Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps78

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Erläuterungen und Kernworte

V. 46. Heuschrecken. Wie zahlreich diese auftreten, ist unglaublich für alle, die es nicht mit eigenen Augen gesehen haben; die ganze Erde wird meilenweit von ihnen bedeckt. Der Lärm, den sie verführen, wenn sie die Bäume und das Kraut abfressen, ist in großer Entfernung zu hören und gleicht dem Lärm einer plündernd umherschweifenden Armee. Selbst die Tataren kommen diesen kleinen Tieren an Zerstörungswut nicht gleich. Man könnte denken, Feuer wäre ihren Zügen gefolgt. Wo immer diese Zehntausend sich niederlassen, da verschwindet alles Grün des Landes; Bäume und Sträucher strecken ihre nackten Zweige in die Luft und lassen denken, der traurige Winter sei in einem Nu an die Stelle des reichen Frühlings getreten. Wenn diese Heuschreckenwolken sich erheben, um irgendein Hindernis zu überfliegen oder über einen Wüstenstrich schneller hinwegzukommen, wird der Himmel buchstäblich von ihnen verdunkelt. Constant. F. C. Comte de Volney † 1820.

V. 47. Weinstöcke. Noch immer wird von vielen Auslegern (zuletzt noch von Hupfeld und Hitzig) ganz irrig bemerkt, dass die Rebe nicht nach ägyptischem, sondern nach kanaanitischem Gesichtspunkt vor anderen Naturprodukten genannt werde; ja, dass Ägypten nur wenig Weinbau gehabt habe, weil man keinen Wein habe trinken dürfen (de Wette). Der Wein steht gerade in Ägypten unter den der Gottheit dargebrachten Flüssigkeiten in erster Reihe (Ebers). Es werden verschiedene Sorten unterschieden. Die Tempelinschriften zu Dendera zeigen, dass der Hathor, der Göttin der Lust und der Liebe, der "Herrin des Rausches", ein Fest, die "Volltrinkefeier", gefeiert wurde. Dass der Wen als ein Bedürfnis selbst des gemeinen Mannes betrachtet wurde, geht aus einer Randbemerkung hervor, welche ein Beamter Ramses’ II. im 52. Jahr seiner Regierung auf die Rückseite eines Papyros schrieb und welche die von ihm an die Arbeiter verteilten Rationen von Brot und Wein enthält (Ebers). General-Sup. K. B. Moll † 1878.

Maulbeerfeigenbäume. Dieser Baum ähnelt dem Maulbeerbaum in den Blättern, dem Feigenbaum in den Früchten; von seinem Ertrage lebten die niedrigeren Volksschichten Ägyptens hauptsächlich. Der Psalmdichter erwähnt nur eine Art Fruchtbäume, meint aber damit offenbar alle. W. K. Clay 1839.

V. 49. Eine Aussendung von Unglücksengeln. (Wörtl.) Übel kommen ungerufen, wiewohl nicht ungesandt. Engel sind Boten; sie sind geschickt. Nicht nur unlebendige Dinge, auch lebendige Wesen, seien es Tiere oder Menschen oder Teufel, können ohne Gottes Befehl oder Zulassung keinerlei Schaden tun. Wie kam die dreitägige Finsternis über Ägypten? "Er ließ Finsternis kommen," sagt der Psalmist (105,28). So sagt Mose auch von dem Hagel, Donner und Blitz, der HERR habe sie gesandt. Die Frösche, die Läuse, die Heuschrecken, die Ägypten verheerten, und die Löwen, die die Götzendiener in Samarien töteten (2. Könige 17), von ihnen allen sagt die Schrift: Gott sandte sie. Und was Menschen betrifft: "Meinst du," sagt der Erzschenk im Namen des Königs von Assyrien (Jes. 36,10), "dass ich ohne den HERRN bin heraufgezogen in dies Land, dasselbige zu verderben? Ja, der HERR sprach zu mir: Zieh hinauf." Der Lügengeist in der falschen Propheten Munde war begierig, Ahab zu verführen; aber der HERR musste erst sagen: "Gehe aus und tu also!" (1. Könige 22,21 f.) Richard Clerke † 1634.

V. 52. Und ließ sein Volk ausziehen wie Schafe. In diesen Worten liegt nicht eine Beschreibung des Charakters der Israeliten, sondern eine Lobpreisung der Vorsehung und Güte Gottes. Wolfgang Musculus † 1563.

V. 53. Dass sie sich nicht fürchteten: erstens bei ihrem Ausziehen aus Ägyptenland. Sie sahen die Ägypter erschlagen, wider sie aber muckte nicht ein Hund (2. Mose 11,7). Sie waren alle bei guter Gesundheit. Sie gingen aus, beladen mit Schätzen, die sie von den Ägyptern zur Beute genommen hatten. Sie zogen aus in großer Zahl, wohlgeordnet und gerüstet. Zweitens fürchteten sie sich nicht, ins Rote Meer hineinzugehen; denn die durch das Herannahen Pharaos erregte Furcht ward schnell beschwichtigt. Drittens hatten sie keinen Grund zur Furcht auf der Wüstenwanderung, weil der HERR vor ihnen herging in der Wolken- und Feuersäule. Viertens brauchten sie sich nicht zu fürchten, auch wenn Feinde sie angriffen. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 57. Und wandten sich wie ein falscher Bogen. (Wörtl.) Die im Morgenland gebräuchlichen Bogen, die in der Ruhe solche Form ... haben, müssen ganz umgebogen werden ..., sollen sie gespannt werden. Wenn jemand, der es nicht versteht oder zu schwach ist, einen solchen Bogen zu biegen versucht, so springt der Bogen leicht in die ruhende Lage zurück und bricht dem ungeschickten Schützen wohl gar den Arm. Ich habe es auch wohl zu meiner nicht geringen Gefahr erlebt, dass der Bogen mir seitwärts entschlüpfte und so in seine ursprüngliche Lage zurückkehrte; in ein oder zwei Fällen ward ich dabei verletzt. Manchmal liegt es auch am Bogen: ist er nicht gut gemacht, so fliegt er beim Abschießen des Pfeiles zurück. Von dem Bogen Jonathans heißt es, er sei nicht zurückgewichen (2. Samuel 1,22); das war ein guter Bogen, auf den man sich verlassen konnte. Hos. 7,16 werden die treulosen Israeliten einem falschen Bogen verglichen, d. i. einem solchen, der, wenn er gespannt wird, plötzlich seitwärts springt und wieder seine frühere Lage einnimmt. Das Bild ist sehr zutreffend: wenn sie durch Gottes mächtige Heimsuchungen aus ihrer natürlichen Richtung gebracht waren, fielen sie schnell wieder in ihr altes Wesen zurück. Die gleiche Form, wie vorhin beschrieben, hatte ohne Zweifel auch der krumme Bogen des Odysseus (21. Gesang der Odyssee). Adam Clarke † 1832.

V. 59. Der Psalmdichter stellt es dar, als sei das Geräusch der bösen Taten des Volks zu den Ohren des Ewigen aufgestiegen. Armand de Mestral 1856.

V. 60. Es ist ein heidnischer Wahn, zu denken, dass Gott an irgendeinen Ort gebunden sei. So meinten die Trojaner, ihre Stadt könne nicht eingenommen werden, weil sie den Tempel der Pallas darin hatten; und in der gegenwärtigen Zeit ist es die Weise der Päpstlichen, Christus an Rom und den Stuhl Petri zu binden und daraufhin kühn zu behaupten: "Ich werde nimmermehr wanken" (Ps. 10,6). Denn, sagen sie, das Schiff St. Petri mag ein wenig sinken, aber versinken nimmermehr. Das einzige, was daran auszusetzen ist, ist nur, dass sie gar nicht das Schiff St. Petri sind, sondern viel eher einem Ostindienfahrer gleichen, beladen mit indischen Affen und ähnlichen fremden Waren, Perlen, Purpur, Seide, Erz, Silber, Gold, Weihrauch, damit sie weiter Simonie (Handel mit geistlichen Ämtern) treiben und aus der Frömmigkeit einen Handel machen und die ganze Welt verführen können. (Off. 18,11-24.) Prof. Johann Andreas Cramer † 1788.

V. 61. Er nennt die Bundeslade die Macht Gottes, nicht etwa dass die Kraft Gottes darin eingeschlossen gewesen wäre oder so daran gebunden, dass der HERR sich nicht anders als durch sie hätte mächtig und stark erweisen können, sondern weil seine Gegenwart, deren Sinnbild die Bundeslade war, ihre Kraft und Macht stets an Israel erwiesen hatte in der beständigen Schirmung und in vielen Errettungen des Volkes. Nach der gleichen Weise nennt er sie die Herrlichkeit Gottes, weil Gott seine Herrlichkeit durch seine persönliche Gegenwart unter dem Volke geoffenbart hatte und wünschte, dass dieselbe vermittelst dieses äußerlichen Sinnbildes allgemein wahrnehmbar sei. H. Moller 1639.

V. 64. Und ihre Witwen hielten keine Totenklage. (Grundtext) Das zeigt den Umfang der Verheerung und ist für jemand, der während einer Seuche oder einer andern schweren Not in einer orientalischen Stadt gewesen ist, ergreifend verständlich. In solchen Zeiten ist das Klagegeschrei, das unter gewöhnlichen Umständen stets auf einen Todesfall folgt, zuerst laut und häufig; aber das Lärmen nimmt mit der Zunahme des Unglücks und der Verwüstung nicht zu, sondern wird schwächer und verstummt allmählich. Der Tod wird in jedem Hause ein bekanntes Ereignis, und jedermann hat, ganz von seinen eigenen schweren Verlusten hingenommen, wenig Mitleid für andere übrig. So finden denn schließlich auch die lautesten Wehklagen nicht mehr Beachtung und ziehen keine Beileid bezeugenden Freunde mehr in das Trauerhaus, und aus diesem Grunde wie wegen der Abstumpfung des Gefühls, welche andauernde Schreckensszenen stets erzeugen, wird ein neuer Todesfall schweigend oder nur mit Seufzern und stillen Tränen hingenommen. All die gewöhnlichen Gebräuche treten tatsächlich außer Übung. Die Leichen werden ohne Trauerzeremonien und ohne die Begleitung der überlebenden Freunde von Männern, die sich ein Gewerbe daraus machen, die Toten wegzuschaffen, auf dem Rücken von Maultieren oder Eseln aus den Häusern, die sie in Vereinsamung lassen, hinausgetragen und beerdigt. Wir haben das mit eignen Augen gesehen. John Kitto † 1854.

V. 65. Wie ein Starker jauchzet, dessen Geist feurig geworden und dessen Mut entflammt worden ist durch einen reichlichen Trunk edlen Weines. Diese Begleichung tritt der göttlichen Majestät ebensowenig zu nahe wie diejenige mit dem nächtlichen Kommen eines Diebes, womit die zweite Zukunft Christi 1. Thess. 5,2 verglichen wird. Mt. Polus † 1679.

V. 70. Und nahm ihn von den Schafställen. Die Kunst, die Herden zu weiden, und die Kunst, Menschen zu regieren, sind Schwestern. Basilius der Große † 379.

V. 71. Von den säugenden Schafen holte er ihn. Man hat wohl erzählt, ein hochgelehrter Oxforder Professor habe seine Lederhosen in seiner Studierstube aufgehängt, um seine Besucher dadurch an seine niedrige Herkunft zu erinnern. Ich verbürge die Wahrheit dieser Anekdote nicht; aber die Geschichte berichtet uns in der Tat von Agathokles, der vom Töpfer zum König von Sizilien emporstieg und sich bei Tisch nur aus irdenen Schüsseln bedienen ließ, um seiner früheren niedrigen Beschäftigung nicht zu vergessen. Es wäre gut, wenn manche sich erinnern wollten, wes Schuhe sie geputzt, wes Kohlen sie geschleppt und wessen Geld sie geliehen haben, und darum auch gegen ihre Schuldner barmherzig handeln würden wie der edle Cromwell. Da hat’s der heilige David anders gehalten, der in seiner königlichen Würde daran erinnert, dass er einst die säugenden Schafe gehütet hat, dahingegen er jetzt die Schafe Israels weidet. Sein güldenes Zepter weist auf seinen Krummstab, er spielt die alten Melodien, die er einst seinem Haberrohr entlockt hatte, auf der kostbaren Sandelholzharfe, die er jetzt besitzt, und spannt gleichsam sein bethlehemitisches Zelt mitten in seinem Marmorpalast auf Zion auf. Samuel Lee † 1691.

Dass er sein Volk Jakob weiden sollte. Beachte: ein guter Hirte muss demütig und treu sein; er sollte Brot im Knappsack haben, einen Hund an einem Strick, einen Hirtenstab mit einer Gerte und ein gutes, wohltönendes Horn. Das Brot ist das Wort Gottes, der Ränzel das Gedächtnis des Wortes. Der Hund ist der Eifer, von welchem der Hirte glüht für das Haus Gottes, und durch welchen er die Wölfe mit frommem Gebell, d. h. mit Predigen und unermüdlichem Gebet, forttreibt; der Strick, an welchem der Hund gehalten wird, ist die Mäßigung des Eifers und die Vorsicht, mittelst derer der Eifer durch den Geist der Frömmigkeit und Erkenntnis gemildert wird. Der Stab ist die Tröstung durch gottselige Ermahnung, mit der die allzu Zaghaften ermutigt und unterstützt werden, damit sie nicht in der Zeit der Anfechtung erliegen; die Rute aber ist die Macht und Autorität, mit der die Widerspenstigen im Zaum gehalten werden. Das Horn, das so lieblich klingt, zeigt die Lieblichkeit der ewigen Glückseligkeit an, welche der treue Hirt seiner Herde oft in herzgewinnender Weise zu Ohren bringt.19 Joannes Paulus Palanterius 1600.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Homiletische Winke

V. 1. Die Pflicht, auf Gottes Wort zu hören. Wie kann man auf allerlei Weise diese Pflicht vernachlässigen und wie erfüllt man sie? Gründe für den Gehorsam und Nachteile der Unachtsamkeit.
V. 2a. in Verbindung mit dem ganzen Psalm: Das Gleichnis vom verlorenen Volk. (Anspielung auf Lk. 15.)
V. 2.3. 1) Wahrheiten sind darum nicht minder wert, weil sie alt sind: "alte Geschichten." "Altes Holz," sagt Baco von Verulam († 1626), "brennt sich am besten; alte Bücher zu lesen lohnt sich am meisten; alten Freunden traut man am sichersten." 2) Wahrheiten sind darum nicht minder wert, wenn sie unter Gleichnissen verborgen werden: "Ich will meinen Mund auftun zu Gleichnisrede, will Rätsel vortragen. " a) Sie regen so zu tieferem Nachdenken an und werden b) dadurch unter Umständen besser bekannt. 3) Wahrheiten sind darum nicht minder wert, dass sie oft wiederholt werden. a) Sie werden desto mehr erprobt, und b) desto besser beglaubigt. George Rogers 1871.
V. 3. Der Zusammenhang zwischen dem, was wir von religiösen Dingen gehört haben, und dem, was wir von solchen aus persönlicher Erkenntnis und Erfahrung wissen.
V. 4. Das wollen wir usw. (Grundtext) Ein heilsamer Entschluss mit gesegnetem Erfolg. Charles A. Davis 1872.
1) Was soll kundgemacht werden? Der Ruhm (die ruhmwürdigen Taten) des HERRN, seine Macht und Wunder. 2) Wem sollen diese kundgemacht werden? Denen, die hernach kommen. 3) Durch wen? Durch die Eltern - jedes Geschlecht soll die Kunde dem folgenden überliefern. 4) Wie? So, dass nichts davon verhalten, sondern alles, was der HERR getan hat, kundgetan wird. George Rogers 1871.
V. 5. Schriftgemäße Überlieferung, oder das Evangelium als Familienerbstück.
V. 5-8. 1) Der Väter Erkenntnisschatz das Erbe der Kinder, V. 5.6. 2) Der Väter Abfall die Bewahrung der Kinder, V. 7.8. Charles A. Davis 1872.
V. 6. Fürsorge für das aufkommende Geschlecht und die späteren Nachkommen.
V. 7. Praktische Philosophie. 1) Handle weislich in der Wahl dessen, worauf du deine Hoffnung setzest. 2) Fülle reichlich dein Gedächtnis mit dem Besten, das es gibt. 3) So wirst du dein Leben in den Bahnen des Gehorsams führen.
V. 7.8. Wie sich das Menschenherz darin so trüglich erweist, dass es Gottes Gnadentaten gemeiniglich vergisst.
V. 8. Widerspenstigkeit nicht Festigkeit, oder der Unterschied zwischen einem uns von Natur anhaftenden Fehler (dem Eigensinn) und einer durch die Gnade in uns zu wirkenden Tugend (der Festigkeit).
Das böse Herz mit seiner Eigensinnigkeit im Bösen zur Rechten und seiner Wankelmütigkeit im Guten zur Linken.
V. 9. Wer waren sie? Was hatten sie? Was taten sie? Wann taten sie es?
V. 9.67. Der Abfall hervorragender Gläubigen. 1) Die Krieger des HERRN - wer sie waren: sie gehörten zu Gottes auserwähltem Volke und waren durch Gottes freie Gnade besonders bevorzugt (1. Mose 48, 17-20), waren stark in Kraft göttlichen Segens (5. Mose 33,17), hatten einen Ehrenplatz unter ihren Brüdern und waren mit der Stiftshütte zu Silo beehrt (V. 60). 2) Ihre Ausrüstung bestand in Schutz- und Trutzwaffen, sie kam derjenigen anderer gleich, welche Siege errangen. 3) Ihr Verhalten im Kampfe: dass sie umkehrten, war verräterisch, feig, gefährlich, verhängnisvoll und entehrend. 4) Ihre Strafe: V. 67. Sie gingen ihres besonderen Vorzugs verlustig. (Off. 3,11.) Charles A. Davis 1872.
V. 10.11. Stufen der Sünde: Gott wird vernachlässigt, verworfen, vergessen. Charles A. Davis 1872.
V. 12-16. Gott geoffenbart in seinen Taten als Wundertäter V. 12-16, als Rächer V. 12, als Helfer V. 13, als Führer V. 14, als Vater V. 14-16. Charles A. Davis 1872.
V. 12-17. Die Eigensinnigkeit des Unglaubens. Der Unglaube setzt seinen Kopf auf gegen Gottes Majestät V. 17, gegen das gnadenreiche Walten seiner Vorsehung V. 14-16, gegen seine helfend eingreifende Fürsorge V. 13, gegen seine strafende Gerechtigkeit V. 12, gegen seine aussondernde Gnade V. 12-16. Charles A. Davis 1872.
Wunder können das Herz nicht bekehren. Lk. 16,31. Charles A. Davis 1872.
V. 14. Wie Gott seine Offenbarungsweisen unseren wechselnden Bedürfnissen anpasst - ein ausgezeichnetes Predigtthema. Charles A. Davis 1872.
1) Leitung. 2) Beschützung. 3) Erquickung. R. P. Buddicome † 1846.
Der HERR führt die Seinen so, dass er für sie 1) im Sonnenlicht des Glückes kühlender und beruhigender Schatten, 2) in der Nacht des Unglücks erquickendes und wärmendes Licht ist.
V. 15.16. Was Gott den Seinen zur Stillung ihrer Bedürfnisse darreicht, ist zeitgemäß, reichlich, vorzüglich und wunderbar.
V. 16. Bäche aus dem Felsen Christus. 1) Ihre Quelle. 2) Ihre Mannigfaltigkeit. 3) Ihre Fülle. Benjamin Davies 1872.
V. 17. Die Sünde stärkt sich an Gottes Gnadenerweisungen, um desto schneller fortzuschreiten, wie sie auch die jeweiligen Umstände ihren Zwecken dienstbar macht.
V. 17-21. Sie stellten 1) Gottes Geduld V. 17, 2) Gottes Weisheit V. 18, 3) Gottes Macht V. 19 f. und 4) Gottes Zorn V. 21 auf die Probe. Edwin Gorsuch Gange 1872.
V. 18. Speise für ihr Gelüsten. (Bessere Übersetzung.) Wie können irdische Gaben als Nahrung für die böse Lust begehrt und erlangt werden?
V. 18-21. Der Fortschritt im Bösen. (Vergl. Jak. 1,14 f.) 1) Man wird von der eignen Lust gezogen und gelockt, V. 18. 2) Danach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde, V. 19 f. 3) Die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod, V. 21. Ihre Leiber fielen in der Wüste. Charles A. Davis 1872.
V. 19. Der Unglaube eine Lästerung Gottes.
V. 21.22. Böse Folgen des Unglaubens. 1) Die Sünde selbst: sie bezweifelten die Gewissheit, Vollkommenheit und Wirklichkeit der Errettung aus Ägypten. 2) Was die Sünde erschwerte: dass sie gegen Gott gerichtet war und dass diejenigen, welche diese Sünde hegten, Gottes Volk waren. 3) Wozu der Unglaube führte: zu innerer Versündigung V. 18, zu äußerer Versündigung V. 19 usw. 4) Was der Unglaube über sie brachte: V. 21. Feurige Schlangen usw. Charles A. Davis 1872.
V. 22. Der Unglaube der Vater vieler Nöte.
V. 25. Mancherlei Speise: Speise für das Vieh (Lk. 15,16); Speise der Sünder (Hos. 4,8: Von der Sünde meines Volks nähren sie sich, und nach seiner Verschuldung steht ihr Verlangen; vergl. Ps. 14,4); Speise der Heuchler (Hos. 12,2); Speise der Heiligen (Jer. 15, 16; Joh. 6, 53-57); Speise der Engel (hier); Speise Christi (Joh. 4,34). Charles A. Davis 1872.
V. 29-31. Gefährliche Bitten. Wenn die böse Lust dir die Wünsche eingibt, mag Gottes Zorn dir antworten. Lass die Gnade deine Wünsche bestimmen, so wird die Barmherzigkeit antworten. Charles A. Davis 1872.
V. 34-37. Des Heuchlers Füße, V. 34. Sein Gedächtnis, V. 35. Seine Zunge, V. 36. Sein Herz, V. 37. Oder: Des Heuchlers Mantel und sein Herz. Charles A. Davis 1872.
V. 36. Heuchelei gegen Gott eine 1) sehr verbreitete, 2) abscheuliche, 3) gefährliche Sünde. Benjamin Davies 1872.
V. 38.50. Wie erweist sich der Zorn Gottes an Gottes Volk und wie an Gottes Feinden? Charles A. Davis 1872.
V. 39.35. Wie Gott der Seinen gedenkt und wie diese Gottes gedenken.
V. 42. Ein denkwürdiger Tag. Israel gedenke 1) der Begegnung mit dem Feinde, 2) des Kampfes, 3) der Rettung, 4) der Freude. Benjamin Davies 1872.
V. 45. Welche Macht kleine Dinge ausüben können, wenn sie uns zur Strafe bestimmt sind.
V. 52. 1) Gott hat ein Volk in der Welt. 2) Er scheidet diese seine Auserwählten von anderen Menschen. 3) Er bringt sie in Gemeinschaft mit ihm selber. 4) Er bringt sie in Gemeinschaft miteinander. 5) Er leitet sie zu ihrer Ruhe.
V. 55. Göttliche Austreibungen. Er vertreibt die gefallenen Engel aus dem Himmel, ein Volk der Erde durch das andere (siehe die ganze Weltgeschichte), die Gedanken und Neigungen des Herzens bei der Wiedergeburt usw. Jes. 55,13. Charles A. Davis 1872.
V. 56.57. Die Trüglichkeit des Herzens im Erfüllen der Pflichten und in dem Vernachlässigen derselben.
V. 59-72. 1) Ein düsterer Sonnenuntergang, V. 59. 2) Eine Unglücksnacht, V. 60-64. 3) Ein herrlicher Sonnenaufgang, V. 65-72. Charles A. Davis 1872.
V. 69. Der Baumeister der Kirche. Die Heiligkeit, Erhabenheit, Größe (die Erde umfassend, Mk. 11,17) und Festigkeit des Bauwerks. Charles A. Davis 1872.
V. 70.71. 1) Davids Berufung. Es bieten sich zwei Fragen dar: a) Wie war Davids Hirtenleben eine ihm selbst unbewusste Vorbereitung auf seinen königlichen Beruf? b) Wie rüstete ihn die göttliche Berufung, als sie an ihn erging, zu seiner erhabenen Bestimmung aus? Beachte: Er ward zu den Schafen zurückgesandt. Nichts konnte ihn besser schulen als dieses Warten. Zwei wichtige Überzeugungen erwachten da in ihm, die ihm zu Quellen der Kraft wurden: a) der Glaube an einen göttlichen Führer (siehe Ps. 23); b) der Glaube an seine göttliche Erwählung. 2) Was lehrt uns diese Berufung Davids? a) Es ist in jedem Menschenleben ein göttlicher Plan. b) Es ergeht an jeden Menschen ein göttlicher Ruf. c) Gott will über jedem Menschen als Hirte wachen. E. L. Hull 1863.
V. 70-72. Geistliche Beförderungen. 1) Es sind oft Ähnlichkeiten zwischen dem niederen und dem höheren Dienst vorhanden, V. 71. 2) Geringere Aufgaben sind eine Vorbereitung für die höheren, V. 71 f. 3) Die Beförderung ist eine Tat des göttlichen Willens, V. 70 f. 4) Unsere Kräfte werden der Stellung angemessen sein, zu welcher Gott uns befördert. Charles A. Davis 1872.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps79

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PSALM 79(Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Ein Psalm Asaphs. Ein Klagepsalm, wie ein Jeremia ihn hätte dichten können inmitten der Trümmer der geliebten Stadt. Er handelt offenbar von einer Zeit, da Feinde in das Land eingedrungen waren, die das Volk Gottes bedrückten, den Tempel entweihten und die Nation an den Rand des Untergangs brachten. Über "Asaph" vergleiche man die Vorbemerkung zum 74. Psalm. Der Verfasser des vorliegenden Psalms war ein echt patriotischer Dichter von Gottes Gnaden. Wollte Gott, wir hätten viele solcher Nationaldichter, deren Lieder den HERRN verherrlichten!

Auslegung

1. Gott, es sind Heiden in dein Erbe gefallen;
die haben deinen heiligen Tempel verunreiniget
und aus Jerusalem Steinhaufen gemacht.
2. Sie haben die Leichname deiner Knechte
den Vögeln unter dem Himmel zu fressen gegeben
und das Fleisch deiner Heiligen den Tieren im Lande.
3. Sie haben Blut vergossen um Jerusalem her wie Wasser;
und war niemand, der begrub.
4. Wir sind unseren Nachbarn eine Schmach worden,
ein Spott und Hohn denen, die um uns sind.


