Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon
Moderatoren: Der Pilgrim, Anton, Peter01
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
34.
Auch vertilgten sie die Völker nicht,
wie sie doch der HERR geheißen hatte,
35.
sondern sie mengten sich unter die Heiden
und lernten derselben Werke
36.
und dienten ihren Götzen;
die gerieten ihnen zum Ärgernis.
37.
Und sie opferten ihre Söhne
und ihre Töchter den Teufeln
38.
und vergossen unschuldig Blut,
das Blut ihrer Söhne und ihrer Töchter,
die sie opferten den Götzen Kanaans,
dass das Land mit Blutschulden befleckt ward;
39.
und verunreinigten sich mit ihren Werken
und hurten mit ihrem Tun.
40.
Da ergrimmte der Zorn des HERRN über sein Volk
und gewann einen Gräuel an seinem Erbe
41.
und gab sie in die Hand der Heiden,
dass über sie herrschten, die ihnen gram waren.
42.
Und ihre Feinde ängsteten sie;
und sie wurden gedemütigt unter ihre Hände.
43.
Er errettete sie oftmals;
aber sie erzürnten ihn mit ihrem Vornehmen
und wurden wenig um ihrer Missetat willen.
34. Auch vertilgten sie die Völker nicht, wie sie doch der HERR geheißen hatte. Sie waren beauftragt, Gottes Gericht zu vollstrecken an Völkern, die wegen ihrer unnatürlichen Laster zum Tode verurteilt waren; aber infolge von Trägheit, Feigheit und sündiger Nachsicht steckten sie das Schwert zu früh in die Scheide, was ihnen später Gefahr und Unruhe genug brachte. Es ist sehr traurig, dass so manche, die sich zum HERRN bekennen, nicht eifrig auf die Ausrottung jeder inneren und äußeren Sünde ausgehen. Wir schließen Friedensverträge, wo wir den Krieg bis aufs Messer erklären sollten. Wir schützen unser natürliches Temperament, unsere früheren Gewohnheiten, den Druck unserer Verhältnisse vor oder brauchen irgendeine andere schlechte Ausrede zur Rechtfertigung dafür, dass wir uns begnügen, unser Leben in einzelnen Stücken zu heiligen, wenn es überhaupt eine Heiligung ist. Wir sind auch lässig im Strafen der Fehler anderer und geneigt, Sünden zu schonen, die für vornehm gelten und wie Agag (1. Samuel 15,32) mit lustig tänzelnden Schritten einhergehen. Als Maßstab für die Ausrottung der Sünde darf uns nicht unsere Neigung gelten oder die Gewohnheit anderer, sondern des HERRN Befehl. Wir haben keine Ermächtigung, mit irgendeiner Sünde milde zu verfahren, heiße sie wie sie wolle.
35. Sondern sie mengten sich unter die Heiden und lernten derselben Werke. Nicht die Wüste war schuld an Israels Sünde; denn hernach, als sie in dem Gelobten Lande wohnten, waren sie ebenso ungehorsam. Sie fanden schlechte Gesellschaft, und sie gefiel ihnen. Eben die Leute, welche sie hätten vertilgen sollen, machten sie zu ihren Freunden. Wiewohl sie selber schon Fehler genug hatten, waren sie doch bereit, noch bei den unflätigen Kananitern in die Schule zu gehen, um sich in den Künsten der Lasterhaftigkeit noch besser auszubilden. Sicherlich konnten sie doch nichts Gutes lernen von Leuten, die der HERR dem gänzlichen Untergang geweiht hatte. Es wird wenig Leute geben, die Lust hätten, in der Zelle eines zum Tode verurteilten Verbrechers in die Lehre zu gehen; doch Israel setzte sich wirklich zu den Füßen des fluchbeladenen Kanaan und machte denn auch reißende Fortschritte in allen Gräueln. Dies ist auch ein leidiger, aber häufiger Fehler bei solchen, die sich Christen nennen: sie bewegen sich gerne in weltlicher Gesellschaft, bewerben sich um die Gunst von Weltleuten und ahmen weltliche Sitten nach, während es doch ihr Beruf ist, gegen alles solches Zeugnis abzulegen. Es ist unsagbar, wie viel Böses schon aus dem albernen Wesen der Weltförmigkeit hervorgegangen ist.
36. Und dienten ihren Götzen; die gerieten ihnen zum Ärgernis, das ist zum Fallstrick. Sie wurden bezaubert von den Reizen des Götzendienstes, obwohl dieser über seine Anhänger Unheil bringt. Man kann der Sünde nicht dienen, ohne ihren Schwingen zum Opfer zu fallen. Sie ist gleich dem Vogelleim; wer sie berührt, ist schon gefangen. Simson legte sein Haupt in den Schoß der philistäischen Frau, und es dauerte nicht lange, da erwachte er, seiner Locken und seiner Kraft beraubt. Das Spielen mit der Sünde ist verhängnisvoll für unsere geistliche Freiheit.
37.38. Und sie opferten ihre Söhne und ihre Töchter den Teufeln. Das hieß in der Tat umstrickt sein. Sie lagen in den Zauberfesseln eines blutdürstigen Aberglaubens und wurden soweit hingerissen, dass sie sogar Mörder ihrer eigenen Kinder wurden zu Ehren der abscheulichsten Gottheiten, die eher Teufel als Götter waren. Und vergossen unschuldig Blut. Die armen Kleinen, die sie als Opfer umbrachten, hatten an ihrer Sünde noch nicht teilgenommen, und Gott blickte mit äußerster Entrüstung auf den Mord der Unschuldigen. Das Blut ihrer Söhne und ihrer Töchter, die sie opferten den Götzen Kanaans. Wer kann sagen, wozu das Böse ihn noch bringen wird? Es machte diese Menschen nicht nur gottlos, sondern auch unmenschlich. Hätten sie nur einen Augenblick nachgedacht, so hätten sie einsehen müssen, dass eine Gottheit, die an dem von den eigenen Eltern vergossenen Blut ihrer Kinder Gefallen haben konnte, unmöglich eine Gottheit sein könne, sondern eine dämonische Macht sein müsse, wert verabscheut, aber nicht angebetet zu werden. Wie war es nur möglich, dass sie solchen Dienst dem Jehovahs vorzogen? Riss er etwa die Säuglinge vom Busen der Mutter und lächelte bei ihrem Todeswimmern? Aber die Menschen tragen eher noch das eiserne Joch Satans als die sanfte Last des HERRN. Beweist das nicht offenkundig die tiefe Verderbtheit der Herzen? Ist der Mensch nicht gänzlich verderbt - was könnte er noch Schlimmeres tun, wenn er es wäre? Ist das, was in diesem Vers beschrieben wird, nicht das non plus ultra (der denkbar höchste Grad) des Bösen? Dass das Land durch Blutschulden entweiht ward. (Wörtl.) Das Gelobte Land, das Heilige Land, das die Krone aller Länder war, weil Gott daselbst thronte, wurde besudelt mit dem rauchenden Blut unschuldiger Kinder, und zwar durch die blutbefleckten Hände ihrer Eltern, welche sie erwürgten, um Dämonen damit zu huldigen. Wehe, wie musste das den Geist des HERRN reizen, das also entweihte Land den Heiden preiszugeben!
39. Und verunreinigten sich mit ihren Werken und hurten mit ihrem Tun. Nicht nur das Land, auch seine Einwohner wurden befleckt und entweiht. Sie brachen den Ehebund zwischen ihnen und Jehovah und verfielen in geistliche Hurerei. Die Sprache ist derb, aber die Sünde konnte mit weniger starken Ausdrücken nicht passend bezeichnet werden. Wie ein Gatte tief entehrt und bis ins Herz verwundet ist, wenn seine Frau sich der Unzucht ergibt und in seinem eigenen Hause mit einer Menge von Liebhabern buhlt, so war der HERR ergrimmt darüber, dass sein Volk viele Götter und viele Herren in Jehovahs eigenem Lande einführte. Sie machten und ersannen neue Götter und beteten dann an, was sie gemacht hatten. Welcher Wahnwitz! Ihre neuen Gottheiten waren ekelhafte Ungeheuer und grausame Dämonen, und doch huldigten sie ihnen! Welche Gottlosigkeit! Und um diese Torheit und Gottlosigkeit zu begehen, gaben sie den wahren Gott auf, dessen Wunder sie gesehen hatten und dessen auserwähltes Volk sie waren. Das war eine Herausforderung der schlimmsten Art.
40.41. Da ergrimmte der Zorn des HERRN über sein Volk und gewann einen Gräuel an seinem Erbe. Nicht dass er jetzt gleichfalls seinen Bund gebrochen und sein sündigendes Volk ganz verworfen hätte; aber er fühlte die tiefste Entrüstung, ja er blickte mit Abscheu auf sie herab. Das hier beschriebene Gefühl gleicht dem des Gatten, der seine schuldbeladene Frau noch immer liebt und doch, wenn er ihrer Schamlosigkeit gedenkt, fühlt, wie sein ganzes Wesen sich in gerechtem Zorn über sie empört, so dass ihr Anblick schon seine Seele kränkt. Wie weit Gottes Zorn gegen die entbrennen kann, die sein Herz dennoch liebt, wäre schwer zu sagen; jedenfalls hat Israel das Äußerste getan, es an der eigenen Erfahrung zu erproben. Und gab sie in die Hand der Heiden. Damit gab er seinem Abscheu durch die Tat Ausdruck. Er ließ sie die Frucht der Sünde schmecken. Sie schonten die Heiden, vermengten sich mit ihnen und ahmten ihnen nach und hatten bald unter ihnen zu leiden, denn feindliche Horden wurden auf sie losgelassen, sie zu plündern, soviel sie Lust hatten. Die Menschen binden sich Ruten für ihren eigenen Rücken und erfinden sich selber ihre Strafen. Dass über sie herrschten, die ihnen gram waren. Wen könnte das wundern? Sünde bringt nie treue Liebe hervor. Sie verbanden sich mit den Heiden in ihrer Gottlosigkeit, aber ihre Herzen gewannen sie nicht, zogen sich vielmehr ihre Verachtung zu. Wenn wir uns mit den Kindern der Welt einlassen, werden sie bald unsere Herren und Tyrannen werden, und Schlimmeres können wir uns nicht wünschen.
42. Und ihre Feinde ängsteten sie. Das entsprach deren Natur; ein Israelit fährt immer schlecht unter der Hand von Heiden. Ihre Milde gegen die Völker Kanaans erwies sich als Grausamkeit gegen sie selbst. Und sie wurden gedemütigt unter ihre Hände. Sie wurden von Knechtschaft und hartem Dienst niedergebeugt und von Tyrannei zu Boden gedrückt. An ihrem Gott hatten sie einen gütigen Herrn gehabt, aber in denen, mit welchen sie in ihrer Verkehrtheit hatten Brüderschaft schließen wollen, fanden sie Despoten der barbarischsten Art. Wer seinen Gott aufgibt, gibt das Glück hin für Elend. Gott kann unsere Feinde zu Ruten in seiner Hand machen, mit denen er uns zu unserem besten Freunde zurücktreibt.
43. Er errettete sie oftmals. Aus dem Buch der Richter können wir ersehen, wie wahr dieser Satz ist; wieder und wieder wurden ihre Feinde niedergeworfen und wurden sie in Freiheit gesetzt - nur um mit neuer Kraft auf ihre früheren Sündenwege zurückzukehren. Sie aber blieben widerspenstig in ihrem Rat oder Vornehmen. (Grundtext) Mit Überlegung kamen sie überein, sich aufs Neue zu versündigen; der Eigenwille war ihr Ratgeber, und sie folgten ihm zu ihrem eigenen Verderben. Und wurden wenig (wörtl.: sanken zusammen, kamen herunter) durch ihre Missetat. Immer schlimmer wurde das Unglück, das sie über sich brachten, immer tiefer fielen sie in die Sünde und infolgedessen auch ins Elend. In Gruben und Erdhöhlen mussten sie sich verbergen; aller Kriegswaffen wurden sie beraubt und von ihren Unterdrückern ganz und gar verachtet. Sie waren eher ein Haufe Sklaven als ein Volk von Freien, bis der HERR sie in Gnaden wieder erhob. Könnten wir die Schrecken all der Kriege, die Palästina verheerten, und die Verwüstungen, welche Teurung und Hungersnot anrichteten, völlig übersehen, so würde uns schaudern vor den Sünden, die also gestraft wurden. Tief in ihr Inneres musste sich die Sünde der Abgötterei eingefressen haben, sonst würden sie angesichts so schwerer Strafen nicht mit solcher Beharrlichkeit immer wieder in dieselbe zurückgefallen sein. Wir brauchen darüber nicht zu staunen, es gibt noch ein größeres Wunder: der Mensch wählt Sünde und Hölle lieber als Gott und den Himmel.
Uns, dem Volke Gottes, wird hier die Lehre gegeben, demütig und gewissenhaft vor dem HERRN zu wandeln und vor allem uns zu hüten vor den Abgöttern. Wehe denen, die an dem Götzendienst der großen mit Purpur und Scharlach bekleideten Hure Anteil nehmen; sie werden auch an ihren Plagen teilhaben. Schenke der HERR uns Gnade, den schmalen Weg weiterzupilgern und uns von den Abgöttern jener unbefleckt zu erhalten.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
44.
Und er sah ihre Not an,
da er ihre Klage hörte
45.
und gedachte an seinen Bund, den er mit ihnen gemacht hatte;
und es reute ihn nach seiner großen Güte;
46.
und er ließ sie zur Barmherzigkeit kommen
vor allen, die sie gefangen hatten.
47.
Hilf uns, HERR, unser Gott,
und bringe uns zusammen aus den Heiden,
dass wir danken deinem heiligen Namen
und rühmen dein Lob.
44. Und er sah ihre Not an, da er ihre Klage hörte. Obwohl sie ihn durch ihr Widerstreben so herausgefordert und solch abscheuliche Gräuel begangen hatten, hörte der HERR ihr Flehen und erbarmte sich über sie. Das ist wunderbar, wahrhaft göttlich! Man hätte denken sollen, Gott würde in Anbetracht dessen, dass sie ihre Ohren seinen Warnungen verschlossen hatten, auch sich ihrem Gebet verschlossen haben; aber nein, er hatte ein Vaterherz, der Anblick ihrer Leiden rührte ihn, der Ton ihrer Klage übermannte sein Herz, und er blickte voll Mitleid und Erbarmen auf sie nieder. Sein stärkster Grimm seinem Volke gegenüber ist nur eine zeitweilig lodernde Flamme, aber seine Liebe brennt ewig wie das Licht seines unvergänglichen Wesens selbst.
45. Und gedachte ihnen zugute (Grundtext) an seinen Bund. Der Bund ist der sichere Grund der Gnade. Und wenn das ganze Gebäude seines sichtbaren Gnadenwirkens, wie es an seinen Heiligen offenbar wird, in Trümmern liegt, steht doch noch der Bund da als das unerschütterliche Fundament seiner Liebe, und auf ihm beginnt der HERR einen neuen Bau der Gnade zu errichten. Die Bundesgnade ist fest wie der Thron Gottes. Und es reute ihn nach seiner großen Güte. Er führte das begonnene Vernichtungsgericht nicht zu Ende. Nach Menschenweise geredet, besann er sich eines andern und überließ sie nicht ihren Feinden zu gänzlicher Vertilgung, weil er sah, dass in diesem Falle sein Bund würde gebrochen werden. Der HERR ist so voller Güte, dass er nicht nur Gnade hat, sondern eine Fülle der Gnaden (Grundtext), und diese liegen allzumal in dem Bunde beschlossen und bergen einen Schatz von Heilsgütern für die irrenden Menschenkinder.
46. Und er ließ sie zur Barmherzigkeit kommen vor allen, die sie gefangen hatten. Da er die Herzen aller Menschen in seiner Hand hat, erweckte er Mitleid selbst in der Brust von Heiden. Gerade wie er für Joseph in Ägypten Freunde fand, erweckte er mitfühlende Herzen für seine gefangenen Knechte. In der allerschlimmsten Lage hat unser Gott Mittel und Wege, die Härte unserer Leiden zu mildern; er kann uns Helfer erstehen lassen aus denen, die unsere Bedränger waren; und er wird es tun, wenn wir in Wahrheit sein Volk sind.
47. Dieser Vers ist das Schlussgebet, das in prophetischem Geiste abgefasst ist für die, welche in künftigen Zeiten Gefangene sein würden, aber auch für alle passte, die vor Davids Thronbesteigung durch die Willkürherrschaft Sauls aus der Heimat vertrieben worden waren oder durch Hunger und Elend in dem eisernen Zeitalter der Richter in die Zerstreuung getrieben und dann in der Fremde geblieben waren. Hilf uns, HERR, unser Gott. Der V. 45 erwähnte Bund ermutigte die Niedergeschlagenen, den HERRN ihren Gott zu nennen, und dies gab ihnen die Kraft, noch kühner zu werden und ihn zu bitten, dass er für sie eintrete und sie rette. Und bringe uns zusammen aus den Heiden. Sie sind der Gottlosigkeit und aller ihrer eigenen Wege müde und verlangen danach, in das von dem HERRN ihnen zu eigen gegebene, von der Völkerwelt abgesonderte Land gebracht zu werden, wo sie sich wieder der Gnadenmittel erfreuen, mit ihren Brüdern heilige Gemeinschaft pflegen, dem ansteckenden Einfluss des schlechten Beispiels entgehen und zum Dienst des HERRN frei sein könnten. Wie oft sehnen sich treue Gotteskinder auch heutzutage danach, einer gottentfremdeten Umgebung entrückt zu werden, in der ihre Seele durch den Wandel der Gottlosen gequält wird. (2. Petr. 2,7 f.) Dass wir danken deinem heiligen Namen und rühmen dein Lob. Nachdem sie des Götzendienstes entwöhnt sind, wünschen sie nur noch Gottes Namen zu nennen und die Wohltaten zu rühmen, die sie seiner ewig währenden Treue und Liebe verdanken. Der HERR hatte ihnen oft geholfen um seines heiligen Namens willen; darum ist es ihnen ein Anliegen, nach ihrer Wiederherstellung allen Dank seinem Retternamen abzustatten. Ja, es solle ihr Ruhm sein, Jehovah zu preisen und sonst nichts.
48.
Gelobet sei der HERR, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit,
und alles Volk spreche: Amen, Hallelujah.
48. Gelobet sei der HERR, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Hat seine Güte in der Tat nicht immerdar gewährt, und soll darum nicht auch sein Lob ebenso lang währen? Jehovah, der Gott Israels, hat sein Volk erhöht; soll es nicht auch ihn erhöhen? Und alles Volk spreche: Amen! Sie alle hat seine Gnade durchgebracht; darum sollen alle sich vereinigen, mit lauter Stimme und einmütig ihn anzubeten. Welchen Jubelsturm des Preises wird das geben! Doch wenn auch das ganze Volk ihn so verherrlichte, ja wenn alle Völker der Vergangenheit und Gegenwart sich zu solchem Freudenjubel der Anbetung vereinigten, so würde es doch noch weit hinter dem zurückbleiben, was Ihm gebührt. Selig der Tag, wo alles Fleisch die Herrlichkeit Gottes sehen und alle laut seinen Ruhm verkündigen werden! Hallelujah, das ist: Preiset den HERRN!
Lieber Leser, preise auch du den HERRN, wie der Schreiber dieses schwachen Versuchs einer Auslegung des Psalms es jetzt von ganzem Herzen tut.
Nun, dein erkauftes Volk allhie
Spricht: Hallelujah! Amen!
Wir beugen jetzt schon unsre Knie
In deinem Blut und Namen,
Bis Du uns bringst zusammen dort
Aus allem Volk, Geschlecht und Ort.
Was wird das sein! Wie werden wir
Von ew’ger Gnade sagen,
Wie uns Dein Wunderführen hier
Gesucht, erlöst, getragen!
Da jeder seine Harfe bringt
Und sein besondres Loblied singt!
(Gerhard Tersteegen † 1769.)
Erläuterungen und Kernworte
V. 1. Denn er ist gut. Wenn Gott uns also segnet, dass seine Güte mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, indem er Reichtum, Ehre, Friede, Gesundheit und dergleichen schenkt, dann ist es leicht, anzuerkennen, dass Gott gut ist; solches Bekenntnis kann dann selbst ein fleischlich gesinnter Mann ablegen. Anders steht die Sache aber, wenn Gottes Gnade sich als züchtigende und strafende erweist. Das Fleisch vermag in der strengen Züchtigung nicht die heilsame Gnade zu schauen und weigert sich daher, die Güte Gottes in den Rutenstreichen und Leiden anzuerkennen. Der Prophet hingegen preist durch diesen ganzen Psalm hindurch an mannigfachen Beispielen, wie das Volk auf seinen bösen Wegen aufgehalten und gezüchtigt worden. Und als er den Psalm der Gemeinde zum Gebrauch im Gottesdienst übergab, befand sich Israel ebenfalls in Kreuz und Trübsal. Dennoch verlangt er, Israel solle bekennen, dass der HERR gut sei und seine Gnade ewiglich währe, selbst wo er den Übertreter züchtigt. Das allein ist demnach ein echtes und volles Bekenntnis der göttlichen Güte, das nicht nur im Wohlstand, sondern auch im Unglück abgelegt wird. Wolfgang Musculus † 1563.
V. 2. Wer kann die großen Taten des HERRN ausreden? Die Antwort muss lauten: Niemand; aber es wäre unsinnig, wenn wir die Tatsache, dass wir nicht ein Zehntel der Vollkommenheit erreichen können, zum Vorwand nehmen wollten, nicht den hundertsten Teil zu erreichen. Jean Calvin † 1564.
Unser Sehvermögen verlässt uns, wenn wir in die Sonne blicken, wir werden durch den Glanz ihrer Strahlen überwältigt; und unser Gemüt erleidet Ähnliches bei jeder Betrachtung Gottes, und je mehr Aufmerksamkeit wir darauf wenden, über Gott nachzusinnen, desto mehr wird das Auge unserer Vernunft durch das Licht der einströmenden Gedanken geblendet. Denn was kannst du von ihm sagen, was, wiederhole ich, kannst du Angemessenes von ihm sagen, der erhabener ist als alle Höhe und tiefer als alle Tiefe, klarer als alles Licht und heller als alle Helle und glänzender als aller Glanz, stärker als alle Stärke, kraftvoller als alle Kraft, schöner als alle Schönheit, wahrer als alle Wahrheit, mächtiger als alle Macht, größer als alle Größe und majestätischer als alle Majestät, reicher als aller Reichtum, weiser als alle Weisheit, milder als alle Milde, gerechter als alle Gerechtigkeit, gnädiger als alle Gnade? Qu. Tertullian † um 230.
V. 3. Wohl denen, die auf Recht halten und allezeit Gerechtigkeit üben. (Grundtext) - die gerechte Grundsätze und redliche Handlungsweise haben. Das ist die rechte und echte Art, Gott zu preisen. Dankbarkeit üben in Taten ist die Probe auf das Danken in Worten, und das gottselige Leben der Dankbaren ist das echte Leben der Dankbarkeit. Wer das "Gott sei dank" nur im Munde führt und nichts weiter tut, der ist nicht nur ein schändlicher, sondern auch ein schädlicher Mensch. John Trapp † 1669.
Von dem König Ludwig von Frankreich habe ich gelesen, er habe einmal aus Unbedacht einen ungerechten Richterspruch abgegeben, alsbald aber, da er die Worte des Psalmisten gelesen: Wohl dem, der immerdar Recht tut, sich besonnen und nach nochmaliger Überlegung das Urteil gerade entgegengesetzt gefällt. Thomas Brooks † 1680.
V. 4. Suche mich heim mit deinem Heil. (Wörtl.) Bemerkenswert ist eine alte jüdische Glosse, der Psalmist begehre, an der Auferstehung in den Tagen des Messias teilzuhaben, um die wunderbare Wiederherstellung des leidenden Volkes Gottes schauen zu können. James Millard Neale 1871.
V. 5. Dass ich sehen möge das Glück deiner Auserwählten, d. i., dass das Angesicht des HERRN uns zu schauen gegeben werde; denn dann, wenn wir ihn sehen werden, wie er ist, werden wir ihm ähnlich sein, 1. Joh. 3,2. Mich freue mit der Freude deines Volkes: dass wir an der unaussprechlichen Freude teilhaben mögen, die aus dem seligen inneren Schauen entspringt; denn dieses ist das eigentümliche Teil der Auserwählten, die Freude, von der kein Fremder, keiner, der nicht zu dem Volke Gottes gehört, etwas kosten kann; diese ist es, wovon gesagt ist: Gehe ein zu deines Herrn Freude. Kardinal. Robert Bellarmin † 1621.
V. 4 ff. Wie der Sänger leidet mit seinem ganzen Volke, so hofft er auch die Wiederaufrichtung mit seinem ganzen Volke, und da Demütigung und Buße die nächste Bedingung derselben ist, so spricht er im Namen seines Volkes das Bekenntnis aus, in der Drangsal eine gerechte Strafe zu ertragen. Wie Ps. 78 folgt dann auch hier eine Aufzählung des Wechsels von Untreue auf Seiten des Volks und von Treue auf Seiten Gottes, welcher züchtigt, aber mit Maßen, so dass er den Bund seiner Gnade niemals vergaß. Professor August Tholuck 1843.
V. 6-43. Der Zweck des Sündenbekenntnisses ist zunächst der, das Hindernis der Erlösung in seinem ganzen Umfange und mit voller Schärfe darzulegen, so dass der erfinderische Geist, der durch das Bewusstsein der Sünden Angefochtenen nichts dazu zu tun vermochte. Es kommt in solchem Falle alles darauf an, dass nicht verklebt und beschönigt wird; nur wo das erwachte Gewissen eine unbedingt wahre Darlegung der Schäden erblickt, vermag es den ihm dargebotenen Trost sich anzueignen. Zugleich aber soll die ausführliche Darlegung der Sünden, wodurch das Volk das Gericht verdient hat, unter dem es jetzt seufzt, dazu dienen, die bisherigen Wege Gottes vollständig zu rechtfertigen und also ein mächtiges Hindernis der Hoffnung zu beseitigen. Nur wer Gott vollständig die Ehre gibt in Bezug auf das Leiden, wer in ihm nichts anderes erblickt als die verdiente Strafe, die nicht an Gott irre machen kann, sondern zu seiner Verherrlichung dient, kann ihm auch die Ehre geben in Bezug auf die Errettung. Nur wahre Sündenerkenntnis erhellt, indem die vergangenen zugleich auch die zukünftigen Wege Gottes. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.
V. 6. Wir haben gesündigt samt unseren Vätern. "Wie eure Väter, also auch ihr" (Apg. 7,51) Dass etwas aus dem hohen Altertum stammt, ist kein untrüglicher Beweis, dass es gut ist. Wenn der Kirchenvater Tertullian sagt, die ersten Dinge seien die besten, und je weniger von dem Anfang entfernt, desto reiner wären sie, so ist das nur von heiligen Gebräuchen zu verstehen. Denn auch die Sünden können ihr Altertum geltend machen: Wer eine Mordtat begeht, findet ihr altes Vorbild in der des Kain; die Trunkenheit kann man auf Noah, die Verachtung der Eltern auf Ham, die Leichtfertigkeit der Weiber auf die Töchter Lots zurückführen. Es gibt keine Sünde, die nicht Greisenhaare hätte und ein erstaunliches Alter auszuweisen vermöchte. Ja, wir können noch weiter zurückgehen, bis auf Adam; so hoch ist das Alter der Sünde. Kein Wunder, dass St. Paulus vom "alten Menschen" spricht! Die Sünde ist fast so alt wie die Wurzel, älter als alle Zweige des Stammbaumes der Menschheit. Thomas Adams 1614.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
Erläuterungen und Kernworte
V. 6.12.13.14.21.24. Wiewohl die heiligen Schriftsteller durch die göttliche Eingebung vor Übertreibung unfehlbar geschützt waren, bedienen sie sich doch der mannigfaltigsten starken, verurteilenden Ausdrücke über die Sünde (V. 6). Wahrlich, das Böse kann nicht eine Kleinigkeit sein. Es bricht bei jedem Anlass und auf allen Seiten aus. Bald als ein Vergessen Gottes (V. 13 und V. 21), bald als ungestüme Eigenwilligkeit (V. 13b), dann wieder als mächtige, alles unter sich zwingende böse Lust (V. 14), oder aber als schändlicher Unglaube (V. 12 und V. 24), und wie der ganze Katalog von Sünden gegen Gott und Menschen weiter lautet. O wie niederträchtig und schändlich sind wir doch! W. S. Plumer 1867.
V. 7. Obwohl die Ältesten Israels mit Mose zum König in Ägypten gingen (2. Mose 3,18) und ihn seinen Auftrag und die Forderung im Namen Jehovahs, Pharao solle Israel ziehen lassen, ausrichten hörten, ja obwohl sie die Gerichte Gottes über Ägypten sahen, begriffen sie doch nicht, dass diese Wunder ihre Erlösung bewirken würden, meinten sogar zuerst, es gehe ihnen desto ärger (5,19-21). Noch viel weniger verstanden sie, dass ihre Befreiung ein Vorbild der ewigen Erlösung sein sollte und dass Gott ihr Gott sein wollte. Und weil sie seine Wunder nicht verstanden, gedachten sie auch nicht seiner Gnadentaten. Ein oberflächliches Verständnis erzeugt ein kurzes Gedächtnis. Nathaniel Homes 1652.
Jede Sünde ist eine Stufe zu einer andern noch hässlicheren: auf das Nichtverstehen folgt das Nichtgedenken, und Vergessen der Pflicht führt zu offenem Ungehorsam und Empörung. Dickson † 1662.
V. 8. Er half ihnen aber um seines Namens willen usw. Dennoch! Wie sollte auch sonst die Herrlichkeit seiner Gnade offenbar werden? Wenn ein Arzt nur Leute heilte, die eine kleine Erkältung oder sonst ein leichtes Unwohlsein hätten, so würde das nicht große Kunst und Geschicklichkeit bei dem Arzt erweisen. Aber wenn jemand schon mit einem Fuße im Grabe steht oder nach allem, was der Verstand sagt, seine Genesung völlig ausgeschlossen ist und der Arzt ihn dennoch heilt, dann ist dessen Ruhm groß. So auch wenn Gott nur solche Leute rettete und heilte, die im Großen und Ganzen gut wären, wie würde die Vortrefflichkeit der Gnade dann in die Erscheinung treten? Aber wenn Menschenkinder unaufhaltsam dem Verderben zueilen, ja schon in den letzten Zügen liegen, und der HERR sie aus seiner freien Gnade um seines Namens willen wieder aufrichtet und genesen lässt, das stellt die Herrlichkeit seiner Gnade ins Licht. William Bridge † 1670.
Um seines Namens willen. Mache dir seinen Namen in jedem Fall zunutze; denn der HERR hat für jeden Mangel, jedes Bedürfnis einen entsprechenden Namen. Bedarfst du es, dass Wunder für dich gewirkt werden? Sein Name ist Wunderbar (Jes. 9,5); erwarte von ihm, dass er es tun wird, um seines Namens willen. Brauchst du Rat und Leitung? Sein Name ist Rat; vertraue dich ihm und seinem Namen auch in dieser Hinsicht an. Hast du es mit mächtigen Feinden zu tun? Sein Name ist Kraft-Held; bitte ihn, dass er seine Macht um seines Namens willen dir zugute ausübe. Bedarfst du seines väterlichen Mitleids? Sein Name ist Ewig-Vater; wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, so ihn fürchten. Wende dich an sein Erbarmen um seines Namens willen. Brauchst du Frieden, äußeren oder inneren und ewigen? Sein Name ist Friedefürst; flehe zu ihm um seines Namens willen, dass er dir Frieden gebe. Bist du krank an Leib und Seele? Sein Name ist: Der HERR dein Arzt (2. Mose 15,26); suche bei ihm um seines Namens willen Heilung für alle deine Gebrechen. Bedarfst du Vergebung? Sein Name ist: Der HERR unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6); wende dich an ihn um seines Namens willen, dass er gnädig sei aller deiner Ungerechtigkeit. Bedarfst du Verteidigung und Schutz? Sein Name ist: Der HERR mein Panier (2. Mose 17,15); bitte ihn um seines Namens willen, dass sein Banner der Liebe und Gnade über dir entfaltet sein möge. Brauchst du Versorgung in bitterem Mangel? Sein Name ist: Der HERR wird’s versehen (1. Mose 22,14). Bedarfst du der göttlichen Gnadengegenwart? Sein Name ist Immanuel, Gott mit uns (Jes. 7,14); glaube es, dass er mit dir ist, um seines Namens willen. Begehrst du Gehör für deine Bitten? Sein Name ist: Der Gebetserhörer (Ps. 65,3). Brauchst du Trost? Sein Name ist: Der Trost Israels (Lk. 2,25), Der Gott alles Trostes (2. Kor. 1,3). Hast du eine Zuflucht nötig? Sein Name ist Zuflucht (Ps. 90,1 und oft). Hast du nichts und bedarfst alles? Gott ist alles in allen (1. Kor. 15,28). Und so suche weiter alle deine Mängel und Bedürfnisse zu nennen; du wirst finden, dass für ein jedes derselben ein entsprechender Name Gottes vorhanden ist. Traue denn auf dessen Namen, der dir hilft um seines Namens willen. Ralph Erskine † 1752.
V. 9. Er schalt das Schilfmeer. Die Macht, mit welcher Gott wirkt, ist sehr verborgen und geheimnisvoll, eine Macht, durch welche er verursacht, dass selbst Dinge, die ohne Verstand sind, unverzüglich seinem Willen gehorchen. Augustinus † 430.
Wie in einer Wüste, worunter nicht eine Sandwüste zu verstehen ist, sondern ausgedehnte Gebiete spärlich bewachsenen, dürren Bodens, zur Schafweide geeignet, wie manche unserer Dünen und Heiden. Vergl. Jes. 63,13. W. Kay 1871.
V. 11. Dass nicht einer übrig blieb. Wie dies ein Vorbild ist von der gänzlichen Vernichtung unserer geistlichen Feinde, der Sünde, des Satans und seiner Herrschaften und Mächte sowie des Todes, so weist es auch hin auf das Verderben aller Gottlosen am Jüngsten Tage, Mal. 3,19. John Gill † 1771.
V. 12. Da glaubten sie an seine Worte. Das ist ein zeitweiliger, wetterwendischer Glaube (Mk. 4,17), der weniger eine Frucht des Geistes der Wiedergeburt ist als vielmehr eine gewisse natürliche Stimmung und Gemütsbewegung, die der Veränderung unterworfen ist; daher solcher Glaube bald vergeht. Auch war es bei Israel nicht ein freiwilliger Glaube, sondern ein solcher, der das Ergebnis des Zwanges der Umstände ist, indem nämlich die Menschen, ob sie wollen oder nicht, durch die Empfindung der Macht Gottes genötigt sind, eine gewisse Ehrfurcht vor Gott zu zeigen. Diese Schriftstelle sollte wohl beachtet werden, damit die Menschen, wenn sie einmal sich Gott unterworfen haben, sich nicht täuschen, sondern wissen, dass der Prüfstein des Glaubens das ist, wenn sie das Wort Gottes freiwillig aufnehmen und in ihrem Gehorsam gegen dasselbe beständig fest bleiben. Jean Calvin † 1564.
Hochgehende religiöse Gemütsbewegungen und Stimmungen werden den Anfechtungen wohl eine Weile standhalten; aber warte, bis der Gießbach abnimmt, so wirst du sehen, was daraus wird. Welch eine Anwandlung von gläubiger Zuneigung zum HERRN hatten die Israeliten, als ihre Augen die wunderbare Errettung am Schilfmeer gesehen hatten! Welche Lobgesänge erschollen da! Welche Vorsätze fassten sie, ihm nie wieder zu misstrauen! Der Satan reizte sie nicht alsbald zu Murren und Unglaube, wiewohl das sein Endzweck war, sondern wartete ruhig, bis jene Anwandlung vorüber war, dann konnte er sie bald versuchen, seiner Taten zu vergessen. Richard Gilpin 1677.
V. 12.13. Sie sangen sein Lob. Aber sie vergaßen bald seiner Taten. Das Kapitel, welches dasjenige Stück der Gerichte Israels enthält, worauf hier hingedeutet ist, 2. Mose 15, beginnt mit begeisterten Ausdrücken der Dankbarkeit und schließt mit dem Murren der Unzufriedenheit; beides kommt von denselben Lippen, in dem kurzen Zwischenraum dreier Tage. (2. Mose 15,22) Ihr Lobgesang wurde hervorgerufen durch jene wunderbare Entfaltung der göttlichen Eigenschaften, die sie von dem Heer Pharaos errettete und ihre Feinde vernichtete; ihr Murren entstand über einer verhältnismäßig kleinen Unannehmlichkeit, die in wenigen Stunden gehoben war. Dieser Dank der Israeliten ähnelt der Freude eines Kindes über ein glänzendes Spielzeug, das mit Entzückung begrüßt wird und für eine Stunde das Kindesherz füllte; aber wenn der Reiz der Neuheit geschwunden ist, wird es gleichgültig weggeworfen und zugleich mit der Gabe auch der Geber vergessen. Da diese Dankbarkeit keiner höheren Quelle als der befriedigten Selbstsucht entspringt, ist sie weder Gott wohlgefällig, noch bewirkt sie Gehorsam gegen seine Befehle, und sie gleicht in keiner Beziehung jener heiligen, dem Himmel entspringenden Liebe, deren Sprache sie sich oft aneignet und mit deren Namen sie sich schmückt. Wir können sie zur Unterscheidung die Dankbarkeit der Sünder nennen, die, wie sie lieben, die sie lieben, natürlich auch gegen die dankbar sind, welche sich ihnen gütig erweisen, dankbar auch gegen Gott, wenn und solange er ihnen gütig erscheint. - Lasst uns ähnliche Beispiele dieser unechten, wetterwendischen Dankbarkeit suchen. Da ist z. B. die Begeisterung über die Werke der Schöpfung. Diese stellen sich unseren Sinnen in so eindrücklicher Weise dar, sie weisen so viel Mannigfaltigkeit, Schönheit und Erhabenheit, so viel Macht, Weisheit und Güte auf, dass vielleicht kein Mensch, jedenfalls niemand, der auch nur etwas Fähigkeit der Empfindung, Geschmack und Bildung besitzt, sie ohne Gemütsbewegung, ohne Gefühle der Ehrfurcht, des Staunens, der Bewunderung oder Wonne betrachten kann. Aber ach, wie flüchtig und wie unfruchtbar an wirklich heilsamen Wirkungen erweisen sich diese Gemütsaufwallungen! Die Leidenschaften, die für einen Augenblick zum Schweigen gebracht waren, dringen bald wieder mit ihrem Ungestüm auf uns ein; der Glanz des Reichtums, des Ansehens und der weltlichen Macht verfinstert uns wieder die Herrlichkeit des HERRN; unversehens sanken wir aus der himmelstrebenden Höhe, zu der wir uns aufzuschwingen meinten, herunter, um uns aufs Neue in den Strudel der weltlichen Vergnügungen und des Trachtens nach Irdischem zu stürzen. Wir vernachlässigten den Ewigen und waren ihm ungehorsam, den wir anzubeten bereit gewesen waren, und fuhren fort, ohne Gott zu leben in einer Welt, die wir eben noch voll seiner Herrlichkeit geschaut hatten. - Aber auch von den Taten der Vorsehung werden die Menschen oft vorübergehend ganz hingenommen. Gottes Vollkommenheiten werden darin so beständig und oft so deutlich entfaltet, unsere Abhängigkeit von ihm tritt uns oft in ihrer ganzen Wirklichkeit so augenscheinlich entgegen und die Führungen Gottes stehen in vielen Fällen so unmittelbar und so offenkundig in der engsten Beziehung zu unseren liebsten zeitlichen Interessen, dass selbst die Unempfindlichsten sich nicht immer gleichgültig gegen sie stellen können. Aber diese Gefühle sind meist von kurzer Dauer, und kaum dass wir das Bekenntnis abgelegt haben, haben wir es schon wieder vergessen.- In gleicher Weise werden die Menschen auch oft durch Gottes Taten des Heils bewegt. Für einen Augenblick sind unsere Herzen wie zerschmolzen; wir fühlen es und sind bereit, es zu bekennen, dass Gott freundlich, der Heiland gnädig ist, dass wir seine Liebe erwiedern sollten, dass der Himmel in der Tat begehrenswert ist. Gleich einer Klasse von Hörern, welche der unvergleichliche Lehrer schildert, nehmen wir das Wort mit Freuden auf, und wir singen Gottes Lob. Aber wir verlassen das Gotteshaus, die dort hervorgerufenen Gemütsbewegungen legen sich, und gleich der Erde, die von winterlichen Sonnenstrahlen oberflächlich erweicht ist, versinkt unser Herz bald wieder in den Zustand frostiger Erstarrung. Die Wunder der göttlichen Gnade sind vergessen, und Gott hat Ursache, mit Bekümmernis und Missfallen zu sagen: Deine Liebe ist wie eine Morgenwolke und wie ein Tau, der frühmorgens vergeht. (Hos. 6,4.) Edw. Payson † 1827.
V. 6.12.13.14.21.24. Wiewohl die heiligen Schriftsteller durch die göttliche Eingebung vor Übertreibung unfehlbar geschützt waren, bedienen sie sich doch der mannigfaltigsten starken, verurteilenden Ausdrücke über die Sünde (V. 6). Wahrlich, das Böse kann nicht eine Kleinigkeit sein. Es bricht bei jedem Anlass und auf allen Seiten aus. Bald als ein Vergessen Gottes (V. 13 und V. 21), bald als ungestüme Eigenwilligkeit (V. 13b), dann wieder als mächtige, alles unter sich zwingende böse Lust (V. 14), oder aber als schändlicher Unglaube (V. 12 und V. 24), und wie der ganze Katalog von Sünden gegen Gott und Menschen weiter lautet. O wie niederträchtig und schändlich sind wir doch! W. S. Plumer 1867.
V. 7. Obwohl die Ältesten Israels mit Mose zum König in Ägypten gingen (2. Mose 3,18) und ihn seinen Auftrag und die Forderung im Namen Jehovahs, Pharao solle Israel ziehen lassen, ausrichten hörten, ja obwohl sie die Gerichte Gottes über Ägypten sahen, begriffen sie doch nicht, dass diese Wunder ihre Erlösung bewirken würden, meinten sogar zuerst, es gehe ihnen desto ärger (5,19-21). Noch viel weniger verstanden sie, dass ihre Befreiung ein Vorbild der ewigen Erlösung sein sollte und dass Gott ihr Gott sein wollte. Und weil sie seine Wunder nicht verstanden, gedachten sie auch nicht seiner Gnadentaten. Ein oberflächliches Verständnis erzeugt ein kurzes Gedächtnis. Nathaniel Homes 1652.
Jede Sünde ist eine Stufe zu einer andern noch hässlicheren: auf das Nichtverstehen folgt das Nichtgedenken, und Vergessen der Pflicht führt zu offenem Ungehorsam und Empörung. Dickson † 1662.
V. 8. Er half ihnen aber um seines Namens willen usw. Dennoch! Wie sollte auch sonst die Herrlichkeit seiner Gnade offenbar werden? Wenn ein Arzt nur Leute heilte, die eine kleine Erkältung oder sonst ein leichtes Unwohlsein hätten, so würde das nicht große Kunst und Geschicklichkeit bei dem Arzt erweisen. Aber wenn jemand schon mit einem Fuße im Grabe steht oder nach allem, was der Verstand sagt, seine Genesung völlig ausgeschlossen ist und der Arzt ihn dennoch heilt, dann ist dessen Ruhm groß. So auch wenn Gott nur solche Leute rettete und heilte, die im Großen und Ganzen gut wären, wie würde die Vortrefflichkeit der Gnade dann in die Erscheinung treten? Aber wenn Menschenkinder unaufhaltsam dem Verderben zueilen, ja schon in den letzten Zügen liegen, und der HERR sie aus seiner freien Gnade um seines Namens willen wieder aufrichtet und genesen lässt, das stellt die Herrlichkeit seiner Gnade ins Licht. William Bridge † 1670.
Um seines Namens willen. Mache dir seinen Namen in jedem Fall zunutze; denn der HERR hat für jeden Mangel, jedes Bedürfnis einen entsprechenden Namen. Bedarfst du es, dass Wunder für dich gewirkt werden? Sein Name ist Wunderbar (Jes. 9,5); erwarte von ihm, dass er es tun wird, um seines Namens willen. Brauchst du Rat und Leitung? Sein Name ist Rat; vertraue dich ihm und seinem Namen auch in dieser Hinsicht an. Hast du es mit mächtigen Feinden zu tun? Sein Name ist Kraft-Held; bitte ihn, dass er seine Macht um seines Namens willen dir zugute ausübe. Bedarfst du seines väterlichen Mitleids? Sein Name ist Ewig-Vater; wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, so ihn fürchten. Wende dich an sein Erbarmen um seines Namens willen. Brauchst du Frieden, äußeren oder inneren und ewigen? Sein Name ist Friedefürst; flehe zu ihm um seines Namens willen, dass er dir Frieden gebe. Bist du krank an Leib und Seele? Sein Name ist: Der HERR dein Arzt (2. Mose 15,26); suche bei ihm um seines Namens willen Heilung für alle deine Gebrechen. Bedarfst du Vergebung? Sein Name ist: Der HERR unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6); wende dich an ihn um seines Namens willen, dass er gnädig sei aller deiner Ungerechtigkeit. Bedarfst du Verteidigung und Schutz? Sein Name ist: Der HERR mein Panier (2. Mose 17,15); bitte ihn um seines Namens willen, dass sein Banner der Liebe und Gnade über dir entfaltet sein möge. Brauchst du Versorgung in bitterem Mangel? Sein Name ist: Der HERR wird’s versehen (1. Mose 22,14). Bedarfst du der göttlichen Gnadengegenwart? Sein Name ist Immanuel, Gott mit uns (Jes. 7,14); glaube es, dass er mit dir ist, um seines Namens willen. Begehrst du Gehör für deine Bitten? Sein Name ist: Der Gebetserhörer (Ps. 65,3). Brauchst du Trost? Sein Name ist: Der Trost Israels (Lk. 2,25), Der Gott alles Trostes (2. Kor. 1,3). Hast du eine Zuflucht nötig? Sein Name ist Zuflucht (Ps. 90,1 und oft). Hast du nichts und bedarfst alles? Gott ist alles in allen (1. Kor. 15,28). Und so suche weiter alle deine Mängel und Bedürfnisse zu nennen; du wirst finden, dass für ein jedes derselben ein entsprechender Name Gottes vorhanden ist. Traue denn auf dessen Namen, der dir hilft um seines Namens willen. Ralph Erskine † 1752.
V. 9. Er schalt das Schilfmeer. Die Macht, mit welcher Gott wirkt, ist sehr verborgen und geheimnisvoll, eine Macht, durch welche er verursacht, dass selbst Dinge, die ohne Verstand sind, unverzüglich seinem Willen gehorchen. Augustinus † 430.
Wie in einer Wüste, worunter nicht eine Sandwüste zu verstehen ist, sondern ausgedehnte Gebiete spärlich bewachsenen, dürren Bodens, zur Schafweide geeignet, wie manche unserer Dünen und Heiden. Vergl. Jes. 63,13. W. Kay 1871.
