Frage 27.
Was verstehst du durch die Vorsehung Gottes?
Die allmächtige und gegenwärtige Kraft Gottes, durch die er Himmel und Erde mit allen Geschöpfen wie durch seine Hand noch erhält und so regiert, dass Laub und Gras, Regen und Dürre, fruchtbare und unfruchtbare Jahre, Essen und Trinken, Gesundheit und Krankheit, Reichtum und Armut und alles andere uns nicht durch Zufall, sondern aus seiner väterlichen Hand zukommt.
Die Vorsehung ist die unbegrenzte Weisheit Gottes, durch welche alle zukünftigen Dinge, die
allgemeinen im allgemeinen und die besonderen im besonderen, ehe sie geschehen sind, in ganz uneingeschränkter Weise gesehen und besorgt werden. Ein Teil derselben ist die göttliche Vorherbestimmung (Prädestination). Franz. Junius.
Conrad Mel schreibt in den Geistl. Reden zu seiner Zeit: Findet man in der Schrift einige merkwürdige Exempel der göttlichen Providenz und Vorsehung? Ja, an Joseph, der nach Ägypten musste geführt werden, durch allerhand Zufälle zum Thron kommen, dass seines Vaters Haus erhalten wurde 1. Mos. 41. So führte auch Gottes Vorsehung wunderlich, doch weislich den Moses, Hiob, David u. a. Wie weit erstreckt sich die göttliche Vorsehung? Über alle Dinge, sowohl große als kleine, notwendige als zufällige, gute als böse. – Wie kann bewiesen werden, dass Gottes Vorsehung gehet über große Dinge? Unter Gottes Vorsehung steht:
1) Himmel und Erde; Ps. 19,1.8; Hiob 38,8.13.
2) Könige und Königreiche; Sprüche 21,l.
3) Das Leben der Menschen; denn Gott hat einem jeden Menschen sein Ziel gesetzt, das kann er nicht überschreiten; 1. Sam. 26,9; Hiob 14,5; Joh. 7,30.
4) Regen und dürre Zeit; 5. Mos. 11,17.
5) Speise und Trank; Ps. 104,14.
6) Gesundheit und Krankheit; Hiob 5,18.
7) Reichtum und Armut; 1. Sam. 2,7. Geht auch Gottes Vorsehung über kleine Dinge? Ja, denn die Schrift gedenkt der Heuschrecken, welche seinen strafenden Befehl ausrichten; 2. Mos. 10,4; der Löwen, Ps. 104,2; Sperlinge, Matth. 10,29; Haare, Matth. 10,30; Tränen, Ps. 56,9. Werden von seiner Vorsehung auch regiert die Gedanken des Menschen? Ja freilich; Sprüche 21,1; Phil. 2,13; Ps. 51,12.
Wie weit erstreckt sich die Vorsehung Gottes über die bösen Taten der Menschen?
1) Lässt Gott zuweilen aus gerechten Ursachen den Sünder in seiner Bosheit hingehen: Apg. 14,16.
2) Er entziehet aus wohlverdienten Strafen die Gnadenmittel, wie also die undankbaren Juden verstockt wurden; Jes. 6,9.
3) Er lässt auch wohl aus heiligen Ursachen zu, dass Sünder ihre bösen Anschläge ausführen, wie er nicht hinderte, dass Judas Jesum verriet, die Juden ihn töteten. Apg. 4,27.
4) Gott strafet Sünden mit Sünden, wie den David durch einen fluchenden Simei; 2. Sam. 16,5, die Juden durch Assur, die Rute des göttlichen Zornes Jes. 10,5.
5) Er setzt dem Bösen Grenze und Ziel, Hiob 1,12.
6) Er regieret das Böse zu einem guten Ende. 1. Mos. 50,20.
Ursinus sagt zu unserer Frage: Mit der Lehre von der Schöpfung der Welt hängt zusammen die von der Vorsehung Gottes, welche nichts anders ist als die Fortsetzung der Schöpfung, weil die Regierung die Erhaltung der geschaffenen Dinge ist. Denn wir haben uns keine solche Schöpfung vorzustellen, wie der Aufbau eines Schiffes ist, welches der Baumeister nach Vollendung dem Schiffsherrn zur Leitung übergibt; sondern haben für gewisser als gewiss zu halten, dass wie keine Dinge da wären, wenn Gott sie nicht erschaffen hätte, ebenso die erschaffenen Dinge keinen Augenblick bestehen könnten, wenn Gott sie durch seine Vorsehung nicht leiten und erhalten würde. Deshalb können wir die Schöpfung nicht recht verstehen, wenn wir sie von der Lehre der Vorsehung trennen wollten.
