Befehl (die es freilich ohne Zweifel mit besonders großer Frömmigkeit beschönigte) entschlossen, viele Altäre auf vielen Bergen zu haben. Sollten sie nur einen Gott haben, so wollten sie wenigstens nicht auf eine heilige Opferstätte beschränkt sein. Wie vieles von dem, was in unseren Tagen Gottesdienst heißt, ist nichts mehr und nichts weniger als eitel selbsterwählter Gottesdienst! Wer dürfte sich auch nur für den zehnten Teil der Ämter, Festtage, Zeremonien und Gebräuche gewisser Kirchen auf eine göttliche Anordnung berufen? Es kann kein Zweifel sein, dass Gott durch eine Verehrung, die Er nicht geboten hat, von ferne nicht geehrt, vielmehr höchlich entrüstet wird. Und reizeten ihn mit ihren Bildern.14 Das war nur ein Schritt weiter. Sie verfertigten sich Sinnbilder des unsichtbaren Gottes; denn es gelüstete sie nach etwas Greifbarem und Sichtbarem, dem sie Verehrung erweisen könnten. Das ist auch eine himmelschreiende Sünde unserer Zeit. Hören und sehen wir nicht, wie der Aberglaube überhandnimmt? Man verehrt Statuen, Bilder, Kruzifixe und wer weiß was alles; ja es ist so weit gekommen, dass Menschen heutigestags solches anbeten, das sie essen! Wahrlich, der HERR ist sehr geduldig, sonst würde er die Erde wegen solcher Dinge mit seinen Gerichten heimsuchen. Er ist aber bei aller Langmut ein eifriger Gott und hat einen Gräuel daran, sich durch irgendeine Form der Darstellung, die aus Menschenhänden hervorgehen kann, verunehrt zu sehen.

Fußnoten
14. Luther: Götzen. Das Wort des Grundtexts bezeichnet aus Holz oder Stein gehauene (dann auch gegossene) Bildnisse. Diese konnten Jehova darstellen sollen (wie z. B. das Schnitz- und Gussbild Richter 17,3 ff. oder das goldene Kalb 2. Mose 32) oder eigentliche Götzenbilder sein (z. B. Jes. 44,9 ff.). Der Bilderdienst führt zum Götzendienst und ist im Grunde nichts anderes. Daher mag man hier mit Luther frischweg Götzen übersetzen, und es ist jedenfalls nicht ausschließlich an Bilderdienst zu denken.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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59. Und da das Gott hörte, entbrannte er. Schon das Hören der Gebete und Gesänge bei diesem falschen Gottesdienst und dem daraus hervorgehenden Götzendienst entflammte Gottes Zorn; er mochte es nicht hören, er ward aufs höchste darüber entrüstet, und mit vollem Recht. Und verwarf (wörtl.: verschmähte) Israel gar. Er verstieß das abgöttische Volk aus seiner Gunst und überließ es sich selbst und den sündlichen Gedanken seines Herzens. Wie konnte er sich auch mit den Götzen vertragen? Wie stimmt Christus mit Belial? Die Sünde ist etwas so Widriges und Anstößiges, dass sie auch den Sünder Gott widrig und ekelhaft macht. Götzen sind, welcherart sie auch sein mögen, Gott ein Gräuel, und wir müssen allen Ernstes zusehen, dass wir uns mit Hilfe der göttlichen Gnade von ihnen fernhalten; denn wir mögen versichert sein, dass irgendwelcher Götzendienst sich mit dem Gnadenstand schlechterdings nicht verträgt. Wenn Dagon in einer Seele thront, so ist für die Lade Gottes dort keines Bleibens (1. Samuel 5). Wo der HERR wohnt, wird kein seinen Eifer reizender Abgott geduldet. Eine sichtbare Kirche wird sich bald in einen sichtbaren Fluch verwandeln, wenn Götzenbilder in ihr aufgerichtet werden, und das scharfe Messer wird sie dann wie eine abgestorbene Rebe vom Weinstock abschneiden.
Man beachte immerhin, dass Gott sein Volk Israel auch dann, als er, wie es hier heißt, sein gar überdrüssig ward und es deshalb verwarf, doch nicht endgültig, nicht für immer von sich stieß, sondern es in Gnaden wieder heimsuchte, wie uns spätere Vers (65 ff.) kundtun.15 So wird auch jetzt wieder der Same Abrahams, wiewohl er für eine Weile unter einer dicken Wolke ist, noch gesammelt werden; denn das ist ein Salzbund (2. Chr. 13,5), der nicht gebrochen werden kann. Was aber die geistlichen Kinder Abrahams betrifft, so hat der HERR sie noch nie verschmäht oder verworfen; sie sind sein besonderes Kleinod, das er stets auf dem Herzen trägt.

60. Dass er seine Wohnung zu Silo ließ fahren, die Hütte, da er unter Menschen wohnte.16 Seine Herrlichkeit sollte sich dort nie mehr enthüllen; er verließ Silo und gab es preis, dass es ein Trümmerhaufen werde. Vor der Stiftshütte, die dort seit der Eroberung des Landes stand (Jos. 18,1), war schamlose Sünde verübt worden (1. Samuel 2,22), und ringsumher auf allen Bergen hatte Israel Höhen- und Götzendienst getrieben; darum verließ die Schechina17 jenen Ort, und Ikabod (1. Samuel 4,21), "Die Herrlichkeit ist dahin," ertönte als Schreckenswort über Silo und über den ganzen Stamm Ephraim, in dessen Gebiet es lag. So kann der Leuchter weggestoßen werden von seiner Stätte, wiewohl gottlob! das Licht selbst nicht ausgelöscht wird. Kirchen, welche Irrtum dulden, werden abtrünnig und verfallen dem Gericht; aber es bleibt trotz alledem eine wahre Kirche des HERRN auf Erden. Verfällt Silo der Entweihung, so wird Zion geweiht. Doch ist es eine feierlich ernste Warnung an alle Versammlungen der Heiligen, demütig vor Gott zu wandeln, wenn wir Worte wie die des Propheten Jeremia lesen (Jer. 7,4.12): "Verlasset euch nicht auf die Lügen, wenn sie sagen: ,Hie ist des HERRN Tempel, hie ist des HERRN Tempel, hie ist des HERRN Tempel!’ Gehet hin an meinen Ort zu Silo, da vorhin mein Name gewohnt hat, und schauet, was ich daselbst getan habe um der Bosheit willen meines Volks Israel." Lasst uns auf der Hut sein, dass nicht, wie damals die Bundeslade nie wieder nach Silo zurückkam, als sie von den Philistern erbeutet worden war, so uns das Evangelium zum Gericht weggenommen werde, um derselben Kirche nie wieder gegeben zu werden.

61. Und gab seine Macht ins Gefängnis. Die Bundeslade ward von den Philistern im Kampfe erbeutet nur deshalb, weil der HERR beschlossen hatte, sie Israel zur Strafe in deren Hände zu überliefern; sonst hätten die Unbeschnittenen nie über die heilige Lade Gewalt bekommen. Das Zeichen der Gegenwart Gottes wird hier dichterisch seine Macht genannt, und ist nicht auch wirklich die Gegenwart des HERRN seine Macht unter seinem Volk? Ja, das war ein dunkler Tag, als der Gnadenthron weggeführt wurde, als die Cherubim wichen und Israels Schutzheiligtum dahin war. Und seine Herrlichkeit (seine Zier) in die Hand des Feindes. Die Bundeslade war der Ort, wo sich die Herrlichkeit des HERRN niederließ, und die Feinde frohlockten hoch, als sie sie in ihre eigenen Städte trugen. Nichts hätte Israel deutlicher das göttliche Missfallen zeigen können. Es schien zu sagen, dass Jehova lieber noch unter seinen erklärten Feinden wohnen wollte als unter einem so falschen Volke wie Israel; dass er eher noch die offenen Beschimpfungen der Philister als die Treulosigkeit Ephraims ertragen wollte. Welch schrecklicher Sturz war das für das so hoch bevorzugte Volk, umso mehr, als er noch andere Züchtigungen der empfindlichsten Art im Gefolge hatte. Wenn Gott hinweg ist, ist alles hinweg. Kein Unglück kommt dem gleich, wenn Gott seine Gnadengegenwart einem Volke entzieht. O Israel, wie bist du herabgekommen! Wer wird dir nun helfen können, da dein Gott dich verlassen hat?