1. Gott, es sind Heiden in dein Erbe gefallen. Ein Ausruf des Entsetzens über einen ruchlosen, feindlichen Einfall; es ist, als wäre der Psalmist vor Schrecken starr. Fremde entweihen deine heiligen Vorhöfe, o Gott, mit ihren Füßen. Ganz Kanaan ist ja dein Land, dein besonderes Eigentum; aber deine Feinde haben es verheert. Die haben deinen heiligen Tempel verunreiniget. Bis in das innerste Heiligtum sind sie in ihrer Frechheit eingedrungen und haben dort ihrem Übermute Lauf gelassen. So waren das heilige Land, die heilige Stadt und das heilige Gotteshaus von den Unbeschnittenen entweiht worden. Es ist schrecklich, wenn sich ruchlose Leute in der Gemeinde des HERRN finden und wohl gar zu ihren Dienern zählen. Dann wird das Unkraut mit dem Weizen ausgesät, und die bittern Koloquinten werden zum Gemüse in den Topf geschnitten. (2. Könige 4,39.) Und aus Jerusalem Steinhaufen gemacht. Nach dem Verunreinigen und Schänden sind sie ans Zerstören gegangen und haben ohne Erbarmen ganze Arbeit getan. Jerusalem, die geliebte Stadt (Off. 20,9), die Freude des ganzen Landes, die Residenz des großen Königs (Ps. 48,3), die heilige Wohnstätte Gottes, war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Ach wehe, wehe, das arme Israel! Es ist schlimm genug, wenn wir den Feind in unserem eigenen Hause sehen müssen; aber noch schlimmer ist es doch, wenn wir ihn im Hause Gottes antreffen. Man kann uns keinen härteren Schlag versetzen, als wenn man unseren Glauben antastet. Der Psalmdichter schüttet sein Leid gleichsam Stück um Stück vor Gott aus; er war ein geübter Beter und wusste, wie er sein Anliegen am nachdrücklichsten vorbringen konnte. Wir sollten unsere Sache so sorgfältig vor dem HERRN ausbreiten, als ob der Erfolg des Flehens ganz von unserer Kunst abhinge, Gott das Anliegen eindrücklich vorzustellen. Bei den irdischen Gerichten wenden die Menschen alle Macht der Überredungskunst auf, um ihre Zwecke zu erreichen; so sollten auch wir unsere Anliegen mit allem Eifer darlegen und unsere stärksten Gründe vorbringen.

2. Sie haben die Leichname deiner Knechte den Vögeln unter dem Himmel zu fressen gegeben und das Fleisch deiner Heiligen den Tieren im Lande. Der Feind fügte zu der grausamen Hinmetzelung den Schimpf, indem er die Leichname der Getöteten unbegraben liegen ließ, und die Israeliten waren bei der großen Drangsal nicht imstande, den ermordeten Brüdern die Ehre der Bestattung zu erweisen; so blieben denn die teuren Leiber der Blutzeugen unter freiem Himmel liegen, um von Geiern zerfleischt und von Schakalen und Hyänen gefressen zu werden. Ekelhafte Tiere, die dem Menschen nicht zur Speise dienen können, taten sich an den Menschenleibern gütlich. Das Fleisch des Herrn der Schöpfung ward zur Speise für aasfressende Raben und hungrige Hunde. Schrecklich sind die Nöte des Krieges; und doch sind sie je und je mit ganzer Wucht über Gottes Volk und Gottes Knechte hereingebrochen. Wir verstehen gut, dass solche Ereignisse das Gemüt des Dichters tief erschütterten, und er tat Recht daran, dass er sich an das Herz Gottes wandte und das große Unglück schilderte. Wir könnten uns diese Worte auch in dem Munde eines Christen der ersten Jahrhunderte denken, der das Amphitheater mit all seinen Bluttaten im Sinn hätte. Man beachte auch, wie in den beiden Versen die Bitte mit dem Hinweis auf Gottes Eigentumsrecht an Tempel und Volk begründet wird; wir lesen: dein Erbe, deinen Tempel, deiner Knechte, deiner Heiligen. Der HERR wird doch für die Seinen eintreten und es dem Heer der Feinde nicht zulassen, sie ganz und gar zu verderben!

3. Sie haben ihr (Grundtext) Blut vergossen um Jerusalem her wie Wasser. Die eindringenden Feinde erschlugen Menschen, als ob deren Blut nicht von mehr Wert wäre als ebenso viel Wasser; sie ließen das Blut in Strömen fließen, wie wenn eine Überschwemmung die Ebenen überflutet. Die heilige Friedensstadt ward ein großes, blutiges Schlachtfeld. Und war niemand, der begrub. Die wenigen Übergebliebenen fürchteten sich, diese Aufgabe zu übernehmen. Das war für die Juden, welche auf die Begräbnisse so viel Sorgfalt verwandten, ein schweres Leid, etwas vom Schauerlichsten, das sich denken ließ. Ist es soweit gekommen, dass niemand die Toten deiner Familie, o HERR, begräbt? Lässt sich niemand finden, der eine Schaufel voll Erde dafür übrig hätte, die Leichname deiner ermordeten Heiligen zuzudecken? Was für Herzeleid liegt in diesen Worten! Wie froh sollten wir sein, dass wir in einer so ruhigen Zeit leben, wo die Kriegstrompete auf unseren Gassen nicht gehört wird.

4. Wir sind unseren Nachbarn eine Schmach worden. Die, welche dem gemeinsamen Feind entronnen sind, machen aus uns einen Spott; sie schleudern uns unser Unglück ins Angesicht und fragen höhnisch: "Wo ist euer Gott?" Schwer heimgesuchten Menschenkindern sollte man doch Mitleid zeigen; aber in so vielen Fällen geschieht es nicht, weil eine gefühllose Logik schließt, dass solche, die außergewöhnliches Unglück erleiden, auch außergewöhnliche Sünder sein müssten. Nachbarn insonderheit beweisen oft das Gegenteil von freundnachbarlicher Gesinnung; je näher sie wohnen, desto weniger Teilnahme haben sie. Das ist eine höchst bedauerliche Tatsache. Ein Spott und Hohn denen, die um uns sind. In dem Leide anderer einen Anlass zur Freude finden und sich über ihren Jammer lustig machen, das ist einzig des Teufels würdig und solcher, deren Vater er ist. - So wird vor dem HERRN der traurige Stand der Dinge dargelegt. Asaph war ein ausgezeichneter Rechtsanwalt; denn er gibt eine herzbewegliche Schilderung von Dingen, die er selbst vor Augen hatte und unter denen er selber mitlitt. Wir haben aber einen noch mächtigeren Fürsprecher droben, der unsere Sache unermüdlich vor dem ewigen Thron geltend macht.

5. HERR, wie lange willst du so gar zürnen
und deinen Eifer wie Feuer brennen lassen?
6. Schütte deinen Grimm auf die Heiden, die dich nicht kennen,
und auf die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen.
7. Denn sie haben Jakob aufgefressen
und seine Häuser verwüstet.
8. Gedenke nicht unsrer vorigen Missetaten;
erbarme dich unser bald,
denn wir sind sehr dünn worden.
9. Hilf du uns, Gott, unser Helfer, um deines Namens Ehre willen;
errette uns und vergib uns unsre Sünden um deines Namens willen.
10. Warum lässest du die Heiden sagen: "Wo ist nun ihr Gott?"
Lass unter den Heiden vor unseren Augen kund werden
die Rache des Bluts deiner Knechte, das vergossen ist.
11. Lass vor dich kommen das Seufzen der Gefangenen;
nach deinem großen Arm erhalte die Kinder des Todes.
12. Und vergilt unseren Nachbarn siebenfältig in ihren Busen
ihre Schmach, damit sie dich, Herr, geschmäht haben.


5. HERR, wie lange willst du so gar zürnen? Sollen diese Züchtigungen denn gar kein Ende haben? Sie sind so scharf, so furchtbar, sie zerschmeißen uns; willst du sie noch länger anhalten lassen? Ist denn deine Barmherzigkeit gar dahin, dass du für immer (wörtl.) nur zuschlagen willst? Und deinen Eifer wie Feuer brennen lassen? Es war für den HERRN Grund genug vorhanden, in Eifer zu geraten, da man Götzenbilder aufgerichtet hatte und Israel vom Dienst Jehovas gewichen war; aber der Psalmdichter fleht zum HERRN, er möge sein Volk nicht gar wie mit Feuer verzehren, sondern die Leiden Israels lindern.

6. Schütte deinen Grimm auf die Heiden, die dich nicht kennen. Muss durchaus gestraft sein, so blicke doch etwas weiter um dich; schone deiner Kinder und schlage deine Feinde. Es gibt Länder, wo man dich in keiner Weise anerkennt; so suche doch erst diese mit deinen Gerichten heim und gib deinem irrenden Volke Israel noch eine Gnadenfrist! Und auf die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen. Höre auf uns, die wir zu dir flehen, und lass deinen Grimm aus an denen, die ohne Gebet dahinleben oder, wenn sie beten, die gräulichen Götzen anrufen. Manchmal scheint die Vorsehung mit den Gerechten viel schärfer zu verfahren als mit den Gottlosen, und der vorliegende Vers ist eine auf diesen Anschein gegründete kühne Aufforderung an Gott, des Inhalts: HERR, wenn du deine Zornschalen ausgießen musst, so fang doch bei den Menschen an, die dich in keiner Weise ehren, sondern offen wider dich in Waffen sind; und lass dir’s gefallen, derer zu schonen, die, ungeachtet ihrer vielen Verfehlungen, doch dein Eigen sind.

7. Denn sie 1 haben Jakob aufgefressen. Der Feind würde alle Heiligen verschlingen, wenn er es vermöchte. Wenn diese Löwen uns nicht allesamt vertilgen, so haben wir es dem zu verdanken, dass der HERR seine Engel gesandt und der Löwen Rachen verstopft hat. Und seine (Wohn-) Stätte (oder nach anderer Auffassung: seine Aue) verwüstet. Der Eroberer ließ nichts unversehrt, weder Haus noch Hof, weder Feld noch Flur; alles musste verheert und verwüstet sein. Ja wahrlich, das Herz des Gottlosen ist grausam!

8. Rechne uns nicht zu (wörtl.: Gedenke uns nicht) die Missetaten der Vorfahren. (Grundtext) Die Sünden eines Volkes häufen sich mit der Zeit immer schrecklicher an. Die Generationen speichern bergeshoch die Sünden auf, deren Heimsuchung dann über die Nachkommen hereinzubrechen droht; daher diese dringende Bitte. In den Tagen Josias konnte auch die ernsteste Buße eines Teils des Volkes das Gericht nicht mehr abwenden, das die vorhergegangenen langen Jahre des Götzendienstes über Juda heraufbeschworen hatten. Jedermann hat Ursache, für seine vorigen Sünden Amnestie (Vergessen) zu erbitten, und jedes Volk sollte dies zu seinem beständigen Gebet machen. Eilends komme uns dein Erbarmen entgegen, denn wir sind sehr schwach geworden. (Wörtl.) Komm uns schleunig zu Hilfe, denn unser Volk steht vor der Vernichtung; unsere Zahl ist sehr dünn geworden, und unser Zustand ist jämmerlich. Beachte, lieber Leser, wie der reuige Kummer sich an das Erbarmen Gottes wendet; sieh auch, wie er demgemäß seine Bitte nicht auf das etwa noch vorhandene Gute, sondern auf das Elend gründet. Ach, dass die elenden Seelen es recht lernten, gerade in ihrem traurigen Zustand einen Grund zu finden, der ihr Flehen bekräftigt. Was könnte bewegender das Mitleid herauslocken als schwere Not? Die Bitte unseres Verses ist wie gemacht für einen betrübten Sünder. Wir selber haben Zeiten erlebt, wo diese Worte ein so passender Ausdruck der Seufzer unseres beschwerten Herzens waren wie nur irgendeiner, den der Menschengeist hätte erfinden können.
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Fußnote
1. Alle alten Übersetzungen haben gelesen; vergl. (die Grundstelle?) Jer. 10,25
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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9. Hilf du uns, Gott unseres Heils, um deines Namens Ehre willen. (Wörtl.) Das heißen wir meisterhaft gebetet. Keine Begründung hat solche Kraft wie diese. Gottes Ehre war in den Augen der Heidenvölker durch die Vergewaltigung des Volkes Gottes und die Entweihung des Tempels verdunkelt und besudelt worden; darum erflehen die tiefbetrübten Knechte Gottes seine Hilfe, auf dass sein ruhmwürdiger Name nicht mehr lästernden Feinden als Zielscheibe des Hohnes diene. Errette uns und vergib uns unsere Sünden um deines Namens willen. Die Wurzel des Übels, die Sünde, wird erkannt und bekannt; Vergebung der Sünde wird erfleht ebenso wie Hinwegnahme der Züchtigung, und beide werden begehrt nicht als Rechtsanspruch, sondern als Gnadengeschenk. Zum zweiten Mal wird der Name Gottes der Bitte zu ihrer Begründung eingefügt. Wenn die Gläubigen sich diese Art des Flehens recht zum Vorbild nehmen, werden sie sich gut dabei stehen; die Ehre des Namens Jehovas anrufen, das ist das mächtigste Waffenstück im Zeughaus des Gebets.

10. Warum lässest du (genauer: Warum sollen) die Heiden sagen: "Wo ist nun ihr Gott?" Warum sollten diese gottlosen Mäuler mit einer ihnen so süßen, uns so bitteren Speise gefüllt werden? Wenn die Trübsale des Volkes Gottes der Spott der Sünder werden und den Gottlosen zum Anlass dienen, die Frömmigkeit lächerlich zu machen, so haben wir guten Grund, uns bei dem HERRN darüber zu beschweren. Lass unter den Heiden vor unseren Augen kund werden die Rache des Bluts deiner Knechte, das vergossen ist. Der Psalmist hält Gott seine alte Verheißung 5. Mose 32,43 vor. Es ist billig, dass solche, die Gottes Volk verhöhnen, weil es unter der Zuchtrute des HERRN schmachtet, selber die gleiche Hand zu fühlen bekommen. Es gibt Leute, die an der Art dieser Bitte Anstoß nehmen; aber uns dünkt, sie haben dazu keinen Grund. Ist es doch jedem lebhaft fühlenden Patrioten natürlich, zu wünschen, dass das seinem Lande zugefügte Unrecht wieder gutgemacht werde, und ebenso muss jeder Christ es herbeisehnen, dass der Gemeinde des HERRN durch den Umsturz des Irrtums eine Ehrenrettung und Rächung zuteilwerde. Die Vernichtung des Antichrists ist die Vergeltung für das von ihm vergossene Blut der Knechte Gottes. Wir können daher nicht um Abwendung dieses Gerichtes bitten; es ist vielmehr etwas vom Herrlichsten dessen, was wir für die Endzeit erhoffen.

11. Lass vor dich kommen das Seufzen der Gefangenen. Können deine Kinder nicht singen und wagen sie es nicht laut zu rufen, so lass doch ihre stillen Seufzer zu deinen Ohren kommen und befreie die Ärmsten von ihren Peinigern. Diese Worte passen für die Betrübten in gar mancherlei Umständen, und ein Mann der Erfahrung wird wissen, wie er sie seiner eigenen Lage anpassen oder in Hinsicht auf andere brauchen kann. Nach deinem großen Arm erhalte die Kinder des Todes. Der Glaube nimmt an Kraft zu, während er betet. Vorhin wandte er sich an Gottes Erbarmen, jetzt an Gottes weithin reichende Allmacht. Von der Bitte für die Schwachen, Elenden (V. 8) erhebt er sich zum Flehen für solche, die sich bereits am Rande des Todes befinden, die schon wie Schlachttiere für die Schlachtbank ausgesondert sind. Wie trostreich ist es für Gläubige, die dem Verzagen nahe sind, zu bedenken, dass Gott sogar solche lebendig erhalten kann, die das Todesurteil schon in sich tragen. Menschen und Teufel mögen uns dem Verderben zusprechen, während Krankheit uns zum Grabe schleppt und Kummer uns in den Staub drückt; aber es gibt Einen, der unsere Seele trotz alledem am Leben erhalten und sie aus dem Abgrund der Verzweiflung heraufbringen kann. Will es der HERR, so wird das Schaf lebendig bleiben, ob es auch bereits in des Löwen Rachen ist. Ja sogar am modernden Gerippe wird das Leben den Tod überwinden, wenn Gott seine Macht offenbart.

12. Und vergilt unseren Nachbarn siebenfältig in ihren Busen ihre Schmach, damit sie dich, Herr, geschmäht haben. Sie haben dein Dasein geleugnet, deine Macht gelästert, deinen Dienst verhöhnt und dein Haus zerstört; darum auf, Allherr, und lass sie es innewerden, dass man dein nicht ungestraft spotten kann. Schütte ihnen ein volles Maß von Schande in den Schoß2 dafür, dass sie den Heiligen Israels beschimpft haben. Gib ihnen strenge Vergeltung, bis sie die volle Zahl der Strafen empfangen haben. Es wird geschehen. Der Wunsch unseres Verses wird eine vollendete Tatsache werden. Der HERR wird seine Auserwählten rächen, ob es auch scheint, als säume er damit.

13. Wir aber, dein Volk und Schafe deiner Weide,
werden dir danken ewiglich
und verkündigen deinen Ruhm für und für.


13. Die Dankbarkeit der Gemeinde des HERRN ist tief und dauernd. Auf den Tafeln ihres Gedächtnisses stehen herrliche Errettungen verzeichnet, und solange sie existiert, werden ihre Söhne diese immer wieder mit Wonne erzählen. Wir haben eine Geschichte, die alle anderen Chroniken überdauern wird, und sie erglänzt in jeder Zeile von der Herrlichkeit des HERRN. Gerade aus den dunkelsten Unglückswolken erstrahlt Gottes Friedensbogen, und die trüben Tage seines Volkes werden das Präludium zu außerordentlichen Erweisungen der Liebe und Allmacht des HERRN.

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Dieser Psalm ist in jeder Beziehung das Seitenstück von Ps. 74. Die Berührungen sind nicht bloß stilistisch, die Wechselbeziehungen liegen noch viel tiefer: beide Psalmen haben gleich asaphisches Gepräge, stehen in gleichem Verhältnis zu Jeremia und klagen beide aus gleicher Zeitlage heraus über eine Zerstörung des Tempels und Jerusalems, wie sie neben der chaldäischen Zeit nur die seleuzidische (1. Makkabäer 1,31 [33]; 1. Makkabäer 3,45; 2. Makkabäer 8,3) und in Verbindung mit Entweihung des Tempels und Hinschlachtung der Knechte Gottes, der chasidim (1. Makkabäer 7,13 [12]; 2. Makkabäer 14,6), ausschließlich die seleuzidische auszuweisen hat. Das Tempelzerstörungswerk, welches in Ps. 74 im Gange ist, erscheint in Ps. 79 als vollzogen, und hier wie dort bekommt man nicht den Eindruck der Gräuel eines Krieges, sondern einer Versorgung; es ist geradezu die Religion Israels, um welcher willen die Heiligtümer der Zerstörung und die Bekenntnistreuen der Niedermetzelung verfallen. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Die einzelnen geschichtlichen Züge des Psalms lassen sich zwanglos aus der Zeit der chaldäischen Invasion erklären. Außerdem gereicht die Art der Benutzung des Psalms, welche im ersten Makkabäerbuch (1. Makkabäer 1,31; 3,45; 7,13; 7,16 f.) vorliegt, viel eher dieser Hypothese (dass der Psalm im Exil entstanden sei) zur Bestätigung als der ihr gegenüberstehenden (dass der Psalm der makkabäischen Periode angehöre). Der wohl unterrichtete Verfasser dieses Buchs würde V. 2.3 nicht als "heilige Schrift" zitiert haben (1. Makkabäer 7,17), wäre der Psalm ein Produkt der Zeit gewesen, die der Historiker beschrieb. Lic. Hans Keßler 1899.

Im Jahre 1546 wurde auch die im Stillen entstandene calvinische Gemeinde in Meaux von der katholischen Verfolgungswut betroffen. Vorsichtig hatte sich diese Gemeinschaft allmählich gebildet. Der Wollkrämer Peter Leclerc wurde nach mehrtägigem Fasten und Beten zum Diener des Worts und Sakraments erwählt. Die Versammlungen fanden im Hause Mangins statt. Doch bald wurden sie entdeckt und am 5. September beim Magistrat denunziert. Unbemerkt traten der Lieutenant und der Prévôt der Stadt mit ihren Dienern in die Versammlung, als Leclerc gerade über eine Stelle aus dem ersten Korintherbriefe sprach. Gehorsam ließen sich die Versammelten, etwa 62, binden und ins Gefängnis abführen. Unterwegs sangen sie Psalmen, vorzüglich den 79.: HERR, es sind Heiden in dein Erbe gefallen, die haben deinen heiligen Tempel verwüstet. K. G. von Polenz 1857.

V. 1-4. In der Makkabäerzeit (siehe 1. Makkabäer 7,8-17) sandte Demetrius, der Sohn des Seleukus, den abtrünnigen Hohenpriester Alkimus und den grausamen Feldherrn Bacchides nach Jerusalem; die töteten heimtückisch die Schriftgelehrten und Chasidäer,3 die zu ihnen gekommen waren, um für ihr Volk um Frieden zu bitten. Alkimus ließ sechzig aus ihnen fangen und tötete sie alle auf einen Tag, wie der Psalmdichter geschrieben hat: "Das Fleisch deiner Heiligen haben sie den Tieren gegeben; sie haben Blut vergossen um Jerusalem umher wie Wasser; und war niemand, der sie begrub." Und in jener letzten, schrecklichsten Verwüstung, als sich die römischen Adler um die dem Untergang geweihte Stadt scharten und um den Tempel, von welchem Gott gesagt hatte: "Lasst uns von hinnen weichen"; als nicht ein Stein auf dem andern blieb, als Feuer das Heiligtum verzehrte, als Zion wie zum Felde umgepflügt wurde, Jerusalem von Erschlagenen voll ward und die Söhne Israels um die Mauern der Stadt in solchen Mengen gekreuzigt wurden, dass kein Raum mehr blieb und kein Holz für neue Kreuze; als Schmach und Scham und Schande das Los des Israeliten wurde, dass er als Flüchtling, als ein Auswurf der Menschheit, in allen Landen umherwandern musste; als all diese schmerzlichen Verhängnisse über Jerusalem hereinbrachen, - da war es eine Strafe für viele seit langem gehegte Missetaten; es war die Erfüllung der so oft vergeblich dem Volke vorgehaltenen Drohungen. Ja, schrecklich haben deine Feinde in dir gewütet, o Jerusalem, aber noch schrecklicher deine Sünden! Plain Commentary 1859.

Als ich in den bewohnten Teil der Altstadt eingetreten war und mich durch einige schmutzige, krumme Gässchen durchgewunden hatte, befand ich mich bei einer scharfen Biegung plötzlich an einem Ort von ganz einzigartigem Interesse: an der Klagemauer der Juden. Es ist das ein schmales, gepflastertes Viereck. Auf der einen Seite stehen die Rückseiten niedriger neuerer Häuser ohne Türen und Fenster; auf der andern Seite ist die hohe Mauer des Haram (des Tempelplatzes), die oben neueren Ursprungs ist, unten aber fünf Reihen vollkommen wohlerhaltener schräg abfallender Quadern hat. Hier ist es den Juden erlaubt, der Umwallung des Heiligtums zu nahen und über den gefallenen Tempel zu klagen, an dessen Steinen sie noch mit Liebe hangen und um dessen Staub sie Wehe fasst (Ps. 102,15 Grundtext). Es war ein Freitag, und eine Menge armseliger Beter hatte sich versammelt - Männer und Frauen von allen Altersstufen und aus allerlei Nationen, gekleidet in sonderbare Trachten aller Länder Europas und Asiens. Greise waren da, bleiche, hagere, von Kummer gebeugte Gestalten, die am Pilgerstab herwankten, und kleine Mädchen mit weißen Gesichtern und glänzenden schwarzen Augen, mit tiefem Ernst bald auf ihre Eltern, bald auf die alte Mauer blickend. Manche waren auf die Knie gesunken und sangen unter Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen des Körpers wehmütig aus einem jüdischen Gebetbuch, andere lagen hingestreckt auf dem Boden und pressten Stirn und Lippen auf die Erde; etliche waren ganz an der Mauer und vergruben ihr Angesicht in die Ritzen und Spalten der alten Steine, andere küssten diese ehrwürdigen Reliquien, wieder andere breiteten ihre Arme aus, als wollten sie die Steine an ihr Herz drücken, und manche benetzten sie mit ihren Tränen und seufzten und stöhnten dabei, als ob ihnen das Herz brechen wollte. Es war ein trauriger, tief ergreifender Anblick. Achtzehn Jahrhunderte der Verbannung und des Elends haben die Gefühle ihres Herzens nicht abgestumpft und ihre Verehrung für das Heiligtum nicht ertötet. An dieser Stätte sehen wir sie versammelt von den Enden der Erde, arme, verachtete, mit Füßen getretene Verbannte mitten unter den Zeichen der Verwüstung ihres Vaterlandes, bei den entehrten Trümmern ihres ehemaligen Heiligtums; da hören wir sie, bald in ehrwürdigen Klängen pietätvoller Andacht, dann wieder in erschütternden Tönen wilden Wehs die prophetischen Worte ihres Psalmdichters ausrufen: Gott, es sind Heiden in dein Erbe gefallen; die haben deinen heiligen Tempel verunreiniget und aus Jerusalem Steinhaufen gemacht. J. L. Porter 1865.

Fußnoten
2. Der "Busen" ist hier und oft der durch das Aufschürzen des langen Gewandes entstehende Bausch, der dem Morgenländer als Tasche dient.

3. Die chasidim (Luther: die Frommen) sind jüdische Schriftgelehrte, die sich zur Zeit der Seleukidenbedrückung im Gegensatz gegen die griechisch-jüdische Religionsmischerei zusammenschlossen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 2. Es ist ja wahr, was St. Augustin einmal sagt, dass Begräbnis und Leichenfeier wohl ein Trost für die Überlebenden, aber dem Verstorbenen nichts nütze seien. Sein Leib empfindet nichts davon, und seine Seele achtet nicht darauf. Wie viele heilige Blutzeugen haben kein Begräbnis bekommen, die darüber dachten wie jene zu Pharsalia Getöteten, die in edlem Spott zu ihrem Verfolger sagten: "Du richtest mit deinem Wüten nichts aus; was macht es, ob eine Krankheit oder der Scheiterhaufen unseren Körper auflösen?" Aber es gebührt sich dennoch, dem entseelten Menschenleibe die ihm zukommende Ehre zu erweisen. Darum befahl Jehu sogar eine Isebel zu bestatten, und David dankte den Einwohnern von Jabes, dass sie Saul begraben hatten. Auch Petrus ließ Ananias und Saphira, die auf sein Gerichtswort hin gestorben waren, beerdigen. Es ist ein von selbst einleuchtender Grundsatz der Menschlichkeit, dass man den Toten diese letzte Freundlichkeit nicht versage. Sind sie doch mit uns gleichen Fleisches, und glauben wir doch an eine Auferstehung. Wenn daher die Leichname den Vögeln des Himmels und den Tieren des Feldes hingeworfen werden, so beweist das, wenn Gott es verhängt, dass er aufs höchste über die Sünde entrüstet ist (man vergl. Jer. 22,19 das Wort über Jojakim: Er soll wie ein Esel begraben werden, indem man ihn fortschleift und weit draußen vor den Toren Jerusalems hinwirft), wenn aber Menschen es tun, dass sie unmenschlich grausam sind. John Dunster 1613.

V. 2-5. [Das Folgende ist ein Auszug aus den Schriften eines gottseligen Mönches, der die Worte des Psalms auf die Verfolgungen seiner Zeit anwendet. Er schrieb zu Rom in der Reformationszeit und war offenbar ein Freund des Evangeliums.] Wo gibt es heutigestags in diesem unserm schwer heimgesuchten Europa (wenn wir es noch unser nennen dürfen) einen Strom oder Bach, in dem nicht Christenblut geflossen? Und zwar Christenblut, vergossen durch Schwert und Speer von Christen? Darum ist großes Wehklagen in Israel; die Fürsten und die Ältesten trauern, die Jünglinge und die Jungfrauen sind schwach geworden, und die Schöne der Frauen ist dahin. Warum? Das Heiligtum selbst ist öde wie eine Wildnis. Hast du je ein so trauriges Bild gesehen? Sie haben die Leichname deiner Knechte, o Gott, haufenweise hingeworfen, dass die Vögel sie fressen sollten; die Überreste deiner Heiligen, sage ich, haben sie den Tieren im Lande preisgegeben. Welch größere Unmenschlichkeit hätte man je begehen können? So viel Blut ward zu dieser Zeit vergossen, dass die Bäche, ja die Flüsse in der ganzen Umgegend der Stadt davon flossen. Und so ist wahrlich die Schönheit unserer herrlichen Stadt verwüstet worden und alle ihre Lieblichkeit. Ihrer Einwohner ist so wenig geworden, dass man nicht einmal um viel Geld die nötigen Leute bekommen kann, die Leichen hinauszuschaffen und zu begraben; so voller Furcht und Entsetzen waren die Gemüter. Und das alles ist umso bitterer, als wir unseren Nachbarn eine Schmach geworden sind und verhöhnt werden von den Ungläubigen in der Ferne und von den Feinden daheim. Wer mag das ertragen, wer kann da leben? Wie lang soll denn diese schreckliche Zeit der Unruhe dauern? Giambattista Folengo † 1559.