V. 11. Dass nicht einer übrig blieb. Wie dies ein Vorbild ist von der gänzlichen Vernichtung unserer geistlichen Feinde, der Sünde, des Satans und seiner Herrschaften und Mächte sowie des Todes, so weist es auch hin auf das Verderben aller Gottlosen am Jüngsten Tage, Mal. 3,19. John Gill † 1771.
V. 12. Da glaubten sie an seine Worte. Das ist ein zeitweiliger, wetterwendischer Glaube (Mk. 4,17), der weniger eine Frucht des Geistes der Wiedergeburt ist als vielmehr eine gewisse natürliche Stimmung und Gemütsbewegung, die der Veränderung unterworfen ist; daher solcher Glaube bald vergeht. Auch war es bei Israel nicht ein freiwilliger Glaube, sondern ein solcher, der das Ergebnis des Zwanges der Umstände ist, indem nämlich die Menschen, ob sie wollen oder nicht, durch die Empfindung der Macht Gottes genötigt sind, eine gewisse Ehrfurcht vor Gott zu zeigen. Diese Schriftstelle sollte wohl beachtet werden, damit die Menschen, wenn sie einmal sich Gott unterworfen haben, sich nicht täuschen, sondern wissen, dass der Prüfstein des Glaubens das ist, wenn sie das Wort Gottes freiwillig aufnehmen und in ihrem Gehorsam gegen dasselbe beständig fest bleiben. Jean Calvin † 1564.
Hochgehende religiöse Gemütsbewegungen und Stimmungen werden den Anfechtungen wohl eine Weile standhalten; aber warte, bis der Gießbach abnimmt, so wirst du sehen, was daraus wird. Welch eine Anwandlung von gläubiger Zuneigung zum HERRN hatten die Israeliten, als ihre Augen die wunderbare Errettung am Schilfmeer gesehen hatten! Welche Lobgesänge erschollen da! Welche Vorsätze fassten sie, ihm nie wieder zu misstrauen! Der Satan reizte sie nicht alsbald zu Murren und Unglaube, wiewohl das sein Endzweck war, sondern wartete ruhig, bis jene Anwandlung vorüber war, dann konnte er sie bald versuchen, seiner Taten zu vergessen. Richard Gilpin 1677.
V. 12.13. Sie sangen sein Lob. Aber sie vergaßen bald seiner Taten. Das Kapitel, welches dasjenige Stück der Gerichte Israels enthält, worauf hier hingedeutet ist, 2. Mose 15, beginnt mit begeisterten Ausdrücken der Dankbarkeit und schließt mit dem Murren der Unzufriedenheit; beides kommt von denselben Lippen, in dem kurzen Zwischenraum dreier Tage. (2. Mose 15,22) Ihr Lobgesang wurde hervorgerufen durch jene wunderbare Entfaltung der göttlichen Eigenschaften, die sie von dem Heer Pharaos errettete und ihre Feinde vernichtete; ihr Murren entstand über einer verhältnismäßig kleinen Unannehmlichkeit, die in wenigen Stunden gehoben war. Dieser Dank der Israeliten ähnelt der Freude eines Kindes über ein glänzendes Spielzeug, das mit Entzückung begrüßt wird und für eine Stunde das Kindesherz füllte; aber wenn der Reiz der Neuheit geschwunden ist, wird es gleichgültig weggeworfen und zugleich mit der Gabe auch der Geber vergessen. Da diese Dankbarkeit keiner höheren Quelle als der befriedigten Selbstsucht entspringt, ist sie weder Gott wohlgefällig, noch bewirkt sie Gehorsam gegen seine Befehle, und sie gleicht in keiner Beziehung jener heiligen, dem Himmel entspringenden Liebe, deren Sprache sie sich oft aneignet und mit deren Namen sie sich schmückt. Wir können sie zur Unterscheidung die Dankbarkeit der Sünder nennen, die, wie sie lieben, die sie lieben, natürlich auch gegen die dankbar sind, welche sich ihnen gütig erweisen, dankbar auch gegen Gott, wenn und solange er ihnen gütig erscheint. - Lasst uns ähnliche Beispiele dieser unechten, wetterwendischen Dankbarkeit suchen. Da ist z. B. die Begeisterung über die Werke der Schöpfung. Diese stellen sich unseren Sinnen in so eindrücklicher Weise dar, sie weisen so viel Mannigfaltigkeit, Schönheit und Erhabenheit, so viel Macht, Weisheit und Güte auf, dass vielleicht kein Mensch, jedenfalls niemand, der auch nur etwas Fähigkeit der Empfindung, Geschmack und Bildung besitzt, sie ohne Gemütsbewegung, ohne Gefühle der Ehrfurcht, des Staunens, der Bewunderung oder Wonne betrachten kann. Aber ach, wie flüchtig und wie unfruchtbar an wirklich heilsamen Wirkungen erweisen sich diese Gemütsaufwallungen! Die Leidenschaften, die für einen Augenblick zum Schweigen gebracht waren, dringen bald wieder mit ihrem Ungestüm auf uns ein; der Glanz des Reichtums, des Ansehens und der weltlichen Macht verfinstert uns wieder die Herrlichkeit des HERRN; unversehens sanken wir aus der himmelstrebenden Höhe, zu der wir uns aufzuschwingen meinten, herunter, um uns aufs Neue in den Strudel der weltlichen Vergnügungen und des Trachtens nach Irdischem zu stürzen. Wir vernachlässigten den Ewigen und waren ihm ungehorsam, den wir anzubeten bereit gewesen waren, und fuhren fort, ohne Gott zu leben in einer Welt, die wir eben noch voll seiner Herrlichkeit geschaut hatten. - Aber auch von den Taten der Vorsehung werden die Menschen oft vorübergehend ganz hingenommen. Gottes Vollkommenheiten werden darin so beständig und oft so deutlich entfaltet, unsere Abhängigkeit von ihm tritt uns oft in ihrer ganzen Wirklichkeit so augenscheinlich entgegen und die Führungen Gottes stehen in vielen Fällen so unmittelbar und so offenkundig in der engsten Beziehung zu unseren liebsten zeitlichen Interessen, dass selbst die Unempfindlichsten sich nicht immer gleichgültig gegen sie stellen können. Aber diese Gefühle sind meist von kurzer Dauer, und kaum dass wir das Bekenntnis abgelegt haben, haben wir es schon wieder vergessen.- In gleicher Weise werden die Menschen auch oft durch Gottes Taten des Heils bewegt. Für einen Augenblick sind unsere Herzen wie zerschmolzen; wir fühlen es und sind bereit, es zu bekennen, dass Gott freundlich, der Heiland gnädig ist, dass wir seine Liebe erwiedern sollten, dass der Himmel in der Tat begehrenswert ist. Gleich einer Klasse von Hörern, welche der unvergleichliche Lehrer schildert, nehmen wir das Wort mit Freuden auf, und wir singen Gottes Lob. Aber wir verlassen das Gotteshaus, die dort hervorgerufenen Gemütsbewegungen legen sich, und gleich der Erde, die von winterlichen Sonnenstrahlen oberflächlich erweicht ist, versinkt unser Herz bald wieder in den Zustand frostiger Erstarrung. Die Wunder der göttlichen Gnade sind vergessen, und Gott hat Ursache, mit Bekümmernis und Missfallen zu sagen: Deine Liebe ist wie eine Morgenwolke und wie ein Tau, der frühmorgens vergeht. (Hos. 6,4.) Edw. Payson † 1827.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
Erläuterungen und Kernworte
V. 13. Aber sie vergaßen bald seiner Werke. Die Ärzte sagen, das Gedächtnis sei das erste, das schwinde; im Geistlichen ist es ebenso. Thomas Watson 1660.
Wie bei einem Sieb oder Mehlbeutel das gute, feine Mehl durchfällt, die leichte Spreu und die grobe Kleie aber zurückbleiben, oder wie bei einer Fruchtseihe der süße Saft durchgeschlagen wird, während die Treber darin bleiben, oder wie ein Rost das reine Wasser durchlaufen lässt, aber alles, was sich von Stroh, Holz, Schlamm oder Schmutz darin findet, zurückhält: so geht es mit unserem Gedächtnis. W. Gouge † 1653.
Es mochte auch da wohl heißen: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht (Joh. 4,48). Sie warteten nicht seines Rats: da bei ihm schon beschlossen war, wann und wie er ihnen helfen wollte. Berleburger Bibel 1742.
Sie warteten nicht seines Rats. Die Unersättlichkeit unserer Begierden ist erstaunlich; kaum einen Tag gibt man Gott Zeit sie zu befriedigen. Denn tut er’s nicht augenblicklich, so werden wir alsbald ungeduldig und sind in Gefahr, gar in Verzweiflung zu fallen. Die Israeliten warfen nicht ihre Sorgen auf Gott, riefen ihn nicht mit getrostem Glauben an und warteten nicht geduldig, bis es ihm gefiel, ihre Bitten zu beantworten, sondern stürmten mit unbedachter Hast vor, als wollten sie Gott vorschreiben, was er zu tun habe. Die Menschen gestehen es Gott nicht zu, dass er im Besitz aller Weisheit ist, und halten es nicht für tunlich, von seinem Rat abzuhängen, sondern wollen selber die Vorsehung spielen und lieber Gott regieren, als sich von ihm regieren lassen. Jean Calvin † 1564.
Sie hätten bedenken sollen, dass so große Taten Gottes, wie sie ihnen zugute geschehen waren, nicht ohne einen erhabenen Endzweck sein könnten, sondern sie zu einem nimmer endenden Glück führen sollten, auf das sie mit Geduld zu warten hätten. Aber statt dessen suchten sie sich selbst glücklich zu machen mit zeitlichen Dingen, die doch keinem Menschen wahre Glückseligkeit geben, weil sie das Verlangen des zur Ewigkeit erschaffenen Menschenherzens nicht stillen können; denn es ist, wie der Herr Joh. 4,13 sagt: Wer dieses Wassers trinkt, den wird wieder dürsten. Augustinus † 430.
Ein gläubiger Mensch, der von seinem Glauben Gebrauch macht, hat große Vorteile vor einem ungläubigen. Dieser ist eigensinnig und leidenschaftlich, hitzig und hastig, wenn er sich in einer Klemme befindet. Er wartet nicht auf Gottes Rat, stürmt los, bevor er weiß, welchen Weg er zu nehmen hat. Der Gläubige dagegen ist ruhig und zuversichtlich, still und geduldig; er hält an am Gebet und steht auf seinem Wartturm, zu sehen, was Gott zu seiner Zeit ihm antworten wird. M. Lawrence 1657.
V. 14. Und wurden lüstern in der Wüste: dort, wo sie mit jeder Art der Versorgung hätten zufrieden sein sollen, wo sie aber Brots die Fülle hatten, wo sie ganz auf Gottes Güte angewiesen waren und so wunderbare Erfahrungen von Gottes Freundlichkeit und Macht, zu helfen, gemacht hatten, wo sie aber auch nun, aller Wahrscheinlichkeit nach, so nahe bei dem Lande waren, da Milch und Honig floss. Matthew Henry † 1714.
V. 16-18. Ein solch fröhlich Ding ist es, den gemeinen Pöbel regieren. Ich wollte, dass alle seltsamen, wunderlichen und aufrührerischen Köpfe nur zwei Jahre regieren sollten, sie würden die Hörner bald abstoßen. Dies ist die Schule, die uns lehrt, dieses Lebens müde und matt zu werden. Aber man muss den Undank verbeißen und mit Geduld überwinden und ausharren, auf dass nur der Gottesdienst rein bleibe. Denn wir sollen der Welt dienen und ihr Gutes tun, ob sie wohl das Gute mit Bösem vergilt. M. Luther † 1546.
V. 17. Die Erde tat sich auf und verschlang usw. Solche Bissen war die Erde nicht gewohnt. Sie verzehrt die menschlichen Leichname; aber Leiber, in denen die lebendige Seele ist, hatte sie noch nie zuvor verschlungen. Hätte man jene Aufrührer vom Schlage getroffen tot auf der Erde liegen sehen, das wäre schrecklich gewesen; aber zu sehen, wie die Erde ihr Nach-Richter und ihr Grab, beides in einem, war, das war doch noch viel entsetzlicher. Weder das Meer noch die Erde sind ihrer Natur nach dazu geeignet, einen offenen Durchlass zu bilden. Die Fluten des Meeres halten zusammen und wollen sich nicht trennen lassen, und die feste Erde öffnet sich nicht von Natur noch schließt sie sich, wo ein Riss entstanden, wieder von selbst zusammen. Doch teilte sich das Meer, um Israel zu dessen Errettung freie Bahn zu machen, und die Erde zerspaltete sich, um die Verschwörer in den Abgrund stürzen zu lasen; und beide, Meer und Erde, schlossen ihren Rachen über den Widersachern Gottes. Nun konnte Israel sehen, dass es mit einem Gott zu tun hatte, dem es ein Leichtes ist, Vergeltung zu üben. - Es gab zweierlei Art Empörer. Die Erde verschlang die einen, Feuer die andern. Alle Elemente vereinigen sich im Dienst der Strafgerechtigkeit ihres Schöpfers. Nadab und Abihu hatten geeignete Personen, aber ungeeignetes Feuer vor Gott gebracht; diese Leviten hier bringen das rechte Feuer, aber unberufene Personen vor ihn: Feuer verzehrt beide. Es ist eine gefährliche Sache, sich heilige Dienstverrichtungen widerrechtlich anzumaßen. Das geistliche Amt heiligt nicht den Mann, wohl aber kann der Mann das Amt entweihen. Bischos Joseph Hall † 1656.
Nur Datan und Abiram werden erwähnt, in Übereinstimmung mit 4. Mose 26,11, wo es heißt: Aber die Kinder Korahs starben nicht. Und das Gleiche ist aus 4. Mose 16,27 zu schließen, wo gesagt wird, dass unmittelbar bevor das furchtbare Ereignis eintrat, Datan und Abiram (Korah wird hier nicht erwähnt) herausgegangen und an die Tür ihrer Hütten getreten seien. Vergl. 5. Mose 11,6. J. J. St. Perowne 1868.
V. 19. Sie machten ein Kalb. Warum gerade ein Kalb? Konnten sie unter all den Geschöpfen kein passenderes Sinnbild Gottes finden? Warum nahmen sie nicht lieber den königlichen Löwen, um Gottes Hoheit abzubilden, oder den riesigen Elefanten als Bild der Unermesslichkeit, oder die kluge Schlange als Symbol der Weisheit, oder den langlebigen Hirsch, um die Ewigkeit Gottes, oder den schnellen Adler, um die Allgegenwart Gottes darzustellen, statt des dummen Kalbes, das Gras frisst? Aber die besondere Gestalt des Bildnisses ist nicht von Belang; wird Gott überhaupt irgendeiner Kreatur gleichgestellt, so mag man nehmen was man will; denn es ist ebenso unstatthaft, ihm die Gestalt eines Engels wie eines Wurmes zu geben, da das Gebot ebenso wohl ein Gleichnis von solchem, das oben im Himmel ist, als von solchem, das unten auf Erden ist, verbietet. Jedenfalls zogen die Israeliten das Kalb deswegen andern Darstellungsformen vor, weil sie von dem ägyptischen Apisdienst gelernt hatten. So nahmen also die Israeliten nicht lauter Gold und Silber aus Ägypten mit, sondern auch Schlacken und Unrat. - Bei den Rabbinen findet sich der Gedanke, dass Gott nie über Israel eine Gerichtsheimsuchung kommen lasse, ohne dass darin auch ein Lot seines Zornes sei über das Goldene Kalb, das die Väter gemacht hatten. Th. Fuller † 1661.
Sehr leicht werden Menschen dazu hingezogen, solchen Götzendienst auszuüben, welchen sie an Orten, wo sie lange gelebt haben, vor Augen zu sehen gewohnt gewesen sind. Wer sich vor dem Götzendienst hüten will, der hüte sich vor Ägypten; selbst die Luft ist dort gleichsam ansteckend. Vergleiche auch Jerobeams Aufenthalt in Ägypten. 1. Kön. 11,40. Bischof Th. Westfield 1658.
V. 20. Eines Ochsen, der Gras frisst. Wenn die Ägypter den Apis befragten, brachten sie ihm ein Bündel Heu oder Gras dar, und wenn der Ochse es nahm, hielten sie das für ein günstiges Zeichen Creßwell † 1844.
V. 21. Sie vergaßen Gottes. Gegossene oder gemalte Bilder zu machen, um uns Gott in Erinnerung zu rufen, ist ein Vergessen beides, des Wesens Gottes und seines Befehls, der solche Sinnbilder verbietet. Dickson † 1662.
Das taten sie (verwandelten ihre Herrlichkeit in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst) zu einer Zeit, da sie kurz vorher durch die Erscheinung Gottes auf dem Berg Sinai erschreckt, durch seine Stimme gerührt und in den Bund Gottes durch ihre Einwilligung eingetreten und durch Opferblut eingeweiht worden waren. O wie vergesslich, wie leichtsinnig, wie verkehrt, wie untreu ist des Menschen Herz! Wie so gar nicht ist auf alle menschlichen Vorsätze und Versprechungen zu bauen, wenn kein neues Herz dabei ist, ja wenn nicht die Gnade den Menschen hält und befestigt! Prälat M. Friedr. Roos 1773.
V. 23. Mose trat in den Riss und wendete den Zorn Gottes ab. Die Mauer der Religion war durch die Aufrichtung des Goldenen Kalbes eingerissen worden; da richtete er sie wieder auf. 4. Mose 17,6 murrte das Volk, empörte sich wider Mose und Aaron und riss den Wall der Autorität nieder, worauf die Plage unter sie brach; alsbald tritt Aaron in den Riss, da ward der Plage gewehrt, 4. Mose 17,13. Auch wir haben dank der Gnade Gottes unter uns Männer gehabt, die gleich Mose und Aaron unsere Lücken gebessert und manchen Riss verstopft haben. Aber alle unsere Lücken sind noch nicht gedeckt. Gibt es nicht Breschen in der Festung der Wahrheit, durch welche Irrtümer eindringen? Sind nicht ihrer viele, die mit Macht alle irdische und geistliche Autorität niederreißen? Sind nicht Lücken im Zaun der Gewissen? Ist nicht der Friede oft gestört? Wahrlich, wenn wir Augen haben zu sehen, so nehmen wir Breschen genug wahr. W. Greenhill † 1677.
Wenn man die Christen dazu bringen könnte, von dem Wert und der Macht der Fürbitte ein richtiges Bewusstsein zu haben, so würde der Fürbitte viel sein. Es ist ein schwerer Vorwurf, der den Lügenpropheten zu Hesekiels Zeiten gemacht wird: Ihr seid nicht vor die Risse getreten, noch habt ihr eine Mauer um das Haus Israel gezogen, um fest zu stehen im Kampfe am Tage des HERRN. (Hes. 13,5.) William Swan Plumer 1867.
V. 24. Ein großes Hindernis der Seligkeit ist die geistliche Trägheit. Von Israel heißt es: Sie verachteten das wonnige Land. Was konnte die Ursache sein? Kanaan war ein Paradies der Wonne, ein Vorbild des Himmels; ja, aber sie dachten daran, dass es sie viel Mühsal und Gefahr kosten würde es einzunehmen, darum wollten sie lieber darauf verzichten und schätzten es also gering. Gibt es aber nicht auch unter uns zu Millionen Leute, die lieber schlafend zur Hölle als schwitzend in den Himmel gehen? Thomas Watson 1660.
V. 24.25. Das Murren hat viel Unglauben und Misstrauen gegen Gott in sich. Sie konnten’s nicht glauben, dass die Wüste der rechte Weg nach Kanaan sei, dass Gott ihnen in der Wüste einen Tisch bereiten (Ps. 78,19) und ihnen in allen ihren Verlegenheiten helfen werde. So hadern auch wir in der Trübsal mit Gottes Vorsehung, weil wir seinen Verheißungen nicht glauben; wir glauben nicht, dass dies und jenes mit Gottes Liebe vereinbar sein oder uns zum Besten dienen könne. J. Willison † 1750.
Das Murren muss entweder eine eigentümliche Krankheit des israelitischen Volkes gewesen sein oder jener Wüste angehaftet haben. Fortwährend hören wir, wenn wir Israel auf dem Wüstenzug begleiten, seine schrillen Misstöne. Sie heben ihre Augen auf und sehen die Ägypter hinter ihnen herziehen: alsbald murren sie, 2. Mose 14,10 ff. Sie kommen zu einer Quelle, deren Wasser bitter ist, und murren wieder, 2. Mose 15,23 f. Sie haben kein Brot, das Murren wird verdoppelt, (2. Mose 16,2). Mose verzieht, von dem Berge zu kommen; wieder Murren, 2. Mose 32,1. Er nimmt zu viel auf sich: noch mehr Murren. Wann werden wir ins verheißene Land kommen? Außerordentliches lautes Murren. Wir sind nahe bei dem Lande, aber seine Einwohner sind Riesen und ihre Städte bis an den Himmel vermauert. O wie sind wir getäuscht! Und der letzte Atemzug der letzten Überlebenden dieses murrenden Geschlechtes ist noch ein Murren! James Hamilton † 1867.
V. 28. Den Baal-Peor oder bloß Peor der Moabiter (4. Mose 25,1 ff.; 31,16; Jos. 22,17) verehrte man durch Preisgebung junger Mädchen (daher nach den Rabbinen der Name von r(p öffnen, nämlich hymenem virgineum), also vergleichbar dem Priapus und Mutunus. Wäre die rabbinische Ableitung richtig, so würde der Götze dem Berge Peor, wo der Sitz seines Dienstes war, den Namen gegeben haben; möglich aber, dass er selbst von dem Berge den unterscheidenden Namen empfing wie sonst von Städten. Prof. G. B. Winer 1847.
Opfer der Toten. Die Götzen der Heiden waren meistens Menschen - Krieger, Könige oder Gesetzgeber - die nach ihrem Tode vergöttert worden, wiewohl ihrer viele im Leben verwünscht worden waren. S. Bagster.
V. 13. Aber sie vergaßen bald seiner Werke. Die Ärzte sagen, das Gedächtnis sei das erste, das schwinde; im Geistlichen ist es ebenso. Thomas Watson 1660.
Wie bei einem Sieb oder Mehlbeutel das gute, feine Mehl durchfällt, die leichte Spreu und die grobe Kleie aber zurückbleiben, oder wie bei einer Fruchtseihe der süße Saft durchgeschlagen wird, während die Treber darin bleiben, oder wie ein Rost das reine Wasser durchlaufen lässt, aber alles, was sich von Stroh, Holz, Schlamm oder Schmutz darin findet, zurückhält: so geht es mit unserem Gedächtnis. W. Gouge † 1653.
Es mochte auch da wohl heißen: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht (Joh. 4,48). Sie warteten nicht seines Rats: da bei ihm schon beschlossen war, wann und wie er ihnen helfen wollte. Berleburger Bibel 1742.
Sie warteten nicht seines Rats. Die Unersättlichkeit unserer Begierden ist erstaunlich; kaum einen Tag gibt man Gott Zeit sie zu befriedigen. Denn tut er’s nicht augenblicklich, so werden wir alsbald ungeduldig und sind in Gefahr, gar in Verzweiflung zu fallen. Die Israeliten warfen nicht ihre Sorgen auf Gott, riefen ihn nicht mit getrostem Glauben an und warteten nicht geduldig, bis es ihm gefiel, ihre Bitten zu beantworten, sondern stürmten mit unbedachter Hast vor, als wollten sie Gott vorschreiben, was er zu tun habe. Die Menschen gestehen es Gott nicht zu, dass er im Besitz aller Weisheit ist, und halten es nicht für tunlich, von seinem Rat abzuhängen, sondern wollen selber die Vorsehung spielen und lieber Gott regieren, als sich von ihm regieren lassen. Jean Calvin † 1564.
Sie hätten bedenken sollen, dass so große Taten Gottes, wie sie ihnen zugute geschehen waren, nicht ohne einen erhabenen Endzweck sein könnten, sondern sie zu einem nimmer endenden Glück führen sollten, auf das sie mit Geduld zu warten hätten. Aber statt dessen suchten sie sich selbst glücklich zu machen mit zeitlichen Dingen, die doch keinem Menschen wahre Glückseligkeit geben, weil sie das Verlangen des zur Ewigkeit erschaffenen Menschenherzens nicht stillen können; denn es ist, wie der Herr Joh. 4,13 sagt: Wer dieses Wassers trinkt, den wird wieder dürsten. Augustinus † 430.
Ein gläubiger Mensch, der von seinem Glauben Gebrauch macht, hat große Vorteile vor einem ungläubigen. Dieser ist eigensinnig und leidenschaftlich, hitzig und hastig, wenn er sich in einer Klemme befindet. Er wartet nicht auf Gottes Rat, stürmt los, bevor er weiß, welchen Weg er zu nehmen hat. Der Gläubige dagegen ist ruhig und zuversichtlich, still und geduldig; er hält an am Gebet und steht auf seinem Wartturm, zu sehen, was Gott zu seiner Zeit ihm antworten wird. M. Lawrence 1657.
V. 14. Und wurden lüstern in der Wüste: dort, wo sie mit jeder Art der Versorgung hätten zufrieden sein sollen, wo sie aber Brots die Fülle hatten, wo sie ganz auf Gottes Güte angewiesen waren und so wunderbare Erfahrungen von Gottes Freundlichkeit und Macht, zu helfen, gemacht hatten, wo sie aber auch nun, aller Wahrscheinlichkeit nach, so nahe bei dem Lande waren, da Milch und Honig floss. Matthew Henry † 1714.
V. 16-18. Ein solch fröhlich Ding ist es, den gemeinen Pöbel regieren. Ich wollte, dass alle seltsamen, wunderlichen und aufrührerischen Köpfe nur zwei Jahre regieren sollten, sie würden die Hörner bald abstoßen. Dies ist die Schule, die uns lehrt, dieses Lebens müde und matt zu werden. Aber man muss den Undank verbeißen und mit Geduld überwinden und ausharren, auf dass nur der Gottesdienst rein bleibe. Denn wir sollen der Welt dienen und ihr Gutes tun, ob sie wohl das Gute mit Bösem vergilt. M. Luther † 1546.
V. 17. Die Erde tat sich auf und verschlang usw. Solche Bissen war die Erde nicht gewohnt. Sie verzehrt die menschlichen Leichname; aber Leiber, in denen die lebendige Seele ist, hatte sie noch nie zuvor verschlungen. Hätte man jene Aufrührer vom Schlage getroffen tot auf der Erde liegen sehen, das wäre schrecklich gewesen; aber zu sehen, wie die Erde ihr Nach-Richter und ihr Grab, beides in einem, war, das war doch noch viel entsetzlicher. Weder das Meer noch die Erde sind ihrer Natur nach dazu geeignet, einen offenen Durchlass zu bilden. Die Fluten des Meeres halten zusammen und wollen sich nicht trennen lassen, und die feste Erde öffnet sich nicht von Natur noch schließt sie sich, wo ein Riss entstanden, wieder von selbst zusammen. Doch teilte sich das Meer, um Israel zu dessen Errettung freie Bahn zu machen, und die Erde zerspaltete sich, um die Verschwörer in den Abgrund stürzen zu lasen; und beide, Meer und Erde, schlossen ihren Rachen über den Widersachern Gottes. Nun konnte Israel sehen, dass es mit einem Gott zu tun hatte, dem es ein Leichtes ist, Vergeltung zu üben. - Es gab zweierlei Art Empörer. Die Erde verschlang die einen, Feuer die andern. Alle Elemente vereinigen sich im Dienst der Strafgerechtigkeit ihres Schöpfers. Nadab und Abihu hatten geeignete Personen, aber ungeeignetes Feuer vor Gott gebracht; diese Leviten hier bringen das rechte Feuer, aber unberufene Personen vor ihn: Feuer verzehrt beide. Es ist eine gefährliche Sache, sich heilige Dienstverrichtungen widerrechtlich anzumaßen. Das geistliche Amt heiligt nicht den Mann, wohl aber kann der Mann das Amt entweihen. Bischos Joseph Hall † 1656.
Nur Datan und Abiram werden erwähnt, in Übereinstimmung mit 4. Mose 26,11, wo es heißt: Aber die Kinder Korahs starben nicht. Und das Gleiche ist aus 4. Mose 16,27 zu schließen, wo gesagt wird, dass unmittelbar bevor das furchtbare Ereignis eintrat, Datan und Abiram (Korah wird hier nicht erwähnt) herausgegangen und an die Tür ihrer Hütten getreten seien. Vergl. 5. Mose 11,6. J. J. St. Perowne 1868.
V. 19. Sie machten ein Kalb. Warum gerade ein Kalb? Konnten sie unter all den Geschöpfen kein passenderes Sinnbild Gottes finden? Warum nahmen sie nicht lieber den königlichen Löwen, um Gottes Hoheit abzubilden, oder den riesigen Elefanten als Bild der Unermesslichkeit, oder die kluge Schlange als Symbol der Weisheit, oder den langlebigen Hirsch, um die Ewigkeit Gottes, oder den schnellen Adler, um die Allgegenwart Gottes darzustellen, statt des dummen Kalbes, das Gras frisst? Aber die besondere Gestalt des Bildnisses ist nicht von Belang; wird Gott überhaupt irgendeiner Kreatur gleichgestellt, so mag man nehmen was man will; denn es ist ebenso unstatthaft, ihm die Gestalt eines Engels wie eines Wurmes zu geben, da das Gebot ebenso wohl ein Gleichnis von solchem, das oben im Himmel ist, als von solchem, das unten auf Erden ist, verbietet. Jedenfalls zogen die Israeliten das Kalb deswegen andern Darstellungsformen vor, weil sie von dem ägyptischen Apisdienst gelernt hatten. So nahmen also die Israeliten nicht lauter Gold und Silber aus Ägypten mit, sondern auch Schlacken und Unrat. - Bei den Rabbinen findet sich der Gedanke, dass Gott nie über Israel eine Gerichtsheimsuchung kommen lasse, ohne dass darin auch ein Lot seines Zornes sei über das Goldene Kalb, das die Väter gemacht hatten. Th. Fuller † 1661.
Sehr leicht werden Menschen dazu hingezogen, solchen Götzendienst auszuüben, welchen sie an Orten, wo sie lange gelebt haben, vor Augen zu sehen gewohnt gewesen sind. Wer sich vor dem Götzendienst hüten will, der hüte sich vor Ägypten; selbst die Luft ist dort gleichsam ansteckend. Vergleiche auch Jerobeams Aufenthalt in Ägypten. 1. Kön. 11,40. Bischof Th. Westfield 1658.
V. 20. Eines Ochsen, der Gras frisst. Wenn die Ägypter den Apis befragten, brachten sie ihm ein Bündel Heu oder Gras dar, und wenn der Ochse es nahm, hielten sie das für ein günstiges Zeichen Creßwell † 1844.
V. 21. Sie vergaßen Gottes. Gegossene oder gemalte Bilder zu machen, um uns Gott in Erinnerung zu rufen, ist ein Vergessen beides, des Wesens Gottes und seines Befehls, der solche Sinnbilder verbietet. Dickson † 1662.
Das taten sie (verwandelten ihre Herrlichkeit in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst) zu einer Zeit, da sie kurz vorher durch die Erscheinung Gottes auf dem Berg Sinai erschreckt, durch seine Stimme gerührt und in den Bund Gottes durch ihre Einwilligung eingetreten und durch Opferblut eingeweiht worden waren. O wie vergesslich, wie leichtsinnig, wie verkehrt, wie untreu ist des Menschen Herz! Wie so gar nicht ist auf alle menschlichen Vorsätze und Versprechungen zu bauen, wenn kein neues Herz dabei ist, ja wenn nicht die Gnade den Menschen hält und befestigt! Prälat M. Friedr. Roos 1773.
V. 23. Mose trat in den Riss und wendete den Zorn Gottes ab. Die Mauer der Religion war durch die Aufrichtung des Goldenen Kalbes eingerissen worden; da richtete er sie wieder auf. 4. Mose 17,6 murrte das Volk, empörte sich wider Mose und Aaron und riss den Wall der Autorität nieder, worauf die Plage unter sie brach; alsbald tritt Aaron in den Riss, da ward der Plage gewehrt, 4. Mose 17,13. Auch wir haben dank der Gnade Gottes unter uns Männer gehabt, die gleich Mose und Aaron unsere Lücken gebessert und manchen Riss verstopft haben. Aber alle unsere Lücken sind noch nicht gedeckt. Gibt es nicht Breschen in der Festung der Wahrheit, durch welche Irrtümer eindringen? Sind nicht ihrer viele, die mit Macht alle irdische und geistliche Autorität niederreißen? Sind nicht Lücken im Zaun der Gewissen? Ist nicht der Friede oft gestört? Wahrlich, wenn wir Augen haben zu sehen, so nehmen wir Breschen genug wahr. W. Greenhill † 1677.
Wenn man die Christen dazu bringen könnte, von dem Wert und der Macht der Fürbitte ein richtiges Bewusstsein zu haben, so würde der Fürbitte viel sein. Es ist ein schwerer Vorwurf, der den Lügenpropheten zu Hesekiels Zeiten gemacht wird: Ihr seid nicht vor die Risse getreten, noch habt ihr eine Mauer um das Haus Israel gezogen, um fest zu stehen im Kampfe am Tage des HERRN. (Hes. 13,5.) William Swan Plumer 1867.
V. 24. Ein großes Hindernis der Seligkeit ist die geistliche Trägheit. Von Israel heißt es: Sie verachteten das wonnige Land. Was konnte die Ursache sein? Kanaan war ein Paradies der Wonne, ein Vorbild des Himmels; ja, aber sie dachten daran, dass es sie viel Mühsal und Gefahr kosten würde es einzunehmen, darum wollten sie lieber darauf verzichten und schätzten es also gering. Gibt es aber nicht auch unter uns zu Millionen Leute, die lieber schlafend zur Hölle als schwitzend in den Himmel gehen? Thomas Watson 1660.
V. 24.25. Das Murren hat viel Unglauben und Misstrauen gegen Gott in sich. Sie konnten’s nicht glauben, dass die Wüste der rechte Weg nach Kanaan sei, dass Gott ihnen in der Wüste einen Tisch bereiten (Ps. 78,19) und ihnen in allen ihren Verlegenheiten helfen werde. So hadern auch wir in der Trübsal mit Gottes Vorsehung, weil wir seinen Verheißungen nicht glauben; wir glauben nicht, dass dies und jenes mit Gottes Liebe vereinbar sein oder uns zum Besten dienen könne. J. Willison † 1750.
Das Murren muss entweder eine eigentümliche Krankheit des israelitischen Volkes gewesen sein oder jener Wüste angehaftet haben. Fortwährend hören wir, wenn wir Israel auf dem Wüstenzug begleiten, seine schrillen Misstöne. Sie heben ihre Augen auf und sehen die Ägypter hinter ihnen herziehen: alsbald murren sie, 2. Mose 14,10 ff. Sie kommen zu einer Quelle, deren Wasser bitter ist, und murren wieder, 2. Mose 15,23 f. Sie haben kein Brot, das Murren wird verdoppelt, (2. Mose 16,2). Mose verzieht, von dem Berge zu kommen; wieder Murren, 2. Mose 32,1. Er nimmt zu viel auf sich: noch mehr Murren. Wann werden wir ins verheißene Land kommen? Außerordentliches lautes Murren. Wir sind nahe bei dem Lande, aber seine Einwohner sind Riesen und ihre Städte bis an den Himmel vermauert. O wie sind wir getäuscht! Und der letzte Atemzug der letzten Überlebenden dieses murrenden Geschlechtes ist noch ein Murren! James Hamilton † 1867.
V. 28. Den Baal-Peor oder bloß Peor der Moabiter (4. Mose 25,1 ff.; 31,16; Jos. 22,17) verehrte man durch Preisgebung junger Mädchen (daher nach den Rabbinen der Name von r(p öffnen, nämlich hymenem virgineum), also vergleichbar dem Priapus und Mutunus. Wäre die rabbinische Ableitung richtig, so würde der Götze dem Berge Peor, wo der Sitz seines Dienstes war, den Namen gegeben haben; möglich aber, dass er selbst von dem Berge den unterscheidenden Namen empfing wie sonst von Städten. Prof. G. B. Winer 1847.
Opfer der Toten. Die Götzen der Heiden waren meistens Menschen - Krieger, Könige oder Gesetzgeber - die nach ihrem Tode vergöttert worden, wiewohl ihrer viele im Leben verwünscht worden waren. S. Bagster.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
Erläuterungen und Kernworte
V. 30. Da trat zu Pinehas. Ganz Israel sah das freche, schamlose Tun Simris, aber ihre Herzen und ihre Augen waren so voll Kummers, dass die Entrüstung bei ihnen nicht durchbrechen konnte. Anders Pinehas. Da er sieht, wie Simri durch sein Tun Gott Hohn spricht und den Kummer seines Volkes verspottet, entbrennt sein Herz in heiligem Zorn, und alsbald greift die Hand, die sonst gewohnt war, Rauchfass oder Opfermesser zu halten, zum Speer und vereinigt die beiden Leiber im Tode, die sich in der Sünde vereinigt hatten. O welch edler, heroischer Mut, der, wie er von Gott belohnt wurde, es wert ist, von Menschen bewundert zu werden! Pinehas steht nicht grübelnd da: "Wer bin ich, dass ich solches tun sollte? Ich bin doch der Sohn des Hohenpriesters. Mein Amt ist ein Amt des Friedens und der Gnade; ich bin dazu berufen, für die Sünden des Volks zu opfern und zu beten, und nicht, Leute um ihrer Sünden willen hinzuopfern. Meine Pflicht ruft mich, den Zorn Gottes zu besänftigen, nicht die Sünde der Menschen zu rächen, für die Bekehrung der Sünder zu beten, nicht das Verderben eines Sünders zu bewirken. Und wer sind diese? Ist nicht der eine ein vornehmer Fürst in Israel, die andere eine Fürstentochter aus Midian? Kann der Tod zwei so vornehmer Personen ungerächt bleiben? Oder wenn solche Tat ungefährlich und schicklich ist, warum tut sie mein Onkel Mose nicht selber, vergießt lieber die eigenen Tränen als ihr Blut?" Aber der Eifer um Gott (4. Mose 25,13) schließt alle schwächlichen Bedenken aus, und er hält es für seine Pflicht und seine Ehre, das Urteil an einem so schamlosen Übertreterpaare zu vollziehen. Und nun die Sünde gestraft ist, hört die Plage auf. Gottes Strafe verfolgt immer die Sünde; aber wenn die Strafe durch Menschen (die gewöhnlich später kommt) die göttliche Strafe überholen kann, so überlässt Gott ihr das Feld. Wie oft schon hat die Verhängung einer geringeren Züchtigung eine größere verhindert. Es gibt keine besseren Freunde für den Staat, als mutige und unparteiische Diener der öffentlichen Gerechtigkeit. Bischof Joseph Hall † 1656.
Ihr Gläubigen, könnt ihr dies lesen, ohne euch zu schämen? Bezeugen kühne Taten euren Eifer? Sünder lästern Gottes Namen; straft ihr sie? Seine Sabbate werden entweiht; legt ihr dagegen Einspruch ab? Falsche Grundsätze laufen um; entlarvt ihr die Betrüger? Das Laster stolziert im Gewande der Tugend einher; reißt ihr ihr die Maske ab? Der Satan unterjocht die Welt; leistet ihr ihm Widerstand? Oder ist’s nicht vielmehr so: ihr legt die Hände in den Schoß und schlummert, als ginge es euch nichts an. Ob Christi Sache vorwärts geht oder niedergeworfen wird, euch kümmert’s wenig! Wenn rechtschaffener Eifer eure Lenden gürtete und euren Mut stählte, das Steuerruder eures Herzens lenkte und die Segel eurer Tatkraft schwellte, würde Gott dann wohl so unbekannt und die Gotteslästerung so frech sein? - Aber lasst uns auch beachten, dass der Eifer des Pinehas bei aller Stärke doch nüchtern ist. Er ist nicht wie ein wildes Pferd ohne Zügel, ein uneingedämmter Gießbach, ein Sturmwind ohne Halten. Seine Schritte gehen in dem Pfad der Ordnung. Er richtet Gottes Willen nach Gottes Weisung aus. Das Urteil sagt: Die Sünder sollen sterben. So führt er denn den Todesstoß mit gehorsamer Hand. Der Eifer, den der Himmel entzündet, ist als Gnadengabe an seiner Untertänigkeit, an der demütigen Gottergebenheit erkennbar. Henry Law 1858.
Er trat auf, um ebenso mannhaft sein Werk des Eifers zu vollbringen, wie Mose V. 23 aufgetreten war, um seine Pflicht als fürbittender Mittler zu erfüllen. M. A. Cassiodor † 560.
Er wendete den Grimm des HERRN von den Kindern Israel (4. Mose 25,11), weil er mit demselben Eifer für Gottes Ehre und Israels Bestes erfüllt war wie Gott selbst und sich nicht fürchtete, sein Leben für Gottes Sache einzusetzen. Chr. Neß † 1705.
V. 33. In einer Religionsanstalt, die selber der Hauptsache nach eine Veranstaltung der Gnade war und eine andere vorbildete, die ganz Gnade sein sollte, war es von höchster Wichtigkeit, dass die mittlerischen Personen barmherzig und freundlich, liebreich, geduldig und langsam zum Zorn seien. Und das waren sie auch in erstaunlicher Weise. Und doch kamen sie zu Fall in jener verhängnisvollen Stunde. - So übervoll an Lehre dieses Ereignis ist, müssen wir uns doch mit wenigen Bemerkungen begnügen. 1) Wie sorgfältig sollten Prediger des Evangeliums und Schriftausleger sein, dass sie nicht etwa einen irrigen Eindruck hinterlassen von dem, was Gottes Sinn oder Botschaft ist. Der nötige Scharfsinn des Verstandes ist eine seltene Gabe, aber der rechte Geist ist noch seltener. Aber was ist der richtige Geist? Ein hingebender, liebreicher, sanfter, treuer, des Weltsinns entwöhnter Geist, ein Geist, der spricht: "Rede, HERR, dein Knecht hört," und der hinzufügt: "Alles, was der HERR mir sagt, das will ich reden". (1. Kön. 22,14; Jer. 42,4) Solch trefflichen Geist gibt nur der gute Geist Gottes. Denn wenn sich dieser zurückzieht, so hört selbst ein Mose auf, sanftmütig zu sein, und wird alsbald ein schlechter Seelenhirt und irriger Lehrer, schlägt den Felsen im Zorn und predigt die gute Botschaft verdrießlich. Er, der das lebendige Wasser quellen lässt, gibt es nicht widerwillig und missgünstig; aber manchmal noch heute sagt der Prediger, statt freundlich lockend zu rufen: "Wen da dürstet, der komme!", unwirschen Mutes: "Höret, ihr Ungehorsamen, werden wir euch auch Wasser bringen aus diesem Fels?" und macht dadurch, dass das, was eine Einladung sein soll, abstoßend und zurückstoßend wirkt. 2) Wie traurig ist es, wenn jemand, der einen langen Lauf hinter sich hat, wenige Schritte vor dem Ziele strauchelt! Wenn Mose einen irdischen Wunsch hatte, so war es gewiss der, Israel wohlbehalten in seinem Erbteil zu sehen, und sein Wunsch war ganz nahe daran, in Erfüllung zu gehen. Sein Glaube und seine Geduld hatten fast vierzig Jahre ausgehalten; nun nur noch wenige Monate mehr, dann musste der Jordan überschritten und das Werk vollendet sein. Wer weiß, vielleicht trug gerade diese Nähe des Siegespreises dazu bei, in Mose etwas von anmaßendem Selbstvertrauen zu erzeugen? Sein Temperament war ja anfangs hitzig genug; er war keineswegs der ausnehmend mehr als alle Menschen auf Erden sanftmütige Mann (4. Mose 12,3), als er den Ägypter erschlug und den Leichnam im Sande verscharrte. Aber er hatte seither gelernt, seinen Geist zu beherrschen, und nach dem langen Aufenthalt bei Jethro und bei all der Selbstzucht, die nötig gewesen war, das große Volk zu regieren, mochte er denken, er habe nun seinen Fuß für immer auf dem Nacken des Feindes - da wird plötzlich die Sünde wieder lebendig, und Mose stirbt! - Wohl dem, der sich allewege fürchtet (Spr. 28,14). Wohl dem, der, wiewohl lange Jahre ohne einen Versuch, bei ihm einzubrechen, vergangen sind, doch seine Tür verriegelt und zusieht, dass die Fenster wohl verschlossen sind. Wohl dem, der, obwohl seit dem letzten Ausbruch des Kraters ein Menschenalter vergangen ist, doch es vermeidet, auf dem vulkanischen Boden zu bauen und das Feuer fürchtet, das vierzig Jahre lang still geraucht hat. Wohl dem, der, auch wenn die hohe See durchschifft und das Land in Sicht ist, in der Vorsicht nicht nachlässt, sondern noch immer Ausschau hält. Wohl dem, der selbst an den Grenzen Kanaans vor seinem bösen Herzen auf der Hut ist, auf dass er nicht, trotz der Verheißung, dahinten bleiben müsse um Unglaubens willen! 3) Würde und Sanftheit des Gemütes sind Perlen von hohem Wert, und wenn wir sie zu bewahren wünschen, wird es gut sein, dass wir Gott selbst bitten, sie in Hut zu nehmen. Als Mose seinen Glaubensgehorsam verlor, hatte er zuvor die Selbstbeherrschung verloren; und wenn jemand diese verliert, so ist schwer zu sagen, was er nächstens verlieren mag. Gleich einem rasend gewordenen Krieger, der seinen Schild als Wurfgeschoss braucht und seinem Feinde an den Kopf schleudert, ist er fortan allen feurigen Pfeilen ausgesetzt, den Hieben und Stichen jedes Angreifers schutzlos preisgegeben. John Newton bemerkt treffend, die Gnade Gottes sei zur Erzeugung der rechten Gemütsverfassung einem Christen ebenso nötig, wenn es sich um das Zerbrechen eines Porzellantellers handelt, wie um den Tod des einzigen Sohnes. Und da niemand beim Anbruch eines Tages sagen kann, ob der Tag nicht vielleicht der schwerste, prüfungsreichste seines ganzen Lebens sein werde, wie weise ist es denn, ohne Unterlass zu beten: Erhalte mich nach deinem Wort (der Verheißung). Setze meinem Mund eine Wache, HERR, bewahre die Tür meiner Lippen! Wer kann merken, wie oft er fehlt? Verzeihe mir die verborgenen Fehle. (Ps. 119,116; 141,3; 19,13.) J. Hamilton † 1867.