62. Und übergab sein Volk ins Schwert. Sie fielen im Kampfe, weil ihnen Gottes Macht nicht mehr beistand. Das Schwert wütete arg, aber ärger noch war die Ursache, um derentwillen es wider sie gezückt ward. Und entbrannte über sein Erbe. Noch immer waren sie sein, und zweimal wird das in diesem Vers hervorgehoben; doch hielt ihn die Rücksicht darauf, dass sie sein Eigentum waren, nicht ab sie zu züchtigen, und das mit einer eisernen Rute. Wo die Liebe am brünstigsten ist, ist die Eifersucht am grimmigsten. Gott kann die Sünde nicht dulden bei Leuten, die zu ihm in so naher Beziehung stehen.

63. Ihre junge Mannschaft fraß das Feuer. Wie einst buchstäblich Feuer vom HERRN ausgefahren war und Nadab und Abihu verzehrt hatte (3. Mose 10), so fiel das Feuer des Zornes Gottes auf die Söhne Elis, die das Heiligtum Jehovas entweiht hatten, und das gleiche Feuer verzehrte, als Kriegsflamme lodernd, die Blüte des Volks. Und ihre Jungfrauen mussten ungefreiet bleiben, wörtl.: wurden nicht (durch Hochzeitslieder) gefeiert. Keine Hochzeitslieder wurden gesungen, denn die Braut hatte ihren Bräutigam nicht mehr: die Schärfe des Schwerts hatte das Band des Ehegelöbnisses zerschnitten und ließ die in Trauer und Einsamkeit zurück, welche sonst mit frohen Liedern zu ihrem Ehrentag beglückwünscht worden wäre.

64. Ihre Priester fielen durchs Schwert. Hophni und Pinehas wurden erschlagen; sie taten es den andern im Sündigen zuvor und kamen darum mit den andern um. Das Priestertum ist kein Schutz für Übertreter; die Juwelen des Brustschildleins halten die Gerichtspfeile nicht ab. Und ihre Witwen weinten nicht (wörtl.), d. h. sie hielten keine (Toten-) Klage. Ihr besonderer Kummer ward verschlungen von dem noch größeren nationalen, dass die Lade Gottes genommen war (1. Samuel 4,21.22). Wie die Mägdlein kein Herz hatten, Hochzeitsgesänge anzustimmen, so hatten die Witwen keinen Mut, die Totenklage zu halten. Es gab der Toten zu viele zu begraben, und man musste sie zu eilig in die Erde scharren, als dass die gewohnten Klagegebräuche hätten eingehalten werden können. Oft genug wohl gingen unter der Drangsal des Feindes die Gemordeten ganz des ehrlichen Begräbnisses verlustig. Das war die tiefste Tiefe der Schmach Israels; von diesem Punkt aus werden die Dinge eine gnädige Wendung nehmen.

65. Und der Herr erwachte wie ein Schlafender. Zu gerechter Bestrafung des halsstarrig ungehorsamen Volks hatte er sich untätig verhalten und dadurch zugelassen, dass der Feind triumphierte, die heilige Lade erbeutet und das Volk hingemetzelt ward. Nun aber erweckt er sich aus seiner dem Schlummer vergleichbaren Zurückhaltung; sein Herz ist voll Mitleids mit seinen Auserwählten und voll Zornes gegen den Feind, der sich so schändlich an ihnen vergreift. Wehe dir, Philistäa, jetzt wirst du seine schwere Hand fühlen! Der Allherr regt sich und zeigt seine Kraft wie ein Kriegsheld, der sich mit einem erfrischenden Trunk belebt hat: wie ein Starker jauchzet, der vom Wein kommt. In voller Kraft und Energie stürzte sich der HERR auf seine Widersacher, dass sie unter seinen gewaltigen Streichen alsbald zurückweichen und das Feld räumen mussten. Die heilige Lade zog von Stadt zu Stadt viel mehr als ein Rächer denn als Siegesbeute, und hilflos fielen die Götzen vor ihr zusammen.

66. Und schlug seine Feinde hinten. (Luther 152418. Die schandbare Krankheit, von der die Philister befallen wurden (1. Samuel 5,6-12), machte sie verächtlich, und ihre zahlreichen Niederlagen vollendeten ihre Schmach. Sie flohen, wurden aber überholt und von hinten verwundet zu unauslöschlichem Schimpf. Und hängte ihnen eine ewige Schande an. Die Morgenländer sind nicht gerade wegen feiner Sitten des Umgangs berühmt; so können wir es uns wohl denken, dass die Pestbeulen "an den heimlichen Orten" (wie Luther übersetzt) den Philistern manche Stichelei und Hohnrede eintrugen, ebenso wie die Niederlagen, welche sie so häufig von Israel erfuhren, bis sie zuletzt ganz unterdrückt wurden, um nie wieder als ein besonderes Volk zu existieren.

Fußnoten
15. Spurgeon versteht demnach unter Israel V. 59 das ganze Volk, nicht Israel im Gegensatz zu Juda. Die Ausleger sind darin geteilter Meinung.

16. Übersetzt man so mit den LXX, dann ist zu lesen. Will man das piel festhalten, so fasse man es in der Bedeutung, welche Jos. 18,1 das hiphil hat, also: Die Hütte, die er unter den Menschen aufgeschlagen hatte.

17. Siehe die Anmerkung zu Ps. 74,9.

18. Wiewohl es nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch am nächsten liegt, mit der revid. Lutherbibel zurückschlagen zu übersetzen, gibt es anderseits der Parallelismus an die Hand, zunächst an die 1. Samuel 5,6 ff. erzählte Bestrafung mit syphilitischen Geschwüren (breiten Kondylomen) zu denken und demnach in posteriora, hinten, zu deuten. So schon Targum, LXX, Vulg., auch Delitzsch, Hitzig, Moll u. a.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps78

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67. Und er verwarf die Hütte Josephs
und erwählte nicht den Stamm Ephraim,
68. sondern erwählte den Stamm Juda,
den Berg Zion, welchen er liebte.
69. Und baute sein Heiligtum hoch
wie die Erde, die ewiglich feststehen soll.
70. Und erwählte seinen Knecht David
und nahm ihn von den Schafställen;
71. von den säugenden Schafen holte er ihn,
dass er sein Volk Jakob weiden sollte
und sein Erbe Israel.
72. Und er weidete sie auch mit aller Treue
und regierte sie mit allem Fleiß.


67. Und er verwarf (verschmähte) die Hütte Josephs. Gott hatte Ephraim hoch geehrt; denn diesem Stamme hatten sowohl Josua, der große Eroberer, als auch Gideon, der gewaltige Richterheld, angehört, und in seinen Grenzen lag Silo, die Stätte der Bundeslade und des Heiligtums. Nun aber machte der HERR in alledem eine Änderung und bestellte andere zu Herrschern. Er wollte die Angelegenheiten Israels nicht mehr länger der Leitung Ephraims anvertrauen, weil dieser Stamm in der Probe zu leicht erfunden worden war. Und erwählte nicht den Stamm Ephraim. Vor aller Augen war die Sünde dieses mächtigen Volksteils, seine Torheit und Unbeständigkeit klar hervorgetreten; darum ward er als zur Führerschaft unfähig beiseitegestellt.

68. Sondern erwählte den Stamm Juda. Um dem Volke noch eine Gelegenheit zur Bewährung zu geben, ward dieser Stamm jetzt zur Oberherrschaft berufen. Das war der Verheißung des sterbenden Jakob gemäß. Aus Juda ist unser Herr aufgegangen, und er ist’s, den seine Brüder loben sollen (1. Mose 49,8). Den Berg Zion, welchen er liebte. Zelt und heilige Lade kamen unter der Regierung Davids nach Zion; den verkehrten Ephraimiten ward nichts mehr gelassen, worauf sie hätten stolz sein können. Auf dieses Berges Spitze, dem Morija, hatte einst der Vater der Gläubigen seinen Sohn auf den Altar gelegt, und ebendort sollten in zukünftigen Tagen die großen Versammlungen des auserwählten Samens Abrahams stattfinden; darum wird gesagt, der Zionshügel sei Gott lieb.

