Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps92

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15. Und wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen (oder kräftig sprossen, Frucht tragen). Das natürliche Leben mag abnehmen, aber das Gnadenleben wird in frischem Triebe stehen. Im Naturleben gehört das Fruchttragen der Zeit der Vollkraft an; in dem Garten der Gnade werden die Pflanzen gerade dann, wenn sie in sich schwach sind, stark in dem HERRN und werden erfüllt mit Früchten, die Gott angenehm sind. Wohl denen, die diesen Sabbatpsalm singen können mit der seligen Ruhe des Gemütes, die uns in jedem Vers dieses Liedes so erquickend anweht. Solche Leute kann keine Furcht wegen der Zukunft bedrücken; denn die trüben Tage des Alters, in denen auch dem starken Manne die Kraft versagt, werden ihnen durch die freundliche Verheißung erhellt, so dass sie ihnen ruhig entgegensehen können. Betagte Gotteskinder haben eine gereifte Erfahrung und dienen vielen zur Stärkung und Erquickung durch die Milde ihres Wesens und ihre köstlichen Zeugnisse. Selbst wenn sie an ihr Lager gefesselt sind, bringen sie die Frucht der Geduld; sind sie arm und niedrig, so wird ihr demütiger und zufriedener Sinn ein Gegenstand der Bewunderung für alle diejenigen, die anspruchslose Würde zu schätzen wissen. Die Gnade lässt den Gläubigen nicht im Stich, wenn die Hüter im Hause zittern. Die Verheißung bleibt auch dann gewiss, wenn die Augen sie nicht mehr lesen können. Vom Brot des Lebens kann man sich nähren, auch wenn die Müller müßig stehen. Und die Stimme des Geistes erklingt auch dann noch melodisch in der Seele, wenn gedämpft sind alle Töchter des Gesanges. (Pred. 12,3 f.) Gepriesen sei der HERR, dass er auch für die Greise der ewig treue Jehovah ist, der sein Volk gemacht hat und darum die Seinen auch bis ins Alter hebt und trägt.
Fruchtbar (wörtl.: saftvoll) und frisch werden sie sein. Sie schleppen sich nicht mühsam und elend zu Tode, sondern sind wie Bäume, die im vollen Saft stehen und darum in üppigem Schmuck prangen. Gott zwickt und zwackt seine Knechte nicht, wenn ihre Gebrechen zunehmen, noch lässt er sie ohne Brot und ohne Trost, wenn sie alt werden, sondern er sorgt vielmehr dafür, dass ihre Kraft sich erneuert, indem er ihr Alter mit Gutem sättigt von seiner eigenen königlichen Tafel. Solch ein Greis wie der alte Paulus (Philemon V. 9) fordert wahrlich nicht unser Mitleid heraus, sondern treibt uns zu tiefem Mitgefühl des Dankes; denn wenn auch sein äußerlicher Mensch verdirbt, so wird doch sein innerlicher Mensch von Tage zu Tage so erneuert (2. Kor. 4,16), dass wir ihn um seinen immerwährenden Frieden wohl beneiden können.

16. Die den Alten erwiesene freundliche Barmherzigkeit Gottes ist ein Beweis seiner Treue und führt sie dazu, dass sie verkündigen, dass der HERR so fromm ist, indem sie von seiner unermüdlichen Güte freudig zeugen. Wir dienen nicht einem Meister, der sich feig von seinem Versprechen zurückzieht. Wer uns sonst auch enttäusche, Er wird uns nie Anlass geben, an seiner Redlichkeit irre zu werden. Jeder greise Christ ist ein Empfehlungsbrief der unwandelbaren Treue Jehovahs. Mein Hort, und ist kein Unrecht an ihm. Hier drückt der Psalmist sein eigenes Siegel dem, was er vom HERRN geschrieben hat, bei. Er baut fort und fort auf seinen Gott, und der HERR bleibt ihm ein fester Grund für sein Vertrauen. Gott ist unser Hort oder Fels als Stätte der Zuflucht, als Obdach, als sichere Feste und als fester Grund für unsere Füße. Bis zu dieser Stunde ist er für uns alle das gewesen, was er zu sein versprochen hat, und wir dürfen des unerschütterlich gewiss sein, dass er derselbe bleiben wird bis zum Ende. Er hat uns in manche Proben geführt, aber er hat uns niemals versuchen lassen über unser Vermögen; er mag die Auszahlung unseres Lohnes hinausgeschoben haben, aber er ist nicht ungerecht, dass er vergesse unseres Werks des Glaubens und unserer Arbeit der Liebe. Er ist ein Freund ohne Tadel und ein Helfer, in Nöten kräftig erfunden. Was er auch immer mit uns anfangen mag, er bleibt stets im Recht; seine Anordnungen sind samt und sonders irrtumslos. Er ist durch und durch treu und gerecht. So schlingen wir denn das Ende des Psalms mit dem Anfang zusammen und machen daraus einen Ehrenkranz für das Haupt unseres himmlischen Freundes. Das ist ein köstlich Ding, dem HERRN danken, denn er ist mein Hort, und ist kein Unrecht an ihm.

Erläuterungen und Kernworte

Ein Psalmlied auf den Sabbattag. Jeder Tag der Woche hatte nach dem Talmud (wenigstens in der Zeit des zweiten Tempels) seinen ihm zugewiesenen Psalm. Am 1. Tage der Woche sangen die Leviten den 24. Psalm, am 2. den 48., am 3. den 82., am 4. den 94., am 5. den 81., am 6. den 93. und am 7. den 92. Die Überschrift dieses Psalms: "auf den Sabbattag" weist wohl auch hinaus auf das zukünftige Zeitalter, welches ein völliger Sabbat sein wird. Martin Geier † 1681.

Es ist bemerkenswert, dass der Name Jehovah in diesem Psalm siebenmal, also in der Sabbatzahl, vorkommt (V. 2.5.6.9.10.14.16). Dr. Chr. Wordsworth 1868.

V. 2. Das ist ein köstlich Ding usw. Danken ist an sich edler und vollkommener als bitten, denn beim Bitten haben wir oft unser Wohlergehen im Auge, beim Danken aber nur Gottes Ehre. Der Herr Jesus hat gesagt, geben sei seliger als nehmen. Nun ist aber, wenigstens bei vielen Bitten, der Zweck der, irgendein Gut von Gott zu empfangen, wohingegen der ausschließliche Zweck des Dankens der ist, Gott Ehre zu geben. William Ames † 1633.

Danken, lobsingen. Wir danken Gott für seine Wohltaten und lobsingen ihm wegen seiner Vollkommenheiten. Filliucius, angeführt von Thomas von Aquino.

Lobsingen. 1) Gesang ist die Musik der Natur. Die Schrift spricht davon, dass die Berge mit Jauchzen frohlocken (Jes. 44,23), dass die Anger und Talgründe einander zujauchzen und singen (Ps. 65,14 Grundt), dass die Bäume im Walde jauchzen (1. Chr. 16,33); und die Luft ist der Vögel Liedersaal, wo sie ihre klangreichen Weisen ertönen lassen.
2) Gesang ist die Musik, die sich zu den göttlichen Gnadenmitteln schickt. Augustinus berichtet, er habe, als er nach Mailand gekommen sei und das Volk habe singen hören, vor Freuden über die lieblichen Weisen geweint, die er in der Kirche gehört. Und Beza, er habe, als er zum ersten Mal in die evangelische Predigt gekommen sei und den 91. Psalm habe singen hören, sich überaus erquickt gefühlt und die erhebenden Klänge tief in seinem Herzen bewahrt. Nach den Rabbinen haben die Juden bei den Festen stets den 113. und die fünf folgenden Psalmen gesungen, wie denn auch der Herr Jesus mit seinen Aposteln nach dem heiligen Abendmahl den Lobgesang anstimmte. (Mt. 26,30.)
3) Gesang ist die Musik der Heiligen. Diesen Gottesdienst haben sie geübt in der großen Gemeinde (Ps. 149,1; 22,26) und alleine (Ps. 119,54), in den größten Nöten (Ps. 89,2) wie nach den herrlichsten Errettungen (Ps. 18). Der Psalter ist voller Beispiele davon, dass die Gottesmänner unter all den wechselnden Verhältnissen das Lobsingen als ihre Pflicht und ihre Freude geachtet und geübt haben. Und ist nicht in der Tat jede der göttlichen Eigenschaften dazu geeignet, Lied und Lob zu wecken?
4) Gesang ist die Musik der Engel. Im Buche Hiob (38,7) sagt der HERR, es hätten bei der Schöpfung die Gottessöhne alle im Chor mit den Morgensternen gejauchzt. Und als der himmlische Bote hernieder gesandt wurde, die Geburt unseres teuren Heilandes zu verkündigen, da begleitete die ganze Menge der himmlischen Heerscharen die Freudenkunde mit einem herrlichen Lobgesang (Lk. 2,13.) Ja, auch im Himmel klingt der Engel frohe Musica; dort singen sie das Hallelujah dem Allerhöchsten und dem Lamme. (Off. 5,11-13.)
5) Gesang ist die Musik des Himmels. Die verklärten Heiligen und die herrlichen Engel stimmen dort in ihrer Glückseligkeit miteinander den harmonischen Lobgesang an. John Wells † 1676.

V. 3. Des Morgens. Nach der Ruhe der Nacht ist unser Geist lebhafter, gesammelter und empfänglicher als sonst. Zu andern Tageszeiten stört uns der Lärm des geschäftigen Treibens, an uns selber kommen so vielerlei Anforderungen, und wir werden von Mattigkeit niedergedrückt. Man vergleiche Ps. 5,4; 59,17; 63,2; 88,14; 119,147 f., wo dieselbe Tageszeit als die für heilige Betrachtungen geeignetste gerühmt wird. Freilich soll das Lob Gottes nicht ausschließlich in der Frühe erklingen. Martin Geier † 1681.

Die Brahmanen erheben sich drei Stunden vor Sonnenaufgang zum Gebet von ihrem Lager. Die Hindus würden es für eine große Sünde achten, morgens etwas zu genießen, ehe sie zu ihren Göttern gebetet haben. Die alten Römer hielten es für gottlos, im Hause keinen besondern Ort fürs Gebet zu haben. Wir könnten wohl etwas von Türken und Heiden lernen. Sollten wir, die wir das wahre Licht haben, uns von ihnen an Eifer übertreffen lassen? Fr. Arndt 1861.

Die Gnade wird hier absichtlich mit dem Morgen-Anbruch verbunden, denn sie ist selber Morgenlicht, welches allmorgendlich (Klgl. 3,23) die Nacht durchbricht (Psalm 30,6; 59,17), und die Treue mit den Nächten, denn in den Gefährden der Nachteinsamkeit ist sie die beste Gefährtin, und Leidensnächte sind die beste Folie ihrer Bewährung. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Gott ist das A und das O. Es geziemt uns, dass wir den Tag mit dem Lobe dessen anfangen und schließen, der für uns den Tag mit Gnade beginnen und enden lässt. Du siehst deine Pflicht dir also klar vorgeschrieben. Willst du, dass Gott dein Tagewerk fördere und dir die Nachtruhe versüße, so umschließe beide mit deiner Morgen- und Abendandacht. Wer nicht darauf achtet, Gott seinen Anteil am Tage des Morgens abzusondern, raubt nicht nur Gott, was ihm gebührt, sondern beraubt sich selbst für den ganzen Tag des Segens, welchen treues Gebet seinen Unternehmungen hätte vom Himmel herabbringen können. Und wer des Abends seine Augen schließt, ohne zu beten, legt sich zur Ruhe, ehe sein Bett gemacht ist. William Gurnall † 1679.

V. 4. In einem Briefe des Augustinus an seinen geistlichen Vater Ambrosius kommt folgende Stelle vor: "Zuzeiten möchte ich in einem Übermaß von Eifersucht, aus Furcht, dass das Ohr uns verführe, die lieblichen Weisen, die wir zu den Psalmen brauchen, ganz für mich wie für die Gemeinde beseitigen. Und das Vorgehen des Athanasius (des Bischofs von Alexandrien), der den Vorleser mit so geringem Wechsel des Tonfalls singen ließ, dass es mehr ein Sprechen als ein Singen war, mag wohl das sicherste sein. Und doch, wenn ich mich der Tränen erinnere, die ich vergoss, als ich in der Kindheit meines wieder erwachten Glaubens deine Gemeinde ihre Lieder singen hörte, und bedenke, wie tief ich damals innerlich bewegt wurde, nicht durch die Musik allein, sondern durch den Inhalt der Gesänge, der einem durch die klaren Stimmen und die angemessenen Singweisen so trefflich zu Gemüt gebracht wurde, dann muss ich wiederum eingestehen, dass die Sitte überaus nützlich ist." Augustinus † 430.

Wir haben nicht zu denken, dass Gott sich an Harfe und Zither ergötze, als ob er wie wir eine Freude an dem bloßen Klang der Töne hätte; aber die Juden waren, weil sie sich noch im Stande der Unmündigkeit befanden, auf den Gebrauch solcher kindischen Dinge gewiesen. Der Zweck der gottesdienstlichen Musik war der, die am Gottesdienst Teilnehmenden anzuregen, dass sie mit ihrem Herzen Gott eifriger priesen. Wir sollen des eingedenk ein, dass bei den echten Israeliten nie die Meinung herrschte, als bestehe die Anbetung Gottes ans solchen äußerlichen Dingen, die vielmehr nur ein Notbehelf waren, um einem noch schwachen und unwissenden Volke in der geistlichen Anbetung Gottes zu helfen. Es ist in dieser Beziehung der Unterschied zu beachten zwischen dem Volke Gottes im Alten und im Neuen Bunde. Jetzt, nachdem Christus erschienen und die Gemeinde zum mündigen Alter fortgeschritten ist, hieße es das Licht des Evangeliums verdunkeln, wenn wir die schattenhaften Dinge der früheren Haushaltung wieder einführen wollten. Es dünkt uns darum, dass die Papisten, indem sie die Instrumentalmusik im Gottesdienst verwenden, die Sitte des alten Gottesvolkes nicht sowohl nachahmen als vielmehr in sinnloser und verwerflicher Weise nachäffen, da sie eine kindische Freude an jenem alttestamentlichen Gottesdienst zeigen, der doch sinnbildlich war und mit dem Evangelium sein Ende fand. Jean Calvin † 1564.

Chrysostomus († 407) sagt: Die Instrumentalmusik wurde, gerade wie das Opfer, den Juden gestattet wegen der Schwerfälligkeit und Roheit ihres Herzens. Gott lässt sich zu ihrer Schwachheit herab, weil sie erst kürzlich waren vom Götzendienst losgelöst worden. Jetzt aber sollen wir statt der toten Werkzeuge unsre eigenen Leiber zum Lobe Gottes verwenden. Theodoret († um 457) macht in seiner Erklärung der Psalmen und anderwärts viele ähnliche Bemerkungen. Noch bestimmter spricht sich Justin der Märtyrer († 165) aus, indem er geradezu erklärt, dass das Singen mit Instrumentalbegleitung in den christlichen Gemeinden nicht üblich sei, wie einst bei den Juden in ihrem Kindheitsstand, sondern nur der einfache Gesang. Joseph Bingham † 1723.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 5. Dein Werk. (Grundtext) Dasjenige Werk Gottes, welches der Dichter hier im Sinn hat, nämlich die völlige, endgültige Erlösung des Volkes Gottes, ist um nichts weniger wunderbar als das Werk der Schöpfung, welches der ursprüngliche Grund für die Heiligung des Sabbattages (V. 1) war. A. R. Fausset 1866.

Über die Schöpfungsoffenbarung und überhaupt die Offenbarung Gottes sich freuen zu können ist eine Gabe von oben, welche empfangen zu haben der Dichter dankbar bekennt. Prof. Franz Delitsch † 1890.

Wie herrlich singt Milton von dem Morgengebet unserer ersten Eltern im Paradies, mit welchem sie Gott und sein Werk priesen:
Sobald sie aber
Zum offnen Tagesanblick aus dem Schatten
Der Bäume traten und den Sonnenball,
Den kaum erstandnen, an dem Rande schwebend
Des Ozeans erblickten, wie im Lauf
Er tauige Strahlen sandte, rings den Osten
Des Paradieses und die sel’gen Fluren
Von Eden hold verklärend, beugten sie
Demütig sich und sprachen ihr Gebet,
Das morgens in verschiedner Form sie hielten;
Denn nie entbehrten sie der Form des Ausdrucks
Noch der Begeist’rung zu des Schöpfers Lob,
Das sie gebührend sprachen oder sangen
Und ohne lang zu sinnen; denn es floss
Beredsamkeit von ihrem Lippenpaar,
Frei oder rhythmisch, so voll Melodie,
Dass sie nicht Harf’ und Flöten erst bedurften,
Um Süßigkeit dem Sange zu verleihn.
Und so begannen sie: "Allmächtiger!
All dies sind Deine Wunderwerke, Vater
Des Guten Du! Der ganze Weltendom
Ist Dein in seiner wunderbaren Schönheit!
Wie wunderbar musst Du erst selber sein!
Du Unaussprechlicher, der in den Himmeln
Für uns unsichtbar thront und dunkel nur
In seinen kleinsten Werken angeschaut,
Die all die Güt’ und Göttermacht verkünden."
John Milton † 1674, Verl. Paradies, 5. Gesang, nach Ad. Böttger.

V. 6. Deine Gedanken sind so sehr tief. Die Tiefe der Gedanken Gottes, im Parallelismus mit der Größe seiner Werke, bezeichnet nicht etwa die Schwerverständlichkeit derselben - diese ist nur eine auf den Grund hinweisende Folge derselben, die als solche in V. 7. erwähnt wird - sondern die Herrlichkeit und den unerschöpflichen Reichtum derselben. Vergl. Hiob 11,8; Jes. 55,9; Röm. 11,33. Diese Tiefe zeigt sich besonders darin, dass das scheinbare Ende der Gedanken Gottes so oft sich als der wahre Anfang ihrer Realisierung kundgibt. Wenn alles vorbei zu sein, die Bosheit völlig zu triumphieren scheint, so bricht plötzlich das Heil der Gerechten und das Verderben der Bösen hervor. Prof. E. W. Hengstenberg 1845

Wahrlich, meine Brüder, es gibt kein Meer, so tief wie diese Gedanken Gottes, der die Gottlosen grünen und blühen und die Frommen leiden lässt; nichts ist so tief, nichts so unergründlich - in diesen Untiefen, in diesen Abgründen muss jede ungläubige Seele Schiffbruch leiden. Willst du über diese Tiefe fahren? Halte dich am Kreuzholz fest, dann wirst du nicht versinken. Augustinus † 430.

V. 7. Vergl. Ps. 73,22. Wären Gottes Gedanken weniger tief und herrlich, zählte er dem Bösen bei jedem einzelnen Vergehen sogleich seine Strafe zu und ließe dem Gerechten stets sofort Heil widerfahren, nach dem Kanon, den Hiobs Freunde in ihrer Beschränktheit aufstellen, so würde seine Weltregierung auch dem verfinsterten Auge der Gottlosigkeit erkennbar sein. Ihre Tiefe aber macht sie zu einem Geheimnis, dessen Verständnis sich gar oft, in den Zeiten der Anfechtung, auch der Frömmigkeit entzieht, wie das Beispiel Hiobs und des Verfassers von Psalm 73 zeigt, und an dem sie stets zu lernen hat. Wer zu einem tieferen Einblicke in dies Geheimnis gelangt ist, erkannt hat, wie Gottes Verhalten gegen die Seinen immer nur Gnade ist, wenn auch oft in der allertiefsten Verhüllung, sein Verhalten gegen die Bösen immer nur Zorn, wenn sie auch noch so sehr grünen und blühen, der kann nur ausrufen: O welch eine Tiefe des Reichtums usw. (Röm. 11,33), dem erscheinen diese Werke Gottes noch größer und herrlicher als die der Schöpfung. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

Der Tiermensch, das wäre etwa die genaue Übersetzung des Hebräischen; einer, den Gott mit der Menschenwürde begabt, der sich selbst aber zum Tierwesen erniedrigt hat, ein Mensch, insofern er in Gottes Bild erschaffen worden, aber ein Tier, weil er sich selbst zum Bilde der niederen Tiere verunstaltet oder umgeformt hat. Henry Cowles 1872.

Wie allgemein sind die Menschen bestrebt, durch die Genüsse der Sinnlichkeit und der Leidenschaften die Feinfühligkeit, welche Gott ihnen gegeben hat, zu vernichten! Das menschliche Gemüt, welches eine Welt voller Herrlichkeit in den erschaffenen Dingen erblicken und durch sie, als durch einen dünnen Schleier, in unendlich herrlichere Dinge, die in der Hülle angedeutet oder enthalten sind, hineinschauen könnte, ist stumpf und schwerfällig wie ein Stück Steinkohle. Wie ist das gekommen? Ach, das haben Sinnlichkeit und Sündendienst angerichtet. Wäre die Seele von Jugend auf für Gott erzogen worden, in Sitten, die der geistlichen Natur entsprechen, so wäre sie voll Leben, Liebe und Gefühl, im Einklang mit allem, was in der natürlichen Welt lieblich ist; sie würde durch die sichtbare Welt hindurch die geistige erblicken, sie wäre allen Anregungen natürlicher und geistiger Schönheit zugänglich und zum Erfüllen der Pflichten so bereit, wie das Kind zum Spiel. Welch entsetzliche Zerstörung richtet doch ein sinnliches Leben in den feineren Gefühlen und in der Empfänglichkeit für höhere Dinge an! Was für ein innerer Verfall, was für eine Verwüstung, was für eine Erlahmung der geistigen Kräfte tritt uns bei Hohen und Niederen entgegen, so dass auch selbst das Vorhandensein des Vermögens, die geistige Welt unmittelbar anzuschauen, in Zweifel gezogen, wo nicht geradezu abgeleugnet werden kann. George B. Cheever 1852.

V. 8. Die Gottlosen grünen wie das Gras. Ihr Glück ist das höchste Unglück. Adam Clarke † 1832.

Alles, was nicht aus Gott ist, das kann nicht bestehen, es sei Kunst oder Reichtum oder Ehre oder Gewalt. Es gehet zwar auf und grünet lustig anzusehen, am Ende aber wird ein Distelstrauch daraus und ist Unkraut, das nirgend zu dienet, denn ins Feuer. Johann Arnd † 1621.

V. 9. Und Du bist Höhe in Ewigkeit, HERR. (Wörtl.) Dieser Vers bildet den Höhepunkt des Psalms. Gott ist die konkrete und persönliche Höhe, d. i. er ist heilig, Ps. 22,4, nie, wie die Gottlosigkeit stets wähnt und auch der Fromme in den Zeiten der Anfechtung, Tiefe; vielmehr ist der Schein der Tiefe gerade die höchste Höhe, er ist am stärksten, wo er sich dem kurzsichtigen Auge als schwach darstellt. Wer diesen einen Gedanken, dass Gott ewig Höhe, nur festhalten könnte, würde nimmer verzagen im Kreuz und des Triumphes der Bösen lachen. Diesen Gedanken nicht mehr fassen zu können ist das Wesen der Verzweiflung. Ist Gott uns noch Höhe, so sind wir freudig und getrost, so tief wir auch liegen. - In V. 10-16 folgen die Tatsachen, in denen sich Gott als die ewige Höhe erweist. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

V.10. Alle Übeltäter müssen zerstreut werden oder werden sich zerstreuen. Die Gottlosen mögen sich zusammentun und Bündnisse schließen - die Bande, die sie verknüpfen, sind doch nur schwach. Es ist selten, dass die Bösen lange miteinander übereinstimmen, wenigstens über einen besonderen Gegenstand, den sie verfolgen. In der Hauptsache harmonieren sie freilich, nämlich darin, dass sie Übels tun wollen. Gott aber wird sie bald durch seine Macht und in seinem Zorn verwirren und zerstreuen, dass sie völlig untergehen. Samuel Burder 1839.

V. 11. Frisches, wörtl.: grünes Öl. Meiner Ansicht nach ist damit auf kaltem Wege gewonnenes Öl gemeint, d. h. solches, das aus der Frucht ausgepresst wird, ohne dass man diese vorher kocht. Die Morgenländer ziehen zum Salben dieses Öl jedem andern vor; sie halten es für das kostbarste, reinste und kräftigste. Fast alle medizinischen Öle bereiten sie so, und weil man auf diese Weise nicht so viel Öl gewinnt wie durchs Kochen, so sind die so gewonnenen Öle sehr teuer. Dieselbe Bezeichnung "grün" wird im Orient auch auf andere Sachen angewandt, die ungekocht sind; man spricht von grünem Wasser, grüner Milch, grünem Fleisch usw. Joseph Roberts 1844.

Das beste (grüne, frische) Öl wird gewonnen von den nicht völlig reifen (grünen) Beeren, die behutsam mit einem Rohrstab abgeschlagen werden. (Vergl. Jes. 17,6 Grundtext) Das feinste, weiße Öl, das nicht nur weniger Rauch und helleres Licht gibt, sondern sich auch durch seinen Wohlgeschmack auszeichnet, wird bereitet durch Stoßen solcher nicht völlig reifen Früchte im Mörser (2. Mose 27,20 usw.). Zum goldenen Leuchter, zum Opfer (2. Mose 29,40) und ohne Zweifel auch zum heiligen Salböl (2. Mose 30,24) wurde solches Öl genommen. Bibl. Wörterbuch, H. Zeller 1857.