Deine Knechte, deine Heiligen. Keine zeitlichen Strafheimsuchungen, keine Trübsale irgendwelcher Art vermögen die Kinder Gottes von seiner Liebe zu scheiden, noch die innige Verbindung zwischen Gott und ihnen zu lösen. Das sehen wir hier: wiewohl ihre Leiber fallen und von den Vögeln des Himmels und den Tieren der Erde verzehrt werden, bleiben sie dennoch unter allen diesen Leiden des HERRN Knechte und Heilige. Dav. Dickson † 1662.

Deiner Heiligen. Hierdurch werden insgemein die rechtgläubigen und wahren Glieder der Kirche Gottes verstanden. Das sind die rechten Chasidim, die ihrem Gott in seine Gnadenhände sehen und ihr Heil nur einzig und allein in seiner Gnade durch den Glauben suchen. Die müssen aber gemeiniglich gar viel darüber leiden. Johann David Frisch 1719.

V. 4. Wir sind eine Schmach worden usw. Wenn diejenigen, welche dem Bekenntnis nach zu Gottes Volk gehören, abfallen von dem, was sie selbst und ihre Väter waren, so müssen sie erwarten, dass man es ihnen vorhält; und es ist gut, wenn gerechter Tadel uns zu aufrichtiger Buße leitet. Aber das Los des neutestamentlichen Israel ist es gewesen, ungerechterweise zu einer Schmach und einem Spott gemacht zu werden; die Apostel selber wurden "ein Auswurf der Welt, ein Abschaum aller Leute" (1. Kor. 4,13). Matthew Henry † 1714.

V. 5. Wie lange, HERR, willst du für immer zürnen? (Wörtl.) Der scheinbare Widerspruch zwischen der Frage "wie lange", die ein Ende erhofft, und der adverbiellen Bestimmung "für immer ", die das Ende ausschließt, erklärt sich aus der erregten und geteilten Gemütsstimmung des Sängers. "Hier verzweifelt die Hoffnung selbst, und die Verzweiflung hofft dennoch" (Luther). Vergl. Ps. 13,5; 89,47. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.

Nicht so lautet die Klage: "Wie lange, HERR, soll diese Bosheit des Feindes noch dauern? Wie lange sollen wir noch diese Verwüstung vor Augen haben?" sondern: "Wie lange, HERR, willst du so gar zürnen? Für immer?" Wir werden demnach durch diese Stelle ermahnt, in allen uns widerfahrenden Trübsalen den Zorn Gottes gegen uns zu erkennen, damit wir nicht, wie es die Welt tut, nur die Bosheit der Feinde anklagen, ohne an unsere Sünde und Gottes Strafe zu denken. Wer anerkennt, dass Gottes Zorn über ihm waltet, der kann nicht anders als zugleich seine Verfehlung anerkennen, es wäre denn, dass er das Unrecht Gott zuschieben wollte, als sei der über einen Unschuldigen zornig. Wolfgang Musculus † 1563.

Das Wort Eifer weist auf ein Strafen hin, das mit Liebe verbunden ist; denn wenn Gott nicht liebte, sagt Hieronymus, würde er nicht eifersüchtig sein und an seinem Volke nach der Weise eines Ehemannes handeln, der die Sünde seines Weibes straft. Joh. Lorinus 1634.

V. 6. Dass die Heiden und die Ungläubigen Gott nicht kennen und seinen Namen nicht anrufen, ist nicht entschuldbar, sondern ist Sünde und die Vernachlässigung einer Pflicht, welche Gott reizt, seinen Grimm über sie auszuschütten. David Clarkson † 1686.

V. 8. Wiewohl die Propheten heilige Männer waren, machten sie sich doch in einem gewissen Sinn der Sünden ihres Volkes teilhaftig - nicht durch Sündigen, sondern durch Weinen und Flehen und Anrufen der Gnade Gottes. Vergl. Jes. 59,12 und Dan. 9,5. So lasst auch uns nicht nur unsere eigenen, sondern auch die Gebrechen der ganzen Gemeinde des HERRN, deren Glieder wir ja sind, betrauern und bekennen, auch wenn wir persönlich an den Verfehlungen keinen Anteil haben. Wolfgang Musculus † 1563.

Rechne uns nicht die Missetaten der Vorfahren zu. (Grundtext) Die Juden haben ein Sprichwort, es komme über Israel keine Züchtigung, in der nicht ein Lot Strafe für das goldene Kalb mitenthalten sei. John Gill † 1771.

Eilends komme uns dein Erbarmen entgegen (wörtl.); es möchte sonst zu spät kommen, denn wir liegen in den letzten Zügen. John Trapp † 1669.

Denn wir sind sehr schwach geworden. (Wörtl.) Alle Hoffnung auf menschliche Hilfe ist für uns vorbei; darum wird der Ruhm unserer Errettung gänzlich dein sein. Mt. Polus † 1679.

V. 9. Gott, unser Helfer, wörtl.: Gott unseres Heils. Wenn die menschliche Vernunft nach den vielen harten Schlägen zu urteilen hätte, mit welchen Gott sein Volk so oft gezüchtigt und schwer verwundet hat, so würde sie Gott nicht den Helfer, sondern den Verstörer und Unterdrücker seines Volkes nennen. Aber der Glaube des Propheten fällt ein gar anderes Urteil über Gott und sieht sogar in dem zürnenden und rächenden Gott das Heil seines Volkes. Die Götter der Heiden sind, trotzdem sie nicht einmal irdische Strafen verhängen können, doch ihren Anbetern nicht Götter des Heils, sondern des Verderbens. Unser Gott aber ist, selbst wenn er heftig zürnt und züchtigt, nicht ein Gott der Zerstörung, sondern des Heils. Wolfgang Musculus † 1563.

Um deines Namens willen. Zweimal macht der Psalmist dies geltend, gemäß jener Offenbarung, welche Gott selbst von sich dem Mose gegeben hatte, als er vor Mose vorüberging und den Namen Jehova verkündigte, 2. Mose 34,6 f. Vergl. Ps. 20,2; 23,3; 29,2. J. J. St. Perowne 1864.

Alles Gute, das Gott den Seinen erweist, sei es zeitlicher oder geistlicher Art, geschieht um seines Namens willen. Nicht um der Feinde willen erhält oder errettet Gott sein Volk; und nicht um ihrer selbst, ihrer Gebete, ihrer Tränen, ihres Glaubens, ihres Gehorsams, ihrer Heiligkeit willen tut Gott an den Seinen große Dinge. Um des Menschen willen hat Gott die Erde verflucht (1. Mose 8,21); aber um seines Namens willen segnet er sie. Die köstlichsten Gnadengüter, die Gottes Volk hat, genießt es um seines Namens willen; so die Vergebung der Sünden Ps. 25,11; 79,9; 1. Joh. 2,12; Leitung Ps. 23,3; Erquickung Ps. 143,11 usw. Ja, ob die Seinen ihn auch kränken, lässt er sie doch nicht im Stich, um seines Namens willen. William Greenhill † 1677.

V. 11. Lass vor dich kommen das Seufzen deiner Gefangenen. Wir können, ohne ein Wort zu sagen, mit einem Seufzer eine lange Geschichte des Kummers erzählen und große Wünsche ausdrücken. Wenn ein Gefangener durch die Eisenstangen blickt, die Tag und Nacht als stumme Schildwachen vor dem Fenster seiner Zelle stehen, und wenn sein Auge dann auf die grünen Felder und Auen da draußen fällt, so seufzt er und wendet sich von dem lieblichen Anblick mit heißer Sehnsucht. Er hat kein Wort gesprochen; doch hat er einen Wunsch geäußert. Der Seufzer war ein Ausdruck seines Verlangens: "Ach, dass ich befreit würde!" Und solche Seufzer hört Gott. Eure Sehnsucht und euer Kummer, wenn diese Sehnsucht nicht erfüllt wird, eure betrübten Gedanken: "Ach, wann werde ich von der Bürde meiner Sünden und von der Kälte meines Herzens befreit werden!" - diese tiefen Wünsche eures Herzens fanden in euren Seufzern Ausdruck und wurden im Himmel droben vernommen. Ph. B. Power 1862.

Ein morgenländisches Gefängnis ist noch heute eine Stätte großen Elends, namentlich deshalb, weil den Gefangenen so wenig Wasser gereicht wird. Daniel Creßwell † 1844.

Erhalte die Kinder des Todes, d. i. die dem Tode Verfallenen. Sollten die Kinder Gottes ihrem himmlischen Vater nicht auch darin mehr nachzuahmen suchen, dass sie sich derer annehmen, die dem Tode verfallen sind? Eine hervorragende christliche Dame hält eine Liste über alle, von denen sie vernimmt, dass sie zum Tode verurteilt sind, und betet für sie jeden Tag, bis ihr letztes Stündlein gekommen ist. Steht das nicht mit dem Herzen Gottes im Einklang? William Swan Plumer 1867.

V. 12. Vergilt unseren Nachbarn siebenfältig. Ist das wohl recht? Die Strafe darf doch das Vergehen nicht übersteigen. Gut so; aber man beachte, dass ein Schimpf, den ein gottloser Mensch einem Kinde Gottes (und damit Gott selbst) antut, mit zehntausend Schmähungen, die über den Gottlosen ausgeschüttet werden, nicht aufgewogen werden kann, und dass die geringste Schmach, welche Gott angetan wird, ein unermessliches Böses ist. Abraham Wright 1661.

Unsern Nachbarn: weil der Hohn solcher unerträglicher und auch unentschuldbarer war als die Unterdrückung, welche entfernte feindliche Völker ausübten. J. J. Stewart Perowne 1864.

HomiletischeWinke

V. 4. Die Frommen als Zielscheibe des Spottes der Sünder. Wann sind sie es gerechter- und wann ungerechterweise? Was dünkt die Gottlosen an den Frommen lächerlich? Was sollen wir unter solcher Prüfung tun? Und wie wird das alles enden?
V. 5. 1) Die Ursache des göttlichen Zornes: der Eifer Gottes um sein Volk. 2) Die Mäßigung des göttlichen Zornes. Hielte der Zorn für immer an, so würde Gottes Volk vergehen, so würden Gottes Verheißungen nicht erfüllt werden, sein Bund dahinfallen und seine Ehre verletzt werden. 3) Wie können wir dem Zorne Gottes Einhalt tun? Durch Gebet, indem wir uns auf Gottes Namen, Gottes Verherrlichung und auf das Blut Jesu berufen.
V. 8. Das Bekenntnis eines Sünders, seine Bitte und die Begründung dieser Bitte.
V. 9. 1) Eine dreifache Bitte. 2) Ein ermutigender Gottesname: Gott, unser Helfer. 3) Eine unabweisbare Begründung der Bitte: Um deines Namens Ehre willen.
1) Die Bitte: Hilf uns usw. a) Erlöse uns von der Sünde. b) Befreie uns aus unseren Nöten. c) Stehe uns bei, dir in Zukunft zu dienen. 2) Ihre Begründung: Um deines Namens Ehre willen; du bist ja Gott unser Helfer. George Rogers 1874.
V. 10b. Gottes Rache für den Tod der Blutzeugen zu erbitten ist uns erlaubt, ja eine uns obliegende Pflicht.
V. 11. 1) Der Gefangene. a) Gefesselt in den Ketten der Sünde. b) Gefoltert auf der Marterbank der Sündenerkenntnis. c) Verschlossen in dem Kerker der Verzweiflung. 2) Seine Sehnsucht nach Befreiung. 3) Woher erwartet er Hilfe? Ph. B. Power 1862.
1) Die zu Rettenden: Die Kinder des Todes. 2) Die erbetene Rettung: Erhalte sie. 3) Das Maß solcher Rettung: Nach deinem großen Arm. C. Le Breton 1849.
1) Eine traurige Lage: ein Gefangener, seufzend, dem Tode verfallen. 2) Hoffnungsvolle Tatsachen: Gott lebt, ein Gott, der die Seufzer vernimmt, ein Gott, dessen Arm gewaltig ist. 3) Passende Bitten: Lass das Seufzen vor dich kommen; erhalte am Leben die Kinder des Todes.
V. 13. Welche Verpflichtungen erwachsen der evangelischen Kirche aus dem Blut ihrer Märtyrer, ihren wunderbaren Errettungen und ihrer unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott? Sie sollte dafür besorgt sein, den kommenden Geschlechtern das reine Evangelium zu erhalten.
1) Die gläubige Gemeinde macht ihre Zugehörigkeit zu Gott geltend: Wir, dein Volk und Schafe deiner Weide. 2) Sie erkennt ihre Verpflichtung zum Danke an: Wir aber - wenn du unserer Not ein Ende machst, dann ist es an uns, dir zu danken usw. 3) Sie fasst den Entschluss, dieser Verpflichtung nachzukommen, und zwar a) dem Herrn ewiglich zu danken, b) seinen Ruhm allen zukünftigen Geschlechtern (Grundtext) zu verkündigen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 80 (Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Vorzusingen. Die folgenden Worte kann man auf verschiedene Weise aneinanderfügen. Entweder (mit der Masora): Nach "Lilien" (zu singen), vergl. Ps. 45,1; 69,1; ein Zeugnis Asaphs, ein Psalm, oder ähnlich wie Ps. 60,1: (Zu singen) nach: "Wie Lilien (d. h. rein, schön wie Lilien) ist das Zeugnis (das Gesetz)," von Asaph, ein Psalm. Man vergleiche die Vorbemerkungen zu den genannten Psalmen. Der Dichter unseres Psalms ist wie der des unmittelbar vorhergehenden wohl ein späterer Asaph oder ein Asaphite, der das Unglück hatte, gleich dem letzten Barden in böser Zeit zu leben.

Einteilung

Der Psalm teilt sich ganz natürlich bei dem dreimal wiederholten Kehrvers. Die Vers 2-4 sind einleitende Bittworte, gerichtet an den Hirten Israels. V. 5-8 sind ein Klagelied über das nationale Elend, und die Vers 9-20 fahren mit derselben Klage fort, indem sie dabei das Volk unter dem schönen Bilde eines Weinstocks darstellen. Ein Psalm voller Trauer; doch bricht der Glaube in dem Kehrvers immer wieder durch.

Auslegung

2. Du Hirte Israels, höre,
der du Josephs hütest wie der Schafe;
erscheine, der du sitzest über Cherubim!
3. Erwecke deine Gewalt, der du vor Ephraim, Benjamin
und Manasse bist, und komm uns zu Hilfe!
4. Gott, tröste uns
und lass leuchten dein Antlitz, so genesen wir!


2. Du Hirte Israels, höre! Vernimm das angstvolle Blöken deiner elenden Schafe. Der Name, der hier Jehova beigelegt wird, ist von besonderer Zartheit; eben darum ist er von dem Psalmdichter gewählt: gebrochenen Herzen sind solch liebliche, leutselige Gottesnamen köstlich. Der greise Jakob dachte gern an Gott als Israels Hirten (1. Mose 48,15; 49,24), und vielleicht blickt unser Vers auf jene Ausdrücke des sterbenden Patriarchen in den Segensworten über Joseph und seine Söhne zurück. Wir dürfen ganz gewiss sein, dass Gott, der sich herablässt, den Seinen ein Hirte zu sein, gegen ihre Klage nicht taub sein wird. Der du Josephs hütest wie der Schafe. Das Volk als ganzes kann sehr wohl nach dem Namen seines berühmten Sohnes genannt werden, der den Stämmen ein zweiter Vater geworden war und sie in Ägypten am Leben erhalten hatte. Doch bezieht sich der Name hier wohl vorzugsweise auf die zehn Stämme, deren anerkanntes Haupt Ephraim war. Jehova hatte vor alters in der Wüste die Stämme Israels sanft geleitet und behütet; darum wird er jetzt angerufen. Was der HERR in den vergangenen Zeiten getan hat, ist uns ein starker Grund, uns auch für die Gegenwart und die Zukunft an ihn zu halten und von ihm Großes zu erwarten. Erscheine (im Lichtglanz), der du sitzest über Cherubim. Die besondere Gegenwart des HERRN enthüllte sich auf dem Gnadenthron über den Cherubim, und wann immer wir dem HERRN Bitten und Flehen vorzutragen haben, sollten wir uns dahin wenden: nur auf dem Gnadenstuhl enthüllt Gott seine Huld, und nur dort können wir hoffen, ihm nahen zu dürfen. Lasst uns allezeit im Namen Jesu bitten; denn Jesus ist der wahre Gnadenstuhl, zu dem wir mit aller Freudigkeit hinzutreten dürfen und um deswillen wir erwarten dürfen, dass die Herrlichkeit des HERRN sich uns zugut enthüllen werde. Was wir mehr als alles andere fürchten, ist, dass der HERR uns seine Gegenwart entziehe, und unsere herrlichste Hoffnung ist die Aussicht auf die Erscheinung unseres Herrn und Heilandes. Selbst in den dunkelsten Zeiten ist das Licht des Antlitzes seines göttlichen Hirten alles, dessen Israel bedarf.

3. Erwecke deine Gewalt vor Ephraim, Benjamin und Manasse (Grundtext) und komm uns zu Hilfe! Wir tun gut daran, die Glieder des Volkes Gottes im Gebet mit Namen zu nennen, denn sie sind Jehova lieb und wert. Jesus trägt die Namen seines Volkes auf seinem hohenpriesterlichen Brustschildlein. Gerade wie es das Gemüt eines Vaters bewegt, wenn die Namen seiner Kinder genannt werden, so ist es auch beim HERRN der Fall. Die drei genannten Stämme waren nahe verwandt: Ephraim und Manasse stellten zusammen Joseph dar, und es geziemte sich, dass Benjamin, der andere Sohn der geliebten Rahel, mit ihnen in einem Atemzuge genannt werde. Diese drei Stämme pflegten in der Wüste miteinander zu ziehen, unmittelbar hinter der Bundeslade her (4. Mose 2,17-24). Die Bitte geht dahin, der Gott Israels wolle zum Besten seines Volkes seine Heldenkraft erwecken, seine Macht aufbieten, um die Feinde zu verjagen und seinem Volke zu helfen. O dass es in unseren Tagen dem HERRN gefalle, jedes Teiles seiner Kirche zu gedenken und alle ihre Stämme sein Heil sehen zu lassen. Wir wollen nicht die Gemeinden unseres engeren kirchlichen Kreises allein vor dem HERRN betend erwähnen, sondern für alle Abteilungen der einen Gemeinde Gottes unsere Bitten zum Gnadenthron emporsenden.

4. Gott, bringe uns wieder, oder: stelle uns wieder her. (Grundtext) Welchen Sinn man in diesen Worten, die dreimal wiederkehren, findet, hängt davon ab, auf welche Lage Israels man den ganzen Psalm bezieht. Klar ist ja, dass das Volk durch auswärtige Feinde bedrängt war; aber man kann dabei auf die verschiedensten Zeiten raten. So sehen z. B. manche in den Worten eine Bitte der Gläubigen im Reiche Juda um Wiederbringung der in die assyrische Gefangenschaft geführten nördlichen Stämme und um Wiederherstellung der Einheit des Volks; andere legen die Worte den in die babylonische Gefangenschaft geführten Juden in den Mund. Doch ist es wohl nicht notwendig, den Worten gerade den Sinn zu geben: "Bringe uns wieder aus der Gefangenschaft," sondern sie können auch bedeuten: "Bringe uns wieder in das Gnadenverhältnis zu dir." Diese Auffassung der Worte wird uns auch nahegelegt durch die bezeichnende Abänderung des Kehrverses in V. 15: "Gott Zebaoth, kehre doch wieder." Das ist jedenfalls die Hauptsache und der einzige Grund, auf welchem dem Einzelnen wie einem Volke wahres Glück wieder aufblühen kann. Es wird alles recht werden, wenn wir nur im rechten Verhältnis zum HERRN stehen. Die beste Änderung ist nicht die der äußeren Umstände sondern unseres Wesens. Wenn Gott sein Volk innerlich wieder zurechtbringt, wird er auch bald dessen äußere Lage wieder in Ordnung bringen. Es bedarf aber des HERRN selber, dies Werk in den Herzen zustande zu bringen, und diejenigen, welche einst im Gnadenverhältnis zu Gott standen, bedürfen, wenn sie abgewichen sind, ebenso sehr des HERRN, um sie wieder zurechtzubringen, wie einstmals ihre Bekehrung ein schöpferisches Werk Gottes war. Und lass leuchten dein Antlitz. Wende dich uns huldvoll zu, blicke uns freundlich an. Jetzt ist dein Angesicht finster, dass wir darob erschrecken; lass es uns wieder hell leuchten. So segnete ja der Hohepriester das Volk Gottes: "Jehova lasse sein Angesicht leuchten über dir;" und was der HERR uns bereits durch unseren Hohenpriester und Mittler gegeben hat, das dürfen wir zuversichtlich von ihm erbitten. Dass uns geholfen werde.1 Alles, was zur wahren Hilfe, zum Heil nötig ist, ist des HERRN Huld. Ein Blick seines gnädigen Antlitzes würde selbst das Tophet (die "Gräuelstätte" bei Jerusalem, wo dem Moloch die Kinder geopfert wurden) in ein Paradies verwandeln. Wie grimmig der Feind oder wie drückend die Gefangenschaft sei, das leuchtende Angesicht Jehovas sichert beides, Sieg und Freiheit. Dieser Vers ist ein gar mannigfaltig brauchbares Gebet für uns, die wir gleich Israel so oft der zurechtbringenden und wiederherstellenden Gnade bedürfen.

5. Herr, Gott Zebaoth,
wie lange willst du zürnen über dem Gebet deines Volks?
6. Du speisest sie mit Tränenbrot
und tränkest sie mit großem Maß voll Tränen.
7. Du setzest uns unseren Nachbarn zum Zank,
und unsre Feinde spotten unser.
8. Gott Zebaoth, tröste uns;
lass leuchten dein Antlitz, so genesen wir.


5. HERR, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen über oder bei dem Gebet deines Volks? Wie lange soll der Rauch deines Zornes den Weihrauch unserer Gebete niederschlagen? Unser Flehen würde ins Heiligtum dringen, aber dein Grimm hindert es. Dass Gott mit uns zürnt, wenn wir sündigen, ist natürlich genug; aber dass er sogar über unserm Beten grollt, ist ein schwerer Kummer. Da mag der Beter wohl mit vielem Seufzen fragen: Ach, wie lange soll das währen? Du Befehlshaber all der Heerscharen deiner Geschöpfe, der du Macht hast, auch in der äußersten Not zu helfen, sollen deine Heiligen für immer umsonst zu dir rufen?

6. Du speisest sie mit Tränenbrot. Ihre Speisen sind gewürzt mit bitterm Tränensalz. Ihre Mahlzeiten, einst so angenehme Zeiten gesellschaftlicher Freuden, sind nun gleich Leichenmahlen, zu denen jeder seine Traurigkeit als bittere Zukost mitbringt. Vormals gabst du deinem Volke Brot vom besten Weizen zu essen (Ps. 81,17), jetzt aber bekommt es von deiner Hand keine bessere Kost gereicht als Tränenbrot. Und tränkest sie mit großem Maß voll Tränen. Tränen sind ihnen beides, Speise und Trank, und das nicht kärglich. Maßweise müssen sie die Tränen schlucken, sie schwimmen in einem Meer von Kummer, und das alles nach Gottes eigener Anordnung; nicht sowohl, weil ihre Feinde sie mit Waffengewalt beherrschen, als weil ihr Gott sich weigert, für sie ins Mittel zu treten. Das Tränenbrot ist noch mehr eine Frucht des Fluches als das Brot, das wir täglich im Schweiße des Angesichts essen müssen; aber durch Gottes Liebe wird es sich auch in einen noch größeren Segen als dieses wandeln, indem es zu unserer geistlichen Gesundheit dient.

7. Du setzest uns unseren Nachbarn zum Zank. Edom und Moab, allezeit eifersüchtig und boshaft, frohlockten über Israels Unglück und fielen gemeinsam über das geschwächte Volk her, um es zu quälen. Dabei gerieten sie miteinander in Streit; aber Israel hatte es, von beiden hin und her gezerrt, zu büßen. Wehe dem, der so zwischen zwei Mühlsteine kommt. Ihr Hass äußerte sich gewiss in Tätlichkeiten und besonders in bitterem Spott über das scheinbar von Gott verlassene auserwählte Volk. Der schadenfrohe Hohn von Nachbarn ist stets äußerst kränkend, besonders wenn er einen solchen trifft, der ihnen vordem überlegen war und ein höheres Maß von sittlichem Wert und göttlicher Gunst für sich in Anspruch nehmen durfte. Niemand ist so unnachbarlich wie solche Nachbarn, die von Missgunst und boshaftem Neid besessen sind. Und unsre Feinde spotten unser. Sie finden Freude an unserm Elend, sie machen aus unserer Tragödie eine Komödie und würzen ihren Witz mit dem Salz unserer Tränen. Es ist teuflisch, mit anderer Kummer seinen Scherz zu treiben; aber das ist ja stets die Gewohnheit der Welt, die im Argen liegt, sich über die Trübsale der Frommen lustig zu machen: der Schlangensame ahmt seinem Vater nach und freut sich des Bösen.

8. Gott Zebaoth, stelle uns wieder her; lass leuchten dein Antlitz, dass uns geholfen werde. Die gleiche Bitte wie V. 4, doch verstärkt durch die Art der Anrufung Gottes. Er wird hier der Elohim der Heerscharen2 genannt. Je näher wir in Gebet und Betrachtung Gott kommen, desto größer wird er uns.

Fußnoten
1. Luthers Übers.: so genesen wir besagt dasselbe, aber nach der jetzt veralteten Bedeutung des Wortes: erhalten werden, am Leben bleiben, gerettet werden. So ist es auch 1. Mose 32,30; Hiob 22,29; Ps. 119,117; Spr. 28,18 zu verstehen. Die reviderte. Lutherbibel hat das für uns missverständliche Wort nur an der letztgenannten Stelle berichtigt.

2. Elohim ist hier, nach der Erklärung Delitzschs und anderer, nicht dekliniert, weil Eigenname geworden. Vergl. Jehova Elohim der Heerscharen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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9. Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholet
und hast vertrieben die Heiden und denselben gepflanzet.
10. Du hast vor ihm die Bahn gemacht
und hast ihn lassen einwurzeln, dass er das Land erfüllet hat.
11. Berge sind mit seinem Schatten bedeckt
und mit seinen Reben die Zedern Gottes.
12. Du hast sein Gewächs ausgebreitet bis an das Meer
und seine Zweige bis an den Strom.
13. Warum hast du denn seinen Zaun zerbrochen,
dass ihn zerreißet alles, das vorübergehet?
14. Es haben ihn zerwühlet die wilden Säue,
und die wilden Tiere haben ihn verderbet.
15. Gott Zebaoth, wende dich doch,
schaue vom Himmel und siehe an
und suche heim diesen Weinstock
16. und halt ihn im Bau, den deine Rechte gepflanzt hat,
und den du dir festiglich erwählet hast.
17. Siehe drein und schilt,
dass des Brennens und Reißens ein Ende werde.
18. Deine Hand schütze das Volk deiner Rechten
und die Leute, die du dir festiglich erwählet hast;
19. so wollen wir nicht von dir weichen.
Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen.
20. HERR, Gott Zebaoth, tröste uns;
lass dein Antlitz leuchten, so genesen wir.