Und er redete unbedacht mit seinen Lippen. (Wörtl.) Der HERR will, Mose soll mit dem Felsen reden, er aber spricht zu Israel; Gott will, er soll zu dem unbeseelten Stein ein Wort sagen, Mose schlägt ihn zweimal. Gott ist noch willig, das Volk sein Eigentumsvolk bleiben zu lassen, aber Mose behandelt sie unwillig und kränkend. Gott will helfen und dem Volke in seinem Durst eine Erquickung geben, und Mose ist dazu ausersehen, mit Gott zusammenzuwirken in solcher Freude; aber siehe, wie sich eben an diesem Tage ein tiefer Zwiespalt zwischen Gottes und Moses Sinn zeigt. Gott ist geneigt, Verzeihung zu gewähren - Mose neigt zu Strafe; vorher schien das gerade Gegenteil obzuwalten. Gott ist nachsichtig - Mose voller Bitterkeit; Gott sucht seine Gnade zu verherrlichen - bei Mose tritt das eigene Ich, nicht Gott in den Vordergrund. "Können wir" - nicht: kann der HERR - "euch wohl Wasser bringen aus diesem Felsen?" Wir sehen jetzt an diesem Propheten, der zu andern Zeiten so stark war, die ersten deutlichen Anzeichen von Verfall der Kraft und Verdrossenheit. Er ist müde geworden (und wahrlich, das sollte uns nicht seltsam erscheinen, denn wer von uns hätte wohl einen solchen Kampf wie den seinen auch nur die halbe Zeit ausgehalten?), diese eigensinnigen Kinder noch länger zu tragen. Der so wahrhaft große Mann hat bisher noch nie einen Augenblick seine Würde vor dem ganzen Israel vergessen; aber jetzt ist er nicht mehr seiner selbst Herr. Prof. J. J. van Oosterzee 1874.
V. 37.38. Sowohl aus der Heiligen Schrift als aus dem, was heidnische Schriftsteller und andere Zeugen berichtet haben, wissen wir, dass von den heidnischen Gottheiten aller Welt nichts so allgemein befohlen und bereitwillig angenommen wurde wie das Vergießen von Menschenblut und das Opfern von Männern, Mädchen und Kindern. Selbst bei den gebildetsten Völkern, so bei den Athenern, Karthagern und Römern, waren Menschenopfer im Gebrauch, und nicht nur in den dunkeln Urzeiten, sondern in den Zeiten des Glanzes. Cäsar Augustus soll sie zuerst in Rom verboten haben, und wie Tertullian berichtet, soll Tiberius so strenge gegen sie vorgegangen sein, dass er die Priester, welche Menschenopfer darbrachten, kreuzigen ließ. Aber dieser Brauch ist dem heidnischen Wesen so eingefleischt, dass trotzdem selbst noch zu des Lactantius Zeiten, also im vierten Jahrhundert nach Christo, solche Opfer dem Jupiter Latiums dargebracht wurden. Niemand als der Satan selbst, der Menschenmörder von Anfang, konnte solche Verzerrung des Gottesdienstes den Menschen ins Herz geben. R. Jenison 1621.
Und sie opferten usw. Daraus lernen wir, dass unbesonnener Eifer ein nichtiger Vorwand zu Gunsten einer gottesdienstlichen Handlung ist. Denn je stärker die Juden unter dem Einfluss brennenden Eifers waren, desto größerer Bosheit und Gottlosigkeit beschuldigt sie der Prophet, da ihre Begeisterung sie zu solcher Raserei hinriss, dass sie selbst ihrer eigenen Kinder nicht schonten. Wären, wie die Beschützer von Abgöttereien meinen, gute Absichten verdienstlich, dann wäre das Aufopfern aller natürlichen Zuneigung, wie es in dem Darbringen der eigenen Kinder zu Tage tritt, eine Tat, die das höchste Lob verdiente. Aber wenn Menschen unter dem Drang ihrer Einfälle und launenhaften Stimmungen handeln, dann vermehren sie, je mehr sie sich äußeren gottesdienstlichen Handlungen widmen, ihre Schuld. Denn welcher Unterschied war zwischen Abraham und den hier erwähnten Leuten, als dass der Erstere unter dem Einfluss des Glaubens bereit war, seinen Sohn aufzuopfern, während die Letzteren, durch den Drang leidenschaftlichen Eifers fortgerissen, alle natürliche Zuneigung von sich warfen und ihre Hände in das Blut ihrer eigenen Kinder tauchten? Jean Calvin † 1564.
Wir stehen ohne Zweifel staunend vor solch gräulicher, barbarischer und widernatürlicher Gottlosigkeit, Kinder, und dazu die eigenen, im Feuer dem Moloch zu opfern; aber wie wenig bedenkt man, dass Kinder, die in Unwissenheit, Irrtum, Eitelkeit, Torheit und Lastern auferzogen werden, in noch erfolgreicherer Weise dem Erzfeind des Menschengeschlechts geweiht werden! Bischof G. Horne † 1792.
V. 30. Da trat zu Pinehas. Ganz Israel sah das freche, schamlose Tun Simris, aber ihre Herzen und ihre Augen waren so voll Kummers, dass die Entrüstung bei ihnen nicht durchbrechen konnte. Anders Pinehas. Da er sieht, wie Simri durch sein Tun Gott Hohn spricht und den Kummer seines Volkes verspottet, entbrennt sein Herz in heiligem Zorn, und alsbald greift die Hand, die sonst gewohnt war, Rauchfass oder Opfermesser zu halten, zum Speer und vereinigt die beiden Leiber im Tode, die sich in der Sünde vereinigt hatten. O welch edler, heroischer Mut, der, wie er von Gott belohnt wurde, es wert ist, von Menschen bewundert zu werden! Pinehas steht nicht grübelnd da: "Wer bin ich, dass ich solches tun sollte? Ich bin doch der Sohn des Hohenpriesters. Mein Amt ist ein Amt des Friedens und der Gnade; ich bin dazu berufen, für die Sünden des Volks zu opfern und zu beten, und nicht, Leute um ihrer Sünden willen hinzuopfern. Meine Pflicht ruft mich, den Zorn Gottes zu besänftigen, nicht die Sünde der Menschen zu rächen, für die Bekehrung der Sünder zu beten, nicht das Verderben eines Sünders zu bewirken. Und wer sind diese? Ist nicht der eine ein vornehmer Fürst in Israel, die andere eine Fürstentochter aus Midian? Kann der Tod zwei so vornehmer Personen ungerächt bleiben? Oder wenn solche Tat ungefährlich und schicklich ist, warum tut sie mein Onkel Mose nicht selber, vergießt lieber die eigenen Tränen als ihr Blut?" Aber der Eifer um Gott (4. Mose 25,13) schließt alle schwächlichen Bedenken aus, und er hält es für seine Pflicht und seine Ehre, das Urteil an einem so schamlosen Übertreterpaare zu vollziehen. Und nun die Sünde gestraft ist, hört die Plage auf. Gottes Strafe verfolgt immer die Sünde; aber wenn die Strafe durch Menschen (die gewöhnlich später kommt) die göttliche Strafe überholen kann, so überlässt Gott ihr das Feld. Wie oft schon hat die Verhängung einer geringeren Züchtigung eine größere verhindert. Es gibt keine besseren Freunde für den Staat, als mutige und unparteiische Diener der öffentlichen Gerechtigkeit. Bischof Joseph Hall † 1656.
Ihr Gläubigen, könnt ihr dies lesen, ohne euch zu schämen? Bezeugen kühne Taten euren Eifer? Sünder lästern Gottes Namen; straft ihr sie? Seine Sabbate werden entweiht; legt ihr dagegen Einspruch ab? Falsche Grundsätze laufen um; entlarvt ihr die Betrüger? Das Laster stolziert im Gewande der Tugend einher; reißt ihr ihr die Maske ab? Der Satan unterjocht die Welt; leistet ihr ihm Widerstand? Oder ist’s nicht vielmehr so: ihr legt die Hände in den Schoß und schlummert, als ginge es euch nichts an. Ob Christi Sache vorwärts geht oder niedergeworfen wird, euch kümmert’s wenig! Wenn rechtschaffener Eifer eure Lenden gürtete und euren Mut stählte, das Steuerruder eures Herzens lenkte und die Segel eurer Tatkraft schwellte, würde Gott dann wohl so unbekannt und die Gotteslästerung so frech sein? - Aber lasst uns auch beachten, dass der Eifer des Pinehas bei aller Stärke doch nüchtern ist. Er ist nicht wie ein wildes Pferd ohne Zügel, ein uneingedämmter Gießbach, ein Sturmwind ohne Halten. Seine Schritte gehen in dem Pfad der Ordnung. Er richtet Gottes Willen nach Gottes Weisung aus. Das Urteil sagt: Die Sünder sollen sterben. So führt er denn den Todesstoß mit gehorsamer Hand. Der Eifer, den der Himmel entzündet, ist als Gnadengabe an seiner Untertänigkeit, an der demütigen Gottergebenheit erkennbar. Henry Law 1858.
Er trat auf, um ebenso mannhaft sein Werk des Eifers zu vollbringen, wie Mose V. 23 aufgetreten war, um seine Pflicht als fürbittender Mittler zu erfüllen. M. A. Cassiodor † 560.
Er wendete den Grimm des HERRN von den Kindern Israel (4. Mose 25,11), weil er mit demselben Eifer für Gottes Ehre und Israels Bestes erfüllt war wie Gott selbst und sich nicht fürchtete, sein Leben für Gottes Sache einzusetzen. Chr. Neß † 1705.
V. 33. In einer Religionsanstalt, die selber der Hauptsache nach eine Veranstaltung der Gnade war und eine andere vorbildete, die ganz Gnade sein sollte, war es von höchster Wichtigkeit, dass die mittlerischen Personen barmherzig und freundlich, liebreich, geduldig und langsam zum Zorn seien. Und das waren sie auch in erstaunlicher Weise. Und doch kamen sie zu Fall in jener verhängnisvollen Stunde. - So übervoll an Lehre dieses Ereignis ist, müssen wir uns doch mit wenigen Bemerkungen begnügen. 1) Wie sorgfältig sollten Prediger des Evangeliums und Schriftausleger sein, dass sie nicht etwa einen irrigen Eindruck hinterlassen von dem, was Gottes Sinn oder Botschaft ist. Der nötige Scharfsinn des Verstandes ist eine seltene Gabe, aber der rechte Geist ist noch seltener. Aber was ist der richtige Geist? Ein hingebender, liebreicher, sanfter, treuer, des Weltsinns entwöhnter Geist, ein Geist, der spricht: "Rede, HERR, dein Knecht hört," und der hinzufügt: "Alles, was der HERR mir sagt, das will ich reden". (1. Kön. 22,14; Jer. 42,4) Solch trefflichen Geist gibt nur der gute Geist Gottes. Denn wenn sich dieser zurückzieht, so hört selbst ein Mose auf, sanftmütig zu sein, und wird alsbald ein schlechter Seelenhirt und irriger Lehrer, schlägt den Felsen im Zorn und predigt die gute Botschaft verdrießlich. Er, der das lebendige Wasser quellen lässt, gibt es nicht widerwillig und missgünstig; aber manchmal noch heute sagt der Prediger, statt freundlich lockend zu rufen: "Wen da dürstet, der komme!", unwirschen Mutes: "Höret, ihr Ungehorsamen, werden wir euch auch Wasser bringen aus diesem Fels?" und macht dadurch, dass das, was eine Einladung sein soll, abstoßend und zurückstoßend wirkt. 2) Wie traurig ist es, wenn jemand, der einen langen Lauf hinter sich hat, wenige Schritte vor dem Ziele strauchelt! Wenn Mose einen irdischen Wunsch hatte, so war es gewiss der, Israel wohlbehalten in seinem Erbteil zu sehen, und sein Wunsch war ganz nahe daran, in Erfüllung zu gehen. Sein Glaube und seine Geduld hatten fast vierzig Jahre ausgehalten; nun nur noch wenige Monate mehr, dann musste der Jordan überschritten und das Werk vollendet sein. Wer weiß, vielleicht trug gerade diese Nähe des Siegespreises dazu bei, in Mose etwas von anmaßendem Selbstvertrauen zu erzeugen? Sein Temperament war ja anfangs hitzig genug; er war keineswegs der ausnehmend mehr als alle Menschen auf Erden sanftmütige Mann (4. Mose 12,3), als er den Ägypter erschlug und den Leichnam im Sande verscharrte. Aber er hatte seither gelernt, seinen Geist zu beherrschen, und nach dem langen Aufenthalt bei Jethro und bei all der Selbstzucht, die nötig gewesen war, das große Volk zu regieren, mochte er denken, er habe nun seinen Fuß für immer auf dem Nacken des Feindes - da wird plötzlich die Sünde wieder lebendig, und Mose stirbt! - Wohl dem, der sich allewege fürchtet (Spr. 28,14). Wohl dem, der, wiewohl lange Jahre ohne einen Versuch, bei ihm einzubrechen, vergangen sind, doch seine Tür verriegelt und zusieht, dass die Fenster wohl verschlossen sind. Wohl dem, der, obwohl seit dem letzten Ausbruch des Kraters ein Menschenalter vergangen ist, doch es vermeidet, auf dem vulkanischen Boden zu bauen und das Feuer fürchtet, das vierzig Jahre lang still geraucht hat. Wohl dem, der, auch wenn die hohe See durchschifft und das Land in Sicht ist, in der Vorsicht nicht nachlässt, sondern noch immer Ausschau hält. Wohl dem, der selbst an den Grenzen Kanaans vor seinem bösen Herzen auf der Hut ist, auf dass er nicht, trotz der Verheißung, dahinten bleiben müsse um Unglaubens willen! 3) Würde und Sanftheit des Gemütes sind Perlen von hohem Wert, und wenn wir sie zu bewahren wünschen, wird es gut sein, dass wir Gott selbst bitten, sie in Hut zu nehmen. Als Mose seinen Glaubensgehorsam verlor, hatte er zuvor die Selbstbeherrschung verloren; und wenn jemand diese verliert, so ist schwer zu sagen, was er nächstens verlieren mag. Gleich einem rasend gewordenen Krieger, der seinen Schild als Wurfgeschoss braucht und seinem Feinde an den Kopf schleudert, ist er fortan allen feurigen Pfeilen ausgesetzt, den Hieben und Stichen jedes Angreifers schutzlos preisgegeben. John Newton bemerkt treffend, die Gnade Gottes sei zur Erzeugung der rechten Gemütsverfassung einem Christen ebenso nötig, wenn es sich um das Zerbrechen eines Porzellantellers handelt, wie um den Tod des einzigen Sohnes. Und da niemand beim Anbruch eines Tages sagen kann, ob der Tag nicht vielleicht der schwerste, prüfungsreichste seines ganzen Lebens sein werde, wie weise ist es denn, ohne Unterlass zu beten: Erhalte mich nach deinem Wort (der Verheißung). Setze meinem Mund eine Wache, HERR, bewahre die Tür meiner Lippen! Wer kann merken, wie oft er fehlt? Verzeihe mir die verborgenen Fehle. (Ps. 119,116; 141,3; 19,13.) J. Hamilton † 1867.
Und er redete unbedacht mit seinen Lippen. (Wörtl.) Der HERR will, Mose soll mit dem Felsen reden, er aber spricht zu Israel; Gott will, er soll zu dem unbeseelten Stein ein Wort sagen, Mose schlägt ihn zweimal. Gott ist noch willig, das Volk sein Eigentumsvolk bleiben zu lassen, aber Mose behandelt sie unwillig und kränkend. Gott will helfen und dem Volke in seinem Durst eine Erquickung geben, und Mose ist dazu ausersehen, mit Gott zusammenzuwirken in solcher Freude; aber siehe, wie sich eben an diesem Tage ein tiefer Zwiespalt zwischen Gottes und Moses Sinn zeigt. Gott ist geneigt, Verzeihung zu gewähren - Mose neigt zu Strafe; vorher schien das gerade Gegenteil obzuwalten. Gott ist nachsichtig - Mose voller Bitterkeit; Gott sucht seine Gnade zu verherrlichen - bei Mose tritt das eigene Ich, nicht Gott in den Vordergrund. "Können wir" - nicht: kann der HERR - "euch wohl Wasser bringen aus diesem Felsen?" Wir sehen jetzt an diesem Propheten, der zu andern Zeiten so stark war, die ersten deutlichen Anzeichen von Verfall der Kraft und Verdrossenheit. Er ist müde geworden (und wahrlich, das sollte uns nicht seltsam erscheinen, denn wer von uns hätte wohl einen solchen Kampf wie den seinen auch nur die halbe Zeit ausgehalten?), diese eigensinnigen Kinder noch länger zu tragen. Der so wahrhaft große Mann hat bisher noch nie einen Augenblick seine Würde vor dem ganzen Israel vergessen; aber jetzt ist er nicht mehr seiner selbst Herr. Prof. J. J. van Oosterzee 1874.
V. 37.38. Sowohl aus der Heiligen Schrift als aus dem, was heidnische Schriftsteller und andere Zeugen berichtet haben, wissen wir, dass von den heidnischen Gottheiten aller Welt nichts so allgemein befohlen und bereitwillig angenommen wurde wie das Vergießen von Menschenblut und das Opfern von Männern, Mädchen und Kindern. Selbst bei den gebildetsten Völkern, so bei den Athenern, Karthagern und Römern, waren Menschenopfer im Gebrauch, und nicht nur in den dunkeln Urzeiten, sondern in den Zeiten des Glanzes. Cäsar Augustus soll sie zuerst in Rom verboten haben, und wie Tertullian berichtet, soll Tiberius so strenge gegen sie vorgegangen sein, dass er die Priester, welche Menschenopfer darbrachten, kreuzigen ließ. Aber dieser Brauch ist dem heidnischen Wesen so eingefleischt, dass trotzdem selbst noch zu des Lactantius Zeiten, also im vierten Jahrhundert nach Christo, solche Opfer dem Jupiter Latiums dargebracht wurden. Niemand als der Satan selbst, der Menschenmörder von Anfang, konnte solche Verzerrung des Gottesdienstes den Menschen ins Herz geben. R. Jenison 1621.
Und sie opferten usw. Daraus lernen wir, dass unbesonnener Eifer ein nichtiger Vorwand zu Gunsten einer gottesdienstlichen Handlung ist. Denn je stärker die Juden unter dem Einfluss brennenden Eifers waren, desto größerer Bosheit und Gottlosigkeit beschuldigt sie der Prophet, da ihre Begeisterung sie zu solcher Raserei hinriss, dass sie selbst ihrer eigenen Kinder nicht schonten. Wären, wie die Beschützer von Abgöttereien meinen, gute Absichten verdienstlich, dann wäre das Aufopfern aller natürlichen Zuneigung, wie es in dem Darbringen der eigenen Kinder zu Tage tritt, eine Tat, die das höchste Lob verdiente. Aber wenn Menschen unter dem Drang ihrer Einfälle und launenhaften Stimmungen handeln, dann vermehren sie, je mehr sie sich äußeren gottesdienstlichen Handlungen widmen, ihre Schuld. Denn welcher Unterschied war zwischen Abraham und den hier erwähnten Leuten, als dass der Erstere unter dem Einfluss des Glaubens bereit war, seinen Sohn aufzuopfern, während die Letzteren, durch den Drang leidenschaftlichen Eifers fortgerissen, alle natürliche Zuneigung von sich warfen und ihre Hände in das Blut ihrer eigenen Kinder tauchten? Jean Calvin † 1564.
Wir stehen ohne Zweifel staunend vor solch gräulicher, barbarischer und widernatürlicher Gottlosigkeit, Kinder, und dazu die eigenen, im Feuer dem Moloch zu opfern; aber wie wenig bedenkt man, dass Kinder, die in Unwissenheit, Irrtum, Eitelkeit, Torheit und Lastern auferzogen werden, in noch erfolgreicherer Weise dem Erzfeind des Menschengeschlechts geweiht werden! Bischof G. Horne † 1792.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106
Erläuterungen und Kernworte
V. 40. Und gewann einen Gräuel. Wenn große Liebe sich in großen Hass verwandelt, so nennt man’s Abscheu. Joh. Lorinus † 1634.
V. 43. Und kamen herunter durch ihre Verschuldung. Die Sünde hat eine entkräftende, ausmergelnde Natur. Sie hat die ganze Menschheit geschwächt, ihr die Kraft zum Guten genommen und sie zu Armut und Mangel gebracht, hat die Söhne des Höchsten zu Bettlern gemacht und in hoffnungsloser, hilfloser Lage gelassen. Ja, sie bringt auch die Kinder Gottes noch manchmal nach ihrer Bekehrung in einen armseligen Zustand, wenn Gott der Sünde wegen sein Antlitz vor ihnen verbirgt, die Versuchungen mächtig werden, die Gnade in ihnen hingegen schwach wird und sie lau und gegen geistliche Dinge gleichgültig werden. John Gill † 1771.
V. 44-46. Da sehen wir das getreue Herz Gottes gegen uns, wie ihn unsre Not bewegt zur Hilfe und wie er sich als das ewige Gut gern selbst mitteilt und uns erfüllt, dass wir nicht verderben. Denn im Menschen ist eine große, grundlose, tiefe Verderbung, dass der Mensch nicht anders kann, denn in sein Verderben eilen, in Gott aber ist die große grundlose Tiefe der Errettung, dass er von Natur nicht anders kann, denn gern helfen. Joh. Arnd † 1621.
V. 46. Und ließ sie zur Barmherzigkeit kommen vor allen, die sie gefangen hielten. Solche durch Gottes Einwirkung zum Bessern veränderte Empfindung gegen die Juden sehen wir z. B. Dan. 1,9, wie auch Josephs Gefangenschaft durch Gottes Huld erleichtert worden war, 1. Mose 39,21. So behandelte auch Evil-Merodach, der König zu Babel, Jojachin, den König Judas, freundlich. 2. Kön. 25,27-30. A. R. Fausset 1866.
V. 48. Amen. Luther hat bekanntlich vom Unservater gesagt, es sei der größte Märtyrer auf Erden, weil es so häufig gedanken- und gefühllos, ohne Ehrfurcht und Glauben gebraucht wird. Diese Bemerkung, die ebenso wahr wie traurig ist, lässt sich vielleicht mit noch größerer Kraft auf das Wort Amen anwenden. Von Jugend auf sind wir mit dem Klang dieses Wortes vertraut, das überall, wo die Völker den Gott und Heiland Israels anbeten gelernt haben, heimisch geworden ist. Es ist in allen Sprachen, in denen das Evangelium von Jesu, dem Sohne Davids, gepredigt wird, angenommen und unübersetzt beibehalten worden. Die wörtliche Bedeutung "Also geschehe es" ist allbekannt; doch nur wenige beachten den tiefen Sinn, die erhabene Feierlichkeit und den überschwänglichen Trost, die in diesem Wort liegen, das jahrhundertelang den Schluss der Gebete und Lobpreisungen des Volkes Gottes gebildet hat. Ein Wort, das oft ohne die gebührende Bedachtsamkeit gebraucht worden ist und ohne die Empfindung, welche hervorzurufen es bestimmt ist, verliert seinen Wert eben durch die Vertrautheit mit demselben, und wiewohl es beständig auf unseren Lippen ist, liegt es schließlich krank darnieder im Schlafgemach unserer Seele. Aber es ist ein großes Wort, dieses Wörtlein Amen, und Luther hat recht gesagt: "Wie dein Amen ist, so ist dein Gebet gewesen." Dies Wort hat eine ehrwürdige Geschichte in Israel und in der Gemeinde des Herrn. Das Wort führt sein Alter bis auf das Gesetz Moses zurück. Wenn ein feierlicher Schwur von dem Priester ausgesprochen worden war, bestand die Antwort der Person, welcher der Eid auferlegt worden war, einfach in dem Worte Amen. In gleicher Weise antwortete das Volk Amen, als von den Höhen des Ebal und des Garizim der Segen und der Fluch des göttlichen Gesetzes verkündigt worden war. Wiederum bei dem großen Feste, das David veranstaltete, als die Lade Gottes von dem Hause Obed-Edoms hinaufgebracht wurde, schloss der Lobpsalm, den Asaph und seine Brüder sangen, mit den Worten Ps. 106,47 und 48, und dem Amen der ganzen Volksmenge, siehe 1. Chr. 16,35 f. Adolph Saphir 1870.
Der Psalm ist ein im Kultus gebrauchtes und wahrscheinlich für ihn auch von vornherein bestimmtes Beichtgebet. Diese Annahme macht zugleich auch wahrscheinlich, dass V. 48, welcher jetzt die Schlussdoxologie des vierten Psalmbuchs bildet, zwar kein unmittelbar ursprünglicher, wohl aber ein mit der gottesdienstlichen Verwendung desselben gegebener Bestandteil des Psalms sei, dem erst in zweiter Linie durch den Redaktor des Psalters seine jetzige Bestimmung angewiesen wurde. Für diesen Hergang der Sache spricht insbesondere auch der bei den Doxologien von Ps. 41; 72; 89 fehlende Zusatz: Und alles Volk spreche: Amen. Unter dieser Voraussetzung fällt es auch nicht weiter auf, dass der Hallelujahpsalm 1. Chr. 16,8 ff., gleichfalls ein Kultuslied, neben dem V. 1 und V. 47 auch den V. 48 des vorliegenden Psalms ohne weiteres entlehnt hat. Lic. H. Keßler 1899.
Homiletische Winke
V. 1.
Nehmen wir diesen Vers in seinem Zusammenhang mit dem ganzen Psalm, so ergibt sich, dass 1) seine Aufforderung, den HERRN zu preisen, an Leute gerichtet ist, die auserwählt und erlöst worden waren, aber viel gesündigt hatten, mit großer Geduld getragen worden waren und Vergebung empfangen hatten; dass 2) diese Aufforderung mit vielen Gründen gestützt ist. Nicht der Mensch ist zu preisen, denn er sündigt; Gott gibt in seiner Freundlichkeit und vergibt in seiner Gnade, darum gebührt ihm tiefer Dank. Und wir sehen, dass 3) jene Aufforderung heute ebenso passend ist wie je; ist doch unsere Geschichte ein Nachbild der Geschichte Israels.
V. 2.
1) Eine Herausforderung: Wer kann usw. 2) Ein Wink: Lasst uns wenigstens tun, was wir können. 3) Eine große Aussicht: Im zukünftigen Zeitalter werden wir mit der Gemeinde der Erlösten, den Engeln und allen vernunftbegabten Wesen die großen Taten des HERRN, an uns geschehen, kundtun. 4) Eine persönliche Frage: Werde ich dann dabei sein?
V. 3.
Der Segen eines gottseligen Lebens.
V. 4.
1) Die Sprache der Demut: HERR, gedenke mein. Lass mich nicht deiner Beachtung entgehen unter den vielen Millionen Geschöpfen, die unter deiner Fürsorge stehen. 2) Die Sprache des Glaubens. a) Gott hat ein Volk des Eigentums, dem er besondere Huld erzeigt. b) Er selbst hat für sein Volk das Heil bereitet. 3) die Sprache des Gebets. a) um die freie Gabe des Heils; b) um das für alle vorhandene Heil. Der Psalmist begehrt nichts Besonderes für sich, sondern ist es wohl zufrieden, wenn er an der Gnade, die dem ganzen Volke Gottes bestimmt ist, hienieden und droben Anteil hat.
V. 4.7.45.
In V. 4 Gottes Gedenken erbeten. In V. 7 des Menschen Nichtgedenken beklagt. In V. 45 das göttliche Gedenken gepriesen.
V. 5.
1) Die Leute, von denen die Rede ist: Deine Auserwählten, dein Volk, dein Erbteil. 2) Die Vorrechte, die sie genießen: die Wohlfahrt deiner Auserwählten, die Freude deines Volks, der Ruhm deines Erbteils. 3) Die Bitten des Psalmisten: Lass mich sehen, mich freuen, rühmen usw. Sie waren einst, was ich jetzt bin; mache mich zu dem, was sie jetzt sind. Mein Heil gilt mir alles. Ihrer sind viele, ich bin nur einer usw. George Rogers 1874.
V. 6.
Inwiefern Menschen der Sünden ihrer Väter teilhaftig sein können.
V. 7.8.
1) Auf Seiten der Menschen Verfinsterung des Verstandes, undankbare Vergesslichkeit und empörerischer Ungehorsam. 2) Auf Seiten Gottes: sein Verstand entdeckt einen Grund zur Gnade, sein Gedächtnis gedenkt des Bundes, seine Geduld beweist, was sie vermag.
V. 8.
1) Eine starke Herausforderung: Auflehnung am Schilfmeer. 2) Eine mächtige Errettung: Er half ihnen aber. 3) Ein erhabener Zweck: um seines Namens willen - dass er seine Macht beweise. George Rogers 1874.
Das Heil aus Gnaden eine erhabene Entfaltung der göttlichen Macht.
1) Der herrliche Helfer: Er. 2) Was waren das für Leute, denen geholfen wurde? Es waren a) unverständige Leute, V. 7a; b) undankbare Leute, V. 7b; c) Leute, die den HERRN durch ihren Ungehorsam gereizt hatten, V. 7c. 3) Warum half er ihnen? Um seines Namens - um seines Wesens, das Liebe ist, und um seiner Verherrlichung willen. Wir dürfen auch sagen: um Christi willen - "mein Name ist in ihm" (2. Mose 23,21).
V. 9-12.
Israel am Schilfmeer. I. Israels drei Schwierigkeiten. 1) Das Schilfmeer vor ihnen. Dies war nicht von einem Feind, sondern von Gott selbst dahin gesetzt. Ein Abbild gewisser starker Prüfungen, die von der Vorsehung jedem wiedergeborenen Gotteskinde in den Weg gelegt werden, um seinen Glauben und die Aufrichtigkeit seines Gottvertrauens zu erproben. 2) Die Ägypter hinter ihnen - das Abbild der Sünden, von denen wir meinten, sie wären tot und für immer verschwunden. 3) Die glaubensmatten Herzen in ihnen. II. Israels drei Helfer. 1) Gottes Führerschaft. 2) Ihr eigenes Bewusstsein, dass sie das Bundesvolk Gottes waren. 3) Der Mann Mose. So ist auch die Hoffnung und Hilfe des Gläubigen in dem Gottmenschen Jesus Christus. III. Gottes erhabener Zweck bei dieser Führung: ihnen eine Taufe zu seinem Dienst zu geben, sie auf immer ihm zu weihen. (1. Kor. 10,1 f.)
V. 9b.
Schwierige und gefährliche Pfade werden durch Gottes Führerschaft sicher und leicht.
V.11b.
Dass nicht Einer übrig blieb. Ein Lobgesang über getilgte Sünden.
V. 12-14.
Ein bloß natürlicher Glaube, der auf dem, was man sieht, gegründet ist, verursacht wohl vorübergehende Freude, verflüchtigt sich aber schnell, endet in völligem Unglauben und führt zu noch schwereren Sünden.
V. 13-15.
1) Wohltaten werden schneller vergessen als Trübsale: Eilends vergaßen sie seine Taten. Wir schreiben unsere Trübsale in Marmor, unsere Erfahrungen der göttlichen Hilfe in den Sand. 2) Wir sollten ebenso sehr auf Gottes Winke warten wie seiner Hilfe harren: Sie warteten nicht seines Rats. 3) Ungezügeltes Begehren nach solchen irdischen Gütern, die wir nicht haben, versucht Gott, uns das zu nehmen, was wir haben, V. 14. 4) Gebete können ebenso wohl zu unserem Unheil wie zu unserem Heil erhört werden: Er gab ihnen ihre Bitte und sandte Auszehrung in ihr Inneres, V. 15. Wie mancher schon hat erfahren müssen, dass die Gewährung seiner fleischlichen Gelüste seiner geistlichen Gesundheit übel bekommen ist.
V. 14.
Die Verwerflichkeit unordentlicher Gelüste. 1) Sie sind nicht am Platze: in der Wüste. 2) Sie sind Angriffe auf Gottes Heiligkeit: und versuchten Gott. 3) Sie schließen Verachtung früher empfangener Wohltaten ein, siehe die vorhergehenden Verse. 4) Sie stürzen in ernste Gefahren, siehe
V. 16.
Der Neid. Gemein von Art, herzlos in seinem Tun, gewissenlos in seiner Undankbarkeit, frech in seinen Angriffen, ein Gräuel vor Gott.
V. 19-22.
I. Die Sünde, deren hier gedacht wird. 1) Götzendienst: sie vergaßen nicht nur Gottes und verleugneten ihn, sondern setzten ein Götzenbild an seine Statt 2) Götzendienst der schlimmsten Art: sie verwandelten ihren herrlichen Gott in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst. 3) Der Götzendienst Ägyptens, unter dessen Druck sie geschmachtet und aus dem sie errettet worden waren. 4) Götzendienst, nachdem der wahre Gott in vielen wunderbaren Taten für sie eingetreten war. II. Das Gedenken an die Sünde dient 1) zur Demütigung: es war die Sünde ihrer Väter; 2) zum Selbstgericht: Wir haben gesündigt samt unseren Vätern, V. 6. Es war unsre Natur in ihnen und ist ihre Natur in uns, die diese große Sünde begangen hat.
V. 23.
Mose der Fürbitter, ein Vorbild unseres Herrn. Man betrachte eingehend ein Flehen, wie es in 2. Mose 32 berichtet ist.
1) Das Eintreten eines Mittlers war notwendig: Gott sprach, er wollte sie vertilgen. 2) Ein Mittler bot sich dar: Mose trat in den Riss. 3) Sein Eintreten ward angenommen: er konnte Gottes Grimm abwenden. 2. Mose 32. George Rogers 1874.
V. 24-26.
Das Murren 1) entspringt aus Geringschätzung unserer Gnadenvorrechte, 2) wird genährt durch den Unglauben, 3) wird an allerlei Orten ausgeübt, 4) macht taub für die Stimme des HERRN, 5) fordert schwere Gerichte heraus.
V. 24-27.
1) Die verheißene Ruhe: das wonnige Land. 2) Das Ausschlagen der angebotenen Ruhe: sie verachteten usw. 3) Der Grund des Ausschlagens: sie glaubten seinem Worte nicht, vergl. Hebr. 3,19. George Rogers 1874.
V. 30.31.
Die Wirkungen einer entschiedenen Tat für Gott. Die unmittelbaren Wirkungen, die Folgen für den Vollbringer selbst und für seine Nachkommen.
V. 32.33.
1) Was heißt unbedacht reden? 2) Was ist eine der vornehmsten Ursachen dazu? Sie betrübten ihm sein Herz. 3) Was für Folgen kann es haben? Es erging Mose übel.
V. 33.
Die Langmut Gottes ist größer als die Langmut der besten Menschen.
V. 34-42.
1) Was die Israeliten nicht taten. Sie machten zwar einen guten Anfang, aber sie vollendeten nicht die Besiegung ihrer Feinde, V. 34. 2) Was sie taten: V. 35-39 a) Sie traten mit ihnen in freundschaftlichen Umgang. b) Sie eigneten sich ihre Sitten an. c) Sie nahmen ihre Religion an. d) Sie ahmten ihre Unmenschlichkeiten nach. e) Sie begingen schlimmere Sünde als jene, da sie nicht Heiden, sondern Gottes Bundesvolk waren. 3) Was Gott ihnen tat: V. 40-42. Er gab sie in die Hand ihrer Feinde und ließ es zu, dass sie von ihnen unterjocht, geängstet und gedemütigt wurden. Auch für uns gilt es ein Entweder - Oder: Entweder müssen wir alle Feinde unserer Seele besiegen, oder wir werden von ihnen besiegt.
V. 37.
Molochdienst der heutigen Zeit: In den höheren Ständen werden Kinder der Sitte und Mode, dem Reichtum, Ehen ohne Liebe usw. geopfert; in den niederen Schichten des Volks dem bösen Beispiel, der Trunksucht usw. Leider ein sehr nötiges Thema.
V. 43-45.
Sünde bei Gottes Volk 1) Erzürnt Gott sehr. 2) Zieht sicher Züchtigungen nach sich. 3) Muss aufrichtig bereut werden (ihre Klage). 4) Wird dann nach der Bundeszusage gnädig vergeben werden, und oft werden auch ihre Folgen abgewendet.
V. 47.
l) Ein inbrünstiges Gebet: Hilf uns, HERR. 2) Ein gläubiges Gebet: HERR, unser Gott. 3) Ein demütiges Gebet: Bringe uns zusammen aus den Heiden. 4) Ein aufrichtiges Gebet: Dass wir danken deinem heiligen Namen, anerkennend, dass du gerecht und heilig bist in allen deinen Wegen. 5) Ein zuversichtliches Gebet: und rühmen dein Lob. Nur zerbrochene Nardengefäße strömen solchen Wohlgeruch aus. George Rogers 1874.
V. 48.
1) Gott ist preiswürdig als der Gott a) des vorbildlichen, b) des geistlichen Israel. 2) Er ist als solcher zu preisen unter allen Verhältnissen, für seine Züchtigungen sowohl als für seine Wohltaten. 3) Allezeit: von Ewigkeit zu Ewigkeit. 4) Von allen: und alles Volk spreche: Amen. 5) Am Anfang und am Schlusse eines jeden Liedes: Hallelujah, V. 1 und V. 48. George Rogers 1874.
Und alles Volk spreche: Amen! Eine Ermahnung zu allgemeinem Lobpreis. Alle Menschen sind Gott zu Dank verbunden, alle haben gesündigt, alle hören das Evangelium, alle, die zu seinem Volke gehören, sind errettet. Einmütigkeit im Lobe Gottes ist lieblich und fördert die Einigkeit in andern Dingen.
V. 40. Und gewann einen Gräuel. Wenn große Liebe sich in großen Hass verwandelt, so nennt man’s Abscheu. Joh. Lorinus † 1634.
V. 43. Und kamen herunter durch ihre Verschuldung. Die Sünde hat eine entkräftende, ausmergelnde Natur. Sie hat die ganze Menschheit geschwächt, ihr die Kraft zum Guten genommen und sie zu Armut und Mangel gebracht, hat die Söhne des Höchsten zu Bettlern gemacht und in hoffnungsloser, hilfloser Lage gelassen. Ja, sie bringt auch die Kinder Gottes noch manchmal nach ihrer Bekehrung in einen armseligen Zustand, wenn Gott der Sünde wegen sein Antlitz vor ihnen verbirgt, die Versuchungen mächtig werden, die Gnade in ihnen hingegen schwach wird und sie lau und gegen geistliche Dinge gleichgültig werden. John Gill † 1771.
V. 44-46. Da sehen wir das getreue Herz Gottes gegen uns, wie ihn unsre Not bewegt zur Hilfe und wie er sich als das ewige Gut gern selbst mitteilt und uns erfüllt, dass wir nicht verderben. Denn im Menschen ist eine große, grundlose, tiefe Verderbung, dass der Mensch nicht anders kann, denn in sein Verderben eilen, in Gott aber ist die große grundlose Tiefe der Errettung, dass er von Natur nicht anders kann, denn gern helfen. Joh. Arnd † 1621.
V. 46. Und ließ sie zur Barmherzigkeit kommen vor allen, die sie gefangen hielten. Solche durch Gottes Einwirkung zum Bessern veränderte Empfindung gegen die Juden sehen wir z. B. Dan. 1,9, wie auch Josephs Gefangenschaft durch Gottes Huld erleichtert worden war, 1. Mose 39,21. So behandelte auch Evil-Merodach, der König zu Babel, Jojachin, den König Judas, freundlich. 2. Kön. 25,27-30. A. R. Fausset 1866.
V. 48. Amen. Luther hat bekanntlich vom Unservater gesagt, es sei der größte Märtyrer auf Erden, weil es so häufig gedanken- und gefühllos, ohne Ehrfurcht und Glauben gebraucht wird. Diese Bemerkung, die ebenso wahr wie traurig ist, lässt sich vielleicht mit noch größerer Kraft auf das Wort Amen anwenden. Von Jugend auf sind wir mit dem Klang dieses Wortes vertraut, das überall, wo die Völker den Gott und Heiland Israels anbeten gelernt haben, heimisch geworden ist. Es ist in allen Sprachen, in denen das Evangelium von Jesu, dem Sohne Davids, gepredigt wird, angenommen und unübersetzt beibehalten worden. Die wörtliche Bedeutung "Also geschehe es" ist allbekannt; doch nur wenige beachten den tiefen Sinn, die erhabene Feierlichkeit und den überschwänglichen Trost, die in diesem Wort liegen, das jahrhundertelang den Schluss der Gebete und Lobpreisungen des Volkes Gottes gebildet hat. Ein Wort, das oft ohne die gebührende Bedachtsamkeit gebraucht worden ist und ohne die Empfindung, welche hervorzurufen es bestimmt ist, verliert seinen Wert eben durch die Vertrautheit mit demselben, und wiewohl es beständig auf unseren Lippen ist, liegt es schließlich krank darnieder im Schlafgemach unserer Seele. Aber es ist ein großes Wort, dieses Wörtlein Amen, und Luther hat recht gesagt: "Wie dein Amen ist, so ist dein Gebet gewesen." Dies Wort hat eine ehrwürdige Geschichte in Israel und in der Gemeinde des Herrn. Das Wort führt sein Alter bis auf das Gesetz Moses zurück. Wenn ein feierlicher Schwur von dem Priester ausgesprochen worden war, bestand die Antwort der Person, welcher der Eid auferlegt worden war, einfach in dem Worte Amen. In gleicher Weise antwortete das Volk Amen, als von den Höhen des Ebal und des Garizim der Segen und der Fluch des göttlichen Gesetzes verkündigt worden war. Wiederum bei dem großen Feste, das David veranstaltete, als die Lade Gottes von dem Hause Obed-Edoms hinaufgebracht wurde, schloss der Lobpsalm, den Asaph und seine Brüder sangen, mit den Worten Ps. 106,47 und 48, und dem Amen der ganzen Volksmenge, siehe 1. Chr. 16,35 f. Adolph Saphir 1870.
Der Psalm ist ein im Kultus gebrauchtes und wahrscheinlich für ihn auch von vornherein bestimmtes Beichtgebet. Diese Annahme macht zugleich auch wahrscheinlich, dass V. 48, welcher jetzt die Schlussdoxologie des vierten Psalmbuchs bildet, zwar kein unmittelbar ursprünglicher, wohl aber ein mit der gottesdienstlichen Verwendung desselben gegebener Bestandteil des Psalms sei, dem erst in zweiter Linie durch den Redaktor des Psalters seine jetzige Bestimmung angewiesen wurde. Für diesen Hergang der Sache spricht insbesondere auch der bei den Doxologien von Ps. 41; 72; 89 fehlende Zusatz: Und alles Volk spreche: Amen. Unter dieser Voraussetzung fällt es auch nicht weiter auf, dass der Hallelujahpsalm 1. Chr. 16,8 ff., gleichfalls ein Kultuslied, neben dem V. 1 und V. 47 auch den V. 48 des vorliegenden Psalms ohne weiteres entlehnt hat. Lic. H. Keßler 1899.
Homiletische Winke
V. 1.
Nehmen wir diesen Vers in seinem Zusammenhang mit dem ganzen Psalm, so ergibt sich, dass 1) seine Aufforderung, den HERRN zu preisen, an Leute gerichtet ist, die auserwählt und erlöst worden waren, aber viel gesündigt hatten, mit großer Geduld getragen worden waren und Vergebung empfangen hatten; dass 2) diese Aufforderung mit vielen Gründen gestützt ist. Nicht der Mensch ist zu preisen, denn er sündigt; Gott gibt in seiner Freundlichkeit und vergibt in seiner Gnade, darum gebührt ihm tiefer Dank. Und wir sehen, dass 3) jene Aufforderung heute ebenso passend ist wie je; ist doch unsere Geschichte ein Nachbild der Geschichte Israels.
V. 2.
1) Eine Herausforderung: Wer kann usw. 2) Ein Wink: Lasst uns wenigstens tun, was wir können. 3) Eine große Aussicht: Im zukünftigen Zeitalter werden wir mit der Gemeinde der Erlösten, den Engeln und allen vernunftbegabten Wesen die großen Taten des HERRN, an uns geschehen, kundtun. 4) Eine persönliche Frage: Werde ich dann dabei sein?
V. 3.
Der Segen eines gottseligen Lebens.
V. 4.
1) Die Sprache der Demut: HERR, gedenke mein. Lass mich nicht deiner Beachtung entgehen unter den vielen Millionen Geschöpfen, die unter deiner Fürsorge stehen. 2) Die Sprache des Glaubens. a) Gott hat ein Volk des Eigentums, dem er besondere Huld erzeigt. b) Er selbst hat für sein Volk das Heil bereitet. 3) die Sprache des Gebets. a) um die freie Gabe des Heils; b) um das für alle vorhandene Heil. Der Psalmist begehrt nichts Besonderes für sich, sondern ist es wohl zufrieden, wenn er an der Gnade, die dem ganzen Volke Gottes bestimmt ist, hienieden und droben Anteil hat.
V. 4.7.45.
In V. 4 Gottes Gedenken erbeten. In V. 7 des Menschen Nichtgedenken beklagt. In V. 45 das göttliche Gedenken gepriesen.
V. 5.
1) Die Leute, von denen die Rede ist: Deine Auserwählten, dein Volk, dein Erbteil. 2) Die Vorrechte, die sie genießen: die Wohlfahrt deiner Auserwählten, die Freude deines Volks, der Ruhm deines Erbteils. 3) Die Bitten des Psalmisten: Lass mich sehen, mich freuen, rühmen usw. Sie waren einst, was ich jetzt bin; mache mich zu dem, was sie jetzt sind. Mein Heil gilt mir alles. Ihrer sind viele, ich bin nur einer usw. George Rogers 1874.
V. 6.
Inwiefern Menschen der Sünden ihrer Väter teilhaftig sein können.
V. 7.8.
1) Auf Seiten der Menschen Verfinsterung des Verstandes, undankbare Vergesslichkeit und empörerischer Ungehorsam. 2) Auf Seiten Gottes: sein Verstand entdeckt einen Grund zur Gnade, sein Gedächtnis gedenkt des Bundes, seine Geduld beweist, was sie vermag.
V. 8.
1) Eine starke Herausforderung: Auflehnung am Schilfmeer. 2) Eine mächtige Errettung: Er half ihnen aber. 3) Ein erhabener Zweck: um seines Namens willen - dass er seine Macht beweise. George Rogers 1874.
Das Heil aus Gnaden eine erhabene Entfaltung der göttlichen Macht.
1) Der herrliche Helfer: Er. 2) Was waren das für Leute, denen geholfen wurde? Es waren a) unverständige Leute, V. 7a; b) undankbare Leute, V. 7b; c) Leute, die den HERRN durch ihren Ungehorsam gereizt hatten, V. 7c. 3) Warum half er ihnen? Um seines Namens - um seines Wesens, das Liebe ist, und um seiner Verherrlichung willen. Wir dürfen auch sagen: um Christi willen - "mein Name ist in ihm" (2. Mose 23,21).
V. 9-12.
Israel am Schilfmeer. I. Israels drei Schwierigkeiten. 1) Das Schilfmeer vor ihnen. Dies war nicht von einem Feind, sondern von Gott selbst dahin gesetzt. Ein Abbild gewisser starker Prüfungen, die von der Vorsehung jedem wiedergeborenen Gotteskinde in den Weg gelegt werden, um seinen Glauben und die Aufrichtigkeit seines Gottvertrauens zu erproben. 2) Die Ägypter hinter ihnen - das Abbild der Sünden, von denen wir meinten, sie wären tot und für immer verschwunden. 3) Die glaubensmatten Herzen in ihnen. II. Israels drei Helfer. 1) Gottes Führerschaft. 2) Ihr eigenes Bewusstsein, dass sie das Bundesvolk Gottes waren. 3) Der Mann Mose. So ist auch die Hoffnung und Hilfe des Gläubigen in dem Gottmenschen Jesus Christus. III. Gottes erhabener Zweck bei dieser Führung: ihnen eine Taufe zu seinem Dienst zu geben, sie auf immer ihm zu weihen. (1. Kor. 10,1 f.)
V. 9b.
Schwierige und gefährliche Pfade werden durch Gottes Führerschaft sicher und leicht.