69. Und baute sein Heiligtum hoch, wörtl.: wie Hochragendes, wobei manche Alte an hohe Paläste, andere, so fast alle Neueren, an Berges- oder Himmelshöhen denken. Gewöhnlich ergänzt man: so beständig wie diese, parallel dem zweiten Versgliede, wo zweifellos die Festigkeit den Vergleichungspunkt bildet. Im ersten Gliede kann aber auch, wie Moll urteilt, auf die hervorragende Hoheit, die Erhabenheit des Heiligtums als einer Gründung Gottes hingewiesen sein. Wie das Heiligtum äußerlich auf hochragender Stätte erbaut war, so war es auch im geistlichen Sinne ein hocherhabener Ort, und mit ihm war die wahre Religion im Lande hoch erhöht. (Fest) wie die Erde, die ewiglich fest stehen soll, wörtl.: die er auf ewig gegründet hat. Nicht nur Stattlichkeit und Erhabenheit, auch Beständigkeit war dem Tempel verliehen. "Dies, auf ewig’ gilt freilich", sagt Delitzsch treffend, "nicht dem steinernen Gebäude, vielmehr der Offenbarungsstätte Jehovas und der Verheißung, dass er in Israel, und zwar Juda, eine solche haben werde. Geistlich, d. i. wesenhaft, mit Absehen von der zufälligen Erscheinungsweise angesehen, ist der Tempel auf Zion so ewig als das Königtum auf Zion, mit welchem der Psalm schließt. Die Erwählung Davids gibt der Heilsgeschichte bis in die Ewigkeit hinein ihr Gepräge." So geht also der Blick des Sängers nicht nur auf Zelt und Tempel, sondern prophetisch auf die Gemeinde Gottes; ihr kommen himmlische Erhabenheit und ewige Beständigkeit im vollen Sinne zu.

70. Und erwählte seinen Knecht David. Diese Erwählung war eine Tat frei waltender Gnade, und sie hatte eine mächtige Einwirkung auf die erwählte Persönlichkeit, indem sie dieselbe zum willigen Knecht des HERRN machte. David ward nicht erkoren, weil er ein Knecht Gottes war, sondern damit er einer sei. Er rechnete es sich stets zur hohen Ehre, dass er beides, ein Erwählter Gottes und ein Knecht Gottes, war. Und nahm ihn von den Schafställen. Ein Hirt der Schafe war er gewesen: das war eine gute Schule für einen Hirten des Volks. Niedrigkeit der Lebensstellung und Hantierung schließt niemand von den Ehren aus, welche damit, dass Gott ihn zu seinem Werkzeug erwählt, auf ihn kommen; denn der HERR sieht nicht, wie ein Mensch sieht. Er liebt es, solche zu segnen, die in der Menschen und ihren eigenen Augen gering sind.

71. Von den säugenden Schafen (eigentl.: hinter ihnen weg) holte er ihn, dass er sein Volk Jakob weiden sollte und sein Erbe Israel. In der Sorgfalt für die säugenden Schafe und deren Lämmer gibt sich besonders die rechte Hirtentreue kund. Auf Schritt und Tritt musste David diesen folgen und durfte sie nie aus dem Auge verlieren, musste auch das Wandern der Herde so einrichten, dass diese Tiere nicht übertrieben wurden. Die Sorgfalt und Geduld, die er sich in diesem Beruf erwarb, waren vorzüglich geeignet, Charaktereigenschaften auszubilden, welche einem König gar wohl anstanden. Dem so zubereiteten Manne ward zur rechten Stunde die Würde und Bürde zuteil, welche Gott ihm bestimmt hatte, und er ward dadurch befähigt, beide in gottgefälliger Weise zu tragen. Es ist wunderbar, wie oft Gottes Weisheit bei Menschen, die zu großen Dingen berufen sind, die Jahre ihrer Jugend und Verborgenheit so ordnet, dass sie eine Vorbereitungsschule werden für die Zeit einflussreicher Tätigkeit und Berühmtheit.

72. Und er weidete sie auch mit aller Treue. David suchte in Herzenseinfalt und ganzer Redlichkeit Jehova zu dienen. Was für Fehler er auch hatte, er war doch ohne alle Beimischung von Heuchelei dem himmlischen König Israels gehorsam ergeben; so erfüllte er denn auch seinen Hirtenberuf an dem ihm anvertrauten Volke in Gemäßheit ganzer Herzenshingabe, wie der Grundtext sich wörtlich ausdrückt. Und leitete sie (wörtl.: mit der Einsicht seiner Hände, d. h.) mit kluger Hand. (Grundtext) Seine Regierung zeigt ihn als Muster eines weisen Herrschers. Er war nicht nur einfältig, sondern auch klug, und nicht nur eifrig und tatkräftig, sondern auch einsichtsvoll. Er befahl nicht nur, sondern er verstand es das Volk zu leiten, es in bestimmter Richtung zu führen. So preist der Psalmdichter denn den HERRN, dass er dem Volke diesen Mann zum Hirten gegeben hatte. Unter David erhob sich das israelitische Reich zum ersten Mal zu einer unter den Nationen geachteten Stellung und übte auf die Nachbarreiche Einfluss aus.
Wir freuen uns, den Psalm, der das auserwählte Volk in so verschiedenem und zumeist recht trübem Lichte gezeigt hat, so friedlich schließen zu sehen; alles Getöse des Aufruhrs, alle Disharmonien der Sünde sind zum Schweigen gebracht. Nach langer Fahrt über ein sturmbewegtes Meer hat sich nun die Arche des israelitischen Staates unter der Leitung eines weisen Steuermanns auf ihrem Ararat niedergelassen, um fürder nicht mehr von Fluten und Stürmen hin und her geworfen zu werden. Der Dichter hatte sich gewiss schon von Anfang an vorgenommen, seinen Psalm mit einer Strophe dieses Inhalts zu schließen; und wir dürfen es auch zufrieden sein, alle unsere Gesänge in das Lob der Herrschaft des Gesalbten Jehovas ausklingen zu lassen. Nur wollen wir ernstlich fragen: Wann wird diese Herrschaft erscheinen? Wann werden wir all die Irrwanderungen in der Wüste, all die Empörungen des argen Herzens, darum auch all die Züchtigungen für immer hinter uns haben und in die Ruhe des wohlgeordneten Reiches Gottes eingehen unter dem Zepter des Fürsten aus dem Hause Davids?
So sind wir denn am Ende der langen Parabel. Mögen wir in der Parabel unseres Lebens weniger Sünde und ebenso viel Gnade ausgeprägt finden wie in der Geschichte Israels, und mögen auch wir unser Leben schließen unter der sanften Führung des großen Erzhirten der Schafe.

Erläuterungen und Kernworte

V. 2. Sprüche, Rätsel. Die der alttestamentlichen Chokma (Weisheitslehre), der vorzugsweise die Sprüche, Hiob und der Prediger, aber dem Inhalte nach auch manche Psalmen angehören, eigentümliche Form ist der Maschal. Dieser Ausspruch ist Bezeichnung des Lehrspruchs nicht bloß in der engeren Bedeutung der Vergleichung, sofern viele Sprüche wirkliche Gleichnisse und bildliche Rede enthalten, sondern in dem allgemeineren Sinne, sofern Lebenserfahrungen und Erscheinungen untereinander verglichen und aneinander beleuchtet werden, in höherer Instanz aber alles sittliche Handeln gemessen wird an seinem Typus, dem heiligen Gotteswillen. So wird auch Ps. 78 in V. 2 als ein Maschal bezeichnet, weil in ihm die Führung Israels als Spiegel zur Ermahnung und Warnung vorgehalten wird. Der Maschal fordert bündige, präzise Fassung, vermöge welcher er geeignet ist, sich leicht und tief einzuprägen und dauernd zu haften, gleich Stacheln und eingeschlagenen Nägeln (Pred. 12,11). - Sofern die Sprüche das sittliche Urteil wecken, etwas zu erraten geben wollen, heißen sie auch Rätsel. Dass nämlich dieser Ausdruck nicht bloß die zugespitzte Form bezeichnen soll, sondern wirklich darauf geht, dass etwas erraten werden soll, und zwar namentlich der unter einem Bilde verhüllte Gedanke, zeigt der Gebrauch des Worts in Richt. 14,12; 1. Könige 10,1; Hes. 17,2, vergl. auch 4. Mose 12,8. Die ethische Bedeutung des Worts, dass es sich um Weckung des sittlichen Urteils handelt, ist besonders aus Ps. 49,5; 78,2 deutlich. - Theologie des A. T., von Prof. J. F. Öhler, 1882.