9. Du holtest3 (eigentlich: hobst aus) einen Weinstock aus Ägypten. Dort war er in ungünstigem Boden: die Wasser des Nils tränkten ihn nicht, sondern waren für seine Schosse wie Gift; die Einwohner des Landes verachteten ihn und traten ihn nieder. Herrlich war es, als der HERR mit seiner mächtigen Hand und unter großen Wundertaten diese seine Lieblingspflanze aushob und versetzte, im Angesicht derer, die sie zu vernichten suchten. Und vertriebest die Heiden und pflanztest ihn. Sieben Völker wurden ausgerissen, um für Jehovas edlen Weinstock Platz zu machen. Die alten Bäume, welche so lange den Boden für sich allein in Anspruch genommen hatten, wurden mit Wurzel und Zweigen ausgerissen; Eichen Basans und Palmen von Jericho mussten dem auserkorenen Weinstock zugut weichen. Dieser aber ward mit aller Vorsicht und Weisheit von dem himmlischen Gärtner an dem ihm bestimmten Ort sicher und gut eingepflanzt. Wiewohl Israel gleich der Rebe klein und unansehnlich, äußerst schwach und abhängig von seiner Stütze, ja am Boden zu kriechen geneigt war, so erwählte der HERR es doch, weil er wusste, dass er durch unablässige Pflege und mit gutem Geschick daraus eine die köstlichste Frucht tragende Pflanze erziehen konnte.

10. Du machtest vor ihm die Bahn. Unkraut aller Art, Gestrüpp und Gestein wurden weggetan und so der Platz gesäubert; die Amoriter und ihre Genossen der Sünde mussten den Schauplatz verlassen, ihre Heerhaufen wurden in die Flucht gejagt, ihre Könige erschlagen, ihre Städte genommen; so ward Kanaan einem Stück Land gleich, das als Weinberg zu dienen bereitet wird. Und ließest ihn einwurzeln (eigentl.: und er wurzelte seine Wurzeln ein), dass er das Land erfüllete. Israel kam zu festem Stand, wie ein gut eingewurzelter Weinstock, und begann dann zu sprossen und sich nach allen Seiten auszubreiten. Dies Bild könnte auf die Erfahrung eines jeden, der sich gläubig in Jesus gründet, angewendet werden. Der HERR hat uns in diesen Boden gepflanzt, wir schlagen darin immer tiefer und weiter Wurzel, und dank seiner Gnade schreiten wir auch an äußerlich wahrnehmbarem Wachstum fort. Das gleiche ist in einem noch mehr dem Buchstaben nahekommenden Sinn von der Kirche Gottes wahr; denn in der jetzigen Zeit breitet dieser edle Weinstock seine Ranken, dank der Fürsorge und Leitung des Weingärtners, weit und breit aus.

11. Berge wurden mit seinem Schatten bedeckt. Israel schlug seine Wohnungen bis auf die Gipfel der Berge auf; es bebaute mit emsigem Fleiß jeden Fußbreit fruchtbaren Landes. Das Volk mehrte sich in dem Maße und ward eine so große Nation, dass andere Länder seinen Einfluss spürten, gleichsam von seinem Schatten getroffen wurden. Und mit seinen Reben die Zedern Gottes. Die Reben erlangten in Palästina eine sehr ansehnliche Größe und wurden dort, wie in manchen andern Ländern, auch an lebenden Bäumen emporgezogen. Was für ein Weinstock muss das sein, der die "Zedern Gottes", diese "idealen Denkmäler der göttlichen Schöpfermacht" (Delitzsch), hinanklimmt und sie sogar überragt und bedeckt. Es ist ein kräftiges und anmutiges Bild von dem Wohlgedeihen des israelitischen Volkes in seinen besten Tagen. Zu Salomos Zeiten behauptete das kleine Land Israel einen hervorragenden Platz unter den Nationen. Es hat Zeiten gegeben, wo auch die Gemeinde Gottes in ganz außerordentlich hohem Ansehen stand und ihre Geistesmacht sich nah und fern fühlbar machte.

12. Er entsandte seine Ranken bis an das Meer. (Grundtext) Längs der Küste des Mittelländischen Meeres, ja wohl gar über seine Gewässer hinaus, ward Israels Macht empfunden. Und seine Zweige bis an den Strom. Im Osten drängte sich das jüdische Volk mit seinem Handel sogar bis zum Euphrat vor. Das waren glänzende Zeiten für Israel, und sie hätten fortgedauert, wenn die Sünde ihnen nicht ein Ende bereitet hätte. Wenn die Gemeinde das Wohlgefallen ihres Herrn hat, wird ihr Einfluss fast unbegrenzt, viel größer, als die Zahl ihrer Glieder oder ihre äußerliche Stellung in der Welt erwarten ließen. Aber ach, wenn der HERR sie verlässt, wird sie so unwert, nutzlos und verächtlich wie ein ungepflegter Weinstock, der von allen Gewächsen das wertloseste ist.

13. Warum hast du denn seinen Zaun zerbrochen? Du hast ihm den Schutz entzogen, nachdem du ihm so viel Sorgfalt zugewendet hattest - warum das, HERR? Ein Weinberg, dessen Mauer eingerissen ist, ist aller Unbill ausgesetzt; niemand nimmt ihn in Acht, alles fällt plündernd und zerstörend über ihn her. So ging es Israel, als es seinen Feinden preisgegeben war, und ach, wie oft ist die Gemeinde des HERRN in derselben traurigen Lage gewesen! Dass ihn zerreißet alles, das vorübergehet. Die unbarmherzigen Nachbarvölker reißen hier ein Stück und da ein Stück herunter, und Räuberhorden rupfen an ihm wie wilde Tiere. Ist Gott mit uns, so mag uns kein Feind etwas anhaben; sind wir aber von seinem Schutz verlassen, so ist niemand so schwach, dass er uns nicht Schaden tun könnte.

14. Es zerwühlen ihn (oder fressen ihn ab) die wilden Säue. Diese Tiere sind dafür bekannt, dass sie die Weinberge gern zerwühlen und zerfressen. Da im Grundtext die Einzahl steht: "der Eber aus dem Walde," so hat man diesen Ausdruck nach einer alten Glosse als sinnbildliche Bezeichnung Assurs aufgefasst, wie man auch das gleich nachher erwähnte "Getümmel des Feldes" auf die zeltenden Araber bezogen hat. Andere, die den Psalm in das babylonische Exil verlegen, verstehen unter dem wilden Eber die babylonische Macht. Doch ist es nicht nötig, den Worten eine so spezielle Beziehung zu geben. Genug, es fielen grimmige Feinde, den Wildschweinen vergleichbar, über Volk und Land her, bis es verwüstet und zerrissen war wie ein Weinstock, den gefräßige Eber mit ihren Hauern zerarbeitet haben. Und die wilden Tiere (wörtl.: was sich auf dem Felde regt) weiden ihn ab. (Grundtext) Mit einem Feind war’s nicht getan; es kamen andere nach, um das traurige Werk der Zerstörung zu vollenden. Und Gott rührte keine Hand, sie hinwegzujagen. Ein Unheil folgte dem andern; Füchse und anderes Getier des Feldes fraßen die zarten Schosse, die der durch die Wildschweine angerichteten Zerstörung entgangen waren. Ach, du armes Land, wie bist du zugrunde gerichtet! Eine Eiche oder Zeder hätte es wohl noch ertragen können, von solchen Verheerungen betroffen zu werden; aber wie sollst du es überstehen, du schwacher, zarter Weinstock? Sieh, was für Übel im Gefolge der Sünde sind, und wie schrecklich es für ein Volk ist, von seinem Gott dahingegeben zu werden.

15. Gott Zebaoth, wende dich doch. Kehre dich wieder zu uns, wie wir dich ja auch gebeten haben, dass du uns wieder zu dir kehren wollest (V. 4). Du bist von uns gegangen um unserer Sünden willen; kehre doch wieder zurück, denn wir seufzen und schreien dir nach. Oder, wenn das zu viel gebeten ist, dass du wiederkommen wollest, so schenke uns doch wenigstens wieder etwas Beachtung; wirf nur einen Blick auf unser Elend: schaue vom Himmel und siehe (darein) und suche heim diesen Weinstock. Mache deine Augen nicht zu, es ist ja dein Weinstock; wende dich nicht ganz von ihm ab, als ob du nichts mehr von ihm wissen wolltest. Erhabener Weingärtner, beachte wenigstens das Unheil, das die wilden Tiere angerichtet haben; denn dann mag es doch sein, dass dein Herz von Mitleid bewegt wird und deine Hand sich ausstreckt uns zu helfen.

16. Und schirme, was deine Rechte gepflanzt hat. (And. Übers.4 Du hast soviel für uns getan; soll all deine Mühe verloren sein? In deiner Macht und Weisheit hast du für dein Volk Großes gewirkt; willst du deine Auserwählten jetzt ganz aufgeben und deine Feinde über deren Unglück frohlocken lassen, was sie ja so gern tun? Und den Sohn, den du dir festiglich erwählet oder, nach anderer Deutung: so kräftig auferzogen hast. (Grundtext) "Den Weinstock heißet er Sohn, auf hebräische Weise," sagt Luther. In unserer Sprache sagt man dafür Schössling. Wir sind geneigt, in den Worten ein Gebet zu sehen für den Führer, welchen Gott sich herangezogen und erweckt hatte, oder (mit dem Targum) für den Messias, den Israel erwartete. Wiewohl Gott den Weinstock, d. i. Israel, im Großen und Ganzen der Verwüstung übergeben hatte, war doch ein Schössling an ihm, auf den der HERR Acht hatte - ein Reis, das als Ableger einen neuen Weinstock bilden konnte. Darum wird, so scheint uns, der Bitte solche Form gegeben. Lasst uns den HERRN anflehen, er möge, wenn er nicht von vornherein auf seine Gemeinde blicken wolle, doch auf den Herrn Jesus sehen und dann um Jesu willen auch seine Gemeinde in Gnaden anschauen. - Andere freilich beziehen die Worte nicht auf den Messias, sondern auf das messianische Volk, und dafür spricht, dass auch im folgenden Vers wieder von Israel die Rede ist.

17. Er (der Weinstock) ist mit Feuer verbrannt. (Grundtext) In abgebrochenen, nur lose zusammenhängenden Sätzen macht der betrübte Sänger seinem Herzen Luft. Der Weinberg des HERRN war wie ein Wald, an den Feuer gelegt ist; die kostbaren Reben waren verkohlt und tot. Ist abgeschnitten oder abgerissen. (Grundtext) Die unbarmherzige Axt hatte mörderisch gehaust; die Zweige waren abgehauen, der Stamm verwundet, Verwüstung herrschte. Vor dem Dräuen deines Angesichts vergehen sie, nämlich die Sprösslinge des Weinstocks, die Israeliten. Gottes Schelten war für Israel, was Feuer und Axt für einen Weinstock sind. Wenn des HERRN Angesicht freundlich ist, das ist Leben; aber sein Grimm ist ein Bote des Todes. (Vergl. Spr. 16,15.14) Ein Zornesblick aus Jehovas Augen genügt, alle Weinberge Ephraims zu einer Wüste zu machen. O HERR, schaue nicht so auf deine Gemeinden! Züchtige uns, doch nicht in deinem Grimm, auf dass du uns nicht aufreibest!

18. Deine Hand sei über dem Mann deiner Rechten. (Grundtext) Lass deine Macht ruhen auf deinem wahren "Benjamin", dem Sohn deiner rechten Hand; lass deinen Befehl ergehen an den Mann, der das von dir zu unserer Befreiung erwählte Rüstzeug ist. Bring ihn zu Ehren, rette uns und verherrliche dadurch dich selbst. Wir erblicken in diesen Worten einen Hinweis auf den Messias,5 auf welchen die gläubigen Israeliten als auf den Retter aus der Not hoffen gelernt hatten. Und auf dem Menschensohn, den du dir festiglich erwählet hast, oder nach anderer Deutung: dir gekräftigt hast. Es gefällt Gott, den Menschen durch Menschen zu helfen. Durch einen Menschen ist der Tod gekommen; durch einen Menschen kommt auch die Auferstehung der Toten. Die Völker steigen empor und fallen meist durch den Einfluss mächtiger Persönlichkeiten. Durch einen Napoleon werden die Länder gegeißelt, durch einen Blücher und Wellington werden sie von dem Tyrannen befreit. Durch den Menschen Christus Jesus wird das tief gefallene Israel sich noch einmal erheben, und durch ihn, der sich herabließ, sich des Menschen Sohn zu nennen, soll die Welt von der Herrschaft des Satans und dem Fluch der Sünde erlöst werden. O HERR, erfülle deine Verheißungen dem Mann deiner Rechten, der an deiner Herrlichkeit teilhat, und lass dein Vornehmen durch seine Hand fortgehen!

19. So wollen wir nicht von dir weichen. Unter der Führerschaft dieses Gotterkorenen werde das Volk in der Treue erhalten werden; die Gnade werde in den Israeliten Dankbarkeit wirken und sie so unlöslich mit ihrem Herrn und Gott verbinden. Nur in Christus finden wir Kraft zur Treue; losgelöst von ihm gibt es für uns keine Hoffnung, dass wir beharren werden. Belebe uns wieder Grundtext), so wollen wir deinen Namen anrufen. Wenn der HERR Leben aus dem Tode gibt, so folgt sicher Lobpreis seines Namens. Der Herr Jesus ist ein so wunderbarer Führer, dass er das Leben und das Licht der Menschen ist. Wenn er unsere Seelen heimsucht, werden wir wieder frisch belebt werden, und dann wird unser Lobpreis dem Namen des dreieinigen Gottes zu Ehren emporsteigen.

20. HERR, Gott Zebaoth, stelle uns wieder her. Bei dieser dritten Wiederholung des Kehrverses sehen wir abermals eine Steigerung in der Anrufung Gottes: der Name Jehova wird eingefügt, dieser höchste und tiefste der alttestamentlichen Gottesnamen. Der Glaube dringt immer herrlicher zum Lichte des Ewigen durch, und die Bitten des Glaubens werden immer voller und kräftiger. Lass dein Antlitz leuchten, dass uns geholfen werde - uns, die wir so jämmerlich verstört sind. Wir mögen auch übersetzen: so ist uns geholfen. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Er ist mächtig, uns zu erretten, wenn wir nach Leib oder Seele in den letzten Zügen liegen, und es bedarf zur vollen Hilfe nur, dass er sein Angesicht seinen Betrübten huldvoll zuwendet. Die Menschen vermögen wenig oder nichts mit aller Kraft ihres Arms; Gott kann alles mit einem Blick seines Auges. Ach, was wird es einst sein, wenn wir immer im Licht des Antlitzes Jehovas leben!

Fußnoten
3. Wir setzen V. 9-12 statt des Perfektums das lebendig schildernde Imperfekt.

4. hnIfkIa ist schwer zu erklären. Die meisten halten es mit den LXX für einen Imperativ; dann wird man es aber nicht (wie Luther: halt ihn im Bau usw.) von NWkI, sondern von einem Zeitwort Nnk decken, schirmen abzuleiten haben, da die Verba des Deckens mit dem Akkus. (V. 16 a) und mit l( (V. 16 b) konstruiert werden können. Andere vermuten in dem Wort ein Hauptwort Setzling. Dann wäre der Vers von dqp Vers 15 abhängt. Dagegen spricht das l( V. 16 b, da l(dqp nur von strafendem Heimsuchen üblich ist.

5. Uns scheinen, mit Luther und den meisten Auslegern, auch die Worte dieses Verses sich im Sinne des Psalmisten auf Israel zu beziehen. Doch geht die Deutung Spurgeons insofern nicht fehl, als Christus ja die Stellung und Aufgabe Israels, welche dieses nicht innehalten und ausführen konnte, übernahm. Man vergl., wie im zweiten Teil des Jesaja der Begriff des Knechtes Jehovas von Israel auf den Messias übergeht. - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 2. Der Prophet beginnt sein Gebet nicht unvermittelt, sondern begleitet seine Bitten mit sehr passenden und sein Flehen verstärkenden Gottesnamen. Er wendet sich nicht an Gott als den hoch in den Himmeln wohnenden Erhalter und Regierer aller Dinge, sondern an den zwischen den Cherubim sitzenden Hirten Israels. Er erwähnt solches, was die Israel erwiesene Huld und Fürsorge Gottes ins helle Licht stellen kann, um dadurch seine Zuversicht beim Beten zu stärken. Wolfgang Musculus † 1563.

Auf die Namen, die Gott in seinem Wort gegeben werden, in der Absicht, dass wir ihn dabei in allen Nöten anrufen sollen, ist besonders zu merken. In dem Beschluss des vorigen Psalms hat es geheißen: "Wir, dein Volk und Schafe deiner Weide." Wenn es aber ja oft unter dem Gefühl der Unwürdigkeit mit solchem Gnadenruhm nicht recht fort will, so kann man doch dem HERRN seinen Hirten- und Hüternamen vorhalten. Zu diesem vertraulichen Namen: Hirt und Hüter wird aber gleich auch ein hoher Name Gottes gesetzt: der du sitzest über Cherubim. So heißt es "Unser Vater", aber auch gleich dabei: "der du bist im Himmel." So ist zartes Vertrauen und heilige Scheu immer miteinander verbunden; so hält sich der Glaube an seine zwei Hauptstützen, an die Liebe und an die Macht Gottes. Karl H. Rieger † 1791.

Es ist ja des Hirten Pflicht, auf das Blöken und Rufen der Schafe zu hören und es sich zu Gemüt zu nehmen, um ihnen im rechten Augenblick zu Hilfe zu eilen. Hermann Venema † 1787.

Der du Joseph hütest wie der Schafe. Die Ungläubigen halten dafür, du bekümmertest dich nicht um uns; darum strecke deine Hand aus, uns zu helfen, damit der Mund derer, die solch böse Reden führen, verstopft werde. Wir begehren nicht Gold und Schätze, auch nicht Würden dieser Welt, sondern wir sehnen uns nach deinem Lichte, wir verlangen inbrünstig, dich zu kennen; darum erscheine! Girolamo Savonarola † 1498.

V. 3. Zunächst hinter der Lade zogen einher diese drei Stämme: Ephraim, Manasse und Benjamin, die drei Söhne der Rahel. "HERR, stehe auf, lass deine Feinde zerstreuet und, die dich hassen, flüchtig werden vor dir" - das war der Ruf Moses, sooft die Lade aufbrach gegen ihre Feinde (4. Mose 10,35), und diesen Ruf lässt auch jetzt der Sänger erschallen. "Lass dein Antlitz über uns leuchten" - das war der Segen Aarons zu Moses Zeit, und dieser Segen soll wieder neu werden. Prof. August Tholuck 1843.

V. 4. Zu dir selber kehre uns, vom Irdischen zum Himmlischen, bekehre unseren aufrührerischen Willen zu dir, und dann zeige uns dein Angesicht, auf dass wir dich erkennen mögen. Zeige uns deine Macht, dass wir dich fürchten, deine Weisheit, dass wir dich verehren, deine Güte, dass wir dich lieben. Zeige uns das alles einmal und abermal und immer, auf dass wir mit fröhlichem Angesicht auch durch Trübsal gehen und selig werden. Wenn du uns hilfst, so ist uns geholfen; wenn du deine Hand von uns abziehst, ist keine Rettung für uns. Girolamo Savonarola † 1498.

V. 5. Zürnen. Man sagt von dem lahmen Timur (gewöhnlich Tamerlan genannt), dem gefürchteten asiatischen Eroberer († 1405), er habe seine Feinde mit einem Blick seines Angesichts in Schrecken bringen können. O welche Schrecken aber gehen erst von dem Angesicht des HERRN der Heerscharen aus, wenn er zürnt! Thomas Adams 1614.

Wie lange willst du zürnen über dem Gebet deines Volks? Gar vielerlei Fehler können unseren Gebeten anhaften, die sie bei Gott unannehmbar machen. So, wenn sie ohne Geist und Leben sind oder oberflächlicher oder gar heuchlerischer Art, wenn sie Gott versuchen oder wenn sie flatterhaft, hastig oder ohne Glauben und ohne Demut sind. Thomas Adams 1614.

V. 4.5.20. Wie der Vogel durch vieles Bewegen der Schwingen Wind unter seine Flügel sammelt und dadurch höhersteigt, so macht es auch der Glaube beim Beten: viresque acquirit eundo. John Trapp † 1669.

V. 11. Berge sind mit seinem Schatten bedeckt usw. Dass Berghänge der geeignetste Ort für Weinberge sind, ist allbekannt; auch dass die Stützen, an denen man den Weinstock hinaufzieht, je nach der Art des Bodens und des Klimas verschieden hoch sind. In sehr fruchtbarem Land, wie z. B. in der Lombardei, klimmen die Reben an Bäumen hinauf und bedecken sie. Thomas Fenton 1732.

V. 9-16. Der Fleiß Gottes an diesem aus Ägypten geholten Weinstock wird Jes. 5 beschrieben. Dem Warum des Psalms wird daselbst (Jes. 5) ein anderes Warum entgegengesetzt: Warum hat er denn Herlinge gebracht, da ich wartete, dass er Trauben brächte? Desto mehr hat der Glaube zu schaffen, dass er auch unter einer vom Volk wohlverdienten Züchtigung doch den Mut zum Beten nicht aufgibt, sondern immer anhält: Der Feinde Gewalt betrübt uns - Gott Zebaoth, tröste uns! Die Leidensschmach verfinstert uns - und Gottes Gnade erleuchte uns! Die Menschen verderben uns - durch Gottes Gnade genesen wir! Karl H. Rieger † 1791.

V. 13. Warum hast du denn seinen Zaun zerbrochen? Warum hast du das getan, HERR? Was hat es für Nutzen? Die Wacht der Engel hast du entfernt; sie pflegten die Räuber abzuhalten und deinen Weinberg zu schützen. Wo ist heutzutage diese treue Wache? Wo sind die Propheten? wo die Apostel? wo die Lehrer? wo die Hirten, die den Weinstock hütend umgeben, welche Teufel austreiben, Ketzer in den Bann tun, verkehrten Menschen Einhalt gebieten und die Schwachen bewahren? Was ist der Zaun? Die Wacht der Engel, die Hut treuer Hirten, das heilige Lehrwort der Prediger. Wo ist er, der Zaun? Er ist zerbrochen. Wer hat ihn niedergerissen? Du selber, HERR, du hast die Prediger weggenommen, die Hirten in den Himmel versammelt, die Engel zurückgezogen. Warum hast du seine Hecken niedergerissen? Damit er seine Missetaten erfülle, das Maß seiner Gottlosigkeit vollmache und nun endlich gezüchtigt und erneuert werde? Aber was fehlt ihm denn noch dazu? Welche Sünde ward nicht an ihm gefunden? Siehe, HERR, hat seine Bosheit nicht schon das Maß erreicht? Und nun pflücken seine Trauben alle, die auf dem Wege gehen.6 Nicht die richtigen Weingärtner, nicht die rechten Ackersleute lesen die Trauben, sondern alle, die deine Ordnungen nicht halten, die Gottes Wege nicht wissen, offenbare Sünder, Ehrlose, das sind die Leute, die dazu ausersehen sind, am Altar zu dienen, diesen werden Pfründen gegeben, diese ernten die Trauben für sich selbst, nicht für dich. Sie kümmern sich nicht um deine Armen, sie speisen nicht die Hungrigen, kleiden nicht die Nackenden, helfen nicht dem Fremdling, schützen nicht die Witwen und Waisen; sie essen die Lämmer aus der Herde und die gemästeten Kälber. Sie spielen auf dem Psalter und meinen, sie könnten es wie David; sie preisen Gott mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von ihm. Sie trinken Wein aus den Schalen und salben sich mit Balsam und bekümmern sich nicht um den Schaden Josephs (Amos 6,4-6). Siehe, das sind die Leute, die deinen Weg verlassen und die Trauben deines Weinstocks pflücken. Aber was soll ich sagen, HERR? Sie sahen den Zaun zerbrochen, da verließen sie den geraden Weg und wandten ihre Schritte zu deinem Weinstock um ihn abzulesen, um seine Frucht, nicht die geistliche, sondern die zeitliche, einzusammeln. - Was meinst du damit? - Das meine ich, HERR: Die Reichen dieser Welt, die in den Wegen ihrer Sünde wandeln, die nach deinem Willen und gegen deinen Willen die Schätze, Ehren, Würden und Ergötzungen dieser Welt suchen, haben deine Wege verlassen. Sie haben davon abgelassen, nach den Reichtümern dieser Welt zu jagen, die weltlichen Ehren suchen sie nicht mehr; sie haben sich deinem Weinstock, den Würden und Schätzen der Kirche zugewandt. Heute sind sie im Schauspielhause, morgen auf dem Bischofsstuhl; heute auf der Jagd, morgen im Chorrock; heute ein Soldat, morgen ein Priester. Girolamo Savonarola † 1498.

V. 14. Es haben ihn zerwühlet die wilden Säue. Kein Bild eines zerstörungssüchtigen Feindes könnte angemessener sein als dieses. Wir kennen die oft angeführte Stelle von den kleinen Füchsen, die die Weinberge verderben (Hohelied 2,15); aber das Wildschwein richtet viel größere Verheerungen an. Es bricht durch die Hecken, wühlt den Boden auf, reißt die Weinstöcke nieder und zerstampft sie mit den Füßen. Ein Rudel dieser Tiere vernichtet manchmal einen ganzen Weinberg in einer Nacht. Wir könnten uns gut vorstellen, welch großen Schaden schon das zahme Schwein in einem Weinberg anzurichten vermöchte; aber das Wildschwein ist ungleich zerstörungssüchtiger. Es ist sehr groß und stark und unglaublich schnell, so dass seine nahe Verwandtschaft mit unserm Hausschwein kaum zu erkennen ist. Es rennt mit solcher Schnelligkeit, dass ein Vollblutpferd Schwierigkeit hat, es einzuholen, während ein gewöhnliches Ross von ihm weit hinter sich gelassen werden würde. Selbst auf ebenem Boden kostet es den Jäger viel Mühe ihm nachzukommen; kann es aber auf unebenen oder hügeligen Grund kommen, so vermag kein Ross es mit ihm aufzunehmen. Der wilde Eber kann beträchtlich hoch springen und sich im vollen Laufe mit solcher Behändigkeit wenden, dass er dadurch ein ganz außerordentlich gefährlicher Feind wird. Die Bewohner solcher Gegenden, wo die Wildschweine noch in ursprünglicher Kraft und Wildheit gedeihen, würden in der Tat ebenso gern auf einen Löwen stoßen wie auf eins dieser Tiere, die ihre scharfen Hauer mit blitzartiger Geschwindigkeit zu gebrauchen wissen. Ein Stoß genügt, ein Pferd aufzuschlitzen und einen Hund sozusagen in Stücke zu schneiden. J. G. Wood, Biblische Naturgeschichte 1869.

In dem dichten Gestrüpp am Jordan leben viele wilde Tiere, auch Wildschweine. Bischof R. Pocock († 1765) beobachtete auf der andern Seite des Jordans, wo dieser Fluss aus dem See Tiberias austritt, große Herden dieser Tiere, und etliche auch in dem Schilf auf der Seite, wo er rastete. Richard Mant † 1849.