V. 13. Wie ein Palmbaum. Schaut jene stattlichen Palmen, die hier und da auf der Ebene zerstreut stehen wie Wachtposten und sich mit den Federbüschen, die sie auf dem stolzen Haupte tragen, gar anmutig verneigen. Der Stamm, so hoch und schlank und kerzengerade, bietet den arabischen Dichtern gar manches Sinnbild für ihre Liebeslieder, und lang vor ihnen hat Salomo schon gesungen: Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmbaum. (Hohelied 7,7 f.) Und Salomos Vater sagt: Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum. (Ps. 92,13) Der königliche Dichter hat mehr als ein Bild von den Gewohnheiten und der Behandlungsart dieses edlen Baumes entnommen, um damit sein heiliges Lied zu zieren. Der Palmbaum wächst langsam aber stetig, Jahrzehnt um Jahrzehnt, unberührt von dem Wechsel der Jahreszeiten, der auf andere Bäume solchen Einfluss übt. Er freut sich nicht übermäßig über den reichlichen Regen des Winters und lässt den Lebensmut nicht sinken unter der brennenden Sonnenglut und Dürre des Sommers. Weder schwere Lasten, die Menschen ihm aufs Haupt legen, noch das ungestüme Andrängen des Windes können ihn von seiner aufrechten Haltung abbringen. Da steht er und schaut ruhig auf die Welt unter ihm und bringt in Geduld seine kostbare Frucht in großen Trauben ein Menschenalter nach dem andern. "Noch im Alter tragen sie Frucht" (V. 15).
Die Anspielung "gepflanzt im Hause des HERRN" ist wahrscheinlich von der Sitte entlehnt, schöne langlebige Bäume in den Höfen der Tempel und Paläste wie auf allen zum Gottesdienst benutzten "Höhen" zu pflanzen. Noch jetzt hat jeder Palast, jede Moschee und jedes Kloster im Lande solche Bäume in den Höfen, die, weil sie dort wohl beschützt sind, trefflich gedeihen. - Salomo bedeckte die ganzen Wände des Allerheiligsten ringsum mit Schnitzwerk von Palmbäumen (sowie Cherubim und Blumengehängen). 1. Könige 6,29 ff. So waren also Palmbäume gleichsam gepflanzt im Hause des HERRN drinnen. Dieser Schmuck war von hoher sinnbildlicher Bedeutung. Denn der Palmbaum ist ein treffliches Bild nicht nur von der ausdauernden Geduld im Vollbringen des Guten, sondern auch von dem Lohn des Gerechten, einem kraftvollen und fruchtbaren Alter und herrlicher Unsterblichkeit. W. M. Thomson 1859.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 13. Der bekannt Naturforscher v. Linné hat die Palmen die Fürsten des Pflanzenreiches genannt, und von Martius, ebenfalls ein berühmter Botaniker, sagt begeistert von ihnen: "Die Atmosphäre der gewöhnlichen Welt sagt diesen vegetabilischen Monarchen nicht zu; aber in jenen bevorzugten Erdstrichen, wo die Natur gleichsam ihr Hoflager aufgeschlagen hat und von Blumen, Früchten und Bäumen und belebten Wesen eine glänzende Versammlung von Schönheiten um sich schart, da ragen sie in die balsamische Luft, ihre gewaltigen Stämme höher und stolzer als alles umher erhebend. Viele von ihnen sehen in einiger Entfernung wegen ihrer langen senkrechten Schäfte aus wie Säulen, von dem göttlichen Baumeister aufgerichtet, das breite Himmelsgewölbe tragend und gekrönt mit einem Kapitäl prachtvollen grünen Laubschmuckes." Auch Alex. von Humboldt spricht von ihnen als den erhabensten und stattlichsten aller pflanzlichen Gebilde. Unter allen Bäumen ist ihnen stets der Schönheitspreis zuerkannt worden.
An der nördlichen Grenze der Wüste Sahara, am Fuße des Atlasgebirges, bilden die Haine von Dattelpalmen den Grundzug der sonst dürren Gegend. Nur wenige Bäume außer ihnen können dort ihr Dasein fristen. Die übermäßige Trockenheit dieses unfruchtbaren Landstrichs, in dem ganz selten ein Regen fällt, ist so groß, dass kein Weizen wächst und sogar Gerste, Mais und Negerkorn dem Landmann nur eine ganz spärliche und zudem unsichere Ernte bieten. Die heißen aus dem Süden kommenden Luftströmungen sind selbst für die Eingeborenen fast unerträglich, und doch gedeihen hier ganze Wälder von Dattelpalmen und bilden ein für die Sonnenstrahlen undurchdringliches Schutzdach, unter dessen Schatten Zitronen-, Orangen- und Granatapfelbäume gepflegt werden und der Weinstock sich mit Hilfe seiner Ranken hinaufschlingt. Und obgleich diese Früchte im beständigen Schatten wachsen, bekommen sie doch einen würzigeren Geschmack als in anderem scheinbar günstigerem Klima. Welche schöne Auslegung bieten diese Tatsachen zu den Worten der Heiligen Schrift: Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum. Gleich diesem wird der Christ von dem sengenden Glutwind der Versuchung und Verfolgung nicht tödlich getroffen, sondern, sich nährend von den verborgenen Quellen der göttlichen Gnade, lebt und gedeiht er, gleich seinem göttlichen Meister, wo alle andern erliegen und ihre bloß äußerliche Religiosität verwelkt. Wie treffend ist der Gegensatz in dem Psalm dargestellt! Die Gottlosen und weltlich Gesinnten werden dem Gras verglichen, das im besten Falle nur von kurzer Lebensdauer ist und so leicht dürr wird; das Sinnbild des Christen ist der Palmbaum, der Jahrhunderte überdauert. Gleich dem angenehmen Schatten der Palmenhaine übt der Christ um sich her fröhlichen, Leben weckenden, geheiligten himmlischen Einfluss. Und gerade wie der große Wert der Dattelpalme in ihrer reichlichen, gesunden und wohlschmeckenden Frucht liegt, so sind auch die wahren Jünger Christi erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit; denn der Heiland hat gesagt: Darin wird mein Vater geehrt, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. (Joh. 15,8.) - Die Palme (engl.), Relig. Traktat-Ges., London.

Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum. 1) Der Palmbaum wächst in der Wüste. Die Erde ist dem Christen eine Wüste; aber wahre Gläubige werden stets im Erdenleben erquickt und neu gestärkt wie die Palme in der arabischen Wüste. So Lot inmitten der Gottlosigkeit Sodoms und Henoch, der mitten unter dem vorsintflutlichen Geschlecht mit Gott wandelte.
2) Der Palmbaum wächst im Sand, aber der Sand ist nicht seine Nahrung; Wasser aus der Tiefe nährt seine Hauptwurzel, ob auch der Himmel über ihm ehern ist. Manche Christen wachsen nicht wie die Lilien (Hos. 14,6) auf grünen Auen oder wie die Weiden an den Wasserbächen (Jes. 44,4), sondern wie der Palmbaum in der Wüste. So Joseph unter den Katzenanbetern in Ägypten, Daniel in dem wollüstigen Babylon. Die tief eindringende Wurzel des Glaubens erreicht die Quellen lebendigen Wassers.
3) Der Palmbaum ist gar schön mit seinem hohen grünen Baldachin und dem silberigen Glanz seiner Wedel; so sind auch die Tugenden des Christen nicht wie kriechendes Brombeergesträuch, ihre Palmzweige wachsen aufwärts, sie suchen, was droben ist, da Christus ist (Kol. 3,1). Manche Bäume sind krumm und knorrig, der Christ aber ist eine hochragende Palme als ein Kind des Lichtes. (Phil. 2,15) Die schönen, unverwelklichen Palmzweige sind ein Sinnbild des Sieges; sie wurden am Laubhüttenfest zu den grünen Hütten verflochten, und als die Menge Christum zu seiner Krönung nach Jerusalem geleitete, streuten sie solche Palmzweige auf den Weg (Mt. 21,8). So werden auch die Sieger im Himmel als mit Palmen in den Händen dargestellt (Off. 7,9). An die Blätter der Palme hängt sich kein Staub an, wie beim Lorbeerbaum: der Christ ist in der Welt, aber nicht von der Welt; der Staub der Erdenwüste haftet nicht an ihm. Die Palmzweige fallen im Winter nicht ab und bekommen im Sommer kein Feierkleid: sie sind immergrün. Das Rauschen der Palmbäume ist das Gebet der Wüste.
4) Der Palmbaum ist sehr nützlich. Die Hindus zählen dreihunderterlei Nutzen an ihm. Sein Schatten herbergt, seine Frucht erquickt den müden Wanderer, und von ferne schon winkt er ihm zu, dass bei ihm Wasser zu finden sei. Solcher Art waren Barnabas, der Sohn des Trostes (Apg. 4,36), ferner Lydia, Tabea und andere.
5) Der Palmbaum trägt bis ins Alter Frucht. Die besten Datteln bringt er im Alter von dreißig bis hundert Jahren. Dann kann er wohl dreihundert Pfund Datteln jährlich liefern. So wird auch der Christ mit den zunehmenden Jahren glücklicher und nützlicher. Er kennt dann seine eignen Fehler besser und wird darum milder gegen andere. Er gleicht der Sonne bei ihrem Untergang, wenn sie so groß, schön und mild am Horizonte steht. J. Long 1871.

Ohnehin gewährt jetzt die freie Landschaft einen traurigen Anblick. Der Boden ist tief geborsten und löst sich bei jedem Windhauch in Staub auf; das Grün der Auen ist fast ganz verschwunden. Nur der Palmbaum behält auch in der Dürre und Hitze sein grünendes Laubdach. G. H. von Schubert † 1860.

Wie eine Zeder auf Libanon. Noch steht unter dem Schutz des Maronitenklosters Kannubin in der nördlichen Provinz des Libanon der Zedernhain Djebel el Arz, eine Gruppe von einigen hundert alten Zedern, von denen fünf Exemplare, nach den gezählten Jahresringen über dreitausend Jahre alt, in die salomonische Zeit zurückragen. Calwer Bibellexikon 1885.

Und doch werden diese Zedern von Richardson (1818) als umfangreiche, hohe, herrliche Bäume geschildert, als die malerischsten Erzeugnisse der Pflanzenwelt, die er je gesehen habe. Und nach Pococke tragen auch die alten Zedern noch Samen, wenn auch nicht so viel wie die jüngeren. R. M. MacCheyne † 1843.

Das Leben und das saftige Grün der Zweige ist eine Ehre für die Wurzel, aus der sie leben. Geistliche Frische und Fruchtbarkeit bei einem Gläubigen ist eine Ehre für Jesum Christum, der sein Leben ist. Die Fülle Christi offenbart sich in der Fruchtbarkeit des Christen. Ralph Robinson † 1655.

Selbst Palmen und Zedern neigen, wenn sie alt werden, dazu, einen Teil ihrer Saftigkeit und Fülle zu verlieren; und die Menschen sind im Alter allerlei Gebrechen, äußeren und inneren, unterworfen. Ein noch im hohen Alter in voller Kraft und Frische stehender Mann ist ein seltener Anblick, und ach, dass es nicht noch seltener wäre, jemand im gleichen Lebensalter geistlich frisch und kräftig zu sehen! Hier aber wird das den Gläubigen als besondere Gnade und besonderes Vorrecht verheißen. Gott sei Dank für dies Wort der Gnade, mit welchem er uns gegen alle die Gebrechen und Versuchungen des Alters rüstet. John Owen 1853.

V. 16. Mein Hort, und ist kein Unrecht an ihm. Gott kann ebenso wenig vom Tun dessen, was recht ist, bewegt werden wie ein Fels von seiner Stelle. Joseph Caryl

Homiletische Winke

V. 2. 1) Es ist ein köstlich Ding, Ursache zum Danken zu haben, und jedermann hat solche. 2) Es ist ein köstlich Ding, ein Herz zum Danken zu haben; das ist eine Gabe Gottes. 3) Es ist ein köstlich Ding, dem Dank Ausdruck zu geben. Dadurch können andere zum Danken angeregt werden. George Rogers 1874.
V. 2-4. 1) Wie köstlich es ist, den HERRN zu lobpreisen, V. 2. 2) Wieviel Ursache wir dazu haben, V. 3. 3) Wie erfinderisch die Liebe sich erweist, selbst die unbeseelte Kreatur zum Dienste Gottes anzuwerben.
V. 3. Wir sollen Gott lobpreisen: 1) einsichtsvoll, indem wir seine verschiedenen Eigenschaften verkündigen; 2) zeitgemäß, indem wir jede seiner Eigenschaften zur angemessenen Zeit verkündigen; 3) beständig, jeden Tag und jede Nacht.
V. 4. Wir sollen Gott preisen 1) mit allen Kräften unserer Seele: auf den zehn Saiten - des Gemütes, der Neigungen, des Willens usw.; 2) mit allen Äußerungen unseres Mundes; 3) mit allen Handlungen unseres Lebens.
Wir sollen Gott preisen: 1) wohl vorbereitet - denn Instrumente müssen gestimmt werden; 2) mit Weite der Gedanken: "auf dem Psalter von zehn Saiten"; 3) mit Hingebung unseres ganzen Wesens: "zehn" Saiten; 4) mit Mannigfaltigkeit: "Psalter, Harfe usw."
V. 5. 1) Mein Gemütszustand: fröhlich. 2) Wie ich zu solcher Fröhlichkeit gekommen bin: Du hast mich fröhlich gemacht (wörtl.). 3) Worüber ich fröhlich bin: dein Tun, deine Werke. 4) Was soll ich denn nun tun? Gott preisen.
1) Das edelste Fröhlichsein: durch Gott gewirkt und in Gottes Tun begründet. 2) Das edelste Rühmen: verursacht durch die mannigfaltigen Werke Gottes in der Schöpfung, Vorsehung, Erlösung usw. Das Erstere ist für unser eigen Herz, das Letztere soll dazu dienen, die Seelen um uns her zu überzeugen.
V. 6. Die unersteigbaren Berge und das unergründliche Meer, oder: Gottes Werke und Gedanken (das Geoffenbarte und das Verborgene Gottes) gleichermaßen außerhalb des Bereichs der menschlichen Fassungskraft. Charles A. Davis 1874.
V. 8. Das blühende Gedeihen gottloser Menschen ist oft der Vorbote ihres Untergangs; denn es verleitet sie dazu, Gottes Zorn herauszufordern: 1) durch Verhärtung des Herzens, wie Pharao, 2) durch Hochmut, wie Nebukadnezar, 3) durch übermütigen Hass der Frommen, wie Haman, 4) durch fleischliche Sicherheit, wie der reiche Tor, 5) durch Selbstüberhebung, wie Herodes (Apg. 12).
V. 8-11. Gegensätze. Zwischen den Gottlosen und Gott, V. 8. 9; zwischen Gottes Feinden und seinen Freunden, V. 10. 11. Charles A. Davis 1874.
V. 8.13-15. Die Gottlosen und die Gerechten abgebildet.
V. 11b. Die Salbung des Christen: Erleuchtung, Weihung, Erquickung, Stärkung.
Die zuversichtliche Erwartung frischer Gnade. C. H. Spurgeons Predigten, 5. Band, S. 206. Phil. Bickel, Hamburg 1875.
Frische. Pred. von C. H. Spurgeon. Schwert und Kelle, 2. Jahrg. S. 305. Phil. Bickel, Hamburg 1882.
V. 13. Die Gerechten gedeihen 1) an allen Orten: Die Palme in der Ebene, die Zeder auf dem Libanon; 2) zu allen Zeiten: beide sind immergrün; 3) unter allen Verhältnissen; die Palme in der Dürre, die Zeder in Sturm und Frost. George Rogers 1874.
V. 13-16. Wie (V. 13, vergl. V. 8), wo (V. 14), wann (V. 15) und warum (V. 16) die Gerechten gedeihen. W. Jay † 1853.
V. 14-16. 1) Wiedergeburt: gepflanzt. 2) Wachstum in der Gnade: grünen usw. 3) Nützlichkeit: fruchtbar. 4) Beharren: im Alter noch. 5) Die Ursache von dem allen: zu verkündigen, dass der HERR fromm ist usw.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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PSALM 93 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Dieser kurze Psalm ist ohne Überschrift, sein Inhalt aber ist schon aus der ersten Zeile ersichtlich. Er besingt die allgewaltige Königsherrlichkeit des Höchsten. Jehovah herrscht erhaben über allen Widerstand. Was konnte es für das Volk Gottes wohl Tröstlicheres geben?

Auslegung

1. Der HERR ist König und herrlich geschmückt;
der HERR ist geschmückt und hat ein Reich angefangen,
soweit die Welt ist, und zugerichtet, dass es bleiben soll.
2. Von Anbeginn stehet dein Stuhl fest;
Du bist ewig.
3. HERR, die Wasserströme erheben sich,
die Wasserströme erheben ihr Brausen,
die Wasserströme heben empor die Wellen,
4. die Wasserwogen im Meer sind groß
und brausen mächtig;
der HERR aber ist noch größer in der Höhe.
5. Dein Wort ist eine rechte Lehre.
Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses,
o HERR, ewiglich.


1. Der HERR ist König. Was für Widerstand sich auch erheben mag, Jehovahs Thron bleibt unerschüttert; der HERR hat regiert, regieret und wird regieren immer und ewiglich. Wieviel Unruhe und Aufruhr auch unterhalb der Wolken sein mag, der ewige König thront über allem in erhabener Ruhe, und er bleibt überall Meister, mögen seine Feinde toben, so viel sie wollen. Alles wird nach den ewigen Absichten des Höchsten geordnet, sein Wille geschieht. Dem Grundtext entspricht noch besser die frühere Übersetzung Luthers: Der HERR ist König worden. Es ist, als hätte der HERR für eine Weile anscheinend dem Thron entsagt gehabt, aber jetzt auf einmal seinen königlichen Schmuck wieder angelegt und seinen erhabenen Sitz abermals eingenommen, so dass sein glückliches Volk ihn mit neuer Freude als König ausruft mit dem Jubelklang: Der HERR ist nun König! Was kann einem treuen Untertanen größere Freude gewähren, als wenn er seinen König in seiner Schöne sehen darf? Lasst uns die Freudenkunde "Der HERR ist König" weitertragen, lasst uns sie den Verzagenden ins Ohr flüstern und den Feinden kühn und laut entgegenrufen. Mit Hoheit hat er sich angetan. (Wörtl.) Nicht mit Abzeichen der Majestät (wie Purpur, Krone, Zepter und dergl.), sondern mit Majestät selbst hat er sich geschmückt; alles an ihm und um ihn ist majestätisch. Bei ihm ist die Hoheit nicht Schein und Äußerlichkeit, sondern Wirklichkeit. In der Natur, in der Vorsehung und in dem Heilswerk ist Gott von unbegrenzter Majestät. Glücklich das Volk, in dessen Mitte der HERR in der ganzen Herrlichkeit seiner Gnade erscheint, ihre Feinde besiegend und alles sich unterwerfend; da wird er so recht geschaut als mit Hoheit angetan.
Der HERR hat sich angetan, hat sich mit Stärke gegürtet. (Grundtext) Das Hoheitsgewand ist nicht sein einziger Schmuck, er trägt auch Kraft als seinen Gurt. Wie der Morgenländer seine Lenden gürtet, wenn er hurtig gehen oder arbeiten will, so ist’s auch, wenn der HERR sich zu Taten bereitet, als gürte er sich mit seiner Allmacht. Gerade wie er stets seinem Wesen nach voller Hoheit ist, aber zuzeiten seine Herrlichkeit verhüllt und wiederum zu anderen Zeiten sie enthüllt, so dass er sich dann gleichsam mit seiner Majestät bekleidet und in ihr vor aller Welt zeigt, so ist er ja auch stets der Allgewaltige, verbirgt aber doch sehr oft seine Macht, bis er, als Antwort auf das Flehen seiner Kinder, sich mit Kraft gürtet, den Thron einnimmt und die Seinen verteidigt. Ach dass der HERR in unseren Tagen in seiner Gemeinde in offenbarer Majestät und Macht erscheine, Sünder rettend, Irrtümer niederschlagend und seinen heiligen Namen zu Ehren bringend! O dass wir sähen einen Tag des Menschensohnes (Lk. 17,22), den Tag, an welchem der König Immanuel, der Allmächtige (Off. 1,8), auf seinem herrlichen hohen Thron stehen wird, mit Furcht verehrt von allen und wunderbar sich erweisend an seinen Gläubigen. Es sollte unser stetes Flehen sein, dass sich doch in unseren Zeiten die Herrschaft des HERRN offenbaren und sich seine Macht in der Gemeinde und zu ihren Gunsten erweisen möge. "Dein Reich komme", das sei unsere tägliche Bitte, und dass der Herr Jesus tatsächlich herrscht, unser täglicher Lobpreis.
So steht denn der Erdkreis fest und wird nicht wanken. (Grundtext) Weil Jehovah seine Herrschergewalt offenbart, und solange er das tut, stehen die irdischen Dinge fest. Wir könnten über gar nichts sicher sein, wenn wir nicht sicher wären, dass der Höchste das Regiment in den Händen hat. Wenn er seine offenbare Gegenwart von der Menschheit zurückzieht, gerät alles aus Rand und Band. Dann rasen die Lästerer, toben die Verfolger, werden die Ruchlosen frech und werfen die Wüstlinge den letzten Rest von Scham ab. Aber wenn Gottes Macht und Herrlichkeit sich wieder zeigen, wird die Ordnung wiederhergestellt und kommt die arme verstörte Welt wieder zur Ruhe. Die menschliche Gesellschaft würde von den niederträchtigsten Leuten wie ein Fußball hin und her geschleudert werden, wenn Gott sie nicht in seiner Hand behielte, und selbst die Erdkugel würde, wie die Distelwolle über die Wiese, haltlos durch den Weltenraum fliegen, wenn der HERR sie nicht in der ihr bestimmten Bahn festhielte. Dass überhaupt in der Welt und in der christlichen Gemeinde Beständigkeit da ist, das haben wir dem Walten des HERRN zu verdanken. Vergessen wir es nicht, ihn dafür anzubeten. Die Gottlosigkeit ist die Mutter der Zuchtlosigkeit; die Herrschermacht Gottes, wie sie in der wahren Frömmigkeit anerkannt wird, ist die einzige Bürgschaft für das menschliche Gemeinwesen. Der Glaube an Gott ist der Grund- und Eckstein eines wohlgeordneten Staates.

2. Von Anbeginn stehet dein Stuhl fest. Wiewohl du gerade jetzt in mehr sichtbarer Majestät hervortrittst, ist deine Herrlichkeit doch nicht die eines Emporkömmlings; schon in den urältesten Zeiten hatte deine Herrschaft sicheren Bestand, ja vor aller Zeit war dein Thron bereits aufgerichtet. Wir reden oft von uralten Herrschergeschlechtern; aber was sind sie, verglichen mit dem HERRN? Sind sie nicht wie die Schaumblasen, die, soeben aus der Brandung geboren, kaum dass man sie erblickt hat, schon verschwunden sind? Du bist ewig. Der HERR selber ist von Ewigkeit her. O möge der Gläubige darüber frohlocken, dass die Autorität, der er sich unterstellt hat, von einem unsterblichen Herrscher ausgeübt wird, dessen Regiment von aller Ewigkeit her besteht und noch blühen wird, wenn alle erschaffenen Dinge für immer vergangen sein werden. Vergeblich ist aller Aufruhr der Sterblichen, das Königtum Gottes wird davon nicht erschüttert.

3. Es erhoben Wasserströme, HERR, es erhoben Wasserströme ihr Brausen; Wasserströme erheben ihr Getöse. (Grundtext) Menschen haben je und je wie zornige Fluten getobt, aber nichtig war all ihr Rasen; und noch jetzt wallen und wüten sie, aber ohnmächtig müssen dennoch die Wellen zurückfallen. Lasst uns beachten, dass der Psalmist sich zu dem HERRN wendet, da er die Wogen schäumen sieht und das Brausen der Brandung an sein Ohr schlägt. Er verschwendet den Atem nicht an einen Versuch, zu den tosenden Wogen oder den tobenden Menschen zu reden, sondern gleich Hiskia breitet er die Lästerungen der Gottlosen vor dem HERRN aus. (Jes. 37,14 ff.) - Die Wiederholungen sind wohl um der Poesie und Musik willen nötig, aber sie deuten zugleich die Häufigkeit und Heftigkeit der ruchlosen Angriffe gegen die Königsherrschaft Gottes an, wie auch die wiederholten Niederlagen, die sie erleiden. Manchmal wüten die Menschen mit Worten - sie erheben ihre Stimme (wörtl.), und zu anderen Zeiten erheben sie sich zu Gewalttaten - sie erheben ihre Wellen 1; aber der HERR hat sie in beiden Fällen in seiner Gewalt. Die Gottlosen sind lauter Schaum und Gischt und brausen und tosen schrecklich während der kurzen Stunden, die ihnen gegeben sind; aber dann wendet sich die Flut zur Ebbe oder der Sturm wird gestillt - und wir hören nichts mehr von ihnen, während die Königsherrlichkeit des Ewigen in der Erhabenheit ihrer Macht bestehen bleibt.

4. Die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig; der HERR aber ist noch größer in der Höhe. Ob ihre Macht auch aufs höchste steigt, für ihn ist all ihr Wüten doch nur ein ohnmächtiges und darum verächtliches Lärmen. Wenn die Menschen sich verbünden, um den Thron Jesu umzustürzen, wenn sie sich hinterlistig beraten und nach und nach auch offen toben, so achtet der HERR es doch nicht mehr, als wir uns auf sicherem hohem Felsengrund durch das Tosen und Zischen der Brandung beunruhigen lassen. Jehovah, der Selbstherrliche und Allmächtige, kümmert sich nicht um den Widerstand sterblicher Menschen, mögen sie noch so zahlreich oder mächtig sein. Gar erhaben ist unser Vers nach dem Laut des Grundtextes:

Mehr als das Donnern der großen Wasser,
der majestätischen, der Brandung des Meeres,
ist majestätisch Jehovah in der Himmelshöhe.2

Ob der Sturm auch "himmelhohe" Wogen aufwühlt und sie mit schrecklicher Gewalt vorwärts treibt, an Gottes erhabenen Sitz reichen sie doch nicht; und wenn frevelnde Menschen noch so sehr schäumen und rasen, so ist es dem HERRN doch ein Kleines, ihr Toben zu beschwichtigen und ihre Bosheit zum Guten zu lenken. Könige und Pöbelrotten, goldgekrönte Kaiser und blutbesudelte Kannibalenbanden, alle sind in Gottes Hand, und er kann ihnen verbieten, seinen Heiligen auch nur ein Haar zu krümmen.

5. Deine Zeugnisse sind sehr gewiss. (Luther 1524.) Wie, was die Vorsehung betrifft, der Thron Gottes über alle Gefahr erhaben feststeht, so ist auch, was die Offenbarung betrifft, Gottes Wahrheit unzweifelhaft gewiss. Sein Wort ist eine rechte Lehre hat Luther später übersetzt - mögen andre Lehren unzuverlässig sein, die Bezeugungen des Himmels sind unfehlbar und unverbrüchlich. Wie der Fels mitten in dem Aufruhr des Meeres unbeweglich feststeht, so widersteht die göttliche Wahrheit all den wechselnden Strömungen der menschlichen Meinungen und all den Stürmen der menschlichen Zänkereien. Die Zeugnisse Gottes sind nicht nur gewiss, sondern sehr gewiss. Gepriesen sei Gott, wir sind nicht durch klug ersonnene Fabeln betrogene Leute; unser Glaube ist auf die ewige Wahrheit des Höchsten gegründet. Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses, o HERR, ewiglich. Die Wahrheit wandelt sich nicht in ihren Lehren, die vielmehr sehr gewiss sind, noch die Heiligkeit in ihren Vorschriften, die unvergänglich sind. Gottes Lehre und Gottes Wesen unterliegen beide keiner Veränderung. Gott hat noch nie etwas Böses bei sich bleiben lassen und wird es nie in seinem Hause dulden; er ist auf ewig der Feind alles Bösen und immerdar der geschworene Freund der Heiligkeit. Seine Gemeinde muss unverändert bleiben und allezeit das "Heilig dem Herrn" an ihrer Stirn tragen; ja, ihr König wird sie bewahren, dass kein Fuß eines Eindringlings sie beflecken wird. Die Gemeinde Jesu Christi ist dem HERRN geweiht und wird eben darum allezeit erhalten bleiben. "Jehovah ist König", das ist das erste Wort und die Hauptlehre des Psalms, und Heiligkeit ist das Schlussergebnis: die rechte Ehrfurcht vor dem erhabenen König aller Könige wird uns zu einem der Gegenwart vor ihm entsprechenden Verhalten führen. Gottes Majestät bekräftigt seine Verheißungen als gewisse Zeugnisse, gibt aber auch seinen Vorschriften besonderes Gewicht.
Der ganze Psalm ist sehr eindrücklich und ist darauf berechnet, die Traurigen zu trösten, den Furchtsamen guten Mut einzuflößen und den Frommen in der Anbetung zu helfen. O du, der du ein so erhabener und gnädiger König bist, herrsche über uns immerdar! Wir begehren gar nicht, deine Gewalt anzuzweifeln oder zu beschränken, sondern dein ganzes Wesen ist solcher Art, dass wir jauchzen, wenn wir dich die Rechte eines unumschränkten Alleinherrschers ausüben sehen. Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit. Hosianna, Hosianna!

Fußnoten
1. So Luther u. die engl. Bibel. Das Wort des Grundtextes bedeutet wohl das Getöse, welches durch das Aneinanderschlagen der Wellen verursacht wird.