Maschal, "das Darstellende", bedeutet im Hebräischen immer die darstellende Rede mit den hinzugedachten Merkmalen des Verblümten und Körnigen. - So heißt die Gleichnisrede, insbesondere der Sinnspruch als eigentümliche Dichtungsart der Chokma (der alttestamentlichen Weisheit) und dann überhaupt ein in Bildern malendes, sinniges, körniges und gerundetes Redeganzes gehobenen Stils. - Der Dichter will nicht sagen, dass er eigentlich Sinnsprüche vortragen und Rätsel aufgeben, sondern dass er die Geschichte der Väter sinnspruch- und rätselartig vortragen will, so dass sie zu einer Parabel, d. i. Lehrgeschichte, und ihre Geschehnisse zu Fragezeichen und Notabenes für die Gegenwart werden. - Die Darstellungsweise des Psalms ist episch gedehnt, zugleich aber sinnspruchartig konzis (knapp). Die einzelnen geschichtlichen Aussagen haben gnomenartige Rundung, gemmenartige Feinheit. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Die Bezeichnung dieser Tatsachen der Geschichte als Gleichnis und Rätsel weist darauf hin, dass in der heiligen Geschichte überall ein verborgener Hintergrund der Lehre sich findet, dass sie eine rückwärts gekehrte Weissagung ist, dass bei ihr durchgängig das "mutato nomine de te fabula narratur" - "Mit verändertem Namen bloß handelt die Erzählung von dir" (Satiren des Horaz, † 8 v. Chr.) - gilt, überall zwischen den Zeilen das "Wer es lieset, der verstehe es" steht, vergl. Gal. 4,24 und besonders 1. Kor. 10,6, und fordert auf, durch die Schale zum Kern hindurchzudringen, aus den Trauben der Geschichte den Wein der Lehre zu keltern. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

Asaph variiert hier jenes wunderbare Mysterium des Reiches Gottes, dass, wo die Sünde mächtig geworden, die Gnade noch darüber hinaus mächtig ward (Röm. 5,20). Der Psalm gipfelt in der Erwählung Davids, welche stattfand, trotzdem dass ein Strom von Sünden ein Denkmal der göttlichen Gnade nach dem andern wegschwemmte. Also wird das Herz befestigt (Ps. 78,8) - durch Gnade, nicht durch eigene Werke. Prof. Ed. Böhl 1878.

Der höchste Sinn aller Geschichte ist der, wo ihre Ereignisse göttliche Gleichnisse an die Menschheit werden. Freiherr G. F. Ph. v. Hardenberg (Novalis) † 1801.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 4. Nicht verhalten. Du sollst nicht nur selber Gott preisen, sondern auch bestrebt sein, das Andenken seiner Güte der Nachwelt zu überliefern. Kinder sind die Erben ihrer Väter; es wäre für einen Vater unnatürlich, wenn er seine Schätze, ehe er stirbt, in die Erde vergrübe, wo seine Kinder sie nicht finden würden, so dass sie also von ihnen keinen Genuss haben könnten. Nun sind aber die Gnadenerweisungen Gottes wahrlich nicht der geringste Teil des Reichtums eines gottseligen Mannes und auch nicht der geringste Teil des Erbes seiner Kinder; denn sie sind ihrem Glauben eine Förderung, geben ihnen Stoff zum Lobpreis und locken sie zum Gehorsam. "Unsere Väter haben’s uns erzählet, was du getan hast zu ihren Zeiten, wie du die Heiden vertrieben hast, aber sie eingesetzt usw." Ps. 44,2 ff. Darauf gründen die gläubigen Israeliten ihre Zuversicht, ebenda V. 5: "Du, Gott, bist mein König; entbiete Hilfe für Jakob!", und auf Grund dessen rufen sie sich zum Danken auf V. 9: "Wir wollen täglich rühmen von Gott und deinem Namen danken ewiglich." Wie die Kinder die Erben ihrer Väter sind, so sind sie auch sittlich verpflichtet, die Schulden ihrer Väter zu bezahlen. Die große Schuld nun, mit welcher der Gläubige bei seinem Tode belastet erscheint, ist die, welche er Gott für dessen Gnadenerweisungen zu entrichten hat; darum ist es nur billig, wenn er es seinen Nachkommen aufs Herz bindet, sie abzutragen. So kannst du im Himmel und auf Erden zugleich Gott preisen. William Gurnall † 1679.

Dass wir’s nicht verhalten sollten ihren Kindern; die Altväter haben auch noch Recht an ihre Nachkommen. Johann David Frisch 1719.

V. 4-6. In der Wolle gefärbtes Tuch hält am besten die Farbe. Übung und Erfahrung fördern in jeder Kunst und Wissenschaft. Je länger dein Kind in der Schule Christi erzogen ist, desto geschickter wird es sein, die Fallstricke Satans zu erkennen und zu meiden. Je länger es schon Gott dient und seine Gemeinschaft genießt, desto besser wird es zu beidem, zum Dienst und zum Genusse, tüchtig sein. Der Baum steht im Alter fest gegen den Wind, gerade weil er noch jung gepflanzt worden ist. - Die Kinder Merindals antworteten so trefflich vor dem verfolgungssüchtigen Bischof von Cavailon, dass einer der Dabeistehenden zu dem Bischof sagte: "Ich muss gestehen, ich habe oft den Disputationen der Doktoren in der Sorbonne (der berühmten Pariser theologischen Fakultät) beigewohnt; aber ich habe nie so viel gelernt wie von diesen Kindern." Sieben Söhne erlitten einst (unter dem Kaiser Hadrian) in Trier den Märtyrertod mit ihrer Mutter, der gottseligen Witwe Symphorosa. Solcher Segen begleitet oft wahrhaft fromme Erziehung; deshalb wollte Julian der Abtrünnige, um das Wachstum des Christentums zu hindern, es nicht zulassen, dass die Kinder der Christen, sei es weltliche oder geistliche Bildung erhielten. - Philipp, der König von Mazedonien, war froh, dass Alexander zu Lebzeiten des Aristoteles geboren war, weil er so von dem berühmten Weisen unterrichtet werden konnte. Es ist nichts Geringes, dass deine Kinder in den Tagen des Evangeliums geboren worden sind und in einem Land des Lichts, wo sie im Christentum unterwiesen werden können. Darum versäume es nicht, deine Kinder über Gott und Christus, über ihre Sünde und den Weg des Heils, über den Zweck, zu welchem sie von Gott ins Leben gerufen worden, und über die Notwendigkeit der Wiedergeburt und eines heiligen Lebens zu unterweisen. - Die Einwohner von Mytilene legten (nach Älian) auf die unterworfenen Nachbarvölker, wenn diese sich empörten, die Strafe, dass sie ihnen verboten, ihre Kinder zu unterrichten, indem sie das für eine genügende Rache ansahen. Lieber Leser, wenn du in dieser Pflicht nachlässig bist, so möchte ich dich fragen, was deine Kinder dir denn Leides getan haben, dass du dich an ihnen rächen willst durch Verweigerung dessen, was ihnen zukommt, ich meine, der religiösen Unterweisung? - Die jüdischen Rabbiner reden von einer sehr genauen Sitte und Methode der Unterweisung der Kinder nach deren Alter und Fassungsvermögen. Mit fünf Jahren wurden die jüdischen Knaben "Söhne des Gesetzes" - sie lernten es lesen. Mit dreizehn waren sie "Söhne der Vorschrift", da sollten sie das Gesetz verstehen und halten. Mit fünfzehn waren sie Talmudisten; da gingen sie an das Studium der schwereren Teile des Gesetzes und sogar talmudischer Spitzfindigkeiten. Wie deine Kinder heranwachsen, so schreite du immer weiter fort, sie über Gottes in seinem Wort geoffenbarten Willen zu belehren. Es ist ebenso deine Pflicht, deine Kinder mit den Werken Gottes bekannt zu machen. Lehre sie, was er getan hat sowohl als was er gesagt hat. Gottes Wunder sollten ewig im Gedächtnis behalten werden. Darum müssen wir sie unseren Kindern ins Gedächtnis schreiben, indem wir sie ihnen erzählen, wie es die Erzväter getan haben. Es soll das geschehen teils zu Gottes Preis (V. 4), teils aber auch zu der Kinder eigenem Nutzen (V. 7 f.). George Swinnock † 1673.

V. 5. Wir verstehen in diesem Vers unter dem Zeugnis (oder der Mahnung) und dem Gesetz jene besondere Vorschrift, welche 5. Mose 4,9 gegeben ist. Simon de Muis † 1644.

Unter dem Zeugnisse und dem Gesetze ist der ganze Inhalt des Pentateuchs zu verstehen, die darin enthaltenen direkten Gebote und die Taten Gottes, welche als indirekte Gebote zu betrachten sind; denn alle Taten Gottes enthalten einen Kern der Lehre, der Verpflichtung und der Ermahnung in sich. "Dies tat ich für dich; was tust du für mich?" "Seid reichlich dankbar." "Heute, so ihr seine Stimme höret usw." Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

Ihre Kinder. Wer das Gesetz in der Jugend lernt, der gleicht jemand, der mit leichter Mühe auf neues, geschmeidiges Pergament schreibt; wer aber erst im Alter zu lernen beginnt, ist wie jemand, der es versucht, auf altes, zusammengeschrumpftes Pergament zu schreiben. Johannes Drusius (Van den Drische) † 1616.