In dem Röhricht des Hule- (oder Merom-)Sees (am oberen Jordan) und anderwärts hält sich das Wildschwein zu Hunderten auf und zerstört von da aus die Felder. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Die Bannbulle, welche Papst Leo X. gegen Luther am 15. Juni 1520 erließ, beginnt: "Mache dich auf, HERR, und richte deine Sache. Gedenke der Schmach, die dir von den Toren widerfährt den ganzen Tag (Ps. 74, 22) ... Füchse verwüsten deinen Weinberg, ... den du deinem Statthalter Petrus übergeben hast, ein Eber aus dem Walde zerwühlt ihn, ein wildes Tier weidet ihn ab. Mache dich auf, Petrus, ... mache dich auf, Paulus, ... denn es erhebt sich ein neuer Porphyrius, der die heiligen Päpste zu beißen und zu lästern sich nicht scheut!"
Nach dem Talmud ist der mittlere Buchstabe des mit Wald wiederzugebenden Wortes der mittelste Buchstabe des hebräischen Psalters. Daniel Creßwell † 1844.

V. 15. Schaue vom Himmel. Diese Bitte ist für niemand passend als für solche, die wahrhaft zerbrochenen Geistes sind und sich von Herzen zu Gott zurückwenden. Wie könnten wir sonst Gott bitten, vom Himmel zu schauen und sich unsere Angelegenheiten zu besehen? Würden wir seinen Zorn nicht noch mehr entflammen, wenn wir außer dem, dass wir in Sünde leben, uns auch noch erdreisteten, das allheilige Auge Gottes herauszufordern, dass es sich vom Himmel her unsere Gottlosigkeit beschaue? Wolfgang Musculus † 1563.

Du hast dich von uns entfernt, du bist in den Himmel aufgestiegen. So schaue doch wenigstens vom Himmel auf uns nieder, wenn du nicht willig bist, zur Erde herabzusteigen, wenn unsere Sünden das nicht verdienen. Girolamo Savonarola † 1498.

Suche heim diesen Weinstock. Noch hat er ja Wurzeln, noch leben etliche Ranken. Am Anfang der Welt hat sein Leben begonnen, und er ist noch nie völlig abgestorben, und das wird auch nie geschehen. Du hast ja gesagt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Er ist arg zurückgegangen, aber er kann doch nie ganz zugrunde gehen. Er ist ja der Weinstock, den du gepflanzt hast. So suche ihn denn heim; denn dein Heimsuchen bewahrt ihm das Leben, den Geist. Suche ihn heim mit deiner Gnade, mit deiner Gegenwart, mit deinem Heiligen Geiste. Suche ihn heim mit deinem Stecken und Stab, die werden ihn erquicken. Suche ihn heim mit deiner Hippe, dass er gereinigt werde, denn die Zeit des Beschneidens ist gekommen. Wirf die Steine heraus, sammle die dürren Reben und binde sie in Bündlein zum Verbrennen. Richte ihn auf, schneide die überflüssigen Triebe ab, mache seine Stützen fest, dünge den Boden, richte den Zaun auf und suche diesen Weinstock heim, wie du jetzt die Erde heimsuchst und wässerst. Girolamo Savonarola † 1498.

V. 18. Es ist Israel, welches V. 16 ben (Sohn) heißt als der Sohn, den Jahve in Ägypten ins Dasein gerufen und dann aus Ägypten zu sich gerufen und am Sinai feierlich für seinen Sohn erklärt hat (2. Mose 4,22; Hos. 11,1), und welches nun mit Anspielung auf den Namen Benjamins V. 3 isch jemineka (der Mann deiner Rechten) genannt wird, als das Volk, welches (wenn wir uns für die Deutung dieser Benennung durch V. 16 leiten lassen) Jahves Rechte, d. i. Allmacht und Gnade, ins Dasein gerufen und im Bestande erhält, zugleich aber ben-adam (Menschensohn), weil es der an sich selbst ohnmächtigen, durch und durch bedingten und abhängigen Menschheit angehörte. Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Der Mann der Rechten ist 1) der am höchsten Geliebte, den man so lieb hat wie die rechte Hand. (Mt. 5,29 f.) Jakob nannte den Sohn seines vor allem geliebten Weibes Ben-Jamin, d. i. Sohn seiner rechten Hand 1. Mose 35,18); dieser war ihm so teuer, dass seine Seele an des Knaben Seele hing. (1. Mose 44,30) 2) Der am höchsten Geehrte: wem man die höchste Ehre erzeigen will, dem gibt man den Platz zur Rechten, wie Salomo seiner Mutter (1. Könige 2,19); so steht auch Ps. 45,10 die Braut zur Rechten des Königs. Man vergleiche, wie Christus zur Rechten Gottes des Vaters erhöht ist. 3) Der Verbündete, denn Bündnisse und Vereinbarungen werden durch Einschlagen der rechten Hand geschlossen (2. Könige 10,15; vergl. Gal. 2,9). James Alting † 1679.

V. 20. In der Trübsal kommt Gott, und wenn er kommt, so ist die Trübsal keine Trübsal mehr. Gälisches Sprichwort.

Homiletische Winke

V. 2. Wie der HERR als Hirt an Israel handelte, als Bild seines Waltens über seiner Gemeinde.
V. 4. Das zwiefache Werk des Heils: 1) Kehre uns wieder zu dir (siehe die Auslegung). 2) Kehre du dich wieder zu uns.
V. 5. Was für Gebete erzürnen Gott?
V. 6. Unschmackhafte Kost. 1) Untersuche die Speise. 2) Merke, welche Hand sie sendet. 3) Beachte, wie gesund sie ist. 4) Gedenke der mildernden Zutaten.
V. 8. Bekehrung, Gemeinschaft mit Gott, Gewissheit des Heils.
V. 9-16. Vergleichung der Kirche mit einem Weinstock.
V. 13. 1) Die Zäune der Gemeinde. 2) Ihre Entfernung. 3) Die traurigen Folgen.
V. 14. Wer sind die größten Feinde des Weinbergs Gottes? Wo kommen sie her? Wie können wir sie abwehren?
V. 19b. Belebung durch Gott notwendig zu wohlgefälliger Anbetung Gottes.

Fußnote
6. Savonarola fasst hier Krd rb( irrtümlich in dem Sinn: Gottes Weg übertreten, wie das Folgende zeigt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 81 (Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Auf der Gittith. Wir wissen nicht sicher, was diese Überschrift bedeutet; man vergleiche das bei Ps. 8 Bemerkte. Sollte die Meinung vieler Alten richtig sein, dass zu übersetzen sei: "Ein Kelterlied"1, so würde das der Frömmigkeit desjenigen Volks, für welches der Psalm verfasst ward, ein gutes Zeugnis ausstellen. Wir fürchten, man würde es selbst in unseren christlichen Ländern an wenigen Orten für schicklich halten, an Winzerfesten heilige Gesänge anzustimmen. Wenn einst aber sogar auf den Schellen der Rosse stehen wird: "Heilig dem HERRN" (Sach. 14,20), dann wird auch der edle Saft der Trauben unter dem Schall heiliger Lieder der Kelter entströmen. Vorzusingen, Asaphs. Dieser begnadete Dichter verweilt in dem vorliegenden Psalm wieder bei der Geschichte seines Volks. Das ist offenbar seine starke Seite gewesen, die große Vergangenheit seinen Zeitgenossen in heiligen Gesängen mahnend und ermunternd vor die Seele zu führen. Er war ein echter Nationalsänger, voller Gottes- und Vaterlandsliebe zugleich.

Einteilung

Der Psalm ruft zunächst zum Preise Gottes auf, und zwar zu der Feier eines großen Festes, vielleicht des Passah, worauf die Erlösung aus Ägypten geschildert wird. Dieser erste Teil reicht bis V. 8. Dann straft der HERR sein Volk in liebreich ernster Weise wegen seines Ungehorsams und schildert, wie glücklich Israel sein könnte, wenn es Gottes Geboten nur gehorsam sein wollte, V. 9 bis zum Schluss.

Auslegung

2. Singet fröhlich Gott, der unsre Stärke ist;
jauchzet dem Gott Jakobs!
3. Hebet an mit Psalmen und gebet her die Pauken,
liebliche Harfen mit Psaltern!
4. Blaset im Neumonde die Posaune,
in unserm Fest der Laubrüste!
5. Denn solches ist eine Weise in Israel
und ein Recht des Gottes Jakobs.
6. Solches hat er zum Zeugnis gesetzet unter Joseph,
da sie aus Ägyptenland zogenund fremde Sprache gehöret hatten,
7. da ich ihre Schulter von der Last entlediget hatte
und ihre Hände der Körbe los wurden.
8. Da du mich in der Not anriefest, half ich dir aus
und erhörte dich, da dich das Wetter überfiel,
und versuchte dich am Haderwasser. Sela.


2. Singet fröhlich Gott: jauchzet, frohlocket Gott, doch nicht mit wildem Geschrei, sondern im Takt und in wohlgesetzten Tönen, dass der gemeinsame Lobpreis lieblichen Wohlklang habe. Singet Gott mit festlichen Klängen und in melodischen Weisen; singet ihm fröhlich, denn unserm gütigen Herrn gebührt herzinniger Lobpreis! Seine Liebestaten sprechen lauter, als unsre Dankesworte je sein Lob verkünden können. Nie sollte schläfriges, mattherziges Wesen unseren Psalmengesang beeinträchtigen. Ist nicht Halbherzigkeit daran schuld, dass unsere Lieder oft so träg dahinschleichen? Es sollte wahrlich nicht sein. Singet mit fröhlichem Schall, die ihr der freien Gnade so tief verpflichtet seid! Sind eure Herzen nicht voll Dankes? So lasst eure Stimme dem Dank auch würdigen Ausdruck geben! Der unsre Stärke ist. Der HERR war die Stärke seines Volkes, indem er es mit mächtiger Hand aus Ägypten errettete, aber auch, indem er es in der Wüste erhielt, in das Gelobte Land einführte, vor seinen Feinden beschützte und ihm über dieselben Sieg gab. Wem anders geben die Menschen Ehre als solchen, auf die sie sich stützen und verlassen? Darum lasst uns unserm Gott frohlocken, der unsre Stärke ist und unser Psalm (Jes. 12,2). Jauchzet dem Gott Jakobs! Das israelitische Volk erhob seinen Nationalgott, den Gott ihres Vaters Jakob, mit fröhlicher Musik; dass doch die Christen ja nicht schweigen oder im Lobpreisen matt und lässig werden, denn dieser Gott ist unser Gott! Es ist stets zu bedauern, wenn die Kunst des Chorgesangs den Gemeindegesang lähmt, statt ihn zu fördern. Wir für unser Teil haben Freude an kräftig schwellendem Lobgesang und lassen es uns lieber gefallen, dass etwas Rauigkeit der Töne Mangel an musikalischer Ausbildung verrate, als dass wir die Innigkeit und Kraft, welche dem allgemeinen Gemeindegesang innewohnen, vermissen möchten. Die Überfeinheit, welche die Melodie in artigen Flüstertönen lispelt oder gar das Singen ganz dem geschulten Chor überlässt, grenzt an eine Nachäffung der wahrhaftigen Anbetung. Für die Götter Griechenlands und Roms mag ein Ohrenschmaus klassischer Musik ein passender Gottesdienst sein; Jehova aber kann nur mit dem Herzen angebetet werden, und für seinen Dienst ist darum diejenige Musik die beste, welche dem Herzen den freieren Spielraum gibt.

3. Hebet an mit Psalmen; wählt einen heiligen Sang und stimmt ihn dann wacker an! Und lasst die (Hand-) Pauken ertönen! (Grundtext) Schlagt auf eure Tamburin, ihr Jungfrauen; lasst ihren Schall laut und begeisternd erklingen! Gott will nicht mit Jammern, sondern mit Freudenklängen angebetet werden. So lasst denn die Pauken weithin fröhlich erschallen, wie ihr es einst tatet an dem Meer, dessen Wogen Ägyptens Stolz begraben hatten. Liebliche Harfen mit Psaltern. Zu der kräftig schallenden Pauke geselle sich friedlich die liebliche Lyra, und die Harfe vermehre den freundlichen Wohlklang! Alles, was ihr an Musik aufbieten könnt, sei dem HERRN geweiht!

4. Blaset im Neumonde die Posaune! Verkündet den heiligen Monat, den Anbruch des Jahres, die Zeit, da der HERR sein Volk aus dem Diensthause führte! Deutlich und durchdringend lasst das Horn ertönen, das ganz Israel zusammenruft, seinen Erretter anzubeten! Zu der bestimmten Zeit (and. Übers.2, auf den Tag unsers Festes. Gehorsam muss uns bei dem Dienst Gottes leiten, nicht dürfen unsere Einfälle und Gefühle das Bestimmende sein. Gottes Anordnung gibt Formen und Zeiten eine Feierlichkeit, welche ihnen kein Zeremonienpomp, keine hierarchische Vorschrift verleihen könnten. Die Juden beobachteten nicht nur den festgesetzten Monat, sondern denjenigen Teil des Monats, welcher von Gott ausgesondert war. Die Gottesfürchtigen des alten Bundes sahen mit Freuden die für den Gottesdienst bestimmten Zeiten herankommen; lasst uns sie mit ebensolchem Frohlocken begrüßen und von dem Tag des Herrn nie anders denken und sprechen, als dass er ein Tag der Wonne und der Ehren sei! Diejenigen, welche unsere Stelle als Stütze für ihre von Menschen angeordneten Fest- und Fastzeiten geltend machen, müssen schlecht lesen können. Wir wollen die Feste halten, welche der Herr bestimmt, aber nicht solche, welche Rom oder Canterbury3 vorzuschreiben belieben.

5. Denn solches ist eine Weise (wörtl.: eine Satzung) in Israel und ein Recht des Gottes Jakobs. Es war eine alle Stämme verpflichtende Vorschrift, dass eine heilige Zeit zum Gedächtnis der großen göttlichen Gnadentat ausgesondert werde; und es war wahrlich nur, was dem HERRN gebührte, er hatte ein Recht auf solch besondere Huldigung. Wenn man uns beweisen kann, dass die Feier des Weihnachts- oder Pfingstfestes oder andrer solcher Tage je durch ein göttliches Gebot für die christliche Kirche angeordnet worden sei, so werden wir sie auch halten, aber nicht eher.4 Es ist ebensosehr unsre Pflicht, die Aufsätze der Menschen zu verwerfen wie die Verordnungen des HERRN zu beobachten. Wir fragen bei jeder Sitte und jeder kirchlichen Vorschrift, die man uns geben will: "Ist dies ein Gesetz des Gottes Jakobs?" und wenn das nicht erwiesen werden kann, so haben solche Sitten und Vorschriften für uns, die wir in der christlichen Freiheit wandeln, keine bindende Kraft.

6. Solches hat er zum Zeugnis gesetzet unter Joseph. Das Volk wird hier Joseph genannt, weil man in Ägypten von ihm wohl als von der Familie Josephs sprach und Joseph ja in der Tat der Nährvater des Volkes geworden war. Das Passahfest, auf welches hier vermutlich hingewiesen wird (vergl. die Anm. zu V. 4), sollte eine ständige Erinnerung an die Erlösung aus Ägypten sein, und alles an diesem Fest sollte allen Zeiten und allen Völkern die Herrlichkeit des HERRN bezeugen, die sich in der Befreiung seines Volkes der Wahl so wunderbar erwiesen hatte. Als er auszog über Ägyptenland hin. (Grundtext5 Ein nicht geringer Teil Ägyptens ward von den Stämmen Israels bei ihrem Auszug durchschritten, und an jedem Ort musste das Fest, welches sie in der Nacht, da Ägypten heimgesucht ward, hielten, ein Zeugnis für den HERRN sein, der selber auch bei dem mitternächtlichen Gericht durch Ägyptenland gezogen war (2. Mose 11,4). Die einst so unterdrückten Israeliten zogen durch das Land ihrer Knechtschaft wie Sieger, die die Erschlagenen niedertreten. Wo ich eine Sprache hörte, die ich nicht verstand. (And. Übers.) Der Zusammenhang gebietet unsrer Ansicht nach, diese Worte als Rede Gottes anzusehen6; denn es scheint uns, man müsse der Sprache Gewalt antun, wenn man das Ich in diesem Vers auf eine andere Person bezieht als das Ich des nächsten Verses. Aber wie kann man sich denken, dass der HERR hier von einer Sprache rede, die er nicht verstehe, da er doch allwissend ist und keine Art der Rede ihm unverständlich sein kann? Wir antworten, dass der HERR hier als der Gott Israels so spreche, indem er sich mit seinem auserwählten Volke zusammenschließe und eine Sprache, die diesem unbekannt ist, als auch ihm selber unbekannt hinstelle. Nie war ihm mit einem Psalm oder Gebet in der ägyptischen Zunge gehuldigt worden; das Hebräische war die in seinem Hause bekannte Sprache, das Ägyptische war dort fremd und unerhört. Nach der Wahrheit, und nicht bloß bildlich, konnte der HERR so reden, da die gottlosen religiösen Bräuche und götzendienerischen Zeremonien Ägyptens von ihm missbilligt wurden und in dem Sinne von ihm nicht gekannt waren. Von den Gottlosen wird Jesus sagen: "Ich habe euch noch nie erkannt," und vielleicht haben wir diesen Ausdruck hier in demselben Sinn zu fassen, denn man kann genau übersetzen: Eine Sprache, die ich nicht kannte, höre ich. Es gehörte mit zu den Mühsalen der Israeliten in Ägypten, dass ihre Fronvögte eine ihnen unbekannte Sprache redeten, wodurch sie beständig daran erinnert wurden, dass sie Fremde in einem fremden Lande waren. Der HERR erbarmte sich ihrer und befreite sie; daher war es ihre feierliche Pflicht, das Gedächtnis der Güte Gottes unverletzt zu bewahren. Es ist keine geringe Gnade, aus einer ungöttlichen Welt herausgebracht und dem HERRN geheiligt, d. i. ausgesondert, zu sein.


Fußnoten
1. So die LXX u. a., die jedenfalls tOtIgIha l(a, bei den Keltern, gelesen haben. Vergl. Luther 1524: Über den Keltern. Bäthgen neigt sehr zu dieser Lesart und Übersetzung, die auch in dem Inhalt unseres Psalms eine Stütze findet, wenn man ihn mit Luther, de Wette, Bäthgen u. andern auf das (der Weinlese folgende) Laubhüttenfest bezieht. Siehe darüber die 1. Anm. zu V. 4, Seite 691.

2. Die meisten Neueren verstehen das nur noch Spr. 7,20 vorkommende Wort nach dem Syr. vom Vollmond (mit bedeckter, d. i. gefüllter Scheibe). Die den Bemerkungen Spurgeons zugrunde liegende Übers. ruht auf einer alten, von den LXX, Vulg. und den meisten Rabbinern befolgten jüdischen Erklärung, welche hsk gleich ssk zählen (2. Mose 12,4) nimmt: die bestimmte, berechnete Zeit. Der Übersetzung Luthers liegt wohl auch diese Tradition zugrunde; doch setzt er frei: die Laubrüste, nach seiner Auffassung des Psalms als eines für dieses Fest gedichteten. Ob die einfach mit unser Fest bezeichnete Feier das Passah oder das Laubhüttenfest sei, darüber sind die Meinungen sehr geteilt. Beide Feiern beginnen am Vollmond, beide werden als das Fest schlechthin bezeichnet - das Laubhüttenfest 1. Könige 8,2; Hes. 45,25 usw., das Passah Jes. 30,29 und besonders in späterer Zeit. V. 6 spricht für das Passah, das (allerdings auch sonst am Neumond übliche) Posaunenblasen V. 4 und die gesamte jüdische Tradition für den "Posaunentag" des 7. Neumonds und das ihm folgende Laubhüttenfest.

3. Der Erzbischof von Canterbury ist das Haupt der englischen Staatskirche.

4. Spurgeon geht hier in seinem puritanischen Eifer dem deutschen Leser zu weit. Es steht ohne Zweifel der Gemeinde des Herrn frei, besondere Gedenktage zu halten; aber allerdings darf sie solche Feiern nicht zu einem bindenden Gesetz, zu einer Christenpflicht machen. Wenn man sieht, wie um solcher von Menschen gesetzten Festzeiten willen so vielfach der doch schon in der göttlichen Schöpfungsordnung begründete wöchentliche Ruhetag entweiht wird (man denke an die sogen. silbernen und goldenen Sonntage vor Weihnachten), so begreift man die puritanische Abkehr von allen solchen Festen.

5. Von einem Ausziehen aus Ägyptenland (LXX, Hieronymus, Luther) kann jedenfalls der Grundtext nicht verstanden werden, sondern nur von einem Ausziehen über das Land hin (vergl. Luther 1524 hier: da er auszog in Ägyptenland, und 1. Mose 41,45 die gleichen Worte von den amtlichen Reisen Josephs) oder vom Ausziehen wider das Land. In beiden Fällen ergibt sich als Subjekt Gott. Zugrunde liegt 2. Mose 11,4. Manche (z. B. Calvin, Hengstenberg) wollen die Worte davon verstehen, dass Joseph-Israel beim Auszug das Land Ägypten durchzogen hätte; aber das ist schon geographisch nicht richtig, da Gosen Grenzland war. Spurgeon nimmt beides, den vermeintlichen Durchzug Israels und das strafrichterliche Ausziehen Gottes über das Land, zusammen, nach der bei ihm beliebten, aber gefährlichen Weise, verschiedene Auslegungen zu einem gehäuften Ganzen zu vereinigen.

6. Man beachte aber, dass das "wo" der engl. Übers. im Grundtext fehlt. Man tut besser, den Satz mit den masoret. Akzenten als für sich stehend zu betrachten, und zwar in dem Sinne, dass der Dichter bez. Israel darin den V. 7. 8 an Israel ergehenden Gottesspruch ankündigt: Eine unbekannte Sprache (oder: Sprache eines Unbekannten) vernehme ich. Ich habe seine Schulter usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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7. Ich habe seine Schulter von der Last befreit. (Grundtext) Israel war der Sklave und Packesel Ägyptens, aber der HERR gab ihm Freiheit. Durch Gottes Macht allein ward Israel seine Treiber los. Andere Volker verdanken ihre Freiheiten ihren eigenen Anstrengungen und Heldentaten; Israel aber erhielt seine Magna Charta7 als ein freies Geschenk der göttlichen Macht. Wahrheitsgemäß kann der HERR von jedem, dem er die rechte Freiheit gegeben hat, sagen: Ich habe seine Schulter von der Last befreit. Seine Hände sind des Tragkorbs ledig. (Grundtext) Israel war nicht länger gezwungen, Ton zu schleppen und daraus Ziegel zu formen und zu backen. Der Tragkorb ward dem Volke nicht mehr aufgezwungen, noch die Zahl der Ziegel ihnen abverlangt; denn sie kamen in ein freies Land, wo niemand etwas von ihnen erpressen konnte. Wie vorbildlich ist dies alles für die Befreiung des Gläubigen aus der Knechtschaft des Gesetzes, wenn die Bürde der Sünde in das Grab des Erlösers sinkt und die knechtische Arbeit der Selbstgerechtigkeit auf immer ein Ende hat.

8. Du riefst in der Not, und ich half dir aus. (Grundtext) Gott hörte das Schreien des Volkes in Ägypten und am Roten Meer: das hätte sie an ihn fesseln sollen. Da Gott uns nicht verlässt, wenn wir in Not sind, sollten auch wir ihn zu keiner Zeit verlassen. Wenn unsre Herzen sich von Gott abkehren, rufen unsre erhörten Gebete Schmach über uns. Ich erhörte dich in der Donnerhülle (Grundtext), d. i. in eine Wetterwolke gehüllt. Aus der Wolke sandte der HERR ein Wetter über die Feinde seiner Auserwählten. Dieses Wolkendunkel war sein heimlich Gezelt; darin hängte er seine Streitwaffen auf, seine Blitzpfeile und Donnertrompeten, und aus dem Gezelt kam er hervor und warf den Feind nieder, damit seine Geliebten sicher seien. Und versuchte dich am Haderwasser. Sie hatten ihn erprobt und treu erfunden; so stellte er sie auch auf die Probe. Kostbare Geschmeide prüft man auf ihre Echtheit; darum ward auch Israels Treue gegen seinen König der Probe unterworfen. Aber ach, das Ergebnis war überaus beklagenswert. Derselbe Gott, den sie an einem Tag ob seiner Gütigkeit anbeteten, ward am nächsten Tag von ihnen geschmäht, als sie für einen Augenblick die Qualen von Hunger und Durst fühlten. Die Geschichte Israels ist einfach unsre Geschichte in einer andern Form. Gott hat uns gehört, uns errettet und zur Freiheit geführt - und ach, wie oft zahlt unser Unglaube ihm mit Misstrauen, Murren und Auflehnung heim! Groß ist unsre Sünde, groß die Gnade Gottes; lasst uns über beides nachdenken und darum eine Weile still sein. Sela. Eiliges Lesen bringt wenig Nutzen; wir wollen uns den Segen nicht entgehen lassen, eine kleine Zeit still nachzusinnen.

9. Höre, mein Volk, ich will unter dir zeugen;
Israel, du sollst mich hören,
10. dass unter dir kein andrer Gott sei
und du keinen fremden Gott anbetest.
11. Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführet hat.
Tue deinen Mund weit auf, lass mich ihn füllen.
12. Aber mein Volk gehorchet nicht meiner Stimme,
und Israel will mein nicht.
13. So hab’ ich sie gelassen in ihres Herzens Dünkel,
dass sie wandeln nach ihrem Rat.
14. Wollte mein Volk mir gehorsam sein
und Israel auf meinem Wege gehen,
15. so wollte ich ihre Feinde bald dämpfen
und meine Hand über ihre Widersacher wenden,
16. und denen, die den HERRN hassen, müsste es wider sie fehlen;
ihre Zeit aber würde ewiglich währen,
17. und ich würde sie mit dem besten Weizen speisen
und mit Honig aus dem Felsen sättigen.


9. Höre, mein Volk, ich will unter dir zeugen (nämlich ernst mahnend, wie 50,7). Wie, ist das Volk so gefühllos und gleichgültig, dass es gegen seinen Gott taub ist? Es scheint so; denn der HERR bittet nachdrücklich um Gehör. Sind wir nicht auch zuzeiten ebenso unachtsam und unempfindlich? Israel, wenn du doch auf mich hörtest! (Grundtext) Es liegt viel in diesem Wenn. Wie tief sind die gefallen, die auf die Stimme Gottes selbst nicht horchen wollen! Die taube Otter (Ps. 58,5) ist nicht niederträchtiger. Wir haben es nicht gern, dass man uns ermahnt und straft, wir gehen ernsten, scharf einschneidenden Wahrheiten lieber aus dem Weg; und ob es auch der HERR selbst ist, der uns tadelt, ergreifen wir doch gern vor seinen liebreichen Vorwürfen die Flucht.

10. Es soll unter dir kein andrer Gott sein. (Grundtext) Kein Gott eines anderen Volkes, kein Abgott darf in Israels Hütten geduldet werden. Und einen fremden Gott darfst du nicht anbeten. Wo Götzenbilder sind, kommt es ganz gewiss dazu, dass man sie anbetet. Der Mensch ist so darauf versessen, Götzendienst zu treiben, dass jedes Gottesbild ihm stets eine starke Versuchung ist; solange die Nester nicht zerstört werden, kommen die Krähen wieder. Kein andrer Gott hatte für die Israeliten irgendetwas getan; darum hatten sie keinerlei Ursache, irgendeinem fremden Gott zu huldigen. Auf uns passt derselbe Beweisgrund. Alles verdanken wir dem Gott und Vater unsers Herrn Jesus Christus; die Welt, das Fleisch, der Teufel - keiner von diesen ist uns von irgendwelchem Nutzen gewesen; sie sind Fremde und Feinde, und es ziemt uns nicht, uns vor ihnen zu beugen. "Kindlein, hütet euch vor den Abgöttern," ist des Herrn Ruf an uns, und in der Kraft seines Geistes wollen wir jeden falschen Gott aus unserm Herzen verbannen.