2. Schon Luthers Übersetzung beruht auf einer richtigen Änderung der hier unbrauchbaren masoretischen Akzentuierung. Siehe z. B. Delitzsch z. d. St.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Neben solchen Psalmen, welche die messianische Zukunft, sei es prophetisch oder nur typisch, oder typisch und prophetisch zugleich, als das weltüberwindende und weltbeglückende Königtum des Gesalbten Jahves vorausschauen, gibt es andere, in denen die vollendete Theokratie als solche vorausgeschaut wird, nicht als Parusie eines menschlichen Königs, sondern Jahves selber, als das in seiner Herrlichkeit offenbare Reich Gottes. Diese theokratischen Psalmen bilden mit den christokratischen zwei einander parallel laufende Reihen der Weissagung auf die Endzeit. Die eine hat zum Zielpunkt den Gesalbten Jahves, der von Zion aus alle Völker beherrscht, die andere Jahve über den Cherubim sitzend, dem der ganze Erdkreis huldigt. Diese beiden Reihen konvergieren im Alten Testament zwar, kommen aber nicht zusammen; erst die Erfüllungsgeschichte macht es klar, was im Alten Testament nur an einigen Höhepunkten der Prophetie aufblitzt, dass die Parusie des Gesalbten und die Parusie Jahves ein und dieselbe sind. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 1. Der HERR ist König. Das spielt an auf die Formel, deren man sich bei der Proklamation des Regierungsantrittes irdischer Könige bediente, vergl. 2. Samuel 15,10; 1. Könige 1,11.13; 2. Könige 9,13. Schon diese Anspielung zeigt, dass hier nicht von dem beständigen Regimente des HERRN die Rede ist, sondern von einer neuen herrlichen Offenbarung seiner Herrschaft, gleichsam einer neuen Thronbesteigung. Michaelis richtig: rex factus est. Auf dasselbe Resultat führen uns auch die Parallelstellen Psalm 96,10; 97,1; 99,1, wo dieselbe Formel vorkommt: überall ist dort von dem Kommen des HERRN in seinem Reiche die Rede. Ebenso Jes. 24,23, vergl. Obadja V. 21; Sach. 14,9 und besonders Offenbarung 11,17; 19,6. Im Angesichte also der hochfahrenden Ankündigungen der Weltmacht, dass sie nunmehr ihre Herrschaft über die Erde, über das Reich Gottes antrete, im Angesichte des "Assur oder Babel herrscht" ruft der Sänger sein Jehovah herrscht, kündigt er an, dass die Herrschaft des HERRN, weit entfernt, durch solche ohnmächtige Anläufe gestürzt zu werden, nun erst sich in ihrer vollen Glorie offenbaren werde. Sein "der HERR herrscht" fand den Anfang seiner Bewährung in dem Sturze Babels und in der Errettung Israels, seinem vollen Gehalte nach aber ist es messianisch: in Christo ist der HERR wahrhaft herrschend geworden und wird es in Zukunft noch herrlicher werden, vergl. die angeführten Stellen der Apokalypse. Dies "der HERR herrscht" rufen seine Diener noch immer den tollen Anläufen der Welt gegen die Kirche entgegen, mit denen sie nichts weiter ausrichtet, als dass sie eine neue, herrlichere Offenbarung seiner Offenbarung herbeiruft. Es ist das heilige Feldgeschrei der Kirche im Angesichte der Welt, wobei man der Worte Calvins wohl zu gedenken hat: "Mit dem Munde bekennen alle, was der Prophet hier lehrt, aber wie viele wohl setzen diesen Schild, wie es sich ziemt, der feindlichen Weltmacht entgegen, so dass sie nichts fürchten, und sei es auch noch so furchtbar?" Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

Die Gottesherrschaft oder Theokratie (der Ausdruck ist von Josephus contra Apion. gemünzt) ist keine besondere Staatsverfassung. Die wechselnden Regierungsformen waren nur mannigfache Arten ihrer menschlichen Vermittlung. Sie selber ist ein über diese Vermittlungen erhabenes Wechselverhältnis Gottes und der Menschen, welches damit seinen ersten offenkundigen Anfang genommen, dass Jahve Israels König geworden (5. Mose 33,5, vergl. 2. Mose 15,18), und welches schließlich sich dadurch vollendet, dass es diese nationale Selbstbeschränkung durchbricht, indem der König Israels zum König der ganzen innerlich und äußerlich überwundenen Welt wird. Darum ist die Theokratie ein Gegenstand der Weissagung und der Hoffnung. Und malak (er ist nun König) mit Bezug auf Jahve wird nicht nur gebraucht von dem ersten Anfang seiner Reichsherrschaft und von der Tatoffenbarung derselben an heilsgeschichtlichen Höhepunkten, sondern auch von dem Beginn der Reichsherrschaft in ihrer vollendeten Herrlichkeit. In diesem endzeitigen, gipfelhaften Sinne lesen wir es z. B. Jes. 24,23; 52,7 und besonders unverkennbar Offenbarung 11,17; 19,6. Und in diesem Sinne ist "der HERR ist König" die Losung der theokratischen Psalmen. So schon 47,9; der erste aber der mit dieser Losung beginnenden Psalmen ist Ps. 93. Sie sind alle nachexilisch. Der Höhepunkt, von welchem aus der endgeschichtliche Fernblick sich auftut, ist die Zeit der jungen Freiheit und des wiederhergestellten Staates. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 2. Dieser Thron ist erhaben über alle die Wechselfälle, durch welche die irdischen Throne und Reiche so oft erschüttert werden, wie den Tod der Könige oder leitenden Staatsmänner oder die Untreue der Untertanen oder Minister oder die List und Gewalt der Feinde. Nichts von alledem kann Gottes Herrschaft stören. Martin Geier † 1681.

V. 3 f. Es erheben Ströme ihr Brausen. (Grundtext) Das letzte Wort bezeichnet das Getöse, das die Wellen machen, wenn sie sich brechen. Die Feinde Gottes und seines Reiches haben sich erhoben wie die Wasserwogen, wenn Flut und Sturm sie schwellen, mit brüllendem Toben kommen sie heran. Aber wo sie dem Schiffe nahen, das den König trägt, erweist sich ihr Lärm nur als von Wogen, die zu Schaum zerstäuben. Wo sie am nächsten kommen, ist’s nur zu ihrem Verderben, und ihr größtes Lärmen ist das von sich brechenden, in nichts zusammensinkenden Wellen. So hoch sich Sturm und Wogen auch erheben mögen, höher ist Jehovah, hoch erhaben über alle Gefahr und über alles Getöse der Welt. Wie trefflich malt dies Bild mit wenigen Strichen die Geschichte der Regierung Gottes und seiner Gemeine! Die Stillung des Sturmes auf dem See Genezareth war demnach nicht nur ein Gleichnis der Geschichte des Reiches Gottes, sondern auch ein Vorbild auf die schließliche Vollendung desselben; ein Abriß der Vergangenheit, eine Weissagung auf die Zukunft und ein Vorbild des Endes. Und was für die Kirche als Ganzes gilt, das bewahrheitet sich auch an dem einzelnen Gläubigen. Lasst uns des stets eingedenk sein, dass unsere größten Gefahren brechende Wellen sind, Wellen, die sich legen zu Seinen Füßen. So lange Jehovah regiert und wir unter seinem Schutze stehn, hat es keine Not. Alfred Edersheim 1866.

V. 4. Der HERR aber ist noch größer in der Höhe. Darum schaue nicht so sehr auf deine Not, sondern vielmehr auf deinen Erretter, und wenn der Menschen Verbündung in der Bosheit dich schreckt, so lass dich deine Verbindung mit Gott stärken. Die Gefahr mag deinem Widerstand überlegen sein, aber nicht Gottes Beistande; die Macht der Feinde mag deine Kraft, ihre List deine Klugheit übersteigen, aber nimmer können sie die Weisheit und die Macht des Gottes, der mit dir ist, übertreffen. O darum lerne es doch, Gott in seiner Kraft zu erproben, ihm in schwierigen Lagen zu vertrauen; und wenn die unbarmherzigen Wogen dich zu verschlingen drohen, so befiehl dich seiner Hut. Der Seemann schaut in der Not zum Himmel aus; so tu du desgleichen, und gedenke, dass mächtiger noch als das Donnern gewaltiger majestätischer Wasser, mächtiger als das Donnern der Meeresbrandung, ist Jehovah in der Himmelshöhe. Abraham Wright 1661.

V. 5. Die Heiligkeit, die dem Hause eines solchen Gottes ziemet (vergl. Ps. 33,1 Grundtext), muss ihm durch ihn selbst erhalten werden. Gott ziemt es, dass er dafür sorge, dass es nicht mit frevelhafter Hand entheiligt werde. (Vergl. Ps. 74; 79,1) Er kann es zuzeiten zur Strafe der Sünden seines Volkes der Verwüstung durch die gottlose Welt hingeben, aber immer muss er dafür sorgen, dass es wie ein Phönix aus der Asche wieder sich erhebe, dass ihm seine Heiligkeit wiederhergestellt werde. Und er hat dafür gesorgt. An die Stelle des durch die Chaldäer zerstörten ersten Hauses trat das zweite, und dies ging erst dann unter, als es bloße Schale ohne Kern geworden, als in der christlichen Kirche ein herrlicher Neubau des Hauses Gottes ins Leben getreten war. Die Welt hat es nicht zerstört, sondern Gott selbst hat den ärmlichen vorläufigen Bau niedergerissen, als der eigentliche vollendet war, und dem letzteren zu allen Zeiten, trotz aller Anläufe der zerstörungslustigen Welt, seine Heiligkeit erhalten. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

Heiligkeit steht jedem Hause gut an, sonderlich aber dem Hause Gottes, und jedermann, sonderlich aber den Dienern des Evangeliums, die der Spiegel sind, in dem die Leute den Himmel sehen, und die Führer, die ihnen den Weg dorthin weisen. Ist nun der Spiegel trübe, so sehen sie wohl gar statt eines Engels eine Furie; und ist der Wegweiser falsch, so ist er gefährlicher als der Weg. Darum sollte niemand vorsichtiger wandeln als die Diener des göttlichen Wortes. Abraham Wright 1661.

Homiletische Winke

V. 1-5. Angewandt als Beschreibung geistlicher Erweckungen. 1) Gott erweist sich als König. 2) Seine Macht wird erfahren. 3) Sein Reich wird befestigt. 4) Der Widerstand wird besiegt. 5) Das Wort wird geschätzt. 6) Heiligkeit wird gepflegt.
V. 1.2. Unser König. 1) Seine Würde. a) Er herrscht, als der König aller Könige; er schaut den Ereignissen aus Erden nicht müßig zu, sondern ordnet alles weise, gerecht und machtvoll. b) Er ist ein herrlicher König: angetan mit Hoheit usw. c) Er ist ein mächtiger König: gegürtet mit Stärke. d) Er ist ein königlicher Kriegsheld: er hat sich gegürtet, hat sein Schwert über die Rüstung angezogen, den Feinde zum Trutz, seinem Reiche zum Schutz. 2) Sein Reich. a) Es ist weltumfassend, das einzige wirkliche Weltreich: so weit die Welt ist. b) Es ist fest gegründet: zugerichtet, da es bleiben soll. c) Es ist ewig: von Anbeginn - Du bist ewig. Adam Clarke † 1832.
1) Die Königsproklamation. 2) Die königliche Gewandung. 3) Das wohl befestigte Reich. 4) Der uralte Thron. 5) Der ewige König. Charles A. Davis 1874.
1) Proklamation des erhabenen Königs. Bezeuge die Rechtmäßigkeit, die Festigkeit, das Alter, die Ausdehnung und die Dauer seiner Herrschaft. 2) Schilderung der verschiedenen Gemütsbewegungen, die diese Ankündigung hervorruft: in den aufrührerisch Gesinnten, den Schuldbewußten, den Königstreuen usw. 3) Aufforderung, diesem König zu huldigen. Charles A. Davis
V. 3. Das Brausen der Wasser. 1) Die Stimme der Natur ist eine Stimme Gottes. 2) Sie zeugt von Gott. 3) Sie zeugt für Gott.
V. 4. Gott ist 1) groß in der Schöpfung, 2) größer noch in der Vorsehung, 3) am größten in der Erlösung. George Rogers 1874.
V. 5. 1) Treue ziemt dem Worte Gottes, 2) Heiligkeit dem Hause Gottes. George Rogers
V. 5b. 1) Heiligkeit war die Zierde des vorbildlichen Hauses Gottes, des israelischen Heiligtums. 2) Sie ist die Zierde seines geistlichen Hauses, der Gemeine. 3) Seines kleineren geistlichen Hauses, des Gläubigen. 4) Seines ewigen Hauses, des Himmels.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 94 (Auslegung & Kommentar)

Inhalt

Der Dichter dieses Psalms sieht, wie die Übeltäter in voller Gewalt stehen, und leidet empfindlich unter ihrem Druck. Seine Überzeugung von der Oberherrschaft Gottes (von der ja auch der vorhergehende Psalm gesungen hatte) veranlasst ihn, sich an Gott als den erhabenen Richter aller Welt zu wenden. Das tut er mit starker Gemütserregung und großem Ungestüm; er bäumt sich auf, nicht wider Gott, aber wider die Geißelhiebe der Tyrannen. In dem klaren Bewusstsein von Gottes Dasein und in der festen Überzeugung, dass der Höchste auf das Tun der Menschenkinder achte, schilt er seine gottesleugnerischen Widersacher und verkündet triumphierend, dass er durch Gott überwinden werde. Er deutet auch die quälenden Führungen der Vorsehung als heilsame, lehrreiche Züchtigungen und preist darum diejenigen glücklich, die sie erdulden. Der Psalm ist eigentlich - in neuer, ergreifender Form - das alte Rätsel: Warum geht es den Gottlosen so wohl? Wir haben hier wiederum das Beispiel eines frommen Mannes, der in der Anfechtung, die ihm das Trotzen und Pochen der Gottlosen bereitet, sein Herz stillt, indem er ihm vorführt, dass es trotz alledem einen Herrscher im Himmel gibt, der schließlich alles zum Besten lenkt.

Einteilung

In den ersten sieben Versen bringt der Psalmist seine Klage vor gegen die boshaften Unterdrücker. V. 8-11 wendet er sich gegen den Wahn ihres Unglaubens, als nehme Gott keine Kenntnis von dem, was die Menschen tun. Dann zeigt er V. 12-15, dass der HERR die Seinen dennoch segnet und rettet, wiewohl sie eine Zeit lang gezüchtigt werden mögen. Dann fleht er wieder um Hilfe, V. 16, und bezeugt, wie völlig er von Gott abhängig sei, V. 17-19. In V. 20.21 bringt er seine Klage zum dritten Mal vor, und dann schließt er, V. 22.23, mit der zuversichtlichen Erklärung, dass seine Widersacher und alle andern Gottlosen den gerechten Lohn ihrer Taten gewisslich ernten und schreckliche Vertilgung vom HERRN erfahren werden.

Auslegung

1. HERR, Gott, des die Rache ist,
Gott, des die Rache ist, erscheine!
2. Erhebe dich, du Richter der Welt;
vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen!
3. HERR, wie lange sollen die Gottlosen,
wie lange sollen die Gottlosen prahlen
4. und so trotzig reden
und alle Übeltäter sich so rühmen?
5. HERR, sie zerschlagen dein Volk
und plagen dein Erbe.
6. Witwen und Fremdlinge erwürgen sie
und töten die Waisen
7. und sagen: "Der HERR siehet’s nicht,
und der Gott Jakobs achtet’s nicht."


1. HERR, Gott, des die Rache ist, Gott, des die Rache ist, erscheine! Eine sehr natürliche Bitte, wenn die Unschuld mit Füßen getreten, die Bosheit aber gefeiert wird. Ist es überhaupt in der Ordnung, dass das Recht gehandhabt wird - und wer wollte das leugnen? - dann ist es auch ganz geziemend, zu begehren, dass es geschehe. Dieser Wunsch kommt bei dem Psalmdichter gewiss nicht aus persönlicher Rachsucht - denn bei wem das der Fall ist, der würde es doch kaum wagen, sich so offen an Gott zu wenden - sondern aus Liebe zum Recht und aus Mitgefühl für diejenigen, welche ungerechterweise leiden müssen. Wer kann zusehen, wie ein Volk geknechtet oder auch nur ein einzelner zu Boden getreten wird, ohne den HERRN anzurufen, dass er sich erhebe und der gerechten Sache zum Sieg helfe? Dass das Unrecht sich so breit machen kann, wird hier dem Umstande zugeschrieben, dass der HERR sich in die Verborgenheit zurückgezogen hat, und es wird angedeutet, dass sein bloßes Erscheinen genügen würde, den Tyrannen ihr Unterdrücken zu verleiden. Gott braucht sich nur zu zeigen, so siegt die gerechte Sache. Wir bedürfen fürwahr in diesen bösen Tagen einer durchgreifenden Offenbarung seiner Macht; denn die alten Feinde Gottes und der Menschen setzen wieder alle Kraft ein, die Oberhand zu gewinnen, und wehe den Heiligen Gottes, wenn es geschähe!

2. Erhebe dich, du Richter der Welt. Steig auf deinen Richtstuhl und lass dir als dem Allherrscher der Menschen huldigen. Ja noch mehr, erhebe dich, wie Menschen es tun, wenn sie mit aller Wucht einen Hieb führen wollen; denn die übermächtige Sünde der Menschenkinder erfordert einen gewaltigen Schlag deiner Hand. Vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen; erstatte ihnen, was sie andern angetan. Es sei Maß um Maß, eine gerechte Vergeltung, Schlag für Schlag, Hieb für Hieb. Verächtlich schauen die Stolzen auf die armen Frommen hinab und hauen von oben her auf sie ein, wie etwa ein Riese auf seinen Widersacher die Streiche niedersausen lassen würde. Wohlan, HERR, so erhebe dich gleicherweise und lass es die Hoffärtigen erfahren, dass du unendlich viel höher bist über ihnen, als sie es jemals über dem geringsten ihrer Mitmenschen sein könnten. So erfleht der Psalmist mit unverblümten Worten, dass die Gerechtigkeit ihr Vergeltungsamt übe, und seine Bitte entspricht genau derjenigen, welche die leidende Unschuld betet, wenn sie, stumm und doch beredt, ihre schmerzerfüllten Blicke gen Himmel richtet.

3. HERR, wie lange sollen die Gottlosen, wie lange sollen die Gottlosen prahlen? Soll denn das Unrecht immer herrschen? Sollen Knechtung, Raub und Gewalttat nimmer aufhören? So gewiss es einen gerechten Gott im Himmel gibt, der mit Allmacht gewappnet ist, muss früher oder später die Übermacht der Bosheit ein Ende nehmen, muss die Unschuld einmal ihren Beschützer und Rächer finden. Das "Wie lange!" unseres Textes ist die bittere Klage aller Gerechten aller Zeiten und drückt das Staunen aus über das große Rätsel der Vorsehung, nämlich das Bestehen und das Vorherrschen des Bösen in der Welt. Wie oft ist wohl schon dieser trübe Klageseufzer aus den Kerkern der Inquisition, von den Geißelpfählen der Sklaverei und aus den Elendshöhlen der Bedrückung zu Gott emporgestiegen! Zu seiner Zeit wird Gott fürwahr auf die bange Frage seine Antwort hören lassen; aber noch ist das letzte Ende nicht da.

4. Sie sprudeln über, führen vermessene Reden. (Grundtext) Die Gottlosen lassen sich nicht an Taten der Ungerechtigkeit gegen die Frommen genug sein, sondern fügen noch harte Reden, vermessene Prahlereien, freche Drohungen und schändliche Beleidigungen hinzu. Worte verwunden oft mehr als Schwerter; sie sind manchmal so hart, dass man mit ihnen ein Herz zu Tode steinigen kann. Und zwar sprudeln solch böse Reden, wie der Grundtext sagt (vergl. Ps. 59,8), in mächtigem Schwall aus dem Innersten dieser Gottlosen hervor; sie stoßen sie in Menge heraus, wie ein mächtiger Quell das Wasser oder ein speiender Vulkan die glühende Lava. Und dies ist nicht nur hie und da der Fall, sondern es ist ihnen zur Lebensgewohnheit geworden, sie führen solche Worte alltäglich. Werden diese vermessenen Reden nicht endlich die Gerechtigkeit des HERRN also reizen, dass er dazwischen fährt? Es rühmen sich (wörtl. wahrscheinlich: überheben sich) alle Übeltäter. Sie treten bei aller Bosheit gar anmaßend auf, sie brüsten sich mit ihren Übeltaten, als täten sie etwas Gutes, wenn sie die Armen und Elenden zu Boden drücken und über die Gottseligen ihr Gift ausspeien. Es ist die Art der Gottlosen, hochfahrend und großmäulig zu sein, gerade wie die Demut ein Kennzeichen guter Menschen ist. Soll dieses ihr großsprecherisches Wesen von dem erhabenen Richter, der alles hört, was sie sagen, immerdar geduldet werden? Lang, sehr lang haben sie das Feld für sich allein gehabt, und laut, sehr laut haben sie Gott gelästert und seine Heiligen verhöhnt; wird der Tag nicht bald anbrechen, an welchem sie das ihnen verheißene Erbe ewiger Schmach und Schande ausgeteilt bekommen werden?
So ringen die hart bedrückten Gläubigen mit ihrem Gott und Herrn. Und wird Gott nicht seinen Auserwählten Recht schaffen? Wird er nicht vom Himmel her mit dem Widersacher reden und ihm zurufen: Was verfolgest du mich?

5. HERR, sie zerschlagen dein Volk. Sie zermalmen es unter ihrem Druck und reiben es auf durch ihre höhnenden Reden. Und doch sind diejenigen, welche so von ihnen vergewaltigt werden, das Volk Gottes und werden eben deshalb, weil sie das sind, so hart verfolgt. Der Grundtext hebt das durch die Wortstellung mit allem Nachdruck hervor: Dein Volk, o Jehovah, zermalmen sie! Das ist fürwahr ein dringender Grund für Gott, dreinzufahren! Und plagen dein Erbe. Das im Hebräischen wiederum nachdrücklich vorangestellte dein Erbe oder Besitztum deutet an, dass die Heiligen von dem HERRN selbst zum Eigentum erkoren sind, Gott darum auch besonderes Wohlgefallen an ihnen hat und an ihrem Ergehen den regsten Anteil nimmt. Dies uralte Bundesverhältnis ist eine ganze Rüstkammer voller Beweggründe, welche die Gläubigen ihrem treuen Gott vorbringen können. Wird der HERR nicht für die Seinen einstehen, wenn die Gottlosen sie plagen, sie durch schwere Demütigungen in den Staub drücken, ihre Hoffnung tief darniederschlagen und so auf alle Weise das Volk des HERRN zu vernichten suchen? Wer wollte wohl sein Erbgut verlieren, oder wer würde mit Gleichmut zusehen, wie sein Eigentum geschändet wird? Die so zu Boden gestreckt sind und mit Füßen getreten werden, sind keine Fremden, sondern die erkorenen Lieblinge Jehovahs; wie lange wird er sie eine Beute der grausamen Feinde sein lassen?

6. Witwen und Fremdlinge erwürgen sie und töten die Waisen. Sie lassen ihren Übermut in der schrecklichsten Weise an denen aus, die doch vor allen andern Gegenstand des Mitleids und Erbarmens sein sollten. Gottes Gesetz empfiehlt diese Bedauernswerten in besonderer Weise dem Wohlwollen der rechtschaffenen Menschen, und es ist eine absonderliche Gottlosigkeit, gerade sie als Opfer der Hinterlist und Mordlust herauszusuchen. Muss solch unmenschliches Verhalten den HERRN nicht reizen? Sollen die Tränen der Witwen und das Blut der Waisen umsonst vergossen werden? Sollen die Seufzer der Fremdlinge ungehört verhallen? So gewiss es einen Gott im Himmel gibt, wird er diejenigen heimsuchen, die solche Gräuel begehen. Ob es auch scheint, als sei er säumig über seinen Auserwählten, wird er ihnen doch Recht schaffen, und das in Kürze. (Lk. 18,7.)

7. Und sagen: "Der HERR siehet’s nicht." Das war der Grund ihrer Vermessenheit und zugleich der Höhepunkt ihrer Bosheit. Sie verübten blindlings eine Ruchlosigkeit nach der andern, weil sie von einem blinden Gott träumten. Wenn Menschen glauben, dass Gottes Augen erloschen seien, ist es kein Wunder, wenn sie ihren tierischen Leidenschaften alle Zügel schießen lassen. Die Leute, von welchen hier die Rede ist, hegten den gottlosen Unglauben nicht nur im Herzen, sondern hatten auch den Mut, ihn offen zu bekennen, indem sie den ungeheuerlichen Satz aufstellten, dass Gott viel zu fern sei, als dass er das Tun der Menschen gewahr werden könnte. "Und der Gott Jakobs achtet’s nicht." Welch abscheuliche Lästerung und handgreifliche Lüge! Ist Gott wirklich seines Volkes Gott geworden und hat er seine sorgsame Liebe gegen seine Auserwählten in tausend Gnadentaten erwiesen, wie dürfen dann die Gottlosen die Behauptung wagen, er werde die Untaten, welche die Frommen erdulden müssen, nicht beachten? Die Frechheit eines vom Unglauben aufgeblasenen Menschen kennt keine Grenzen, sonst müsste die Vernunft schon ihn zügeln; aber er hat eben die Schranken des gesunden Menschenverstandes durchbrochen. Den Jakob hatte sein Gott am Jabbok gnädiglich erhört, hatte ihn sein Leben lang geleitet und behütet und von ihm und seinem ganzen Geschlecht gesprochen: "Tastet meine Gesalbten nicht an und tut meinen Propheten kein Leid!"(Ps. 105,15) Und dennoch geben diese unvernünftigen Menschen vor, zu glauben, dass er die gegen die Auserwählten verübte Unbill weder sehe noch achte! Wahrlich, an solchen Ungläubigen geht das Sprichwort in Erfüllung: Wenn Gott einen strafen will, so lässt er ihn zuvor blind werden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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8. Merkt doch ihr Narren unter dem Volk!
Und ihr Toren, wann wollt ihr klug werden?
9. Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören?
Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?
10. Der die Heiden züchtigt, sollte der nicht strafen,
der die Menschen lehrt, was sie wissen?
11. Aber der HERR weiß die Gedanken der Menschen,
dass sie eitel sind.


8. Merkt doch, ihr Narren unter dem Volk. Die Gottlosen hatten gesagt, Gott merke nichts, und nun ruft der Psalmist, nach dem Grundtext eben dasselbe Wort gebrauchend, ihnen zu, doch aufzumerken und der Wahrheit Beachtung zu schenken. Er nennt sie Narren, oder eigentlich viehisch dumme Leute, und so ist es recht gesagt; und er fordert sie auf, doch zu bedenken und zu verstehen, wenn sie überhaupt dazu fähig seien. Sie hielten sich selbst für klug, ja sie meinten, sie seien die einzigen Pfiffigen in der Welt; er aber schilt sie die Unvernünftigen oder Narren unter dem Volke. Ja, gottlose Leute sind Narren, und je mehr sie wissen, desto närrischer werden sie. Je gelehrter, je verkehrter ist ein wahres Sprichwort. Ist ein Mensch mit Gott fertig, dann ist er auch mit seiner eigenen Menschheit fertig und hat sich dem Ochsen und Esel zugesellt oder vielmehr sich unter sie erniedrigt, denn ein Ochse kennet seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn. Anstatt uns in der Gegenwart wissenschaftlich gebildeter Ungläubigen sehr kleinmütig zu fühlen, wäre es vielmehr an uns, sie zu bedauern. Sie blicken von den Stelzen ihrer Gelehrsamkeit mit Verachtung auf uns nieder; aber, Mann an Mann gemessen, haben wir vielmehr Ursache, auf sie hinabzusehen. Und ihr Toren, wann wollt ihr klug werden? Ist’s nicht hohe Zeit? Ihr seid auf den Wegen der Torheit wohl bewandert; welchen Nutzen habt ihr auf ihnen erreicht? Ist euch denn kein Rest von Vernunft geblieben, kein Körnchen gesunden Menschenverstandes? Wenn in eurem Hirn noch ein Fünklein Erkenntnis glimmt, so hört doch auf Vernunftgründe und erwäget die Fragen, die euch jetzt vorgelegt werden.

9. Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Gott hat dies wunderbare Organ gebildet und an der allergeeignetsten Stelle, nahe dem Gehirn, angebracht, und sollte selber taub sein? Er ist einer solchen kunstvollen Erfindung fähig und sollte nicht wahrnehmen können, was in der Welt, die er selber gemacht hat, vorgeht? Er schenkte euch das Gehör und sollte selbst nicht hören können? Die Frage leidet keine Antwort; sie überwältigt den Zweifler, dass er von Verwirrung gepackt wird. Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen? Er gibt uns das Gesicht; ist es denkbar, dass er selbst ohne Sehvermögen sei? Mit Meisterhand hat er den Sehnerv und den Augapfel mit seinem ganzen wunderbaren Mechanismus gebildet; ist es dann nicht ganz widersinnig, dass er selbst außer Stande sein soll, die Handlungen seiner Geschöpfe wahrzunehmen? Gibt es einen Gott, so muss er ein persönliches, mit Vernunft erfülltes Wesen sein, dessen Erkenntnisvermögen keine Schranken gesetzt werden können.

10. Der die Heiden züchtigt, sollte der nicht. strafen? Er weist ganze Völker zurecht; sollte er es nicht an den einzelnen tun können? Die Geschichte zeigt durchweg, dass Gott die Sünden der Völker mit Völkergerichten heimsucht; und er wüsste nicht mit einzelnen Leuten fertig zu werden? - Die folgende Frage ist ebenso kraftvoll, wird aber mit einem Eifer vorgebracht, der dem Frager das Wort abschneidet, so dass der Satz unvollendet bleibt. Sie fängt an: Der die Menschen lehrt, was sie wissen - da stockt die Rede plötzlich; die Folgerung ist zu selbstverständlich, als dass man sie in Worte zu fassen brauchte. Es ist, als ginge dem Schreiber die Geduld aus, sich mit den Unverständigen noch weiter abzugeben. Es ist dem ernstgesinnten Gläubigen manchmal zu Mute, als müsste er den Toren sagen: "Geht eurer Wege! ihr seid es nicht wert, dass man euch mit Beweisen nachläuft! Wäret ihr vernünftige Leute, so würden euch diese Dinge von selbst einleuchten, dass niemand sie euch sagen brauchte. Ich verzichte auf den Versuch, euch zu überführen!" Alles, was die Menschen an Erkenntnis besitzen, kommt von Gott. Die ersten Grundlagen des Wissens wurden unserem Stammvater Adam schon von Gott beigebracht, und jeden späteren Fortschritt hat die Menschheit der göttlichen Hilfe zu verdanken; und der Urheber und Lehrer alles Wissens sollte selber nicht wissen?

11. Ob die Menschen es nun aber zugeben oder leugnen, dass bei Gott Wissen ist, eins erklärt der Psalmist nun aufs bestimmteste: Der HERR weiß die Gedanken der Menschen; denn sie (die Menschen) sind ein (bloßer) Hauch. (Grundtext) Nicht nur hört er ihre Worte und sieht ihre Werke, sondern er nimmt auch die geheimen Regungen ihres Herzens wahr. Es fällt ihm nicht schwer, die Menschen so bis ins Innerste zu durchschauen; denn, sagt der Psalmist, vor ihm sind sie ein bloßer Hauch. Nach des HERRN Schätzung ist es nichts Großes, die Gedanken solch durchsichtiger Eitelkeitsgebilde, wie die Menschen es sind, zu erkennen; er rechnet, was sie alle zusammen sind, in einem Nu und zieht das Ergebnis: ein Nichts! lauter Eitelkeit und Nichtigkeit! Auf die Menschen selbst geht nach dem Grundtext dieses Urteil; aber es besteht auch zu Recht, wenn wir es mit Luther auf die Gedanken beziehen: die Gedanken, der beste Teil, das Geistigste am Menschen, selbst diese sind lauter Eitelkeit und weiter nichts. Der arme Mensch! Und doch brüstet sich dieser elende Wurm, spielt den Alleinherrscher, tyrannisiert seine Staubesgenossen und trotzt seinem Gott! Torheit mengt sich mit der menschlichen Eitelkeit, wie Rauch mit dem Nebel, und macht diese garstiger, aber kein bisschen solider, als sie es für sich allein wäre.
Wie töricht sind doch die Leute, die meinen, Gott kenne ihre Taten nicht, während es sich in Wahrheit so verhält, dass sogar alle ihre eiteln Gedanken von ihm durchschaut werden! Wie unsinnig ist es, sich aus Gott nichts zu machen, während wir tatsächlich nichts sind vor seinen Augen!

12. Wohl dem, den du, HERR, züchtigst
und lehrst ihn durch dein Gesetz,
13. dass er Geduld habe, wenn’s übel geht,
bis dem Gottlosen die Grube bereitet werde!
14. Denn der HERR wird sein Volk nicht verstoßen
noch sein Erbe verlassen.
15. Denn Recht muss doch Recht bleiben,
und dem werden alle frommen Herzen zufallen.


12. Wohl dem, den du, HERR, züchtigst. Das Gemüt des Psalmisten wird nun ruhig. Er jammert nicht mehr vor Gott und streitet nicht weiter mit den Menschen; er stimmt seine Harfe zu sanfteren Tönen, denn es wird ihm im Glauben klar, dass es um den Gläubigen, auch wenn er aufs schwerste heimgesucht wird, dennoch wohl steht. Das Gotteskind mag sich nicht sonderlich glücklich fühlen, so lange es unter der Zuchtrute des HERRN seufzen muss, aber ein glückliches Menschenkind ist es dennoch; es ist Gott lieb und wert, sonst würde der HERR sich nicht die Mühe geben, es zu züchtigen, und gar köstlich und Glück bringend werden die Wirkungen seiner Heimsuchung sein. Und lehrst ihn durch dein Gesetz. Lehrbuch und Rute, Unterweisung und Züchtigung gehen zusammen und sind gerade in ihrer Verbindung zwiefach heilsam. Trübsal ohne das Wort ist wohl ein heißer Tiegel, aber es fehlt der Fluss, der die Läuterung bewirkt 1: Das Wort Gottes ersetzt diesen Mangel und macht so die feurige Prüfung wirksam. Es bleibt doch dabei: wahres Glück ist vielmehr bei denen, die unter Gottes züchtigender Hand leiden, als bei denen, die anderen Leiden zufügen. Es ist wahrlich besser, als ein Mann 2 sich unter die gewaltige Hand des himmlischen Vaters zu beugen und zu seufzen, als wie ein wildes Tier zu brüllen und zu toben und sich den Todesstoß zuzuziehen von dem, der alles Böse niederschlagen wird. Der mit Trübsal heimgesuchte Gläubige ist in der Lehre; er wird für etwas Höheres und Besseres zubereitet, und alles, was ihm widerfährt, dient zu seinem höchsten Guten. Darum ist er ein gesegneter, glücklicher Mensch, wie sehr immer seine äußere Lage anscheinend das Gegenteil beweist.

13. Dass er Geduld habe, wenn’s übel geht,3 bis dem Gottlosen die Grube bereitet werde. Die züchtigende Hand und das lehrreiche Buch werden uns gesegnet, so dass wir zur inneren Ruhe kommen, indem wir uns gläubig dem Herrn überlassen. Wir sehen es ein, dass sein Ziel unser ewiges Wohlergehen ist; darum halten wir unter schmerzlichen Führungen und heftigen Verfolgungen still und warten in Geduld das Ende ab. Der gewaltige Jäger bereitet inzwischen die Grube für diejenigen, die sich wie wilde Tiere gebärden. Jetzt schleichen sie noch beutehungrig umher und zerreißen die Schafe, aber bald werden sie gefangen und umgebracht sein. Darum lernen Gottes Kinder sich in Zeiten des Ungemachs still verhalten und Gottes Stunde erharren. Vielleicht sind die Gottlosen noch nicht reif zur Strafe oder die Strafe ist noch nicht bereit für sie. Die Hölle ist ein wohl zubereiteter Ort für wohl zubereitete Leute. Wie die Tage der Gnade den Gläubigen für die Herrlichkeit ausreifen, so beschleunigen die Tage der Begier beim Sünder das Verfaulen zum ewigen Verderben.

14. Denn der HERR wird sein Volk nicht verstoßen. Er mag sie niederwerfen, aber wegwerfen kann er sie niemals. Während heftiger Verfolgungen denken die frommen Dulder leicht, der HERR habe seine Schafe im Stich gelassen und dem Wolf preisgegeben; aber das ist noch nie der Fall gewesen und wird nie der Fall sein, denn der HERR wird ihnen seine Liebe nicht entziehen noch sein Erbe verlassen. Für eine Weile mag er wohl sich den Seinen ferne stellen mit der Absicht, dadurch ihr geistliches Wohl zu fördern, aber nimmer kann er sie völlig dahingeben.

15. Denn zur Gerechtigkeit wird das Recht (die jetzt von den Gottlosen mit Füßen getretene Rechtsübung) zurückkehren. (Wörtl.4 Der allerhabene Richter wird kommen, das Reich der Gerechtigkeit wird erscheinen, das von den Gottlosen jetzt mit Füßen getretene Recht wird doch schließlich zu seinem Recht kommen, und dann werden alle redlichen Herzen sich freuen. Der Wagen der Gerechtigkeit wird im Triumpfe durch unsere Straßen ziehen, und dem werden alle frommen Herzen sich anschließen. (Wörtl.) Eine entzückende Hoffnung wird uns hier in einem poetischen Bilde von hoher Schönheit vorgeführt. Die Weltherrschaft ist für eine Zeit lang in den Händen solcher gewesen, die ihre Macht zu den niedrigsten und frevelhaftesten Zielen ausgenutzt haben; aber das Seufzen der Gottesfürchtigen wird die Gerechtigkeit wieder auf den Thron bringen, und dann wird jedes rechtschaffene Herz seinen Anteil an der Freude haben.

Fußnoten
1. Der Fluss: eine dem zu läuternden Erz zugesetzte Substanz, welche seine Schmelzbarkeit erhöht, namentlich der Flussspat.

2. Spurgeon bezieht sich hier darauf, dass der Grundtext sagt: "Wohl dem Manne, den du usw.", und dabei für Mann ein Wort gebraucht (geber), das ursprünglich den Mann als Starken, als Helden bezeichnet. Spurgeon hat schon vorher dazu bemerkt: "Der ist in der Tat ein Mann im besten Sinne des Wortes, der in der Zucht und Vermahnung des HERRN steht." Gibt diese Auslegung dem Worte geber einen Nachdruck, den es in der dichterischen Sprache verloren hat, so ist doch die Gegenüberstellung der Ausdrücke Mann (V. 12) und tierisch Dumme (V. 8 Grundtext) beachtenswert.

3. Den Grundtext: ihm Ruhe zu schaffen von den Tagen des Bösen verstehen die einen (wie Luther und Spurgeon) von innerer, die andern (in verschiedener Deutung) von äußerer Ruhe.

4. Luthers Übersetzung trifft, wie so oft, bei aller Freiheit den Sinn gut.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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16. Wer steht bei mir wider die Boshaften?
Wer tritt zu mir wider die Übeltäter?
5

16. Wiewohl der Psalmdichter überzeugt war, dass schließlich alles wohl ausgehen werde, konnte er doch zu der Zeit niemand wahrnehmen, der ihm zur Seite träte im Kampf mit den Bösen. Kein Vorkämpfer des Rechtes zeigte sich, und es trat auch da wieder zu Tage, wie wenige Treue auf Erden sind. Das ist auch eine schmerzliche Prüfung für den redlich Gesinnten und ein böses Übel unter der Sonne; doch hat es seinen Zweck, denn es treibt ihn desto näher zum HERRN und nötigt ihn, sich auf diesen allein zu verlassen. Könnten wir sonstwo Freunde finden, so wäre uns unser Gott vielleicht nicht so teuer; aber wenn wir Himmel und Erde zur Hilfe gerufen und doch keinen Beistand gefunden haben als den der ewigen Arme (5. Mose 33,27), dann lernen wir unseren Gott schätzen und uns mit ungeteiltem Vertrauen auf ihn stützen. Nie ist die Seele besser geborgen, nie genießt sie völligere Ruhe, als wenn sie sich, da alle andern Helfer versagen, allein auf den HERRN wirft. Der vorliegende Vers ist recht geeignet für unsere Zeit, in der die Gemeinde des HERRN es erleben muss, dass Irrtümer von allen Seiten auf sie einstürmen, während der treuen Diener Gottes wenige sind, und noch weniger, die den Mut haben, sich mannhaft zu erheben und den Feinden der Wahrheit Trotz zu bieten. Wo sind Männer wie Luther und Calvin? Weichlichkeit unter dem Namen der Liebe hat die meisten Helden in Israel entnervt. Ein einziger John Knox wäre zu unsrer Zeit eine ganze Goldgrube wert; aber wo ist einer? Unser großer Trost ist, dass der Gott eines Knox und eines Luther noch bei uns ist und dass er zu seiner Zeit seine auserwählten Kämpen hervorrufen wird.

17. Wo der HERR mir nicht hülfe,
so läge meine Seele schier in der Stille.
18. Ich sprach: Mein Fuß hat gestrauchelt;
aber deine Gnade, HERR, hielt mich.
19. Ich hatte viel Bekümmernisse in meinem Herzen;
aber deine Tröstungen ergötzten meine Seele.


17. Wo der HERR mir nicht hülfe, so läge meine Seele schier in der Stille. Ohne Jehovahs Hilfe wäre er, erklärt der Psalmist, schon umgekommen, wäre in das stille Land gegangen, wo man kein Zeugnis mehr für den lebendigen Gott ablegen kann. Doch Gott lässt die Seinen wohl sinken, aber nicht ertrinken.

18. Wenn ich (bei mir) sprach: Mein Fuß gleitet aus (Grundtext) - wenn ich dachte: "Jetzt ist’s um mich geschehen", wenn ich mit Zittern die Gefahr erkannte, in der ich schwebte, und in meinem Schrecken aufschrie - da, gerade in dem Augenblick der größten Not, hielt mich deine Gnade, HERR. Oft genug finden wir uns in ähnlicher Lage; wir fühlen unsere Schwäche, wir sehen die dringende Gefahr und schreien auf vor Angst. In solchen Zeiten kann uns schlechterdings nichts als Gnade helfen; wir können uns nicht auf irgendein vermeintliches Verdienst berufen, denn wir sind davon durchdrungen, dass die uns einwohnende Sünde die Ursache ist, dass unsre Füße so leicht gleiten. Das ist aber unser Trost und unsre Freude, dass die Gnade ewig währt und allezeit zur Hand ist, uns aus der Gefahr zu reißen und da aufrecht zu halten, wo wir sonst ins Verderben stürzen würden. Zehntausendmal wohl hat sich dieser Bibelvers an etlichen unter uns bewährt, und sonderlich auch an dem, der diese Auslegung schreibt. Die Not war aufs höchste gestiegen, wir waren am Erliegen; die Gefahr war ganz augenscheinlich, wir sahen den Abgrund vor Augen, und der Anblick füllte uns mit Entsetzen; unser eigenes Herz ließ uns im Stich, wir meinten, es sei aus mit uns: da trat die Allmacht dazwischen; wir stürzten nicht, eine unsichtbare Hand hielt uns, die List des Feindes wurde zu Schanden und wir jubelten vor Freude. O du treuer Menschenhüter, sei gepriesen immer und ewiglich! Wir wollen den HERRN preisen allezeit, sein Lob soll immerdar in unserem Munde sein!

19. Ich hatte viel Bekümmernisse in meinem Herzen, oder wörtlich: Wenn der (schweren) Gedanken in meinem Innern viel waren, wenn ich von Zweifeln, Sorgen, verwirrenden Fragen und bangen Ahnungen hin und her getrieben wurde, ich dann aber zu dir, meiner wahren Ruhe, Zuflucht nahm, so ergötzten deine Tröstungen meine Seele. Ja, von meinen sündigen, meinen eitlen, meinen traurigen Gedanken, von meinen Schmerzen, meinen Sorgen, meinen Kämpfen will ich zum HERRN fliehen; er hat göttliche Tröstungen, die werden mich nicht nur beruhigen, sondern wahrhaft ergötzen. Wie köstlich ist der Trost, mit dem der Heilige Geist das Herz erfüllt! Wer kann über Gottes ewige Liebe, über seine unwandelbaren Ratschlüsse, über die Bundesverheißungen, die vollbrachte Erlösung, den auferstandenen Heiland, seine enge Verbindung mit seinem Volk, die kommende Herrlichkeit und andere dergleichen Wahrheiten nachsinnen, ohne das Herz vor Freuden hüpfen zu fühlen? Zwar ist die kleine Welt in uns wie die große Welt außer uns voller Verwirrung und Streit; aber wenn Jesus eintritt und uns sein " Friede sei mit euch" zuflüstert, zieht heilige Stille, ja entzückende Wonne ins Herz ein. Wenden wir uns hinweg von der traurigen Betrachtung des gegenwärtigen Vorherrschens der Gottlosen und der Bedrückungen, die sie üben, hin zu jenem Heiligtum der vollkommenen Ruhe, die bei dem Gott alles Trostes zu finden ist.

20. Du wirst ja nimmer eins mit dem schädlichen Stuhl,
der das Gesetz übel deutet.
21. Sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten
und verdammen unschuldig Blut.


20. Du wirst ja nimmer eins mit dem schädlichen Stuhl. Der Grundtext stellt diesen Satz eigentlich als Frage hin: Hat auch Gemeinschaft mit dir der schädliche Stuhl? Solcher "schädlichen Stühle", solcher Richter- und Königsthrone, von denen Unheil und Verderben statt Gerechtigkeit und Segen ausgehen, gibt es auf Erden, und sie machen ein göttliches Recht für sich geltend 6; aber ihr Anspruch entbehrt allen Grundes und ist ein Betrug an der Menschheit und eine Lästerung des Himmels. Gott verbündet sich niemals mit ungerechten Machthabern und bestätigt niemals gottlose Gesetzgebung und -handhabung. Der auf Grund von Rechtssatzung Unheil schafft. (Wörtl.) Sie deuten das Gesetz übel, wie Luther übersetzt, sie drehen Gottes heiliges Wort so lange, bis sie damit ihr alles Recht mit Füßen tretendes Verfahren scheinbar rechtfertigen können. Oder es ist von Satzungen die Rede, die sie selber aufstellen. Sie machen Raub und Gewalttat zu Gesetz und Recht und versteifen sich dann darauf, das sei eben Gesetz des Landes; das mag es in der Tat sein, nichtsdestoweniger ist und bleibt es Gottlosigkeit. Mit großem Fleiß schaffen Menschen Verordnungen, die jeden Einspruch unwirksam machen, so dass das Böse dann die geltende Ordnung, eine bleibende Einrichtung wird. Aber eins ist unerlässlich für alles, was wirklich Beständigkeit haben soll, und das ist Gerechtigkeit. Fehlt dies eine, so müssen alle Einrichtungen der Gewalthaber doch zunichte werden und alle ihre Erlasse und Verfügungen im Laufe der Zeit aus dem Gesetzbuch getilgt werden. Nichts hält dauernd stand als das unparteiische Recht. Keine Ungerechtigkeit kann ewig währen, denn Gott gibt sein Siegel nicht dazu und hat keine Gemeinschaft damit. Darum muss jeder noch so stolze Bau, den die Ungerechtigkeit aufrichtet, zusammenbrechen, und das wird ein glücklicher Tag sein, da man das Knistern und Krachen hört, und sieht, wie die Trümmer berstend zu Boden sinken.

21. Sie scharen sich zusammen wider die Seele (das Leben) des Gerechten. 7 In hellen Haufen dringen sie auf den Gerechten ein. Sie haben die Masse für sich und gehen mit der Begeisterung, welche ihnen ihre große Zahl und ihre Einmütigkeit verleihen, daran, ihre schwarzen Pläne gegen die Heiligen auszuführen. Um jeden Preis sind sie entschlossen, ihre Willkürherrschaft zu behaupten und die Partei der Frommen zu untertreten. Und verdammen unschuldig Blut. Groß sind sie in der Kunst, zu verleumden und fälschlich zu beschuldigen und zu verurteilen; sie schrecken vor keinem Verbrechen zurück, wenn sie damit diejenigen, die dem HERRN dienen, unterdrücken können. Diese Schilderung hat sich in so manchen Verfolgungszeiten als geschichtliche Wahrheit erwiesen. Solche Gräuel sind in England dagewesen, und sie mögen wieder eintreten, wenn das römische Wesen unter uns zukünftig in demselben Maße fortschreitet wie in den letzten vergangenen Jahren. Die herrschende Partei hat das Gesetz auf ihrer Seite und pocht darauf, dass sie die Landeskirche ist; aber das Gesetz, welches einer Konfession mehr Rechte als einer andern zuerkennt, ist eine gründliche Ungerechtigkeit. Gott hat daran kein Teil. Darum wird die Synagoge des Ritualismus noch einmal bei allen geistlich gesunden Menschen stinkend werden. Doch, es ist nicht unsere Sache, vorauszusagen, was für böse Zeiten uns noch aufbehalten sein mögen; aber wir wollen alles den treuen Händen dessen überlassen, der mit einem System, das andere unterdrückt, keine Gemeinschaft haben kann, und der es nicht auf immer dulden wird, dass ihm von Götzen und ihren Priestern ins Angesicht Hohn gesprochen wird. 8

22. Aber der HERR ist mein Schutz;
mein Gott ist der Hort meiner Zuversicht.
23. Und er wird ihnen ihr Unrecht vergelten
und wird sie um ihre Bosheit vertilgen;
der HERR, unser Gott, wird sie vertilgen.


22. Mögen die Boshaften sich zusammenscharen und auf ihn eindringen, der Psalmist fürchtet sich dennoch nicht, sondern singt gar lieblich: Aber der HERR ist mein Schutz (wörtl.: meine Burg); mein Gott ist der Hort meiner Zuversicht. Fest wie ein Fels ist Jehovahs Liebe; dahin fliehen wir, um uns zu bergen. Bei ihm, ja bei ihm allein finden wir sicheren Schutz, tobe die Welt, wie sie will. Wir begehren keine Hilfe von Menschen, sondern lassen uns gern daran genügen, uns an dem Busen der Allmacht zu bergen.

23. Die unausbleibliche Wirkung der Unterdrückung ist die Vernichtung des Wüterichs; seine eigenen Untaten zermalmen ihn bald. Die Vorsehung sorgt in ebenso merkwürdiger wie gerechter Weise für die Vergeltung. Schwere Verbrechen führen schließlich schwere Gerichte herbei, welche die Gottlosen von dem Erdboden hinweg fegen. Ja, Gott greift selber in unmittelbarer Weise ein und schneidet den Tyrannen den Lebensfaden ab, während sie mitten in ihrem verbrecherischen Tun sind. Ruchlose Menschen werden oft von den Häschern der göttlichen Gerechtigkeit ergriffen, wenn das Blut ihrer Opfer noch frisch an ihren Händen ist und unwiderleglich ihre Schuld beweist. Und er wird ihnen ihr Unrecht vergelten und wird sie um ihre Bosheit oder, wie die Alten übersetzt haben, in ihrer Bosheit vertilgen. Während das gestohlene Brot noch in ihrem Munde ist, erschlägt sie der Zorn des HERRN; während der übel erworbene Goldklumpen noch in ihrer Hütte ist, ereilt sie das Gericht. (Vergl. 4. Mose 11,33; Jos. 7,21.) Gott selber sucht ihre Sünde vor aller Augen heim und offenbart seine Macht in ihrem Verderben. Ja, der HERR, unser Gott, wird sie vertilgen.
Das ist der Schluss der Sache. Der Glaube deutet die Gegenwart im Licht der Zukunft und singt sein Siegeslied, ohne dass seine Stimme auch nur bei einem Ton erzittert.

Fußnoten
5. Der Grundtext lautet wörtl.: Wer erhebt sich mir (zur Hilfe im Kampfe) mit den Boshaftigen? Wer tritt mir (zur Hilfe) auf (im Kampfe) mit den Übeltätern? Luthers Übers. ist demnach richtig, nur kommen die Zeitwörter sich erheben und auftreten nicht zur vollen Geltung.

6. Man vergl. den schon Band II, S. 701 zu Ps. 82 angeführten satirischen Ausdruck Popes: "Das göttliche Recht der Könige, schlecht zu regieren." Hier ist übrigens nach V. 21. 15 zunächst an ungerechte Richter gedacht.

7. So die engl. Bibel sowie manche Neuere, wie Kautzsch und Bäthgen, nach dem Targum. Andere (Delitzsch, Siegfr. und Stade): sie dringen ein auf usw.

8. Zu dieser scharfen Auslassung Spurgeons über den Ritualismus vergl. man die Anm. zu Ps. 31,7, Bd. I, S. 567 f.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

V. 1. Es ist eine hebräische Rede, dass er spricht: Gott der Rache, d. i., welcher alleine soll und kann rächen. Solcherweise braucht St. Paulus auch oft, als Röm. 15,13: Gott der Hoffnung; item V. 5: Gott der Geduld und des Trostes. Und 2. Kor. 1,3: Gelobet sei Gott, der Vater aller Barmherzigkeit und Gott des Trostes, d. i., Gott, der die Hoffnung, Geduld, Trost gibt. Von seinen Werken gibt die Schrift Gott Namen. Weil aber niemand solche Werke tun kann, denn Gott alleine, führet billig auch niemand die Namen solcher Werke, denn er alleine. Niemand kann trösten, hoffend machen, geduldig machen und so fortan, denn Gott alleine; also kann auch niemand die Sünde strafen und das Böse rächen, denn er alleine. Denn wie sollten Menschen alle Bosheit rächen können, so sie nicht mögen allerlei Bosheit kennen? Ja, das mehrere Teil für Tugend halten, das doch böse und der Rache wert ist. Darum will der Name wohl allein Gott eigen bleiben. Martin Luther 1526.