V.11b.
Dass nicht Einer übrig blieb. Ein Lobgesang über getilgte Sünden.
V. 12-14.
Ein bloß natürlicher Glaube, der auf dem, was man sieht, gegründet ist, verursacht wohl vorübergehende Freude, verflüchtigt sich aber schnell, endet in völligem Unglauben und führt zu noch schwereren Sünden.
V. 13-15.
1) Wohltaten werden schneller vergessen als Trübsale: Eilends vergaßen sie seine Taten. Wir schreiben unsere Trübsale in Marmor, unsere Erfahrungen der göttlichen Hilfe in den Sand. 2) Wir sollten ebenso sehr auf Gottes Winke warten wie seiner Hilfe harren: Sie warteten nicht seines Rats. 3) Ungezügeltes Begehren nach solchen irdischen Gütern, die wir nicht haben, versucht Gott, uns das zu nehmen, was wir haben, V. 14. 4) Gebete können ebenso wohl zu unserem Unheil wie zu unserem Heil erhört werden: Er gab ihnen ihre Bitte und sandte Auszehrung in ihr Inneres, V. 15. Wie mancher schon hat erfahren müssen, dass die Gewährung seiner fleischlichen Gelüste seiner geistlichen Gesundheit übel bekommen ist.
V. 14.
Die Verwerflichkeit unordentlicher Gelüste. 1) Sie sind nicht am Platze: in der Wüste. 2) Sie sind Angriffe auf Gottes Heiligkeit: und versuchten Gott. 3) Sie schließen Verachtung früher empfangener Wohltaten ein, siehe die vorhergehenden Verse. 4) Sie stürzen in ernste Gefahren, siehe
V. 16.
Der Neid. Gemein von Art, herzlos in seinem Tun, gewissenlos in seiner Undankbarkeit, frech in seinen Angriffen, ein Gräuel vor Gott.
V. 19-22.
I. Die Sünde, deren hier gedacht wird. 1) Götzendienst: sie vergaßen nicht nur Gottes und verleugneten ihn, sondern setzten ein Götzenbild an seine Statt 2) Götzendienst der schlimmsten Art: sie verwandelten ihren herrlichen Gott in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst. 3) Der Götzendienst Ägyptens, unter dessen Druck sie geschmachtet und aus dem sie errettet worden waren. 4) Götzendienst, nachdem der wahre Gott in vielen wunderbaren Taten für sie eingetreten war. II. Das Gedenken an die Sünde dient 1) zur Demütigung: es war die Sünde ihrer Väter; 2) zum Selbstgericht: Wir haben gesündigt samt unseren Vätern, V. 6. Es war unsre Natur in ihnen und ist ihre Natur in uns, die diese große Sünde begangen hat.
V. 23.
Mose der Fürbitter, ein Vorbild unseres Herrn. Man betrachte eingehend ein Flehen, wie es in 2. Mose 32 berichtet ist.
1) Das Eintreten eines Mittlers war notwendig: Gott sprach, er wollte sie vertilgen. 2) Ein Mittler bot sich dar: Mose trat in den Riss. 3) Sein Eintreten ward angenommen: er konnte Gottes Grimm abwenden. 2. Mose 32. George Rogers 1874.
V. 24-26.
Das Murren 1) entspringt aus Geringschätzung unserer Gnadenvorrechte, 2) wird genährt durch den Unglauben, 3) wird an allerlei Orten ausgeübt, 4) macht taub für die Stimme des HERRN, 5) fordert schwere Gerichte heraus.
V. 24-27.
1) Die verheißene Ruhe: das wonnige Land. 2) Das Ausschlagen der angebotenen Ruhe: sie verachteten usw. 3) Der Grund des Ausschlagens: sie glaubten seinem Worte nicht, vergl. Hebr. 3,19. George Rogers 1874.
V. 30.31.
Die Wirkungen einer entschiedenen Tat für Gott. Die unmittelbaren Wirkungen, die Folgen für den Vollbringer selbst und für seine Nachkommen.
V. 32.33.
1) Was heißt unbedacht reden? 2) Was ist eine der vornehmsten Ursachen dazu? Sie betrübten ihm sein Herz. 3) Was für Folgen kann es haben? Es erging Mose übel.
V. 33.
Die Langmut Gottes ist größer als die Langmut der besten Menschen.
V. 34-42.
1) Was die Israeliten nicht taten. Sie machten zwar einen guten Anfang, aber sie vollendeten nicht die Besiegung ihrer Feinde, V. 34. 2) Was sie taten: V. 35-39 a) Sie traten mit ihnen in freundschaftlichen Umgang. b) Sie eigneten sich ihre Sitten an. c) Sie nahmen ihre Religion an. d) Sie ahmten ihre Unmenschlichkeiten nach. e) Sie begingen schlimmere Sünde als jene, da sie nicht Heiden, sondern Gottes Bundesvolk waren. 3) Was Gott ihnen tat: V. 40-42. Er gab sie in die Hand ihrer Feinde und ließ es zu, dass sie von ihnen unterjocht, geängstet und gedemütigt wurden. Auch für uns gilt es ein Entweder - Oder: Entweder müssen wir alle Feinde unserer Seele besiegen, oder wir werden von ihnen besiegt.
V. 37.
Molochdienst der heutigen Zeit: In den höheren Ständen werden Kinder der Sitte und Mode, dem Reichtum, Ehen ohne Liebe usw. geopfert; in den niederen Schichten des Volks dem bösen Beispiel, der Trunksucht usw. Leider ein sehr nötiges Thema.
V. 43-45.
Sünde bei Gottes Volk 1) Erzürnt Gott sehr. 2) Zieht sicher Züchtigungen nach sich. 3) Muss aufrichtig bereut werden (ihre Klage). 4) Wird dann nach der Bundeszusage gnädig vergeben werden, und oft werden auch ihre Folgen abgewendet.
V. 47.
l) Ein inbrünstiges Gebet: Hilf uns, HERR. 2) Ein gläubiges Gebet: HERR, unser Gott. 3) Ein demütiges Gebet: Bringe uns zusammen aus den Heiden. 4) Ein aufrichtiges Gebet: Dass wir danken deinem heiligen Namen, anerkennend, dass du gerecht und heilig bist in allen deinen Wegen. 5) Ein zuversichtliches Gebet: und rühmen dein Lob. Nur zerbrochene Nardengefäße strömen solchen Wohlgeruch aus. George Rogers 1874.
V. 48.
1) Gott ist preiswürdig als der Gott a) des vorbildlichen, b) des geistlichen Israel. 2) Er ist als solcher zu preisen unter allen Verhältnissen, für seine Züchtigungen sowohl als für seine Wohltaten. 3) Allezeit: von Ewigkeit zu Ewigkeit. 4) Von allen: und alles Volk spreche: Amen. 5) Am Anfang und am Schlusse eines jeden Liedes: Hallelujah, V. 1 und V. 48. George Rogers 1874.
Und alles Volk spreche: Amen! Eine Ermahnung zu allgemeinem Lobpreis. Alle Menschen sind Gott zu Dank verbunden, alle haben gesündigt, alle hören das Evangelium, alle, die zu seinem Volke gehören, sind errettet. Einmütigkeit im Lobe Gottes ist lieblich und fördert die Einigkeit in andern Dingen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps107
PSALM 107 (Auslegung & Kommentar)
Inhalt
Dieser Psalm ist ein Kleinod für die Erlösten des HERRN (V. 2), denen er ein herrliches Danklied in den Mund legt. Wiewohl es Errettungen aus allerlei irdischer Not sind, die er feiert, so dass er von jedwedem Menschen, dessen Leben in Zeiten großer Gefahr erhalten worden ist, gesungen werden mag, so verherrlicht er doch unter dieser Hülle den HERRN vornehmlich für geistliche Segnungen, von denen jene zeitlichen Wohltaten nur Abbilder und Schatten sind. Das Thema ist: Dank gegen Gott, und die mancherlei Gründe zu solchem Lobpreis. - Der Psalm ist von hoher dichterischer Schönheit; schon wenn wir ihn nur als Kunstwerk betrachten, würde es schwer sein, in der schönen Literatur ein ebenbürtiges Gegenstück zu finden. Die Dichter der Bibel nehmen unter den Musensöhnen keinen untergeordneten Rang ein.
Einteilung
Der Sänger beginnt damit, dass er sein Lied den Erlösten widmet, die aus der Verbannung heimgebracht sind, V. 1-3. Er vergleicht dann ihre Geschichte mit den Erlebnissen von Wanderern, die sich in der Wüste verirrt hatten, V. 4-9, von Gefangenen, die in eisernen Banden gefesselt gewesen, V. 10-16, von Todkranken, V. 17-22, und von Seefahrern auf sturmbewegtem Meer, V. 23-32. In den folgenden Versen bilden die Gerichte, mit denen Gott die Bösen heimsucht, und seine Gnadentaten an den unterdrückten Seinen den Gegenstand, der den Dichter erfüllt, V. 33-42. Sodann schließt der Psalm mit dem die Lehre aus dem Ganzen zusammenfassenden 43. Vers, in welchem er bezeugt, dass wer die Werke und Wege des HERRN mit Fleiß betrachtet, sicherlich seine Güte erkennen und preisen wird.
Auslegung
1.
Danket dem HERRN, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
2.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN,
die er aus der Not erlöst hat;
3.
und die er aus den Ländern zusammengebracht hat
vom Aufgang, vom Niedergang,
von Mitternacht und vom Meer.
1. Danket dem HERRN. Der Dank ist ja das Mindeste und zugleich das Höchste, das wir ihm geben können; drum lasst uns darin vollen Eifer anwenden. Der ganze Ton des Psalms beweist, wie ernst es dem Psalmisten mit dieser Aufforderung war. Lasst denn auch uns den HERRN allezeit mit aller Inbrunst preisen, mit dem Munde sowohl als auch mit unserem Wandel; lasst uns Dank sagen und Dank leben. Jehovah - das ist ja der hier gebrauchte Gottesname - will nicht mit Seufzen und Stöhnen, sondern mit Loben und Danken verehrt werden, denn er ist freundlich, wörtl.: gut; und dieser Dank sollte ihm aufs herzlichste dargebracht werden, denn seine Güte ist nicht gewöhnlicher Art. Er ist gut nach seiner ganzen Natur, seinem innersten Wesen, und hat sich also erwiesen in allen seinen Taten von Uranfang her. Verglichen mit ihm ist niemand gut, auch nicht einer; er hingegen ist wesenhaft, beständig, im höchsten Maße, ja unermesslich gut. Wir leben Tag für Tag und Augenblick für Augenblick im Genuss seiner Güte und sollten darum auch, mehr als alle anderen Geschöpfe, seinen Namen erheben. Unser Lobpreisen sollte noch an Inbrunst gewinnen durch die Tatsache, dass seine Güte nicht etwas Vorübergehendes ist, sondern in der Erscheinungsform der Gnade sich ewig an uns erweist: und seine Gnade (wörtl.) währet ewiglich. Das Zeitwort "währet" ist von dem Übersetzer passend ergänzt worden, und doch wird dadurch der Sinn etwas eingeschränkt, dessen Fülle wir noch besser erfassen werden, wenn wir uns zunächst einen Augenblick die knappe Form des Grundtextes vergegenwärtigen: und seine Gnade - ewiglich. Wie diese Gnade nie einen Anfang gehabt hat, so wird sie auch nie ein Ende nehmen. Unsere Sünde machte es nötig, dass die Güte Gottes sich uns als Gnade erzeige, und dies hat sie getan und wird sie allezeit tun. Lasst uns denn nicht lässig sein, die Güte zu preisen, die sich so unserem gefallenen Zustand angepasst hat.
2. So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN, oder schöner nach dem Grundtext: die Erlösten Jehovahs. Was immer andere denken oder sagen mögen, die Erlösten haben überwältigende Gründe, die Güte des HERRN zu rühmen. Ihre Errettung ist von besonderer Art, deshalb geziemt es sich für sie, auch besonderen Dank dafür darzubringen. Ihr Erlöser ist so herrlich, der Preis, um den sie erlöst sind, so teuer und die Erlösung so vollkommen, dass ihnen siebenfache Verpflichtung obliegt, dem HERRN zu danken und auch andere zum Lobe Gottes aufzurufen. Mögen sie sich nicht mit Gefühlen der Dankbarkeit begnügen, sondern auch das sagen, des ihr Herz voll ist; mögen sie selber lobsingen und ihre Miterlösten anreizen, in das Loblied einzustimmen. Die er aus der Not erlöst hat. Da sie aus gewaltiger Bedrückung durch eine noch gewaltigere Macht herausgerissen worden, sind sie vor allen auch verpflichtet, den HERRN als ihren Befreier preisend anzubeten. Ihre Erlösung ist unmittelbar göttlich. Er und niemand anders hat sie erlöst. Sein Arm hat ihre Befreiung gewirkt, und keiner hat ihm dabei geholfen. Sollten befreite Sklaven nicht die Hand küssen, die ihnen die Freiheit gegeben? Welcher Dank aber könnte genügen für eine Befreiung aus der Gewalt von Sünde, Tod und Hölle? Im Himmel selbst gibt es kein lieblicheres Lied als jenes, dessen Grundton ist: Du hast uns Gott erkauft mit deinem Blut (Off. 5,9).
3. Und die er aus den Ländern zusammengebracht hat vom Aufgang, vom Niedergang, von Mitternacht und vom Meer. Auf die Befreiung folgt die Vereinigung. Jene Gefangenen wurden von allen Weltgegenden in ihr Land wieder zurückgebracht, sogar von jenseits des Meeres kamen sie heim. Was immer sie trennen mag, der HERR wird die Seinen zu einem Leibe sammeln. Schon auf Erden sollen sie, durch einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe (Eph. 4,5) verbunden, als das einige Volk des einigen Gottes erkannt werden, und im Himmel wird die eine allen gemeinsame Wonne sie vollends zusammenschmelzen zu einer seligen Gemeine. Was für ein herrlicher Hirte muss das sein, der also seine bluterkaufte Herde aus den fernsten Fernen zusammenbringt, sie durch unzählige Gefahren hindurchführt und sie endlich sich lagern lässt auf den grünen Auen des himmlischen Paradieses. Die einen sind in dieser, die andern in jener Richtung irre gegangen, alle haben Immanuels Land verlassen und sich, soweit sie nur konnten, verlaufen; wahrlich, groß ist die Gnade und groß die Macht, welche sie alle zu Einer Herde sammelt unter dem Einen Hirten, Christus. So mögen denn die Erlösten einmütig mit Einem Munde den Herrn loben, der alle die zerstreuten Kinder Gottes in eins zusammenbringt. (Joh. 11,52.)
4.
Die irre gingen in der Wüste, in ungebahntem Wege,
und fanden keine Stadt, da sie wohnen konnten,
5.
hungrig und durstig,
und ihre Seele verschmachtete;
6.
und sie zum HERRN riefen in ihrer Not,
und er sie errettete aus ihren Ängsten
7.
und führte sie einen richtigen Weg,
dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten;
8.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
9.
dass er sättigt die durstige Seele
und füllt die hungrige Seele mit Gutem.
4. Die irre gingen in der Wüste. Sie gingen irre, denn ihr Pfad hatte sich verloren, keine Spur eines Weges war mehr zu finden; und was noch schlimmer war: sie irrten in einer Wüste umher, wo ringsum alles glühend heißer Sand war. Sie waren verirrt an dem schlimmsten Orte, der sich nur denken lässt, gerade wie der Mensch, der sich in der Wüstenei der Sünde verloren hat. Sie gingen rechts und gingen links, sie eilten vor und wandten sich wieder zurück in vergeblichem Suchen, ganz wie der Sünder, wenn er erweckt ist und seinen verlorenen Zustand erkennt. Aber es war alles umsonst; denn sie waren und blieben in der Wüste, und all ihre Hoffnung, daraus zu entkommen, zerrann. In ungebahntem Wege, wörtl.: in einer Einöde von einem Wege, d. h. auf einem Wege, der eine weglose Einöde war. Weit und breit war nirgends eine menschliche Niederlassung, und keine andere Reisekarawane wurde sichtbar, die sie hätten anrufen können. Die Einsamkeit verstärkt das Elendsgefühl in hohem Grade. Die Abgeschiedenheit einer menschenleeren Gegend übt eine äußerst niederschlagende Wirkung aus auf den Unglücklichen, der sich in der endlosen Öde verirrt hat. Der Pfad des Wanderers in der Wildnis ist ein ungebahnter Weg, und wenn er selbst diese dürftige Spur verlässt und ganz in die Einöde kommt, die sonst kein Menschenfuß betritt, so ist er in der Tat in einer tief bedauernswerten, jammervollen Lage. Eine Seele, die niemand hat, der mit ihr fühlt, ist an den Grenzen der Hölle; ein im Vollsinn des Wortes einsamer Weg ist der Weg zur Verzweiflung. Und fanden keine Stadt, da (Menschen wohnten und auch) sie wohnen konnten. Wie wäre das auch möglich gewesen? Es gab keine. Als Israel durch die Wüste zog, wohnte es in Zelten und genoss keine der Annehmlichkeiten fester Wohnsitze; und in der Sahara würde der Wanderer Stadt oder Dorf vergeblich suchen. Menschenkinder, die in Bekümmernis der Seele sind, finden keine Ruhestatt, keine Erquickung, keine Rast. So mannigfach ihre Versuche sich zu retten auch sind, erschöpfen doch ihre Anstrengungen nur ihre Kraft, alle ihre Wege enden in bitterer Enttäuschung, und die schreckliche Einsamkeit ihrer Herzen erfüllt sie mit unsagbarer Angst und Qual.
5. Hungrig und durstig, und ihre Seele verschmachtete. Die Lebensgeister erlöschen, wenn die Leibeskräfte durch lange Entbehrungen aufgezehrt sind. Wer kann den Mut noch aufrecht halten, wenn der Körper vor gänzlicher Erschöpfung bei jedem Schritt niederzusinken im Begriff ist? Der letzte Bissen Brotes ist verzehrt, das Wasser im Kruge ist aus, und weit und breit ist weder Feld noch Bach in der schaurigen Wüste - da bricht das Herz zusammen in elender Verzweiflung. Das ist der Zustand eines erwachten Gewissens, ehe es den Herrn Jesum kennt. Es ist voll ungestillten Sehnens, voll schmerzlichen Gefühls des Mangels an allem Nötigsten und voll der schlimmsten Befürchtungen. Es fühlt sich gänzlich erschöpft, ohne alle Kraft, und in der ganzen Schöpfung gibt es nichts, das ihm zur Erquickung dienen könnte.
6. Und sie zum HERRN riefen in ihrer Not. Nicht eher, als bis sie in der äußersten Not waren, nahmen sie ihre Zuflucht zum Gebet; aber wie gut, dass sie dann doch beteten, und zwar in der rechten Weise, aus vollem Herzen rufend, schreiend, und zu dem, der allein ihnen helfen konnte: zum HERRN. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig; sich selber helfen konnten sie nicht und ebenso wenig bei andern Hilfe finden: da schrien sie zu Gott. Gebete, die uns durch den Drang der Not ausgepresst werden, sind darum nicht weniger annehmbar bei Gott, haben im Gegenteil umso mehr Macht bei ihm, da sie offenbar aufrichtig sind und kräftig das göttliche Mitleid anrufen. Manche Menschen werden nie zum Beten ihre Zuflucht nehmen, es sei denn, dass sie halb am Sterben sind, und es dient darum viel mehr zu ihrem wahren Vorteil, dass sie hungrig und schwach seien als satt und voll Kraftgefühls. Wenn der Hunger uns auf die Knie bringt, ist er uns nützlicher als festliches Wohlleben; wenn der Durst uns zu der Lebensquelle treibt, ist er uns heilsamer als die tiefsten Züge aus dem unreinen Schöpfbrunnen der Weltlust; und wenn das Verschmachten uns dazu bringt, dass wir zu Gott schreien, so ist es besser als die Kraft der Starken. Und er sie errettete aus ihren Ängsten. Errettung folgt dem Flehen ganz sicherlich. Ihr Rufen muss sehr schwach gewesen sein, waren sie doch am Verschmachten, und ihr Glaube war gewiss so schwach wie ihr Rufen; dennoch wurden sie erhört, und zwar alsbald. Ein kleiner Verzug würde ihr Tod gewesen sein; aber es trat auch nicht der geringste Aufschub ein, denn der HERR war ganz bereit, ihnen zu helfen. Es macht dem HERRN Freude, gerade dann rettend einzugreifen, wenn niemand sonst vom geringsten Nutzen mehr sein kann. Der Fall war hoffnungslos, bis Jehovah eingriff - aber da ward augenblicklich alles anders. Diese Menschenkinder waren ganz von Drangsalen umschlossen, aufs äußerste in die Enge getrieben und schon fast zu Tode gedrückt; aber Befreiung kam ihnen alsbald, da sie wieder anfingen, ihres Gottes zu gedenken und betend zu ihm um Hilfe aufzuschauen. Wer nicht einmal um Brot bitten will, verdient es Hungers zu sterben; und wer, obwohl er sich in wegloser Öde verirrt hat, nicht die Hilfe eines Führers anrufen will, kann nicht auf Mitleid Anspruch machen, selbst wenn er in der Wildnis umkommt und mit seinem Fleische den Geiern Atzung bietet.
Inhalt
Dieser Psalm ist ein Kleinod für die Erlösten des HERRN (V. 2), denen er ein herrliches Danklied in den Mund legt. Wiewohl es Errettungen aus allerlei irdischer Not sind, die er feiert, so dass er von jedwedem Menschen, dessen Leben in Zeiten großer Gefahr erhalten worden ist, gesungen werden mag, so verherrlicht er doch unter dieser Hülle den HERRN vornehmlich für geistliche Segnungen, von denen jene zeitlichen Wohltaten nur Abbilder und Schatten sind. Das Thema ist: Dank gegen Gott, und die mancherlei Gründe zu solchem Lobpreis. - Der Psalm ist von hoher dichterischer Schönheit; schon wenn wir ihn nur als Kunstwerk betrachten, würde es schwer sein, in der schönen Literatur ein ebenbürtiges Gegenstück zu finden. Die Dichter der Bibel nehmen unter den Musensöhnen keinen untergeordneten Rang ein.
Einteilung
Der Sänger beginnt damit, dass er sein Lied den Erlösten widmet, die aus der Verbannung heimgebracht sind, V. 1-3. Er vergleicht dann ihre Geschichte mit den Erlebnissen von Wanderern, die sich in der Wüste verirrt hatten, V. 4-9, von Gefangenen, die in eisernen Banden gefesselt gewesen, V. 10-16, von Todkranken, V. 17-22, und von Seefahrern auf sturmbewegtem Meer, V. 23-32. In den folgenden Versen bilden die Gerichte, mit denen Gott die Bösen heimsucht, und seine Gnadentaten an den unterdrückten Seinen den Gegenstand, der den Dichter erfüllt, V. 33-42. Sodann schließt der Psalm mit dem die Lehre aus dem Ganzen zusammenfassenden 43. Vers, in welchem er bezeugt, dass wer die Werke und Wege des HERRN mit Fleiß betrachtet, sicherlich seine Güte erkennen und preisen wird.
Auslegung
1.
Danket dem HERRN, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
2.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN,
die er aus der Not erlöst hat;
3.
und die er aus den Ländern zusammengebracht hat
vom Aufgang, vom Niedergang,
von Mitternacht und vom Meer.
1. Danket dem HERRN. Der Dank ist ja das Mindeste und zugleich das Höchste, das wir ihm geben können; drum lasst uns darin vollen Eifer anwenden. Der ganze Ton des Psalms beweist, wie ernst es dem Psalmisten mit dieser Aufforderung war. Lasst denn auch uns den HERRN allezeit mit aller Inbrunst preisen, mit dem Munde sowohl als auch mit unserem Wandel; lasst uns Dank sagen und Dank leben. Jehovah - das ist ja der hier gebrauchte Gottesname - will nicht mit Seufzen und Stöhnen, sondern mit Loben und Danken verehrt werden, denn er ist freundlich, wörtl.: gut; und dieser Dank sollte ihm aufs herzlichste dargebracht werden, denn seine Güte ist nicht gewöhnlicher Art. Er ist gut nach seiner ganzen Natur, seinem innersten Wesen, und hat sich also erwiesen in allen seinen Taten von Uranfang her. Verglichen mit ihm ist niemand gut, auch nicht einer; er hingegen ist wesenhaft, beständig, im höchsten Maße, ja unermesslich gut. Wir leben Tag für Tag und Augenblick für Augenblick im Genuss seiner Güte und sollten darum auch, mehr als alle anderen Geschöpfe, seinen Namen erheben. Unser Lobpreisen sollte noch an Inbrunst gewinnen durch die Tatsache, dass seine Güte nicht etwas Vorübergehendes ist, sondern in der Erscheinungsform der Gnade sich ewig an uns erweist: und seine Gnade (wörtl.) währet ewiglich. Das Zeitwort "währet" ist von dem Übersetzer passend ergänzt worden, und doch wird dadurch der Sinn etwas eingeschränkt, dessen Fülle wir noch besser erfassen werden, wenn wir uns zunächst einen Augenblick die knappe Form des Grundtextes vergegenwärtigen: und seine Gnade - ewiglich. Wie diese Gnade nie einen Anfang gehabt hat, so wird sie auch nie ein Ende nehmen. Unsere Sünde machte es nötig, dass die Güte Gottes sich uns als Gnade erzeige, und dies hat sie getan und wird sie allezeit tun. Lasst uns denn nicht lässig sein, die Güte zu preisen, die sich so unserem gefallenen Zustand angepasst hat.
2. So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN, oder schöner nach dem Grundtext: die Erlösten Jehovahs. Was immer andere denken oder sagen mögen, die Erlösten haben überwältigende Gründe, die Güte des HERRN zu rühmen. Ihre Errettung ist von besonderer Art, deshalb geziemt es sich für sie, auch besonderen Dank dafür darzubringen. Ihr Erlöser ist so herrlich, der Preis, um den sie erlöst sind, so teuer und die Erlösung so vollkommen, dass ihnen siebenfache Verpflichtung obliegt, dem HERRN zu danken und auch andere zum Lobe Gottes aufzurufen. Mögen sie sich nicht mit Gefühlen der Dankbarkeit begnügen, sondern auch das sagen, des ihr Herz voll ist; mögen sie selber lobsingen und ihre Miterlösten anreizen, in das Loblied einzustimmen. Die er aus der Not erlöst hat. Da sie aus gewaltiger Bedrückung durch eine noch gewaltigere Macht herausgerissen worden, sind sie vor allen auch verpflichtet, den HERRN als ihren Befreier preisend anzubeten. Ihre Erlösung ist unmittelbar göttlich. Er und niemand anders hat sie erlöst. Sein Arm hat ihre Befreiung gewirkt, und keiner hat ihm dabei geholfen. Sollten befreite Sklaven nicht die Hand küssen, die ihnen die Freiheit gegeben? Welcher Dank aber könnte genügen für eine Befreiung aus der Gewalt von Sünde, Tod und Hölle? Im Himmel selbst gibt es kein lieblicheres Lied als jenes, dessen Grundton ist: Du hast uns Gott erkauft mit deinem Blut (Off. 5,9).
3. Und die er aus den Ländern zusammengebracht hat vom Aufgang, vom Niedergang, von Mitternacht und vom Meer. Auf die Befreiung folgt die Vereinigung. Jene Gefangenen wurden von allen Weltgegenden in ihr Land wieder zurückgebracht, sogar von jenseits des Meeres kamen sie heim. Was immer sie trennen mag, der HERR wird die Seinen zu einem Leibe sammeln. Schon auf Erden sollen sie, durch einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe (Eph. 4,5) verbunden, als das einige Volk des einigen Gottes erkannt werden, und im Himmel wird die eine allen gemeinsame Wonne sie vollends zusammenschmelzen zu einer seligen Gemeine. Was für ein herrlicher Hirte muss das sein, der also seine bluterkaufte Herde aus den fernsten Fernen zusammenbringt, sie durch unzählige Gefahren hindurchführt und sie endlich sich lagern lässt auf den grünen Auen des himmlischen Paradieses. Die einen sind in dieser, die andern in jener Richtung irre gegangen, alle haben Immanuels Land verlassen und sich, soweit sie nur konnten, verlaufen; wahrlich, groß ist die Gnade und groß die Macht, welche sie alle zu Einer Herde sammelt unter dem Einen Hirten, Christus. So mögen denn die Erlösten einmütig mit Einem Munde den Herrn loben, der alle die zerstreuten Kinder Gottes in eins zusammenbringt. (Joh. 11,52.)
4.
Die irre gingen in der Wüste, in ungebahntem Wege,
und fanden keine Stadt, da sie wohnen konnten,
5.
hungrig und durstig,
und ihre Seele verschmachtete;
6.
und sie zum HERRN riefen in ihrer Not,
und er sie errettete aus ihren Ängsten
7.
und führte sie einen richtigen Weg,
dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten;
8.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
9.
dass er sättigt die durstige Seele
und füllt die hungrige Seele mit Gutem.
4. Die irre gingen in der Wüste. Sie gingen irre, denn ihr Pfad hatte sich verloren, keine Spur eines Weges war mehr zu finden; und was noch schlimmer war: sie irrten in einer Wüste umher, wo ringsum alles glühend heißer Sand war. Sie waren verirrt an dem schlimmsten Orte, der sich nur denken lässt, gerade wie der Mensch, der sich in der Wüstenei der Sünde verloren hat. Sie gingen rechts und gingen links, sie eilten vor und wandten sich wieder zurück in vergeblichem Suchen, ganz wie der Sünder, wenn er erweckt ist und seinen verlorenen Zustand erkennt. Aber es war alles umsonst; denn sie waren und blieben in der Wüste, und all ihre Hoffnung, daraus zu entkommen, zerrann. In ungebahntem Wege, wörtl.: in einer Einöde von einem Wege, d. h. auf einem Wege, der eine weglose Einöde war. Weit und breit war nirgends eine menschliche Niederlassung, und keine andere Reisekarawane wurde sichtbar, die sie hätten anrufen können. Die Einsamkeit verstärkt das Elendsgefühl in hohem Grade. Die Abgeschiedenheit einer menschenleeren Gegend übt eine äußerst niederschlagende Wirkung aus auf den Unglücklichen, der sich in der endlosen Öde verirrt hat. Der Pfad des Wanderers in der Wildnis ist ein ungebahnter Weg, und wenn er selbst diese dürftige Spur verlässt und ganz in die Einöde kommt, die sonst kein Menschenfuß betritt, so ist er in der Tat in einer tief bedauernswerten, jammervollen Lage. Eine Seele, die niemand hat, der mit ihr fühlt, ist an den Grenzen der Hölle; ein im Vollsinn des Wortes einsamer Weg ist der Weg zur Verzweiflung. Und fanden keine Stadt, da (Menschen wohnten und auch) sie wohnen konnten. Wie wäre das auch möglich gewesen? Es gab keine. Als Israel durch die Wüste zog, wohnte es in Zelten und genoss keine der Annehmlichkeiten fester Wohnsitze; und in der Sahara würde der Wanderer Stadt oder Dorf vergeblich suchen. Menschenkinder, die in Bekümmernis der Seele sind, finden keine Ruhestatt, keine Erquickung, keine Rast. So mannigfach ihre Versuche sich zu retten auch sind, erschöpfen doch ihre Anstrengungen nur ihre Kraft, alle ihre Wege enden in bitterer Enttäuschung, und die schreckliche Einsamkeit ihrer Herzen erfüllt sie mit unsagbarer Angst und Qual.
5. Hungrig und durstig, und ihre Seele verschmachtete. Die Lebensgeister erlöschen, wenn die Leibeskräfte durch lange Entbehrungen aufgezehrt sind. Wer kann den Mut noch aufrecht halten, wenn der Körper vor gänzlicher Erschöpfung bei jedem Schritt niederzusinken im Begriff ist? Der letzte Bissen Brotes ist verzehrt, das Wasser im Kruge ist aus, und weit und breit ist weder Feld noch Bach in der schaurigen Wüste - da bricht das Herz zusammen in elender Verzweiflung. Das ist der Zustand eines erwachten Gewissens, ehe es den Herrn Jesum kennt. Es ist voll ungestillten Sehnens, voll schmerzlichen Gefühls des Mangels an allem Nötigsten und voll der schlimmsten Befürchtungen. Es fühlt sich gänzlich erschöpft, ohne alle Kraft, und in der ganzen Schöpfung gibt es nichts, das ihm zur Erquickung dienen könnte.
6. Und sie zum HERRN riefen in ihrer Not. Nicht eher, als bis sie in der äußersten Not waren, nahmen sie ihre Zuflucht zum Gebet; aber wie gut, dass sie dann doch beteten, und zwar in der rechten Weise, aus vollem Herzen rufend, schreiend, und zu dem, der allein ihnen helfen konnte: zum HERRN. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig; sich selber helfen konnten sie nicht und ebenso wenig bei andern Hilfe finden: da schrien sie zu Gott. Gebete, die uns durch den Drang der Not ausgepresst werden, sind darum nicht weniger annehmbar bei Gott, haben im Gegenteil umso mehr Macht bei ihm, da sie offenbar aufrichtig sind und kräftig das göttliche Mitleid anrufen. Manche Menschen werden nie zum Beten ihre Zuflucht nehmen, es sei denn, dass sie halb am Sterben sind, und es dient darum viel mehr zu ihrem wahren Vorteil, dass sie hungrig und schwach seien als satt und voll Kraftgefühls. Wenn der Hunger uns auf die Knie bringt, ist er uns nützlicher als festliches Wohlleben; wenn der Durst uns zu der Lebensquelle treibt, ist er uns heilsamer als die tiefsten Züge aus dem unreinen Schöpfbrunnen der Weltlust; und wenn das Verschmachten uns dazu bringt, dass wir zu Gott schreien, so ist es besser als die Kraft der Starken. Und er sie errettete aus ihren Ängsten. Errettung folgt dem Flehen ganz sicherlich. Ihr Rufen muss sehr schwach gewesen sein, waren sie doch am Verschmachten, und ihr Glaube war gewiss so schwach wie ihr Rufen; dennoch wurden sie erhört, und zwar alsbald. Ein kleiner Verzug würde ihr Tod gewesen sein; aber es trat auch nicht der geringste Aufschub ein, denn der HERR war ganz bereit, ihnen zu helfen. Es macht dem HERRN Freude, gerade dann rettend einzugreifen, wenn niemand sonst vom geringsten Nutzen mehr sein kann. Der Fall war hoffnungslos, bis Jehovah eingriff - aber da ward augenblicklich alles anders. Diese Menschenkinder waren ganz von Drangsalen umschlossen, aufs äußerste in die Enge getrieben und schon fast zu Tode gedrückt; aber Befreiung kam ihnen alsbald, da sie wieder anfingen, ihres Gottes zu gedenken und betend zu ihm um Hilfe aufzuschauen. Wer nicht einmal um Brot bitten will, verdient es Hungers zu sterben; und wer, obwohl er sich in wegloser Öde verirrt hat, nicht die Hilfe eines Führers anrufen will, kann nicht auf Mitleid Anspruch machen, selbst wenn er in der Wildnis umkommt und mit seinem Fleische den Geiern Atzung bietet.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps107
7. Und führte sie einen richtigen Weg. Es gibt der falschen Wege viele, aber nur einen richtigen Weg, und auf diesen kann uns niemand anders als Gott selbst bringen. Wenn der HERR unser Führer ist, dann ist der Weg sicher der rechte; das brauchen wir niemals in Frage zu stellen. Er führte die Verlorenen heraus aus dem pfadlosen Labyrinth der Wüste; er fand den Weg, bahnte den Weg und befähigte sie ihn zu gehen, so schwach und hungrig sie waren. Dass sie gingen zur Stadt, da sie wohnen konnten. Das Ziel war des Weges wert; er führte sie nicht aus einer Wüste in eine andere, sondern verschaffte den Wanderern ein Obdach, den Müden einen Ort der Ruhe. Sie hatten keine Stadt zum Wohnen gefunden; er fand eine schnell genug. Was wir tun können, und was Gott zu tun vermag, das sind zwei Dinge, verschiedener als Himmel und Erde. Welche Veränderung war das für sie, ihre Einsamkeit mit einer Stadt zu vertauschen, den ungebahnten, von keinem Menschenfuß betretenen Weg mit belebten Straßen, und das Verschmachten ihres Herzens mit den Erquickungen eines trauten Heims! Noch viel größer sind die Umwandlungen, welche die göttliche Liebe in dem Zustand der Sünder bewirkt, wenn Gott ihre Gebete erhört und sie zu Jesu bringt. Sollen wir den HERRN für solch außerordentliche Gnadenerweisungen nicht preisen? Können wir, die wir sie selbst erfahren haben, in undankbarem Schweigen verharren?
8. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte. Das ist die erste Pflicht der Erlösten. Die Engel, die Vögelein, Sonne, Mond und Sterne preisen den HERRN; wieviel mehr werden die es tun, die eine so große selbsterlebte Errettung frisch im Gedächtnis haben! Das müssten Ungeheuer von Undankbarkeit sein, die einen solchen Retter für eine so gnädige Befreiung vom grausamsten Tode nicht ehrten. Es ist aber gut, dass die Erlösten dazu aufgemuntert werden, dem HERRN immer wieder von neuem zu danken; denn Erhaltung des Lebens verdient lebenslange Dankbarkeit. Auch diejenigen, welche nicht die gleiche Gefahr durchgemacht und die gleiche Errettung erfahren haben, sollten den HERRN preisen in herzlichem Mitgefühl mit ihren Genossen, deren Freude teilend. Und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Diese erstaunlichen Gnadentaten sind unserem Geschlecht erwiesen, Gliedern der Familie, zu welcher wir gehören; darum sollen wir in den Dank mit einstimmen. Die Menschenkinder sind so unbedeutende, schwache und unwürdige Geschöpfe, dass es schon als ein Wunder anzusehen ist, wenn der HERR überhaupt irgendetwas für sie tut; er aber lässt sich nicht an kleinen Taten genügen, sondern bietet die Fülle seiner Weisheit, Macht und Liebe auf, um Wunder zu wirken zum Besten derer, die ihn suchen. In dem Leben eines jeden der Erlösten ist eine ganze Welt der Wunder, darum sollte auch aus einem jeden Leben der Lobpreis in mächtigen Akkorden widerhallen. Was die Wunder der Gnade anbetrifft, welche der HERR für seine Gemeinde im Ganzen gewirkt hat, so hört da jede Schätzung auf; sie sind hoch über alle unsere Gedanken erhaben wie der Himmel über der Erde. Wann wird der Tag anbrechen, da das so hoch begnadigte Menschengeschlecht in dem Maße sich dem Lobe Gottes widmen wird, wie es durch die Huld Gottes vor den anderen Kreaturen bevorzugt ist?
9. Dass er sättigt die durstige Seele. Dieser letzte Vers des Abschnittes führt uns noch einmal in kurzen Worten die herrliche Wandlung vor Augen, die der verirrte Wanderer erlebt hat. Wer im buchstäblichen Sinne vom Untergang in der Wüste errettet worden ist, der danke dem HERRN, der ihn wieder unter den Menschen Brot essen lässt. Der geistliche Sinn ist jedoch noch lehrreicher. Erst erweckt der HERR in uns ein Dürsten und Sehnen, um es dann völlig zu stillen. Dieses geistliche Dürsten führt uns in die Einsamkeit und Abgeschiedenheit, in ein brennendes Verlangen, in Verschmachten und völliges Verzagen an uns selbst; alles dies aber führt uns wiederum zu Flehen, Glauben, Erfahrung der göttlichen Leitung, Sättigung des Seelendurstes und Ruhe: die gnädige Hand des HERRN wird sichtbar in dem ganzen Vorgang und in dem herrlichen Ende. Und füllt die hungrige Seele mit Gutem. Wie er den Durst dem Erquicktsein weichen lässt, so den Hunger der vollen Genüge. In beiden Fällen wird das Bedürfnis mehr als befriedigt; die Fülle, mit der die Versorgung geschieht, ist der Beachtung wert. Der HERR tut nichts in einer knickerigen Weise; sättigen und füllen, das ist stets die Art, wie er seine Gäste bewirtet. Wer beim HERRN in die Kost kommt, der braucht sich nie über spärlichen Tisch zu beklagen. Auch füllt der HERR die Hungrigen nicht mit gemeiner Speise, sondern mit Gutem, das Wort im vollsten, höchsten Sinn genommen. Sollten Leute, die aus so tiefem Mangel heraus so fürstlich bewirtet und versorgt werden, dennoch für all die Gaben der Liebe keinen Dank erstatten? Das darf nicht sein. Nein, und auch wir wollen jetzt mit der ganzen Gemeinde der Erlösten danksagen und bitten, dass die Zeit bald herbeikomme, wo alle Welt der Herrlichkeit des HERRN voll werden wird.
10.
Die da sitzen mussten in der Finsternis und Dunkel,
gefangen in Zwang und Eisen;
11.
darum dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren
und das Gesetz des Höchsten geschändet hatten;
12.
darum musste ihr Herz mit Unglück geplagt werden,
dass sie da lagen und ihnen niemand half;
13.
und sie zum HERRN riefen in ihrer Not,
und er ihnen half aus ihren Ängsten
14.
und sie aus der Finsternis und Dunkel führte,
und ihre Bande zerriss:
15.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
16.
dass er zerbricht eherne Türen
und zerschlägt eiserne Riegel.
10. Die da sitzen mussten in der Finsternis und Dunkel. Die Kerkerzelle ist schon an sich dunkel, und die Furcht vor der Hinrichtung verbreitet noch dichtere Düsternis über das Gefängnis. So groß ist die Grausamkeit des Menschen gegen seinesgleichen, dass Zehntausende an Orten haben schmachten müssen, die nur zu Grüften geeignet wären; in ungesunden, zum Ersticken engen, schmutzigen Höhlen, wo sie elend dahingesiecht und an gebrochenem Herzen gestorben sind. Doch war die Furcht vor dem plötzlichen Tode der schrecklichste Teil der Strafe; es war den Gefangenen, als ob der schaurig kalte Schatten des Todes selbst sie bis ins Mark hinein erstarren machte. Der Zustand einer Seele, die unter der Überzeugung der Sünde schmachtet, wird durch eine solche Lage treffend versinnbildlicht. Menschenkinder, die in dieser inneren Verfassung sind, können die Verheißungen nicht sehen, die ihnen Trost gewähren würden; sie sitzen brütend da in der Untätigkeit der Verzweiflung, sie fürchten das Herannahen des Gerichts und werden dadurch in solche Angst versetzt, als ob sie bereits an den Toren des Todes wären. Gefangen im Elend und Eisen (Luther 1524). Viele Gefangene sind so zwiefach gefesselt gewesen an Herz und Hand. Oder die Worte mögen sagen wollen, entweder dass der Druck des Elends wie eiserne Fesseln auf ihnen lastete, oder dass die eisernen Bande sie auch innerlich elend machten. Diese Dinge kennt eigentlich nur, wer selber etwas davon erlebt hat; wir würden unsre Freiheit mehr schätzen, wenn wir aus tatsächlicher Erfahrung wüssten, was Handschellen und Ketten bedeuten. Im geistlichen Leben kommt Trübsal ebenfalls oft in Begleitung von Sündenerkenntnis, und dann verursacht der zwiefache Kummer auch zwiefache Gebundenheit. In solcher Lage dringt das Eisen in die Seele, die armen Gefangenen können sich nicht rühren wegen ihrer Ketten, können sich nicht zum Hoffen erheben wegen ihres Kummers und haben keine Kraft infolge ihrer Verzagtheit. Herzeleid ist der Gefährte aller derer, die mit inneren Banden gefesselt und gefangen sind und nicht herauskönnen. O ihr, die ihr durch Christum frei gemacht seid, gedenkt der Gebundenen!
11. Darum dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren. Das war die gewöhnliche Ursache der Knechtschaft bei dem alten Volke Gottes: sie wurden ihren Feinden preisgegeben, weil sie dem HERRN nicht treu gewesen waren. Mit Gottes Worten ist nicht zu spaßen, und wer es wagt, sich wider sie aufzulehnen, der wird sich selbst in Gefangenschaft und Elend bringen. Und den Ratschluss des Höchsten verachtet hatten. (Grundtext) Sie meinten es besser zu wissen als der Richter aller Welt und verließen darum seine Wege und wandelten ihre eigenen. Wenn Menschen dem göttlichen Rat nicht folgen, so geben sie damit den Tatbeweis, dass sie ihn verachten. Wer durch Gottes Gebot nicht gebunden sein will, wird sich in kurzem mit Fesseln des Gerichts gebunden sehen. Ach dass selbst unter Christen Gottes Rat so vielfach geringgeschätzt wird! Darum kennen auch so wenige unter ihnen die Freiheit, damit Christus uns befreit hat.
12. Und er demütigte ihr Herz durch Mühsal. (Wörtl.) In den morgenländischen Gefängnissen zwingt man die Leute oft, wie Tiere zu arbeiten. Wie sie keine Freiheit haben, so auch keine Ruhe noch Rast. Das beugt in kurzer Zeit auch das stolzeste Herz; der eingebildetste Prahler singt da bald eine andere Melodie. Ungemach und harte Arbeit vermögen selbst einen Löwen zahm zu machen. Gott ist nicht um Mittel verlegen, die hohen Augen der Empörer zu erniedrigen; Kerker und Tretmühle bringen selbst Riesen zum Zittern. Sie sanken hin, und niemand half. (Wörtl.) Sie stolperten im Finstern vorwärts unter ihrer schweren Last, bis sie endlich mit dem Angesicht auf der Erde lagen, völlig hilflos; und niemand kam, ihnen Mitleid zu zeigen oder ihnen wieder aufzuhelfen. Mochten sie nach dem heftigen Sturz mit gebrochenen Gliedern daliegen - keiner kümmerte sich um sie. Ihr Elend blieb ungesehen, oder wenn auch jemand es beachtete, so konnte doch niemand zwischen ihnen und ihren tyrannischen Herren ins Mittel treten. In solch jammervoller Drangsal wurde der halsstarrige Israelit gebeugten Sinnes und bekam andere Gedanken über seinen Gott sowie über seine eigenen Verfehlungen gegen ihn. Wenn ein Menschenkind die bittere Erfahrung macht, dass alle seine Anstrengungen, sich selber zu helfen, fehlschlagen, und sich völlig ohnmächtig fühlt, dann ist der HERR an der Arbeit, ihn vom Stolze zu befreien und den Elenden zum Empfang der Gnade zuzubereiten. Der hier bildlich beschriebene Seelenzustand ist hoffnungslos und bietet daher umso besseren Spielraum für das göttliche Eingreifen. Manche von uns erinnern sich gar wohl, wie hell die Gnade in unser Gefängnis hineinstrahlte und welche Musik die Ketten machten, indem sie von unseren Händen fielen. Nichts hätte uns befreien können als die Liebe des HERRN; ohne sie wäre uns nichts übrig geblieben, als elend zu Grunde zu gehen.