11. Ich, der HERR, bin dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführet hat. So führte sich Jehova gewöhnlich bei seinem Volke ein. Die große Befreiung aus Ägypten war der Rechtsgrund, mit welchem Gott die Forderung der Treue des Volkes meist begründete. Wenn je Menschenkinder ihrem Gott sittlich verpflichtet waren, so war es Israel wahrlich tausendfach Jehova gegenüber, auf Grund der wunderbaren Taten, welche er um ihretwillen in Verbindung mit dem Auszug aus Ägypten gewirkt hatte. Tue deinen Mund weit auf, lass mich (oder: so will ich) ihn füllen. Da er sie aus Ägypten geführt hatte, konnte er auch ferner für sie Großes tun. Er hatte seine Macht und Willigkeit bewiesen; es blieb nur übrig, dass sie ihm glaubten und Großes von ihm erbaten. Wenn sie ihre Erwartungen auch aufs höchste spannten, konnten sie doch die Güte des HERRN nicht übertreffen. Die Vöglein im Nest tun ihren Mund weit genug auf, und die Alten bringen es vielleicht nicht fertig, all die weit aufgesperrten Schnäblein zu füllen; aber das wird bei unserm Gott nie der Fall sein. Seine Gnadenschätze sind schlechterdings unerschöpflich; mag unser Elend noch so groß, unsre Sünde noch so mächtig sein, die Gnade des HERRN ist immer noch größer, noch mächtiger. - Jehova begann sein Gnadenwerk an seinem auserwählten Volke in großem Maßstab, indem er gewaltige Wunder für sie tat und ihnen überreiche Vergeltung ihres Glaubens und ihrer Liebe anbot, wenn sie ihm nur treu sein wollten. Aber betrübend fürwahr war das Ergebnis dieses großartigen Experiments.

12. Aber mein Volk hörte (oder hört) nicht auf meine Stimme. (Wörtl.) Die Vers 12.13 enthalten die Klage über den früheren Ungehorsam Israels, doch wohl als Spiegelbild für die Gegenwart. Gottes Warnungen wiesen sie ab, seine Verheißungen vergaßen sie, seine Gebote missachteten sie. Wiewohl Gottes Stimme ihnen nur Gutes anbot, und das in unvergleichlich großmütiger Weise, kehrten sie sich doch von ihr ab. Und Israel war (oder ist) mir nicht willig. Sie wollten von seinen Vorschlägen nichts wissen, sie handelten seinen Befehlen schnurstracks zuwider, sie hingen dem ägyptischen Kälberdienst nach und ließen ihre Herzen von den Götzen der sie umgebenden Völker bezaubern. Der gleiche Geist des Abfalls ist in unser aller Herzen, und wenn wir nicht ganz und gar vom HERRN abtrünnig geworden sind, dann ist es nur die Gnade, die uns daran gehindert hat.

13. So hab’ ich sie gelassen in ihres Herzens Verstocktheit. (Grundtext) Es gibt keine gerechtere, zugleich keine schwerere Strafe als diese. Wenn Menschen sich nicht leiten lassen wollen, sondern in toller Unbändigkeit das Gebiss zwischen die Zähne nehmen und den Gehorsam verweigern, - wer kann sich dann wundern, wenn ihnen die Zügel über den Hals geworfen werden und sie sich überlassen werden, dass sie ihren Untergang selber herbeiführen. Es wäre noch besser, den Löwen preisgegeben zu werden als den Lüsten unseres Herzens. Dass sie wandelten nach ihrem Rat. Es war nicht fraglich, welchen Weg sie einschlagen würden; denn der Mensch ist immer und überall darauf erpicht, seinen Weg zu gehen, und dieser ist Gottes Weg stets gerade entgegengesetzt. Wenn die Gnade die Menschen nicht mehr zurückhält, sondern sich selber überlässt, sündigen sie mit Bedacht; sie ratschlagen und überlegen und wählen dann mit vorsätzlicher Bosheit und kühlem Blut das Schlechte statt des Guten.

14. O dass doch mein Volk auf mich hören, Israel auf meinen Wegen wandeln wollte! (Grundtext) Hier wendet sich Gottes Stimme an das lebende Geschlecht. Die herablassende Liebe äußert sich in schmerzlicher Klage über Israels Sünde und die ihr notwendig folgende Strafe. Solcherart war auch die Wehklage Jesu über Jerusalem. Der barmherzige Gott kann es nicht sehen, wie die Menschen sich durch ihr Sündigen Jammer aufhäufen, ohne dass sein Mitleid tief erregt wird. Darum bittet und lockt er aufs beweglichste.

15. Wie leicht wollte ich ihre Feinde demütigen. (Grundtext) Wie er in Ägypten den allgewaltigen Pharao in den Staub gebeugt hatte, so wollte er, ach mit wie leichter Mühe, jeden Feind seines Volks zuschanden machen. Und meine Hand über (gegen) ihre Widersacher wenden. Wo es sein muss, kehrt Gott seine Hand strafend auch gegen seine Kinder; aber wieviel lieber ist es ihm, wenn er die Hand segnend auf seine Lieben legen und, wenn nun einmal gestraft sein muss, dies an den Feinden der Seinen tun kann. Seht, was wir durch die Sünde verlieren! Unsere Feinde finden die schärfsten Waffen gegen uns in dem Zeughaus unsrer Vergehungen. Sie könnten uns nie zugrunde richten, wenn wir uns nicht zuerst selbst zugrunde richteten. Die Sünde raubt dem Menschen seine Rüstung und überlässt ihn wehrlos seinen Feinden. Unsere Zweifel und Befürchtungen wären längst totgeschlagen, wenn wir unserm Gott treuer gewesen wären. Zehntausend Übel, die uns jetzt zusetzen, wären vor uns in die Flucht gesprengt worden, wenn wir eifriger in Handel und Wandel der Heiligung nachgejagt hätten. Wir sollten nicht nur ins Auge fassen, was für Schaden die Sünde uns anrichtet an dem, was wir haben, sondern was sie uns zu gewinnen hindert: solche Berechnung wird stets ergeben, dass uns die Sünde sehr teuer zu stehen kommt. Wenn wir von Gott abtrünnig werden, richten unsere verderbten Triebe in uns sicher einen Aufruhr an. Der Satan wird uns anfallen, die Welt uns belästigen, Zweifel uns beunruhigen, und das alles durch unsre Schuld. Salomos Abweichen vom HERRN erweckte viele Widersacher gegen ihn, und es wird uns ebenso gehen; wenn aber unsre Wege dem HERRN wohlgefallen, wird er auch unsre Feinde mit uns zufrieden machen (Spr. 16,17).

16. Die den HERRN hassen, müssten ihnen (eigentl.: ihm, nämlich Israel) schmeicheln (Grundtext) oder sich ihm mit erheuchelter Demut schmiegen. (Der gleiche Ausdruck findet sich Ps. 18,45; 66,3) Wiewohl die Ergebung nur eine erheuchelte sein würde, würden doch die Feinde Israels so in den Staub gebeugt sein, dass sie sich beeilen würden, um jeden Preis mit dem sich der göttlichen Huld erfreuenden Volke einen Vergleich zu schließen. Unsre Feinde werden verlegen und feig, wenn wir festen Herzens mit Gott wandeln. Es steht in Gottes Macht, die heftigsten Widersacher in Schach zu halten, und er wird es tun, wenn wir vor ihm eine kindliche Ehrfurcht, eine eilige Scheu bewahren. Ihre Zeit aber würde ewiglich währen. Das Volk des HERRN sollte festen Bestand haben auf immer und seine Wohlfahrt ohne Störung andauern. Nichts gibt einem Staat oder einer Kirche festeren Halt als Heiligkeit. Wenn wir im Gehorsam nicht wanken, wird auch unser Glück sich nicht mit dem Winde drehen. Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.

17. Und ich würde8 sie mit dem besten Weizen speisen. Hungersnot sollte ihnen ein unbekanntes Wort sein, denn sie würden mit dem Mark des Weizens (wörtl.) gespeist werden; das Allerbeste und Feinste sollte ihre tägliche Kost sein. Und mit Honig aus dem Felsen sättigen. Nicht nur das tägliche Brot sollten sie in feinster Beschaffenheit und reicher Fülle bekommen, sondern auch nicht gerade notwendige Genüsse, ja süße Leckerbissen sollten ihnen geschenkt werden; sogar das raue Gestein des Landes würde ihnen liebliche Gaben darreichen. Die Bienen sollten ihnen in den Felsspalten süßen Honig aufspeichern und so die unfruchtbarsten Teile des Landes zu ergiebigen Quellen der Freude machen. Für ein gehorsames Volk kann der Herr große Dinge tun. Wir ahnen kaum die Freude und Erquickung, welche er denen bereiten kann, die im Licht seines Antlitzes wandeln und unbefleckte Heiligkeit bewahren. Für sie haben die Freuden des Himmels schon auf Erden angefangen. Sie können mit Jauchzen wandeln auf den Wegen des HERRN. Ihnen ist der ewige Wonnemond schon angebrochen; sie sind bereits hochbeglückt, ihr Herz hüpft vor Freuden, und immer herrlichere Dinge warten ihrer. Das zeigt uns aber im Gegenbild, was für ein traurig Ding es für ein Kind Gottes ist, sich in die Gefangenschaft der Sünde zu verkaufen und seine Seele durch Anhangen an anderen Göttern einer geistlichen Hungersnot zu überliefern.
O HERR, binde uns auf ewig allein an dich und bewahre uns treu bis ans Ende!

Fußnoten
7. So heißt das engl. Reichsgrundgesetz, das die Freiheiten des Volkes verbrieft.

8. Nach dem masoret. Text ginge der Psalm in V. 17a in einen historischen Rückblick über: Und er speiste ihn (Israel), wozu aber V. 17b nicht stimmt. Schon Luther hat sich hier, wie in manchen anderen Fällen, nicht an den überlieferten hebräischen Text gebunden. Seiner Übers. liegt die ohne Zweifel richtige Konjektur Whl"yki)A)aw: zugrunde. Der überliefere Text ist alt, wie die alten Übersetzungen beweisen. Es liegt ihm wohl ein Hörfehler beim Abschreiben zugrunde; denn wie Bäthgen bemerkt, wurde das Aleph zwischen zwei Vokalen fast wie Jod gesprochen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 2-6. Die Aufforderung V. 2 ergeht an die Gesamtgemeinde, indem das "Lasst Jubel erschallen Gott unserem Horte" wie Esra 3,11 und öfters gemeint ist; die Aufforderung V. 3 geht an die Leviten, die berufenen gottesdienstlichen Sänger und Musiker (2. Chr. 5,12), die Aufforderung V. 4: Stoßet am Neumond ins Horn an die Priester, welche nicht nur mit dem Blasen der zwei (später mehr) silbernen Trompeten betraut waren, sondern auch Jos. 6,4 und anderwärts (vergl. Ps. 47,6 mit 2. Chr. 20,28) wie hier als Hornbläser erscheinen. Die biblische Sprache unterscheidet das Widderhorn und die (metallene) Trompete, indem sie sie nebeneinander nennt Ps. 98,6; 1. Chr. 15,28. Von gottesdienstlicher Anwendung des Hornes sagt das Gesetz nichts, als dass der Eintritt des je fünfzigsten Jahres durch Hornsignale im ganzen Lande bekannt gemacht werden sollte (3. Mose 25,9). Wie aber die Überlieferung aus dieser Verordnung mittelst Ähnlichkeitsschlusses das Hornblasen am 1. Tischri (Oktober), dem Anfang des gemeinen Jahres, herleitet, so darf man auf Grund unsrer Psalmstelle, vorausgesetzt, dass das "am Neumond " nicht auf den 1. Tischri, sondern den 1. Nisan (März) geht, annehmen, dass der Anfang jedes Monats, zumal aber derjenige Monatsanfang, welcher zugleich Anfang des kirchlichen Jahres war, durch Hornblasen ausgezeichnet wurde. Der Dichter will sagen, dass das Passahfest von der Gemeinde jubelnd, von den Leviten musizierend und schon von dem Neumond des Passahmonats aus mit Hornblasen begrüßt werden und dieses am Passahfest selbst sich fortsetzen soll. Das Passahfest war ein Freudenfest, das alttestamentliche Weihnachten; den Jubel des Volkes und die rauschende levitisch-priesterliche Musik, womit es begangen wurde, bezeugt 2. Chr. 30, 21. Woher das Fest, dem man so mit Sang und Klang begegnen soll, so hohe Bedeutung hat, sagt nun V. 5.6: es ist eine göttliche Stiftung aus der mosaischen Erlösungszeit. - Nach Pros. Fr. Delitzsch † 1890.

V. 6. Der letzte Satz gibt sich als Einführung der folgenden Rede Gottes, und zwar als einer sich plötzlich zu vernehmen gebenden: Eine unbekannte Sprache oder Sprache eines Unbekannten vernehme ich. Der Dichter nennt die Rede Gottes so nur beziehentlich als eine überirdische, nicht dem Diesseits angehörige Stimme, welche plötzlich in seinen Gedankenzusammenhang eintritt und ihn durchbricht. Es verhält sich also mit V. 6b ähnlich wie mit 60,8; 62,12; 110,1. Überall da weist der Dichter nicht historisch auf ältere Gottesworte zurück, sondern er gibt von ihm selber prophetisch vernommene wieder. Prof. Fr. Delitzsch † 1890.

V. 6-8. Ist es nicht ein Wunder, dass in unseren Herzen so große Faulheit, Sicherheit und Nachlässigkeit stecket, dass wir auch unseres größten Unfalls und Unglücks vergessen können und man uns desselben wiederum erinnern und zu Gedächtnis führen muss? Da ist’s kein Wunder, dass wir der Wohltaten Gottes vergessen! Martin Luther † 1546.

V. 8. Und versuchte (prüfte) dich. Auch die Versuchungen werden zu Guttaten Gottes: sie werden der Erlösung und Erhörung des Gebets zugesellt. Friedrich Christoph Oetinger 1775.

V. 11. Ich, der HERR, bin dein Gott. Der Name Jehova hätte sie mögen abschrecken und furchtsam machen; darum überzuckert der HERR gleichsam seinen Vortrag mit dem Zusatz dein Gott, seine Freundlichkeit und Güte vorzustellen und die Seelen damit an sich zu locken. Es trägt also auch die Vorrede des Gesetzes das Ölblatt des Evangeliums im Munde. Der dich aus Ägyptenland geführet hat. Die Gelehrten bemerken, dass Gott zum zehnten Mal im Alten Testament seinem Volk diese Ausführung zu Gemüt führet. Johann David Frisch 1719.

Von der Kreatur kann man leicht zu große Erwartungen hegen, aber nie von Gott: Tue deinen Mund weit auf, dass ich ihn fülle. Erweitere und dehne aus die Wünsche und Erwartungen deiner Seele; Gott vermag auch die größte Kluft auszufüllen. Es ehrt Gott, wenn wir recht viel und immer mehr von ihm erwarten; wir heiligen damit Gott in unseren Herzen. Thomas Case † 1680.

Abraham tat seinen Mund weit auf, als er für Sodom bat; je länger er betete, desto untertäniger und doch kühner ward er. Gott will unseren Mund mit Danksagung füllen. Viele Psalmen Davids beginnen mit Flehen und enden mit begeistertem Lobpreis. Keine Wohltaten stimmen so zu heißem Dank wie solche, die wir als Antwort aufs Gebet bekommen. Und Gott gibt uns so gern, was wir bitten, wenn es geeignet ist, unser wahres Glück und die Ehre Gottes zu fördern. Benjamin Beddome † 1795.

Man sagt, es sei in Persien noch Sitte, dass der König, wenn er einem Gast, zum Beispiel dem Gesandten eines andern Fürsten, eine besondere Ehre erweisen wolle, ihn den Mund weit auftun heiße; dann fülle ihn der König mit Süßigkeiten, soviel er nur fassen könne, manchmal wohl gar mit Juwelen. Gott aber wird uns den Mund nicht mit glänzenden Steinen, sondern mit viel kostbareren Schätzen füllen. John Gadsby 1862.

V. 12. Aber mein Volk hörte nicht auf meine Stimme. Wisse, Sünder, dass Gott, wenn du schließlich den Himmel verfehlst, seine Hände über dir waschen und sich von deinem Blut rein erklären kann. Deine Verdammnis wird ganz dir zur Last fallen; es wird sich dann erweisen, dass in den Verheißungen kein Trug und bei dem Evangelium keine Hintergedanken waren, sondern dass du selber freiwillig das ewige Leben von dir gestoßen hast, was für gegenteilige Reden deine lügnerischen Lippen auch führen mögen. Und Israel will mein nicht. Wenn einst der himmlische Gerichtshof über deiner ermordeten Seele zu Gericht sitzen wird, um zu erforschen, wie es mit dir zu diesem kläglichen Ende gekommen ist, wirst du selber an deiner Verdammnis schuldig befunden werden. Niemand verliert Gott, als wer mit Willen sich von ihm trennt. William Gurnall † 1679.

V. 13. So hab’ ich sie gelassen in ihres Herzens Verstocktheit. (Grundtext) Es kann jemand dem Satan übergeben werden zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde (1. Kor. 5,5); aber der Verstocktheit übergeben werden, ist tausendmal ärger; denn das geschieht zur Verdammnis in Kraft des göttlichen Zorns. John Shower † 1715.

Dass sie wandelten nach ihrem Rat. Gott überließ sie dem Geist der Spaltung, der Unzufriedenheit, des Neides, der Anmaßung, der Selbstsucht und Selbstüberhebung und so der Verwirrung und dem Verderben. Das ist stets der Ausgang, wenn Gott ein Volk seinem eigenen Rat überlässt: es wird bald alles ein wildes Chaos; sie verrennen sich selber in einen wirren Haufen und stürzen sich gegenseitig ins Verderben. Es ist noch ebenso gut, gar keinen Rat von Menschen zu haben, als nur solchen von Menschen. J. Caryl † 1673

V. 14. O dass doch mein Volk auf mich hören wollte. Gott spricht da, als geschähe es ihm zugut, wenn wir auf ihn hören; er bittet und vermahnt uns, wir möchten doch auf seine Ratschläge und Befehle hören. Er sagt den Israeliten allerdings, dass ihr Gehorsam sich für sie selber nutzreich erweisen würde, V. 15; aber zugleich deutet seine Redeweise an, welche Lust es ihm sein würde, ihnen Gutes tun zu können. Joseph Caryl † 1673.

V. 15. Wenn Gott nur seine Hand wider die Widersacher wendet, so sind sie bald gedämpft. Wenn er die Macht und Pracht, die Größe und Herrlichkeit aller derer in der Welt, welche seiner Gemeinde zuwider sind, nur anrührt, so fallen sie alsbald elendig zusammen. Eine Bewegung der Hand Gottes wird alle unsre Kämpfe enden. Joseph Caryl † 1673.

V. 17. Honig aus dem Felsen. Den meisten Reisenden, welche Palästina im Sommer durchwandert haben, ist es aufgefallen, welche Fülle von Honig die Bienen in hohlen Bäumen und Felsspalten aufspeichern. An Orten, wo die nackten Felsen der Wüste das einzige sind, was die Eintönigkeit des Landschaftsbildes durchbricht, und wo alles umher auf Verwüstung und Tod hinweist, wird dem Pilger die Fürsorge Gottes für sein Volk lebhaft zu Gemüt gebracht, wenn er den von den Bienen aufgespeicherten Honig glänzend von den Felsen herabtropfen sieht. John Duns 1868.

Gott lässt Honig aus den Felsen quillen - die süßesten Freuden aus dem harten Gestein der Trübsal. Von Golgatha und dem Kreuz fließen die Segnungen, welche die reichsten und tiefsten Freuden bringen. Die Welt dagegen verwandelt die Quellen der Freude in Steine und Felsen der zeitlichen und ewigen Qual. Thomas Le Blanc † 1669.

Wahrlich, Gott kann nichts in dieser Welt für sein Volk zu gut halten, da er die zukünftige Welt nicht zu gut für sie achtet. Er, der auch seines eignen Sohnes nicht hat verschonet, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken - auch das Beste von zeitlichem Guten, wenn es nach seiner weisen Einsicht für uns wirklich gut ist. J. Caryl † 1673.

V. 9-17. Was kann der HERR in eines jeden Gewissen rege machen, an was für kräftige Züge und gnädige Anträge kann er ein Herz mahnen, wenn er so vor dasselbe hintritt: "Höre mich, ich will zeugen, ich will dich auf dein Gewissen fragen! O wolltest du! O hättest du gewollt, sooft ich gewollt habe, wieviel anders würde es um dich stehen!" Gebe doch jedes seinen Willen redlich her zu dem, was Gott an ihm sucht! Sonst könnte es zuletzt wollen, wenn Gott nicht mehr will und seine Hand zurückgezogen hat. Karl Heinrich Rieger † 1791.

HomiletischeWinke

V. 2. Der Gemeindegesang sollte wirklich ein Gesang der ganzen Gemeinde sowie herzhaft und fröhlich sein. Warum sollte dies so sein, und welchen Segen brächte es?
V. 2-4. 1) Der Lobpreis Gottes soll aufrichtig sein; darum kann er nur von Gottes Volk dargebracht werden. 2) Er soll beständig, zu allen Zeiten zum HERRN emporsteigen. 3) Doch gibt es Zeiten, die besonders zum Lobpreisen ermuntern. a) Von Gott festgesetzte Zeiten, wie der Sabbat und andre Feste Israels. b) Besondere Anlässe, welche die Vorsehung uns darreicht, wie besondere Durchhilfen und Gnadenerweisungen des HERRN. 4) Der Lobpreis Gottes sollte öffentlich geschehen. George Rogers 1874.
V. 7. Die Freilassung der Gläubigen. Gesetzesarbeit ist beschwerlich, knechtisch, nie vollendet, ohne Lohn, wird immer widerlicher. Nur der HERR kann uns von diesem Sklavenjoch befreien; er tut es durch seine Gnade und Macht. Wir tun wohl daran, der Zeit unsrer Befreiung zu gedenken, uns für diese Wohltat dankbar zu erweisen und unserm freien Stande gemäß zu wandeln.
V. 8. 1) Erhörte Gebete sind Fesseln der Dankbarkeit. 2) Frühere Prüfungszeiten sind warnende Erinnerungen. 3) Die Gegenwart ist die Zeit, in welcher neue Gebetserhörungen und neue Glaubensprüfungen zu erwarten sind.
V. 8c. Probezeiten in dem Lebensgang der Gläubigen.
V. 9-11. 1) Ein barmherziger Vater, der seinem Kinde zuruft: Höre, mein Volk usw. 2) Ein machtbewusster Herrscher, der sein Hoheitsrecht wahrt: Dass unter dir kein andrer Gott sei usw. 3) Ein allgenügsamer Freund, der volles Vertrauen beansprucht: Ich, der HERR, bin dein Gott. Tue deinen Mund weit auf, lass mich ihn füllen. Richard Cecil † 1810.
V. 9.12.14. Der Befehl, der Ungehorsam, die Klage über diesen Ungehorsam.
V. 10. Abgötterei, eine uns stets anklebende Sünde. Was für Gerichte zieht sie nach sich? Wie können wir uns von ihr reinigen?
V. 11. 1) Der Gott, der in der Vergangenheit große Gnade erwiesen hat: Ich, der HERR, bin dein Gott, der usw. 2) Derselbe ermuntert in der Gegenwart zu neuen Bitten: Tue deinen Mund weit auf, und 3) er verheißt für die Zukunft neue Segnungen: Ich will ihn füllen.
V. 12. 1) Israel, das auserwählte, wohl unterwiesene und hochbevorzugte Volk, 2) will mein nicht, seines Gottes, Königs, Freundes usw.
V. 12.13. 1) Die Sünde Israels: Es will nicht auf Gottes Stimme hören. 2) Das war eine besonders schwere Sünde, a) weil Gott so viel für Israel getan hatte, und b) weil es diesem Gott andre Götter vorzog. 3) Daher war auch die Strafe a) besonders schwer: So hab ich sie gelassen usw.; b) durchaus gerecht: Israel will mein nicht, - so sollen sie wandeln nach ihrem Rat. George Rogers 1874.
V. 14-17. Der glückliche Stand eines gehorsamen Gläubigen. 1) Seine Feinde werden gedämpft. 2) Seine Freuden sind beständig. 3) Alle seine Bedürfnisse werden völlig befriedigt.
Was verlieren Abtrünnige alles?
V. 17. Geistliche Festspeisen. 1) Wer bietet sie dar? 2) Für wen sind sie stimmt? 3) Was wirken sie? Volle Sättigung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 82 (Auslegung & Kommentar)

Überschrift

Ein Psalm Asaphs. Asaph, der geistliche Dichter, tritt in diesem Psalm als Prediger vor einem hohen Publikum auf: es sind die Obrigkeiten, die Verwalter des Gerichts, an die er seine Mahnung richtet. Wer eine Sache gut versteht, ist gewöhnlich auch zu einer andern tüchtig: von einem trefflichen Dichter ist es nicht unwahrscheinlich, da er sich zum Prediger eignen würde. Hätte Milton die Kanzel bestiegen oder wäre Virgil ein Apostel gewesen, was für Predigten hätten sie gehalten!
Was Asaph damals den Richtern predigte, liegt uns nun zur Erwägung vor. Asaph spricht sich in dem Psalm sehr frei und offen aus, und sein Lied zeichnet sich mehr durch Kraft als durch Lieblichkeit aus. Wir haben an dem vorliegenden Beispiel den deutlichen Beweis, dass nicht alle Psalmen und geistlichen Gesänge unmittelbare Lobpreisungen Gottes zu sein brauchen; wir dürfen einander in unseren Liedern auch vermahnen (Kol. 3,16). Asaph nahm um sich her ohne Zweifel viel Bestechlichkeit und Verderbnis in der Rechtspflege wahr, und da er sah, dass David mit dem strafenden Schwert gegen diese Frevel vorging, fasste er den Entschluss, sie mit einem prophetischen Psalm zu geißeln. Indem er das tat, vergaß der Sänger nicht seinen Beruf, dem HERRN zu singen, sondern kam dem nur in einer etwas andern Weise nach. Er pries Gott, indem er die Sünde schalt, welche den Höchsten so verunehrt; und wenn seine Musik diesmal dem Thema entsprechend auch manche Dissonanzen enthielt, so war er doch bemüht, diese zu beschwichtigen und in Wohlklänge aufzulösen, indem er die Regenten und Richter bat, das Recht mit Unparteilichkeit zu handhaben.

Der Psalm ist ein Ganzes und bedarf daher keiner äußerlichen Einteilung.

Auslegung

1. Gott stehet in der Gemeinde Gottes
und ist Richter unter den Göttern.
2. Wie lange wollt ihr unrecht richten
und die Person der Gottlosen vorziehen? Sela.
3. Schaffet Recht dem Armen und dem Waisen
und helfet dem Elenden und Dürftigen zum Recht.
4. Errettet den Geringen und Armen
und erlöset ihn aus der Gottlosen Gewalt.
5. Aber sie lassen sich nicht sagen und achten’s nicht;
sie gehen immer hin im Finstern; darum müssen alle Grundfesten des Landes wanken.
6. Ich habe wohl gesagt: Ihr seid Götter
und allzumal Kinder des Höchsten;
7. aber ihr werdet sterben wie Menschen
und wie ein Tyrann zugrunde gehen.
8. Gott, mache dich auf und richte den Erdboden;
denn Du bist Erbherr über alle Heiden!