HERR, Gott, des die Rache ist, erscheine! Es mag den Anschein haben, als stehe es einem gottseligen Menschen schlecht an, Gott mit solcher Heftigkeit aufzufordern, er möge sich als Rächer gegen die Gottlosen offenbaren, und so in ihn zu dringen, als wäre er unschlüssig und säumig. Aber wir müssen die Bitte in ihrem rechten Sinn auffassen. Der Psalmdichter bittet Gott nicht - und wir dürften das ebenso wenig tun -, in der Weise an den Gottlosen Rache zu üben, wie die Menschen sich, brennend vor Zorn und Hass, an ihren Feinden zu rächen pflegen; sondern er bittet, dass der HERR seine Widersacher nach seiner göttlichen Weise und seinem göttlichen Maße strafe. Gottes Art zu strafen ist meistens eine Arznei wider das Übel; unsre Rache zerstört manchmal auch das Gute. Darum gebührt auch eigentlich Gott allein die Rache. (Röm. 12,19) Denn wenn wir meinen, wir hätten unseren Feind richtig bestraft, sind wir oft sehr im Irrtum. Was hat der Leib unseres Widersachers uns für Leid angetan? Und doch suchen wir gerade in der Vernichtung dieses Leibes unserer Erbitterung Genüge zu tun. Was dich verletzte, was dir Schaden und Schande brachte, das war der Geist deines Feindes, und diesen seinen Geist kannst du nicht greifen noch halten; aber Gott kann es. Er allein hat solche Macht, dass der Geist sich seiner Gewalt in keiner Weise erwehren kann. Darum überlass Gott die Rache, er wird vergelten. Er warnt uns vor der Gefahr, dass wir, wenn wir mit eigner Hand die erlittene Unbill und Schmach rächen wollen, uns selber schließlich mehr Schaden zufügen als dem Feinde; denn wenn wir uns an ihm rächen, so verwunden und vergewaltigen wir wohl seinen Leib, der doch an sich nichtig und unwert ist - uns selber aber tun wir schweren Schaden an unserem besten und edelsten Teil, unserem Geiste. Darum wollen wir, wie der Psalmist hier, Gott bitten, dass er der Rächer des uns zugefügten Unrechts sein wolle; denn er allein hat das rechte Urteil und kann die rechte Rache üben, und zwar in solcher Weise, dass nur das, was uns Schaden getan hat, gestraft wird. Hat dich irgendein habgieriger Mensch um Geld betrogen, so möge Gott seinen Geiz strafen; hat ein hochmütiger Mann dich mit Verachtung behandelt, so möge Gott seinen Hochmut richten, usw. Das ist eine Rache, die wohl würdig ist, von Gott geübt und von uns erfleht zu werden. Kardinal Jakopo Sadoleto † 1547.

Die Rache kann ein Ausbruch leidenschaftlichen Zornes, aber auch eine Tat vergeltender Gerechtigkeit sein. Nur wenn man diesen wesentlichen Unterschied nicht beachtet, kann man, wie es so mancher Spötter getan, Gott eine rachsüchtige Gesinnung andichten, als hätte er ein Wohlgefallen daran, sich an einem Widersacher in solch unreiner Weise zu rächen, wie es den sündigen Menschen eigen ist. Der Aufruf, welchen der Psalmdichter hier an Gott richtet als an den, des die Rache ist, bedeutet nichts anderes, als wenn er gesagt hätte: Gott, des die Gerechtigkeit ist. Die Rache geziemt in der Tat nur Gott, nicht dem Menschen, weil sie bei den Empfindungen und Neigungen des Menschen alsobald ausartet. Der Mensch macht sich, wenn er an dem Bösen Rache nehmen will, dem Bösen gleich, Gott aber erweist sich in der Rache als der Höhere und Bessere. Barton Bouchier 1855.

Brich hervor, spricht er. Denn das hebräische Wort heißt ja, sich hervortun, herausbrechen wie ein Glanz und sich sehen lassen und an den Tag kommen, dass es jedermann sehe. Vergl, 5. Mose 33,2. Also will er hier auch sagen: Tyrannen und falsche Propheten haben überhand genommen, die haben sich herausgetan und lassen sich sehen und gehen im Schwange; du aber schweigest stille, verbirgst dich, als wärest du begraben und könnest nicht mehr; denn du wehrest und strafst nicht solche Bosheit. Darum bitten wir: Brich doch auch einmal hervor, gucke heraus und lass dein Antlitz blicken wider sie; und das billig, denn du bist ein Gott der Rache, dir gebühret je zu rächen und zu strafen.
Hier will sichs fragen, wie fromme, geistliche Leute mögen um Rache bitten, weil Christus Mt. 5,44 spricht: Liebet eure Feinde. Antwort: Glaube und Liebe sind zweierlei. Glaube leidet nichts, Liebe leidet alles; Glaube flucht, Liebe segnet; Glaube sucht Rache und Strafe, Liebe sucht Schonen und Vergeben. Darum, wenn es den Glauben und Gottes Wort antrifft, da gilt es nicht mehr lieben oder geduldig sein, sondern eitel zürnen, eifern und schelten. Es haben auch alle Propheten so getan, dass sie in Glaubenssachen keine Geduld noch Gnade bewiesen haben. Martin Luther 1526

V. 3. Wie lange sollen die Gottlosen prahlen? Die Antwort gibt der 23. Vers: Er wird sie in ihrer Bosheit vertilgen. Sie sind nicht zu heilen; sie werden nimmer ablassen, Böses zu tun, bis sie der Tod dahinrafft. Der Fromme spricht: "Ob Gott mich auch tötet, will ich doch auf ihn hoffen"; mancher Gottlose aber sagt (tatsächlich, wenn auch nicht den Worten nach): "Bis Gott mich umbringt, will ich von der Sünde nicht lassen." Joseph Caryl † 1673.

V. 3.4. Prahlen, trotziglich reden, sich rühmen. In den Ausdrücken selbst, die der Psalmist zu seiner Klage über die Übermacht der Gottlosen verwendet, liegt Trost verborgen; denn er braucht drei oder eigentlich vier Ausdrücke, welche Worte und Gebärden, und nur einen Ausdruck (Übeltäter), der ein Tun bezeichnet, und zeigt damit unwillkürlich an, dass sie mit der Zunge mehr leisten als mit der Hand. Kard. Hugo a St. Caro † 1263.

Prahlen. Das hebräische Wort bezeichnet eigentlich das Frohlocken. Sie sind gar guter Dinge, weil es ihnen so wohl gehet und alle ihre Anschläge gelingen, und geben ihrem Übermut und ihrer Schadenfreude mit Worten und Gebärden Ausdruck. Sie triumphieren und spreizen sich dabei wie ein Pfau. V. 4 fängt im Grundtext an: sie sprudeln über, wie eine Quelle, die mächtig aus dem Felsen hervorquillt. Damit wird angedeutet, wie sie ihre vermessenen Reden in mächtigem Schwall, mit lautem Getöse, mit Hast und Eifer hervorstoßen und verschwenderisch ausschütten. Thomas Le Blanc † 1669.

Sie sprudeln über. Beide, Tyrannen und Ketzer, sind so gar mächtig worden, dass die Tyrannen von ihrem Dinge also frei waschen und plaudern, als sei ihr Ding allein alles und unser Ding gar nichts. Desselbigengleichen, die Ketzer haben sich auch aufs Waschen gegeben, dass man nichts höret denn ihre Träume. Unsere Lehre und Glaube kann kaum dafür mucken. Gleichwie ein siedender Topf mit Blasen schäumet und übergehet, also schäumen sie und gehen auch über mit vielem Gewäsche, des ihr Herz voll ist. Denn es siedet und kocht vor großer Hitze und Lust auf ihre Träume, und können weder schweigen noch andern zuhören. Martin Luther 1526.

V. 6. Es ist ein unbarmherzig Ding um die Verfolger des Worts Gottes. Denn der Teufel reitet sie gar mehr denn alle andere; denn der Teufel ist Gottes Wort feind über alle andere Dinge. Martin Luther 1526.

Witwen und Waisen. Philo von Alexandrien († um 54) hebt hervor, wie sehr diese Bezeichnungen auf das israelitische Volk passen, da es keinen Helfer hatte als Gott allein, weil es durch seine eigentümlichen Ordnungen und Sitten von allen anderen Völkern getrennt war, während die heidnischen Völker durch den regen Verkehr und die Bündnisse, die sie miteinander hatten, sozusagen eine Menge Verwandte hatten, die ihnen in der Not beistehen konnten. James Millard Neale 1860.

V. 7. Die göttlichen Namen sind hier wieder, wie gewöhnlich, sehr bezeichnend. Dass Jehovah, der vermöge seines eigenen Wesens seiende, ewige Gott, nicht sehen solle, ist eine handgreifliche Ungereimtheit; und kaum weniger, dass der Gott Jakobs sich nicht darum kümmern solle, wenn sein eigenes Volk hingeschlachtet wird. Joseph Addison Alexander 1850.

V. 9. Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der usw. So müsste er etwas geben, das er selbst nicht hätte. Nun er aber Ohren und Augen gibt, müsset ihr fürwahr blinde, tolle Narren sein, die ihn nicht kennen, dass ihr sagt, er sehe und höre nicht. Martin Luther 1526.

Soll der Urheber der Sinne selbst ohne Sinne sein? Unser Gott ist nicht wie der kretische Jupiter, der ohne Ohren dargestellt wurde und sich nicht die Muße nehmen konnte, auf kleine Dinge zu achten. Er ist ou)j kai nouj und ebenso o(lofqalmoj, ganz Auge, ganz Ohr. John Trapp † 1669.

Kann etwas Treffenderes auch zu unserer Zeit gegen die Gattung Philosophen gesagt werden, die, dass Absicht in der Natur sei, leugnen? Alles, was sie von dem toten Abstraktum "Natur" vorbringen, schrieben die Heiden ihren Götzen zu, und was die Propheten gegen diese sagen, gilt auch gegen jene. Joh. Gottfried von Herder † 1803.

Lieber, lernet Gott aus euren eignen Leibes- und Seelenkräften erkennen. Der ein verständig Herz gemacht hat, sollte der selbst nicht verstehen? Der ein gerechtes Herz geschaffen, sollte der selbst nicht gerecht sein? Der ein barmherziges Herz gemacht hat, sollte der nicht ein Vaterherz haben? Johann Arnd † 1621.

Das Hörorgan ist in allen seinen wichtigeren Teilen so im Kopfe verborgen, dass wir durch eine bloß äußerliche Untersuchung seinen Bau gar nicht erkennen können. Was wir gewöhnlich das Ohr nennen, ist nur die Vorhalle oder das Eingangstor zu einer merkwürdigen Reihe gewundener Gänge, die etwa wie die Vorsäle in einem großen Gebäude von der Außenwelt in die inneren Gemächer führen. Etliche dieser Gänge sind mit Luft angefüllt, andere enthalten eine Flüssigkeit. An gewissen Stellen sind Häutchen ausgespannt, die in Schwingungen versetzt oder zum Zittern gebracht werden können, gerade wie das Fell einer Trommel, wenn sie mit dem Schlägel bearbeitet wird. Zwischen zweien dieser pergament-ähnlichen Vorhänge befindet sich eine Reihe winziger Knöchelchen, die dazu dienen, diese Häutchen zu spannen oder zu lockern und sie in Schwingungen zu versetzen. Im Innersten des Ohres enden feine Fäden, wir nennen sie Nerven; diese erstrecken sich, den Saiten eines Klaviers ähnlich, von den letzten Punkten, wohin die Schwingungen oder Zitterwellen reichen, bis in das Gehirn hinein. Wenn diese Nervenfasern zerstört werden, ist das Hörvermögen unrettbar verloren, gerade wie ein Klavier oder eine Geige die Fähigkeit verlieren, einen Klang zu erzeugen, wenn die Saiten zerbrochen werden. Wir wissen übrigens über das Ohr viel weniger als über das Auge. Das Auge ist eine einzige Kammer, dem Lichte geöffnet. Da kann man hineinsehen und wahrnehmen, was darin vorgeht. Das Ohr aber hat viele Kammern, und die vielen gewundenen Stollen, welche die felsenartigen Schädelknochen durchdringen, sind eng und uns verschlossen wie die Kerker einer Burg und wie diese ganz finster. So viel ist uns aber bekannt, dass eben in den innersten Tiefen dieser unbeleuchteten elfenbeinernen Gewölbe der Geist sich des Schalles bewusst wird. In diese düstern Zellen dringt die Seele immerfort ein, ebenso wie in die helle Kammer des Auges, und fragt nach den Neuigkeiten der Außenwelt. Wie in alten Zeiten in verborgenen unterirdischen Höhlen, wo die Menschen in Stille und Finsternis auf die Äußerungen der Orakel lauschten, so hallen auch hier immer wieder Töne von den einschließenden Wänden wieder und kommen dem harrenden Geiste Antworten zu, wenn die Welt ihre Stimme laut werden lässt und zu der Seele spricht. Der Klang ist der einer gedämpften Stimme, ein leises aber deutliches Flüstern; denn wie, was wir sehen, nur ein matter Schatten der Außenwelt ist, so ist auch, was wir hören, nur ein schwacher Widerhall derselben. George Wilson 1861.
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Erläuterungen und Kernworte

V. 9. Das Auge. Unser leibliches Wohl fordert, dass wir die Fähigkeit besitzen, die Welt in allen den Beziehungen zu erfassen, in denen die Materie oder deren Kräfte unser Dasein beeinflussen können. Diesem Bedürfnisse wird durch die Leistungsfähigkeiten unserer Sinne vollkommen entsprochen. - Wie beschränken unsre Aufmerksamkeit oft zu ausschließlich auf den bloßen Mechanismus des Auges oder des Ohres, ohne darauf zu achten, wie sehr die Sinne sich gegenseitig ergänzen, und ohne zu erwägen, wie die Welt auf die Tätigkeit der Sinne eigens eingerichtet ist. Das Auge wäre ohne alle die eigentümlichen Eigenschaften des Lichtes nutzlos; das Ohr hätte in einer Welt, die nicht von einer Atmosphäre umgeben wäre, keine Macht. Das Sehvermögen setzt uns in den Stand, Gefahren zu meiden und Entferntes, dessen wir bedürfen, zu suchen. Was für eines ungeheuren Aufwands von Zeit und Mühe bedürfte es für den Menschen, wenn er blind wäre, das zu lernen, was dem Sehenden ein einziger Blick vermittelt. Ein Geschlecht von Blinden könnte auf unserer Welt gar nicht bestehen.

Schon der Gesichtssinn an sich müsste uns, als ein Mittel, uns der von uns bewohnten Welt anzupassen, bei aufmerksamer Betrachtung in seinen Wirkungen wunderbar und als der Erfindungskraft der höchsten Intelligenz würdig erscheinen, auch wenn wir von den Einrichtungen nichts wüssten, durch welche uns das Sehen ermöglicht wird. Wir können uns zwar das Sehvermögen auch als unmittelbare, geistige Wahrnehmung, die sich ohne Hilfe des Lichtes oder eines dem Auge entsprechenden besonderen Organes vollzöge, denken. Aber so wie wir beschaffen sind, sehen wir nur durch die Vermittlung des Lichtes und nehmen das Licht nur durch ein besonderes Organ und die Gegenstände nur vermöge der besondern Bildung dieses Organes wahr. Von allen diesen eigentümlichen Wechselbeziehungen zwischen dem Licht und den Gegenständen sowie zwischen dem Licht und dem Auge ist nicht eine einzige eine dem Stoff anhaftende Notwendigkeit. Wir könnten uns, im Allgemeinen, eine ganze Reihe anderer Einrichtungen denken; und doch ist unter den für uns gegebenen Verhältnissen die vorliegende die einzige, durch welche das vorgesetzte Ziel erreicht werden kann... Das Wesen, welches das menschliche Sehorgan ausgedacht hat, muss alle Eigenschaften des Lichtes und ebenso alle Bedürfnisse des Geschöpfes, welches das Organ gebrauchen sollte, vollkommen gekannt haben. Unser Auge ist zwar in einem gewissen Grade in seiner Fähigkeit beschränkt, entspricht aber dennoch vollkommen den gewöhnlichen Erfordernissen des Lebens. Und tritt für den Menschen das Bedürfnis ein, das Sehvermögen irgendwie für Fernes oder Nahes zu vergrößern, so braucht er nur das Auge zu studieren und danach Werkzeuge zu bilden, die dessen Sehkraft verschärfen, wie er denn überhaupt, wenn im Fortschreiten der Bildung die Zeit dafür gekommen ist, durch Kunst und Wissenschaft die Kraft fast aller seiner physischen Fähigkeiten verstärken kann. Für die gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens ist es aber nicht erforderlich, dass unser Auge die Eigenschaften des Mikroskopes oder Teleskopes habe.

Das Auge ist ein wunderbares Werkzeug, aus verschiedenen Teilen, aus festen und flüssigen Stoffen, aus durchsichtigen und undurchsichtigen Geweben, aus Vorhängen, Linsen und Schutzwänden zusammengesetzt. Der Mechanismus lässt sich aufs genaueste untersuchen und der Zweck eines jeden Teiles so vollkommen erkennen, wie bei irgendeinem Erzeugnis der menschlichen Erfindungskunst. Wir wollen denn jeden Teil untersuchen, als ob wir ein Mikroskop zerlegten. Zunächst haben wir den festen Behälter, der die ganze Maschinerie umschließt und an dem die Seile und Züge des kunstvollen Mechanismus befestigt sind. Diese Hülle, die an dem hintern Teil und an den Seiten des Auges undurchsichtig, weiß und silberglänzend ist, wird vorne, wo das Licht eindringen soll, auf einmal durchsichtig wie der klarste Krystall. Darinnen ist noch ein Überzug, der sich vorne ebenso plötzlich in einen dunkeln Schirm verwandelt, durch dessen Gewebe kein Lichtstrahl dringen kann. Dieser Schirm ist selbsttätig, vermöge eines Netzwerkes, das an Feinheit von Menschenkunst niemals erreicht wird. Ob er sich ausdehnt oder zusammenzieht, seine Öffnung in der Mitte bleibt stets ein vollkommen runder Kreis, dessen Größe sich genau nach der Stärke des einfallenden Lichtes richtet. Das Auge selbst bestimmt, ganz ohne unser Zutun, wieviel Licht in dasselbe eindringen soll. Nun kommt die Verbindung mit dem Gehirn, dem Zentralsitz der Denk- und Sinnentätigkeit des Wesens, dem die Einrichtung dienen soll. Die beiden genannten Bekleidungen des Auges sind hinten durchbohrt, und ein von dem Gehirn ausgehender Faden oder Draht geht durch diese Öffnung hindurch und breitet sich im Auge zu einem feinen Lichtschirm aus, auf den die Bilder geworfen werden. Zur Ausfüllung des größeren Teils des Hohlraumes dient eine klare Gallerte, und darinnen ist eine an kunstvollem Bau unerreichbare Linse eingebettet, welche die Lichtstrahlen bricht und das Bild auf den vorgedachten empfindlichen Schirm wirft. Vor dieser Linse ist wieder eine feuchte Masse, aber nicht eine gallertartige wie diejenige hinter ihr, sondern eine wässerige Flüssigkeit, weil in ihr die Iris oder Regenbogenhaut wie eine zarte, gefranste Scheibe gleichsam schwimmen muss. So haben wir denn im Auge ein so vollendetes Kunstwerk, dass das Höchste, das der Mensch erstreben kann, eine Nachbildung desselben ist, ohne dass er je dessen Vollkommenheit zu erreichen hoffen kann.

Aber nicht nur der künstliche Bau des eigentlichen Auges, auch die andern zum Gebrauch desselben dienenden Einrichtungen sind unserer Beachtung wert. Zunächst bemerken wir, dass in dem harten Gebein eine Höhlung für das Auge bereitet ist, mit den nötigen Rinnen und Durchlässen. In diesem Kasten ist es in weichen, elastischen Kissen gebettet und an Schnüren und Hebezeug befestigt, damit es sich rasch und nach allen Richtungen bewegen könne. Die äußere Hülle, die Augenlider, dienen zur Bedeckung, wenn es nicht in Gebrauch ist, und zum Schutz, wenn ihm Gefahr droht. Die zarte Franse am Rande braucht nie beschnitten zu werden; sie ist wie ein gut gebautes Schanzwerk aufgerichtet, und die Spitzen sind alle zierlich zurückgebogen, damit kein Lichtstrahl durch sie gehemmt werde. Oberhalb ziehen sich die Augenbrauen als ein anderer Schutzwall hin, der die ätzenden Zuflüsse, die von der Stirn herabkommen, ableitet, während ganz nahe beim Auge eine Drüse liegt, die den ganzen Augapfel mit einer klaren Flüssigkeit benetzt, wodurch jeder Reibung vorgebeugt, die äußere Linse vom Staube freigehalten und beständig zum Gebrauche glatt erhalten wird. Bedenken wir dies alles, wie das Auge so vollkommen unseren Bedürfnissen entspricht, wie jeder Teil desselben nach streng technischen und optischen Gesetzen eingerichtet ist, und wie zweckmäßig für völligen Schutz gesorgt ist, so müssen wir das Werkzeug als vollkommen erklären und als das Werk eines Wesens, das dem Menschen ähnlich, aber auch über den tüchtigsten menschlichen Künstler unendlich erhaben ist. Was sollen wir dazu sagen, dass dies Werkzeug zubereitet worden ist, lange bevor es zur Verwendung kam, dass es einen Mechanismus in sich birgt, durch welchen es sich selbst in gutem Zustand erhält, und dass der Erzeuger nicht nur das mannigfaltige Material zurichtete, sondern auch selber der Chemiker war, der alle diese Stoffe aus Staub der Erde bildete? P. A. Chadbourne 1867.

Sollte der nicht sehen? Ein Götze oder ein Heiliger, der wirklich den Blick eines reinen Auges in das Gewissen seiner Anbeter senkte, würde nicht lange verehrt werden; das Gras würde bald um seinen Altar wachsen. Einen sehenden Gott kann der Götzendiener nicht brauchen; er muss einen blinden Gott haben. Die erste Ursache des Götzendienstes ist der Wunsch des unreinen Herzens, dem Blick des lebendigen Gottes zu entrinnen; darum passt da nichts als ein totes Bildnis. William Arnot 1858.

Die drei besten Schutzmittel gegen das Fallen in die Sünde sind, nach einem weisen Rat der Rabbinen, diese: stets daran zu gedenken, dass es erstens ein Ohr gibt, das alles hört, zweitens ein Auge, das alles sieht, und drittens eine Hand, die alles in das Buch des Wissens schreibt, welches am jüngsten Tage geöffnet werden wird. James Millard Neale 1860.

V. 10. Der unterweist die Völker, sollte er nicht rügen? (Grundtext) Die ersten hebräischen Worte versteht man gewöhnlich: der Völker (oder Heiden) züchtigt, und den logischen Schluss des ganzen Satzes: ob Gott, der ganze Völker straft um ihre Untaten, solche einzelne Übeltäter ungestraft lassen werde (oder auch Heiden, die doch sein Gesetz nicht kennen, im Gegensatz mit Israeliten), also ein Beweis vom Größeren aufs Kleinere. Allein da das zweite Zeitwort (strafen) kein Objekt bei sich hat, so kann der Schluss nicht auf die Objekte gehen, sondern nur auf die Verba: von einer Handlung Gottes auf die andre. Folglich kann (gegen Luther) das erste Zeitwort hier nicht gleichbedeutend mit dem zweiten sein, also nicht züchtigen, strafen bedeuten, sondern in diesem Zusammenhang und im Parallelismus mit lehren nur erziehen, mahnen, warnen; also göttliche Belehrung und Erziehung des Menschen, gleich der väterlichen des Sohns, wie vom israelitischen Volk 5. Mose 4,36; 8,5; 21,18; hier eine allgemeine aller Völker (durch die Gewissen wie Röm. 1,20; 2,14 f.), da das Objekt derselben die gojim, die Völker oder Heiden sind, die nach dem Parallelismus mit Menschen hier Menschen überhaupt bezeichnen, im Gegensatz mit der besonderen Offenbarung an die Israeliten. Eine für das Alte Testament merkwürdige Stelle: 1) Die paulinische Idee einer göttlichen Erziehung aller Menschen vermittelst der innern Offenbarung Gottes im Gewissen und der fortgehenden Einwirkung auf dasselbe, die dem Alten Testament nahe lag durch den Begriff des göttlichen Ebenbildes und der Gotteskindschaft, aber dem Partikularismus schwer zu begreifen fällt und ja selbst der christlichen Theologie so lange abhanden gekommen war. 2) Der sinnige Schluss von dieser Erziehung (sittlichen Leitung und Belehrung) auf die richterliche Tätigkeit. - Nach Prof. Hermann Hupfeld 1862.

V. 11. Der HERR weiß die Gedanken der Menschen. Der Gedanken des Menschenlebens - wie viele Millionen sind ihrer an einem Tage! Das Blinzen des Auges geschieht nicht so schnell wie das Aufblitzen der Gedanken. Und diese tausende und abertausende von Gedanken, die von dir ausgehen - sie alle sind Gott bekannt! Anthony Burgeß 1656.

Dass sie eitel sind. Wie demütigend, dass solches nicht von den leblosen oder wenigstens den vernunftlosen Geschöpfen gesagt ist, sondern von dem Menschen, dem Herrn der Schöpfung, dem wichtigen Gliede in der Reihe der Kreaturen, das Sterblichkeit und Unsterblichkeit in sich vereinigt. Wie demütigend, dass diese Anklage nicht dem sinnlichen oder sterblichen Teil des Menschen gilt, sondern seinem geistigen Teil, den Gedanken, durch welche wir gerade den uns umgebenden Geschöpfen so weit überlegen sind. Wie demütigend, dass diese Wahrheit nicht jene leichten, luftigen Spielereien der Einbildungskraft trifft, die, wie die Mücken in der Luft an einem Sommerabend, allezeit in unserem Sinne schwärmen, sondern die ernsthaften Erzeugnisse unseres Denkvermögens, unsere Pläne, Erfindungen und Vorsätze. Würde Eitelkeit nur unseren Kinderjahren zur Last gelegt, so wäre das weniger erstaunlich; aber die Anklage richtet sich gegen den Menschen überhaupt, auch gegen den zur vollen Reife gekommenen Mann. Und das Urteil kommt von einer Seite her, die jeden Widerspruch ausschließt: Der HERR weiß die Gedanken der Menschen, dass sie eitel sind. Andrew Fuller † 1815.

Sie (die Menschen) sind ein Hauch. (Grundtext) Die syrische Übersetzung hat: sie sind ein Dampf. Vergl. Jak. 4,14. John Gill † 1771.

V. 12. Wohl dem, den du, HERR, züchtigest. Lasst uns betrachten, wie mancherlei Segnungen die Trübsal bringt, wenn sie von dem Geiste Gottes geheiligt wird. 1) Der große Gott benutzt die Trübsal oftmals dazu, Sünder zu bekehren und zu einer geistlichen Erkenntnis seines Sohnes zu bringen. 2) Nach der Bekehrung heiligt er die Trübsal dazu, die Überreste der einwohnenden Sünde in den Seinen zu schwächen und ihnen Furcht vor weiterem Sündigen einzuflößen. 3) Gott segnet den Gläubigen die Trübsal zum Wachstum in der Gnade und bildet sie dadurch zu immer größerer Ähnlichkeit mit ihm. 4) Gott vermehrt dadurch ihre Erkenntnis in göttlichen Dingen. Siehe unseren Vers und Ps. 119,71. 5) Gott treibt die Seinen durch die Trübsal dazu, häufiger und vertrauter ihm in Gebet und Flehen zu nahen. 6) Er macht sie dadurch mit den Eigenschaften seines Wesens besser bekannt. 7) Er gestaltet sie dadurch mehr seinem Sohne ähnlich. 8) Er überwindet dadurch ihren Stolz. 9) Er zeigt ihnen in den Zeiten der Heimsuchung oft deutlicher als sonst das Gnadenwerk in ihren Herzen und erquickt ihre Seelen mit dem Trost des Heiligen Geistes. 10) Er entwöhnt ihre Herzen von der Liebe zur Welt und macht sie dadurch besser zum Himmel geschickt. - Nach John Farmer 1744.