13. Und sie zum HERRN riefen in ihrer Not. Erst dann! Solange unten noch irgendeine Hilfe zu hoffen war, schauten sie nicht empor. Kein Ruf des Flehens kam aus ihrem Munde, bis ihre Herzen durch Mühsal gebeugt waren und ihre Hoffnungen alle tot waren - da schrien sie zu Gott. Gar mancher Mensch lässt es lange Jahre hindurch, da es ihm wohlgeht und er eine gute Meinung von sich hat, am Darbringen dessen, was er Gebet nennt, nicht fehlen, während in Wahrheit der erste echte Ruf zu Gott ihm vielleicht erst durch das Gefühl äußerster Ratlosigkeit und jammervollen Elends ausgepresst wird. Wir beten am besten, wenn wir in peinlicher Hilflosigkeit auf unser Angesicht gefallen sind. Und er ihnen half aus ihren Ängsten. Eilends und willig sandte er ihnen Befreiung. Bei ihnen hatte es lange gebraucht, bis sie zum HERRN riefen; er aber war nicht langsam mit seiner Hilfe. Sie hatten erst überall sonst angeklopft, ehe sie zu ihm kamen; aber als sie sich an ihn wandten, fanden sie alsbald freundliche Aufnahme. Er, der sich jenen andern in der endlosen Wüste als der Helfer erwies, kann auch aus dem engen Gefängnis retten; Schloss und Riegel können ihn nicht ausschließen und werden auch seine Erlösten nicht lange einschließen.
14. Und sie aus der Finsternis und (dichtem) Dunkel führte. Der HERR holt durch das Walten seiner Vorsehung Gefangene aus ihren Zellen und lässt sie wieder die köstliche frische Luft einatmen, nimmt ihnen dann die Fesseln ab und gibt ihren schmerzenden Gliedern die ersehnte Freiheit. Ebenso befreit er Menschenkinder auch aus Sorge und Not und namentlich aus dem Elend und der Knechtschaft der Sünde. Dies tut er mit eigener Hand; durch die Erfahrung aller Gläubigen wird es bestätigt, dass es aus dieser Kerkerhaft keine Befreiung gibt außer durch den Richter selbst. Und ihre Bande zerriss. Mit Gewalt befreite er sie, und so, dass sie nicht wieder gefesselt werden konnten, denn er brach ihre Ketten in Stücke. Die Befreiungen, welche der HERR wirkt, sind von der vollkommensten Art und erweisen ihn als herrlichen Sieger; er lässt die Seele weder in Finsternis noch in Banden, und nimmer erlaubt er es den Mächten der Bosheit, den befreiten Gefangenen wieder zu unterjochen. Was er tut, ist für immer getan. Preis sei seinem Namen.
15. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Der Anblick solcher Güte bewirkt in dem rechtlich Gesinnten das Sehnen, den HERRN für seine erstaunliche Barmherzigkeit gebührend geehrt zu sehen. Wer kann, wenn Kerkertüren aufspringen und Ketten zerbrochen werden, sich noch weigern, die erhabene Güte des HERRN anzubeten? Es macht einem Herzweh zu denken, dass solch gnadenreiche Wohltaten unbesungen bleiben könnten; es lässt uns keine Ruhe, wir müssen in die Menschen dringen, dass sie ihrer Verpflichtungen gedenken und den HERRN, ihren Gott, preisen.
16. Dass er zerbricht eherne Türen und zerschlägt eiserne Riegel. Dieser Vers gehört zu den vorhergehenden und fasst, was die Gefangenen an Gnaden erfahren haben, zusammen. Der HERR zerbricht die stärksten Türen und Riegel, wenn die Stunde gekommen ist, die gefangenen Seinen zu befreien; und im bildlichen Sinn hat der Herr Jesus die allgewaltigsten geistlichen Bande zerbrochen und uns wahrhaft frei gemacht. Erz und Eisen sind wie Werg vor der Flamme der Liebe Jesu. Die Pforten der Hölle sollen uns nicht überwältigen und die Riegel des Grabes uns einst nicht zurückhalten. Alle die unter uns, welche des HERRN erlösende Kraft erfahren haben, müssen und werden den HERRN preisen um der Wunder der Gnade willen, die er uns zugute vollbracht hat.
8. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte. Das ist die erste Pflicht der Erlösten. Die Engel, die Vögelein, Sonne, Mond und Sterne preisen den HERRN; wieviel mehr werden die es tun, die eine so große selbsterlebte Errettung frisch im Gedächtnis haben! Das müssten Ungeheuer von Undankbarkeit sein, die einen solchen Retter für eine so gnädige Befreiung vom grausamsten Tode nicht ehrten. Es ist aber gut, dass die Erlösten dazu aufgemuntert werden, dem HERRN immer wieder von neuem zu danken; denn Erhaltung des Lebens verdient lebenslange Dankbarkeit. Auch diejenigen, welche nicht die gleiche Gefahr durchgemacht und die gleiche Errettung erfahren haben, sollten den HERRN preisen in herzlichem Mitgefühl mit ihren Genossen, deren Freude teilend. Und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Diese erstaunlichen Gnadentaten sind unserem Geschlecht erwiesen, Gliedern der Familie, zu welcher wir gehören; darum sollen wir in den Dank mit einstimmen. Die Menschenkinder sind so unbedeutende, schwache und unwürdige Geschöpfe, dass es schon als ein Wunder anzusehen ist, wenn der HERR überhaupt irgendetwas für sie tut; er aber lässt sich nicht an kleinen Taten genügen, sondern bietet die Fülle seiner Weisheit, Macht und Liebe auf, um Wunder zu wirken zum Besten derer, die ihn suchen. In dem Leben eines jeden der Erlösten ist eine ganze Welt der Wunder, darum sollte auch aus einem jeden Leben der Lobpreis in mächtigen Akkorden widerhallen. Was die Wunder der Gnade anbetrifft, welche der HERR für seine Gemeinde im Ganzen gewirkt hat, so hört da jede Schätzung auf; sie sind hoch über alle unsere Gedanken erhaben wie der Himmel über der Erde. Wann wird der Tag anbrechen, da das so hoch begnadigte Menschengeschlecht in dem Maße sich dem Lobe Gottes widmen wird, wie es durch die Huld Gottes vor den anderen Kreaturen bevorzugt ist?
9. Dass er sättigt die durstige Seele. Dieser letzte Vers des Abschnittes führt uns noch einmal in kurzen Worten die herrliche Wandlung vor Augen, die der verirrte Wanderer erlebt hat. Wer im buchstäblichen Sinne vom Untergang in der Wüste errettet worden ist, der danke dem HERRN, der ihn wieder unter den Menschen Brot essen lässt. Der geistliche Sinn ist jedoch noch lehrreicher. Erst erweckt der HERR in uns ein Dürsten und Sehnen, um es dann völlig zu stillen. Dieses geistliche Dürsten führt uns in die Einsamkeit und Abgeschiedenheit, in ein brennendes Verlangen, in Verschmachten und völliges Verzagen an uns selbst; alles dies aber führt uns wiederum zu Flehen, Glauben, Erfahrung der göttlichen Leitung, Sättigung des Seelendurstes und Ruhe: die gnädige Hand des HERRN wird sichtbar in dem ganzen Vorgang und in dem herrlichen Ende. Und füllt die hungrige Seele mit Gutem. Wie er den Durst dem Erquicktsein weichen lässt, so den Hunger der vollen Genüge. In beiden Fällen wird das Bedürfnis mehr als befriedigt; die Fülle, mit der die Versorgung geschieht, ist der Beachtung wert. Der HERR tut nichts in einer knickerigen Weise; sättigen und füllen, das ist stets die Art, wie er seine Gäste bewirtet. Wer beim HERRN in die Kost kommt, der braucht sich nie über spärlichen Tisch zu beklagen. Auch füllt der HERR die Hungrigen nicht mit gemeiner Speise, sondern mit Gutem, das Wort im vollsten, höchsten Sinn genommen. Sollten Leute, die aus so tiefem Mangel heraus so fürstlich bewirtet und versorgt werden, dennoch für all die Gaben der Liebe keinen Dank erstatten? Das darf nicht sein. Nein, und auch wir wollen jetzt mit der ganzen Gemeinde der Erlösten danksagen und bitten, dass die Zeit bald herbeikomme, wo alle Welt der Herrlichkeit des HERRN voll werden wird.
10.
Die da sitzen mussten in der Finsternis und Dunkel,
gefangen in Zwang und Eisen;
11.
darum dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren
und das Gesetz des Höchsten geschändet hatten;
12.
darum musste ihr Herz mit Unglück geplagt werden,
dass sie da lagen und ihnen niemand half;
13.
und sie zum HERRN riefen in ihrer Not,
und er ihnen half aus ihren Ängsten
14.
und sie aus der Finsternis und Dunkel führte,
und ihre Bande zerriss:
15.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
16.
dass er zerbricht eherne Türen
und zerschlägt eiserne Riegel.
10. Die da sitzen mussten in der Finsternis und Dunkel. Die Kerkerzelle ist schon an sich dunkel, und die Furcht vor der Hinrichtung verbreitet noch dichtere Düsternis über das Gefängnis. So groß ist die Grausamkeit des Menschen gegen seinesgleichen, dass Zehntausende an Orten haben schmachten müssen, die nur zu Grüften geeignet wären; in ungesunden, zum Ersticken engen, schmutzigen Höhlen, wo sie elend dahingesiecht und an gebrochenem Herzen gestorben sind. Doch war die Furcht vor dem plötzlichen Tode der schrecklichste Teil der Strafe; es war den Gefangenen, als ob der schaurig kalte Schatten des Todes selbst sie bis ins Mark hinein erstarren machte. Der Zustand einer Seele, die unter der Überzeugung der Sünde schmachtet, wird durch eine solche Lage treffend versinnbildlicht. Menschenkinder, die in dieser inneren Verfassung sind, können die Verheißungen nicht sehen, die ihnen Trost gewähren würden; sie sitzen brütend da in der Untätigkeit der Verzweiflung, sie fürchten das Herannahen des Gerichts und werden dadurch in solche Angst versetzt, als ob sie bereits an den Toren des Todes wären. Gefangen im Elend und Eisen (Luther 1524). Viele Gefangene sind so zwiefach gefesselt gewesen an Herz und Hand. Oder die Worte mögen sagen wollen, entweder dass der Druck des Elends wie eiserne Fesseln auf ihnen lastete, oder dass die eisernen Bande sie auch innerlich elend machten. Diese Dinge kennt eigentlich nur, wer selber etwas davon erlebt hat; wir würden unsre Freiheit mehr schätzen, wenn wir aus tatsächlicher Erfahrung wüssten, was Handschellen und Ketten bedeuten. Im geistlichen Leben kommt Trübsal ebenfalls oft in Begleitung von Sündenerkenntnis, und dann verursacht der zwiefache Kummer auch zwiefache Gebundenheit. In solcher Lage dringt das Eisen in die Seele, die armen Gefangenen können sich nicht rühren wegen ihrer Ketten, können sich nicht zum Hoffen erheben wegen ihres Kummers und haben keine Kraft infolge ihrer Verzagtheit. Herzeleid ist der Gefährte aller derer, die mit inneren Banden gefesselt und gefangen sind und nicht herauskönnen. O ihr, die ihr durch Christum frei gemacht seid, gedenkt der Gebundenen!
11. Darum dass sie Gottes Geboten ungehorsam gewesen waren. Das war die gewöhnliche Ursache der Knechtschaft bei dem alten Volke Gottes: sie wurden ihren Feinden preisgegeben, weil sie dem HERRN nicht treu gewesen waren. Mit Gottes Worten ist nicht zu spaßen, und wer es wagt, sich wider sie aufzulehnen, der wird sich selbst in Gefangenschaft und Elend bringen. Und den Ratschluss des Höchsten verachtet hatten. (Grundtext) Sie meinten es besser zu wissen als der Richter aller Welt und verließen darum seine Wege und wandelten ihre eigenen. Wenn Menschen dem göttlichen Rat nicht folgen, so geben sie damit den Tatbeweis, dass sie ihn verachten. Wer durch Gottes Gebot nicht gebunden sein will, wird sich in kurzem mit Fesseln des Gerichts gebunden sehen. Ach dass selbst unter Christen Gottes Rat so vielfach geringgeschätzt wird! Darum kennen auch so wenige unter ihnen die Freiheit, damit Christus uns befreit hat.
12. Und er demütigte ihr Herz durch Mühsal. (Wörtl.) In den morgenländischen Gefängnissen zwingt man die Leute oft, wie Tiere zu arbeiten. Wie sie keine Freiheit haben, so auch keine Ruhe noch Rast. Das beugt in kurzer Zeit auch das stolzeste Herz; der eingebildetste Prahler singt da bald eine andere Melodie. Ungemach und harte Arbeit vermögen selbst einen Löwen zahm zu machen. Gott ist nicht um Mittel verlegen, die hohen Augen der Empörer zu erniedrigen; Kerker und Tretmühle bringen selbst Riesen zum Zittern. Sie sanken hin, und niemand half. (Wörtl.) Sie stolperten im Finstern vorwärts unter ihrer schweren Last, bis sie endlich mit dem Angesicht auf der Erde lagen, völlig hilflos; und niemand kam, ihnen Mitleid zu zeigen oder ihnen wieder aufzuhelfen. Mochten sie nach dem heftigen Sturz mit gebrochenen Gliedern daliegen - keiner kümmerte sich um sie. Ihr Elend blieb ungesehen, oder wenn auch jemand es beachtete, so konnte doch niemand zwischen ihnen und ihren tyrannischen Herren ins Mittel treten. In solch jammervoller Drangsal wurde der halsstarrige Israelit gebeugten Sinnes und bekam andere Gedanken über seinen Gott sowie über seine eigenen Verfehlungen gegen ihn. Wenn ein Menschenkind die bittere Erfahrung macht, dass alle seine Anstrengungen, sich selber zu helfen, fehlschlagen, und sich völlig ohnmächtig fühlt, dann ist der HERR an der Arbeit, ihn vom Stolze zu befreien und den Elenden zum Empfang der Gnade zuzubereiten. Der hier bildlich beschriebene Seelenzustand ist hoffnungslos und bietet daher umso besseren Spielraum für das göttliche Eingreifen. Manche von uns erinnern sich gar wohl, wie hell die Gnade in unser Gefängnis hineinstrahlte und welche Musik die Ketten machten, indem sie von unseren Händen fielen. Nichts hätte uns befreien können als die Liebe des HERRN; ohne sie wäre uns nichts übrig geblieben, als elend zu Grunde zu gehen.
13. Und sie zum HERRN riefen in ihrer Not. Erst dann! Solange unten noch irgendeine Hilfe zu hoffen war, schauten sie nicht empor. Kein Ruf des Flehens kam aus ihrem Munde, bis ihre Herzen durch Mühsal gebeugt waren und ihre Hoffnungen alle tot waren - da schrien sie zu Gott. Gar mancher Mensch lässt es lange Jahre hindurch, da es ihm wohlgeht und er eine gute Meinung von sich hat, am Darbringen dessen, was er Gebet nennt, nicht fehlen, während in Wahrheit der erste echte Ruf zu Gott ihm vielleicht erst durch das Gefühl äußerster Ratlosigkeit und jammervollen Elends ausgepresst wird. Wir beten am besten, wenn wir in peinlicher Hilflosigkeit auf unser Angesicht gefallen sind. Und er ihnen half aus ihren Ängsten. Eilends und willig sandte er ihnen Befreiung. Bei ihnen hatte es lange gebraucht, bis sie zum HERRN riefen; er aber war nicht langsam mit seiner Hilfe. Sie hatten erst überall sonst angeklopft, ehe sie zu ihm kamen; aber als sie sich an ihn wandten, fanden sie alsbald freundliche Aufnahme. Er, der sich jenen andern in der endlosen Wüste als der Helfer erwies, kann auch aus dem engen Gefängnis retten; Schloss und Riegel können ihn nicht ausschließen und werden auch seine Erlösten nicht lange einschließen.
14. Und sie aus der Finsternis und (dichtem) Dunkel führte. Der HERR holt durch das Walten seiner Vorsehung Gefangene aus ihren Zellen und lässt sie wieder die köstliche frische Luft einatmen, nimmt ihnen dann die Fesseln ab und gibt ihren schmerzenden Gliedern die ersehnte Freiheit. Ebenso befreit er Menschenkinder auch aus Sorge und Not und namentlich aus dem Elend und der Knechtschaft der Sünde. Dies tut er mit eigener Hand; durch die Erfahrung aller Gläubigen wird es bestätigt, dass es aus dieser Kerkerhaft keine Befreiung gibt außer durch den Richter selbst. Und ihre Bande zerriss. Mit Gewalt befreite er sie, und so, dass sie nicht wieder gefesselt werden konnten, denn er brach ihre Ketten in Stücke. Die Befreiungen, welche der HERR wirkt, sind von der vollkommensten Art und erweisen ihn als herrlichen Sieger; er lässt die Seele weder in Finsternis noch in Banden, und nimmer erlaubt er es den Mächten der Bosheit, den befreiten Gefangenen wieder zu unterjochen. Was er tut, ist für immer getan. Preis sei seinem Namen.
15. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Der Anblick solcher Güte bewirkt in dem rechtlich Gesinnten das Sehnen, den HERRN für seine erstaunliche Barmherzigkeit gebührend geehrt zu sehen. Wer kann, wenn Kerkertüren aufspringen und Ketten zerbrochen werden, sich noch weigern, die erhabene Güte des HERRN anzubeten? Es macht einem Herzweh zu denken, dass solch gnadenreiche Wohltaten unbesungen bleiben könnten; es lässt uns keine Ruhe, wir müssen in die Menschen dringen, dass sie ihrer Verpflichtungen gedenken und den HERRN, ihren Gott, preisen.
16. Dass er zerbricht eherne Türen und zerschlägt eiserne Riegel. Dieser Vers gehört zu den vorhergehenden und fasst, was die Gefangenen an Gnaden erfahren haben, zusammen. Der HERR zerbricht die stärksten Türen und Riegel, wenn die Stunde gekommen ist, die gefangenen Seinen zu befreien; und im bildlichen Sinn hat der Herr Jesus die allgewaltigsten geistlichen Bande zerbrochen und uns wahrhaft frei gemacht. Erz und Eisen sind wie Werg vor der Flamme der Liebe Jesu. Die Pforten der Hölle sollen uns nicht überwältigen und die Riegel des Grabes uns einst nicht zurückhalten. Alle die unter uns, welche des HERRN erlösende Kraft erfahren haben, müssen und werden den HERRN preisen um der Wunder der Gnade willen, die er uns zugute vollbracht hat.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkamm er David Ps107
17.
Die Narren, so geplagt waren
um ihrer Übertretung willen und um ihrer Sünden willen,
18.
dass ihnen ekelte vor aller Speise,
und wurden todkrank;
19.
und sie zum HERRN riefen in ihrer Not,
und er ihnen half aus ihren Ängsten;
20.
er sandte sein Wort und machte sie gesund
und errettete sie, dass sie nicht starben:
21.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
22.
und Dank opfern und erzählen seine Werke mit Freuden.
17. Die Narren, so geplagt waren um ihrer Übertretung willen und um ihrer Sünden willen. Viele Krankheiten sind unmittedielbare Folge törichter Handlungsweise. Unsinnig in den Tag hineinlebende, den Lüsten ergebene Menschen erfüllen durch Trunkenheit, Unmäßigkeit oder die Befriedigung anderer Leidenschaften ihren Körper mit Krankheitsstoffen der schlimmsten Art. Die Sünde liegt schließlich allen Trübsalen und Leiden zu Grunde, aber manche Leiden sind die unmittelbaren Ergebnisse der Gottlosigkeit; die Menschen bringen sich durch ihre sündigen Wege selbst ins Unglück und sollten an ihren Schmerzen ihrer Torheit innewerden. Aber das Schlimmste ist, dass sie auch im Leiden Toren bleiben; und wenn man sie im Mörser zerstieße mit dem Stößel wie Grütze, so ließe doch ihre Narrheit nicht von ihnen. (Spr. 27,22) Von einer Übertretung schreiten sie zu vielen Verschuldungen fort, und selbst während sie sich unter der Zuchtrute in Schmerzen winden, häufen sie Sünde auf Sünde. Ach, dass selbst solche, die dem Volke Gottes angehören, manchmal in so trauriger Weise den Narren spielen.
18. Dass ihnen ekelte vor aller Speise. Wenn die Leute krank sind, verlieren sie die Esslust; selbst die beste Speise wird ihnen widerlich, ihr Magen lehnt sich dagegen auf. Und wurden todkrank, wörtl.: waren schon nahe an den Toren des Todes. Aus Mangel an Nahrung und durch die zerstörende Macht der Krankheit gleiten sie allmählich immer tiefer hinab, bis sie an des Grabes Tür liegen, und alle Geschicklichkeit des Arztes reicht nicht hin, den Niedergang aufzuhalten. Weil sie keine Speise zu sich nehmen können, empfängt ihr Körper keine Stärkung, und da die Krankheit in ihnen wütet, ist der Rest von Kraft bald durch Schmerz und Kummer aufgezehrt. Ganz ähnlich ergeht es den Seelen, welche unter der Empfindung der Sünde leiden. Sie vermögen selbst in den köstlichsten Verheißungen keinen Trost zu finden, sondern wenden sich mit Widerwillen sogar von dem süßen Evangelium ab, sodass ihre geistige Kraft immer rascher verfällt und sie dem Grabe der Verzweiflung näher und näher sinken. Aber siehe da die Gnade: ob sie auch an den Toren des Todes sind, ins Grab sinken sie nicht.
19. Und sie zum HERRN riefen in ihrer Not. In letzter Stunde schließen sie sich der Heerschar der Beter an. Auch Saul ist unter den Propheten! Der Narr vertauscht, da ihm das Sterbekleid winkt, sein Harlekinsgewand mit dem Armsünderhemde und begibt sich auf die Knie. Zu welch einer Wunderkur für die Seele wird leibliche Krankheit oft durch des HERRN Gnade! Und er ihnen half aus ihren Ängsten. Das Gebet ist auf dem Siechbette so wirksam wie in der Wüste und im Kerker; an allen Orten und unter allen Umständen kann man es mit sicherem Erfolg erproben. Auch in Betreff unserer körperlichen Schmerzen und Gebrechen dürfen wir zu Gott beten und von ihm Antwort erwarten. Wenn die Krankheit alles Begehren nach Speise in uns ausgelöscht hat, so kann doch ein wahrer Hunger nach Gebetsumgang mit Gott in uns entbrennen. Und wer so schwach und krank an Leib oder Seele ist, dass er sich an Gottes Wort nicht mehr nähren kann, der mag sich doch noch an Gott unmittelbar wenden und bei ihm Gnade finden.
20. Er sandte sein Wort und machte sie gesund. Niemand wird durch Arznei allein geheilt, sondern durch das Wort, das aus dem Mund des HERRN geht (5. Mose 8,3), wird der Mensch vom Versinken ins Grab gerettet. Ein Wort genügt, Ein Wort hat es tausendmal vollbracht. Und errettete sie, dass sie nicht starben, wörtl.: und ließ sie aus ihren (Fall-) Gruben entrinnen. So tief sie in Leiden versunken, in so mancherlei tödlichen Gefahren sie gefangen sind, sie entkommen dennoch. Das Wort des HERRN hat eine mächtig befreiende Kraft; er braucht nur zu sprechen, so weichen alle Hindernisse und fliehen in einem Augenblick die Heerscharen des Todes. Sündenkranke Seelen sollten dieser Macht des Wortes gedenken und es oft und viel hören und sinnend zu Herzen nehmen.
In geistlicher Deutung beschreiben diese Verse in der Tat treffend eine sündenmüde, sündenkranke Seele. So sehr sie sich damit noch als töricht erweist, sie weigert sich doch, zum Bewusstsein der Schuld erwacht, alles und jedes Trostes, auch dessen aus der rechten Quelle, und starre Stumpfheit der Verzweiflung lähmt sie. Sie sieht nichts als ringsum gänzliches Verderben in den mannigfachsten Gestalten; des Todes Tore stehen weit geöffnet vor ihr, und eben dorthin fühlt sie mit Gewalt sich hingerissen. Da wird die Seele dazu getrieben, in ihrem bitteren Kummer zu dem HERRN zu schreien, und Christus, das ewige Wort, kommt mit seiner heilenden Kraft in der äußersten Not und rettet sie aufs völligste.
21. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Es ist erstaunlich, dass Menschen von schwerer Krankheit wiederhergestellt werden und sich dennoch weigern können, dem HERRN zu danken. Es scheint unmöglich, dass sie solch große Wohltat sollten vergessen können; wir würden vielmehr erwarten, dass sowohl sie selbst als auch ihre Freunde, denen sie wiedergeschenkt sind, sich zu lebenslangem Dank vereinigten. Doch wenn zehn geheilt werden, kehrt selten mehr als einer zurück, um Gott zu preisen. Noch immer erklingt die wehmütige Frage: Wo sind aber die neune? Wenn der große Arzt eine seiner herrlichen geistlichen Kuren vollbracht hat, ist dankerfülltes Lob eines der sichersten Zeichen der erneuerten Gesundheit. Ein Gemüt, das von der Krankheit der Sünde und der Pein des Schuldbewusstseins erlöst ist, muss und wird den Wunderarzt anbetend preisen; doch wäre es gut, wenn solchen Lobes noch tausendmal mehr wäre.
22. Und Dank (-Opfer) opfern. Bei solchem Anlass geziemen sich Gaben und Opfer neben den Worten des Herzens. Lasset dem liebreichen Arzt den Ehrenlohn der Dankbarkeit zuteilwerden. Möge das ganze Leben fernerhin ihm geweiht sein, der es verlängert hat, möge die Tat selbstverleugnender Dankbarkeit fort und fort wiederholt werden: es erfordert viele freudige Opfer, soll jene wunderbare Wohltat gebührend gefeiert werden. Und erzählen seine Werke mit Freuden, wörtl.: mit Jubel. Solche Erfahrungen sind des Erzählens wert, denn dies persönliche Bezeugen des Erlebten ehrt Gott, fördert uns selbst, tröstet andere und stellt allen Menschen Tatsachen betreffend die göttliche Güte vor Augen, deren Eindruck sie sich nicht werden entziehen können.
23.
Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren
und trieben ihren Handel in großen Wassern;
24.
die des HERRN Werke erfahren haben
und seine Wunder im Meer,
25.
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
26.
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund fuhren,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
27.
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr;
28.
und sie zum HERRN schrien in ihrer Not,
und er sie aus ihren Ängsten führte
29.
und stillte das Ungewitter,
dass die Wellen sich legten,
30.
und sie froh wurden, dass es stille worden war,
und er sie zu Lande brachte nach ihrem Wunsch:
31.
die sollen dem HERRN danken um seine Güte
und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
32.
und ihn bei der Gemeinde preisen
und bei den Alten rühmen.
23. Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren. Große Meerfahrten waren bei den Israeliten so wenig üblich, dass die Seeleute mit einem reichen Zauber von Geheimnissen umgeben erschienen und man zu ihrem Handwerk als einem von ganz besonderer Kühnheit und Gefährlichkeit empor sah. Geschichten von Seereisen erfüllten alle Gemüter mit Schauern, und wer nach Ophir oder Tarsis gewesen und lebendig zurückgekehrt war, wurde als ein berühmter Mann angestaunt, als ein alter, wettererfahrener Seemann, dem man mit ehrerbietiger Aufmerksamkeit lauschen müsse. Man betrachtete das Hinausfahren aufs Meer als ein Hinabsteigen in einen Abgrund, wie es hier wörtlich heißt: die sich mit Schiffen aufs Meer hinabbegaben, während unsere jetzigen mehr des Meeres gewohnten Schiffer von der hohen See sprechen. Und trieben ihren Handel in großen Wassern. Hätte das Geschäft sie nicht dazu getrieben, so würden sie sich niemals auf den Ozean gewagt haben; denn wir lesen in der Schrift nie von jemand, der sich zum Vergnügen aufs Meer begeben hätte. Das Gemüt des Israeliten war dem Seefahren so abgeneigt, dass wir nicht einmal von Salomo hören, er habe sich eine Lustjacht gehalten. Das Mittelländische Meer war für David und seine Landsleute das Große Meer, und sie schauten zu solchen, die darauf Handel trieben, mit einem nicht geringen Maße von Bewunderung auf.
24. Die des HERRN Werke erfahren (wörtl.: geschaut) haben. Ganz anders als die Landbewohner sehen sie die großartigsten Werke Gottes, oder doch wenigstens solche, welche Leute, die immer daheim geblieben sind, so beurteilen, wenn sie davon erzählen hören. Statt dass das Weltmeer sich als eine von Wasser erfüllte Einöde erweist, ist es vielmehr voll von Geschöpfen des Allmächtigen, und wenn wir es wie Jona versuchen wollten, seiner Gegenwart zu entrinnen, indem wir an das äußerste Meer entflöhen, so würden wir nur Jahovah dem Ewigen in die Arme laufen und uns so recht mitten in seiner Werkstatt finden. Und seine Wunder im Meer. In oder auf der strudelnden Tiefe sehen sie Wunder. Das wogende Meer ist an sich schon ein Wunder und wimmelt von Wundern. Weil sich den Seeleuten viel weniger Gegenstände augenfällig darbieten, so wird bei ihnen die Beobachtungsgabe weit mehr geschärft als bei den Bewohnern des Festlandes; deshalb wird von ihnen hier mit Nachdruck gesagt, dass sie die Wunder der Tiefe sehen. Zugleich enthält aber der Ozean auch in der Tat viele besonders merkwürdige Geschöpfe Gottes und ist er der Schauplatz so mancher ungemein schauerlichen Naturereignisse, durch welche sich die Macht und Majestät des HERRN unter den Menschen offenbaren. Die vornehmsten Wunder, welche der Psalmist nun vor Augen führt, sind ein plötzlicher Sturm und die darauf folgende Stille.
Nicht alle Gläubigen haben die gleiche tiefe Erfahrung; aber zu weisen Zwecken, damit sie für ihn gewinnreichen Handel treiben, schickt der HERR etliche seiner Heiligen auf das tiefe Meer der Seelenleiden, und dort schauen sie, wie andere es nicht vermögen, die Wunder der göttlichen Gnade. Indem sie die Tiefen der Erkenntnis des inneren Verderbens, die Wasserwüste der Armut, die Wogen der Verfolgung und die brandenden Klippen der Anfechtung durchsegeln, kommt ihnen in einzigartiger Weise zum Bewusstsein, dass sie Gott vor allem haben müssen, und sie finden ihn.
25. Wenn er sprach: sein Wort genügt für alles; er hat nur zu wollen, so tobt ein Unwetter. Und einen Sturmwind erregte. Dieser schien vordem zu schlafen; aber er kennt seines Meisters Stimme, auf seinen Befehl erhebt er sich im Nu und mit der ganzen Heftigkeit seiner Gewalt. Der die Wellen erhob. Die glasige Fläche des Meeres wird gebrochen, unzählige weiße Wellenköpfe erscheinen und rollen und werfen sich ungestüm hin und her, je nachdem wie der Wind auf sie stößt. Während sie vorher ganz stille ruhten, erheben sich die Wogen jetzt mit Macht und springen hoch gen Himmel auf, sobald das Heulen des Windes sie aufweckt.
So bedarf es auch nur eines Wortes von Gott, und alsbald befindet sich die Seele in stürmischer See und wird von tausend Anfechtungen hin- und hergeworfen. Zweifel, Befürchtungen, Schrecken, Ängste aller Art erheben ihre Häupter gleich ebenso vielen erbosten Wogen, wenn der HERR es den Sturmwinden einmal erlaubt, über uns hereinzubrechen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkamm er David Ps107
26. Und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund fuhren. Auf dem Rücken der Welle emporgetragen, scheinen die Schiffer mit ihrem Schiffe himmelan klimmen zu wollen; aber nur für einen Augenblick, denn gleich darauf sind sie wieder in dem Hohlraum zwischen zwei Wellen und scheint es, als ob der Abgrund sie verschlänge. Als wäre das mächtige Schiff nur eine Möwe, so werden die Seefahrer auf- und niedergeschaukelt vom tiefen Grunde bis zu der Spitze der Wellen. Dass ihre Seele vor Angst verzagte. Müde, durchnässt, entmutigt, an der Rettung verzagend, zerschmilzt ihnen das Herz gleichsam zu Wasser, und all ihre Mannhaftigkeit scheint sie verlassen zu haben.
Diejenigen von uns, welche sich auf der geistlichen Wogenflut in einem der großen Stürme befunden haben, die zuzeiten die Seele erschüttern, wissen, was dieser Vers bedeutet. In solchen seelischen Wirbelstürmen wechselt Vermessenheit mit Verzweiflung, Gleichgültigkeit mit tiefster Seelenpein. Man hat kein Herz mehr zu irgendetwas, der Mut ist dahin, die Hoffnung fast erstorben. Solche Erlebnisse sind so wirklich wie das Hin- und Hergeschleudertwerden in einem Meeressturme, nur noch weit schrecklicher. Unser etliche haben gar manches solcher seelischen Unwetter ausgehalten und haben da wahrlich des HERRN Wunderwerke gesehen!
27. Dass sie taumelten (wörtlich: sich im Kreis drehten) und wankten wie ein Trunkener. Die heftigen Bewegungen des Schiffes lassen die Menschen sich nicht auf den Füßen halten, und die Angst bringt sie um alle Kraft, ihren Verstand zu gebrauchen, so dass sie Betrunkenen gleichen. Und wussten keinen Rat mehr. Was sollen sie noch tun? Sie haben alle Künste der Schifffahrtskunde angewandt, aber das Schiff wird so bedrängt und umhergeschleudert, dass all ihre Weisheit aus ist und sie nicht wissen, wie sie es flott halten sollen.
Auch hier stimmt das Logbuch des geistlichen Seefahrers mit dem des Schiffers auf dem Meer überein. Wie schrecklich war das Hin- und Herschwanken! Wir konnten keinen festen Fuß mehr fassen, an nichts mehr uns halten. Wir wussten nicht, was zu machen war, und hätten nichts tun können, auch wenn wir gewusst hätten, was zu tun sei. Wir waren wie Menschen, deren Sinne sich verwirrt haben, und befanden uns in einer so schrecklichen Gemütsverfassung, dass unterzugehen uns besser erschienen wäre als dieses schauerliche Hangen und Bangen. Alle unsere Weisheit war zu Ende; wir wussten nur eins: dass es so nicht weiter gehen könne.
28. Und sie zum HERRN schrien in ihrer Not. Wiewohl es mit all ihrer Vernunft aus zu sein schien, waren sie doch noch vernünftig genug zu beten; ihr Herz, das zerschmolzen war, ergoss sich in dringendem Flehen um Hilfe. Das war gut und es endete gut, denn es heißt weiter: und er sie aus ihren Ängsten führte. Was ist doch im Sturme das Beten ein trefflich Ding! Beten können wir, auch wenn wir wanken und schwanken und mit aller unserer Weisheit zu Ende sind. Gott hört uns auch beim Krachen des Donners und wird uns aus dem Wetter antworten (Hiob 38,1). Er war es, der all die Not über die Seeleute gebracht hatte, darum taten sie wohl daran, sich an ihn zu wenden um Hinwegnahme derselben; und sie schauten nicht vergeblich aus.
29. Er stillte den Sturm zum Säuseln. (Grundtext) Er offenbarte seine Macht in der plötzlichen und erstaunlichen Wandlung, die auf sein Geheiß eintrat. Er hatte das Sturmwetter kommen heißen, und jetzt befiehlt er Stille. Gott ist in allen Naturerscheinungen, und wir tun wohl daran, sein Wirken anzuerkennen. Dass die Wellen sich legten. Sie sinken in feierlichem Schweigen zu seinen Füßen nieder. Wo sich eben noch mächtige Wogen auftürmten, da ist kaum noch ein Kräuseln zu sehen. Wenn Gott Stille schafft, dann ist’s wahre Ruhe, ein Friede, der höher ist denn alle Vernunft. Er kann auch den Gemütszustand eines Menschen in einem Augenblick so völlig wandeln, dass es ihm als ein wahres Wunder erscheint, sich so plötzlich aus dem tobenden Sturm in heitere Stille versetzt zu sehen. O dass der HERR solches auch in dem Leser wirke, wenn dessen Herz etwa jetzt gerade, sei es von äußeren Nöten, sei es von inneren Ängsten, wie vom Sturme umhergeschlagen wird. HERR, sprich das Befehlswort, das eine Wort, das nötig ist, so wird alsbald eine große Stille werden. (Mk. 4,39.)
30. Und sie froh wurden, dass es stille worden war. Nur wer selbst schon in einem Sturme auf dem Meer gewesen ist, vermag diese Worte ganz nachzufühlen. Nach solchem Erlebnis kann keine Musik lieblicher sein als das Rasseln der Ketten, wenn die Matrosen den Anker niederlassen, und kein Ort erscheint dann begehrenswerter als die kleine Bucht oder der weite Meerbusen, wo das Schiff nun in Frieden ruht. Und er sie zu dem Hafen brachte, dahin sie verlangten. (Grundtext) Je rauher die Fahrt, desto sehnlicher schauen die Seeleute nach dem Hafen aus, und auch uns wird der Himmel immer mehr zum ersehnten Hafen, je mehr unsere Trübsale zunehmen. Durch Stürme und durch günstige Brisen, durch Ungewitter und heiteren Sonnenschein bringt unser herrlicher Lotse, der Beherrscher des Meeres, die Seefahrer zum Hafen und seine Auserwählten zum Himmel. Ihm gebührt die Ehre für die glückliche Schifffahrt durch das Meer der Zeit, und wenn wir einst im Strom des Lebens droben wohlgeborgen vor Anker liegen, werden wir dafür sorgen, dass sein Ruhm nicht vergessen wird. Längst wären wir ein unbrauchbares Wrack, wenn seine Hand uns nicht bewahrt hätte, und alle unsere Hoffnung, die Stürme der Zukunft zu überstehen, ruht auf seiner Weisheit, Macht und Treue. Wie wird der himmlische Hafen von dankerfüllten Freudenrufen widerhallen, wenn wir einst an seinem paradiesischen Gestade gelandet sind.
31. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Lasset das Meer erschallen von Jahovahs Lobpreis um seiner rettenden Gnade willen. Möge der Seefahrer, wenn er seinen Fuß auf die Küste setzt, das feierliche Loblied gen Himmel aufsteigen lassen, und mögen andere, die ihn also aus dem Rachen des Todes errettet sehen, in seinen tiefbewegten Dank mit einstimmen.
32. Und ihn bei der Gemeinde preisen. Die Danksagung für solche Wohltaten sollte öffentlich erstattet werden, dort wo die Menschenkinder zum Gottesdienst zusammenkommen. Und im Rat der Alten (Grundtext) ihn rühmen. Der Lobpreis soll mit großer Feierlichkeit dargebracht werden in der Gegenwart der Männer, die, an Jahren, an Erfahrung und an Einfluss reich, als Häupter des Volkes im Rate sitzen. Vornehmliche Gnadenerweisungen erfordern auch eine vornehme, feierliche Weise des Dankes; darum werde das Opfer dargebracht mit dem gebührenden Wohlanstand und würdevollem Ernst. Oft wenn die Leute davon hören, wie Menschen mit knapper Not dem schrecklichen Schicksal entronnen sind, Schiffbruch zu leiden, gleiten sie mit einer leichtfertigen Bemerkung von gutem Glück und dergleichen über die Sache hinweg; aber man sollte wahrlich mit solchen ernsten Dingen nicht spielen.
Wenn eine Seele in schweren geistlichen Stürmen gewesen ist und endlich Frieden gefunden hat, so wird daraus ganz naturgemäß als heilige Pflicht und seliges Vorrecht das öffentliche Bekenntnis der Gnade des HERRN vor seinem Volke erfolgen, und es ist schicklich und nützlich, dass dies in der Gegenwart derer geschehe, welche in der Gemeinde mit der Würde heiligen Dienstes bekleidet sind und infolge ihrer reiferen Jahre auch besser befähigt sind, ein solches Zeugnis zu würdigen.
33.
Er machte Bäche trocken
und ließ Wasserquellen versiegen,
34.
dass ein fruchtbar Land zur Salzwüste wurde
um der Bosheit willen derer, die drinnen wohnten.
35.
Er machte das Trockne wiederum wasserreich
und im dürren Lande Wasserquellen
36.
und hat die Hungrigen dahin gesetzt,
dass sie eine Stadt zurichteten, da sie wohnen konnten
37.
und Äcker besäen und Weinberge pflanzen möchten
und die jährlichen Früchte gewönnen.
38.
Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten,
und gab ihnen viel Viehes.
39.
Sie waren niedergedrückt und geschwächt
von dem Bösen, das sie gezwungen und gedrungen hatte.
40.
Er schüttete Verachtung auf die Fürsten
und ließ sie irren in der Wüste, da kein Weg ist,
41.
und schützte den Armen vor Elend
und mehrte sein Geschlecht wie eine Herde.
42.
Solches werden die Frommen sehen und sich freuen;
und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden.
33. Er machte Ströme zur Wüste und Quellorte von Gewässern zu dürrem Land. (Wörtl.) Wenn der HERR es mit widersetzlichen Menschen zu tun hat, kann er ihnen leicht die Segnungen entziehen, deren sie sich am sichersten wähnen. Die mächtigen Ströme und immer fließenden Quellen ihres Landes können ihnen, so meinen sie, doch nie genommen werden; aber der HERR vermag ihnen mit einem Worte auch diese zu entziehen. In heißen Ländern trocknen bei lange anhaltender Dürre auch größere Flüsse gänzlich aus, und selbst mächtige Quellen versiegen, und das Gleiche hat sich auch anderwärts ereignet, wenn zum Beispiel etwa große Erschütterungen der Erdoberfläche eintraten. Im Menschenleben finden diese Naturkatastrophen ihr Gegenstück, wenn der Handel aufhört, Gewinn zu bringen, und Quellen des Reichtums versiegen, wenn uns Gesundheit und Arbeitskraft genommen, unentbehrlich scheinende Hilfe von Freunden entzogen und Verbindungen, die uns den Genuss der Annehmlichkeiten des Lebens gewährten, abgebrochen werden. So kann auf dem geistlichen Gebiet auch das fruchtbarste Amtsleben dürr werden oder doch für uns versiegen, können die genussreichsten Betrachtungen aufhören uns Nutzen zu bringen, und die ehedem gesegnetsten Andachtsübungen der Erquickung leer werden, die sie unserem geistlichen Leben gewährten. Da Gott allein es ist, der Trost, Frieden und Freude in uns schwellen macht oder versiegen lässt, ziemt es uns, mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit vor ihm zu wandeln und so zu leben, dass es für ihn nicht ein Gebot der Notwendigkeit wird, uns mit Entziehung seiner Gnadenmittel zu strafen.
34. Dass ein fruchtbar Land zur Salzwüste wurde. Das ist in nicht wenigen Fällen geschehen, in der allbekanntesten Weise im Lande des Dichters selbst an Sodom und Gomorra. Und ist nicht das ganze Land Israel, das einst ein Kleinod, eine Zierde vor allen Ländern war (Hes. 20,6.15), jetzt fast eine Wüste? Um der Bosheit willen derer, die drinnen wohnten. Die Sünde ist die Ursache all des Erdenjammers. Sie machte zuerst den Erdboden unfruchtbar in den Tagen unseres Vaters Adam, und sie breitet heute noch einen giftigen Mehltau über alles, das sie berührt. Wenn wir des Salzes der Heiligkeit ermangeln, wird uns bald das Salz der Unfruchtbarkeit bedecken. Bringen wir dem HERRN keine Ernte des Gehorsams, so kann er dem Acker verbieten, uns Garben zu nährendem Brot zu geben (vergl. 1. Mose 4,12), und was dann? Wenn wir Gutes in Böses verkehren, können wir uns dann wundern, wenn der HERR uns mit gleichem vergilt und unsere Niederträchtigkeit in unseren Busen zurückkehren lässt? Manche unfruchtbare Gemeinde und Kirche verdankt ihren gegenwärtigen traurigen Zustand ihrem unverantwortlichen Verhalten, und mehr als nur ein Christ, der jetzt einer öden Wüste gleicht, ist in diesen unglückseligen Zustand dadurch gekommen, dass sein Wandel vor dem allsehenden Auge Gottes nachlässig und ungeheiligt war. O möge doch kein Gläubiger, dessen Leben jetzt nützlich ist, sich der Gefahr aussetzen, die ihm verliehenen Gnadengaben und -vorrechte zu verlieren, sondern möge er wachsam und nüchtern sein, auf dass sein ganzer Lauf gesegnet sei bis zum Ende und er das Ziel erreiche.
35. Er machte das Trockne wiederum wasserreich. Mit einer abermaligen Wendung seiner Hand gibt der HERR völlig, ja überschwenglich wieder, was er im Gericht hinweggenommen. Er tut sein Gnadenwerk in wahrhaft königlicher Art; denn ein tiefer Wassersee ist zu schauen, wo vordem nur eine Sandwüste war. Nicht durch Gesetze der Natur, die durch eine ihnen eingegebene Kraft selbsttätig wirken, wird dies Wunder vollbracht, sondern unmittelbar durch ihn - er macht aus einer Wüste einen Wassersee (Luther 1524). Und im dürren Lande Wasserquellen. Unversiegbarkeit, reiche Fülle und stetige Frische, das alles verbindet sich uns mit dem Bild der Quelle, und solche Wasserquellen werden nun da geschaffen, wo vorher alles dürr war. Dieses Wunder der Gnade ist das genaue Gegenstück der in den vorhergehenden Versen geschilderten Gerichtstat und wird von ebenderselben Hand bewirkt. Ebenso vollbringt die Barmherzigkeit des HERRN in der Gemeinde wie im einzelnen Gläubigen bald erstaunliche Umwandlungen, wo die wieder zurechtbringende und erneuernde Gnade ihr gesegnetes Werk beginnt. Ach, dass wir diesen Vers überall um uns her und in unseren eigenen Herzen sich erfüllen sehen dürften! Dann würden diese Worte uns als Ausruf dankbaren Erstaunens und als Lied wohlgeziemenden Lobpreises dienen.
Diejenigen von uns, welche sich auf der geistlichen Wogenflut in einem der großen Stürme befunden haben, die zuzeiten die Seele erschüttern, wissen, was dieser Vers bedeutet. In solchen seelischen Wirbelstürmen wechselt Vermessenheit mit Verzweiflung, Gleichgültigkeit mit tiefster Seelenpein. Man hat kein Herz mehr zu irgendetwas, der Mut ist dahin, die Hoffnung fast erstorben. Solche Erlebnisse sind so wirklich wie das Hin- und Hergeschleudertwerden in einem Meeressturme, nur noch weit schrecklicher. Unser etliche haben gar manches solcher seelischen Unwetter ausgehalten und haben da wahrlich des HERRN Wunderwerke gesehen!
27. Dass sie taumelten (wörtlich: sich im Kreis drehten) und wankten wie ein Trunkener. Die heftigen Bewegungen des Schiffes lassen die Menschen sich nicht auf den Füßen halten, und die Angst bringt sie um alle Kraft, ihren Verstand zu gebrauchen, so dass sie Betrunkenen gleichen. Und wussten keinen Rat mehr. Was sollen sie noch tun? Sie haben alle Künste der Schifffahrtskunde angewandt, aber das Schiff wird so bedrängt und umhergeschleudert, dass all ihre Weisheit aus ist und sie nicht wissen, wie sie es flott halten sollen.