1. Gott stehet da in der Gottesversammlung. (Wörtl.) Während etliche Ausleger, wie z. B. Delitzsch, mit Luther unter der "Gottesversammlung" die Gemeinde Israels verstehen, deuten andre den Ausdruck, indem sie die zweite Vershälfte als dessen Erklärung ansehen, von der von Gott berufenen und geleiteten, ja göttlichen Charakter an sich tragenden, weil mit göttlicher Autorität bekleideten Versammlung der irdischen Gewalthaber, die das obrigkeitliche und besonders das richterliche Amt zu verwalten haben und in dieser Eigenschaft Stellvertreter Gottes auf Erden sind, weshalb sie in der folgenden Zeile Götter genannt werden. Zu dieser Deutung stimmt auch, dass es nicht heißt: Jehovas Versammlung oder Gemeinde, sondern: Versammlung Els, des Allgewaltigen. Er steht mitten unter und über den Königen, Gewaltigen und Richtern der Erde: er überragt sie alle und sieht von seinem nur ihm eigenen erhabenen Standpunkte aus alles, was die Großen der Welt vornehmen. Wenn sie mit den Abzeichen ihrer Würde auf dem Richterstuhl sitzen, so steht er über ihnen, bereit, sie zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie das Recht verkehren. Auch die Richter müssen vor Gericht, und den Rechtsverwaltern gegenüber wird das Recht verwaltet werden. Unsre Richter und Amtleute in Stadt und Land täten gut, sich des bewusst zu bleiben. Ihrer etliche hätten es sehr nötig, bei Asaph in die Schule zu gehen, bis sie sich den vorliegenden Psalm innerlich angeeignet hätten. Die harten Urteile und befremdlichen Rechtssprüche, welche sie fällen, ergehen in der Gegenwart dessen, der sie sicher für jede unziemliche Amtshandlung heimsuchen wird; denn er kennt kein Ansehen der Person und ist der Anwalt der Armen und Unterdrückten. Sogar die Urteilssprüche unsrer unparteiischsten Richter werden von dem höchsten Gerichtshof, dem himmlischen, nachgeprüft werden. Und ist Richter unter den Göttern. Sie, die Richter, sind Götter für andre Menschen, aber er ist GOTT für sie. Er leiht ihnen seinen Namen, und darauf beruht ihre Vollmacht, als Richter aufzutreten; aber sie haben sich wohl zu hüten, dass sie die ihnen anvertraute Gewalt nicht missbrauchen, denn der Richter aller Richter waltet über ihnen seines Amtes. Über all den Gerichten und Rechtsformen der Erde steht das Gericht des Himmels mit seinem allein vollkommenen und unabänderlichen Rechte. Diese erhabene Wahrheit ist im Großen und Ganzen in unseren Tagen bei uns anerkannt; aber nicht immer ist das in den früheren Zeiten der Geschichte unsers (britischen) Vaterlandes der Fall gewesen. Wir brauchen nur an die Tage zu denken, da Jeffreys1 und andre 0seinesgleichen ein Hohn auf den Namen der Gerechtigkeit waren. Die morgenländischen Richter sind sogar jetzt noch häufig, wenn nicht gar allgemein, für Bestechung empfänglich, und in alten Zeiten wäre es schwierig gewesen, einen Richter zu finden, der einen Begriff von Gerechtigkeit gehabt hätte, abgesehen von seinem eigenen unumschränkten, den Launen unterworfenen Willen. Solch freie Sprache, wie dieser Psalm sie redet, war in der Tat notwendig, und das muss ein kühner und wahrhaft edler Mann gewesen sein, der seinem Herzen in solchen ganz und gar nicht höfischen Worten Luft machte.

2. Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Person der Gottlosen vorziehen? Damit wird mittelbar festgestellt, dass die Machthaber ungerecht und bestechlich gewesen waren. Sie hatten nicht nur die Frevler entschuldigt, sondern sogar zu deren Gunsten gegen die Rechtschaffenen entschieden. Auch nur ein wenig davon ist schon zu viel und eine kurze Zeit solchen Regiments schon zu lang. Während gewisse Leute ihre Prozesse ohne Verzug und stets zu ihren Gunsten entschieden bekamen, konnten andre womöglich ihr Leben lang darauf warten, für ihre Klagen Gehör zu bekommen, oder wurden gar mit Hilfe des Gesetzes ausgeplündert, und beides eben, weil ihre Widersacher die Gunst des Richters besaßen. Wie lange sollten solche Frevel noch fort und fort verübt werden? Würden diese Rechtsverdreher denn nie des allerhabenen Richters gedenken, der auch sie zur Rechenschaft ziehen wird, und ihrer Schlechtigkeit entsagen? Dieser Vers ist so gewaltig ernst, dass man versucht ist, auszurufen: Wahrlich, hier ist ein Elia! - Sela. Ihr Missetäter, macht euch dieses Sela zunutze als eine Frist zum Nachdenken und zum Bekennen eurer Sünde!

3. Schaffet Recht dem Armen und dem Waisen. Lasst ab Böses zu tun und lernet Gutes tun! Handelt nicht mehr zugunsten des Reichen, dessen Hand euch Bestechung anbietet, sondern schützet das Recht des Dürftigen und unterstützt besonders die Ansprüche der Vaterlosen, deren Gut so oft eine Beute gewissenloser Habsucht wird! Bedrücket nicht den armen Hüttenbewohner, weil er ein paar Reiser aufgelesen hat, und lasst den vornehmen Betrüger nicht durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen! Und helfet dem Elenden und Dürftigen zum Recht! Auch sie können von euch als Richtern nur Gerechtigkeit verlangen, und das Mitleid mit ihrer Lage darf euch nicht verleiten, ungerechtes Maß anzulegen; aber wenn ihr ihnen nicht mehr als ihr Recht widerfahren lasst, so vergewissert euch, dass ihr ihnen das auch ganz und voll gebet. Lasst den Elenden nicht noch tiefer ins Elend kommen dadurch, dass er Unrecht leiden muss, und lasst den Armen, der schon so vieles entbehren muss, nicht auch das vermissen, dass er bei euch für seine Klagen unparteiisches Gehör findet!

4. Errettet den Geringen und Armen und erlöset ihn aus der Gottlosen Gewalt! Zerreißt die Netze der Wucherer und andrer Menschenfänger, die Gesetzesfallen, die Bande und Bürgschaften, mit welchen verschmitzte Menschen solche fangen und in der Gefangenschaft festhalten, die sich in Not und Verlegenheiten befinden! Wie schön ist es, wenn der Richter ein Opfer befreien kann, das wie eine Fliege in einem Spinngewebe gefangen ist, und welch ein schrecklich Ding ist es anderseits, wenn Richter und Räuber miteinander im Bunde sind! Wie oft sind schon die Gesetze in der Hand gewissenloser Leute Waffen der Rache und Raubgier gewesen, Waffen, so lebensgefährlich wie Gift und Dolch! Des Richters Aufgabe ist es, solchen Schurkereien vorzubeugen.

5. Aber sie lassen sich nicht sagen und achten nicht, wörtl.: Sie sind ohne Einsicht und ohne Verstand. Das ist eine schlimme Lage für ein Volk, wenn seine Richter keine Gerechtigkeit kennen und diejenigen, welche urteilen sollen, ohne Urteil sind. Seine Pflicht nicht kennen und nicht kennen wollen, das ist eher das Kennzeichen eines unverbesserlichen Missetäters als eines Vertreters der Obrigkeit, und doch ward dieses Brandmal den Obersten Israels damals mit Fug und Recht aufgedrückt. Sie gehen immer hin im Finstern. Sie sind ebenso sorglos wie unwissend. Obwohl sie aller Einsicht und Gottesfurcht bar sind, wagen sie es, eine Laufbahn zu verfolgen, zu welcher es vor allem der Erkenntnis und der Rechtschaffenheit bedarf. Sie gehen ohne Zögern auf diesem ihrem Wege fort und lassen ganz außer Acht, in welche Verantwortlichkeit sie sich damit verwickeln und welche Strafe sie sich durch ihr Gebaren zuziehen. Darum müssen alle Grundfesten des Landes wanken. Wenn diejenigen, welche berufen sind, das Gesetz zu vollstrecken, der Gerechtigkeit den Abschied gegeben haben, dann löst sich alle Ordnung auf, die menschliche Gesellschaft kommt aus den Angeln, und das ganze Volksgebäude wird in seinen Grundfesten erschüttert. Wenn Ungerechtigkeit auf Grund des Gesetzes gehandhabt wird, dann gerät in der Tat die Welt aus ihrer Bahn. Wenn die Gerechtigkeit der Richter zum höhnenden Sprichwort geworden ist, dann wird es Zeit, dass die Gerechtigkeit mit den Richtern abfahre. Wenn arme Landarbeiter von ihren Gutsherren oder deren Verwaltern noch ungestraft mit der Reitpeitsche bearbeitet werden dürfen und ein schöner Vogel mehr gilt als ein Armer, so müssen in der Tat die Grundfesten des Landes zusammenbrechen wie morsche Säulen, die unfähig sind, das auf ihnen errichtete Gebäude zu tragen. Wir haben, Gott sei Dank, als fast ausnahmslose Regel unbestechliche Richter; möge es stets so bleiben. Selbst unsre untern Behörden bestehen im Allgemeinen aus ehrenwerten Männern, wofür wir Gott wirklich dankbar sein sollten.

6. Ich habe wohl gesagt: Ihr seid Götter. Die größte Ehre ward ihnen damit beigelegt; sie genossen als Bevollmächtigte Gottes für eine kleine Weile etwas von der Machtvollkommenheit, in welcher der HERR unter den Menschenkindern richtet. Und allzumal Kinder (wörtl.: Söhne) des Höchsten. Sie waren das ex officio, kraft der Würde ihres Amtes, nicht ihrer sittlichen oder geistlichen Beschaffenheit nach. Es muss unter den Menschen eine obrigkeitliche Gewalt geben, und da es nicht angeht, dass Engel mit der ständigen Ausübung derselben betraut werden, so lässt Gott Menschen über Ihresgleichen regieren und bestätigt ihr Amt, wenigstens so weit, dass die Schändung desselben eine Schmähung seiner eigenen Hoheitsrechte wird. Die Obrigkeiten hätten kein Recht, Schuldige zu verurteilen, wenn Gott nicht die Einrichtung einer Regierung, die Verwaltung des Gesetzes und die Vollstreckung gesetzmäßiger Urteile gebilligt hätte. Der Heilige Geist spricht an unsrer Stelle sehr ehrenvoll von diesen Ämtern, auch wo er deren Verwalter rügt, und lehrt uns damit, Ehre zu geben, wem Ehre gebührt, Ehre dem Amt, auch wenn wir über den Amtsträger abfällig urteilen müssen.

7. Aber ihr werdet sterben wie Menschen. Welch bitterer Spott! So hoch das Amt jene Leute hob, sie blieben doch Menschen und mussten sterben. Für jeden Richter ist dieser Vers ein Memento mori. Er muss seinen Richterstuhl verlassen, um selber vor die Schranken zu treten, und muss zu diesem Gange den Amtstalar ausziehen und das Sterbekleid anlegen. Und wie der Fürsten einer fallen. (Grundtext) Die sterben gewöhnlich am frühesten; denn Krieg, Aufruhr und Üppigkeit machen unter den Großen mehr Beute als unter den gewöhnlichen Menschen. Gerade wie Fürsten oft durch einen plötzlichen, gewaltsamen Tod hinweggerafft werden, so soll es den Richtern ergehen, die Gerechtigkeit zu üben vergessen. Gewöhnlich achten die Menschen das Amt der Richter hoch und verschwören sich nicht sie zu töten, wie sie Fürsten und Könige morden; aber ungerechte Handhabung der Rechtspflege nimmt dem Richter diesen Schutz und bringt ihn in persönliche Gefahr. Wie furchtbar rasch entkleidet der Tod die Großen ihrer Würde! Wie unerbittlich macht er alle gleich! Er ist zwar kein Lobredner der Freiheit; aber was die Förderung von Gleichheit und Brüderlichkeit betrifft, so ist er ein Demokrat vom reinsten Wasser. Große Männer sterben wie ganz gewöhnliche Leute. Wie dasselbe Blut in ihren Adern rinnt, so bringt auch der Schlag, der ihr Leben ausfließen lässt, dieselben Wehen und Ängste. Kein Stand ist zu hoch für die Pfeile des Todes; er schießt seine Vögel von den höchsten Wipfeln herunter. Es ist Zeit, dass alle sich des bewusst werden.

8. Gott, mache dich auf und richte den Erdboden! Komm, du Richter aller Welt, fordere die schlechten Richter vor die Schranken und mache ihrer Schlechtigkeit und Niederträchtigkeit ein Ende! Darauf steht die wahre Hoffnung der Welt, noch einmal aus den Fesseln aller Tyrannei befreit zu werden. Denn du bist Erbherr über alle Heiden. Die Zeit wird kommen, wo alle Völker ihren Gott anerkennen und ihm als ihrem König huldigen werden. Es gibt einen, der ist König nicht von Gottes Gnaden, sondern kraft göttlichen Rechts, und er rüstet sich zu kommen. Die letzten Tage werden ihn auf dem Throne sehen und alle ungerechten Machthaber zerschmissen wie Töpfergerät von seinem eisernen Zepter. Die zweite Zukunft des Herrn ist die herrlichste Hoffnung der Erde. Komm bald, Amen, ja komm, Herr Jesus!

Fußnote
1. Sir (später Lord) George Jeffreys, oberster Richter des königlichen Gerichtshofs. ein Richter nach dem Herzen seines Herrn, des Königs Jakob II. von England. Die Schlechtigkeit dieses gewaltigen Mannes ist sprichwörtlich geworden. Unzählige Unschuldige fielen seinem Wüten zum Opfer. Für seine Grausamkeit ist bezeichnend der Name einer seiner Sitzungen, der "blutigen Assisen"; für seine Habgier und Blutgier zugleich, dass ein von ihm mit erpresstem Gelde gekauftes Gut im Volksmunde den Namen Hakeldama (Blutacker. Apg. 1,19) führte. - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 1-4. Diese Verse, ja den ganzen Psalm sollte ein jeglicher Fürst in seine Kammer, an das Bette, über Tisch und auch an seine Kleider malen lassen. Martin Luther 1530.

V. 2. Die Person ansehen. Das ist eine ganz eigentümliche hebräische Redeweise. Wörtlich: das Gesicht jemandes aufheben, mit dem Sinn: den aufs Angesicht Gefallenen aufheben, also jemand in Audienz empfangen, seinen Besuch annehmen. (Daher solche, die das Recht haben, bei Hofe zu erscheinen, mit anderen Worten die Höflinge und Günstlinge der Fürsten, genannt werden, 2. Könige 5,1; Jes. 3,3; 9,14; Hiob 22,8.) Den schlimmen Sinn gewinnt der Ausdruck dadurch, dass ungerechte Fürsten, Richter und dergleichen nach Gunst und Laune die einen mit ihren Anliegen und Klagen vor sich kommen ließen und mit ihnen verhandelten, die andern aber nicht zu sich ließen, und dass sie das Gewähren solcher Besuche von Geschenken abhängig machten, was besonders, wiewohl nicht ausschließlich, bei orientalischen Höfen und Behörden der Fall ist. Nach J. A. Alexander 1850.

V. 3. Man erzählt von König Franz I. von Frankreich, er habe einer Frau, die vor ihm niedergekniet sei, um sich ihr Recht zu erbitten, befohlen aufzustehen und ihr gesagt: "Frau, Gerechtigkeit schulde ich dir und Gerechtigkeit sollst du haben; willst du etwas von mir erbitten, so muss es eine Gnade sein." Das muss ein glückliches Land und Volk gewesen sein, wo Gerechtigkeit (wie es danach scheint) nicht erzwungen werden musste, sondern wie Honig aus der Wabe floss; wo es kein Verkaufen von Ämtern, kein Austauschen von Geschenken, keine klug berechneten Verzögerungen, kein Feilschen um Beschleunigung der Rechtsprechung, keine kleinlichen Quälereien gab; wo die Gerechtigkeit ihre Waage in der Hand hatte, nicht um Gold, sondern um unparteiisches Recht abzuwägen; wo Richter und Amtleute der Arche Noahs gleich bereit waren, müde Täublein aufzunehmen, und den Hörnern des Altars gleich stets eine Zuflucht für die bedrängte Unschuld waren; wo die Rechtsanwälte nicht Böses gut und Gutes böse nannten, wo kein Staatsanwalt aus Bosheit, Neid oder Gewinnsucht Klage führte; wo die untergeordneten Beamten nicht einflussreichen Missetätern aus der Klemme helfen durften und ebensowenig arme Leute, die hilflos in dem Meer der Gesetze wie vom Sturm umhergetrieben werden, mit ihren Rechtssachen, den Hafen in Sicht, verschmachten lassen durften, bloß weil sie dem Zerberus keinen Bissen zur Beschwichtigung vorwarfen und der großen Diana der Gerichtsbeschleunigung kein Opfer brachten; wo man den Spürhunden, den niederträchtigen Angebern keine Gunst entgegenbrachte, sondern im Gegenteil jede falsche, ungerechte oder böswillige Angeberei streng bestrafte; kurz, wo die Behörden und Richter dem Volke Gerechtigkeit schuldig zu sein sich bewusst waren und dieser ihrer Pflicht auch nachkamen; wo die Leute sich nicht ihr Recht erbitten und erhandeln mussten, sondern nur Wohltaten erbaten und auch solche gern erhielten. William Price 1642.

V. 3.4. Der Prüfstein für die Gerechtigkeit der Richter und Amtspersonen sind die Anliegen und Klagesachen der Armen und Waisen, der Elenden und Dürftigen. David Dickson † 1662.

V. 5. Jeder Richter muss zweierlei Salz bei sich haben: das Salz des Wissens und das Salz des Gewissens. Diejenigen, welchen das Erstere gebricht, werden hier gerügt mit den Worten: "sie sind ohne Einsicht und ohne Verstand," diejenigen aber, welchen das Letztere mangelt, werden mit dem Urteil gebrandmarkt: "sie gehen immer hin in Finsternis." - Die Vernachlässigung dieser Pflichten hat zweierlei Gefahren im Gefolge, erstens Gefahren für das ganze Staatswesen: "darum müssen alle Grundfesten des Landen wanken," zweitens Gefahren für die Richter selbst, V. 7: "ihr werdet sterben wie Menschen und wie der Fürsten einer fallen," und nach dem Tode das Gericht, V. 8. - Sie kennen weder Gott, der sie zu Göttern gemacht hat, noch verstehen sie sein Gesetz, das ihres Fußes Leuchte sein sollte. Es gibt eine zwiefache Unwissenheit, eine ignorantia simplex und eine ignorantia affectata: eine Unwissenheit, die auf Flachköpfigkeit beruht, und eine andre, wenn die Menschen so tiefsinnig sind, dass sie nicht erkennen wollen, was recht und vernunftgemäß ist. John Boys 1618.

V. 6. Götter, Söhne des Höchsten. Diese Weise, die bürgerliche Obrigkeit zu benennen, brauchte einem Israeliten nicht allzu kühn zu erscheinen, denn sie war in wohlbekannten Stellen des mosaischen Gesetzes zu finden. Siehe 2. Mose 21,6; 22,8.9.28. Es ist schwer zu entscheiden, ob in diesen eben genannten Stellen das Wort Elohim in unsrer Sprache mit der Einzahl (Gott) oder der Mehrzahl (Götter) wiederzugeben ist, ob z. B. 2. Mose 21,6 zu übersetzen ist: "so bringe ihn sein Herr vor die Götter," oder, wie die Septuaginta umschreibt: "vor den Richterstuhl Gottes." Der Sinn ist aber der gleiche; denn der Ausdruck bezeichnet jedenfalls, dass die Majestät Gottes dem Richteramt innewohnt. Der Höchste hat einen Teil seines Herrscherrechts und seiner Autorität auf die Richter und Obrigkeiten gelegt. Es ist freilich kaum nötig zu sagen, dass diese alte Wahrheit je und je schmählich missbraucht worden ist. Kriecherische Theologen haben daraus oft eine schmeichlerische Salbe für das Ohr der Fürsten bereitet, indem sie sie lehrten, dass sie den Gesetzen keinen Gehorsam schuldig seien, dass sie niemandem außer Gott dafür verantwortlich seien, wie sie ihr Amt führten, und dass jeder Versuch des Volkes, ihre Tyrannei zu zügeln oder sie, wenn alle milderen Mittel fehlschlugen, zu entthronen, Empörung wider Gott sei, dessen Statthalter sie seien. Auch in unsrer Zeit lassen sich gelegentlich solche Lehren auf der Kanzel oder in der Presse vernehmen, und auf diese Weise versuchen Leute es, die Gewissen der Menschen den Launen von Tyrannen zu unterwerfen. Möge es aber wohl beachtet werden, dass Asaphs Harfe diesem "göttlichen Recht der Könige, schlecht zu regieren"2, in keiner Weise Bekräftigung verleiht. Wenn dieser Prophet bezeugt, dass Fürsten Götter sind, so schließt er in diese Ehre den untergeordnetsten Vertreter der Behörde ein. Die Ältesten, die in den Toren des kleinen Bethlehem das Richteramt verwalteten, saßen ebenso wahrheitsgemäß auf Gottes Stuhl wie der König Salomo, der auf elfenbeinernem Thron in der Gerichtshalle zu Jerusalem seine Urteile fällte. Das Sprichwort, dass das göttliche Recht der Könige das göttliche Recht des Polizisten sei, ist eine etwas grobe Art des Ausdrucks für eine biblische Wahrheit. Wenn man dies festhält, wird man die Schrift nicht herbeiziehen, um die Ansprüche von Königen auf eine unumstößliche und verantwortungslose Autorität zu verteidigen. Aber während wir Sorge tragen wollen, das göttliche Recht der bürgerlichen Obrigkeit vor Missbrauch zu schützen, dürfen wir doch dieses Recht an sich nicht vergessen. Die Leute, welche sich an die irdische Obrigkeit um Rechtsschutz wenden, begeben sich damit zu dem Richterstuhle Gottes. Wenn die Obrigkeit keinen Auftrag von Gott bekommen hätte, könnte sie nicht rechtmäßig das Schwert tragen. William Binnie 1870.

In seiner Schrift über das Königsrecht legt Samuel Rutherford († 1661) an der Hand dieses Psalms dar, dass die Richter nicht die Geschöpfe der Könige sind, dass sie ihre Autorität nicht aus der Macht des Herrschers herleiten und darum auch nicht dessen Willen in sklavischer Unterwürfigkeit zu vollführen haben, sondern dass sie ebenso wie die Könige ihre Vollmacht von Gott unmittelbar haben und darum verpflichtet sind, Gerechtigkeit auszuüben, ob es der König will oder nicht.
Sohnschaft ist hier eng verbunden mit Königtum und Richteramt. Diese Würden, von ihren Trägern so viel missbraucht, werden in ihrer höchsten idealen Vollkommenheit in dem kommenden König, Richter und Sohn des Höchsten vereinigt sein. Ps. 2,6.7.10-12. A. R. Fausset 1866.

Das Zerrbild dieses Gottesspruchs ist es, wenn Schmarotzer in niederträchtiger Schmeichelei und Willfährigkeit gegen die Eitelkeit ihrer Herren die Herrscher Götter genannt haben und gewisse Fürsten frevlerisch und gotteslästerlich so genannt zu werden begehrt haben. Joseph Caryl † 1673.

V. 7. Ja auch ihr, die ihr glänzet wie Engel, ihr, die alle Welt bewundert und fußfällig angeht, die gnädige Herren und Exzellenz und Durchlaucht genannt werden, ich will euch zeigen, wie eure Ehre und Herrlichkeit enden wird. Erst werdet ihr alt werden wie andre und krank werden wie andre, dann werdet ihr sterben wie andre und begraben werden wie andre, dann der Verwesung Raub werden wie andre, dann gerichtet werden wie andre, ja wie der Bettler, der an eurer Tür steht und fleht. Der eine wird siech, der andre wird siech, der eine stirbt, der andre stirbt, der eine vermodert, der andre vermodert - schaut ins Grab und sagt mir, welcher der reiche Mann und welcher Lazarus gewesen ist. Henry Smith † 1591.

Sie sind wirklich Elohim (Götter) von Gottes Gnaden; aber ist ihre Praxis kein Amen zu diesem Namen, so werden sie entkleidet der Majestät, die sie verwirkt, entkleidet der Prärogative (Vorrechte) Israels, dessen Beruf und Bestimmung sie verleugnen: sie sterben hin wie gemeine, durch nichts über die Masse hinausragende Menschen; sie fallen wie irgendeiner der im Lauf der Geschichte durch Gottes Gericht gestürzten Fürsten. Ihr göttliches Amt schützt sie nicht. Denn obwohl justicia civilis (die bürgerliche Gerechtigkeit) noch nicht die Gerechtigkeit ist, die vor Gott gilt, so ist doch injusticia civilis (bürgerliche Ungerechtigkeit) vor ihm der allerschändlichste Gräuel. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Tyrannen fahren selten im Frieden zu Grabe. Die meisten der Cäsaren fielen durch die Hand des Volkes. Thomas Hall 1659.

V. 7.8. Euer Tag kommt! Die Heiligen erheben laut den Ruf V. 8, sie laden den Messias, den wahren Gott, den Sohn des Höchsten, den allgewaltigen Richter und Herrscher ein, sich aufzumachen und sein Erbe einzunehmen; denn er ist der Erbe aller Dinge, und er wird die schlecht verwaltete Erde richten. Wir lassen dieses Zionslied zu seinen heiligen Ohren aufsteigen und dringen in ihn, eilend zu kommen; und wir singen es einander zu voll froher Hoffnung, während die Grundfesten der Erde wanken, weil es uns hinweist auf den Messias als den wahren Richter der übel regierten Welt Andrew Alexander Bonar 1859.

Mache dich auf! Das Bild ist daher entlehnt, dass der Richter gewöhnlich sitzt, während er eine Rechtssache untersucht und Verhöre vornimmt, dann aber sich erhebt, wenn er sich anschickt, das Urteil zu fällen. Th. Gataker † 1654.

HomiletischeWinke

V. 1. Die Oberherrlichkeit Gottes über die Mächtigsten und Höchsten der Erde. Wie sie sich zeigt und was wir von ihr erwarten dürfen.
Gottes Gegenwart im Kabinettsrat der Könige und im Senat der Richter.
V. 2. Eine sehr allgemein verbreitete Sünde. Ansehen der Person beeinflusst oft unser Urteil über die Ansichten, Tugenden und Fehler, überhaupt über das ganze Verhalten der Leute. Das bedeutet aber sowohl Ungerechtigkeit gegen andre als auch schwere Schädigung derer, welche wir vorziehen.
V. 3. Ein Wort zugunsten der Waisen und Hilfsbedürftigen.
V. 5.7. 1) Die Eigenschaften gottloser Regenten und Richter: a) Unwissenheit, b) vorsätzliche Blindheit, c) zügellose Schlechtigkeit. 2) Die Folgen für andre: Die Grundfesten a) der persönlichen Sicherheit, b) des gemeinen Wohles, c) des Gedeihens von Handel und Gewerbe, d) der Ruhe des Staates, e) der religiösen Freiheit kommen alle ins Wanken. 3) Die Folgen für sie selbst: V. 7. George Rogers 1874.
V. 5b. Sie gehen immer hin in Finsternis. Eine Beschreibung des Wandels vermessener Sünder.
V. 6. Die Stellen des Alten Testaments, welche die Lehre von der Gottheit Christi im Kern enthalten.
V. 8. 1) Der Aufruf. 2) Die Vorhersagung.