Züchtigest und lehrest usw. Die Trübsal lehrt uns nichts Neues, nichts, das nicht im Wort enthalten wäre; aber sie lehrt uns aufs Wort merken, sie bricht die Starrheit unseres Herzens und macht es empfänglich für die Eindrücke des Wortes. In eben der Weise ist das Gesetz unser Zuchtmeister auf Christum. - So richtet der Prophet den Blick der bedrängten Frommen nicht nur darauf, dass Gott die Freveltaten der Unterdrücker merkt und sie bestrafen wird, sondern auch auf den Segen, den die Trübsal selbst den Frommen bringen soll. Nicht die stolzen Unterdrücker, sondern die elenden Frommen sind doch die wahrhaft glücklichen Leute. - Nach Daniel Dyke † 1624.

Die Rute allein hilft uns nichts, ja auch das Wort allein hilft uns nichts; zu beiden muss das unmittelbare Wirken Gottes durch seinen Geist hinzutreten, dann ist uns beides miteinander von Nutzen. Züchtigung und himmlische Unterweisung müssen zusammengehen, sonst bringt uns die Züchtigung keinen Gewinn. Joseph Caryl † 1673.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 13. Dass er Geduld habe, wörtl.: ihm Ruhe zu schaffen. Das ist das Ziel der göttlichen Erziehung, dass der Knecht des HERRN in Geduld harre, dass er innerlich zur Ruhe komme und nicht in seiner Standhaftigkeit erschüttert werde von den Tagen des Bösen (vergl. Ps. 49,6), da er die Bosheit sich ringsumher erheben sieht, aber anderseits auch mit dem Geistesauge wahrnimmt, wie die verborgene und geheimnisvolle Vergeltung langsam aber sicher heranreift. Mithin ist die hier gemeinte Ruhe die eines stillen, gefassten Geistes, wie Jes. 7,4; 30,15; 32,17; 57,19 f., und solche wird der HERR seinen Kindern schaffen oder geben. J. J. St. Perowne 1864.

Geduld. Ach, dass die schmerzlichen Tugenden unter uns wieder recht auflebten! Sie sind viel verachtet, sonderlich im Vergleich mit den, wie wir so sagen, rauschenden Eigenschaften, die in der Welt so hoch geschätzt werden. Aber ein stiller, sanfter Geist ist, wie ein zerbrochenes, gedemütigtes Herz, in Gottes Augen gar wert. Viele scheinen es gar vergessen zu haben, dass Stille und Sanftmut Tugenden und Früchte der Gnade Gottes sind. William S. Plumer 1867.

Bis dem Gottlosen die Grube bereitet werdet. Siehe, da hast du Gottes Ratschluss und den Grund, weshalb er den Boshaften verschont: es wird noch an der Grube für den Sünder gegraben. Du möchtest ihn alsbald unter die Erde bringen; aber die Grube wird eben gegraben, darum übereile dich nicht mit seinem Begräbnis. Aurelius Augustinus † 430

V. 15. Recht muss doch Recht bleiben. Siehe Johannis Huß Exempel an, der ist zur bösen Zeit mit Gewalt und Unrecht verdammt; jetzt ist Gerechtigkeit offenbar worden und preiset sein Recht, darwider nichts hat mögen helfen alles, was bisher das ganze Papsttum mit so viel Bannen, Predigen, Brennen, Toben hat versucht, ihre Anschläge sind doch zunichte worden. Also ging es den Juden mit Christo, den Römern mit den Christen usw. Martin Luther 1526.

V. 16. Wer steht bei mir usw. Mir scheint, David redet hier in seiner öffentlichen Stellung als Oberhaupt des Staates. Als Vater des Volkes beklagt er tief, dass die Gottlosen an Zahl und Anmaßung zunehmen, und nachdem er sich durch Gebet in Gott gestärkt hat, gibt er seinem Entschlusse Ausdruck, den Pflichten seines Amtes nachzukommen und die Macht, die Gott ihm gegeben hat, voll und ganz zur Ausrottung des Bösen und zur Reformation des gottvergessenen Volkes anzuwenden; und nun ruft er alle zu seinem Beistand auf, die Herz und Fähigkeit für dieses Werk haben, dessen Schwierigkeit er sich wohl bewusst ist. Bei dieser Deutung tritt uns dreierlei aus den Worten entgegen: 1) Der bedauerliche Zustand Israels. Denn es ist, als sagte David: So groß ist die Zahl und die Macht der Gottlosen, dass ich, wie sehr mein Herz auch entschlossen ist, alles daranzusetzen, um eine Reformation durchzuführen, doch kaum hoffen kann, das Ziel zu erreichen ohne die Mitwirkung wackerer, redlich gesinnter Männer. Und dennoch, ach, wie gering ist leider die Hilfe solcher Art, die ich erwarten darf! Wie wenige aufrichtige Freunde der Gottseligkeit gibt es! Wie stark und wie allgemein ist die Kälte und Gleichgültigkeit in den göttlichen Dingen! Der Text zeigt uns 2) die Pflicht der Obrigkeit, die Bosheit zu zügeln und einzudämmen, und 3) die Pflicht aller redlich Gesinnten, die Obrigkeit darin zu unterstützen und zu ermuntern. Richard Lucas 1697.

V. 19. Ich hatte viel Bekümmernisse in meinem Herzen usw. Dieser Vers redet von den mancherlei Gedanken, die einer hat in solcher Verzweiflung, wie er wolle oder möchte davonkommen. Da denkt er hierher und daher und sucht alle Winkel und Löcher, findet aber keine. So spricht er nun: Da ich in solcher Marter war und mich mit meinen Gedanken schlug, suchte hier und da Trost und fand doch nichts, da kamst du mit deinem Troste und ergötztest mich und hieltest dich freundlich zu meiner Seele, mit Sprüchen und Exempeln der Heiligen Schrift, dass ich wohl mag sagen: Selig ist der, den du züchtigest und lehrest durch deine Gesetze. Martin Luther 1526.

Deine Tröstungen ergötzten meine Seele. Xerxes pflegte große Belohnungen auszusetzen für den, der ein neues Vergnügen erfände; aber nur die Tröstungen des Heiligen Geistes sind wirklich erquickend, sie beleben das Herz. Der Unterschied zwischen den himmlischen und den weltlichen Tröstungen und Freuden ist so groß wie zwischen einem Festmahl, das genossen wird, und einem, das nur an die Wand gemalt ist. Thomas Watson 1660.

Trübsal und Not können wir uns wohl selbst bereiten, aber wahrer Trost kommt nur aus dem unerschöpflichen Quell, dem Gott allen Trostes. Thomas Adams 1614.

Den Psalm hat offenbar ein tief betrübter Mann geschrieben. Die Gottlosen, so klagt er, triumphieren über ihn, und das seit langem. Er findet keinen in der ganzen Welt, der ihm zur Seite tritt, um wider sie zu kämpfen. Und es hat sogar den Anschein, als hätte Gott ihn auch im Stich gelassen. Seine Feinde meinen es, und er ist nahe daran, es selbst auch zu glauben. Aber wie standen die Sachen in der Wirklichkeit? All die Zeit über hatte der HERR im Geheimen seiner Seele Tröstungen eingeflößt, und am Ende ergoss sich dieser Trost in reicher Fülle über ihn. Dem Anschein nach war er ein elender Mensch, tatsächlich aber war er wahrhaft glücklich; er hatte viel Trübsal, aber noch mehr Trost, ja Ergötzen. Charles Bradley 1845.

V. 20. Der auf Grund von Rechtssatzung Unheil schafft. (Wörtl.) Sie machen böse Gesetze und unterdrücken dann mit dem Schein von Gesetz und Recht die Unschuldigen. Summum jus, summa injuria: je höher das Gesetz, desto größer die Ungerechtigkeit. Wie oft wird vermittelst einer ruchlosen Auslegung des Gesetzes Unrecht verübt! Mit solchen, die mit dem Schwert der Gerechtigkeit Ungerechtigkeit treiben, wird Gott niemals Gemeinschaft haben. William Nicholson † 1671.

V. 23. Er wird ihnen ihr Unrecht vergelten usw. Die Gottlosen treiben ein schlimmes Werk: sie schmieden Ketten für die eigenen Füße und bauen Häuser, die ihnen selber auf den Kopf fallen werden. So unheilvoll ist das Wesen der Sünde, dass sie ihre eigenen Erzeuger verletzt und vernichtet. William Greenhill † 1677.

V. 20-23. (mit dem Vorhergehenden). Der Mann Gottes beruhigt sich zuletzt in dem unveränderlichen Recht Gottes, das er an den Gottlosen unfehlbar ausführen und darunter seine Auserwählten retten wird. Auch im rechtmäßigen Eifer kann man sich doch leicht zu viel herausnehmen, wenn man sich nicht immer wieder von Gottes Wort und Geist Schranken setzen lässt. So nützlich das Feuer im Haus ist, so bedächtlich muss man doch damit umgehen. Vor der Eitelkeit, menschlichen Gedanken und mithin auch seinen eigenen ungeprüften Einfällen muss man sich fürchten und hüten und sich darüber öfters Zucht und Zurechtweisung Gottes ausbitten, aber ebenso auch gegen die kümmerlichen und sorglichen Herzensgedanken sich an Gottes Tröstungen halten. Was man sieht, das in der Welt unbestraft bleibt, daraus soll man eine desto kräftigere Anmahnung an Gottes künftiges Gericht nehmen und sich eher seine fünf Sinne als Gottes Allwissenheit, Aufsehen und Rechtschaffenheit abstreiten lassen. Recht muss doch Recht bleiben, und das Gericht und der letzte richterliche Ausschlag wird sich doch auf die Seite des Rechts schlagen. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Homiletische Winke

V. 1. 1) Die Rache steht Gott allein zu. 2) Unter welchen Umständen wir begehren dürfen, dass er sie ausübe. 3) Wie und wann er solch berechtigten Wunsch erfüllen wird.
1) Die Rache gehört Gott und nicht den Menschen zu. 2) Sie ist auch in Gottes Händen besser angebracht als in der Menschen. (Vergl. 2. Samuel 24,14.) George Rogers 1874.
V. 2. Wie die Sünde des Hochmuts und die verwandten Untugenden Gott in besonderer Weise herausfordern. Der Einfluss dieser Sünde auf die, welche sie hegen, auf deren Mitmenschen sowie auf Gott.
V. 3. Wie lange wird die Herrschaft des Bösen dauern? 1) Bis das Maß der Verschuldung voll ist. 2) Bis die Torheit des Bösen offenkundig geworden ist. 3) Bis die Tugenden und die Gebete der Gottseligen dadurch zur vollen Reife gebracht worden sind. 4) Bis die Gottesfürchtigen von allem Vertrauen auf Menschen entleert sind und genötigt worden sind, allein auf den HERRN, seinen Geist und sein Kommen zu harren.
1) Der süße Trunk der Gottlosen (ihr derzeitiger Sieg). 2) Die Galle, die ihn bitter macht (der Sieg währt nur kurz und wird von den Gebeten der Gläubigen angefochten). Ch. A. Davies 1874.
V. 5-10. 1) Die drückende Gewalt, welche die Gottlosen ausüben. (V. 5.6.) 2) Ihre trotzige Leugnung der göttlichen Aufsicht. (V. 7.) Ein unwiderlegbarer Beweis, dass Gott um ihr Treiben weiß und es bestrafen wird. (V. 8-10.) Charles A. Davis
V. 6-9. 1) Eine himmelschreiende Sünde. 2) Eine ganz widersinnige Annahme. 3) Eine überwältigende Beweisführung.
V. 8. Die Gottesleugner der Tat. 1) Ihr wahres Bild. 2) Ein heilsamer Ratschlag für sie.
V. 8-11. 1) Eine Ermahnung, V. 8. 2) Eine Erörterung, V. 9.10. 3) Eine Behauptung, V. 11. George Rogers
V. 9.10. Der rechte Rationalismus, oder wie die Vernunft Gott offenbart. Charles A. Davis
V. 11. 1) Man erwäge, wie viele Gedanken in Bezug auf das Irdische eitel sind. a) Indem man Befriedigung sucht, wo sie nicht zu finden ist. b) Indem man über Geschehnisse grübelt, die nicht zu ändern sind. c) Indem man Übel befürchtet, die gar nicht eintreten. d) Indem man sich viel auf Dinge einbildet, die von geringem oder gar keinem Werte sind. e) Indem man Pläne entwirft, die nie zur Ausführung kommen. 2) Man erwäge, wie eitel auch die Gedanken der Menschen bezüglich der Religion und des zukünftigen Lebens sind. a) Was sind die Gedanken der heidnischen Welt über die Religion? b) Welchen Wert haben die Gedanken der sogenannten christlichen Welt, wo Gottes Gedanken hintangesetzt werden? c) Was ist zu halten von den gottesleugnerischen Gedanken, welche die Massen dazu führen, zu leben, als gäbe es keinen Gott? d) Was wiegen all die glaubenslosen Einbildungen, mit denen die Gottlosen sich betrügen, als ob Gott es nicht ernst nähme mit seinen Beteuerungen und Drohungen? e) Was nützen die Trugbilder, auf Grund deren die Selbstgerechten sich mit eitlen Hoffnungen erfüllen und sich weigern, der Gerechtigkeit Gottes untertan zu werden? Andrew Fuller † 1815.
Gottes durchdringende Erkenntnis des Menschen. 1) Eine erschreckende und 2) eine demütigende Wahrheit.
V. 12.13. Gottes Schule. Der Lehrer, das Lehrbuch, die Rute, der glückliche Schüler und die Frucht der Erziehung.
1) Wer hier glücklich gepriesen wird: Wer a) von Gott gezüchtigt und b) von Gott gelehrt wird. 2) Was für Segen solchem zuteil wird: a) Ruhe in Trübsal, b) Ruhe vor Trübsal. George Rogers
V. 14. 1) Die Angst, die uns beschleicht, dass Gott sein Volk verstoßen und verlassen könnte. 2) Aber diese Angst wird widerlegt. Gott wird sein Volk nicht verstoßen noch verlassen. George Rogers
1) Man male die lichte Wahrheit unseres Textes auf dunkeln Hintergrund. Wie, wenn das Gegenteil wahr wäre? Was für Erwägungen uns wohl dazu führen könnten, dies Gegenteil als wahr anzunehmen. 2) Dann aber betrachte man die Wahrheit selber in ihrem vollen Glanze. Man bezeuge die Schriftlehre, weise auf die angedeuteten Gründe (sein Volk, sein Erbe) und betone die kundgegebene Zuversicht. Charles A. Davis
V. 15. Das Recht mag zertreten, aber es kann nicht ertötet werden. Die Freude bei seiner Auferstehung.
V. 16. 1) Die bange Frage der Gemeinde Gottes an ihre Vorkämpfer. 2) Die freudige Antwort jedes redlich Gesinnten. 3) Die noch viel ermunterndere Zusage des HERRN.
V. 16.17. 1) Ein lauter Ruf um Hilfe. 2) Die Antwort der Erde. Tiefes Schweigen, nur von dem Echo unterbrochen (V. 17). 3) Die rettende Stimme, die das Schweigen bricht - die Stimme des HERRN (V. 17). Charles A. Davis
V. 18. Das gesegnete Bekenntnis der Schwachheit. 1) Das Bekenntnis. 2) Die Hilfe. 3) Der Zeitpunkt. 4) Der Dank.
V. 19. Wenn der schweren Gedanken - des Unglaubens, der Reue, des Leides, der Mühsal, des Verzagens, der Zukunftssorgen - in meinem Innern viele waren, erquickten deine Tröstungen meine Seele. George Rogers
1) Kein Trost für den Menschen bei ihm selbst. 2) Kein Trost für ihn bei den andern Geschöpfen. 3) Sein einiger, aber allgenugsamer Trost bei Gott. George Rogers
V. 20. 1) Gott kann keine Gemeinschaft haben mit den Gottlosen. 2) Die Gottlosen können keine Gemeinschaft haben mit Gott. George Rogers
V. 21.22. 1) Die Gefahren, von welchen die Gerechten bedroht sind. 2) Der Schutz, in dem sie stehen. George Rogers
V. 21-23. 1) Das Urteil des ungerechten Gerichtes (V. 21). 2) Was dasselbe dabei übersehen hat (V. 22). 3) Das Urteil fällt auf die wahrhaft Schuldigen zurück (V. 23). (Könnte als Passionstext dienen, vergl. Mt. 27,1.) Charles A. Davis
V. 23. 1) Niemand darf Gottes Feinde strafen, als er selbst. 2) Es tut auch nicht Not, dass ein anderer als er sie strafe, denn die Strafe wird a) erschöpfend sein und b) gewiss eintreffen. George Rogers
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 95 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Der Psalm hat keine Überschrift. Der Schreiber des Hebräerbriefes führt Kap. 4,7 eine Stelle unseres Psalms als von dem HERRN "durch David" gesagt an, was allerdings vielleicht nur sagen will, dass sie in der davidischen Psalmensammlung enthalten sei, wie denn "der David" auch später ein für den Psalter üblicher Name war; wir neigen aber dennoch zu der Ansicht, dass David der Verfasser des vorliegenden Liedes sei. Der Psalm ist seiner ursprünglichen Bedeutung nach ein echt israelitisches Lied, er richtet sich sowohl in seinem Aufruf zur Anbetung wie in seiner Warnung vor dem Ungehorsam an das Volk des Alten Bundes; wir haben aber von dem Heiligen Geiste selbst in dem Briefe an die Hebräer die Ermächtigung, seine Ermahnungen und Aufforderungen auch auf die Gläubigen des Neuen Bundes anzuwenden. Der Psalm ruft zur Anbetung auf. Er klingt wie Glockenklang, und gleich dem Geläute der Kirchenglocken tönt er lieblich heiter und wieder feierlich ernst. Erst lädt er mit lebhaftem, fröhlichem Klingen zum Gottesdienst; dann senkt sich sein Ton zu dem Schall der Totenglocke, als läutete er dem Geschlecht, das in der Wüste umkam, feierlich dumpf zu Grabe.

Einteilung

Es wäre ganz dem Inhalt des Psalms entsprechend, ihn in eine Einladung und eine Warnung zu teilen und demnach den zweiten Abschnitt desselben mit dem letzten Satz des 7. Verses beginnen zu lassen. Aber im Ganzen genommen mag es dienlicher sein, den 6. Vers mit Hengstenberg als "das schlagende Herz des Psalms" zu betrachten und somit den Einschnitt am Schluss von Vers 5 zu machen. So stellt sich uns der Psalm dar als eine Aufforderung, die zuerst mit Gründen und sodann mit Warnungen eindrücklich gemacht wird.

Auslegung

1. Kommt herzu, lasst uns dem HERRN frohlocken
und jauchzen dem Hort unseres Heils!
2. Lasset uns mit Danken vor sein Angesicht kommen
und mit Psalmen ihm jauchzen!
3. Denn der HERR ist ein großer Gott
und ein großer König über alle Götter.
4. Denn in seiner Hand ist, was unten in der Erde ist,
und die Höhen der Berge sind auch sein.
5. Denn sein ist das Meer, und Er hat’s gemacht;
und seine Hände haben das Trockne bereitet.


1. Kommt herzu, lasst uns dem HERRN frohlocken. Andre Völker jauchzen ihren Göttern zu, lasst uns Jehovah mit frohen Lobestönen erheben. Wir lieben, wir bewundern, wir verehren ihn; so lasst uns den Gefühlen unseres Herzens auch in auserlesener Weise Ausdruck geben, indem wir die edelste Gabe, die wir besitzen, den Gesang, zu ihrem edelsten Zwecke gebrauchen. Es ist gut, wenn wir andere so auffordern, den HERRN zu preisen; aber wir wollen wohl dazu sehen, dass wir selber darin mit würdigem Beispiel vorangehen, damit wir nicht nur rufen können: "Kommt", sondern auch hinzufügen mögen: "Lasst uns frohlocken (oder singen)", weil wir selber dabei sind, zu singen und zu lobpreisen. Wir haben wohl leider Ursache, zu befürchten, dass sehr viel auch von dem Singen im Gottesdienst nicht dem HERRN zu Ehren, sondern den Ohren der Versammelten zuliebe geschieht. Das ist aber doch das Erste, worauf wir bei dem Gesang, wenn er wirklich ein Teil des Gottesdienstes sein soll, zu achten haben, dass er mit einfältigem und brünstigem Herzen dem HERRN selber dargebracht werde. Und jauchzen dem Hort unseres Heils. Lasst uns mit heiliger Begeisterung singen: schon der frohe Schall unserer Lieder soll zeigen, dass es uns ganz ernst ist. Lasst uns mit überströmender Freude unsere Stimme erheben, belebt durch die heitere und friedvolle Stimmung, welche von der kindlich zutraulichen Liebe doch gewiss in uns erzeugt und genährt werden muss. Wie die Kinder Israel vor Freude jubelten, als der Fels auf das Geheiß des Stabes Moses seine kühlen Wasser hervorsprudeln ließ, so lasst uns jauchzen dem Fels unseres Heils. Der Dichter dieses Psalms sieht mit den Augen seines Geistes den Felsen am Horeb, die Stiftshütte, das Rote Meer und den Berg Sinai vor sich und deutet auf das alles in dem ersten Teil seines Liedes hin. Gott ist unser ewiger, unveränderlicher und mächtiger Hort oder Fels, wir finden bei ihm Rettung und Sicherheit; darum geziemt es uns, ihn Tag für Tag mit Herz und Mund zu lobpreisen. Und sonderlich sollte dies uns eine Wonne sein, wenn wir uns als sein Volk zum Gottesdienst versammeln.

2. Lasset uns mit Danken vor sein Angesicht kommen. Hier nimmt der Dichter wohl Bezug auf die besondere Gegenwart Gottes im Allerheiligsten, über dem Gnadenstuhl, wie auch auf die Lichtherrlichkeit, die aus der Wolke, welche die Stiftshütte überschattete, hervorleuchtete. Überall ist Gott ja gegenwärtig, aber es gibt eine besondere Gegenwart Gottes in Gnade und Herrlichkeit, zu der die Menschen niemals anders als mit tiefster Ehrfurcht nahen sollten. Wir dürfen freimütig in die unmittelbare Nähe des HERRN - vor sein Angesicht - treten, denn die Stimme des Heiligen Geistes ladet uns in diesem Psalm dazu ein; und wenn wir zu dem HERRN nahen, sollen wir uns seiner großen Güte, uns so tausendfach aufs herrlichste erwiesen, erinnern und sie mit freudigem Danke anerkennen. Unsere Anbetung soll sich so gut auf die Vergangenheit wie auf die Zukunft beziehen; denn wie könnten wir vernünftigerweise weitere Wohltaten von dem HERRN erwarten, wenn wir ihm nicht zu danken wüssten für das, was wir bereits empfangen haben! Es ist uns erlaubt, mit Bitten vor ihn zu kommen; daher ist es unsere Ehrenpflicht, ihm auch den Dank zu bringen. Und mit Psalmen ihm jauchzen. Unser Gesang soll so frohlockend sein wie das Siegesgeschrei der Krieger, und doch dabei so feierlich wie der Psalmengesang im Tempel. Es ist nicht immer ganz leicht, Begeisterung mit Ehrfurcht zu vereinen; man macht gar häufig den Fehler, dass man die eine dieser so wichtigen Eigenschaften zerstört, indem man nach der anderen ringt. Der vollendetste Gesang ist der, welcher Freude mit Würde, Hochgefühl mit Demut, Inbrunst mit Nüchternheit harmonisch vereinigt. - Die Aufforderung des ersten Verses wird somit in dem zweiten wiederholt, unter Beifügung von Winken, welche das, was der Psalmist im Auge hat, genauer anzeigen. Wir können uns David gut vorstellen, wie er sein Volk in herzlichen Worten beredet, mit ihm unter Harfenklang und Psalmengesang in heiliger Freude zu den Gottesdiensten Jehovahs hinaufzuziehen. Bemerkenswert ist der fröhliche Ton, der in seiner Mahnung obwaltet: das Volk des HERRN soll. jubeln, sein Herz und Mund sollen jauchzen. Wir fürchten, dass dies im Gottesdienst sehr häufig übersehen wird. Die Leute sind so einseitig von dem Gedanken beherrscht, dass man in der Kirche ernst sein muss, dass sie ein trübseliges Gesicht machen und ganz vergessen, dass die Freude ebenso sehr ein Merkmal der wahren Anbetung ist wie die Feierlichkeit.

3. Denn der HERR ist ein großer Gott und ein großer König über alle Götter. Ohne Zweifel wähnten die umher wohnenden Völker, Jehovah sei eine bloße Orts- oder Landeshoheit, der Gott eines kleinen Volkes und daher eines der niederen göttlichen Wesen, die es nach ihrer Meinung überall gab. Der Psalmdichter weist aber diese Vorstellung gänzlich zurück. Die Götzendiener duldeten viele Götter und viele Herren (1. Kor. 8,5) und erkannten ihrer jedem ein gewisses Maß von Ehrerbietung zu; der israelitische Glaube an einen Gott gab sich aber mit dieser Bewilligung nicht zufrieden, sondern beanspruchte mit Recht für Jehovah den ersten Platz und die höchste Macht. Er ist groß, denn er ist alles in allem; er ist ein großer König über alle anderen Gewalthaber und Würdenträger, seien sie Engel oder irdische Fürsten, denn sie verdanken ihr Dasein ihm. Was aber die Götzen betrifft, so sind sie nicht der Erwähnung wert. Dieser und der folgende Vers begründen die Anbetungswürdigkeit Gottes aus seinem Dasein, seiner Erhabenheit und seiner souveränen Herrschermacht.

4. Denn in seiner Hand (Gewalt) ist, was unten in der Erde ist, oder das Inwendige der Erde. Er ist der Gott der Täler wie der Hügel, der Höhlen wie der Berge. Tief drunten, wo die Bergleute ihre Schächte anlegen, noch tiefer, wo die verborgenen Meere fluten, die die Quellen nähren, und am tiefsten in den unbekannten Abgründen des Innersten der Erde, wo die mächtigen Feuer lodern, überall macht sich Jehovahs Gewalt fühlbar und steht alles unter der Leitung seiner Hand. Wie der Kaiser die sinnbildliche Weltkugel, so hält der HERR in der Tat und Wahrheit die Erde selber in der Hand. Als Israel von dem kristallklaren Quell trank, der aus der großen Tiefe aufsprudelte, da wusste es, dass das Inwendige der Erde in der Hand des HERRN ist. Und die Höhen der Berge sind auch sein. Als der Sinai ganz in Rauch eingehüllt war, da erfuhren die Stämme, dass Jehovah sowohl ein Gott der Berge als der Täler ist. Überall und zu allen Zeiten ist dies wahr, der HERR herrscht auf den Höhen der Erde in einsamer Majestät. Die ungeheuren Berggründe, die gigantischen Spitzen, die unberechenbaren Felsmassen, die noch von keinem Menschenfuß berührten Höhen, sie alle sind des HERRN. Sie sind seine Festungen und Schatzkammern, wo er Sturm und Regen aufspeichert, von wo er auch die Gletscher zu Tal sinken und die Lawinen niederdonnern lässt. Die granitenen Spitzen und die diamantenen Nadeln sind sein, und sein die schwindligen Abgründe und die aus der Tiefe ragenden Klippen. Die Übersetzung Höhen beruht auf einer Vermutung, ist aber durch den Zusammenhang sehr wahrscheinlich gemacht. Die englische Bibel übersetzt (nach dem Targum zu 4. Mose 23,22 und Kimchi): Die Kraft der Berge ist sein. Kraft ist der erste Gedanke, der sich uns aufdrängt, wenn wir die ungeheuren Bollwerke von Klippen betrachten, die dem tobenden Meer die Stirn bieten, oder die unermesslichen Alpengipfel, welche die Wolken durchbrechend in den azurnen Himmel spähen. Aber für das fromme Gemüt ist diese Kraft der Berge die Kraft Gottes; Fingerzeige der Allmacht geben uns diese unerschütterlichen Felsen, die der Wut der Elemente trotzen und gleich Mauern von Erz all des Anstürmens der wild erregten Natur spotten.