Auch hier stimmt das Logbuch des geistlichen Seefahrers mit dem des Schiffers auf dem Meer überein. Wie schrecklich war das Hin- und Herschwanken! Wir konnten keinen festen Fuß mehr fassen, an nichts mehr uns halten. Wir wussten nicht, was zu machen war, und hätten nichts tun können, auch wenn wir gewusst hätten, was zu tun sei. Wir waren wie Menschen, deren Sinne sich verwirrt haben, und befanden uns in einer so schrecklichen Gemütsverfassung, dass unterzugehen uns besser erschienen wäre als dieses schauerliche Hangen und Bangen. Alle unsere Weisheit war zu Ende; wir wussten nur eins: dass es so nicht weiter gehen könne.
28. Und sie zum HERRN schrien in ihrer Not. Wiewohl es mit all ihrer Vernunft aus zu sein schien, waren sie doch noch vernünftig genug zu beten; ihr Herz, das zerschmolzen war, ergoss sich in dringendem Flehen um Hilfe. Das war gut und es endete gut, denn es heißt weiter: und er sie aus ihren Ängsten führte. Was ist doch im Sturme das Beten ein trefflich Ding! Beten können wir, auch wenn wir wanken und schwanken und mit aller unserer Weisheit zu Ende sind. Gott hört uns auch beim Krachen des Donners und wird uns aus dem Wetter antworten (Hiob 38,1). Er war es, der all die Not über die Seeleute gebracht hatte, darum taten sie wohl daran, sich an ihn zu wenden um Hinwegnahme derselben; und sie schauten nicht vergeblich aus.
29. Er stillte den Sturm zum Säuseln. (Grundtext) Er offenbarte seine Macht in der plötzlichen und erstaunlichen Wandlung, die auf sein Geheiß eintrat. Er hatte das Sturmwetter kommen heißen, und jetzt befiehlt er Stille. Gott ist in allen Naturerscheinungen, und wir tun wohl daran, sein Wirken anzuerkennen. Dass die Wellen sich legten. Sie sinken in feierlichem Schweigen zu seinen Füßen nieder. Wo sich eben noch mächtige Wogen auftürmten, da ist kaum noch ein Kräuseln zu sehen. Wenn Gott Stille schafft, dann ist’s wahre Ruhe, ein Friede, der höher ist denn alle Vernunft. Er kann auch den Gemütszustand eines Menschen in einem Augenblick so völlig wandeln, dass es ihm als ein wahres Wunder erscheint, sich so plötzlich aus dem tobenden Sturm in heitere Stille versetzt zu sehen. O dass der HERR solches auch in dem Leser wirke, wenn dessen Herz etwa jetzt gerade, sei es von äußeren Nöten, sei es von inneren Ängsten, wie vom Sturme umhergeschlagen wird. HERR, sprich das Befehlswort, das eine Wort, das nötig ist, so wird alsbald eine große Stille werden. (Mk. 4,39.)
30. Und sie froh wurden, dass es stille worden war. Nur wer selbst schon in einem Sturme auf dem Meer gewesen ist, vermag diese Worte ganz nachzufühlen. Nach solchem Erlebnis kann keine Musik lieblicher sein als das Rasseln der Ketten, wenn die Matrosen den Anker niederlassen, und kein Ort erscheint dann begehrenswerter als die kleine Bucht oder der weite Meerbusen, wo das Schiff nun in Frieden ruht. Und er sie zu dem Hafen brachte, dahin sie verlangten. (Grundtext) Je rauher die Fahrt, desto sehnlicher schauen die Seeleute nach dem Hafen aus, und auch uns wird der Himmel immer mehr zum ersehnten Hafen, je mehr unsere Trübsale zunehmen. Durch Stürme und durch günstige Brisen, durch Ungewitter und heiteren Sonnenschein bringt unser herrlicher Lotse, der Beherrscher des Meeres, die Seefahrer zum Hafen und seine Auserwählten zum Himmel. Ihm gebührt die Ehre für die glückliche Schifffahrt durch das Meer der Zeit, und wenn wir einst im Strom des Lebens droben wohlgeborgen vor Anker liegen, werden wir dafür sorgen, dass sein Ruhm nicht vergessen wird. Längst wären wir ein unbrauchbares Wrack, wenn seine Hand uns nicht bewahrt hätte, und alle unsere Hoffnung, die Stürme der Zukunft zu überstehen, ruht auf seiner Weisheit, Macht und Treue. Wie wird der himmlische Hafen von dankerfüllten Freudenrufen widerhallen, wenn wir einst an seinem paradiesischen Gestade gelandet sind.
31. Die sollen dem HERRN danken um seine Güte und um seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut. Lasset das Meer erschallen von Jahovahs Lobpreis um seiner rettenden Gnade willen. Möge der Seefahrer, wenn er seinen Fuß auf die Küste setzt, das feierliche Loblied gen Himmel aufsteigen lassen, und mögen andere, die ihn also aus dem Rachen des Todes errettet sehen, in seinen tiefbewegten Dank mit einstimmen.
32. Und ihn bei der Gemeinde preisen. Die Danksagung für solche Wohltaten sollte öffentlich erstattet werden, dort wo die Menschenkinder zum Gottesdienst zusammenkommen. Und im Rat der Alten (Grundtext) ihn rühmen. Der Lobpreis soll mit großer Feierlichkeit dargebracht werden in der Gegenwart der Männer, die, an Jahren, an Erfahrung und an Einfluss reich, als Häupter des Volkes im Rate sitzen. Vornehmliche Gnadenerweisungen erfordern auch eine vornehme, feierliche Weise des Dankes; darum werde das Opfer dargebracht mit dem gebührenden Wohlanstand und würdevollem Ernst. Oft wenn die Leute davon hören, wie Menschen mit knapper Not dem schrecklichen Schicksal entronnen sind, Schiffbruch zu leiden, gleiten sie mit einer leichtfertigen Bemerkung von gutem Glück und dergleichen über die Sache hinweg; aber man sollte wahrlich mit solchen ernsten Dingen nicht spielen.
Wenn eine Seele in schweren geistlichen Stürmen gewesen ist und endlich Frieden gefunden hat, so wird daraus ganz naturgemäß als heilige Pflicht und seliges Vorrecht das öffentliche Bekenntnis der Gnade des HERRN vor seinem Volke erfolgen, und es ist schicklich und nützlich, dass dies in der Gegenwart derer geschehe, welche in der Gemeinde mit der Würde heiligen Dienstes bekleidet sind und infolge ihrer reiferen Jahre auch besser befähigt sind, ein solches Zeugnis zu würdigen.
33.
Er machte Bäche trocken
und ließ Wasserquellen versiegen,
34.
dass ein fruchtbar Land zur Salzwüste wurde
um der Bosheit willen derer, die drinnen wohnten.
35.
Er machte das Trockne wiederum wasserreich
und im dürren Lande Wasserquellen
36.
und hat die Hungrigen dahin gesetzt,
dass sie eine Stadt zurichteten, da sie wohnen konnten
37.
und Äcker besäen und Weinberge pflanzen möchten
und die jährlichen Früchte gewönnen.
38.
Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten,
und gab ihnen viel Viehes.
39.
Sie waren niedergedrückt und geschwächt
von dem Bösen, das sie gezwungen und gedrungen hatte.
40.
Er schüttete Verachtung auf die Fürsten
und ließ sie irren in der Wüste, da kein Weg ist,
41.
und schützte den Armen vor Elend
und mehrte sein Geschlecht wie eine Herde.
42.
Solches werden die Frommen sehen und sich freuen;
und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden.
33. Er machte Ströme zur Wüste und Quellorte von Gewässern zu dürrem Land. (Wörtl.) Wenn der HERR es mit widersetzlichen Menschen zu tun hat, kann er ihnen leicht die Segnungen entziehen, deren sie sich am sichersten wähnen. Die mächtigen Ströme und immer fließenden Quellen ihres Landes können ihnen, so meinen sie, doch nie genommen werden; aber der HERR vermag ihnen mit einem Worte auch diese zu entziehen. In heißen Ländern trocknen bei lange anhaltender Dürre auch größere Flüsse gänzlich aus, und selbst mächtige Quellen versiegen, und das Gleiche hat sich auch anderwärts ereignet, wenn zum Beispiel etwa große Erschütterungen der Erdoberfläche eintraten. Im Menschenleben finden diese Naturkatastrophen ihr Gegenstück, wenn der Handel aufhört, Gewinn zu bringen, und Quellen des Reichtums versiegen, wenn uns Gesundheit und Arbeitskraft genommen, unentbehrlich scheinende Hilfe von Freunden entzogen und Verbindungen, die uns den Genuss der Annehmlichkeiten des Lebens gewährten, abgebrochen werden. So kann auf dem geistlichen Gebiet auch das fruchtbarste Amtsleben dürr werden oder doch für uns versiegen, können die genussreichsten Betrachtungen aufhören uns Nutzen zu bringen, und die ehedem gesegnetsten Andachtsübungen der Erquickung leer werden, die sie unserem geistlichen Leben gewährten. Da Gott allein es ist, der Trost, Frieden und Freude in uns schwellen macht oder versiegen lässt, ziemt es uns, mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit vor ihm zu wandeln und so zu leben, dass es für ihn nicht ein Gebot der Notwendigkeit wird, uns mit Entziehung seiner Gnadenmittel zu strafen.
34. Dass ein fruchtbar Land zur Salzwüste wurde. Das ist in nicht wenigen Fällen geschehen, in der allbekanntesten Weise im Lande des Dichters selbst an Sodom und Gomorra. Und ist nicht das ganze Land Israel, das einst ein Kleinod, eine Zierde vor allen Ländern war (Hes. 20,6.15), jetzt fast eine Wüste? Um der Bosheit willen derer, die drinnen wohnten. Die Sünde ist die Ursache all des Erdenjammers. Sie machte zuerst den Erdboden unfruchtbar in den Tagen unseres Vaters Adam, und sie breitet heute noch einen giftigen Mehltau über alles, das sie berührt. Wenn wir des Salzes der Heiligkeit ermangeln, wird uns bald das Salz der Unfruchtbarkeit bedecken. Bringen wir dem HERRN keine Ernte des Gehorsams, so kann er dem Acker verbieten, uns Garben zu nährendem Brot zu geben (vergl. 1. Mose 4,12), und was dann? Wenn wir Gutes in Böses verkehren, können wir uns dann wundern, wenn der HERR uns mit gleichem vergilt und unsere Niederträchtigkeit in unseren Busen zurückkehren lässt? Manche unfruchtbare Gemeinde und Kirche verdankt ihren gegenwärtigen traurigen Zustand ihrem unverantwortlichen Verhalten, und mehr als nur ein Christ, der jetzt einer öden Wüste gleicht, ist in diesen unglückseligen Zustand dadurch gekommen, dass sein Wandel vor dem allsehenden Auge Gottes nachlässig und ungeheiligt war. O möge doch kein Gläubiger, dessen Leben jetzt nützlich ist, sich der Gefahr aussetzen, die ihm verliehenen Gnadengaben und -vorrechte zu verlieren, sondern möge er wachsam und nüchtern sein, auf dass sein ganzer Lauf gesegnet sei bis zum Ende und er das Ziel erreiche.
35. Er machte das Trockne wiederum wasserreich. Mit einer abermaligen Wendung seiner Hand gibt der HERR völlig, ja überschwenglich wieder, was er im Gericht hinweggenommen. Er tut sein Gnadenwerk in wahrhaft königlicher Art; denn ein tiefer Wassersee ist zu schauen, wo vordem nur eine Sandwüste war. Nicht durch Gesetze der Natur, die durch eine ihnen eingegebene Kraft selbsttätig wirken, wird dies Wunder vollbracht, sondern unmittelbar durch ihn - er macht aus einer Wüste einen Wassersee (Luther 1524). Und im dürren Lande Wasserquellen. Unversiegbarkeit, reiche Fülle und stetige Frische, das alles verbindet sich uns mit dem Bild der Quelle, und solche Wasserquellen werden nun da geschaffen, wo vorher alles dürr war. Dieses Wunder der Gnade ist das genaue Gegenstück der in den vorhergehenden Versen geschilderten Gerichtstat und wird von ebenderselben Hand bewirkt. Ebenso vollbringt die Barmherzigkeit des HERRN in der Gemeinde wie im einzelnen Gläubigen bald erstaunliche Umwandlungen, wo die wieder zurechtbringende und erneuernde Gnade ihr gesegnetes Werk beginnt. Ach, dass wir diesen Vers überall um uns her und in unseren eigenen Herzen sich erfüllen sehen dürften! Dann würden diese Worte uns als Ausruf dankbaren Erstaunens und als Lied wohlgeziemenden Lobpreises dienen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps107
36. Und hat die Hungrigen dahin gesetzt, sie daselbst sesshaft gemacht, wo vordem niemand wohnen konnte. Sie werden den Wechsel zu schätzen wissen und Gottes Güte gebührend würdigen. Wie die Dürre des Landes ihr Darben verursacht hatte, so wird die Fruchtbarkeit desselben nunmehr allen Mangel für immer verbannen, und sie werden sich in dem gesegneten Gefilde niederlassen als glückliche und dankbare Menschenkinder, die Gott für jede Handvoll Korn preisen, die ihnen der Acker darreicht. Niemand ist so bereit, Gott für seine reichen Gnaden den schuldigen Zins des Lobpreises zu erstatten, als wer aus Erfahrung weiß, was es heißt, Gottes Segnungen entbehren zu müssen. Aus hungrigen Seelen quillt süße Musik, wenn der HERR sie mit seinen Gnadengütern sättigt. Gehören wir zu den Hungernden? Oder sind wir zufrieden mit den Träbern dieser armseligen, schmutzigen Welt? Dass sie eine Stadt zurichteten, da sie wohnen konnten. Wenn dem Erdreich die befruchtende Feuchtigkeit zuströmt und menschlicher Fleiß es bebaut, so schießen Dörfer und Städte aus der Erde und wimmeln von Einwohnern; und wenn die Gnade übermächtig wird, wo ehedem die Sünde herrschte, finden Herzen Frieden und wohnen in Gottes Liebe als in einer festen Stadt. Die Gemeinde Gottes wird erbaut, wo einst alles eine Wüste war, wenn der HERR die Ströme des Evangeliums sich dahin ergießen lässt.
37. Und Äcker besäen und Weinberge pflanzen möchten und die jährlichen Früchte gewönnen. Die Menschen wirken, wenn Gott wirkt. Sein Segen lässt den Säemann mutig seine Hoffnungsarbeit tun, ermuntert den Pflanzer bei seinem mühsamen Werk und gibt dem fleißigen Landmann in der Ernte den Lohn. Nicht nur die unumgänglich notwendigen Lebensbedürfnisse, sondern auch liebliche Genüsse, Wein sowohl als Brotkorn, werden dem Menschen zuteil, wenn der Allmächtige dem Himmel gebietet, den Regen zu geben, dass er die Wasserläufe fülle. Göttliche Gnadenheimsuchungen bringen große geistliche Reichtümer, befördern mannigfaltige Werke des Glaubens und Arbeiten der Liebe und lassen gute Frucht jeglicher Art in Fülle erwachsen zu unserer Freude und Gottes Preis. Wenn Gott den Segen sendet, so setzt er damit die menschliche Anstrengung nicht außer Wirksamkeit, sondern ermuntert und entfaltet vielmehr die Kräfte. Paulus pflanzt, Apollos begießt, und Gott gibt das Gedeihen.
38. Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten, und gab ihnen viel Viehes. Gottes Segen ist’s, der alles schafft. Er macht nicht nur die Menschen glücklich, sondern bringt die Menschen selbst hervor, indem er sie sich mehren lässt auf Erden. Als der HERR das erste Menschenpaar schuf, segnete er sie und sprach zu ihnen: "Seid fruchtbar und mehret euch", und hier finden wir eine Erneuerung des uranfänglichen Segens. Lasst uns beachten, dass es dem Vieh sowohl als den Menschen gut ergeht, wenn Gott sein Volk gnädig heimsucht; die Tiere nehmen mit den Menschen teil an der Güte oder Strenge des Waltens der göttlichen Vorsehung. Die Herden bleiben von Mangel und Seuchen verschont, wenn Gott einem Volke gnädig ist; verhängt er aber Züchtigungen über die Sünder, so siechen Schafe und Rinder dahin. Ach, dass die Völker in Zeiten des Gedeihens doch die gnädige Hand Gottes anerkennen wollten; denn seinem Segen allein verdanken sie alles.
39. Und sie wurden (dann wieder) wenig und kamen herunter (wurden gebeugt) durch den Druck des Unglücks und Jammers. (Grundtext) Wie sie sich in Gesinnung und Wandel änderten, so wandelten sich auch ihre Umstände. In dem Alten Bunde ließ sich das sehr deutlich beobachten; Aufschwung und Niedergang waren bei Israel die unmittelbaren Folgen von Sünde und Buße. Bibel und Menschenerfahrung haben einen reichen Schatz an Wörtern für die mannigfaltige Trübsal unseres Geschlechts. Gott hat vielerlei Ruten, und wir haben vielerlei Schmerzen; und alles, weil wir viele Sünden haben. Völker wie christliche Gemeinden nehmen bald ab an Zahl, wenn sie an Gnade bei Gott abnehmen. Ist’s um unsere Liebe zum HERRN schwach bestellt, so braucht es uns nicht zu wundern, wenn er uns auch in anderen Dingen schwach werden lässt. Gott kann das Tempo unserer Wohlfahrt gründlich ändern und uns ein Diminuendo taktieren, wo wir in mächtigem Crescendo fortzufahren gedachten; darum lasst uns mit großer Sorgfalt vor ihm wandeln, stets dessen eingedenk, wie abhängig wir davon sind, dass er sein Angesicht freundlich über uns leuchten lässt.
40.41. In diesen beiden Versen wird uns gezeigt, wie der HERR nach freiem Belieben das Schicksalsrad dreht. Er zollt des Menschen eingebildeter Hoheit keine Huldigung, sondern immer wieder erfüllt sich, was schon im Buche Hiob (Hiob 12,21.24) gesagt ist: Er schüttete Verachtung auf die tyrannischen Fürsten, stürzte sie von ihrer Höhe herunter, und ließ sie irren in der Wüste, da kein Weg ist, gerade wie sie ihre Gefangenen in unwegsamer Öde umherirren ließen, da sie sie von einem Land ins andere jagten. Und zugleich wird je und je offenkundig, welch zarte Huld der Allmächtige den Armen und Unterdrückten zuwendet. Immer neu ertönt das alte Lied: Er hob den Armen aus dem Elend empor, errettet ihn aus seiner Leidenstiefe und versetzt ihn in angenehme, glückliche Lebensumstände, und mehrte sein Geschlecht wie eine Herde, dass, die vordem einsam trauerten, wie Hiob 21,11 es schildert, gleich einer Lämmerherde ihre Buben auslassen und ihre Kinder froh sich tummeln. Solche Wandlungen sind auf der Buchrolle der Geschichte wieder und wieder zu sehen, und in der geistlichen Erfahrung bemerken wir das entsprechende Gegenstück: die Selbstzufriedenen werden dazu gebracht, sich selber zu verachten, und schauen sich in der unwegsamen Öde ihrer Natur vergeblich nach Hilfe um, während arme, von ihrer Schuld überzeugte Seelen der Gottesfamilie eingefügt werden und in Sicherheit wohnen als Schafe seiner Herde.
42. Solches werden die Frommen (die Aufrichtigen, Luther 1524) sehen und sich freuen. Gottes Walten ist denen, die in Wahrheit zu seinem Volke gehören, eine Ursache der Freude; sie sehen des HERRN Hand in allem, und es ist ihnen eine Wonne, über die Wege seiner Gerechtigkeit und seiner Gnade nachzusinnen. Und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden. Sie muss verstummen. Gottes Walten ist oft so zwingend mit seinen Tatbeweisen, dass kein Widerreden noch Fragen mehr möglich ist. Lange vermag freilich die Unverschämtheit der Gottlosigkeit nicht still zu sein; aber wenn Gottes Gerichte umgehen, muss sie wohl oder übel den Mund halten.
43.
Wer ist weise und behält dies?
So werden sie merken, wieviel Wohltaten der HERR erzeigt.
43. Wer ist weise und behält (beachtet) dies? So werden sie merken, wieviel Wohltaten der HERR erzeigt. Wer auf Gottes Vorsehung Acht haben will, der wird bald genug zu beachten haben. Wir tun gut, zu beobachten, was der HERR tut; denn er ist weise von Rat und mächtig von Tat. Er hat uns Augen gegeben zu sehen, und es ist töricht, sie zu schließen, wo es so viel und so Herrliches zu schauen gibt. Aber unsere Beobachtung muss auch von weiser Art sein; wir können sonst leicht uns selbst und andere verwirren, wenn wir des HERRN Walten nur hastig und oberflächlich betrachten und übereilte Schlüsse ziehen. Doch gibt sich auf tausend Weisen die Güte des HERRN in den Führungen der Menschenkinder zu erkennen, und wenn wir nur mit klugem Bedacht darauf merken wollen, so werden wir zu immer besserem Verständnis gelangen. Die Wohltaten des HERRN mit geöffnetem Auge und Herzen zu betrachten und von ihnen aus die köstliche göttliche Eigenschaft der Gnade tief zu verstehen, das ist eine ebenso angenehme wie nützliche Kunst; wer es darin weit bringt, dessen Herz und Mund wird von selbst überfließen von den lieblichsten Liedern zu des Höchsten Ehren.
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Rob. Lowth († 1787) bemerkt: "Ohne Zweifel ist die Dichtungsart dieses Psalms in jeder Hinsicht bewundernswert, und die darin enthaltenen Schilderungen tragen reichlich ihr Teil zu der Schönheit des Ganzen bei; am meisten zu bewundern aber ist seine Bündigkeit und vor allem die ausdrucksvolle Art seiner Sprache, welche mit unnachahmlicher Feinheit die Einbildungskraft in Schwingung versetzt. Der ermattete, verirrte Wanderer, der elende Gefangene im schrecklichen Kerker, der dem Tode nahe Kranke, der im Sturme beinahe untergehende Seefahrer, sie werden in so wirksamer Weise geschildert, dass alle etwa vergleichbaren Gedichte, und wären sie noch so kunstvoll, weit übertroffen werden." Und ich darf wohl hinzufügen, dass eine solche Idylle, wenn sie bei Theokrit oder Virgil zu lesen oder als Szene bei irgendeinem der großen griechischen Trauerspieldichter, sogar bei Äschylus selber, zu finden wäre, vermutlich als deren Meisterstück geschätzt worden wäre. Adam Clarke † 1832.
Wie im 5. Buche Mose der Gesetzgeber das aus Ägypten erlöste, an der Schwelle des Verheißungslandes stehende Israel noch einmal zum Liebesgehorsam gegen Jahves Gesetz ermahnt, so ruft hier zu Anfang des 5. Psalmbuches der Psalmist das aus den Ländern des Exils erlöste, dem Boden seines Heimatlandes zurückgegebene Israel zur Dankbarkeit auf gegen den, der es aus Verbannung und Not und Tod erlöst hat. - Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Wiewohl ich nicht behaupten will, der Psalm sei ausschließlich auf Israel zu beziehen, kann man, meine ich, doch die hauptsächlichsten Ereignisse der wechselvollen Geschichte dieses Volkes in den anschaulichen Schilderungen des Psalms deutlich verfolgen. In V. 4-7 wird die Geschichte des Wüstenzuges, insbesondere der Irrfahrten der späteren Jahre, in kurzen Zügen geschildert, zum Preis der Gnade, welche die durstige Seele sättigt und füllt die hungrige Seele mit Gutem, V. 9. Die strenge Zucht nationalen Unglücks, welche das ungehorsame Volk traf, bis zu der Wendung der Gefangenschaft, als die für die Dauer der Verbannung in Babel bestimmte Zeit abgelassen war, scheint uns die historische Grundlage der Vers 10-16 zu bilden; in ihrer prophetischen Absicht aber erheischt die Stelle eine viel umfassendere Auslegung. Nur die Wiederbelebung Israels, und zwar sowohl die geistliche als auch die nationale, wird diese Worte völlig erfüllen. - Die Leiden des betörten Volkes, da es, mit Jehovahs Grimm überschüttet, in dem, was ihm Speise sein sollte, Gift findet und unter dem Druck einer schlimmeren Hungersnot als dem Hunger nach Brot schmachtet, bis ihm in Antwort auf sein angstvolles Rufen das rettende Wort der Heilung von oben gesandt wird, dünken uns in dem nächsten Abschnitt V. 17-20 angezeigt zu sein. Die Sprache des 22. Verses stimmt dazu. Sie, die täglich damit umgegangen waren, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, werden nun aufgefordert, Opfer des Dankes zu bringen und des HERRN Werke mit Jubel zu erzählen. - So kraftvoll und schön die folgenden Vers 23-30 unleugbar sind, wenn wir sie in ihrem nächsten Sinn und in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit auffassen, haben wir, meine ich, darin doch auch ein treffendes Bild von Israels Not sonder Rast und Ruh, da es gleich einem bedrängten und von Furcht erfüllten Seefahrer auf dem weiten Meer der Völkerwelt hin- und hergeworfen wird, ein heimatloser Wanderer, ohne Freunde und von der Ungnade des HERRN verfolgt, bis es endlich die so lang ersehnte Ruhe unter der treuen Führung dessen erlangt, der sein Volk in trüber, finsterer Zeit heimsucht. Dementsprechend finden wir auch in der sich anschließenden Ermahnung zum Lobpreise Gottes V. 32 das gesammelte Volk, die Gemeine, erwähnt und ihre Ältesten, die nun aufgefordert werden, in dem Land der Ruhe die treue Gnade und die Macht dessen zu rühmen, der den so lange von ihnen abgestandenen Sturm der Trübsal in den heiteren Sonnenschein ewigen Friedens verwandelt hat. Arthur Pridham 1869.
V. 1-3. Das Meer ist hier der Südwesten, nämlich der Ägypten bespülende südliche Teil des Mittelländischen Meeres. Der Dichter denkt dabei an die Exulanten Ägyptens, wie bei "vom Niedergang" an die Exulanten der Inseln, d. h. Kleinasiens und Europas; er schreibt also in einer Zeit, in welcher der durch die Freigebung der babylonischen Exulanten neubegründete jüdische Staat versprengte Volksgenossen aller Länder zur Heimkehr bewogen hatte. Die Erlösten zum Danke gegen Gott, den Erlöser, auffordernd, damit das Werk der Wiederherstellung Israels sich unter Dank der Erlösten herrlich vollende, formuliert er die Danksagung sogleich, indem er ihnen die altliturgischen Dankesworte (Jer. 33,11) in den Mund legt. Das jetzt wieder auf vaterländischem Boden sesshafte Volk hat, bis es diesen wiedergewonnen, in der Fremde das Verderben in allen Gestalten gesehen und weiß von den mannigfaltigsten göttlichen Rettungen zu sagen. Die Aufforderung zu Opfern des Dankes spaltet sich demgemäß in mehrere nicht sowohl allegorische, das Exil verbildlichende, als vielmehr exemplifizierende, die Gefahren der Fremde abbildende Bilder. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
37. Und Äcker besäen und Weinberge pflanzen möchten und die jährlichen Früchte gewönnen. Die Menschen wirken, wenn Gott wirkt. Sein Segen lässt den Säemann mutig seine Hoffnungsarbeit tun, ermuntert den Pflanzer bei seinem mühsamen Werk und gibt dem fleißigen Landmann in der Ernte den Lohn. Nicht nur die unumgänglich notwendigen Lebensbedürfnisse, sondern auch liebliche Genüsse, Wein sowohl als Brotkorn, werden dem Menschen zuteil, wenn der Allmächtige dem Himmel gebietet, den Regen zu geben, dass er die Wasserläufe fülle. Göttliche Gnadenheimsuchungen bringen große geistliche Reichtümer, befördern mannigfaltige Werke des Glaubens und Arbeiten der Liebe und lassen gute Frucht jeglicher Art in Fülle erwachsen zu unserer Freude und Gottes Preis. Wenn Gott den Segen sendet, so setzt er damit die menschliche Anstrengung nicht außer Wirksamkeit, sondern ermuntert und entfaltet vielmehr die Kräfte. Paulus pflanzt, Apollos begießt, und Gott gibt das Gedeihen.
38. Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten, und gab ihnen viel Viehes. Gottes Segen ist’s, der alles schafft. Er macht nicht nur die Menschen glücklich, sondern bringt die Menschen selbst hervor, indem er sie sich mehren lässt auf Erden. Als der HERR das erste Menschenpaar schuf, segnete er sie und sprach zu ihnen: "Seid fruchtbar und mehret euch", und hier finden wir eine Erneuerung des uranfänglichen Segens. Lasst uns beachten, dass es dem Vieh sowohl als den Menschen gut ergeht, wenn Gott sein Volk gnädig heimsucht; die Tiere nehmen mit den Menschen teil an der Güte oder Strenge des Waltens der göttlichen Vorsehung. Die Herden bleiben von Mangel und Seuchen verschont, wenn Gott einem Volke gnädig ist; verhängt er aber Züchtigungen über die Sünder, so siechen Schafe und Rinder dahin. Ach, dass die Völker in Zeiten des Gedeihens doch die gnädige Hand Gottes anerkennen wollten; denn seinem Segen allein verdanken sie alles.
39. Und sie wurden (dann wieder) wenig und kamen herunter (wurden gebeugt) durch den Druck des Unglücks und Jammers. (Grundtext) Wie sie sich in Gesinnung und Wandel änderten, so wandelten sich auch ihre Umstände. In dem Alten Bunde ließ sich das sehr deutlich beobachten; Aufschwung und Niedergang waren bei Israel die unmittelbaren Folgen von Sünde und Buße. Bibel und Menschenerfahrung haben einen reichen Schatz an Wörtern für die mannigfaltige Trübsal unseres Geschlechts. Gott hat vielerlei Ruten, und wir haben vielerlei Schmerzen; und alles, weil wir viele Sünden haben. Völker wie christliche Gemeinden nehmen bald ab an Zahl, wenn sie an Gnade bei Gott abnehmen. Ist’s um unsere Liebe zum HERRN schwach bestellt, so braucht es uns nicht zu wundern, wenn er uns auch in anderen Dingen schwach werden lässt. Gott kann das Tempo unserer Wohlfahrt gründlich ändern und uns ein Diminuendo taktieren, wo wir in mächtigem Crescendo fortzufahren gedachten; darum lasst uns mit großer Sorgfalt vor ihm wandeln, stets dessen eingedenk, wie abhängig wir davon sind, dass er sein Angesicht freundlich über uns leuchten lässt.
40.41. In diesen beiden Versen wird uns gezeigt, wie der HERR nach freiem Belieben das Schicksalsrad dreht. Er zollt des Menschen eingebildeter Hoheit keine Huldigung, sondern immer wieder erfüllt sich, was schon im Buche Hiob (Hiob 12,21.24) gesagt ist: Er schüttete Verachtung auf die tyrannischen Fürsten, stürzte sie von ihrer Höhe herunter, und ließ sie irren in der Wüste, da kein Weg ist, gerade wie sie ihre Gefangenen in unwegsamer Öde umherirren ließen, da sie sie von einem Land ins andere jagten. Und zugleich wird je und je offenkundig, welch zarte Huld der Allmächtige den Armen und Unterdrückten zuwendet. Immer neu ertönt das alte Lied: Er hob den Armen aus dem Elend empor, errettet ihn aus seiner Leidenstiefe und versetzt ihn in angenehme, glückliche Lebensumstände, und mehrte sein Geschlecht wie eine Herde, dass, die vordem einsam trauerten, wie Hiob 21,11 es schildert, gleich einer Lämmerherde ihre Buben auslassen und ihre Kinder froh sich tummeln. Solche Wandlungen sind auf der Buchrolle der Geschichte wieder und wieder zu sehen, und in der geistlichen Erfahrung bemerken wir das entsprechende Gegenstück: die Selbstzufriedenen werden dazu gebracht, sich selber zu verachten, und schauen sich in der unwegsamen Öde ihrer Natur vergeblich nach Hilfe um, während arme, von ihrer Schuld überzeugte Seelen der Gottesfamilie eingefügt werden und in Sicherheit wohnen als Schafe seiner Herde.
42. Solches werden die Frommen (die Aufrichtigen, Luther 1524) sehen und sich freuen. Gottes Walten ist denen, die in Wahrheit zu seinem Volke gehören, eine Ursache der Freude; sie sehen des HERRN Hand in allem, und es ist ihnen eine Wonne, über die Wege seiner Gerechtigkeit und seiner Gnade nachzusinnen. Und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden. Sie muss verstummen. Gottes Walten ist oft so zwingend mit seinen Tatbeweisen, dass kein Widerreden noch Fragen mehr möglich ist. Lange vermag freilich die Unverschämtheit der Gottlosigkeit nicht still zu sein; aber wenn Gottes Gerichte umgehen, muss sie wohl oder übel den Mund halten.
43.
Wer ist weise und behält dies?
So werden sie merken, wieviel Wohltaten der HERR erzeigt.
43. Wer ist weise und behält (beachtet) dies? So werden sie merken, wieviel Wohltaten der HERR erzeigt. Wer auf Gottes Vorsehung Acht haben will, der wird bald genug zu beachten haben. Wir tun gut, zu beobachten, was der HERR tut; denn er ist weise von Rat und mächtig von Tat. Er hat uns Augen gegeben zu sehen, und es ist töricht, sie zu schließen, wo es so viel und so Herrliches zu schauen gibt. Aber unsere Beobachtung muss auch von weiser Art sein; wir können sonst leicht uns selbst und andere verwirren, wenn wir des HERRN Walten nur hastig und oberflächlich betrachten und übereilte Schlüsse ziehen. Doch gibt sich auf tausend Weisen die Güte des HERRN in den Führungen der Menschenkinder zu erkennen, und wenn wir nur mit klugem Bedacht darauf merken wollen, so werden wir zu immer besserem Verständnis gelangen. Die Wohltaten des HERRN mit geöffnetem Auge und Herzen zu betrachten und von ihnen aus die köstliche göttliche Eigenschaft der Gnade tief zu verstehen, das ist eine ebenso angenehme wie nützliche Kunst; wer es darin weit bringt, dessen Herz und Mund wird von selbst überfließen von den lieblichsten Liedern zu des Höchsten Ehren.
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Rob. Lowth († 1787) bemerkt: "Ohne Zweifel ist die Dichtungsart dieses Psalms in jeder Hinsicht bewundernswert, und die darin enthaltenen Schilderungen tragen reichlich ihr Teil zu der Schönheit des Ganzen bei; am meisten zu bewundern aber ist seine Bündigkeit und vor allem die ausdrucksvolle Art seiner Sprache, welche mit unnachahmlicher Feinheit die Einbildungskraft in Schwingung versetzt. Der ermattete, verirrte Wanderer, der elende Gefangene im schrecklichen Kerker, der dem Tode nahe Kranke, der im Sturme beinahe untergehende Seefahrer, sie werden in so wirksamer Weise geschildert, dass alle etwa vergleichbaren Gedichte, und wären sie noch so kunstvoll, weit übertroffen werden." Und ich darf wohl hinzufügen, dass eine solche Idylle, wenn sie bei Theokrit oder Virgil zu lesen oder als Szene bei irgendeinem der großen griechischen Trauerspieldichter, sogar bei Äschylus selber, zu finden wäre, vermutlich als deren Meisterstück geschätzt worden wäre. Adam Clarke † 1832.
Wie im 5. Buche Mose der Gesetzgeber das aus Ägypten erlöste, an der Schwelle des Verheißungslandes stehende Israel noch einmal zum Liebesgehorsam gegen Jahves Gesetz ermahnt, so ruft hier zu Anfang des 5. Psalmbuches der Psalmist das aus den Ländern des Exils erlöste, dem Boden seines Heimatlandes zurückgegebene Israel zur Dankbarkeit auf gegen den, der es aus Verbannung und Not und Tod erlöst hat. - Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Wiewohl ich nicht behaupten will, der Psalm sei ausschließlich auf Israel zu beziehen, kann man, meine ich, doch die hauptsächlichsten Ereignisse der wechselvollen Geschichte dieses Volkes in den anschaulichen Schilderungen des Psalms deutlich verfolgen. In V. 4-7 wird die Geschichte des Wüstenzuges, insbesondere der Irrfahrten der späteren Jahre, in kurzen Zügen geschildert, zum Preis der Gnade, welche die durstige Seele sättigt und füllt die hungrige Seele mit Gutem, V. 9. Die strenge Zucht nationalen Unglücks, welche das ungehorsame Volk traf, bis zu der Wendung der Gefangenschaft, als die für die Dauer der Verbannung in Babel bestimmte Zeit abgelassen war, scheint uns die historische Grundlage der Vers 10-16 zu bilden; in ihrer prophetischen Absicht aber erheischt die Stelle eine viel umfassendere Auslegung. Nur die Wiederbelebung Israels, und zwar sowohl die geistliche als auch die nationale, wird diese Worte völlig erfüllen. - Die Leiden des betörten Volkes, da es, mit Jehovahs Grimm überschüttet, in dem, was ihm Speise sein sollte, Gift findet und unter dem Druck einer schlimmeren Hungersnot als dem Hunger nach Brot schmachtet, bis ihm in Antwort auf sein angstvolles Rufen das rettende Wort der Heilung von oben gesandt wird, dünken uns in dem nächsten Abschnitt V. 17-20 angezeigt zu sein. Die Sprache des 22. Verses stimmt dazu. Sie, die täglich damit umgegangen waren, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, werden nun aufgefordert, Opfer des Dankes zu bringen und des HERRN Werke mit Jubel zu erzählen. - So kraftvoll und schön die folgenden Vers 23-30 unleugbar sind, wenn wir sie in ihrem nächsten Sinn und in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit auffassen, haben wir, meine ich, darin doch auch ein treffendes Bild von Israels Not sonder Rast und Ruh, da es gleich einem bedrängten und von Furcht erfüllten Seefahrer auf dem weiten Meer der Völkerwelt hin- und hergeworfen wird, ein heimatloser Wanderer, ohne Freunde und von der Ungnade des HERRN verfolgt, bis es endlich die so lang ersehnte Ruhe unter der treuen Führung dessen erlangt, der sein Volk in trüber, finsterer Zeit heimsucht. Dementsprechend finden wir auch in der sich anschließenden Ermahnung zum Lobpreise Gottes V. 32 das gesammelte Volk, die Gemeine, erwähnt und ihre Ältesten, die nun aufgefordert werden, in dem Land der Ruhe die treue Gnade und die Macht dessen zu rühmen, der den so lange von ihnen abgestandenen Sturm der Trübsal in den heiteren Sonnenschein ewigen Friedens verwandelt hat. Arthur Pridham 1869.
V. 1-3. Das Meer ist hier der Südwesten, nämlich der Ägypten bespülende südliche Teil des Mittelländischen Meeres. Der Dichter denkt dabei an die Exulanten Ägyptens, wie bei "vom Niedergang" an die Exulanten der Inseln, d. h. Kleinasiens und Europas; er schreibt also in einer Zeit, in welcher der durch die Freigebung der babylonischen Exulanten neubegründete jüdische Staat versprengte Volksgenossen aller Länder zur Heimkehr bewogen hatte. Die Erlösten zum Danke gegen Gott, den Erlöser, auffordernd, damit das Werk der Wiederherstellung Israels sich unter Dank der Erlösten herrlich vollende, formuliert er die Danksagung sogleich, indem er ihnen die altliturgischen Dankesworte (Jer. 33,11) in den Mund legt. Das jetzt wieder auf vaterländischem Boden sesshafte Volk hat, bis es diesen wiedergewonnen, in der Fremde das Verderben in allen Gestalten gesehen und weiß von den mannigfaltigsten göttlichen Rettungen zu sagen. Die Aufforderung zu Opfern des Dankes spaltet sich demgemäß in mehrere nicht sowohl allegorische, das Exil verbildlichende, als vielmehr exemplifizierende, die Gefahren der Fremde abbildende Bilder. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps107
Erläuterungen und Kernworte
V. 1. Die ersten Worte des Psalms sind reich an Gedanken über Jehovah. Denn er ist gut. (Wörtl.) Ist das nicht die alttestamentliche Lesart des neutestamentlichen "Gott ist Liebe"? Sodann: Und seine Gnade währet ewiglich. Ist diese nicht das mächtige Gewässer, das sich von der Quelle der Liebe ergießt, der nimmer versiegende Strom, an dessen Ufern die Erlösten des HERRN wandeln? Und diese Sätze verlieren für uns nichts von ihrem reichen Gehalt durch die Erinnerung an die Tatsache, dass sie je und je als Kehrvers des Altargesanges dienten. Als die Bundeslade zu ihrer Ruhestätte auf Zion kam, da sang man dem HERRN diese Worte. (1. Chr. 16,34) In dem salomonischen Tempel machten die Sänger und Spieler die strahlenden Wände des eben aufgerichteten Heiligtums von ebendenselben Worten widerhallen, als die Herrlichkeit des HERRN herniederkam und das Haus erfüllte (2. Chr. 5,12-14); und die gleichen Worte waren es, die den Lippen der von heiliger Scheu und Freude zugleich erfüllten andächtigen Menge entquollen, als sie das Feuer vom Himmel auf den Altar herabfallen sahen (2. Chr. 7,3). Und wiederum in Esras Tagen, als der Altar wieder aufgerichtet war und man den Grund des zweiten Tempels legte, sang man dem HERRN das alte und doch immer neue Lied. (Esra 3,11) Unser Gott wird als Liebe erkannt an dem von ihm gestifteten sühnenden Opfer. Auch Jeremia zeigt Kap. 33,11, wie das wiederhergestellte Israel mit diesem Lobgesang den HERRN preisen wird. Andrew A. Bonar 1859.
V. 2. Die Erlösten des HERRN. Mose gibt uns im Gesetz einen klaren und vollen Begriff von dem, was wir unter erlöst zu verstehen haben. Wenn jemand als Sklave verkauft oder in die Gefangenschaft geschleppt war, hatte sein nächster Blutsverwandter Recht und Pflicht, ihn zu erlösen, indem er das Lösegeld zahlte. Auch wenn jemand ermordet gefunden wurde, hatte sein nächster Blutsverwandter den Mörder zu verfolgen und vor Gericht zu bringen und wurde als Rächer des Mordes der Erlöser genannt. So hat auch Christus uns von Knechtschaft und Gefangenschaft errettet und an dem Satan die Blutschuld, an der Menschheit begangen, gerächt. Er hat als unser Blutsverwandter unsere Sache in die Hand genommen und sein eigenes Leben daran gesetzt, uns zu retten. W. Romaine 1767.
Die er aus der Not erlöst hat. Dies ist ein Dankpsalm für allerlei Hilfe, so Gott allen Menschen in ihren Nöten erzeiget, sie sind Heiden oder Juden, welche sonst die Heiden bei mancherlei Abgöttern und wir Christen und Türken bei mancherlei Heiligen bisher (und noch viel) gesuchet haben. St. Leonhard hat die Gefangenen erlöset, St. Bastian die Pestilenz vertrieben, St. Georg im Kriege geholfen, St. Erasmus reich gemacht, St. Christophorus im Meer und Wasser Gott gewesen; haben also alle Gottes Hilfe unter die Heiligen, wie die Heiden unter ihre Abgötter, geteilet und sie Gott gestohlen und geraubet, dem sie dieser Psalm alleine zueignet und dafür danken heißt. Martin Luther 1531.
V. 3. Und die er ... zusammengebracht hat. Wenn irgendetwas uns zum dankenden Lobpreis begeistern kann, dann sollte es dieser Grund vermögen; können wir doch nicht anders als die Kraft desselben fühlen, da er uns an das Elend erinnert, aus welchem wir ein jeder im Besonderen erlöst worden sind. Die Heiden hatten sich von Gott verirrt und waren so in den Irrgängen des Irrtums und Aberglaubens verloren und verwirrt, dass auch sie, gerade wie Israel, nur durch die allmächtige Liebe des Herrn Jesu in eine Gemeinde zusammengebracht werden konnten. W. Romaine 1767.
V. 4. Die irre gingen. Ihr Ziehen durch die Wüste war nicht ein Reisen, wie wenn Leute auf einem gebahnten Wege nach einem bewohnten Orte ziehen, sondern ein Umherirren fern von jedem Weg und Pfade in zielloser Verwirrung und schauriger Verlassenheit. Henry Hammond † 1660.
Der erweckte Sünder hat seinen Weg verloren. Als er noch ganz in der Welt war, hatte er keine Schwierigkeiten; der Weg war so breit, dass er ihn nicht verfehlen konnte. Aber wenn die Gnade Gottes ihr Werk in dem Herzen des Sünders beginnt, verliert dieser den festen Weg. In die Welt kann er nicht mehr zurück; Gott hat ihn daraus herausgetrieben, wie den Lot aus Sodom. Den Weg zum Himmel vermag er nicht zu finden, weil ihm jetzt noch die klaren Zeugnisse und Weisungen fehlen, mit deren Hilfe allein er den Weg verfolgen kann. So drängt sich ihm jetzt überwältigend vor allem die Erkenntnis auf, dass er verirrt und verloren ist. Der Welt hat er den Rücken gekehrt und ist doch noch unfähig, diejenigen Freuden sich anzueignen, welche den Himmel ihm zur Heimat machen würden. Er hat so ganz den Weg verloren, dass er, ob er sich zur Rechten oder zur Linken wendet, keine Marksteine findet, die ihm den Weg zeigen würden, auf welchem seine Seele zu wandeln begehrt. Wo ist er denn? In der Wüste. Die Wüste ist auch ein Bild dessen, was dieses Leben für Gottes Volk ist. Nichts wächst darin, was Himmelspilgern zur Speise und Erquickung dienen könnte. Feurige Drachen - die Sünde und der Satan - quälen sie beständig in dieser Öde, und nirgends finden sie wahre Ruhe. Der unfruchtbare Sand der Fleischlichkeit unter ihren Füßen und die brennende Sonne der Versuchung über ihnen gewähren ihnen weder Nahrung noch Obdach. Und diese Wüste ist ein ungebahnter Weg, ein Weg ohne Fußspur, ein Pfad, da ein jeder allein wandern muss, eine Straße, wo ihn keine Gesellschaft erfreut, und an der keine Marksteine sind, die ihm die Richtung angeben. Das ist etwas dem Kinde Gottes Eigentümliches, dass der Pfad, auf dem es wandelt, für sein Empfinden ein einsamer Weg ist. Seine Schwierigkeiten und Verlegenheiten sind solch besonderer Art, dass es ihm unglaublich erscheint, es könnte irgendeine andere Seele sie ebenfalls durchmachen; die feurigen Pfeile, welche der Böse in sein Inneres schießt, hat gewiss noch kein Kind Gottes gefühlt, und die Finsternis seiner Seele, der Unglaube und die Untreue seines Herzens und die Wirkungen seiner inneren Verderbtheit sind so mächtig, dass er meint, nie habe jemand sie so erfahren und gekannt wie er. J. C. Philpot † 1869.