V. 6. Dass sie es auch ihren Kindern verkündigten. Daraus aber nicht folget, dass man in Glaubenssachen sich an die mündlichen Satzungen zu halten habe, obschon dieselben nicht in dem geschriebenen Worte Gottes gegründet seien. Denn der Prophet will nur das auch mündlich verkündigt haben, was Mose in seinen heiligen Schriften verfasst hinterlassen hat. Johann David Frisch 1719.

Kinder sollten mit allem Fleiß der Unterweisung ihrer Eltern zuhören, damit sie selber hernach imstande seien, das gleiche ihren Kindern zu sagen, und sich so eine goldene Kette bilde, durch welche verbunden die ganze Familie den Himmel suche. Der Vater ziehe den Sohn, der Sohn den Enkel, der Enkel den Urenkel zu Christus, dem Magneten aller, damit sie alle eins werden. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 7. Dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung: das ist der Hauptzweck, warum uns Gott sein Wort gegeben, auf dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben, Röm. 15,4. Johann David Frisch 1719.

Sie sollten ihre Hoffnung setzen nicht auf das Gesetz, das züchtigt, sondern auf die frei geschenkte erlösende Gnade; darum wird auch hinzugefügt: und nicht vergäßen der großen Taten Gottes. Kardinal Juan de Torquemada † 1468.

V. 8. Und nicht würden wie ihre Väter. Die Warnung wird einem ganz naheliegenden Beispiel entnommen. Er sagt nicht: "Dass sie nicht würden wie die Heiden, die von Gott nichts wissen," sondern: "wie ihre Väter." Böse häusliche Beispiele sind viel verderblicher als solche von Fremden. Lasst uns aus dieser Schriftstelle lernen, dass es nicht geraten ist, in allen Dingen den Fußtapfen der Väter zu folgen. Er spricht von jenen Vätern, die in der Wüste umkamen; über welche siehe 4. Mose 14; 5. Mose 1 und Ps. 68,7. Wolfgang Musculus † 1563.

Eine abtrünnige und ungehorsame Art: schlechtes Lob für Leute, denen Gott so viel zugute getan! Johann David Frisch 1719.

Da diese so schlechte Nacheiferung der Vorfahren uns Menschen so schwer aus dem Herzen zu bringen ist, weil uns die Ehrfurcht für unsre Väter angeboren ist, häuft der Prophet die Worte, wo er die Sünden der Väter schildert. H. Moller 1639.

V. 9. Wie die Kinder Ephraim usw.: wie man im Deutschen von einem, der zur bösen Zeit nicht standhält, sondern ausreißt, zu sagen pflegt: Er geht durch wie ein Holländer. J. D. Frisch 1719.

Mögen die Waffen noch so gut sein, ja befänden sich die Krieger in einer Feste, deren Fundament der reine Fels und deren Mauern ehern wären - steht ihr Herz aber nicht treu zu ihrem Fürsten, so wird ein leichter Angriff sie von den Mauern treiben und ein kleiner Schrecken das Tor öffnen, das nicht mit diesem Riegel der wahren Königstreue verschlossen ist. In unseren letzten Kriegen haben wir es gesehen, dass redliche, tapfere Männer in schwachen Verteidigungswerken die Stadt gehalten haben, während keine noch so starken Wälle Verräter davon abhalten konnten, das in sie gesetzte Vertrauen zuschanden zu machen. William Gurnall † 1679.

V. 10. Und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln. Zu Athen gab es eine i(era` o(do/j, einen heiligen Weg, auf dem, wie Harpokration berichtet, die Priester der Mysterien nach Eleusis wandelten. Auch in Rom war eine Via sacra genannte Straße. Wir haben wirklich einen heiligen Weg zum Himmel, der durch die Fußtapfen der Heiligen geweiht ist. Es ziemt uns daher, nicht zu säumen, sondern auf diesem heiligen Wege stets rüstig vorwärts zu gehen. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 12. Nicht ohne guten Grund entfaltete Gott seine wunderbare Macht und Herrlichkeit in der so gewaltig berühmten Stadt Zoan, wie er es auch sonst in solchen Hauptorten zu tun pflegt, um so desto wirksamer die Kenntnis und den Ruhm seines Namens auszubreiten. Wolfgang Musculus † 1563.

V. 14. Die ganze Nacht hindurch (wörtl.) leuchtete die Wolke ununterbrochen; wir brauchen nicht breit auszuführen, wie wertvoll das für die Israeliten beim Wandern und beim Ruhen war. Wäre dieses Licht plötzlich erloschen, so würde ganz Israel in Verwirrung und Schrecken geraten sein; es hätte das den geordneten Heerzug in einen wirren Haufen verwandelt. Ph. B. Power 1862.

V. 15. Und tränkte sie wie mit Fluten in Fülle. (Grundtext) Das zweite Murren wegen Wassermangels, zu Kadesch, scheint ein noch schlimmerer Fall der Empörung gewesen zu sein als der frühere, und doch ward das Wasser, wie aus dem Bericht: "Da ging viel Wasser heraus" (4. Mose 20,11) zu schließen ist, in größerer Fülle als zuvor gegeben. O wie wunderbar freigebig ist doch die Gnade Gottes! Vergl. Röm. 5, 20. W. Wilson 1860.

V. 17. Dennoch sündigten sie weiter wider ihn, nämlich gegen Gott, und gegen was für einen Gott! Gegen ihn, der sie durch große, unerhörte Wunder aus Ägypten errettet hatte, der sie als ein freies Volk trockenen Fußes durchs Rote Meer hatte gehen lassen, der fortgefahren hatte, sie Tag und Nacht mit der Wolken- und Feuersäule zu leiten und zu schützen, und der sie wie mit Fluten reichlich aus dem harten Felsen getränkt hatte. Gegen diesen Gott häuften sie Sünde auf Sünde. Sündigen ist der gefallenen Menschennatur eigen und kommt selbst bei den Gläubigen vor, die die Gnade an ihrem Herzen erfahren haben; aber im besonderen Sinn des Worts gegen Gott sündigen verrät einen besonderen Grad der Gottlosigkeit. Es heißt, ihn in Dingen, die ihn selbst unmittelbar betreffen, beleidigen und verunehren. Sie sündigten wider Gott dadurch, dass sie, nachdem ihnen so viele außergewöhnliche Proben und Zeugnisse einer Fürsorge vor Augen geführt worden waren, fortfuhren, von ihm übel zu denken und zu reden. Alle Sünden, welcherart sie auch sein mögen, geschehen ja freilich wider Gott, weil sie gegen seinen Willen verstoßen; aber diejenigen Sünden, welche im besonderen Sinne wider Gott begangen werden, sind sicherlich größer als andere. Es sind solche, die gegen seinen Namen, seine Güte, Fürsorge, Macht und Wahrheit, gegen seine Anbetung usw. begangen werden. Vergl. 1. Samuel 2,25 f. Wolfgang Muskulus † 1563.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 18. Und versuchten Gott in ihrem Herzen. Geschieht allemal, sooft der Mensch von seinem Gott neue Proben seiner Allmacht begehret und ihm Zeit, Ort, Art und Weise vorschreibt, außerdem aber Gott nicht trauen noch ihm dienen will. Ist so viel als Gott ins Angesicht sagen: Ich will erst sehen, was du kannst, und ob du tun wirst, was ich will. J. D. Frisch 1719.

Sie versuchten Gott, stellten seine Geduld immer wieder aufs neue auf die Probe, machten gleichsam ein neues Experiment mit Gottes Langmut. Der Ausdruck "sie versuchten Gott in ihrem Herzen" scheint andeuten zu sollen, dass sie es zum Gegenstand stiller Berechnung machten, ob er sie wohl auch dann noch mit Geduld tragen werde. Thomas Chalmers † 1847.

Für ihr Gelüsten. Ihre Sünde war nicht nur Murren, so sündlich das war, sondern ungezähmtes Gelüsten. Sie waren des Himmelsbrotes überdrüssig und orderten Fleisch. Als sie zu Massa haderten, begehrten sie etwas Notwendiges, nämlich Wasser; damals bestand ihre Sünde darin, dass sie murrten, statt zu bitten. Brot für den Hunger sollten sie auch haben. Jetzt aber sind sie lüstern nach etwas nicht Notwendigem, und das war eine noch schwerere Sünde, wie es auch der Psalmist hier schildert, V. 17 ff. George Wagner 1862.