5. Denn sein ist das Meer. Dies gab sich so recht zu erkennen am Roten Meer, als die Wasser ihren Gott sahen und gehorsam beiseite traten, einen Weg für sein Volk zu öffnen. Es war nicht Edoms Meer, wiewohl es rot war,1 noch Ägyptens Meer, wiewohl es sein Land bespülte. Der Höchste thront, wie einst über der Sintflut, so noch heute und in Ewigkeit als König über den Fluten. (Ps. 29,10.) So steht es mit dem weiten Weltmeer, ob Atlantischer oder Stiller Ozean, Mittelländisches oder Polarmeer benannt; niemand kann es vermessen und sagen: "Es gehört mir!" denn die unermessliche Domäne der Wasser kennt keinen andern Herrn als Gott allein. Der Allmächtige herrscht über die Wogen. Drunten in den ungeheuren Tiefen, in die noch kein Menschenauge hineingeblickt und kein Fuß eines Tauchers je hinabgedrungen ist, ist er der alleinige Eigentümer, und jede schäumende Welle, jede rollende Woge erkennt ihn als Monarchen an. Neptun ist nur ein Hirngespinst, Jahovah ist der Gott der Wasser. Und Er hat’s gemacht. Daher sein Besitzrecht und seine Herrschaftsgewalt. Er grub das unergründbare Bett und goss darein die unermesslichen Fluten; die Meere sind nicht durch den Zufall gestaltet, so wenig wie ihre Ufer durch den nur in der Einbildung lebenden Finger des Schicksals entworfen ist. Gott hat die hohe See geschaffen, und jede Bucht und jeder Golf, jeder Meeresstrom und jede rauschende Flut erkennen die Hand des großen Schöpfers an. Heil dir, du Bildner und Beherrscher der Meere! Mögen alle, die mit geschwellten Segeln über das wunderbare Reich der Wasser fahren, dich allein anbeten!
Und das Trockne, das seine Hände bereitet (wörtl.: gebildet) haben.2 Sei es fruchtbares Feld oder sandige Wüste, er hat alles gemacht, was die Menschen terra firma (Festland) nennen; er hat es aus den Fluten herausgehoben und gegen die überströmenden Wasser abgegrenzt. Die Erde ist des HERRN und was drinnen ist. Er gebot den Inseln, dass sie ihr Haupt emporhoben, er ebnete das weite Flachland, er formte die Hochebenen, warf die welligen Hügel auf und türmte die Alpengipfel. Wie der Töpfer den Ton, so formte Jehovah mit seiner Hand den Erdboden. So kommt denn herzu (V. 6), die ihr auf dieser schönen Welt wohnt, und betet ihn an, der allerorten, wo ihr nur hintretet, aus seinen Werken erkennbar ist. Achtet die Erde als eine Vorhalle seines himmlischen Tempels; denn überall auf ihr sind die Fußstapfen der allnahen Gottheit euren Augen schaubar, wenn ihr sie nur sehen wollt. Der Beweisschluss ist überwältigend, wenn das Herz richtig steht; die Aufforderung zur Anbetung ist ebenso sehr eine Folgerung der Vernunft wie eine Wirkung des Glaubens.

Fußnoten
1. Vielleicht haben die Alten den persischen Meerbusen (mit dem Schilfmeer) von seinem Korallenreichtum das Rote Meer genannt, vielleicht auch von seinen braunroten Anwohnern, den Edomitern und andern. (Edom hat ja seinen Namen von der rötlichen Farbe.) Vergl. Calwer Bibellexikon, Artikel Schilfmeer.

2. t$ebIeya ist, wie das Fehlen des Artikels zeigt, stat. constr., das Folgende ein Relativsatz. Vergl. 90,15. Schultz, Keßler.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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6. Kommt, lasst uns anbeten und knien
und niederfallen vor dem HERRN, der uns gemacht hat.
7. Denn er ist unser Gott,
und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand.
Heute so ihr seine Stimme höret,
8. so verstocket euer Herz nicht, wie zu Meriba geschah,
wie zu Massa in der Wüste,
9. da mich eure Väter versuchten,
mich prüften und sahen mein Werk.
10. Vierzig Jahre hatte ich Mühe mit diesem Volk
und sprach: Es sind Leute, deren Herz immer den Irrweg will
und die meine Wege nicht lernen wollen;
11. dass ich schwor in meinem Zorn:
Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen.


6. Nun wird die Aufforderung, den HERRN anzubeten, wiederholt, und zwar wird sie jetzt mit einem Grunde gestützt, der damals bei Israel und jetzt bei den Christen ganz besonders mächtig ist; denn beide, das Israel nach dem Fleisch und das Israel des Glaubens, können als das Volk seiner Weide beschrieben werden, und von beiden wird der Höchste "unser Gott" genannt. Kommt, lasst uns anbeten und knien und niederfallen vor dem HERRN, der uns gemacht hat. Die Anbetung soll demütig sein. Das Jauchzen und Jubeln sei verbunden mit der tiefsten Ehrerbietung. Wir sollen in solcher Weise anbeten, dass schon unsre Gebärde anzeigt, dass wir uns für nichts achten in der Gegenwart des allherrlichen HERRN. Schon das erste, in unserer Bibel mit anbeten wiedergegebene Wort heißt ursprünglich niederfallen und scheint hier in dieser Bedeutung genommen werden zu sollen, so dass wir etwa übersetzen: Kommt, lasst uns niederfallen und uns beugen, lasst uns knien vor Jehovah, unserem Schöpfer, oder mit Delitzsch: Kommt, wir wollen uns niederstrecken und hinsinken, wollen hinknien usw. Als demütig Bittende müssen wir kommen; freudig, aber nicht anmaßend, zutraulich, wie Kinder vor ihren Vater treten, aber dabei voller Ehrfurcht, als Geschöpfe, die ihrem Erschaffer nahen. Stellung und Gebärde ist nicht alles, aber wahrlich auch nicht nichts. Wir mögen so beten, dass wir erhört werden, auch wenn wir die Knie nicht beugen können; aber es ist geziemend, dass die anbetende Seele ihre Ehrfurcht durch Niederwerfen des Körpers und Beugen der Knie anzeige.

7. Denn Er ist unser Gott. Das ist der Hauptgrund, warum wir ihn anbeten sollen. Jehovah ist mit uns in einen Bund getreten und hat uns von aller Welt zu seinem Eigentum erkoren. Verweigern andere ihm die Huldigung, so wollen wir doch wenigstens sie ihm freudig darbringen. Er ist unser, darum wollen wir ihn lieben; er ist unser Gott, darum wollen wir ihn anbeten. Wohl dem, der aufrichtig glauben kann, dass dieser Satz auch in Beziehung auf ihn wahr ist. Und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand. Wie er uns angehört, so wir ihm. "Mein Freund ist mein und ich bin sein." Und zwar gehören wir ihm als seine Leute, die er täglich nährt und beschützt. Die Auen, auf denen wir weiden, sind nicht unser sondern sein; wir empfangen unsere Versorgung aus seiner Fülle. Wir gehören ihm zu eigen, gerade wie die Schafe dem Hirten, und seine Hand ordnet, leitet, beherrscht, beschützt und versorgt uns. Israel wurde durch die Wüste geführt und wir werden durch dies Leben geleitet von dem großen Hirten der Schafe (Hebr. 13,20). Jene Hand, die einst das Meer spaltete und Wasser aus dem Felsen hervorbrachte, ist noch mit uns und wirkt gleiche Wunder. Können wir die Aufforderung abweisen, niederzufallen und anzubeten, wenn wir darüber Klarheit haben, dass dieser Gott unser Gott ist immer und ewiglich, dessen treue Hut wir im Leben und im Sterben erfahren werden?
Aber was ist das für eine Warnung, die nun folgt? Ach, sie war dem alten Volk des HERRN dringend nötig und ist für uns wahrlich auch nicht überflüssig. Das auserwählte Volk ward taub für seines Herrn Befehle; es erwies sich, dass sie nicht in Wahrheit seine Schafe waren, von denen geschrieben steht: Meine Schafe hören meine Stimme. Soll sich das auch bei uns herausstellen? Das verhüte Gott! Heute so ihr seine Stimme höret. So hat die griechische Bibel hier übersetzt, die Worte als Vordersatz zu V. 8 fassend, und ihr ist der Schreiber des Hebräerbriefs bei der Anführung dieser Stelle (Hebr. 3,7) gefolgt. Danach hat auch Luther an beiden Orten so übersetzt. Aber im Grundtext steht hier der Schluss von V. 7 für sich als Ausruf: Wenn ihr heute (doch) auf seine Stimme hörtet!3 Schreckliches Wenn! Viele wollten nicht hören, sie wiesen die Ansprüche der Liebe von sich und reizten ihren Gott. Heute, an dem Tag der Gnade, werden wir geprüft, ob wir für die Stimme unseres Schöpfers ein Ohr haben. Nichts wird von morgen gesagt, "er bestimmt einen Tag", wie es im Hebräerbrief (4,7) heißt; er drängt darauf, dass man seine Stimme alsbald beachte, um unser selbst willen verlangt er augenblicklichen Gehorsam. Geben wir dem Rufe Gehör? Der Heilige Geist sagt: "Heute!" Wollen wir ihn durch Säumen betrüben?

8. Verstocket euer Herz nicht. O dass ihr hörtet und euch fürchten lerntet! Land und Meer gehorchen ihm; erweist euch doch nicht als widerspenstiger denn sie! Gebt doch seinem Liebeswerben nach! Wir können unser Herz nicht erweichen, wohl aber können wir es verhärten, und die Folgen davon würden schrecklich sein. Das Heute ist ein zu guter Tag, als dass wir ihn verschleudern dürften, indem wir unser Herz gegen unser eigenes Heil verstockten. Dieweil die Gnade herrscht, lasst nicht die Verstockung rebellieren. Wie zu Meriba geschah, wie zu (wörtl.: wie am Tage von) Massa in der Wüste. Seid nicht mutwillig, halsstarrig, widerspenstig, aufrührerisch. Lasst euch das Beispiel jenes unglücklichen Geschlechtes zur Warnung dienen; wiederholt nicht die Missetaten, die schon mehr als genug den HERRN gereizt haben. Gott gedenkt der Sünden der Menschen, und umso lebhafter, wenn es Sünden sind, die von hoch bevorzugten Leuten gegen zahlreiche Mahnungen, in trotziger Verachtung schrecklicher Gerichte und inmitten überschwenglicher Gnaden-Erweisungen begangen werden; solche Sünden schreiben ihre Urkunde in Marmor ein. Lieber Leser, dieser Vers geht dich an, ja dich, auch wenn du sagen kannst: Er ist unser Gott und wir das Volk seiner Weide. Suche nicht die scharfe Spitze der Warnung von dir abzuwenden; du hast die ernste Mahnung äußerst nötig, behalte sie wohl in Acht.

9. Da mich eure Väter versuchten. So viel an ihnen war, versuchten sie Gott, seine gewöhnliche Weise zu verlassen und ihr sündiges Bitten zu erhören; und wiewohl er nicht versucht werden kann zum Bösen und gottlosen Begehren nie willfahren wird (es sei denn zur Strafe), so ging doch ihre Absicht dahin, darum auch ihre Schuld um nichts geringer war. Gottes Weg ist heilig, und wenn wir wollen, dass er ihn uns zu Gefallen ändere, so machen wir uns der Versuchung Gottes schuldig. Die Tatsache, dass wir das vergeblich tun und die Heiligkeit des HERRN dadurch nur desto heller hervorstrahlt, ändert an unserer Straffälligkeit nicht das Mindeste. Wir stehen am meisten in Gefahr dieser Sünde, wenn wir Zeiten der Not durchmachen, denn dann sind wir sonderlich geneigt, in den Unglauben zu fallen und eine Änderung der Anordnungen der Vorsehung zu begehren, die doch ein Spiegelbild vollkommener Heiligkeit und unbegrenzter Weisheit sind. Sich in den Willen Gottes nicht ergeben, das ist dem Wesen nach: Gott versuchen, dass er seine Pläne so wandele, dass sie unseren mangelhaften Anschauungen darüber, wie die Welt regiert werden sollte, entsprechen. Mich prüften. Sie stellten den HERRN ganz unnötigerweise auf die Probe, indem sie neue Wunder und Zeichen seiner Gegenwart verlangten. Kommt es bei uns nicht auch vor, dass wir launisch noch andere Beweise der Liebe Gottes heischen als diejenigen, welche uns jede Stunde unseres Lebens darbietet? Sind wir nicht geneigt, außerordentliche Dinge zu verlangen und dabei heimlich zu drohen, dass wir, wenn sie nicht auf unser Geheiß gegeben werden, den Glauben kündigen wollen? Es ist wahr, der HERR ist sehr herablassend und gewährt uns oft wunderbare Beweise seiner Macht; aber wir sollten sie nicht fordern. Ausdauerndes Vertrauen gebührt uns doch dem gegenüber, der so beharrlich gütig ist. Nach so vielen klaren Zeichen seiner Liebe ist es von uns sehr undankbar, wenn wir ihn aufs Neue auf die Probe zu stellen wünschen, es wäre denn, dass es sich um solches handelte, wovon er selbst gesagt hat: Prüft mich darin. (Mal. 3,10) Wollten wir immer und immer wieder die Liebe unserer Ehefrau oder des Ehemannes auf die Probe stellen und uns selbst nach jahrelanger Erfahrung der Treue noch nicht für überzeugt halten, so würden wir auch die äußerste menschliche Geduld erschöpfen. Freundschaft gedeiht nur in der Luft des Vertrauens, Argwohn ist ihr tödliches Gift; sollte denn der ewig treue, unwandelbare Gott Tag um Tag von seinem eigenen Volke beargwöhnt werden? Muss ihn das nicht zum Zorn reizen? Und sahen (doch) mein Werk. Sie stellten immer neue Proben an, vierzig Jahre lang, wiewohl Gottes Tun fort und fort ein voll genügender Beweis seiner Treue war. Nichts konnte sie auf die Dauer überzeugen. Wankelmütigkeit steckt dem Menschen im Blut; der Unglaube ist eine der Sünden, die uns am hartnäckigsten ankleben. Wenn wir nicht immer und immer sehen, so wankt unser Glaube. Das ist keine geringe Beleidigung Gottes und eine Sünde, die auch nicht leichte Heimsuchungen nach sich ziehen wird.

10. Vierzig Jahre hatte ich Ekel an diesem4 Geschlechte. (Grundtext) Der Eindruck auf Gottes Gemüt ist äußerst lebhaft; der HERR sieht das Geschlecht noch vor sich. Er überlässt es nicht den Propheten, die Sünde des Volkes zu schelten, sondern bringt selbst die Beschuldigung vor und bezeugt, er habe an dem Volke Verdruss, ja Ekel empfunden ganze vierzig Jahre lang. Das kann nichts Geringes sein, was unseren langmütigen Gott in solchem Maße entrüstet, wie es das hebräische Wort hier anzeigt; und wenn wir einen Augenblick darüber nachdenken, werden wir bald erkennen, wie stark die Reizung war. Denn niemand, der auf seine Wahrhaftigkeit hält, kann es ertragen, dass man ihm argwöhnt, ihm misstraut und ihn zum Lügner macht, wo doch keinerlei Ursache dazu vorhanden ist, sondern im Gegenteil die überzeugendsten Gründe zum Vertrauen vorliegen. Solch schmählicher Behandlung war der gute Hirte Israels nicht einen Tag oder Monat, sondern vierzig Jahre in einem Stück ausgesetzt, und das nicht von etlichen einzelnen Ungläubigen, sondern von einem ganzen Volke; nur zwei Männer wurden in Israel so völligen Glaubens erfunden, dass sie von dem Gerichtsurteil ausgenommen wurden, welches schließlich über das ganze Geschlecht gesprochen wurde. Worüber sollen wir uns mehr wundern, über die Unverschämtheit der Menschen oder über die sanfte Geduld des HERRN? Was lässt den stärksten Eindruck in unserem Gemüt zurück, die Sünde oder die Strafe, der Unglaube oder dass die Pforten der Ruhe Jehovahs den Ungläubigen verschlossen wurden? Und sprach: Es sind Leute, deren Herz immer den Irrweg will, und die meine Wege nicht lernen wollen. Sie wichen nicht nur hier und da von dem rechten Wege ab, sondern sie waren beständig und hartnäckig darauf aus, Irrwege einzuschlagen. Es war nicht ihr Kopf, der irrte, sondern ihr Herz war verkehrt. Die Liebe, die um ihren willigen Gehorsam warb, konnte sie nicht zurechtbringen. Das Herz ist die Triebfeder des Menschen; ist die nicht in der rechten Verfassung, so kommt sein ganzes Wesen aus der Ordnung. Wenn die Sünde nur in die Haut eindränge, wäre dem Übel wohl beizukommen; da sie aber die Seele befleckt und das Herz angreift, ist die Sache in der Tat schlimm. Da Jehovah selber sie in die Schule genommen und seine Lehren mit den Wundern, die ihnen täglich in dem Manna vom Himmel und dem Wasser aus dem Felsen5 vorgeführt wurden, so anschaulich gemacht hatte, so hätten sie wohl etwas lernen sollen, und es war eine Schmach und Schande, dass sie hartnäckig unwissend blieben: sie wollten nichts von Gottes Wegen wissen, darum lernten sie sie auch nicht gehen. Wie sie dem Leibe nach den größten Teil dieser vierzig Jahre umherwanderten ohne Zweck und Ziel, so wanderten sie auch mit dem Herzen ruhelos hin und her, und die so deutlichen, geraden Führungen der Güte des HERRN waren ihren blinden Augen ein so wirres Labyrinth wie die verschlungenen Wege, auf welchen er sie durch die Wüste leitete. Sind wir besser als sie? Sind wir nicht geradeso geneigt, das Walten des HERRN zu missdeuten? Haben wir auch so viel umsonst erlitten und genossen? Bei vielen steht es wirklich so. Eine vierzigjährige, ja wohl gar eine noch längere Erfahrung der weisesten Fürsorge hat nicht hingereicht, sie heitere Zuversicht und festes Vertrauen zu lehren. Wir haben allen Grund, in dieser Beziehung unser Herz zu durchforschen. Viele behandeln den Unglauben als einen Fehler geringeren Grades, sie sehen ihn viel mehr als eine Schwachheit denn als ein Verbrechen an; aber der HERR urteilt anders darüber. Der Glaube ist ganz einfach das, was Jehovah gebührt, und sonderlich von solchen, die den Anspruch erheben, das Volk seiner Weide zu sein, am allerersten aber von denjenigen, deren langes Leben eine Kette von Beweisen seiner Güte ist. Der Unglaube beleidigt eine der kostbarsten Eigenschaften Gottes, und zwar ganz ohne Not und ohne den geringsten Grund; ja, vollständig genügenden und uns mit der ganzen Beredsamkeit der Liebe ans Herz dringenden Beweisen zum Trotz. Lasst uns bei dem Lesen dieses Psalms uns selber prüfen und diese Dinge wohl zu Herzen nehmen.

11. Dass ich schwor in meinem Zorn: Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen. Für ein ungläubiges Herz kann es keine Ruhe geben. Wenn das Manna und die andern Wunder Israel nicht zufrieden stellten, so hätte ihnen auch das Land, das von Milch und Honig floss, nicht genügt. Kanaan sollte das vorbildliche Land der Gottesruhe sein, wo seine heilige Lade blieb und der ganze Gottesdienst und das religiöse Leben überhaupt seine feste Gestalt fand. Der HERR hatte nun vier Jahrzehnte die Unarten des Geschlechts, das aus Ägypten gezogen war, ertragen, und es war nicht mehr als billig, dass er nun beschloss, nichts mehr mit ihm zu schaffen zu haben. War es nicht genug, dass sie den ganzen wunderbaren Wüstenzug hindurch sich fort und fort gegen ihn empört hatten? Sollte ihnen gestattet sein, neue Massas und Meribas in dem verheißenen Lande selber auszurichten? Das hatte Jehovah nicht im Sinn. Er sagte nicht nur, sondern schwor feierlich, dass sie zu seiner Ruhe nicht gelangen sollten, und dieser Eid schloss ihrer jedem die Pforten des gelobten Landes zu - ihre Leiber verfielen in der Wüste. Wahrlich eine ernste Warnung für alle, die den Weg des Glaubens und Gehorsams verlassen, um die Pfade unverschämten Murrens und Misstrauens zu wandeln. Jene Aufrührer der alten Zeit konnten nicht hineinkommen um des Unglaubens willen; so lasset uns nun fürchten, da noch eine Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, übrig ist, dass nicht etwa einer von uns dafür gelten müsse, zurückgeblieben zu sein. (Hebr. 4,1 Grundtext)
Die von dem Hebräerbrief aus unserem Psalm gezogene Folgerung darf nicht vergessen werden. Es ist klar, dass es eine Ruhe Gottes gibt und dass etliche zu derselben kommen sollen. Da aber die, denen es zuerst verkündigt ist, nicht dazu gekommen sind um des Unglaubens willen, darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes. Die Ungläubigen konnten nicht hineinkommen; aber wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe. Lasst uns sie genießen und den HERRN allezeit dafür preisen. Unser ist die wahre Sabbatruhe, unser Vorrecht ist es, zu ruhen von unseren Werken, gleichwie Gott von den seinen ruhte. Im Genuss solcher Sabbatruhe lasst uns denn mit Danken vor sein Angesicht kommen und mit Psalmen ihm jauchzen.

Fußnoten
3. Beweis dafür ist eben, dass bI: (ma$f nicht heißt etwas hören, sondern auf etwas hören, gehorchen.

4. Der hebr. Text liest freilich: an einem Geschlecht, und diese Richtdeterminierung könnte allerdings beabsichtigen, das Generelle hervorzuheben: an einem ganzen Geschlecht (vergl. Delitzsch und Moll), oder die Entrüstung auszudrücken: an einem solchen Geschlecht! (Kautsch.) Die alten Übersetzer haben aber, wie Luther und die meisten neueren, gelesen: an diesem Geschlecht.

5. Vergl. die Anm. Bd. II, S. 612 zu Ps. 78,16.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Die sechs Psalmen 95-100 gehören dem Inhalt nach eng zusammen. Jeder derselben hat sein besonderes Thema, das aber ein Stück des allen gemeinsamen Hauptthemas, der Aufrichtung des messianischen Reiches, ist. Der 95. Psalm bekräftigt die Gottheit Jehovahs und seine über die ganze Natur sich erstreckende Gewalt und mahnt sein Volk, ihm zu dienen. In dem 96. Psalm werden alle Völker aufgefordert, sich seiner Verehrung anzuschließen, weil er kommt, die ganze Menschheit, Juden und Heiden, zu richten. In dem 97. Psalm herrscht Jehovah über alle Welt; die Götzen sind verlassen, der gerechte König wird verherrlicht. Nach dem 98. Psalm hat der HERR Wunder getan und sich selber den Sieg erfochten; er hat sein Heil geoffenbart, hat seiner Barmherzigkeit gegen Israel gedacht, und er kommt, alle Welt zu richten. In dem 99. Psalm thront Jehovah über den Cherubim in Zion, der sichtbaren Kirche, herrscht über die ganze Welt und ist wegen der Gerechtigkeit seines Regiments zu preisen. In dem 100. Psalm werden alle Lande aufgerufen, den HERRN, den Schöpfer, zu preisen, dessen Gnade und Treue ewig währen. Samuel Horsley † 1806.

V. 1. Kommt. Ist es wahr, dass ein "Kommt, lasst uns dies und das tun" wirksamer ist als zwanzig "Geht, tut das und das", wie sorgsam sollten dann solche, die Gott auf einen hervorragenden Platz gestellt hat, danach streben, dass ihr Vorbild eine Jakobsleiter sei, die da Menschen zum Himmel helfe, und nicht dem Leben des Jerobeam gleiche, der Israel Steine des Anstoßes in den Weg legte und das Volk sündigen machte. Charles Herle † 1659.

Ihr haltet es im Irdischen für eine gute Regel, euren Knechten und Mägden nicht immer nur rauhe Befehle zu erteilen, sondern zu ihnen zu sprechen: Komm, lass uns gehen, lass uns dies und das tun. Sollen denn auch darin die Kinder dieser Welt klüger sein als die Kinder des Lichts? Empfehlen wir solches Verfahren in den weltlichen Dingen und vernachlässigen wir es in den geistlichen? Wahrlich, wenn unser Eifer für den HERRN so groß wäre wie unsre Liebe zu der Welt tatsächlich ist, so kämen die Herren nicht, wie so viele es tun, ohne ihr Gesinde zur Kirche und das Gesinde nicht ohne seine Herrschaft, nicht die Eltern ohne ihre Kinder und die Kinder ohne ihre Eltern, nicht die Männer ohne ihre Frauen und die Frauen ohne ihre Männer, sondern wir alle würden einer dem andern zurufen wie der Psalmist hier, oder wie es in Jes. 2,3 steht: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! John Boys † 1625.

Unser Fuß hat eine viel größere Neigung, hinwegzugehen zu dem Acker, den Ochsen, dem Weibe, als zu kommen zu den heiligen Vorhöfen des HERRN. Lk. 14,18 ff. Martin Geier † 1681.

Dem Hort unseres Heils. Jesus ist der ewige Fels, aus welchem uns ein Born des Heils wider alle Sünde und Uneinigkeit fließt, der Fels, der der Gemeinde in der Wüste mit folgt und ihr Wasser des Lebens darreicht, der Fels, der uns eine sichere Feste bietet gegen jeden Feind, und Schatten und Erquickung in der Hitze und der Einöde. Bischof George Horne † 1792.

V. 2. Psalmen. Das hier stehende twrmz ist der Psalmenname nach 2. Samuel 23,1, während rwmzm nur als technischer Ausdruck gebräuchlich ist. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 3. Über alle Götter. Gangbare Formel wie 96,4; 97,9. Es könnte zwar an sich auch Engel bezeichnen (wie Calvin anheimgibt), aber schwerlich in dieser Formel und ähnlichen, die die unvergleichliche Erhabenheit Gottes über die "Götter" besagen, wie 2. Mose 18,11; 15,11 usw. Mit Recht erklärt sich Hengstenberg gegen den Schluss daraus auf die Annahme einer wirklichen Existenz der heidnischen Götter, vergl. 96,5, wo sie elihim, Nichtige (wie so oft bei Propheten neben Hauch und dergleichen) genannt werden, im Gegensatz mit Jehovah, der "den Himmel gemacht hat", d. i. Schöpfer der Welt ist. (Vergl. auch hier die folgenden Verse.) Es ist das so klar und allgemein anerkannt, dass die älteren Theologen und Ausleger sich zu einer Verwahrung dagegen nicht veranlasst finden konnten; aber der neuesten theologischen Weisheit gegenüber, die in ihrem blinden mythologischen Drang (und daher schnöden Rückfall in das spätere Judentum) nun auch an der Realität der heidnischen Götter angelangt ist, ist sie als Zeugnis nicht mehr überflüssig. Prof. Herm. Hupfeld 1862.