Da der größte Teil der Wüste (Sahara) ganz von Wasser entblößt ist, wird sie selten von irgendeinem menschlichen Wesen besucht, außer in den Teilen, wo die Handelskarawanen ihren mühsamen und gefahrvollen Pfad durch dieselbe ziehen. An einzelnen Stellen dieser ausgedehnten Wüste ist der Boden mit niedrigen, verkrüppelten Sträuchern bedeckt, welche den Karawanen als Merkzeichen dienen und den Kamelen ein dürftiges Futter bieten. In anderen Teilen sieht der mutlose Wanderer rings um sich her, wohin er sich auch wende, nur eine endlose Sandfläche und den ebenso unermesslichen Horizont; eine melancholische, öde Leere, wo das Auge keinen Gegenstand findet, darauf es ruhen kann, und das Gemüt von dem schrecklichen Vorgefühl, Durstes sterben zu müssen, erfüllt wird. Inmitten dieser schaurigen Einsamkeit sieht der Wanderer die toten Körper von Vögeln, welche die Gewalt des Windes aus glücklicheren Gegenden hierhergetrieben hat, und mit Grauen lauscht er, während er über die schreckliche Länge des noch zurückzulegenden Weges nachdenkt, auf das Heulen des Windes, den einzigen Laut, der die schauerliche Stille der Wüste durchbricht. Mungo Park 1806.
V. 6. Das mit rufen oder schreien (V. 28) übersetzte Wort hat hier besondere Kraft. Es bezeichnet einen Ruf oder Schrei solcher Art, wie ihn jemand, der von einem heftigen Sturm der Gemütsbewegung erschüttert wird, in der äußersten Not des Schmerzes und der Angst ausstoßen würde, einen plötzlich wie Donner und Blitz aus dem Himmel hervorbrechenden lauten, wehklagenden Aufschrei. Vergl. 5. Mose 22,24; 1. Kön. 20,39; Jes. 19,20. Herm. Venema † 1787.
In ihrer Not: mitten in der Not, als die Trübsal sich um sie geschlungen hatte wie das Meergras um das Haupt des Jona (Jona 2,6), als sie von Angst umringt waren und keinen Ausweg daraus sahen, als sie wie jemand, der sich im dichten Nebel befindet, keinen Schritt vorwärts und rückwärts sahen, da nichts als eine dicke Wolke der Trübsal ihre Seele umgab und sie nicht wussten, ob je diese Wolke sich wieder verteilen würde - da geschah es, dass sie zum HERRN riefen. J. C. Philpot † 1869.
V. 7. Zur Stadt, da sie wohnen konnten. Sie sahen sie nicht nur von fern. Das wird bei der ewigen Stadt das Los vieler sein, vergl. Mt. 8,11 f.; Off. 21,27. Sie machten auch nicht nur einen Besuch darin - sie sollen darin wohnen und nicht mehr hinausgehen, Off. 3,12. Sie werden dort miteinander wohnen als Bürger mit den Heiligen. Aus Erden sind der berühmten Städte viele; aber was ist all ihre Herrlichkeit gegenüber derjenigen dieser Stadt, Off. 21. W. Jay † 1853.
V. 8. Die sollen dem HERRN dankend bekennen seine Gnade, und seine Wunder den Menschenkindern. (Andere Übersetzung.) Wir müssen Gottes Güte vor den Menschenkindern anerkennen, nicht nur vor den Kindern Gottes. Matthew Henry † 1714.
Der HERR ist umso mehr für seine Wunder zu preisen, als er sie an solchen tut, die ihrer nicht würdig sind, an den Menschenkindern, den Söhnen Adams, den verdorbenen Sprösslingen eines empörerischen Vaters. Adam Clarke † 1832.
V. 11. Man beachte die Lautspiele in beiden Vershälften im Hebräischen. A. R. Fausset 1866.
V. 12. Und er beugte ihr Herz. (Wörtl.) Jene sich hoch erhebenden Leidenschaften, womit sie sich stolz über den Gehorsam gegen Gottes Gebote und die Anbetung Jehovahs erhoben, schwächte und beugte er, so dass sie sich Gott wieder unterwarfen. Herm. Venema † 1787.
V. 17. Die Narren. Es gibt nichts Törichteres als gottlose Handlungen; und keine Weisheit kommt der gleich, Gott zu gehorchen. Albert Barnes † 1870.
V. 18. Selbst die besten kreatürlichen Labsale sind eitel. Was soll auch die auserlesenste Speise einem Menschen, wenn er sterbenskrank ist? Dann werden auch dem Habgierigen Gold und Silber, Ländereien und Häuser, die doch sonst seine Lieblingsgerichte waren, ekelhaft. Wenn ein Mensch auf dem Sterbebette liegt, verlieren seine Reichtümer für ihn allen Wert und Geschmack; Weib und Kinder, Freunde und Bekannte können ihm nur wenig Trost gewähren in der dunkeln Todesstunde, ja sie erweisen sich oft genug als leidige Tröster. Gerade wann wir am meisten des Trostes bedürfen, gewährt uns alles dieses wenig oder gar keinen. Ist es dann nicht klug, einen Schatz an solchen Labsalen zu sammeln, die dann vorhalten und sich uns kräftig erweisen, wenn alle irdischen Erquickungen und Tröstungen uns im Stich lassen oder für uns geschmacklos werden? Ist es nicht gut, einen Vorrat solcher Speise zu suchen, die, so krank wir auch sein mögen, uns niemals widerlich ist, ja an der wir, je kränker wir sind, uns mit desto größerem Verlangen und Genuss stärken können? Solche wahrhaftige Speise ist das Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus. (Joh. 6,55) Joseph Caryl † 1673.
V. 1. Die ersten Worte des Psalms sind reich an Gedanken über Jehovah. Denn er ist gut. (Wörtl.) Ist das nicht die alttestamentliche Lesart des neutestamentlichen "Gott ist Liebe"? Sodann: Und seine Gnade währet ewiglich. Ist diese nicht das mächtige Gewässer, das sich von der Quelle der Liebe ergießt, der nimmer versiegende Strom, an dessen Ufern die Erlösten des HERRN wandeln? Und diese Sätze verlieren für uns nichts von ihrem reichen Gehalt durch die Erinnerung an die Tatsache, dass sie je und je als Kehrvers des Altargesanges dienten. Als die Bundeslade zu ihrer Ruhestätte auf Zion kam, da sang man dem HERRN diese Worte. (1. Chr. 16,34) In dem salomonischen Tempel machten die Sänger und Spieler die strahlenden Wände des eben aufgerichteten Heiligtums von ebendenselben Worten widerhallen, als die Herrlichkeit des HERRN herniederkam und das Haus erfüllte (2. Chr. 5,12-14); und die gleichen Worte waren es, die den Lippen der von heiliger Scheu und Freude zugleich erfüllten andächtigen Menge entquollen, als sie das Feuer vom Himmel auf den Altar herabfallen sahen (2. Chr. 7,3). Und wiederum in Esras Tagen, als der Altar wieder aufgerichtet war und man den Grund des zweiten Tempels legte, sang man dem HERRN das alte und doch immer neue Lied. (Esra 3,11) Unser Gott wird als Liebe erkannt an dem von ihm gestifteten sühnenden Opfer. Auch Jeremia zeigt Kap. 33,11, wie das wiederhergestellte Israel mit diesem Lobgesang den HERRN preisen wird. Andrew A. Bonar 1859.
V. 2. Die Erlösten des HERRN. Mose gibt uns im Gesetz einen klaren und vollen Begriff von dem, was wir unter erlöst zu verstehen haben. Wenn jemand als Sklave verkauft oder in die Gefangenschaft geschleppt war, hatte sein nächster Blutsverwandter Recht und Pflicht, ihn zu erlösen, indem er das Lösegeld zahlte. Auch wenn jemand ermordet gefunden wurde, hatte sein nächster Blutsverwandter den Mörder zu verfolgen und vor Gericht zu bringen und wurde als Rächer des Mordes der Erlöser genannt. So hat auch Christus uns von Knechtschaft und Gefangenschaft errettet und an dem Satan die Blutschuld, an der Menschheit begangen, gerächt. Er hat als unser Blutsverwandter unsere Sache in die Hand genommen und sein eigenes Leben daran gesetzt, uns zu retten. W. Romaine 1767.
Die er aus der Not erlöst hat. Dies ist ein Dankpsalm für allerlei Hilfe, so Gott allen Menschen in ihren Nöten erzeiget, sie sind Heiden oder Juden, welche sonst die Heiden bei mancherlei Abgöttern und wir Christen und Türken bei mancherlei Heiligen bisher (und noch viel) gesuchet haben. St. Leonhard hat die Gefangenen erlöset, St. Bastian die Pestilenz vertrieben, St. Georg im Kriege geholfen, St. Erasmus reich gemacht, St. Christophorus im Meer und Wasser Gott gewesen; haben also alle Gottes Hilfe unter die Heiligen, wie die Heiden unter ihre Abgötter, geteilet und sie Gott gestohlen und geraubet, dem sie dieser Psalm alleine zueignet und dafür danken heißt. Martin Luther 1531.
V. 3. Und die er ... zusammengebracht hat. Wenn irgendetwas uns zum dankenden Lobpreis begeistern kann, dann sollte es dieser Grund vermögen; können wir doch nicht anders als die Kraft desselben fühlen, da er uns an das Elend erinnert, aus welchem wir ein jeder im Besonderen erlöst worden sind. Die Heiden hatten sich von Gott verirrt und waren so in den Irrgängen des Irrtums und Aberglaubens verloren und verwirrt, dass auch sie, gerade wie Israel, nur durch die allmächtige Liebe des Herrn Jesu in eine Gemeinde zusammengebracht werden konnten. W. Romaine 1767.
V. 4. Die irre gingen. Ihr Ziehen durch die Wüste war nicht ein Reisen, wie wenn Leute auf einem gebahnten Wege nach einem bewohnten Orte ziehen, sondern ein Umherirren fern von jedem Weg und Pfade in zielloser Verwirrung und schauriger Verlassenheit. Henry Hammond † 1660.
Der erweckte Sünder hat seinen Weg verloren. Als er noch ganz in der Welt war, hatte er keine Schwierigkeiten; der Weg war so breit, dass er ihn nicht verfehlen konnte. Aber wenn die Gnade Gottes ihr Werk in dem Herzen des Sünders beginnt, verliert dieser den festen Weg. In die Welt kann er nicht mehr zurück; Gott hat ihn daraus herausgetrieben, wie den Lot aus Sodom. Den Weg zum Himmel vermag er nicht zu finden, weil ihm jetzt noch die klaren Zeugnisse und Weisungen fehlen, mit deren Hilfe allein er den Weg verfolgen kann. So drängt sich ihm jetzt überwältigend vor allem die Erkenntnis auf, dass er verirrt und verloren ist. Der Welt hat er den Rücken gekehrt und ist doch noch unfähig, diejenigen Freuden sich anzueignen, welche den Himmel ihm zur Heimat machen würden. Er hat so ganz den Weg verloren, dass er, ob er sich zur Rechten oder zur Linken wendet, keine Marksteine findet, die ihm den Weg zeigen würden, auf welchem seine Seele zu wandeln begehrt. Wo ist er denn? In der Wüste. Die Wüste ist auch ein Bild dessen, was dieses Leben für Gottes Volk ist. Nichts wächst darin, was Himmelspilgern zur Speise und Erquickung dienen könnte. Feurige Drachen - die Sünde und der Satan - quälen sie beständig in dieser Öde, und nirgends finden sie wahre Ruhe. Der unfruchtbare Sand der Fleischlichkeit unter ihren Füßen und die brennende Sonne der Versuchung über ihnen gewähren ihnen weder Nahrung noch Obdach. Und diese Wüste ist ein ungebahnter Weg, ein Weg ohne Fußspur, ein Pfad, da ein jeder allein wandern muss, eine Straße, wo ihn keine Gesellschaft erfreut, und an der keine Marksteine sind, die ihm die Richtung angeben. Das ist etwas dem Kinde Gottes Eigentümliches, dass der Pfad, auf dem es wandelt, für sein Empfinden ein einsamer Weg ist. Seine Schwierigkeiten und Verlegenheiten sind solch besonderer Art, dass es ihm unglaublich erscheint, es könnte irgendeine andere Seele sie ebenfalls durchmachen; die feurigen Pfeile, welche der Böse in sein Inneres schießt, hat gewiss noch kein Kind Gottes gefühlt, und die Finsternis seiner Seele, der Unglaube und die Untreue seines Herzens und die Wirkungen seiner inneren Verderbtheit sind so mächtig, dass er meint, nie habe jemand sie so erfahren und gekannt wie er. J. C. Philpot † 1869.
Da der größte Teil der Wüste (Sahara) ganz von Wasser entblößt ist, wird sie selten von irgendeinem menschlichen Wesen besucht, außer in den Teilen, wo die Handelskarawanen ihren mühsamen und gefahrvollen Pfad durch dieselbe ziehen. An einzelnen Stellen dieser ausgedehnten Wüste ist der Boden mit niedrigen, verkrüppelten Sträuchern bedeckt, welche den Karawanen als Merkzeichen dienen und den Kamelen ein dürftiges Futter bieten. In anderen Teilen sieht der mutlose Wanderer rings um sich her, wohin er sich auch wende, nur eine endlose Sandfläche und den ebenso unermesslichen Horizont; eine melancholische, öde Leere, wo das Auge keinen Gegenstand findet, darauf es ruhen kann, und das Gemüt von dem schrecklichen Vorgefühl, Durstes sterben zu müssen, erfüllt wird. Inmitten dieser schaurigen Einsamkeit sieht der Wanderer die toten Körper von Vögeln, welche die Gewalt des Windes aus glücklicheren Gegenden hierhergetrieben hat, und mit Grauen lauscht er, während er über die schreckliche Länge des noch zurückzulegenden Weges nachdenkt, auf das Heulen des Windes, den einzigen Laut, der die schauerliche Stille der Wüste durchbricht. Mungo Park 1806.
V. 6. Das mit rufen oder schreien (V. 28) übersetzte Wort hat hier besondere Kraft. Es bezeichnet einen Ruf oder Schrei solcher Art, wie ihn jemand, der von einem heftigen Sturm der Gemütsbewegung erschüttert wird, in der äußersten Not des Schmerzes und der Angst ausstoßen würde, einen plötzlich wie Donner und Blitz aus dem Himmel hervorbrechenden lauten, wehklagenden Aufschrei. Vergl. 5. Mose 22,24; 1. Kön. 20,39; Jes. 19,20. Herm. Venema † 1787.
In ihrer Not: mitten in der Not, als die Trübsal sich um sie geschlungen hatte wie das Meergras um das Haupt des Jona (Jona 2,6), als sie von Angst umringt waren und keinen Ausweg daraus sahen, als sie wie jemand, der sich im dichten Nebel befindet, keinen Schritt vorwärts und rückwärts sahen, da nichts als eine dicke Wolke der Trübsal ihre Seele umgab und sie nicht wussten, ob je diese Wolke sich wieder verteilen würde - da geschah es, dass sie zum HERRN riefen. J. C. Philpot † 1869.
V. 7. Zur Stadt, da sie wohnen konnten. Sie sahen sie nicht nur von fern. Das wird bei der ewigen Stadt das Los vieler sein, vergl. Mt. 8,11 f.; Off. 21,27. Sie machten auch nicht nur einen Besuch darin - sie sollen darin wohnen und nicht mehr hinausgehen, Off. 3,12. Sie werden dort miteinander wohnen als Bürger mit den Heiligen. Aus Erden sind der berühmten Städte viele; aber was ist all ihre Herrlichkeit gegenüber derjenigen dieser Stadt, Off. 21. W. Jay † 1853.
V. 8. Die sollen dem HERRN dankend bekennen seine Gnade, und seine Wunder den Menschenkindern. (Andere Übersetzung.) Wir müssen Gottes Güte vor den Menschenkindern anerkennen, nicht nur vor den Kindern Gottes. Matthew Henry † 1714.
Der HERR ist umso mehr für seine Wunder zu preisen, als er sie an solchen tut, die ihrer nicht würdig sind, an den Menschenkindern, den Söhnen Adams, den verdorbenen Sprösslingen eines empörerischen Vaters. Adam Clarke † 1832.
V. 11. Man beachte die Lautspiele in beiden Vershälften im Hebräischen. A. R. Fausset 1866.
V. 12. Und er beugte ihr Herz. (Wörtl.) Jene sich hoch erhebenden Leidenschaften, womit sie sich stolz über den Gehorsam gegen Gottes Gebote und die Anbetung Jehovahs erhoben, schwächte und beugte er, so dass sie sich Gott wieder unterwarfen. Herm. Venema † 1787.
V. 17. Die Narren. Es gibt nichts Törichteres als gottlose Handlungen; und keine Weisheit kommt der gleich, Gott zu gehorchen. Albert Barnes † 1870.
V. 18. Selbst die besten kreatürlichen Labsale sind eitel. Was soll auch die auserlesenste Speise einem Menschen, wenn er sterbenskrank ist? Dann werden auch dem Habgierigen Gold und Silber, Ländereien und Häuser, die doch sonst seine Lieblingsgerichte waren, ekelhaft. Wenn ein Mensch auf dem Sterbebette liegt, verlieren seine Reichtümer für ihn allen Wert und Geschmack; Weib und Kinder, Freunde und Bekannte können ihm nur wenig Trost gewähren in der dunkeln Todesstunde, ja sie erweisen sich oft genug als leidige Tröster. Gerade wann wir am meisten des Trostes bedürfen, gewährt uns alles dieses wenig oder gar keinen. Ist es dann nicht klug, einen Schatz an solchen Labsalen zu sammeln, die dann vorhalten und sich uns kräftig erweisen, wenn alle irdischen Erquickungen und Tröstungen uns im Stich lassen oder für uns geschmacklos werden? Ist es nicht gut, einen Vorrat solcher Speise zu suchen, die, so krank wir auch sein mögen, uns niemals widerlich ist, ja an der wir, je kränker wir sind, uns mit desto größerem Verlangen und Genuss stärken können? Solche wahrhaftige Speise ist das Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus. (Joh. 6,55) Joseph Caryl † 1673.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkamm er David Ps107
Erläuterungen und Kernworte
V. 18. Und waren nahe an des Todes Toren. (Wörtl.) Dreierlei ist in diesen Worten enthalten. 1) Sie waren dem Tode nahe, wie jemand, der an den Toren einer Stadt ist, der Stadt nahe ist, weil die Tore den Zugang zu der Stadt bilden. 2) Sie waren schon beinahe in der Gerichtsbarkeit des Todes. Der Tod ist ein mächtiger Herrscher und hat Tore, da er sitzt, wie Richter und Obrigkeiten in den Toren zu Gericht zu sitzen pflegten. Der Tod herrscht über alle Menschen in der ganzen Welt, über Könige und Machthaber wie über die geringen Leute. Er ist der König des Schreckens, wie er in Hiob 18,14 genannt wird, und der Schrecken der Könige. Tod und Sünde sind miteinander in die Welt gekommen. Die Sünde war das Tor, das den Tod hereinließ, und seither herrscht der Tod königlich (vergl. Röm. 5,21) und wird herrschen, bis Christus ihn vollkommen besiegt hat, er, der auch über diesen mächtigen Befehlshaber König ist und hat die Schlüssel der Hölle und des Todes. (Off. 1,18) Für die Gottlosen ist der Tod ein Tyrann; und wenn sie durch das Tor des Todes eingehen, kommen sie zu einem noch schlimmeren, tieferen Ort, der Hölle. Der Tod ist für sie die Falltür zur Hölle. 3) Unter den Toren des Todes ist nicht nur die Herrschaftsautorität, sondern auch die Macht des Todes verstanden, wie Mt. 16,18 unter den Pforten der Hölle die Macht der Hölle. Die Kraft des Todes ist groß, sie bezwingt alles; denn er ist der Scharfrichter der göttlichen Gerechtigkeit. Richard Sibbes † 1635.
V. 20. Er sandte sein Wort usw. Der gleiche Ausdruck kommt Ps. 147,15.18 vor; vergl. Jes. 55,11. Wir entdecken in solchen Stellen den ersten Schimmer der Lehre des Apostels Johannes von der Wirksamkeit des ewigen Wortes. Das Wort, durch welches die Himmel gemacht sind (Ps. 33,6), ist demnach nicht nur der Ausdruck des Willens Gottes, sondern sein Bote, der zwischen Gott und seinen Geschöpfen vermittelt. Es ist lehrreich, damit die Sprache Elihus in der Parallelstelle Hiob 33,23 zu vergleichen, wo das, was hier der Wirksamkeit des Wortes zugeschrieben ist, dem Mittler-Engel oder -Boten beigelegt wird. J. J. St. Perowne 1868.
Merkwürdig ist der Ausdruck: er sandte sein Wort, so dass das Wort Gottes als seine Ausstrahlung, als sein dienender Engel bezeichnet wird. In diesem Ausdruck spricht sich auf verhüllte Weise die Wahrheit aus, dass alle Wirkung Gottes in der Welt durch sein ewiges Wort vermittelt ist. Prof. A. Tholuck 1843.
Kein Kraut in aller Welt kann solchen betrübten Seelen, die schon an den Toren des Todes und der Hölle sind, das Geringste nützen. Freunde mögen ihnen zusprechen, Seelsorger ihr Bestes tun, ja Engelszungen mögen reden - es ist alles umsonst; ihre Wunden sind und bleiben trotz alledem unheilbar. Aber wenn es Gott gefällt zu sprechen, dann wird die sterbende Seele wieder lebendig. Dies Wort ist der einzige Balsam, der ein verwundetes Gewissen heilen kann. Das Gewissen ist Gottes Gefangener; er legt es in Haft, er schließt es in Ketten, und das durch sein Wort. Und wahrlich, nur er auch kann es aus den Banden entlassen. George Swinnock † 1673.
Als George Wishart, der schottische Reformationsprediger, im Jahre 1545 nach Dundee kam, wo die Pest wütete, ließ er ansagen, dass er predigen würde. Er nahm seinen Stand oben auf dem Osttor, während die mit der Seuche Behafteten außerhalb, die Gesunden innerhalb des Tores standen. Er nahm unseren Vers zum Text: Er sandte sein Wort und machte sie gesund, und redete von dem Nutzen und Trost des göttlichen Wortes, von der Strafe, welche auf Verachtung desselben folge, davon, wie bereit Gott sei, denen Gnade zu gewähren, die sich aufrichtig zu ihm wendeten, und von der Glückseligkeit derer, welche Gott aus dem Elend dieser Zeit zu sich nehme usw. Durch diese Predigt richtete er das Herz seiner Hörer so mächtig auf, dass sie den Tod nicht achteten, sondern diejenigen glücklicher schätzten, welche damals abscheiden durften, als die, welche zurückbleiben mussten, in Anbetracht dessen, da sie nicht wüssten, ob sie später auch solchen Tröster in der Todesstunde bei ihnen haben würden. Samuel Clarke † 1682.
Und errettete sie aus ihren Gruben. (Wörtl.) Das hebräische Wort kann nicht ein Abstraktum sein (Luther 1524 nach Hieronymus: von ihrem Verderben), da es Klgl. 4,20, der einzigen Stelle, wo es noch vorkommt, die Gruben bezeichnet, in denen das Wild gefangen wird. Im Psalm sind die Gräber gemeint, welche die Kranken gewissermaßen schon verschlungen hatten, vergl. Ps. 103,4; Hiob 33,18.22.28 - Nach Prof Friedr. Bäthgen 1892.
V. 22. Und Dankopfer opfern. (Grundt) Für ihre Heilung sollen sie ein Opfer bringen; und zwar sollen sie das Leben des unschuldigen Tieres Gott darbringen, wie Gott ihnen das Leben wiedergeschenkt hat; mögen sie damit bekennen, dass Gott sie erhalten hat, als sie zu sterben verdienten, und mögen sie mit Freuden seine Werke erzählen; denn wer wollte nicht frohlocken, wenn er vom Tode errettet worden. Adam Clarke † 1832.
V. 23. (Als ein Beispiel mittelalterlicher geistlicher Deutung:) Die (welche rechte Prälaten und Prediger sind) gehen hinab von der Höhe der beschaulichen Versenkung in Gott zur See, d. h. sie passen sich den geringen Leuten an, auf dass auch diese selig werden, in Schiffen, d. i. in dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe der Kirche, ohne welche sie in den Wassern der irdischen Lust untergehen würden, und treiben Handel, d. i. fahren fort zu predigen, in großen Wassern, d. i. unter vielen Völkern, damit sie Menschenfischer werden. Richard Rolle, der Einsiedler von Hampole 1340.
V. 23-32. Wie kunstvoll ist diese Schilderung! Äußerste Einfachheit der Ausdrucksweise ist gewählt, um die erhabensten Gedanken darzustellen. Das Gemälde ist in keiner Weise überladen; nur die treffendsten Züge sind ausgewählt, und alles ist natürlich, einfach und überaus spannend. Das Ganze ist eine erhabene Darstellung der göttlichen Vorsehung, wie sie herrscht in dem anscheinend unbeherrschbarsten Teile der Natur. Gott ist es, der den Sturm sich erheben lässt; er stillt ihn auch. Die Weisen dieser Welt mögen nicht über die Naturgesetze hinausschauen, durch welche Gott handelt; der Heilige Geist aber in dem Psalmdichter schaut den furchtbaren Widerstreit der Elemente als das Werk Gottes. Alexander Carson † 1844.
V. 28. Da schrien sie zum HERRN. Da, wenn je; daher auch das Sprichwort: Qui nescit orare, discat navigare: Wer nicht beten kann, der werde ein Schiffmann (so wird er’s lernen). John Trapp † 1669.
Gott des Meeres und des Himmels (denn welche andere Zuflucht hab’ ich als das Gebet?), lass ab, meine schadhafte Barke vollends aus den Fugen zu reißen! Ovid † 17.
Wer Gott in der Not anruft, der ehrt 1) Gottes Majestät. Gott spricht zu den stolzen Wellen: Bis hierher und nicht weiter. Die Sturmwinde richten sein Wort aus, und wann es ihm gefällt, befiehlt er Stille. 2) Gottes Weisheit. Er weiß aus der Versuchung zu erlösen. 3) Gottes Treue. Die Treue eines Freundes erprobt sich in der Not. Und ähnlich ist’s beim Gebet mit allen anderen Vollkommenheiten Gottes. John Ryther 1675
V. 30. Zum ersehnten Hafen. (Wörtl.) An einem lieblichen Frühlingsmorgen, gleich dem heutigen, mag ein Wellenbrecher wie dieser (von Portland) von wenig Wert erscheinen, da die Wellen des Meeres nur eben dazu hinreichen, die weite Fläche in Edelsteine von wechselndem Glanz zu brechen und flüsternde Musik hervorzubringen, während Schiffe aller Größen gleich jenen, deren Maste du in Haufen dort unter dem Vorgebirge siehst, mit vollkommener Sicherheit auf der Meeresstraße dahinfahren. Aber in den heftigen Stürmen des November und des März, wenn die heulenden Windstöße mit wildem Ungestüm durch den Kanal hinauffahren und die berghohen Wogen, grün und weiß, auf allen Seiten drohende Gräber öffnen, wie willkommen ist dann ein sicherer, leicht zu erreichender Hafen, gerade an einem Teil der Küste errichtet, der sonst viele Meilen weit keine Zuflucht böte. - Gelobt sei Gott für die Gabe seines geliebten Sohnes, den einzigen Zufluchtshafen für arme vom Sturm umhergeschleuderte Sünder! Mancher mag jetzt gering davon denken; aber an dem kommenden Tage der Finsternis und des Zornes, wenn der Platzregen fällt und das Gewässer kommt und die Winde wehen, dann werden nur diejenigen dem Verderben entrinnen, welche dort ihre Zuflucht gefunden haben. Ph. H. Gosse 1856.
V. 31 f. Es ist leichter, in der Not zu Gott schreien, als nach der Rettung Gott in der Gemeinde danken. K. B. Moll † 1878.
V. 33. Gott ist der Vater des Redens. Wenn er dieses Labsal lange Zeit vorenthält, lässt die ganze Natur das Haupt hangen, und alles Grüne stirbt dahin. Das Bild ist dem Morgenland entnommen, wo es bekanntlich nur zwei Regenzeiten gibt; verzögerte sich eine derselben lange, so war die Wirkung furchtbar. Die Betten ansehnlicher Flüsse trockneten aus. William Swan Plumer 1867.
V. 34. Einwohner der fettesten und fruchtbarsten Länder dürfen darauf nicht trotzen; Gott kann aus einem Garten des HERRN einen Schwefelpfuhl machen. Christoph Starcke † 1744.
Um der Bosheit willen usw. Wenn ich einem der so gerne klagenden Landleute begegne, spricht er mir von schwer zu bearbeitendem Boden, von verregneter Saatzeit, von einem zu milden Winter, einem ungünstigen Frühjahr, einem zu wenig warmen Sommer, einem stürmischen Herbst; ich aber sage ihm, dass das alles von dem Missfallen Gottes herkommt, der Jahreszeiten und Naturereignisse nach seinen alleinweisen Gedanken und Absichten lenkt und ordnet. Bischof Josef Hall † 1656.
Gott verschließt die Wolken, weil wir unseren Mund verschlossen haben. Die Erde ist uns hart wie Eisen geworden, weil wir die Herzen gegen unsere armen Nachbarn verhärtet haben. Arme müssen laut nach Brot schreien, weil wir unsere Stimme so wenig kräftig gegen die Sünde erhoben haben. Seuchen eilen von Haus zu Haus und fegen die armen unvorbereiteten Einwohner hinweg, weil wir nicht die Sünde ausfegen, welche die Seuchen erzeugt. Richard Baxter † 1691.
V. 40. Gewaltige Machthaber, die der Schrecken der ganzen Welt gewesen, sind, ihrer Würde und Macht entkleidet, ein Spiel und Spott ihrer eigenen Untertanen geworden. Jean Calvin † 1564.
V. 42 f. Undankbare und Boshaftige setzt der liebe Heiland Lk. 6 zusammen; denn wer Gottes Güte nicht mit Dank erkennt und darin nicht seine Weide sucht und findet, der geht unfehlbar dem Eitlen nach und gerät darüber in Bosheit; gleichwie im Gegenteil an der Bosheit das Giftigste ist, dass es so aus Undank gegen den guten Gott geht, und dass man dabei sein Maul oft so weit auftut und sich in seinem Hochmut so viel rühmt; darum man sagen sollte: So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das tun (Jak. 4,15.16). Wohl dem, dem der Mund zu allem frühzeitigen Rühmen und unzeitigen Klagen gestopft und hingegen zum Beten und Loben desto mehr eröffnet ist! Karl H. Rieger † 1791.
V. 18. Und waren nahe an des Todes Toren. (Wörtl.) Dreierlei ist in diesen Worten enthalten. 1) Sie waren dem Tode nahe, wie jemand, der an den Toren einer Stadt ist, der Stadt nahe ist, weil die Tore den Zugang zu der Stadt bilden. 2) Sie waren schon beinahe in der Gerichtsbarkeit des Todes. Der Tod ist ein mächtiger Herrscher und hat Tore, da er sitzt, wie Richter und Obrigkeiten in den Toren zu Gericht zu sitzen pflegten. Der Tod herrscht über alle Menschen in der ganzen Welt, über Könige und Machthaber wie über die geringen Leute. Er ist der König des Schreckens, wie er in Hiob 18,14 genannt wird, und der Schrecken der Könige. Tod und Sünde sind miteinander in die Welt gekommen. Die Sünde war das Tor, das den Tod hereinließ, und seither herrscht der Tod königlich (vergl. Röm. 5,21) und wird herrschen, bis Christus ihn vollkommen besiegt hat, er, der auch über diesen mächtigen Befehlshaber König ist und hat die Schlüssel der Hölle und des Todes. (Off. 1,18) Für die Gottlosen ist der Tod ein Tyrann; und wenn sie durch das Tor des Todes eingehen, kommen sie zu einem noch schlimmeren, tieferen Ort, der Hölle. Der Tod ist für sie die Falltür zur Hölle. 3) Unter den Toren des Todes ist nicht nur die Herrschaftsautorität, sondern auch die Macht des Todes verstanden, wie Mt. 16,18 unter den Pforten der Hölle die Macht der Hölle. Die Kraft des Todes ist groß, sie bezwingt alles; denn er ist der Scharfrichter der göttlichen Gerechtigkeit. Richard Sibbes † 1635.
V. 20. Er sandte sein Wort usw. Der gleiche Ausdruck kommt Ps. 147,15.18 vor; vergl. Jes. 55,11. Wir entdecken in solchen Stellen den ersten Schimmer der Lehre des Apostels Johannes von der Wirksamkeit des ewigen Wortes. Das Wort, durch welches die Himmel gemacht sind (Ps. 33,6), ist demnach nicht nur der Ausdruck des Willens Gottes, sondern sein Bote, der zwischen Gott und seinen Geschöpfen vermittelt. Es ist lehrreich, damit die Sprache Elihus in der Parallelstelle Hiob 33,23 zu vergleichen, wo das, was hier der Wirksamkeit des Wortes zugeschrieben ist, dem Mittler-Engel oder -Boten beigelegt wird. J. J. St. Perowne 1868.
Merkwürdig ist der Ausdruck: er sandte sein Wort, so dass das Wort Gottes als seine Ausstrahlung, als sein dienender Engel bezeichnet wird. In diesem Ausdruck spricht sich auf verhüllte Weise die Wahrheit aus, dass alle Wirkung Gottes in der Welt durch sein ewiges Wort vermittelt ist. Prof. A. Tholuck 1843.
Kein Kraut in aller Welt kann solchen betrübten Seelen, die schon an den Toren des Todes und der Hölle sind, das Geringste nützen. Freunde mögen ihnen zusprechen, Seelsorger ihr Bestes tun, ja Engelszungen mögen reden - es ist alles umsonst; ihre Wunden sind und bleiben trotz alledem unheilbar. Aber wenn es Gott gefällt zu sprechen, dann wird die sterbende Seele wieder lebendig. Dies Wort ist der einzige Balsam, der ein verwundetes Gewissen heilen kann. Das Gewissen ist Gottes Gefangener; er legt es in Haft, er schließt es in Ketten, und das durch sein Wort. Und wahrlich, nur er auch kann es aus den Banden entlassen. George Swinnock † 1673.
Als George Wishart, der schottische Reformationsprediger, im Jahre 1545 nach Dundee kam, wo die Pest wütete, ließ er ansagen, dass er predigen würde. Er nahm seinen Stand oben auf dem Osttor, während die mit der Seuche Behafteten außerhalb, die Gesunden innerhalb des Tores standen. Er nahm unseren Vers zum Text: Er sandte sein Wort und machte sie gesund, und redete von dem Nutzen und Trost des göttlichen Wortes, von der Strafe, welche auf Verachtung desselben folge, davon, wie bereit Gott sei, denen Gnade zu gewähren, die sich aufrichtig zu ihm wendeten, und von der Glückseligkeit derer, welche Gott aus dem Elend dieser Zeit zu sich nehme usw. Durch diese Predigt richtete er das Herz seiner Hörer so mächtig auf, dass sie den Tod nicht achteten, sondern diejenigen glücklicher schätzten, welche damals abscheiden durften, als die, welche zurückbleiben mussten, in Anbetracht dessen, da sie nicht wüssten, ob sie später auch solchen Tröster in der Todesstunde bei ihnen haben würden. Samuel Clarke † 1682.
Und errettete sie aus ihren Gruben. (Wörtl.) Das hebräische Wort kann nicht ein Abstraktum sein (Luther 1524 nach Hieronymus: von ihrem Verderben), da es Klgl. 4,20, der einzigen Stelle, wo es noch vorkommt, die Gruben bezeichnet, in denen das Wild gefangen wird. Im Psalm sind die Gräber gemeint, welche die Kranken gewissermaßen schon verschlungen hatten, vergl. Ps. 103,4; Hiob 33,18.22.28 - Nach Prof Friedr. Bäthgen 1892.
V. 22. Und Dankopfer opfern. (Grundt) Für ihre Heilung sollen sie ein Opfer bringen; und zwar sollen sie das Leben des unschuldigen Tieres Gott darbringen, wie Gott ihnen das Leben wiedergeschenkt hat; mögen sie damit bekennen, dass Gott sie erhalten hat, als sie zu sterben verdienten, und mögen sie mit Freuden seine Werke erzählen; denn wer wollte nicht frohlocken, wenn er vom Tode errettet worden. Adam Clarke † 1832.
V. 23. (Als ein Beispiel mittelalterlicher geistlicher Deutung:) Die (welche rechte Prälaten und Prediger sind) gehen hinab von der Höhe der beschaulichen Versenkung in Gott zur See, d. h. sie passen sich den geringen Leuten an, auf dass auch diese selig werden, in Schiffen, d. i. in dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe der Kirche, ohne welche sie in den Wassern der irdischen Lust untergehen würden, und treiben Handel, d. i. fahren fort zu predigen, in großen Wassern, d. i. unter vielen Völkern, damit sie Menschenfischer werden. Richard Rolle, der Einsiedler von Hampole 1340.
V. 23-32. Wie kunstvoll ist diese Schilderung! Äußerste Einfachheit der Ausdrucksweise ist gewählt, um die erhabensten Gedanken darzustellen. Das Gemälde ist in keiner Weise überladen; nur die treffendsten Züge sind ausgewählt, und alles ist natürlich, einfach und überaus spannend. Das Ganze ist eine erhabene Darstellung der göttlichen Vorsehung, wie sie herrscht in dem anscheinend unbeherrschbarsten Teile der Natur. Gott ist es, der den Sturm sich erheben lässt; er stillt ihn auch. Die Weisen dieser Welt mögen nicht über die Naturgesetze hinausschauen, durch welche Gott handelt; der Heilige Geist aber in dem Psalmdichter schaut den furchtbaren Widerstreit der Elemente als das Werk Gottes. Alexander Carson † 1844.
V. 28. Da schrien sie zum HERRN. Da, wenn je; daher auch das Sprichwort: Qui nescit orare, discat navigare: Wer nicht beten kann, der werde ein Schiffmann (so wird er’s lernen). John Trapp † 1669.
Gott des Meeres und des Himmels (denn welche andere Zuflucht hab’ ich als das Gebet?), lass ab, meine schadhafte Barke vollends aus den Fugen zu reißen! Ovid † 17.
Wer Gott in der Not anruft, der ehrt 1) Gottes Majestät. Gott spricht zu den stolzen Wellen: Bis hierher und nicht weiter. Die Sturmwinde richten sein Wort aus, und wann es ihm gefällt, befiehlt er Stille. 2) Gottes Weisheit. Er weiß aus der Versuchung zu erlösen. 3) Gottes Treue. Die Treue eines Freundes erprobt sich in der Not. Und ähnlich ist’s beim Gebet mit allen anderen Vollkommenheiten Gottes. John Ryther 1675
V. 30. Zum ersehnten Hafen. (Wörtl.) An einem lieblichen Frühlingsmorgen, gleich dem heutigen, mag ein Wellenbrecher wie dieser (von Portland) von wenig Wert erscheinen, da die Wellen des Meeres nur eben dazu hinreichen, die weite Fläche in Edelsteine von wechselndem Glanz zu brechen und flüsternde Musik hervorzubringen, während Schiffe aller Größen gleich jenen, deren Maste du in Haufen dort unter dem Vorgebirge siehst, mit vollkommener Sicherheit auf der Meeresstraße dahinfahren. Aber in den heftigen Stürmen des November und des März, wenn die heulenden Windstöße mit wildem Ungestüm durch den Kanal hinauffahren und die berghohen Wogen, grün und weiß, auf allen Seiten drohende Gräber öffnen, wie willkommen ist dann ein sicherer, leicht zu erreichender Hafen, gerade an einem Teil der Küste errichtet, der sonst viele Meilen weit keine Zuflucht böte. - Gelobt sei Gott für die Gabe seines geliebten Sohnes, den einzigen Zufluchtshafen für arme vom Sturm umhergeschleuderte Sünder! Mancher mag jetzt gering davon denken; aber an dem kommenden Tage der Finsternis und des Zornes, wenn der Platzregen fällt und das Gewässer kommt und die Winde wehen, dann werden nur diejenigen dem Verderben entrinnen, welche dort ihre Zuflucht gefunden haben. Ph. H. Gosse 1856.
V. 31 f. Es ist leichter, in der Not zu Gott schreien, als nach der Rettung Gott in der Gemeinde danken. K. B. Moll † 1878.
V. 33. Gott ist der Vater des Redens. Wenn er dieses Labsal lange Zeit vorenthält, lässt die ganze Natur das Haupt hangen, und alles Grüne stirbt dahin. Das Bild ist dem Morgenland entnommen, wo es bekanntlich nur zwei Regenzeiten gibt; verzögerte sich eine derselben lange, so war die Wirkung furchtbar. Die Betten ansehnlicher Flüsse trockneten aus. William Swan Plumer 1867.
V. 34. Einwohner der fettesten und fruchtbarsten Länder dürfen darauf nicht trotzen; Gott kann aus einem Garten des HERRN einen Schwefelpfuhl machen. Christoph Starcke † 1744.
Um der Bosheit willen usw. Wenn ich einem der so gerne klagenden Landleute begegne, spricht er mir von schwer zu bearbeitendem Boden, von verregneter Saatzeit, von einem zu milden Winter, einem ungünstigen Frühjahr, einem zu wenig warmen Sommer, einem stürmischen Herbst; ich aber sage ihm, dass das alles von dem Missfallen Gottes herkommt, der Jahreszeiten und Naturereignisse nach seinen alleinweisen Gedanken und Absichten lenkt und ordnet. Bischof Josef Hall † 1656.
Gott verschließt die Wolken, weil wir unseren Mund verschlossen haben. Die Erde ist uns hart wie Eisen geworden, weil wir die Herzen gegen unsere armen Nachbarn verhärtet haben. Arme müssen laut nach Brot schreien, weil wir unsere Stimme so wenig kräftig gegen die Sünde erhoben haben. Seuchen eilen von Haus zu Haus und fegen die armen unvorbereiteten Einwohner hinweg, weil wir nicht die Sünde ausfegen, welche die Seuchen erzeugt. Richard Baxter † 1691.
V. 40. Gewaltige Machthaber, die der Schrecken der ganzen Welt gewesen, sind, ihrer Würde und Macht entkleidet, ein Spiel und Spott ihrer eigenen Untertanen geworden. Jean Calvin † 1564.
V. 42 f. Undankbare und Boshaftige setzt der liebe Heiland Lk. 6 zusammen; denn wer Gottes Güte nicht mit Dank erkennt und darin nicht seine Weide sucht und findet, der geht unfehlbar dem Eitlen nach und gerät darüber in Bosheit; gleichwie im Gegenteil an der Bosheit das Giftigste ist, dass es so aus Undank gegen den guten Gott geht, und dass man dabei sein Maul oft so weit auftut und sich in seinem Hochmut so viel rühmt; darum man sagen sollte: So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das tun (Jak. 4,15.16). Wohl dem, dem der Mund zu allem frühzeitigen Rühmen und unzeitigen Klagen gestopft und hingegen zum Beten und Loben desto mehr eröffnet ist! Karl H. Rieger † 1791.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps107
Erläuterungen und Kernworte
V. 43. Wer ist weise, der beachte dies, und merken möge man auf die Hulden des HERRN! Ein nachdrückliches Notabene. Herzlicher Dank für die bereits erzeigte Gnade des HERRN ist die unerlässliche Bedingung ihrer Fortdauer. Wer nicht dankte ist ein Tor; denn er bewirkt, dass sich gar bald das Gewölk des Zornes wieder über ihm sammelt. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.
Der beachte dies. Etwas recht beobachten heißt, wie ein tiefer Ausleger sagt, nicht nur es mit den Augen ansehen, sondern unser Inneres so der Betrachtung eines Gegenstandes zuwenden, dass wir dadurch besser werden. Wie wenige sind es, die in diesem Sinne die Taten der göttlichen Vorsehung betrachten! Willst du durch Beobachten des göttlichen Waltens des HERRN Güte verstehen und geistliche Weisheit erwerben, so lass dein Auge auf dein Herz einwirken. Es gibt viele, die dank der Unachtsamkeit ihres Herzens in den Führungen der Vorsehung nur Ereignisse sehen, statt Taten des lebendigen Gottes. Sie machen es mit dem Buch der Vorsehung, wie Augustinus nach seiner eigenen Klage es in seinem unwiedergeborenen Zustande mit dem Bibelbuch gemacht hat, da er an dasselbe vielmehr mit dem zerteilenden, untersuchenden Scharfsinn des Verstandes herantrat als mit der kindlichen Liebe und dem warmherzigen, demütigen Fleiß des lernbegierigen Schülers. So wenden die Menschen den erhabenen Werken Gottes vielmehr ein scharfes Auge und scharfen Verstand zu, um die natürlichen, politischen und anderen Ursachen und Gründe der Ereignisse aufzufinden, als ein demütiges, vor Gottes Majestät erzitterndes Herz, damit sie an diesen Geschehnissen besser den großen Gott erkennen, lieben, fürchten und anbeten lernen möchten, dessen Taten diese Ereignisse sind. John Collinges † 1690.
Was für Foliobände könnten über die Kundgebungen der göttlichen Vorsehung geschrieben werden! Ich sah einst ein Gemälde (es war ein sogenanntes Küchenstück), in Betreff dessen der Besitzer mit mir eine beliebige Wette eingehen wollte, dass er, wenn ich es noch so lange mit der größten Aufmerksamkeit betrachtet hätte, mir doch noch dies oder jenes daran zeigen wollte, was ich nicht beachtet hätte. Wahrlich, Gottes Vorsehung ist derart; ich kann ihre Werke nie betrachten, nie meine Gedanken sinnend auf Gottes Führungen richten, ohne dass sich neue Beobachtungen meinem Geiste aufdrängen und sich meiner das Gefühl bemächtigt, dass sie unerschöpflich sind. John Collinges † 1690.
Homiletische Winke
Der Psalm im Ganzen gleicht dem Hause des Auslegers in Bunyans Pilgerreise. Dem Christ wird gesagt, dass er dort vortreffliche und nützliche Dinge zu sehen bekommen solle. Die gleiche Zusage entnehmen wir den einleitenden Versen unseres Psalms (V. 1-3), in welchem uns vorgeführt wird: l) der Ursprung dieser vortrefflichen Dinge: die Güte und ewig währende Gnade des HERRN, eine Gnade, die trotz der Unwürdigkeit derer, welchen sie sich zuwendet, nicht versiegt. 2) Ihre Bezeugung: So sollen sagen usw. Zwar erkennen die Menschen sie nicht an, aber die Erlösten des HERRN werden es tun. Die Erfahrungen dieser werden in dem Psalm in Bildern vorgeführt. Möge ein jeder von Gott also zeugen, wie es seine Erlebnisse ihm auferlegen. 3) Ihr Ziel: Preis und Dank. Ja, danket dem HERRN a) für seine allgemeinen Wohltaten, b) für die Erlösung, c) für besondere Errettungen. George Rogers 1878.
V. 1.2.
Dem HERRN zu danken ist allgemein menschliche Pflicht, aber den Dank wirklich darzubringen, bleibt Sache der Erlösten. Besondere Errettungen sollen zu besonderem Lobpreis, besonderem Bezeugen der Wahrheit und besonderem Vertrauen auf Gott führen.
V. 3.
Die Sammlung der Erwählten. 1) Alle gingen in der Irre. 2) Ihre Wege waren sehr verschieden. 3) Aber der HERR wachte über ihnen allen. 4) Alle werden zu Jesu als dem einen Mittelpunkt zusammengebracht. Beachte die mancherlei Wege, auf denen sie zusammengebracht werden, und die verschiedenen Zeiten des Sammelns.
V. 4.
Israel in der Irre (der wandernde Jude) ein Bild des ruhelosen Umherschweifens einer Seele, welche Wahrheit, Frieden, Liebe, Reinheit usw. sucht.