V. 19. Es war keine Sünde, dass sie hungrig und durstig waren; alles Lebendige bedarf und begehrt Speise, und wenn wir das nicht mehr tun, sind wir tot. Die Sünde der Kinder Israel bestand darin, dass sie zweifelten, ob Gott sie in der Wüste versorgen könne und wolle, dass sie fürchteten, es könnte denen, die seiner Führung folgten, an irgendeinem Guten fehlen. Das war ihre Sünde. Ebenso ist es jetzt beim Christen; die Israeliten hatten es nicht in höherem Grad nötig, tätlich mit den nötigen Speisen für den Leib versorgt zu werden, als es der Christ für seine Seele bedarf. Haben wir kein Begehren nach Nahrung, so ist das ein Zeichen des geistlichen Todes. Dies Verlangen ist aber so wenig eine Sünde, dass der Herr vielmehr die selig gepriesen hat, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, und die köstliche Verheißung hinzugefügt hat, dass alle solche satt werden sollen. Aber es wäre Sünde und eine große Sünde, wollten wir murren und zagen, wenn uns diese Nahrung nicht gleichsam greifbar und sichtbar alsbald gegeben wird. Zur Prüfung ihres Glaubens widerfuhren diese Dinge den Israeliten, und ebensolchen Zweck haben die Prüfungen aller Christen aller Zeiten. Nur wenn wir "eine kleine Zeit leiden", können wir erwarten, vollbereitet, gestärkt, gekräftigt und gegründet zu werden (1. Petr. 5,10). Brownlow North 1865.

V. 20. Nach allen solchen Erfahrungen bezweifelten sie die göttliche Allmacht (Ps. 106,12.13), als ob dieselbe für nichts zu halten wäre, solange sie ihren Lüsten nicht dienen will. So tief sitzt der Unglaube im menschlichen Herzen, dass, wo Gott auf Erden Wunder tut, der Unglaube zweifelt, ob er’s auch am Himmel tut, und wo er’s am Himmel tut, er ihm vorhält, ob er es auch auf Erden tun könne. (Vergl. Mt. 16,1.) Prof. August Tholuck 1843.

Aber wie kann er Brot geben? Sie hätten sagen sollen: Aber wird er auch unser Gelüsten befriedigen? Aber das auszusprechen schämten sie sich. John Trapp † 1669.

V. 23. Gott, der den Schlüssel zu den Wolken hat, tat auf die Türen des Himmels; das will mehr sagen als das Auftun der Fenster des Himmels, wovon doch Mal. 3,10 als von einem großen Segen gesprochen wird. Vergl. auch 1. Mose 7,11. Matthew Henry † 1714.

V. 25. Je vortrefflicher eine von Gott dargereichte Wohltat ist, desto schlimmer ist die Undankbarkeit dessen, der sie nicht schätzt und benützt, wie es sich geziemt. Hätte der HERR die Kinder Israel mit Staub der Erde oder mit Graswurzeln oder andern geringen Dingen genährt, so hätten sie keine Ursache zum Murren gehabt; nun er ihnen aber eine ganz neue, jeden Morgen für sie geschaffene, vom Himmel her gesandte Speise von so trefflichem Ansehen, Geschmack und Geruch und so gesunder Nährkraft gab, was für eine Herausforderung Gottes war es da, nicht damit zufrieden zu sein, zumal er sie ihnen in so reicher Fülle schenkte! David Dickson † 1662.

V. 27. Wie Staub. Den Vergleich bilden die ungeheuren Wolken feinen Staubes oder Sandes, wie sie ein heftiger Wind in den Wüsten des Orients aufwirbelt. W. K. Clay 1839.

V. 29. Er befriedigte ihr Gelüst. Man beachte, wie der Prophet in diesem Psalm gleichsam einen Kampf zwischen Gott und dem Menschen zur Darstellung bringt. Gott kämpft mit der Waffe des Wohltuns, der Mensch mit der Waffe der Sünde. Gott bringt seine Macht in Anwendung zugunsten des Menschen, der keine Güte verdient, V. 12, und der Mensch antwortet mit Untreue und Unglauben, V. 17.19. Darauf lässt Gott seine Güte auf die Sünder regnen, um ihre Undankbarkeit mit seinen Gaben zu überwältigen, V. 23. Aber diese Unmenschen setzen der Freigebigkeit Gottes ihre Gier entgegen und missbrauchen seine Gaben, V. 29. Sodann nimmt Gott den Kampf wieder auf; er sucht ihnen die Stumpfheit durch Strafen auszutreiben, V. 30 f. Aber sie löcken noch immer widerspenstig wider den Stachel, V. 32. Immer wieder aufs neue lässt sich Gottes Barmherzigkeit vom Himmel herab, um die Menschen zum Frieden einzuladen, V. 38; sie aber werden durch Gottes Langmut nur frech und fallen desto leichter in die Sünde zurück, V. 40. Obgleich alles verlorene Mühe scheint, kommt ihnen die Liebe dennoch nahe und vollbringt unerhörte Wunder, um ihre Hartherzigkeit zu überwinden, und errettet sie aus der schweren Drangsal Ägyptens, V. 43. Aber diesen Liebespfeilen Gottes setzen die Sünder schnödes Vergessen all seiner Wohltaten entgegen, V. 42. Und dies alles geschah, ehe sie ins Land der Verheißung eingingen. Der Kampf zwischen Israel und Gott setzte sich aber im Gelobten Lande fort, wie in dem späteren Teil des Psalms erzählt wird. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 30. Noch hatten sie sich von ihrem Gelüste nicht abgewandt. Gesättigt waren sie, aber befriedigt nicht. Man könnte ebenso leicht das Feuer des Ätna dämpfen wie die von der Lust entbrannten Gedanken und Triebe. John Trapp † 1669.

Bedenke, dass im Ertöten der Lüste mehr wahre Befriedigung ist als darin, dass man ihnen Nahrung gibt und ihnen frönt. Wäre im Sündigen irgendwelches wahre Vergnügen, so würde die Hölle keine Hölle sein; denn dann wäre je mehr Sünde desto mehr Freude. Du kannst auch nicht eine Lust befriedigen, und wenn du das Äußerste darin tätest und dich ihr ganz und gar zum Sklaven ergäbest. Du meinst wohl, du würdest Ruhe finden, wenn du deines Herzens Begehren hättest; aber du irrst dich darin sehr. Sie, die Israeliten, hatten, was sie begehrten; waren sie zufrieden? Alex. Carmichael 1677.

V. 31. Da kam der Zorn Gottes über sie. Warum gab er ihnen denn die vielen Wachteln und strafte sie erst nachher wegen ihres Murrens und Unglaubens? Wenn er sie vorher gestraft hätte, so hätte es geschienen, als vermöchte er es eher, sie zu vertilgen, als ihnen Fleisch zu geben. Darum zeigte er ihnen erst seine Macht zu helfen und stellte so den Unglauben des Volks desto heller ins Licht und zeigte ihnen damit, wie sehr sie gezüchtigt zu werden verdienten, weil sie gemeint hatten, er könne ihnen kein Fleisch geben, und dann strafte er sie für ihren Unglauben. Wolfgang Muskulus † 1563.

Und würgte unter ihren Feisten usw. Sie wurden gemästet wie Schafe für die Schlachtbank. Der Schlächter nimmt die Fettesten zuerst. Wir dürfen wohl annehmen, es habe auch etliche fromme und zufriedene Israeliten gegeben, die nur mäßig von den Wachteln aßen und sich danach nicht schlechter befanden; denn nicht das Fleisch vergiftete sie, sondern ihre eigene böse Lust. Mögen Epikureer und Lüstlinge hier ihr Urteil lesen; wer den Bauch zu seinem Gott macht, dessen Ende ist die Verdammnis (Phil. 3,19). Matthew Henry † 1714.

V. 32. Und glaubten nicht an seine Wunder. Sie glaubten wohl die geschichtliche Tatsache, dass solche Dinge, wie die im Psalm berichteten, geschehen waren; sie konnten ja gar nicht anders, als glauben, dass Gott für sie Wunder getan hatte in Ägypten, dass er Pharao im Roten Meer ersäuft und sie durchs Rote Meer wohlbehalten hindurchgebracht hatte. Sie hatten ja diese Dinge gesehen, ihre Sinne waren Zeugen gewesen. Aber sie glaubten nicht an die Weissagung oder Verheißung, die tatsächlich in diesen Wundern lag, nämlich dass Gott noch mehr Wunder für sie tun werde, bis er ihre Befreiung ganz vollendet habe. Die Geschichte der Durchführung durch das Schilfmeer enthielt die Weissagung in sich, dass sie wohlbehalten nach dem Gelobten Lande gebracht werden sollten; aber sie glaubten nicht dieser Stimme der Weissagung. Als Gott ihnen Wasser aus dem Felsen gab, verhieß diese Tat, dass er ihnen auch auf außerordentliche Weise Brot geben werde, wenn sie es bedürften; aber sie glaubten das nicht. Siehe V. 19 ff. Joseph Caryl † 1673.