V. 4. In seiner Hand. Das Herrschaftsrecht Gottes ist auf seine Erhaltung der Dinge gegründet. "Der HERR ist ein großer König über alle Götter." Warum? "Denn in seiner Hand ist das Inwendige der Erde usw." Seine Hand hält alles, darum hat seine Hand Herrschermacht darüber. Wer einen Stein in seiner Hand hält, übt eine Herrschaft aus über dessen natürliche Neigung, indem er ihn vom Fallen abhält. Die ganze Schöpfung ist in ihrer Erhaltung völlig von Gott abhängig; sobald die göttliche Hand, die alles trägt, sich zurückzöge, würde ein ohnmächtiges Zusammensinken alles Geschaffenen die unmittelbare Folge sein. Stephen Charnock † 1680.

Was unten in der Erde ist. Wie wunderbar gibt sich doch Gottes Macht und Weisheit in den Bergwerksschätzen kund. Wären die Steinkohlen z. B. noch in ihrer ursprünglichen Tiefe gelagert, d. h. lägen die geologischen Schichten noch horizontal, wären sie nicht durch Gottes Allmacht vielfach verschoben und aufgerichtet, so hätte der Mensch diese Schätze nimmer entdecken können. Gott hat dem Menschen im Innern der Erde wunderbare Reichtümer an Kohlen, Metallen und andern nützlichen und wichtigen Stoffen aufgespeichert, und zwar so, dass sie dem Fleiß des Menschen zugänglich sind und doch nur allmählich abgebaut, nicht von einem Geschlecht verschwendet werden können. Wie fürsorglich ferner, dass die Kohlenflötze durch Gesteinsmassen voneinander geschieden sind, so dass nicht das Ganze beim Abbau zusammenbricht. Alles ist planvoll für den Menschen, den Herrn der Erde, bereitet. - Nach G. Hartwig † 1866.

In seiner Hand sind die Tiefen der Erde. Das ist gar tröstlich auch für diejenigen, die zur Verherrlichung des göttlichen Namens in Kerkern und unterirdischen Höhlen verschlossen sind; denn sie wissen, dass sie selbst dort nichts scheiden kann von der Gegenwart Gottes, ihres Heilandes. Er erhielt den Joseph, als er von seinen Brüdern in die Grube und hernach von seiner schamlosen Herrin ins Gefängnis geworfen worden war; desgleichen den Jeremia, als er in die Grube, den Daniel, als er zu den Löwen, und seine Gefährten, als sie in den feurigen Ofen geworfen worden waren. Gleicherweise erhält und errettet er noch heutigen Tages alle, die mit festem Glauben an ihm hangen. Salomon Geßner † 1605

V. 5. Das Meer, das Trockne. Das räumliche Verhältnis des Festlands zum Wasser übt einen großen, ganz wichtigen Einfluss aus auf die Verteilung der Hitze, die Verschiedenheiten des Lustdrucks, die Richtung der Winde und die für alles Leben so wichtige Feuchtigkeit der Luft. Fast drei Viertel der Erdrinde sind mit Wasser bedeckt. Und wiewohl die Tiefe des Ozeans so wenig wie die Höhe des Luftkreises schon genau von uns gemessen ist, wissen wir doch so viel, dass bei jeder beträchlichen Vermehrung oder Verminderung der gegenwärtigen Wassermasse die Gestalt und Größe des Festlandes sich so verändern müsste, dass die jetzt bestehende Harmonie der irdischen Dinge in vielen Beziehungen aufhören würde. Das Verhältnis von Wasser und Land ist genau dasjenige, welches die Welt bedarf; und die ganze Masse von Erde, Meer und Luft muss mit der größten Genauigkeit gegeneinander abgewogen worden sein, ehe auch nur ein Krokus aufrecht stehen oder ein Schneeglöcklein sein Köpfchen zur Erde neigen konnte. Die Maßverhältnisse von Land und Meer sind ihren wechselseitigen Verrichtungen genau angepasst. Das ist ein sicheres Ergebnis der Wissenschaft. Edwin Sidney 1866.

Als ich die Erde schuf, wo warest du?
So sag’ es doch, du Meister vom Verstande!
Wer teilte - weißt du’s? - ihr die Maße zu?
Wer ist’s, der über sie die Richtschnur spannte?
Worauf ruht ihrer Fundamente Last
Und wer hat ihr den Schlussstein eingepasst,
Als der Gestirne Chor in Morgenschöne
Erklang und jauchzten alle Gottessöhne?

Wer schloss in Türen ein des Meeres Weite,
Als es dem Mutterschoß entquoll mit Macht,
Als ich ihm das Gewölk zum Kleide,
Zur Windel gab die Nebelnacht;
Als ich die schroffe Wand ihm rings gebrochen
Und Riegel gab und Tore, und gesprochen:
Bis hierher sollst du kommen, weiter nicht!
Hier sei’s, wo deiner Wellen Stolz sich bricht!?

Bist du gedrungen zu des Meeres Quellen,
Hast dich ergangen in der Tiefe Graun?
Sind vor dir aufgedeckt des Todes Schwellen?
Magst du des Schattenlandes Tore schaun?
Hast du im Blick die Erde weit und breit?
Wenn du es alles weißt, gib mir Bescheid!

Hiob 38,4-11.16-18 nach G. Kemmler 1877.6

V. 4.5. Wo Gott selbst, Hiob 38, in der aus dem Gewitter erschallenden Rede eine unumschränkte Herrscherfreiheit verteidigt, zieht er die hauptsächlichsten Beweise aus der Erschaffung der Welt. So auch der Apostel Paulus in der Predigt an die Athener. Weil Gott die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, wird er genannt ein Herr Himmels und der Erde. (Apg. 17,24.) Sein Besitzrecht wird Ps. 89,12 auf eben dasselbe gegründet. Und weil er Israel als Geschöpf oder vielmehr als Kirche gebildet hat, verlangt er, dass das Volk ihm als seinem Herrn diene. (Jes. 44,21) Die Oberherrschaft Gottes ergibt sich als etwas ganz Selbstverständliches aus der Beziehung, in welcher alle Dinge zu ihm als ihrem Schöpfer stehen, und aus ihrer natürlichen und unlösbaren Abhängigkeit von ihm in Hinsicht ihres Daseins und Wohlseins. Stephen Charnock † 1680.

Die Erde war geformt, jedoch im Schoß
Der Wasser noch als ungereifte Frucht.
Ein großes Meer floss auf der Erdenfläche
Doch tätig, denn mit fruchtbar warmem Nass
Den Ball erweichend sanft, befruchtete
Es diese große Mutter zur Empfängnis,
Die mit der Zeugungskraft gesättigt ward.

Gott sprach: Nun sammelt euch, ihr Wasser all’,
In einem Raum, und zeuget festes Land!
Im Nu erschienen ungeheure Berge
Und reckten ihre breiten kahlen Nacken
Zum Wolkenreich, die Gipfel stießen hoch
Am Himmel an; so hoch Gebirge sich
Erhob, so tief versank der hohle Boden
Als Bett der Wasser; dahin fluten sie
In froher Hast.

John Milton, Verl. Paradies, 7. Buch. (Nach Ad. Böttger)

V. 6. Lasst uns niederfallen. Das sich auf den Boden Werfen ist eine Gebärde der Anbetung, die sich nicht nur ziemt, wenn der Anbetende von Trauer erfüllt ist, sondern auch, wenn er voller Freude ist. Von den Weisen aus dem Morgenland heißt es, sie seien hoch erfreut gewesen, als sie dank der Leitung des Sternes das Kindlein gefunden hätten, und alsbald wird weiter gesagt: Sie fielen nieder und beteten es an. Und ebenso wenig ist diese Körperhaltung auf Zeiten und Anlässe besonderer Freude oder besonderen Schmerzes beschränkt, sondern ganz allgemein lautet die Aufforderung: Kommt, lasst uns niederfallen und hinsinken usw. Joseph Caryl † 1673.

Niederfallen, nämlich so, dass der Anbeter, auf Hände und Füße hingestreckt, mit seiner Stirn den Boden berührt. Siehe 2. Chr. 7,3. John Fry 1842.

Kimchi unterscheidet die verschiedenen hier empfohlenen Körperstellungen. Das erste Wort, das wir mit anbeten übersetzen, bezeichne das Niederwerfen des ganzen Körpers mit ausgestreckten Händen und Füßen. Das zweite zeige ein Neigen des Hauptes mit teilweiser Beugung des Körpers an, und das dritte das Knie Beugen. Samuel Burder 1839.

V. 7. Jesu Christe, du göttlicher Hirt unserer Seelen, der uns nicht nur nährt auf seiner Weide, sondern uns auch führt mit seiner Hand! Liebevoller Hirte, der du uns nicht nur auf den grünen Auen der Heiligen Schrift weidest, sondern uns sogar mit deinem eigenen Fleische nährst! Was für Anlass zu nimmer endender Anbetung für eine Seele, die von diesen erhabenen Wahrheiten durchdrungen ist! Wohl mögen da Tränen der Freude quillen beim Anblick solch überschwänglicher Gnade! Pasquier Quesnel † 1719.

Heute. Wenn wir die Buße einen Tag aufschieben, so haben wir einen Tag mehr zu bereuen und einen Tag weniger zum Bereuen. William Mason † 1791.

Er, der uns Vergebung zugesichert hat, wenn wir Buße tun, hat nicht versprochen, uns das Leben zu erhalten, bis wir Buße tun. Francis Quarles † 1644.

Ihr könnt nie zu früh bereuen, weil ihr nicht wisset, wie bald es zu spät sein mag. Thomas Fuller † 1661.

So ihr seine Stimme höret. Israel hörte die Stimme unter den Donnern des Sinai, jene Stimme der Worte, welcher sich verweigerten, die sie hörten, und also schrecklich war das Gesicht, dass selbst Mose sprach: Ich bin erschrocken und zittere. (Hebr. 12,19 ff.) Aber sie hörten auch die stille, sanfte Stimme der Liebe des HERRN in dem Manna, das um ihr Lager fiel, und in dem erquickenden Rauschen des Wassers, das aus dem Felsen quoll. Dennoch läuft der Bericht der Undankbarkeit Israels Seite an Seite neben dem Bericht der Wohltaten des HERRN. "Aber mein Volk hörte nicht auf meine Stimme, und Israel war mir nicht willfährig." (Ps.81,12 Grundtext) Barton Bouchier 1855.

So ihr usw. Und doch ist es, wie Bernhard von Clairvaux bemerkt, gar nicht schwierig sie zu hören; im Gegenteil, die Schwierigkeit besteht darin, die Ohren wirksam gegen diese Stimme zu verschließen - so klar ist sie im Ausdruck und so beständig dringt sie an uns heran. Und doch sind, wie Hugo a St. Caro sagt, ihrer so viele, die sie nicht hören - weil sie ihr zu fern sind oder weil sie taub sind, weil sie schlafen, weil sie den Kopf wegkehren, weil sie sich die Ohren verstopfen, weil sie davon fliehen, um nicht zu hören, oder weil sie tot sind. So verschiedenartig und verschiedengradig ist der Unglaube. James Millard Neale 1860.

Es wird morgen für dich ebenso schwierig, ja noch schwieriger sein, zu Christo zu kommen, als es heute ist. Darum brich das Eis jetzt und wage dich im Glauben an das, was dir zu tun befohlen ist. Du wirst niemals wissen, wie sanft das Joch Christi ist, bis es um deinen Nacken gelegt ist, noch wie leicht seine Last, bis du sie aufgenommen hast. Solange du die Heiligkeit von ferne beurteilst als etwas, das außer dir und wider dich ist, wirst du sie niemals mögen. Komm ihr ein wenig näher; lass dich mit ihr ein, nimm sie in dich auf und übe sie aus, so wirst du bald finden, wie köstlich sie ist. Thomas Cole † 1697.

Fußnote
6. Hiob. In dichterischer Form wiedergegeben von Pf. G. Kemmler, Calver Vereinsbuchhandlung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 8. So verstocket euer Herz nicht. Ein betagter Mann nahm eines Tages ein Kind auf den Schoß und bat es, es möchte doch jetzt Gott suchen, zu ihm beten und ihn lieben. Auf einmal fragte das Kind, indem es dabei ihm in die Augen blickte: "Aber warum suchst du denn Gott nicht?" Tief bewegt erwiderte der Greis: "Ich möchte wohl, Kind; aber mein Herz ist hart, mein Herz ist hart." K. Arvine 1859.

Herz. Damit werden bald die einzelnen Fähigkeiten der Seele - Verstand, Gemüt und Wille - für sich, bald alle miteinander, also die ganze Seele zeichnet. So hier. Bei der Herzensverhärtung kommen Blindheit des Verstandes, Hartnäckigkeit des Willens und Stumpfheit des Gemütes zusammen. William Gouge † 1653.

V. 9. Man kann die Worte auf zweierlei Art deuten. Da Gott versuchen nichts anderes ist als einem krankhaften und unverantwortlichen Begehren frönen nach Proben seiner Macht, können wir den Vers in einem Zuge lesen: Sie versuchten mich und prüften mich, wiewohl sie mein Werk bereits gesehen hatten. Gott beklagt sich billig darüber, dass sie auf neuen Erprobungen bestanden, nachdem seine Macht sich schon so reichlich durch unleugbare Erweise bezeugt hatte. Man kann dem Worte prüfen aber noch einen anderen Sinn geben, wonach sich die Bedeutung der Stelle folgendermaßen darstellen würde: Eure Väter versuchten mich, indem sie fragten, wo Gott: sei, ungeachtet all der Wohltaten, die ich ihnen erwiesen hatte. Und sie erprobten mich, d. i. sie bekamen eine tatsächliche Erfahrung von dem, was ich bin, insofern als ich nicht aufhörte, ihnen offenkundige Erweise meiner Gegenwart zu geben; und somit sahen sie mein Werk. Jean Calvin † 1564.

Wir sind es vielleicht nicht gewohnt, den Unglauben oder das Murren als nichts Geringeres denn ein Versuchen Gottes anzusehen, und legen darum dieser so allgemeinen Sünde nicht den ihr zukommenden Grad der Verabscheuungswürdigkeit bei. Es ist uns so natürlich, unzufrieden zu sein, sobald Gottes Tun uns nicht ganz genehm ist, zu vergessen, was er uns bereits alles Gutes getan hat, sobald unsere Wünsche durchkreuzt scheinen, unter jedem neuen Kreuze ungeduldig und mürrisch zu sein, dass wir uns dabei kaum bewusst werden, dass wir eine Sünde begehen, und noch viel weniger, dass es eine außerordentlich schwere ist. Aber so hart das Urteil scheinen mag - wir können in der Tat Gott nicht misstrauen, ohne ihn eines Mangels an Macht oder an Güte zu beschuldigen. Du kannst nicht murren, nicht einmal missvergnügt sein, ohne damit tatsächlich Gott zu bedeuten, dass seine Ratschlüsse nicht die besten, seine Führungen nicht die weisesten seien, die er in Bezug auf dich hatte treffen können. So ist demnach deine Furcht, dein Verzagen oder dein ängstliches Sorgen in Verlegenheiten oder Gefahren nichts Geringeres als ein Auffordern Gottes, von seinem festen Plane abzugehen, ein Argwöhnen oder vielmehr ein Behaupten, dass er in einer seines Wesens würdigeren Weise vorgehen könnte, und darum eine Herausforderung, er solle sein Verhalten ändern, wenn er erweisen wolle, dass er die Vollkommenheiten wirklich besitze, die er für sich in Anspruch nehme. Du magst es nicht beabsichtigen, Gott solcherweise anzuklagen oder herauszufordern, wenn du murrst, aber dein Murren tut das tatsächlich, darüber kann kein Zweifel sein. Henry Melvill † 1871.

V. 10. Vierzig Jahre usw. O der verzweifelt bösen Vermessenheit des Menschen, seinen Schöpfer vierzig Jahre zu beleidigen! O der Geduld und Langmut seines Schöpfers, dass er ihm vierzig Jahre ihn zu kränken zulässt! Die Sünde beginnt in dem Herzen, indem es begehrt, Irrwege zu gehen und nach Verbotenem umherzustreifen. Daraus folgt dann Unachtsamkeit auf die Wege Gottes, auf seine Führungen und unsre Pflichten. Böse Lust im Herzen greift bald den Kopf an und benebelt das Verständnis. Bischof George Horne † 1792.

Deren Herz immer den Irrweg will. Es gibt ein Irren aus Unwissenheit, aber das hier erwähnte Irren kommt aus der Verderbtheit und Verkehrtheit des Herzens, aus einem Gemüt, das Gott abgeneigt, seinem Willen und seinen Wegen entfremdet ist. Wolfgang Musculus † 1563.

Vorher hat er sie Schafe genannt, und nun stellt er ihre Neigung zum Irregehen und ihre Untauglichkeit, sich führen zu lassen, fest; denn sie erkannten die Fußstapfen ihres Hirten nicht, geschweige denn dass sie ihnen folgten. C. H. Spurgeon 1874.

Sie erkannten meine Wege nicht (buchstäblich), d. h. sie achteten nicht auf sie, erkannten sie nicht an, sie wollten nichts von ihnen wissen; denn in anderem Sinn waren sie nicht unwissend in Betreff ihrer. Sie hörten ja Gottes Worte und sahen seine Werke wohl. David Dickson † 1662.

Unter Gottes Wegen können entweder seine Führungen oder seine Vorschriften verstanden werden. Die Ersteren verstanden sie nicht richtig, und was die Letzteren betrifft, so weigerten sie sich hartnäckig, sie erfahrungsmäßig - und das ist darin doch die einzige schätzenswerte Weise der Erkenntnis - kennenzulernen. John Brown 1862.

V. 11. Dass ich schwor. Das Wort schwören ist sehr bedeutsam und scheint mir hier zweierlei anzuzeigen. Erstens die Gewissheit des hier gesprochenen Urteils. Jedes Gotteswort ist wahr und kann nicht anders sein, denn es ist unmöglich, dass Gott lüge. Wenn ein Gotteswort aber mit einem Eide bekräftigt wird, so ist es unwiderruflich, wie ein Gesetz der Meder und Perser; es kann, mögen die Menschen ihr Verhalten ändern, wie sie wollen, nicht zurückgenommen oder abgeändert werden. Zweitens deutet es die Schrecklichkeit des Urteils an. Wenn die Kinder Israel schon bei der Gesetzgebung riefen: "Lass Gott nicht mit uns reden, sonst müssen wir sterben!" (2. Mose 20,19), was würden sie erst gesagt haben, wenn Gott wider sie geschworen hätte! Es ist schon schrecklich, einen Schwur aus dem Munde eines armen Sterblichen zu hören; aber aus dem Munde des allmächtigen Gottes ergreift er nicht nur, sondern macht in Bestürzung verstummen, verstört und vernichtet. Ein Schwur von Gott ist Wahrheit, gesprochen im Zorn, Wahrheit, gesprochen mit der Heftigkeit der Rache, wenn ich mich so ausdrücken darf. Wenn Gott spricht, so ist es die Pflicht des Geschöpfes, zu hören: wenn er schwört, zu zittern. Robert South † 1716.

Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen. Diese Gottesruhe war das Land Kanaan. Es ist so genannt, weil Gott dort sein Werk an Israel vollenden und weil er dort das Sinnbild seiner Gegenwart unter dem Volke zu einer festen Stätte machen wollte. Sie sollten dort ruhen von ihrem Wandern und sicher unter ihres Gottes Schutze leben. Es ist seine Ruhe, weil er sie ihnen bereitet und weil sie dort mit ihm und gleich ihm ruhen sollen. - Wir sind keineswegs berechtigt zu schließen, dass alle die, welche in der Wüste starben, um die ewige Seligkeit gekommen seien. Wohl haben wir Grund zu fürchten, dass es bei vielen, ja bei den meisten von ihnen der Fall gewesen sei; aber der über sie ausgesprochene Fluch ging zunächst nur auf ihre Ausschließung aus dem irdischen Kanaan. Bei uns jedoch handelt es sich, wie um das ewige Heil, so um die ewige Verdammnis. John Brown 1862.

V. 6-11. Die Aufmunterung zum Frohlocken, Jauchzen und Danken geht voran, und wird das Herz hierzu in Erkenntnis der Größe Gottes erweitert. Wenn aber die Freude im Herzen wohnhaft und gewurzelt wird, so geht es dann mehr ins stillere Anbeten und gebeugt Niederfallen, und zwar mehr aus Erkenntnis dessen, was er an uns durch unsere Begnadigung und Annahme vor allen andern getan hat. Kommt schon das Knie Beugen und Niederfallen bei der heutigen kaltsinnigen Welt in Abgang, lass du es dir um deswillen nicht verleiden; du hast an vieltausend heiligen Engeln und Anbetern vor dem Thron Gottes Vorgänge und Exempel genug. - Wie einer mit Gottes Wort umgeht, so wird er auch dazu zum Anbeten gestimmt. Der Glaube macht ein weiches, auch zum Gebet ausfließendes Herz; der Unglaube ein hartes und zum Gebet verschlossenes Herz. Und wie der dem Wort der Verheißung schuldige Glaube im Herzen abnimmt, so gewinnen hingegen alle Lüste des Fleisches Eingang und Meisterschaft, und es gibt hernach in der Versuchungswüste bei eines jeden Lauf solche missliche Örter wie Massa und Meriba, dass man ins Murren wider Gott, ins Versuchen und Ansprüche Machen hineingerät. O was ist es um einen gebeugten, zufriedenen, anbetenden, jauchzenden, lobenden Glauben! Ach, lasst uns bei demselben Fleiß tun, dass wir die Verheißung, zu seiner Ruhe einzukommen, nicht versäumen, und unser doch keines dahinten bleibe! Ach, lasse du, unser Bundesgott, zu deiner Ruhe und deinem Abendmahl uns zu! Karl Heinrich Rieger † 1791.

Homiletische Winke

V. 1. Eine Aufforderung, den HERRN zu preisen. 1) Eine vorzügliche Weise der Anbetung: frohlockender Gesang. 2) Eine zum Singen trefflich passende Stimmung: fröhliche Dankbarkeit. 3) Was uns zu beidem, zu Dankbarkeit und frohlockendem Lobgesang, anregen mag: der HERR ist der Hort unseres Heils.
Der Hort unseres Heils. Ein vielsagendes Bild. Dieser Fels bietet Zuflucht, Herberge, festen Grund und auch Versorgung (Wasser aus dem Felsen).
V. 2. 1) Was das heißt: vor sein Angesicht kommen. Wahrlich nicht wallfahren zu heiligen Orten usw. 2) Welche Opfergaben uns am meisten ziemen, wenn wir vor sein Angesicht kommen.
V. 3. 1) Die Größe Gottes nach seiner göttlichen Vollkommenheit, Güte, Macht, Herrlichkeit usw. 2) Seine Herrschaft über alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 3) Die Anbetung, die ihm demgemäß gebührt.
V. 4.5. Wie allumfassend Gottes Herrschaft ist. Sie umfasst 1) alle Teile der Erdkugel, 2) das ganze Gebiet der Vorsehung, 3) alle sittlichen Entwicklungsstufen. Oder: Dunkle Tiefen und schwindlige Höhen sind in Gottes Hand; das Unbeständigste, Grauenhafteste und Unbezwingbarste - das Meer - steht unter seiner Aufsicht so gut wie die terra firma des Friedens und Wohlergehens.
V. 5. Das Meer! Das Meer! Eine Predigt für Seeleute von C. H. Spurgeon. Phil. Bickel, Hamburg.
V. 6. Die richtige Erkenntnis Gottes erzeugt 1) Geneigtheit zur Anbetung, 2) gegenseitige Anreizung zur Anbetung, 3) tiefe Ehrfurcht bei der Anbetung, 4) ein überwältigendes Gefühl der Gegenwart Gottes bei der Anbetung. Charles A. Davis 1874.
V. 6.7. Wir sollen Gott anbeten 1) als unseren Schöpfer: Er hat uns gemacht; 2) als unseren Erlöser: das Volk seiner Weide; 3) als unseren Erhalter: Schafe seiner Hand. George Rogers 1874.
V. 7. 1) Der dringende Ruf des Heiligen Geistes. "Der Heilige Geist spricht" (Hebr. 3,7) a) in der Heiligen Schrift, b) in den Herzen der Kinder Gottes, c) in dem Gemüt der Erweckten, d) durch sein Gnadenwirken. 2) Eine dringende Pflicht: hören auf seine unterweisende, befehlende, einladende, versprechende, warnende Stimme. 3) Ein zur Entscheidung drängender Zeitpunkt: Heute. Da Gott spricht, nach solcher langen Zeit (Hebr. 4,7), am Tage der Gnade, jetzt, in eurem gegenwärtigen Zustand. 4) Die dringende Gefahr: Verstockt euer Herz nicht durch Gleichgültigkeit, Unglauben, Fordern von Zeichen, Vermessenheit, weltliche Lüste usw.
Ihr Sünder, hört Gottes Stimme, denn 1) das Leben ist kurz und unsicher. 2) Ihr könnet nicht über das verfügen, was gar nicht euer ist. 3) Wenn ihr, ob auch nur bis morgen, zaudert, so verhärtet ihr damit euer Herz. 4) Es ist aller Grund zu der Befürchtung, dass ihr, wenn ihr eure Sinnesänderung auf morgen verschiebt, niemals damit beginnen werdet. 5) Gott hört nach einer gewissen Zeit auf, mit dem Sünder zu ringen. 6) Ein gottseliges Leben bringt weder Qual noch Langeweile, ist weder ermüdend noch widerwärtig, dass ihr wünschen müsstet, das Beginnen desselben möglichst lange hinauszuschieben. Edward Payson † 1827.
Der Unterschied der Zeiten in geistlicher Hinsicht. 1) Früher oder später sind sich nicht gleich in Hinsicht auf die Ewigkeit. 2) Zeiten der Unwissenheit und Zeiten der Erkenntnis sind nicht gleich. 3) Vor der freiwilligen Begehung wesentlicher Sünden oder hernach ist nicht gleich. 4) Vor der Aneignung böser Gewohnheiten oder hernach ist nicht gleich. 5) Die Zeiten besonderer göttlicher Gnadenheimsuchungen und die Zeit, da er uns seine gnädige Gegenwart und Hilfe entzieht, sind nicht gleich. 6) Die Zeit, da wir in Gesundheit und Kraft stehen, und die Zeit der Krankheit, Schwachheit und des nahenden Todes sind nicht gleich. 7) Jetzt und hernach, Gegenwart und Zukunft, diese Welt und die zukünftige sind nicht gleich.
V. 7.8. Das Hören auf Gottes Stimme, sonderlich auf die im Evangelium erschallende Stimme Christi, ist das beste Mittel, der Verstockung des Herzens vorzubeugen. Das Evangelium macht und erhält das Herz weich. William Gouge † 1653.
V. 9. 1) Israels schrecklicher Versuch, Gott zu versuchen. 2) Die furchtbare Wirkung dieses Versuchs. 3) Lasst uns den Versuch nicht wiederholen. Charles A. Davis
V. 10. Welches Irren und welche Unwissenheit verhängnisvoll sind.
V. 11. Der verhängnisvolle Augenblick, da eine Seele von Gott aufgegeben wird. Wie dieses Gericht beschleunigt werden kann, was die Zeichen davon sind und was die schrecklichen Folgen.
V. 10.11. Das Erglimmen, Auflodern und volle Brennen des göttlichen Zornes und dessen entsetzliche Wirkungen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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