Vorherwissen, Vorsehung und Vorherbestimmung sind verschiedene Begriffe.
Das Vorherwissen (praescientia) ist die Erkenntnis Gottes, in welcher er zum voraus von Ewigkeit gewusst hat, was er selbst tun würde und was nach seiner Zulassung andere tun würden, wie Sünden. Die Vorsehung und Vorherbestimmung beziehen sich zwar nur auf das, was Gott selbst tun würde, doch darin sind sie von einander unterschieden, dass die Vorsehung sich auf alle Dinge und Werke Gottes, die Vorherbestimmung sich aber nur auf vernünftige Kreaturen erstreckt.
Denn die Vorherbestimmung ist der Allweise, ewige und unveränderliche Beschluss Gottes, wonach er einen Menschen, ehe er ihn erschaffen hat, zu seinem gewissen Gebrauch und Zweck bestimmt und verordnet hat. Die Vorsehung aber ist der ewige, ganz freie, unveränderliche, weiseste, gerechteste und beste Ratschluss, wonach Gott alles Gute in allen Kreaturen wirkt und auch das Böse zulässt, und Gutes und Böses zu seiner Ehre und der Auserwählten Heil lenkt.
Der Pfälzer Lucas Stöckle schreibt in seiner 1613 erschienenen Schrift „Patientia“: Gott ist ein
allgemeiner und oberster Regent im Himmel und auf Erden und unter der Erden, d. i. er herrschet und regieret über die Engel, Menschen und Teufel. Nun bedenke, ob Gott dieses sein Regiment erhalten und solche Kreaturen, keine ausgenommen, recht regieren könnte, wenn er nicht große Geduld gegen sie allesamt erzeigete?
Franz Capsius, † 1662 als Pastor zu Eisenrod bei Dillenburg, lässt sich in einer Predigt über Ps. 90,3 also vernehmen: Nicht das blinde Glück regiert der Menschen Tun und Wesen, Leben und Sterben. Der Menschen Leben und Sterben, Glück und Unglück, Krankheit und Gesundheit, Armut und Reichtum steht alles in Gottes Hand. Wie er es lässet kommen, so kommt es. Er weiß, wann wir noch nicht sein, er weiß, wann wir sollen geboren werden, er weiß, wie es uns in unserm ganzen Leben ergehen soll. Er weiß, wie lang unser Leben währen, wann, wo und wie es ein Ende nehmen soll. Alles kommt von Gott, Glück und Unglück, Amos 3, Leben und Tod, Reichtum und Armut, Syr. 11. Wenn denn dem also ist, wie es in Wahrheit anders nicht ist, so ist es christlich und rühmlich, wenn wir unsern Willen dem Willen Gottes mit Geduld in allerlei Zufällen unterwerfen und sagen mit Hiob, David und andern gläubigen Christen: Meine Zeit steht in deinen Händen, die Tage unserer Monden sind bei dir schon gezählt, ich weiß und bin gewiss, dass kein Unglück, keine Krankheit, keine Trübsal, keine Not, kein Tod eine einzige Minute an meinem Leben abkürzen kann, ehe ich meinen Lauf, den mir der Herr bestimmt, vollendet habe. Darum was mein Gott will, das geschehe allezeit: sein Wille ist der beste. Es hat mir der Herr einen lieben Ehemann, fromme Kinder, gute Freunde beschert. Nimmt er mir solche wieder, so wird er wohl wissen, wozu es ihn mir und meinen Kindern nützen soll, denn ich weiß doch, dass denen, die Gott lieben, alles, alles, und also auch dieses Kreuz zum besten dienen muss. Er hat’s gegeben, er hat’s wieder genommen, und hat es auch alles Macht gehabt. Der Name des Herrn sei gelobt und gebenedeit. Ja wenn mich der Herr selbst töten wollte, will ich doch in kindlichem Vertrauen dem lieben Gott still halten, der ungezweifelten tröstlichen Hoffnung, dass es der Herr alles wohl machen wird, was zu seiner göttlichen Ehre rühmlich, auch zu meiner ewigen Wohlfahrt nützlich ist.
Über Matth. 6,34 bis 3. Schluss sagt Johann von Münster zu Vortlage: Dieser Text ist eine von den Predigten Christi, welche viele Theologen der ersten und letzten reformierten Kirche, als Augustinus, Scultetus, Simon Pauli u. a. neben der Luk. 24 im Stande seiner Herrlichkeit, und der Luk. 4,16 gehaltenen Predigt gewünscht haben, vom Herrn Christo selbst gehört zu haben.
Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit.
Ein alter Matrose war zugegen und sah, wie ein betrunkener Mann taumelnd ins Wasser fiel. Dieser suchte sich herauszuarbeiten, doch umsonst, er sank wieder unter. So erschien der Unglückliche mehrere Male auf der Oberfläche des Wassers; aber immer wieder versank er nach verzweifelten, vergeblichen Anstrengungen, die immer schwächer und schwächer wurden, bis es schien, der Arme habe geendet. Indessen war eine Menge Menschen am Ufer zusammen gekommen und schaute neugierig zu. Ohne selbst zu helfen, erhoben sie doch ein Murren gegen den alten, „hartherzigen“ Matrosen den für Lebensrettungen schon mehrere Medaillen schmückten, und dem nun die Leute zumuteten, er sollte schon längst den Ertrinkenden gerettet haben, dieser aber, erfuhren in solcher Arbeit, war indessen nicht untätig geblieben; mit vorgebeugtem Kopf und scharf beobachtenden Augen hatte er jede Bewegung des Untersinkenden wahrgenommen, aber erst, als dieser alle Anstrengung, sich selbst zu helfen, aufgab, als seine Kraft ausging, verlor der treue Matrose keinen Augenblick und stürzte sieh mit Blitzesschnelle ins Wasser, fasste mit starkem Arm den Ohnmächtigen und brachte ihn aufs Trockene und bald war der von der Menge Aufgegebene bei Besinnung. „Hätte ich“, belehrte der Matrose die Menge, die rat- und tatenlos, aber murrend daneben gestanden, „hätte ich den Untersinkenden sogleich, wie ihr es wolltet, herausziehen wollen, so hätte er mich mit seiner ganzen Kraft gefasst, und statt, dass ich ihn gerettet hätte, würde er mich in die Tiefe hinab gezogen haben.“ So weiß Gott auch ganz genau, wann er dir erst helfen kann! wenn’s nämlich mit deinen eigenen Rettungsversuchen zu Ende ist.
Ein Mann, welcher zum zweiten Mal sein Haus und Hof durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt sah, hatte in seiner Betrübnis fast alle Freudigkeit und alles Vertrauen zu Gott verloren. Er fing an, traurig und schwermütig zu werden, und glaubte an keine Errettung aus der Not. In dieser großen Bekümmernis des Herzens stand er eines Tages vor seiner Brandstätte und fragte Gott: wie er sie wieder aufbauen solle. Da fing er an zu zagen und meinte, Gott könne ihm nicht helfen. Als er nun eben in die größte Traurigkeit versinken wollte, lenkte Gott seine Augen auf die Kinder des ärmsten Mannes im Dorfe, in dessen Haus die Brot not oft einkehrte. Diese Kinderchen sangen und sprangen so fröhlich umher und wussten von keiner Not. Da ging der traurige Mann in sich und sprach: „Diese Kinder haben einen armen Vater und sind froh, und du hast einen so reichen Vater dort oben und willst doch verzagen? Nein!“ Er ging fröhlich an seine Arbeit, fing alles mit Gott an, und die göttliche Hilfe ließ ihn nicht zuschanden werden, sondern segnete seine Arbeit und ersetzte allen Verlust reichlich denn des Herrn Segen macht reich ohne Mühe.
Vor mehreren Jahren machte eine Frau von England aus eine Seereise. Unterwegs fragte sie einen Matrosen: „Wie lange wird die Fahrt noch dauern?“ – „Wenn’s Gott gefällt, sind wir in 14 Tagen an Ort und Stelle“, war die Antwort: „Wenn’s Gott gefällt? Das ist mir ein dummes Geschwätz“, erwiderte die ungläubige Frau. „Wisst ihr denn nicht, dass Alles, was geschieht, vom Zufall abhängt?“ Der Matrose suchte zwar seinen Glauben zu verteidigen, aber die gelehrte Dame wusste ihn mit ihren Spitzfindigkeiten bald zum Schweigen zu bringen. Nach einiger Zeit brach ein schrecklicher Orkan aus und das Schiff kam in große Gefahr. Gerade als der Sturm aufs fürchterlichste tobte und die Frau in Todesangst in der Kajüte saß, ging der Matrose ruhig an derselben vorüber. „Was meint ihr“, fragte sie, „wird der Sturm nicht bald vorübergehen?“ „Nach den bisherigen Vorzeichen nicht so schnell.“ „Ach, so betet doch, dass wir nicht umkommen.“ Da sah sie der Matrose bedeutungsvoll an und sagte: „Soll ich zum Zufall beten?“
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31