Die Erfahrung sollte den Glauben stärken; aber es muss gegenwärtiger Glaube vorhanden sein, um die Erfahrung recht zu brauchen. J. N. Darby 1870.

V. 32.33. Was der Glaube einer Gerichtsweissagung gegenüber tun kann, nämlich sie entkräften, das kann auch der Unglaube gegenüber einer Gnadenverheißung. Joseph Caryl † 1673.

V. 34 f. Also taten die in Furcht gejagten Israeliten alles, was sonst zur Buße erfordert wird. Sie suchten Gott, d. i. sie bezeugten ihr Verlangen nach seiner Barmherzigkeit; sie kehrten sich auch wirklich zu Gott mit Abstellung der bisher gewohnten Sünden. Sie gedachten auch auf eine praktische Art und Weise, d. i. mit einiger Hoffnung dessen, was sie an und von Gott hatten; und das alles fein früh, d. i. gleich in dem Anbruch der Plagen. Johann David Frisch 1719.

V. 34-37. Manche Leute gleichen den Dachrinnen: wenn ein heftiger Regen fällt, laufen sie über. So fließen wir bei einem Unwetter der Trübsal über von guten Vorsätzen; aber sobald der Schauer vorüber ist, schwinden auch die Gemütsbewegungen. Alex. Wedderburn 1701.

Wir sehen hier deutlich, dass diese Leute sehr eifrig waren, Gott zu bitten, dass er seine Züchtigungen von ihnen nehme, aber nicht, dass er sie von ihren Sünden heile, welche ihn reizten, das Schwert zu ziehen und es mit ihrem Blut zu färben; denn trotz der furchtbaren Todesgerichte, welche die göttliche Gerechtigkeit über sie gebracht hatte, logen und heuchelten sie nur und suchten Gott mit ihren glatten Worten zu betören (V. 36). Sie wollten ihre Leiden los sein; aber wie sie von ihren Sünden frei werden könnten, das kümmerte sie nicht. Echte Nathanaelsseelen rufen wie Augustin: A me, me salva, Domine, Von mir selber, Herr, errette mich! Der gläubigen Seele ist keine Bürde so schwer wie die ihrer Sünden. Herr, spricht sie, befreie mich von dieser inneren Last und lege mir an äußeren Bürden auf, was dir beliebt. Thomas Brooks 1680.
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Erläuterungen und Kernworte

V. 36. Es gibt Menschen, die in ihrem natürlichen unversöhnten, gottfeindlichen Zustand sind, die aber nicht nur sehr fest im Zaum gehalten sind und ihre Feindschaft verbeißen, sondern auch, durch eine gewisse Einwirkung des Wortes und Geistes Gottes auf ihre Herzen, dazu geführt sind, sich um Gottes Gunst zu bewerben, ja die, was äußere Taten betrifft, viel für Gott tun und sich zu seinen Freunden halten; und doch sind sie, weil ihre Herzen unverändert sind und die fluchwürdige Feindschaft ihrer Natur nicht ertötet und hinweggenommen ist, innerlich voll bitterer Galle. So die Leute, von denen der Psalmist hier redet. Sie heuchelten Gott mit ihrem Munde. Wir wissen ja, dass sich der Heuchler dadurch von dem Freund unterscheidet, dass er große Freundlichkeit zur Schau trägt, aber im Herzen nicht wohlgesinnt ist; er ist freundlich in selbstsüchtiger Absicht. So schmeicheln manche Gott, die er doch für Feinde rechnet; denn sie flehen ihn an, weil sie sich von ihm gefangen wissen. Der Schmeichler übertrifft den wahren Freund noch an Freundschaftsbezeugungen, um seine Gesinnung zu verbergen. Wird solche schmeichlerische Heuchelei aber entdeckt, so erzeugt sie zwiefachen Hass. Wieviel mehr muss Gott die Heuchler hassen! Denn da er das Herz in allen seinen Falten kennt, ist ihm schmeicheln wollen der größte Hohn. Das ist es ja, was die Menschen vor allem reizt, solche, welche Freundschaft heucheln, zu hassen, weil darin ein Hohn, ein Spott liegt. Thomas Goodwin † 1679.

Sie schienen Gott zu huldigen, und doch galt es alles ihnen selbst: sie wollten den Himmel ihren fleischlichen Zwecken dienstbar machen. Sie gaben Gott gute Worte, um ihre Haut zu schützen. Man kann einen Heuchler gut als einen frömmelnden Atheisten bezeichnen, als einen Gottesleugner, der die Maske der Religiosität trägt. Stephen Charnock † 1680.

Das Herz ist das Metall der Glocke, die Zunge nur der Klöppel. Ist das Metall der Glocke gut, so wird auch der Ton gut sein; ist aber die Glocke gesprungen oder von Blei, so wird der Ton das einem geübten Ohr bald verraten. Gott kann uns auf der Zunge absehen, was für Krankheiten und Unreinigkeiten das Herz hat. George Swinnock † 1673.

Gott tat nach ihrem Willen, indem er ihren Mund mit Speise, nicht ihr Herz mit seiner Gnade füllte; so vergalten sie ihm denn auch mit dem Munde, nicht mit dem Herzen. Sie waren lauter Mund und Zunge; Gott aber ist ganz Herz und Gemüt. Sie gaben gute Worte, Gott gibt Milch und vollkommene Liebe. Die Liebe dringt aber vielen Menschen gar nicht ins Innere; sie bleibt am Eingang stecken. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 37. Die Rüge dieses Verses ist die eine immer wiederholte Klage, siehe V. 8.22. Es war keine Beständigkeit, keine Festigkeit in der durch die Not zustande gebrachten Änderung. Vergl. Hos. 6,4. J. J. Stewart Perowne 1864.

V. 36.38. Der Vers 36 ist nach der Zählung der Masora der mittelste der 2527 Vers des Psalters, der Vers 38 nach Kidduschim in 30a der mittelste der 5896 NyqwMp (sti/coi, Strophen) des Psalters. - Nach Maccoth 22b wurden Ps. 78,38 und vorher 5. Mose 28,58.59; 29,8 rezitiert, wenn dem Delinquenten die 40 Geißelhiebe weniger einen aufgezählt wurden, welche Paulus laut 2. Kor. 11,24 fünfmal erlitten hat. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 38. Wiewohl es der Biene Natur ist, Honig zu geben, sticht sie doch; aber sie sticht nur auf Veranlassung, wenn sie gereizt wird. Das gleiche bestätigt die Erfahrung von Gott. John Preston † 1628.

Und erweckte nicht seinen ganzen Zorn. (Wörtl.) Wie ein zärtlicher Vater, wenn er ein widerspenstiges und unartiges Kind züchtigt, manchmal mit Strafen innehält, ehe noch das Kind um Gnade gebeten hat, und aus reiner Güte das Kind schont, so machte Gott es mit Israel. John Strickland 1645.

Mäßigt er etwa deswegen seine Gerichte, weil sein Köcher keine Pfeile mehr hat oder sein Vorrat an Donnerkeilen erschöpft ist? Nein, er könnte einen Blitzstrahl nach dem andern auf die Menschheit loslassen; es wäre ihm ebenso leicht, eine unaufhörliche Folge von Donnern und Blitzen zu schaffen, wie den beständigen Kreislauf von Sonne und Sternen, und durch jenes die Erde so schrecklich zu machen, wie er sie durch dieses lieblich gemacht hat. Er öffnet nicht seinen ganzen Vorrat an Zorn; er sendet eine kleine Schar seiner Krieger aus, den Menschen kleine Gefechte zu liefern, und stellt ihnen nicht sein ganzes Heer gerüstet entgegen. Er sendet etliche Tropfen aus den Wolken, während diese, wenn sie sich ergössen, alles hinwegschwemmen könnten. Stephen Charnock † 1680.