Fußnote
2. A. Pope, in dem komisch-satirischen Gedicht The Dunciade (Die Dummheit) 1729.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 83 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Psalmlied Asaphs. Dies ist der letzte der zwölf asaphitischen Psalmen. Der Dichter erweist sich als ein echter Freund seines Vaterlandes. Seine Leier singt wieder von drohender Kriegsgefahr; aber es ist nicht ein gottvergessenes Lied eines unbesonnenen Volkes, das leichten Herzens in den Krieg geht. Asaph, der Seher, hat einen klaren Blick für die ernsten Gefahren, welche seinem Vaterlande von den verbündeten Völkern drohen; aber seine Seele stützt sich glaubensvoll auf Jehova, und er benutzt die ihm verliehene Gabe der heiligen Dichtkunst dazu, seine Landsleute zu Gebet und Flehen anzuspornen. Der "Asaph", der diesen Psalm verfasst hat, ist vielleicht der 2. Chr. 20,14 genannte Asaphite Jahasiel; innere Anzeichen scheinen uns nämlich den Psalm in die Zeit Josaphats zu verweisen. Die Verwirrung, die dort in der Wüste Thekoa in dem Heerlager der verbündeten Völker ausbrach, machte nicht nur ihrem Verschwörungsplan ein Ende, sondern führte zu einer gegenseitigen Niedermetzelung, welche die Macht etlicher dieser Völker auf lange Zeit zerbrach. Sie hatten gedacht, Israel zu verderben, und halfen nun einander zum Verderben.

Einteilung

In V. 2-5 ruft der Psalmdichter mit allgemeineren Worten Gott zur Hilfe auf; dann deckt er V. 6-9 den Verschwörungsbund auf. Das führt zu dem ernsten Flehen, der HERR möge die Feinde aufs Haupt schlagen, V. 10-16, und zu dem Wunsche, dass Gottes Ehre dadurch verherrlicht werde, V. 17-19.

Auslegung

2. Gott, schweige doch nicht also
und sei doch nicht so still; Gott, halt doch nicht so inne!
3. Denn siehe, deine Feinde toben,
und die dich hassen, richten den Kopf auf.
4. Sie machen listige Anschläge wider dein Volk
und ratschlagen wider deine Verborgenen.
5. "Wohl her!" sprechen sie; "lasst uns sie ausrotten,
dass sie kein Volk seien,dass des Namens Israel nicht mehr gedacht werde!"


2. Gott, schweige doch nicht also und sei doch nicht so still! Die Menschen machen solch ein Getümmel; sei du nicht länger still! Sie schmähen und lästern; willst du gar nicht antworten? Ein Wort von dir kann dein Volk befreien; darum brich dein Schweigen, HERR, lass deine Stimme vernehmen! Gott, halt doch nicht so inne! Dieser Aufruf richtet sich an El, den Allgewaltigen. Er wird angefleht zu reden und zu handeln, weil sein Volk leide und in der höchsten Not sei. Wie ausschließlich blickt der Psalmist zu Gott um Hilfe auf! Er ruft nicht nach einem kühnen Heerführer, schaut nicht nach der Hilfe irgendwelcher menschlichen Macht aus, sondern wirft seine Sorge auf den HERRN in der festen Gewissheit, dass dessen ewige Macht und Weisheit allen Schwierigkeiten gewachsen ist.

3. Denn siehe, deine Feinde toben! Sie sparen wahrlich nicht mit ihren Worten, sondern gleichen einer Rotte heißhungriger Hunde, die alle zugleich bellen. Sie sind ihrer Beute so sicher, dass sie schon über den fetten Bissen frohlocken; wollen sie doch das ganze Volk verzehren. Und die dich hassen, richten den Kopf auf. Ihre Siegesgewissheit lässt sie sich gar hochmütig gebärden; sie werfen sich in die Brust, als ob der bevorstehende Kampf schon entschieden wäre. Diese Feinde Israels waren auch Feinde Gottes und werden hier als solche dargestellt, um so der Dringlichkeit der Bitte desto mehr Kraft zu geben. Die Widersacher der Gemeinde des HERRN sind meist eine lärmende und prahlerische Gesellschaft. Ihr Stolz ist ein allezeit tönendes Erz, eine unaufhörlich klingende Schelle.

4. Sie machen listige Anschläge wider dein Volk. Was wir auch tun mögen - unsre Feinde brauchen ihren Witz und stecken ihre Köpfe zusammen; in geheimer Ratsversammlung besprechen sie sich über die Anforderungen und die Pläne des Feldzuges, den sie gegen Gottes Volk im Schilde führen und wenden viel Schlangenlist und Ränkesucht beim Vorbereiten ihrer Anschläge auf. Die Bosheit ist kaltblütig genug, mit vorsichtiger Überlegung Verschwörungen anzuzetteln, und der Hochmut hat, wiewohl er nie wahrhaft weise ist, doch oft die List zum Bundesgenossen. Und ratschlagen wider deine Verborgenen, oder: wider die von dir Geborgenen. (Grundtext; vergl. zu dem Ausdruck Ps. 27,5; 31,21) Vor allem Schaden sind die Auserwählten des HERRN geborgen. Ihre Feinde meinen das freilich nicht, sondern hoffen sie zu vernichten; sie könnten ebenso gut versuchen, die Engel vor Gottes Thron zu verderben.

5. "Wohl her!" sprechen sie; "lasst uns sie ausrotten, dass sie kein Volk seien!" Das ist leichter gesagt als getan. Aber es zeigt, was für durchgreifende Pläne die Feinde der Gemeinde Gottes haben. Ihre Politik ist die der Ausrottung. Sie legen die Axt an die Wurzel. Rom hat stets diese Weise der Kriegführung geliebt, daher es denn auch an den Metzeleien der Bartholomäusnacht und den Mordgreueln der Inquisition großes Wohlgefallen hatte. "Dass des Namens Israel nicht mehr gedacht werde." Sie wollten das Volk Gottes so gründlich ausrotten, dass sogar die Erinnerung an sein Dasein aus den Blättern der Geschichte getilgt würde. Das Böse kann das Gute nicht dulden. Wenn Israel auch Edom in Ruhe lässt, so kann Edom doch nicht still sein, sondern sucht gleich seinem Stammvater den vom HERRN Erwählten zu töten. Wie froh wären die Menschen, wenn sie die Gemeinde Gottes aus der Welt hinausschaffen könnten, weil diese ihr sündiges Leben straft und dadurch beständig ihren falschen Frieden bedroht!

6. Denn sie haben sich miteinander vereiniget
und einen Bund wider dich gemacht,
7. die Hütten der Edomiter und Ismaeliter,
der Moabiter und Hagariter,
8. der Gebaliter, Ammoniter und Amalekiter,
die Philister samt denen zu Tyrus;
9. Assur hat sich auch zu ihnen geschlagen,
und helfen den Kindern Lot. Sela.


6. Denn sie haben ihren Ratschluss im Herzen gefasst allzumal. (Grundtext) Ihr Ratschlag ward von Herzen und einmütig gefasst. Sie haben alle dasselbe von wildem Hass gegen das auserwählte Volk und dessen Gott erfüllte Herz. Und einen Bund wider dich gemacht. Den HERRN selbst wollen sie treffen in seinen Heiligen. Sie schließen einen Bund ab und besiegeln ihn mit Blut; beherzt und fest entschlossen rotten sie sich zusammen zum Kriege wider den Allmächtigen.

7. Die Hütten der Edomiter. Die Nächstverwandten taten es an Feindschaft allen andern zuvor. Ihr Ahne verachtete die Erstgeburt, sie verachten die Besitzer derselben. Die Edomiter vertauschten ihre Felsenwohnungen mit den leichten Kriegszelten und drangen in das Land Israel ein. Und Ismaeliter. Verfolgungssucht lag ihnen im Blut; sie setzten den alten Zwist zwischen dem Sohne der Magd und dem Sohne der Freien fort. Der Moabiter. Dieses in Blutschande erzeugte, so nahe verwandte Volk lag mit Israel in überaus heftiger Fehde. Das mochte Lot, der Genosse Abrams, sich nicht haben träumen lassen, dass seine wilden Sprösslinge so unversöhnliche Feinde der Nachkommenschaft seines Onkels und Retters sein würden. Und Hagariter. Ein arabisches Beduinenvolk, das zur Zeit Sauls von dem Stamm Ruben aus seinen Wohnsitzen verdrängt worden war (1. Chr. 5,10.19 ff.) und seine Zelte östlich von Gilead aufgeschlagen hatte. Manche der älteren Ausleger vermuten eine Verwandtschaft mit Hagar. Jedenfalls gehörten sie im geistlichen Verstand zu dem Geschlecht jener Hagar, die zur Knechtschaft gebiert (Gal. 4,24), und hassten darum die Kinder der Verheißung.

8. Der Gebaliter. Es gab zwar auch eine Stadt Gebal in Phönizien, nördlich von Beirut; hier aber ist ohne Zweifel die Berglandschaft Gebalene im nördlichen Teil des edomitischen Gebirges, südlich vom Toten Meer, gemeint. Ammoniter und Amalekiter. Zwei andere Erbfeinde Israels, grimmig und grausam wie reißende Wölfe. In der Chronik der menschlichen Niederträchtigkeit mögen diese Namen zu aller Abscheu verewigt bleiben. Wie viele stehen auf denselben Blättern! Ach, du armes Israel, wie sollst du gegen eine solche blutige Liga standhalten? Und noch sind dies nicht alle. Hier kommt abermal ein Trupp alter Feinde: die Philister, die einst Simson blendeten und die Lade des HERRN nahmen; und dort sehen wir ehemals Verbündete als neue Feinde heranziehen: die von Tyrus. Sie, die einst den Tempel erbauen halfen, haben sich nun verschworen ihn niederzureißen. Diesen Krämerseelen war es gleich, in wessen Diensten sie das Schwert zogen, solange sie damit nur etwas zu ihrem Vorteil herausschneiden konnten. Die wahre Religion hat je und je auch mit Kaufleuten und Handwerkern Fehden gehabt; denn da sie manchmal ihrem Gewinn Eintrag tut, verschwören sie sich gegen sie.

9. Assur hat sich auch zu ihnen geschlagen. Assur war damals wohl eine eben emporkommende Weltmacht, die sehr auf ihr Wachstum bedacht war; und so früh schon entschied sie sich zum Bösen. - Welch buntscheckige Gruppe waren doch die Feinde! Eine Liga der Verschwörung gegen Israel übt stets große Anziehungskraft aus und vereinigt ganze Nationen in ihrem Bunde. Herodes und Pilatus werden Freunde, wenn es gilt, Jesus zu kreuzigen. Aberglaube und Unglaube machen gemeinsame Sache gegen das Evangelium. Und helfen den Kindern Lot. Diese alle gewähren Ammon und Moab, den Anzettlern der Verschwörung, Beistand und mächtigen Rückhalt. So waren ihrer zehn gegen einen, und doch übermochte dieser eine, der Israel Gottes, alle seine Feinde. Israels Name ist nicht ausgetilgt; aber viele, ja die meisten seiner alten Widersacher sind jetzt nur noch aus der Geschichte bekannt, und ihre Macht und ihre Herrlichkeit sind gleicherweise vergangen.
Sela. Es war Grund genug zu innerer Sammlung, da sich das Volk in solcher Notlage befand. Und doch braucht es Glauben, sich in solcher Lage Zeit zu stillem Sinnen zu nehmen; denn der Unglaube ist stets in Hast.

10. Tu ihnen wie den Midianitern,
wie Sisera, wie Jabin am Bach Kison,
11. die vertilget wurden bei Endor
und wurden zu Kot auf der Erde.
12. Mache ihre Fürsten wie Oreb und Seeb,
alle ihre Obersten wie Sebah und Zalmuna,
13. die da sagen:
Wir wollen die Häuser Gottes einnehmen.
14. Gott, mache sie wie einen Wirbel,
wie Stoppeln vor dem Winde.
15. Wie ein Feuer den Wald verbrennt
und wie eine Flamme die Berge anzündet:
16. also verfolge sie mit deinem Wetter
und erschrecke sie mit deinem Ungewitter.


10. Tu ihnen wie den Midianitern. Der Glaube hat immer eine Freude, wenn er auf frühere ähnliche Fälle zurückgreifen und sie dem HERRN vorhalten kann. Asaph nun fand einen sehr angemessenen Präzedenzfall; denn die angreifenden Völker waren in beiden Fällen so ziemlich dieselben, und auch die Notlage, der Zustand der Israeliten, war sehr ähnlich. Doch war Midian verderbt worden, und der Psalmdichter ist guter Zuversicht, dass die gegenwärtigen Feinde Israels eine gleiche Niederlage durch die Hand des HERRN erfahren würden. Wie Sisera, wie Jabin am Bach Kison. Dort hatte Jehova Sisera, den Feldhauptmann des Kanaaniterkönigs Jabin, der zwanzig Jahre lang Israel bedrückt hatte, und seine neunhundert Wagen und all sein Heer durch scharfes Dreinschlagen vor Barak her in Verwirrung gesetzt; vom Himmel her hatten die Sterne mit Sisera gekämpft, und die hochgeschwollenen Fluten des Wildbachs hatten seine Krieger fortgerissen (Richter 4,15; 5,20 f.): ein zweiter Fall göttlicher Rache an Israels Feinden. Wenn Gott will, kann ein Bächlein so verderblich werden wie das tiefe Meer. Der Kison ward Jabin so schrecklich wie das Rote Meer dem Pharao. Mit leichter Mühe vermag der HERR die Widersacher der Seinen zu vernichten. Du Gott Gideons und Baraks, willst du nicht auch jetzt wieder dein Erbteil aus der Hand der blutdürstigen Feinde erretten?

11. Die vertilget wurden bei Endor. Dort, im oberen Quellgebiet des Kison am kleinen Hermon, war wohl der Mittelpunkt des Gemetzels; da lagen die Erschlagenen in den dichtesten Haufen. Und wurden zu Dünger für das Land. (Grundtext) Wie Saturnus nährten sie die Erde mit ihren eigenen Kindern. Der Krieg ist grausam; aber in diesem Fall brachte er gerechte Rache. Ihnen, die Israel keinen Raum auf der Erde gönnen wollten, ward nun selber ein Bergungsort unter der Erde versagt; sie achteten Gottes Volk wie Kot und wurden nun selber zu Mist des Feldes. Asaph begehrte, dass das gleiche Schicksal die jetzigen Feinde Israels treffe, und sein Gebet ward zur Weissagung; denn so geschah es.

12. Mache ihre Fürsten (Edlen) wie Oreb und Seeb! Erschlage ihre Edlen wie auch das gemeine Kriegsvolk! Lass die Rädelsführer nicht entkommen! Wie Oreb, der Rabe, auf dem Rabenfelsen und Seeb, der Wolf, in der Wolfsgrube1 niedergeschlagen wurden (Richter 7,25), so lass auch diese, die Wölfen und Raben gleich über die Leiber der Deinen herfallen wollen, das Geschick ereilen, das solcher Tiere würdig ist! Alle ihre Obersten (Fürsten) wie Sebah und Zalmuna. Diese wurden von Gideon gefangen und trotz ihrer königlichen Würde erwürgt, weil auch sie die königliche Haltung der Brüder Gideons nicht geachtet hatten (Richter 8,18-21). Sebah ward, was sein Name besagt: ein Schlachtopfer, und Zalmuna ward zu den Schatten gesandt, auf die sein Name hinweist.2 Angesichts des hohen Galgens, an welchem diese vier Verbrecher auf der Richtstätte der Geschichte hangen, begehrt der Psalmdichter dringend, dass andre, die ihre Gesinnung teilen, um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen auch ihr Schicksal teilen mögen.

Fußnoten
1. Wörtl.: Wolfskelter, doch dürfte, da nach P. Cassel (1887, zu Richter 7,25) der hebr. Ausdruck für Kelter von der grubenartigen Form der Kelter entlehnt ist, die obige Übers. angemessen sein.

2. Während die andern Namendeutungen richtig sein werden, ist die Bedeutung von Zalmuna ungewiss. Vielleicht bedeutet es: Schatten (=Schutz) ist versagt.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps83

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13. Die da sagen: Wir wollen die Wohnstätten, oder wohl nach richtigerer Deutung: die Fluren Gottes für uns in Besitz nehmen. (Wörtl.) Sie sahen den Tempel wie auch die Niederlassungen der Stämme richtig als Gott gehörig an; in frechem Trotze aber beschlossen diese gierigen Räuber, die Einwohner zu vertreiben und zu töten und sich selber zu Herren des ganzen Landes zu machen. Das waren großsprecherische Reden und schwarze Pläne; aber Gott konnte sie zunichtemachen. Die Menschen sagen vergeblich: "Wir wollen uns das nehmen," wenn Gott es nicht gibt. Wer Gottes Haus beraubt, wird finden, dass er ein Besitztum hat, das von Fluch trieft; es wird ihm und seinem Samen auf ewig zur Plage sein. Mag ein Mensch Gott berauben? (Mal. 3,8 f.) Versuche er’s, er wird es schwer haben!

14. Mein Gott, mache sie wie einen Wirbel (d. i. wie wirbelnden Staub), wie Stoppeln vor dem Winde! Lass sie nimmer Ruhe finden, zerstreue sie, verjage sie, treibe sie in die Vernichtung! Jeder warm fühlende Patriot betet so gegen die Feinde, die sein Vaterland heimtückisch angreifen, er wäre ja nicht viel anders als ein Verräter, wenn er es nicht täte.

15. Wie ein Feuer den Wald verbrennt. Viele Jahre hindurch haben sich auf dem Boden dicke Schichten Raubes gesammelt; wenn diese von der Sonne ausgetrocknet werden, fangen sie leicht Feuer, und dann gibt es einen schrecklichen Brand. Unterholz und Farnkräuter flammen auf, das Buschwerk knistert, dann entzünden sich auch die hohen Bäume und werden bis an die Spitze in Flammen gehüllt, während der ganze Untergrund rot glüht wie ein Ofen. Solcherweise lass, HERR, deine Feinde dem Verderben preisgegeben werden und mache so mit ihnen ein Ende! Und wie eine Flamme die Berge anzündet. An den Berghängen glühen weithin scheinend die Wälder wie ein Riesenopfer, und die Wipfel auf der Höhe rauchen gen Himmel. So, HERR, vernichte vor aller Welt Augen nun mit schrecklicher Gewalt die Widersacher deines geliebten Israel!

16. Also verfolge sie mit deinem Wetter und erschrecke sie mit deinem Ungewitter! Der HERR wird seine Feinde verfolgen, sie mit seinen Blitzen aufschrecken und mit seinem Sturmwind jagen, bis sie gänzlich aufs Haupt geschlagen und in hoffnungsloser Flucht in alle vier Winde zerstreut sind. Er tat dies, der Bitte unseres Psalms entsprechend, für seinen Knecht Josaphat, und in gleicher Weise wird er irgendeinem und jedem seiner Auserwählten zur Hilfe erscheinen.

17. Mache ihr Angesicht voll Schande,
dass sie nach deinem Namen fragen müssen, o HERR.
18. Schämen müssen sie sich und erschrecken auf immer
und zuschanden werden und umkommen;
19. so werden sie erkennen,
dass Du mit deinem Namen heißest HERR allein und der Höchste in aller Welt.


17. Mache ihr Angesicht voll Schande, dass sie nach deinem Namen fragen müssen, o HERR! Schmach hat schon oft Menschen von ihren Götzen abgezogen und dazu getrieben, den Herrn und seine Gnade zu suchen. Kam es in dem vorliegenden Fall bei den Feinden des HERRN leider nicht zu diesem gesegneten Ende der Strafheimsuchung, dass sie sich willig vor Gott beugten, so mussten sie doch, ob auch gezwungen, Jehovas Namen ehren. Aber das brachte ihnen freilich kein Heil, weil keine Herzensänderung.

18. Wo alle Züchtigung nichts hilft und die Menschen so wild und halsstarrig bleiben wie je, da muss die Gerechtigkeit das Todesurteil fällen. Schämen müssen sie sich und erschrecken auf immer und zuschanden werden und umkommen. Was anders konnte mit ihnen geschehen? Es war besser, dass sie umkamen, als dass Israel von ihnen ausgerottet wurde. Welch ein schreckliches Verhängnis wird es für die Widersacher Gottes sein, beschämt und geängstigt zu werden für immer, alle ihre Pläne durchkreuzt, alle ihre Hoffnungen vereitelt zu sehen und sich selber in der Qual auf ewig! O mögen wir vor solch schmachvollem Untergang bewahrt werden!

19. So werden sie erkennen, dass Du mit deinem Namen heißest HERR allein und der Höchste in aller Welt. Wir lesen in 2. Chr. 20,29, die Furcht Gottes sei über alle Königreiche in den Landen gekommen, da sie gehört hätten, dass der HERR wider die Feinde Israels gestritten habe. Wieviel mehr mussten diese, die selber die schwere Hand Gottes an sich gefühlt hatten, durch die überwältigenden Machttaten genötigt sein, die Größe Jehovas anzuerkennen! Jehova allein ist der Höchste. Er, der allein das Sein in sich hat, ist unendlich erhaben über alle Kreatur; die Erde ist nur seiner Füße Schemel. Das Gott vergessende Menschengeschlecht missachtet dies, und doch zwingen die Wundertaten des Herrn zuzeiten auch die Widerstrebendsten, seine Majestät anzubeten.
So ist der Sänger in diesem ergreifenden Erguss seiner Seele von den Worten der Klage zu Tönen der Anbetung aufgestiegen; lasst uns stets diesem Vorbild nacheifern! Die Not des Vaterlandes rief den Dichter auf zum heiligen Kriegsdienst mit der Leier, und er folgte diesem Ruf von ganzer Seele, indem er dem Kummer, den Bitten und den Hoffnungen seines Volks in solch trefflicher Weise vor Gott Ausdruck gab. Die heilige Literatur hat der Not und Trübsal in der Tat viel zu verdanken. Ja, welch reiche Gaben hat die Menschheit durch die Hand des Unglücks, die doch stets nur zu nehmen scheint, empfangen!

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Da es heißt, dass Josaphat mit seinen Leviten Psalmen singend den Völkerschaften entgegengegangen sei, so dürfen wir annehmen, dass es eben dieser unser Psalm war, der damals gesungen worden ist. Prof. A. Tholuck 1843.

V. 2. Gott, schweige doch nicht usw. Wir finden in der Schrift drei Gründe, warum der HERR schweigt, wenn die Seinen in Gefahr sind, und still ist, wenn sein Eingreifen am nötigsten scheint. Der HERR tut das erstens, um den Glauben der Seinen zu prüfen, vergl. Mt. 8,24-26 und die Parallelen. Zweitens schweigt der HERR, um des Menschen Aufrichtigkeit zu prüfen und zu sehen, wer an Gott festhalte. Und ein dritter Grund ist der, dass Gott durch sein Zuwarten die Gottlosen in ein Bündlein sammeln will, damit sie miteinander vernichtet werden. Gualter Cradock 1650.

Schweigt Gott, so schweige du nicht, sondern schreie so lange, bis er zu schweigen aufhört. Christoph Starcke † 1744.

An sich wirkt Gott immer, seine Arbeit kann nicht ruhen. Aber Gott verbirgt oft sein hilfreiches Wirken vor unseren Augen, braucht Mittel und Wege, die wir nicht verstehen, lässt der Feinde Macht oft hoch steigen, um desto mehr Ehre an ihnen einzulegen. Da dünkt es uns dann, er schweige und halte inne. Aber eben dies Schweigen soll uns desto mehr zum Reden und Schreien bringen, dass den ganzen Tag und die ganze Nacht kein Schweigen sei, sondern ein Anmahnen beim HERRN, dass er retten möge seine Auserwählten, damit nicht nur die Hilfe geschafft, sondern auch die geschaffte Hilfe als eine Erhörung des Gebets angenommen und erkannt werde. Karl Heinrich Rieger † 1791.

V. 4. Dein Volk. Soll ein Volk, zu dem gesagt ist: "Wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an," auch wenn alle Welt dagegen anläuft, nicht alle seine Sorge auf seinen Gott werfen? Ja, wer gegen das Volk das Haupt erhebt, erhebt es gegen den Bundesgott! (V. 6.) Prof. A. Tholuck 1843.

Deine Verborgenen oder Geborgenen. Wir verbergen oft etwas, um es zu bewahren. Man vergleiche, wie der Mann im Gleichnis den im Acker gefundenen Schatz verbarg, um ihn sich zu sichern. So barg Gott den Noah in der Arche. Und bei dem Hereinbrechen der Gerichte spricht er: "Gehe hin, mein Volk, in deine Kammer und schließ die Tür nach dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe" (Jes. 26,20). Daher die Verheißung: "Du verbirgst sie heimlich bei dir vor jedermanns Trotz usw." (Ps. 31,21), und die Zuversicht Davids (Ps. 27,5): "Er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er verbirgt mich heimlich in seinem Gezelt." Der Erlöser konnte sagen: "Mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt" (Jes. 49,2) und: "Alle seine Heiligen sind in deiner Hand" (5. Mose 33,3). Sie werden aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt zur Seligkeit (1. Petr. 1,5). Denn er selbst ist ihre Zuflucht, ihr Bergungsort. Sie sind seine Verborgenen und Geborgenen. Dies ist die eigentliche Bedeutung. Doch vergleiche man ferner 1) Kol. 3,3; Spr. 14,10; Off. 2,17; 2) 1. Kor. 1,26-28; 2. Kor. 6,4-10; 3) Joh. 19,38; 3,1 f. William Jay † 1853.

Wider deine Verborgenen heißt es; schöner und tröstlicher Name, zu den Verborgenen Gottes zu gehören, die er in Schutz genommen, in Schatz gelegt hat! Dieser Name mahnt eben auch zugleich an, dass man sich nicht auch ins Großtun und Toben nach der Welt Art einlassen soll, sondern sich mit seinem verborgenen Schutz und Hinterhalt gern verachten und von der großtuischen Welt für tot ansehen lasse. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Je weniger die Welt dich kennt, je besser ist es für dich, und kann dir ja an dem einigen genügen: "Gott kennt die Seinen." Unverloren, obschon verborgen, ist eines Christen Symbolum. Johann David Frisch 1719.

Fr. Chr. Oetinger übersetzt: Und beratschlagen sich wider die Deinen, die sich verstecken müssen. - James Millard

V. 5. Dass des Namens Israel nicht mehr gedacht werde. Dieser ruchlose Anschlag ward zu nichts; vielmehr bestehen die verschiedenen hernach genannten Völker, die sich wider Israel verschworen hatten, nicht mehr, und der Name mancher von ihnen hat nicht viele Jahrhunderte erlebt, während die Juden noch heute ein Volk sind und erhalten werden, um in der Zukunft noch eine hochwichtige Rolle zu spielen. So meinten auch die Verfolger der christlichen Kirche, sie könnten den Christennamen aus der Welt ausrotten; aber all ihre Wut schäumte vergeblich. John Gill † 1771.

V. 6. Denn sie haben sich beraten von Herzen zusammen. (Wörtl.) Vergl. Off. 17,13. Fas est et ab hoste doceri: Recht ist’s, auch vom Feind zu lernen. (Ovid.) Wenn Herodes und Pilatus miteinander Freunde werden, so dass sie sich vereinigen, um Jesus ans Kreuz zu bringen, werden dann nicht auch Paulus und Barnabas, Paulus und Petrus sich als Freunde vereinigen, um Christus zu verkündigen? Matthew Henry † 1714.

Wiewohl zwischen den Gottlosen persönliche Händel vorfallen mögen, werden sie doch stets in dem Hass und der Feindschaft gegen die Heiligen Gottes übereinstimmen und sich zur Verfolgung der Gläubigen zusammenfinden. Zwei Jagdhunde mögen einander wegen eines Knochens anknurren; aber lass einen Hasen zwischen ihnen aufspringen: ob sie nicht den Knochen fahren lassen und dem Hasen nachsehen! Thomas Watson 1660.

Und einen Bund wider dich gemacht: nicht zwar unmittelbar; denn sie hatten sich selbst noch nicht so gar verloren, dass sie den Himmel begehrten mit jenen Zyklopen zu stürmen. Sondern mittelbar in seinen Kindern und Dienern; wider sein Volk und seine Kirche gingen sie los. Johann David Frisch 1719.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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