V. 40. Wie oft erbitterten sie ihn in der Wüste! Wie oft machten sie ihm Schmerzen in der Einöde! Zehnmal hatten sie den HERRN versucht zur Zeit, da sie dem Josua und Kaleb, den treuen unter den übrigen untreuen Kundschaftern, widersprochen, wie es der HERR selbst gezählt 4. Mose 14,22; 1) bei dem Meer aus Furcht vor den Ägyptern, 2. Mose 14,11 f., 2) bei Mara, 2. Mose 15,23.24; 3) in der Wüste Sin, da sie nach dem Fleisch und Brot Ägyptens ungehalten waren und Gott vorgriffen, 2. Mose 16,2.4; 4) da sie Man übrigließen bis an den Morgen, welches doch Gott verbot, V. 20, 5) da sie wider Gottes Befehl am Morgen ausgegangen, Manna zu sammeln am siebenten Tage, und nichts gefunden, V. 27 f., 6) in Raphidim, da sie wegen Wassermangels gemurrt, 2. Mose 17,1-3; 7) bei Horeb, wo sie ein gülden Kalb gemacht, 2. Mose 32,22; 8) in Tabeera, da sie aus Verdrossenheit des Weges gemurrt, 4. Mose 11,1; 9) bei den Lustgräbern, 4. Mose 11,4.34; 10) in Paran, wo sie nicht mehr wollten ins Land Kanaan eingehen, weil sie durch ihre Kundschafter verzagt gemacht worden, 4. Mose 14,1 f. Nach dieser Zeit versündigten sie sich siebenmal: 1) da sie den Mund des HERRN vorbeigegangen und da Mose gesagt: "Ziehet nicht hinauf" und sie sich doch vermaßen, hinaufzuziehen, und von den Amalekitern und Kanaanitern geschlagen wurden, 4. Mose 14,44 f., 2) in der Rebellion Korah, Dathan und Abiram, 4. Mose 16,1.2; 3) bei dem Murren über den Tod Korah und seiner Rotte, V. 41; 4) bei Meriba, da sie wegen Mangel des Wassers sich erbittert, 4. Mose 20,2 f., 5) da sie nach dem Sieg über die Kanaaniter von Hor am Gebirge auf dem Wege vom Schilfmeer hinzogen, dass sie um der Edomiter Land reiseten und auf dem Weg verdrossen waren und Ekel am Manna hatten, da der HERR feurige Schlangen unter sie gesandt, 4. Mose 21,4 f., 6) bei Schittim, da sie Hurerei mit den Töchtern Moabs getrieben, 4. Mose 25,1; 7) an eben dem Ort, da sie sich an den Baal Peor Verkuppelten und allda Götzenopfer gegessen, 4. Mose 25,2 f. Magister Friedrich Christoph Oetinger 1775.

Wie oft. Gott hielt darüber Buch, wie oft sie ihn erzürnten, wiewohl sie es vergaßen. Vergl. 4. Mose 4,22. Matthew Henry † 1714.

V. 42. Sie gedachten nicht an seine Hand. Gott mag es nicht leiden, dass wir seine Segnungen vergessen. Erstens, weil er befohlen hat, wir sollten sie nicht vergessen, 5. Mose 4,9; 8,14. Zweitens, weil Vergesslichkeit ein Zeichen von Geringschätzung ist. Drittens ist sie das eigentümliche Kennzeichen besonderer Unachtsamkeit. Viertens entspringt sie dem Unglauben. Fünftens ist sie das am meisten hervortretende Merkmal der Undankbarkeit. Thomas Le Blanc † 1669.

Der Punkt, an welchem der Glaube sich in der Zeit der Anfechtung wieder sammelt, ist die erste Erweisung der Gnade. Dem Israeliten war die Erinnerung an die Errettung aus Ägypten der Prüfstein des Glaubens. Gleicherweise ist jetzt das Kreuz auf Golgatha das, was dem angefochtenen Gläubigen den Ausweg aus dem nebligen Dunkel zeigt, in welches unser Gewissen einzuhüllen dem Satan manchmal gestattet wird, wenn wir den Herrn nicht achtsam vor Augen gehabt haben. Weil Israel diese erste Errettung vergaß, ging es mürrisch auf dem Weg der Sünde. Weil der Christ manchmal in seinen geistlichen Kämpfen das Kreuz übersieht, ist er unfähig, den Feind zu besiegen, und bleibt unfruchtbar und unglücklich, bis er durch ein besonderes Eingreifen des himmlischen Seelsorgers wieder im Geiste zu dem Ort geführt wird, wo Gott ihm zum ersten Mal begegnet war. Arthur Pridham 1869.

Gegessenes Brot ist bald vergessen. Nihil citius senescit quam gratia: Nichts wird so schnell alt wie eine Wohltat. John Trapp † 1669.

V. 43-51. Mose wirkte Zerstörungswunder, Christus Wunder der Erhaltung. Mose wandelte Wasser in Blut, Christus Wasser in Wein. Jener brachte Stechfliegen und Frösche und Heuschrecken hervor, die die Früchte der Erde beschädigten und die Menschen quälten; Christus vermehrte ein Weniges von den Früchten und Erzeugnissen der Erde, fünf Brote und zwei Fische, indem er sie segnete, so dass er damit fünftausend Mann speiste. Mose schlug beide, Menschen und Vieh, mit Hagel und Donner und Blitzen, dass sie starben; Christus machte Tote lebendig und rettete Kranke und Sieche vom Sterben. Mose war ein Werkzeug in der Hand Gottes, allerlei Zorngerichte und Unglücksengel über die Menschen zu bringen; Christus trieb Teufel aus und tat wohl auf allerlei Weise, indem er Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Stumme reden machte, Aussätzige von ihrem Aussatz reinigte und das tobende Meer stillte. Mose schlug die Erstgeburt Ägyptens, dass sich darob in ganz Ägyptenland ein schreckliches Geschrei erhob; Christus rettet alle die Erstgeborenen, oder vielmehr er macht sie dadurch, dass er sie rettet, zu Erstgeborenen, denn so werden sie Hebr. 12,23 genannt. John Mayer 1653.

V. 44. Da er ihr Wasser in Blut wandelte. Das bewies auch die Torheit der Anbetung der Kreatur. Pharao betete die lebenserhaltende Kraft der Natur an, wie sie in dem majestätischen Strom mit dem köstlichen Wasser verkörpert war. Der Gott aber der Natur verwandelte den befruchtenden Nil vor ihren Augen in einen Strom des Todes. James G. Murphy 1863.

Die Ägypter, zumal ihre Priester, waren in ihren Gewohnheiten und Sitten überaus genau und eigen, und nichts verabscheuten sie mehr als Blut. Sie ließen nur selten blutige Opfer zu, und mit einem noch so geringen Flecken von Blut würden sie sich für aufs tiefste verunreinigt gehalten haben. Ihr Streben nach Reinheit war so groß, dass sie nicht ertragen mochten, mit einem Ausländer in Berührung zu kommen oder auch nur seine Kleider anzufassen; einen Leichnam aber anzurühren war ihnen ein Gräuel und erforderte augenblickliche Sühnung. Aus diesen Gründen nahmen die Priester fortwährend Waschungen vor. Vier Zeiten waren festgesetzt, zwei bei Tage und ebenso viele in der Nacht, zu welchen sie sich alle baden mussten. Mancherlei Zufälle gaben aber Anlass, es weit öfter zu tun. Daher muss sich ihnen dies Übel, als sich alles Wasser in Blut verwandelte, sehr peinlich fühlbar gemacht haben. Jakob Bryant † 1804.

Die Verwandlung des Nilwassers in Blut musste umso empfindlicher sein, als dasselbe von so trefflichem Geschmack ist, dass es Fremden fast ein künstlich bereitetes Getränk scheint. Ein ägyptisches Sprichwort nennt es süß wie Honig und Zucker, und ein anderes sagt: "Wenn Mohammed davon getrunken hätte, würde er Gott um Unsterblichkeit gebeten haben, um sich immer daran erlaben zu können." Zudem ist das Nilwasser das einzige trinkbare Wasser in Ägypten; denn das Wasser der Brunnen und Zisternen ist dort, wie Maillet bemerkt, ekelhaft und ungesund. Regenwasser aber kommt gar nicht in Frage, da in Ägypten ja überhaupt fast kein Regen fällt. M. M. Kalisch 1867.

V. 45. Und Frösche. Galerius bemerkt, dass die Ägypter bei dieser Plage an allen fünf Sinnen gestraft worden seien. Das Auge ward angewidert von der Menge, der ekelhaften Gestalt und Farbe dieser Frösche. Ihr Gehör ward durch ihr Quaken gequält; denn das war raue Musik für verwöhnte Ohren. Der Geruchssinn ward beleidigt durch ihren Gestank, und der Geschmackssinn dadurch, dass die Frösche in die Backtröge kamen und ihnen so die Speise verdarben. Josias Shute 1645.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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