V. 4-9.
Ein treffendes Bild des Falles und Elends des Menschen und seiner Zurechtbringung durch Jesus Christus. 1) Die Menschen gehen von Natur alle in der Irre - sie sind verloren. 2) Wenn sie zu einer richtigen Erkenntnis ihres verlorenen Zustandes gebracht sind, dann rufen sie zu dem Herrn Jesus um Rettung. 3) Er hört auf ihr Schreien und errettet sie aus ihren Ängsten. 4) Für diese herrliche Errettung gebührt ihm ihr Dank. W. Romaine 1767.
V. 5.
Mangel an geistlicher Nahrung führt zum Verschmachten. Die Notwendigkeit, die Seele zu speisen.
V. 6.
1) Gottes Volk ist auf Erden oft in Not und Ängsten. 2) Der Geist Gottes bewirkt in ihnen aber das Flehen zum HERRN. 3) Der HERR schafft einen herrlichen Ausgang.
V. 7.
Gottes Gnade hebt unsere Anstrengungen nicht auf, sondern spornt sie vielmehr an. (Er führte sie ... dass sie gingen.)
V. 8.
Wem Gottes Hilfe zuteil geworden, der möge darauf achten: 1) in welcher Not er gewesen, 2) wie er zu Gott gerufen, 3) wie Gott ihm geholfen, 4) welchen Dank er gebracht, und 5) welchen Dank er noch schuldig geblieben. Bernhard Moll † 1878.
V. 9.
Eine herrliche Wahrheit, durch vielfältige Erfahrung bestätigt. Die Bedingung ihrer Erfahrung (Durst, Hunger), der Wohltäter, der Segen (Gutes), die Wirkung (volle Sättigung). Sodann noch die weitere Folge: Dank, nach V. 8.
V. 12.13.
1) Die elende Lage des von seiner Schuld überzeugten Menschen: gebeugt, erschöpft, am Boden liegend, verlassen. 2) Die schnelle Hilfe: Er rief, rief mitten in der Not, zum HERRN, und der half, half ihm aus allen seinen Ängsten.
V. 13.
Was der Mensch tun muss und was Gott tut. Sie riefen, Er half.
V. 14.
Gott gibt Licht, Leben und Freiheit.
V. 17-22.
1) Die Not der Kranken. 2) Ihre Heilung durch den großen Arzt. 3) Der Dank der Geheilten. W. Romaine 1767.
Ein Besuch im großen Spital des himmlischen Arztes. 1) Name und Kennzeichnung der Kranken: Narren - alle Sünder sind Toren. 2) Die Ursache ihrer Plagen und Trübsale: um ihrer Übertretung und Sünden willen. 3) Die Fortschritte der Krankheit: dass ihnen ekelte vor aller Speise, und: wurden todkrank. 4) Das Eingreifen des Arztes. Beachte a) wann der Arzt kommt: als sie riefen usw.; b) wie sie um Hilfe baten: sie riefen, schrien; c) was der Arzt tat: er half ihnen, machte sie gesund, errettete sie; d) auf welche Weise er dies bewerkstelligte: er sandte sein Wort; e) das Verhalten der Geheilten: sie danken dem HERRN um seine Güte usw., sie fügen zu den Worten des Dankes Dankopfer, zu den Dankopfern das freudige Erzählen seiner Wunderkur.
V. 18.
Die sündenkranke Seele verschmäht alle Einladungen, Erquickungen und Verheißungen, so verlockend sie ihr auch dargeboten werden mögen. Milch ist ihr zu einfach, starke Speise zu schwer, der Wein zu feurig, das Manna zu fade usw.
Der Vers lehrt uns, dass selbst die Lust, das uns Bereitete zu genießen, eine gute Gabe Gottes ist; ferner, dass wenn die Not am größten, der Helfer am nächsten ist. Th. Wilcocks † 1608.
V. 17-20.
Alle Genesung von Krankheit haben wir dem HERRN zuzuschreiben, und wir sollten ihretwegen innig danken. Der Text schildert aber nicht nur leibliche, sondern geistliche und geistige Krankheit. Achten wir I. auf den Kranken, mit dem es aufs äußerste gekommen ist. 1) Er ist ein Tor: von Natur zum Bösen geneigt. 2) Er hat sich als Tor betragen (V. 17, in Übertretung und Sünden). 3) Er hat jetzt alles Verlangen nach Speise verloren, und ihm ist nicht zu helfen. 4) Ja, er ist schon an den Toren des Todes - im Sterben begriffen. 5) Aber er hat angefangen zu beten. II. Die Wunderkur in ihrer Einfachheit. 1) Christus, das ewige Wort, ist die heilende Kraft. Er heilt die Schuld, die eingefleischte Macht, den Kräfteverfall und die üblen Folgen der Sünde. Für jede Gestalt der Krankheit ist in Christo Heilung; darum sollen die Prediger ihn fleißig verkündigen und alle viel über ihn nachsinnen. 2) Das Wort der Schrift ist das Mittel der Heilung: ihre Unterweisungen, Lehren, Vorschriften, Verheißungen, Ermunterungen, Einladungen und Beispiele. 3) Das Wort des HERRN im Herzen durch den Heiligen Geist ist die Anwendung dieses Heilmittels. Er führt zum Glauben. Er ist von der kranken Seele zu begehren. Auf ihn müssen diejenigen vertrauen, welche andere zu dem großen Arzte bringen möchten.
V. 26.
Auf und nieder - gen Himmel, in den Abgrund: Erfahrungen eines von seiner Schuld überführten Sünders.
V. 27.
Des erweckten Sünders Halt- und Ratlosigkeit.
V. 33.34.
Die Szene, die hier mit einer Landschaft voller Anmut und Fruchtbarkeit anfängt, verwandelt sich plötzlich in eine dürre, unfruchtbare Wüste. Die Flüsse sind vertrocknet, die Quellen auf den Hügeln versiegen, und die eben noch so üppigen Gefilde sind versengt und kahl. Als Grund dieser Umwandlung ist angegeben die Bosheit derer, die darinnen wohnten. Das Bild bedarf für Glieder des Volkes Gottes keiner Erklärung. Es entspricht genau dem, was mit ihnen selbst innerlich geschieht, wenn sie in Sünden gefallen sind. George Rogers 1878.
V. 34.
Der Fluch, die Ursache und die Heilung der Unfruchtbarkeit einer christlichen Gemeinde.
V. 35.
Auch für tief in Verfall geratene Gemeinden ist noch Hoffnung, aber nur bei Gott. Er kann erstaunliche Wandlungen bewirken. Er tut es, und er wird es tun, sobald die Ursachen der Unfruchtbarkeit durch Buße hinweggeräumt sind.
V. 35-38.
Hier wandelt sich die Szene wiederum. Die Quellen sprudeln aufs Neue, liebliche Seen blicken zwischen Gesträuch und Blumen hervor, die Hügel sind mit üppigen Weinbergen bekleidet und die Felder wogen von Korn; Fülle herrscht in Stadt und Land, und Menschen und Vieh mehren sich. Auch dieses Bild hat sein Gegenstück im geistlichen Leben. Vergl. Jes. 55,13; 35,1 f. Dieser Szene geht Gebet voraus, wie der früheren Gebet folgte. Eine wüste Öde vorher, ein Garten Eden hernach. George Rogers 1878.
V. 39-41.
Die Szenerie verwandelt sich wieder völlig ins Gegenteil. Es gibt abermals einen Wechsel von Freiheit zu Unterdrückung, von Fülle zu Mangel, von Ehre zu Schande. Dann tritt ebenso plötzlich eine Neubelebung ein. Die Armen und Unterdrückten werden aus ihrem Elend emporgehoben, und die Einsamen sehen sich von einer Familie, zahlreich gleich einer Herde, umgeben. Solches sind die wechselvollen Lebensverhältnisse, durch welche die Glieder des Volkes Gottes hindurchgeführt werden, und dies die Erfahrungen, durch welche sie zu den reinen, vollkommenen und ewigen Freuden des Himmels zubereitet werden. George Rogers 1878.
V. 42.43.
Solch erstaunliche Wandlungen dienen erstens den Frommen zu geistlicher Freude. Sie sehen darin Gottes Walten und freuen sich über die Verherrlichung der göttlichen Vollkommenheiten und die Erweisung seiner Herrschaft über die Menschenkinder. Zweitens dienen sie dazu, den Sündern das Maul zu stopfen, da solche Heimsuchungen in Gericht und Gnade die Torheit aller derer, welche die göttliche Weltregierung leugnen, unwiderleglich erweisen. Drittens dienen sie dazu, allen, welche darauf achten, tief befriedigende Einblicke in Gottes Güte zu gewähren. Matthew Henry † 1714.
V. 43.
Die tiefste und höchste Natur- und Geschichtsforschung.
V. 43. Wer ist weise, der beachte dies, und merken möge man auf die Hulden des HERRN! Ein nachdrückliches Notabene. Herzlicher Dank für die bereits erzeigte Gnade des HERRN ist die unerlässliche Bedingung ihrer Fortdauer. Wer nicht dankte ist ein Tor; denn er bewirkt, dass sich gar bald das Gewölk des Zornes wieder über ihm sammelt. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.
Der beachte dies. Etwas recht beobachten heißt, wie ein tiefer Ausleger sagt, nicht nur es mit den Augen ansehen, sondern unser Inneres so der Betrachtung eines Gegenstandes zuwenden, dass wir dadurch besser werden. Wie wenige sind es, die in diesem Sinne die Taten der göttlichen Vorsehung betrachten! Willst du durch Beobachten des göttlichen Waltens des HERRN Güte verstehen und geistliche Weisheit erwerben, so lass dein Auge auf dein Herz einwirken. Es gibt viele, die dank der Unachtsamkeit ihres Herzens in den Führungen der Vorsehung nur Ereignisse sehen, statt Taten des lebendigen Gottes. Sie machen es mit dem Buch der Vorsehung, wie Augustinus nach seiner eigenen Klage es in seinem unwiedergeborenen Zustande mit dem Bibelbuch gemacht hat, da er an dasselbe vielmehr mit dem zerteilenden, untersuchenden Scharfsinn des Verstandes herantrat als mit der kindlichen Liebe und dem warmherzigen, demütigen Fleiß des lernbegierigen Schülers. So wenden die Menschen den erhabenen Werken Gottes vielmehr ein scharfes Auge und scharfen Verstand zu, um die natürlichen, politischen und anderen Ursachen und Gründe der Ereignisse aufzufinden, als ein demütiges, vor Gottes Majestät erzitterndes Herz, damit sie an diesen Geschehnissen besser den großen Gott erkennen, lieben, fürchten und anbeten lernen möchten, dessen Taten diese Ereignisse sind. John Collinges † 1690.
Was für Foliobände könnten über die Kundgebungen der göttlichen Vorsehung geschrieben werden! Ich sah einst ein Gemälde (es war ein sogenanntes Küchenstück), in Betreff dessen der Besitzer mit mir eine beliebige Wette eingehen wollte, dass er, wenn ich es noch so lange mit der größten Aufmerksamkeit betrachtet hätte, mir doch noch dies oder jenes daran zeigen wollte, was ich nicht beachtet hätte. Wahrlich, Gottes Vorsehung ist derart; ich kann ihre Werke nie betrachten, nie meine Gedanken sinnend auf Gottes Führungen richten, ohne dass sich neue Beobachtungen meinem Geiste aufdrängen und sich meiner das Gefühl bemächtigt, dass sie unerschöpflich sind. John Collinges † 1690.
Homiletische Winke
Der Psalm im Ganzen gleicht dem Hause des Auslegers in Bunyans Pilgerreise. Dem Christ wird gesagt, dass er dort vortreffliche und nützliche Dinge zu sehen bekommen solle. Die gleiche Zusage entnehmen wir den einleitenden Versen unseres Psalms (V. 1-3), in welchem uns vorgeführt wird: l) der Ursprung dieser vortrefflichen Dinge: die Güte und ewig währende Gnade des HERRN, eine Gnade, die trotz der Unwürdigkeit derer, welchen sie sich zuwendet, nicht versiegt. 2) Ihre Bezeugung: So sollen sagen usw. Zwar erkennen die Menschen sie nicht an, aber die Erlösten des HERRN werden es tun. Die Erfahrungen dieser werden in dem Psalm in Bildern vorgeführt. Möge ein jeder von Gott also zeugen, wie es seine Erlebnisse ihm auferlegen. 3) Ihr Ziel: Preis und Dank. Ja, danket dem HERRN a) für seine allgemeinen Wohltaten, b) für die Erlösung, c) für besondere Errettungen. George Rogers 1878.
V. 1.2.
Dem HERRN zu danken ist allgemein menschliche Pflicht, aber den Dank wirklich darzubringen, bleibt Sache der Erlösten. Besondere Errettungen sollen zu besonderem Lobpreis, besonderem Bezeugen der Wahrheit und besonderem Vertrauen auf Gott führen.
V. 3.
Die Sammlung der Erwählten. 1) Alle gingen in der Irre. 2) Ihre Wege waren sehr verschieden. 3) Aber der HERR wachte über ihnen allen. 4) Alle werden zu Jesu als dem einen Mittelpunkt zusammengebracht. Beachte die mancherlei Wege, auf denen sie zusammengebracht werden, und die verschiedenen Zeiten des Sammelns.
V. 4.
Israel in der Irre (der wandernde Jude) ein Bild des ruhelosen Umherschweifens einer Seele, welche Wahrheit, Frieden, Liebe, Reinheit usw. sucht.
V. 4-9.
Ein treffendes Bild des Falles und Elends des Menschen und seiner Zurechtbringung durch Jesus Christus. 1) Die Menschen gehen von Natur alle in der Irre - sie sind verloren. 2) Wenn sie zu einer richtigen Erkenntnis ihres verlorenen Zustandes gebracht sind, dann rufen sie zu dem Herrn Jesus um Rettung. 3) Er hört auf ihr Schreien und errettet sie aus ihren Ängsten. 4) Für diese herrliche Errettung gebührt ihm ihr Dank. W. Romaine 1767.
V. 5.
Mangel an geistlicher Nahrung führt zum Verschmachten. Die Notwendigkeit, die Seele zu speisen.
V. 6.
1) Gottes Volk ist auf Erden oft in Not und Ängsten. 2) Der Geist Gottes bewirkt in ihnen aber das Flehen zum HERRN. 3) Der HERR schafft einen herrlichen Ausgang.
V. 7.
Gottes Gnade hebt unsere Anstrengungen nicht auf, sondern spornt sie vielmehr an. (Er führte sie ... dass sie gingen.)
V. 8.
Wem Gottes Hilfe zuteil geworden, der möge darauf achten: 1) in welcher Not er gewesen, 2) wie er zu Gott gerufen, 3) wie Gott ihm geholfen, 4) welchen Dank er gebracht, und 5) welchen Dank er noch schuldig geblieben. Bernhard Moll † 1878.
V. 9.
Eine herrliche Wahrheit, durch vielfältige Erfahrung bestätigt. Die Bedingung ihrer Erfahrung (Durst, Hunger), der Wohltäter, der Segen (Gutes), die Wirkung (volle Sättigung). Sodann noch die weitere Folge: Dank, nach V. 8.
V. 12.13.
1) Die elende Lage des von seiner Schuld überzeugten Menschen: gebeugt, erschöpft, am Boden liegend, verlassen. 2) Die schnelle Hilfe: Er rief, rief mitten in der Not, zum HERRN, und der half, half ihm aus allen seinen Ängsten.
V. 13.
Was der Mensch tun muss und was Gott tut. Sie riefen, Er half.
V. 14.
Gott gibt Licht, Leben und Freiheit.
V. 17-22.
1) Die Not der Kranken. 2) Ihre Heilung durch den großen Arzt. 3) Der Dank der Geheilten. W. Romaine 1767.
Ein Besuch im großen Spital des himmlischen Arztes. 1) Name und Kennzeichnung der Kranken: Narren - alle Sünder sind Toren. 2) Die Ursache ihrer Plagen und Trübsale: um ihrer Übertretung und Sünden willen. 3) Die Fortschritte der Krankheit: dass ihnen ekelte vor aller Speise, und: wurden todkrank. 4) Das Eingreifen des Arztes. Beachte a) wann der Arzt kommt: als sie riefen usw.; b) wie sie um Hilfe baten: sie riefen, schrien; c) was der Arzt tat: er half ihnen, machte sie gesund, errettete sie; d) auf welche Weise er dies bewerkstelligte: er sandte sein Wort; e) das Verhalten der Geheilten: sie danken dem HERRN um seine Güte usw., sie fügen zu den Worten des Dankes Dankopfer, zu den Dankopfern das freudige Erzählen seiner Wunderkur.
V. 18.
Die sündenkranke Seele verschmäht alle Einladungen, Erquickungen und Verheißungen, so verlockend sie ihr auch dargeboten werden mögen. Milch ist ihr zu einfach, starke Speise zu schwer, der Wein zu feurig, das Manna zu fade usw.
Der Vers lehrt uns, dass selbst die Lust, das uns Bereitete zu genießen, eine gute Gabe Gottes ist; ferner, dass wenn die Not am größten, der Helfer am nächsten ist. Th. Wilcocks † 1608.
V. 17-20.
Alle Genesung von Krankheit haben wir dem HERRN zuzuschreiben, und wir sollten ihretwegen innig danken. Der Text schildert aber nicht nur leibliche, sondern geistliche und geistige Krankheit. Achten wir I. auf den Kranken, mit dem es aufs äußerste gekommen ist. 1) Er ist ein Tor: von Natur zum Bösen geneigt. 2) Er hat sich als Tor betragen (V. 17, in Übertretung und Sünden). 3) Er hat jetzt alles Verlangen nach Speise verloren, und ihm ist nicht zu helfen. 4) Ja, er ist schon an den Toren des Todes - im Sterben begriffen. 5) Aber er hat angefangen zu beten. II. Die Wunderkur in ihrer Einfachheit. 1) Christus, das ewige Wort, ist die heilende Kraft. Er heilt die Schuld, die eingefleischte Macht, den Kräfteverfall und die üblen Folgen der Sünde. Für jede Gestalt der Krankheit ist in Christo Heilung; darum sollen die Prediger ihn fleißig verkündigen und alle viel über ihn nachsinnen. 2) Das Wort der Schrift ist das Mittel der Heilung: ihre Unterweisungen, Lehren, Vorschriften, Verheißungen, Ermunterungen, Einladungen und Beispiele. 3) Das Wort des HERRN im Herzen durch den Heiligen Geist ist die Anwendung dieses Heilmittels. Er führt zum Glauben. Er ist von der kranken Seele zu begehren. Auf ihn müssen diejenigen vertrauen, welche andere zu dem großen Arzte bringen möchten.
V. 26.
Auf und nieder - gen Himmel, in den Abgrund: Erfahrungen eines von seiner Schuld überführten Sünders.
V. 27.
Des erweckten Sünders Halt- und Ratlosigkeit.
V. 33.34.
Die Szene, die hier mit einer Landschaft voller Anmut und Fruchtbarkeit anfängt, verwandelt sich plötzlich in eine dürre, unfruchtbare Wüste. Die Flüsse sind vertrocknet, die Quellen auf den Hügeln versiegen, und die eben noch so üppigen Gefilde sind versengt und kahl. Als Grund dieser Umwandlung ist angegeben die Bosheit derer, die darinnen wohnten. Das Bild bedarf für Glieder des Volkes Gottes keiner Erklärung. Es entspricht genau dem, was mit ihnen selbst innerlich geschieht, wenn sie in Sünden gefallen sind. George Rogers 1878.
V. 34.
Der Fluch, die Ursache und die Heilung der Unfruchtbarkeit einer christlichen Gemeinde.
V. 35.
Auch für tief in Verfall geratene Gemeinden ist noch Hoffnung, aber nur bei Gott. Er kann erstaunliche Wandlungen bewirken. Er tut es, und er wird es tun, sobald die Ursachen der Unfruchtbarkeit durch Buße hinweggeräumt sind.
V. 35-38.
Hier wandelt sich die Szene wiederum. Die Quellen sprudeln aufs Neue, liebliche Seen blicken zwischen Gesträuch und Blumen hervor, die Hügel sind mit üppigen Weinbergen bekleidet und die Felder wogen von Korn; Fülle herrscht in Stadt und Land, und Menschen und Vieh mehren sich. Auch dieses Bild hat sein Gegenstück im geistlichen Leben. Vergl. Jes. 55,13; 35,1 f. Dieser Szene geht Gebet voraus, wie der früheren Gebet folgte. Eine wüste Öde vorher, ein Garten Eden hernach. George Rogers 1878.
V. 39-41.
Die Szenerie verwandelt sich wieder völlig ins Gegenteil. Es gibt abermals einen Wechsel von Freiheit zu Unterdrückung, von Fülle zu Mangel, von Ehre zu Schande. Dann tritt ebenso plötzlich eine Neubelebung ein. Die Armen und Unterdrückten werden aus ihrem Elend emporgehoben, und die Einsamen sehen sich von einer Familie, zahlreich gleich einer Herde, umgeben. Solches sind die wechselvollen Lebensverhältnisse, durch welche die Glieder des Volkes Gottes hindurchgeführt werden, und dies die Erfahrungen, durch welche sie zu den reinen, vollkommenen und ewigen Freuden des Himmels zubereitet werden. George Rogers 1878.
V. 42.43.
Solch erstaunliche Wandlungen dienen erstens den Frommen zu geistlicher Freude. Sie sehen darin Gottes Walten und freuen sich über die Verherrlichung der göttlichen Vollkommenheiten und die Erweisung seiner Herrschaft über die Menschenkinder. Zweitens dienen sie dazu, den Sündern das Maul zu stopfen, da solche Heimsuchungen in Gericht und Gnade die Torheit aller derer, welche die göttliche Weltregierung leugnen, unwiderleglich erweisen. Drittens dienen sie dazu, allen, welche darauf achten, tief befriedigende Einblicke in Gottes Güte zu gewähren. Matthew Henry † 1714.
V. 43.
Die tiefste und höchste Natur- und Geschichtsforschung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps108
PSALM 108 ( & Kommentar)
Überschrift
Ein Psalmlied, oder ein Lied und Psalm Davids, entweder frohlockend als eine Art Nationalhymne zu singen oder feierlich als geistliches Lied. - Wir können es nicht übers Herz bringen, diesen Psalm kurzerhand damit abzufertigen, dass wir den Leser auf Ps. 57,8-12 und Ps. 60,7-14 verweisen, obwohl eine Vergleichung sofort zeigt, dass diese Stücke mit den vorliegenden Versen nahezu völlig übereinstimmen. So einfach verfahren allerdings die meisten Ausleger, und wir nehmen uns nicht die Kühnheit heraus, ihre Weisheit zu bestreiten. Doch halten wir für uns an der Meinung fest, dass diese Worte ohne bestimmten Grund und Zweck nicht wiederholt worden wären, dass diese aber nie ergründet werden könnten, wenn jeder Leser einfach sagte: "Den Abschnitt haben wir ja schon einmal gehabt, also brauchen wir uns nicht mehr damit zu beschäftigen." Der Heilige Geist ist doch nicht so um Ausdrücke verlegen, dass er nötig hätte sich zu wiederholen, und die Wiederholung kann demnach nicht den Zweck haben, nur leere Seiten auszufüllen. Vielmehr muss die Vereinigung von zwei früheren durch den Geist Gottes gewirkten Herzensergüssen zu einem neuen Ganzen von einer Absicht geleitet sein. Ob wir diese entdecken können, ist eine Sache für sich. Unsere Pflicht ist es auf jeden Fall, es ernstlich zu versuchen, und wir haben ein Recht, dabei auf Gottes Beistand zu hoffen.
Wir haben hier Des Kriegshelden Morgenlied vor uns, mit dem er seinen Gott verherrlicht und sein Herz stärkt, ehe er den Kämpfen des Tages entgegengeht. Ähnlich wie jener alte General im Gebet die Hilfe von Seiner Majestät hohem Alliierten anzurufen pflegte, so wendet sich David an seinen Gott und pflanzt in Jehovahs Namen sein Banner auf.
Einteilung
Der erste Teil, V. 2-6, ist ganz von dem heiligen Drang, den HERRN zu preisen, beherrscht, der zweite, V. 7-13, von dem Geiste gläubigen Gebets. Mit V. 14 endet der Psalm in einem Wort glaubensmutigen Entschlusses, mit dem der Held, da er die Kriegstrompete hört, unverzüglich mit seinen Gefährten in die Schlacht rückt.
Auslegung
2.
Gott, es ist mein rechter Ernst;
ich will singen und dichten,meine Ehre auch.
3.
Wohlauf, Psalter und Harfe!
Ich will mit der Frühe auf sein.
4.
Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern;
ich will dir lobsingen unter den Leuten.
5.
Denn deine Gnade reicht, soweit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.
6.
Erhebe dich, Gott, über den Himmel
und deine Ehre über alle Lande.
Diese fünf Vers finden sich fast völlig übereinstimmend in Ps. 57,8-12. Die Abweichungen sind von wenig Bedeutung. Der Hauptunterschied liegt in der Stellung der Verse. Im 57. Psalm folgen diese Worte des Lobpreises auf Gebet und wachsen daraus hervor. Hier dagegen fängt der Dichter sofort damit an, zu singen und zu loben, und betet hernach mit besonderer Zuversicht, so dass man den Eindruck gewinnt, sein Beten sei mehr ein gläubiges Ergreifen der göttlichen Huld und Hilfe als ein eigentliches Erflehen derselben. Bisweilen müssen wir, um uns zum Preisen Gottes aufzuschwingen, Stufe um Stufe auf der Gebetsleiter emporklimmen; in andern Fällen bereiten wir uns dadurch, dass wir Gott zuerst für die in vergangener Zeit erfahrene Güte preisen, innerlich am besten zu, um im Glauben für gegenwärtige und künftige Bedürfnisse bitten zu können. Unter dem Beistand des Geistes Gottes können wir uns sowohl zum Loben emporbeten als auch mit dem Lobpreis des HERRN die matte Seele in die rechte Verfassung zum Bitten bringen. In Ps. 57 sind diese Worte, in der Höhle Adullam gesungen, ein Erguss des Glaubens Davids, da dieser eben seine Kämpfe mit einheimischen Feinden der schlimmsten Art beginnt. Hier dagegen redet er als ein Mann, der schon manchen Feldzug durchgemacht und allen Widerstand, der sich daheim erhoben, niedergerungen hat und nun, da er seinen Blick ringsumher auf Eroberungen richtet, mit eben jenen Worten den unabänderlichen Entschluss zum Ausdruck bringt, Gott zu preisen. So dient der Abschnitt, der einen trefflichen Schluss für den einen Psalm bildete, als nicht minder beachtenswerter Eingang zu einem neuen Psalm. Wir können den Entschluss, unseren HERRN zu verherrlichen, nicht zu oft mit rechtem Ernst erneuern. Auch brauchen wir, wenn wir Gott nahen, nicht zaghaft zu sein, die gleichen Worte zu gebrauchen; denn der HERR, der leere Wiederholungen nicht leiden mag, findet an erkünstelten Veränderungen ebenso wenig Geschmack. Gewisse Ausdrücke sind so trefflich, dass man sie gerne immer wieder gebraucht; wer wollte auch einen Becher aus dem Grunde wegwerfen, weil er schon einmal daraus getrunken hat? Gott soll man mit den besten Worten ehren, und sind uns solche gegeben, so sind sie sicherlich gut genug, abermals benutzt zu werden. Beständig ein und dieselben Worte zu gebrauchen, nie ein neue Lied hören zu lassen, das wäre ein Zeichen arger geistlicher Trägheit und müsste zu totem Formenwesen führen; anderseits dürfen wir aber nicht meinen, neue Ausdrücke seien an sich schon andächtiger, und sollen nicht nach ihnen haschen, als wären sie das eine, was not ist. Es könnte wohl sein, dass unser himmlischer Vater uns hier lehren will, uns nicht darüber zu quälen, wenn uns beim Beten keine große Auswahl passender Ausdrücke zu Gebote steht, sondern dass wir beim Flehen wie beim Loben gleich unserem Heiland in Gethsemane "dieselbigen Worte reden" dürfen.
2. Gott, es ist mein rechter Ernst, wörtl. (wie Ps. 57): mein Herz ist fest, d. h. entschlossen, bereit oder getrost. Trotz der Unruhen des Kriegslebens, trotz der mancherlei Sorgen, die mich bestürmen, ist mein Herz doch fest auf eins gerichtet und lässt sich davon durch nichts mehr abbringen. Deine Gnade hat meine unbeständige Natur überwunden, so dass ich jetzt in entschlossener, entschiedener Seelenverfassung bin. Ich will singen und spielen. (Wörtl.) Mit beiden, mit Gesang und mit Musik, mit der Stimme, die du mir gegeben, und mit Harfe und Leier, will ich dich erhöhen. Selbst wenn ich in der Schlacht das Kriegsgeschrei erhebe, will ich dennoch in meinem Herzen dir singen, und obwohl meine Finger den Bogen spannen müssen, sollen sie doch auch in die Saiten greifen und dein Lob verkündigen. Meine Ehre auch - mit Verstand und Zunge, mit meiner Dichtergabe und musikalischen Fähigkeit und allem, was sonst noch mir Ruhm und Ehre bereitet, will ich dir dienen. Es ist meine Ehre, dass ich sprechen kann und nicht ein stummes Geschöpf bin; deshalb soll meine Stimme deinen Ruhm verkündigen. Meine Ehre ist’s, dass ich Gott kenne und nicht ein Heide bin; darum soll mein erleuchteter Verstand dich anbeten. Meine Ehre ist, dass ich ein Knecht des HERRN und nicht mehr in meinem widergöttlichen Naturzustande bin; so soll deine Gnade in mir dich preisen. Es ist meine Ehre, unsterblich zu sein und nicht ein Stück Vieh, das vergeht; deshalb soll mein Innerstes deine Majestät verherrlichen. Wenn der Psalmist sagt: "Ich will", so liegt darin, dass ihm Versuchungen, davon abzustehen, nicht unbekannt sind; aber diese weist er von sich und macht sich fest entschlossen an die fröhliche Aufgabe. Wer mit rechtem Ernst singt, wird nicht nur einen guten Anfang machen, sondern herzhaft weitersingen und überdies höchst wahrscheinlich auch gut singen.
3. Wohlauf (oder: wache auf), Psalter und Harfe! Sein Herz ist so voll Musik, dass ihm die Stimme allein nicht genügt, das, was er fühlt, zum Ausdruck zu bringen; es drängt ihn, auch in die wohlgestimmten Saiten zu greifen und ihnen etwas von seiner eigenen Lebendigkeit mitzuteilen. Welch wunderbare Veränderung geht doch mit den dürren Saiten vor sich, wenn gewisse Hände darauf spielen! Ist’s nicht in der Tat, als erwachten sie zum Leben, und als verbände sich ihr Leben geheimnisvoll mit dem des Künstlers zu einem Leib und einer Seele, so dass sein Geist sich ihnen mitteilt, seine Seele sie durchzittert? Musik kann ja Gott nur dann angenehm sein, wenn eine wahrhaft ihm begeisterte Seele aus dem Instrument spricht. An tönender Musik als solcher kann der HERR, der Geist ist, kein Wohlgefallen haben; ihm macht nur die denkende Empfindung Freude, die sich darin Ausdruck verschafft. Und wer musikalische Fähigkeit hat, sollte diese liebliche Gabe und die ihm damit verliehene Macht über die Gemüter seiner Mitmenschen viel zu hoch schätzen, als dass er sie irgendwie in den Dienst der Sünde stellen könnte. Ich will mit der Frühe auf sein. Die besten, muntersten Stunden des Tages sollen mich wachen Herzens finden, meinen Gott zu preisen. Wörtlich heißt es: Ich will das Morgenrot wecken. Gar manche Sänger werden das nicht fertig bringen, haben es vielmehr selber dringend nötig, aufgeweckt zu werden; singen sie doch in so langweilig gedehntem Ton, als wären sie halb im Schlaf. Mühsam schleppt die Melodie sich hin, gedanken- und gefühllos werden die Worte abgesungen; der Hörer vernimmt nur geistlose, plumpe Laute, wie wenn der Chor die Töne mechanisch aus einer alten Drehorgel ableierte. O liebe Sänger, wachet auf! Das Singen ist kein Werk für Träumer, sondern erfordert eure besten Kräfte in vollster Frische und Lebendigkeit. Bei allem, was Gottes Dienst und Anbetung betrifft, sollte es der Entschluss eines jeden Teilnehmers sein: Ich will ganz wach und dabei sein. Und wie anders verliefe mancher Tag und manches Leben, wenn Gottes Kinder mehr gleich dem Psalmisten das Morgenrot mit ihren Lobgesängen aufwecken wollten!
4. Ich will dir danken (dich preisen), HERR, unter den Völkern. Wer immer mir zuhören mag, er sei fromm oder gottlos, ein gläubiger Israelit oder ein Heide, ein zivilisierter Mensch oder ein Barbar, ich will mich in meinem Singen und Spielen dem Höchsten zu Ehren nicht stören lassen. Es ist einem fast, als hätte David im Geiste vorausgesehen, dass seine Psalmen noch einst in allen Landen gesungen werden sollten, von Grönlands eisigen Zacken bis hin nach Indiens Korallenstrand. Sein Herz war weit, er hätte mögen das ganze Menschengeschlecht auf seine Freudenpsalmen lauschen sehen - und siehe, sein Wunsch ist nun erfüllt, denn Davids Lieder schallen in allen Landen, allen Sprachen zum Himmel empor. Kein Liederdichter ist so weltbekannt wie er. Er hatte nur ein einziges Thema: Jehovah hat er besungen und niemand sonst. Und weil sein Werk also aus Gold, Silber und Edelgestein gefertigt war, hat es die Feuerprobe der Zeit bestanden und ist in unseren Tagen höher geschätzt denn je. O du glücklicher Mann, der du dir als dein Teil erwählt hast, ein Sänger der Gottesminne zu sein; du bleibst der lorbeergekrönte Dichter des Himmelreichs bis zum Ende der Zeiten. Ich will dir lobsingen unter den Leuten. Diese Worte fügt er nicht nur bei, um das Ebenmaß der Versglieder herzustellen, sondern um seinen festen Entschluss aufs Neue zu bekräftigen. Mit dem Lobe Jehovahs auf den Lippen marschiert er in die Schlacht, und nach errungenem Sieg
sollen die eroberten Städte vom Lob Jehovahs widerhallen. Er ist entschlossen, seine Frömmigkeit mitzunehmen, wohin immer er seine Eroberungen ausdehnt, und die Besiegten sollten nicht Loblieder auf David, sondern den Ruhm des Herrn Zebaoth hören. Ach, dass doch alle, die sich zum HERRN bekennen, das Lob Gottes mit sich trügen, wohin immer sie ihr Weg führt! Die Besorgnis ist nicht unbegründet, dass manche ihre Frömmigkeit dahinten lassen, wenn sie auf Reisen gehen oder gar der Heimat für immer Lebewohl sagen. Die Völker überall auf Erden müssten bald die frohe Botschaft von Jesu kennen, wenn jeder christliche Reisende so innig fromm wäre wie der Psalmist. Leider muss man aber befürchten, dass der Name des HERRN durch viele, die sich nach ihm nennen, unter den Heiden eher verlästert als verherrlicht wird.
5. Denn groß über den Himmel hinaus ist deine Gnade (Grundtext); deshalb dürfen keine Schranken weder des Raumes noch der Zeit noch der Nationalität den Ruhm dieser Gnade hemmen. Wie der Himmel sich über dem ganzen Erdkreis wölbt und die Gnade von oben her auf alle herabströmt, so sollst du, o Gott, auch allenthalben unter dem Himmel gepriesen werden. Die Gnade ist höher denn die Berge, wiewohl diese die Wolken übersteigen. Die Erde vermag nicht all die Fülle der Gnade zu fassen; sie ist so reich, so unermesslich, so unendlich hoch, dass selbst die Himmel von ihr überragt werden. Und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. So fern unser Auge reicht, nehmen wir deine Wahrheit und Treue wahr, und vieles liegt noch weit darüber, von Wolken verhüllt; wir sind jedoch gewiss, dass alles Gnade ist, wie fern und hoch es auch über unserem Gesichtskreis liege. Darum soll unser Lobgesang sich hoch erheben, der Psalm weit erschallen bis in die fernsten Fernen. Hier ist Raum für die mächtigsten Chöre, denn der Gegenstand ist donnernd erschallender Lobgesänge würdig.
6. Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Ehre über alle Lande. Du, der du über Himmel und Erde erhaben bist, erweise dich durch die Offenbarung deiner selbst als der Erhabene über die Himmel hin droben und lass auch die ganze Erde deiner Herrlichkeit inne werden. Andere übersetzen (vergl. die Anm. zu Ps. 57,6). Werde erhoben (d. i. gepriesen), Gott, über den Himmel, und deine Ehre (werde erhoben) über die ganze Erde hin. Hilf, dass der Lobpreis deines Namens der Größe deiner Gnade entspreche. O wenn wir danach Gebet und Lobpreis bemessen wollten, mit welcher Inbrunst würden wir singen! Die ganze Erde mit der sich über ihr wölbenden Riesenkuppel wäre uns noch ein zu kleiner Dom und die gesamten Kräfte der ganzen Menschheit zu schwach für das große Hallelujah. Die Engel müssten wir zu Hilfe laden, und sie kämen gewiss. Ja, sie werden kommen, an jenem Tage, da alle Lande des Lobes des HERRN voll sein werden. Wir sehnen uns nach der Zeit, da Gott von aller Welt im Geist und in der Wahrheit angebetet werden und seine Herrlichkeit, wie sie sich im Evangelium enthüllt, allenthalben in den Herzen erstrahlen wird. Dies ist ein echtes Missionsgebet. David hatte nichts von der Ausschließlichkeit des modernen Juden an sich noch von der Engherzigkeit mancher Namenchristen. Um Gottes willen, damit seine Ehre allenthalben anerkannt werde, verlangte sein Herz danach, Himmel und Erde des Preises Gottes voll zu sehen. Amen, ja, also geschehe es!
Überschrift
Ein Psalmlied, oder ein Lied und Psalm Davids, entweder frohlockend als eine Art Nationalhymne zu singen oder feierlich als geistliches Lied. - Wir können es nicht übers Herz bringen, diesen Psalm kurzerhand damit abzufertigen, dass wir den Leser auf Ps. 57,8-12 und Ps. 60,7-14 verweisen, obwohl eine Vergleichung sofort zeigt, dass diese Stücke mit den vorliegenden Versen nahezu völlig übereinstimmen. So einfach verfahren allerdings die meisten Ausleger, und wir nehmen uns nicht die Kühnheit heraus, ihre Weisheit zu bestreiten. Doch halten wir für uns an der Meinung fest, dass diese Worte ohne bestimmten Grund und Zweck nicht wiederholt worden wären, dass diese aber nie ergründet werden könnten, wenn jeder Leser einfach sagte: "Den Abschnitt haben wir ja schon einmal gehabt, also brauchen wir uns nicht mehr damit zu beschäftigen." Der Heilige Geist ist doch nicht so um Ausdrücke verlegen, dass er nötig hätte sich zu wiederholen, und die Wiederholung kann demnach nicht den Zweck haben, nur leere Seiten auszufüllen. Vielmehr muss die Vereinigung von zwei früheren durch den Geist Gottes gewirkten Herzensergüssen zu einem neuen Ganzen von einer Absicht geleitet sein. Ob wir diese entdecken können, ist eine Sache für sich. Unsere Pflicht ist es auf jeden Fall, es ernstlich zu versuchen, und wir haben ein Recht, dabei auf Gottes Beistand zu hoffen.
Wir haben hier Des Kriegshelden Morgenlied vor uns, mit dem er seinen Gott verherrlicht und sein Herz stärkt, ehe er den Kämpfen des Tages entgegengeht. Ähnlich wie jener alte General im Gebet die Hilfe von Seiner Majestät hohem Alliierten anzurufen pflegte, so wendet sich David an seinen Gott und pflanzt in Jehovahs Namen sein Banner auf.
Einteilung
Der erste Teil, V. 2-6, ist ganz von dem heiligen Drang, den HERRN zu preisen, beherrscht, der zweite, V. 7-13, von dem Geiste gläubigen Gebets. Mit V. 14 endet der Psalm in einem Wort glaubensmutigen Entschlusses, mit dem der Held, da er die Kriegstrompete hört, unverzüglich mit seinen Gefährten in die Schlacht rückt.
Auslegung
2.
Gott, es ist mein rechter Ernst;
ich will singen und dichten,meine Ehre auch.
3.
Wohlauf, Psalter und Harfe!
Ich will mit der Frühe auf sein.
4.
Ich will dir danken, HERR, unter den Völkern;
ich will dir lobsingen unter den Leuten.
5.
Denn deine Gnade reicht, soweit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.
6.
Erhebe dich, Gott, über den Himmel
und deine Ehre über alle Lande.
Diese fünf Vers finden sich fast völlig übereinstimmend in Ps. 57,8-12. Die Abweichungen sind von wenig Bedeutung. Der Hauptunterschied liegt in der Stellung der Verse. Im 57. Psalm folgen diese Worte des Lobpreises auf Gebet und wachsen daraus hervor. Hier dagegen fängt der Dichter sofort damit an, zu singen und zu loben, und betet hernach mit besonderer Zuversicht, so dass man den Eindruck gewinnt, sein Beten sei mehr ein gläubiges Ergreifen der göttlichen Huld und Hilfe als ein eigentliches Erflehen derselben. Bisweilen müssen wir, um uns zum Preisen Gottes aufzuschwingen, Stufe um Stufe auf der Gebetsleiter emporklimmen; in andern Fällen bereiten wir uns dadurch, dass wir Gott zuerst für die in vergangener Zeit erfahrene Güte preisen, innerlich am besten zu, um im Glauben für gegenwärtige und künftige Bedürfnisse bitten zu können. Unter dem Beistand des Geistes Gottes können wir uns sowohl zum Loben emporbeten als auch mit dem Lobpreis des HERRN die matte Seele in die rechte Verfassung zum Bitten bringen. In Ps. 57 sind diese Worte, in der Höhle Adullam gesungen, ein Erguss des Glaubens Davids, da dieser eben seine Kämpfe mit einheimischen Feinden der schlimmsten Art beginnt. Hier dagegen redet er als ein Mann, der schon manchen Feldzug durchgemacht und allen Widerstand, der sich daheim erhoben, niedergerungen hat und nun, da er seinen Blick ringsumher auf Eroberungen richtet, mit eben jenen Worten den unabänderlichen Entschluss zum Ausdruck bringt, Gott zu preisen. So dient der Abschnitt, der einen trefflichen Schluss für den einen Psalm bildete, als nicht minder beachtenswerter Eingang zu einem neuen Psalm. Wir können den Entschluss, unseren HERRN zu verherrlichen, nicht zu oft mit rechtem Ernst erneuern. Auch brauchen wir, wenn wir Gott nahen, nicht zaghaft zu sein, die gleichen Worte zu gebrauchen; denn der HERR, der leere Wiederholungen nicht leiden mag, findet an erkünstelten Veränderungen ebenso wenig Geschmack. Gewisse Ausdrücke sind so trefflich, dass man sie gerne immer wieder gebraucht; wer wollte auch einen Becher aus dem Grunde wegwerfen, weil er schon einmal daraus getrunken hat? Gott soll man mit den besten Worten ehren, und sind uns solche gegeben, so sind sie sicherlich gut genug, abermals benutzt zu werden. Beständig ein und dieselben Worte zu gebrauchen, nie ein neue Lied hören zu lassen, das wäre ein Zeichen arger geistlicher Trägheit und müsste zu totem Formenwesen führen; anderseits dürfen wir aber nicht meinen, neue Ausdrücke seien an sich schon andächtiger, und sollen nicht nach ihnen haschen, als wären sie das eine, was not ist. Es könnte wohl sein, dass unser himmlischer Vater uns hier lehren will, uns nicht darüber zu quälen, wenn uns beim Beten keine große Auswahl passender Ausdrücke zu Gebote steht, sondern dass wir beim Flehen wie beim Loben gleich unserem Heiland in Gethsemane "dieselbigen Worte reden" dürfen.
2. Gott, es ist mein rechter Ernst, wörtl. (wie Ps. 57): mein Herz ist fest, d. h. entschlossen, bereit oder getrost. Trotz der Unruhen des Kriegslebens, trotz der mancherlei Sorgen, die mich bestürmen, ist mein Herz doch fest auf eins gerichtet und lässt sich davon durch nichts mehr abbringen. Deine Gnade hat meine unbeständige Natur überwunden, so dass ich jetzt in entschlossener, entschiedener Seelenverfassung bin. Ich will singen und spielen. (Wörtl.) Mit beiden, mit Gesang und mit Musik, mit der Stimme, die du mir gegeben, und mit Harfe und Leier, will ich dich erhöhen. Selbst wenn ich in der Schlacht das Kriegsgeschrei erhebe, will ich dennoch in meinem Herzen dir singen, und obwohl meine Finger den Bogen spannen müssen, sollen sie doch auch in die Saiten greifen und dein Lob verkündigen. Meine Ehre auch - mit Verstand und Zunge, mit meiner Dichtergabe und musikalischen Fähigkeit und allem, was sonst noch mir Ruhm und Ehre bereitet, will ich dir dienen. Es ist meine Ehre, dass ich sprechen kann und nicht ein stummes Geschöpf bin; deshalb soll meine Stimme deinen Ruhm verkündigen. Meine Ehre ist’s, dass ich Gott kenne und nicht ein Heide bin; darum soll mein erleuchteter Verstand dich anbeten. Meine Ehre ist, dass ich ein Knecht des HERRN und nicht mehr in meinem widergöttlichen Naturzustande bin; so soll deine Gnade in mir dich preisen. Es ist meine Ehre, unsterblich zu sein und nicht ein Stück Vieh, das vergeht; deshalb soll mein Innerstes deine Majestät verherrlichen. Wenn der Psalmist sagt: "Ich will", so liegt darin, dass ihm Versuchungen, davon abzustehen, nicht unbekannt sind; aber diese weist er von sich und macht sich fest entschlossen an die fröhliche Aufgabe. Wer mit rechtem Ernst singt, wird nicht nur einen guten Anfang machen, sondern herzhaft weitersingen und überdies höchst wahrscheinlich auch gut singen.
3. Wohlauf (oder: wache auf), Psalter und Harfe! Sein Herz ist so voll Musik, dass ihm die Stimme allein nicht genügt, das, was er fühlt, zum Ausdruck zu bringen; es drängt ihn, auch in die wohlgestimmten Saiten zu greifen und ihnen etwas von seiner eigenen Lebendigkeit mitzuteilen. Welch wunderbare Veränderung geht doch mit den dürren Saiten vor sich, wenn gewisse Hände darauf spielen! Ist’s nicht in der Tat, als erwachten sie zum Leben, und als verbände sich ihr Leben geheimnisvoll mit dem des Künstlers zu einem Leib und einer Seele, so dass sein Geist sich ihnen mitteilt, seine Seele sie durchzittert? Musik kann ja Gott nur dann angenehm sein, wenn eine wahrhaft ihm begeisterte Seele aus dem Instrument spricht. An tönender Musik als solcher kann der HERR, der Geist ist, kein Wohlgefallen haben; ihm macht nur die denkende Empfindung Freude, die sich darin Ausdruck verschafft. Und wer musikalische Fähigkeit hat, sollte diese liebliche Gabe und die ihm damit verliehene Macht über die Gemüter seiner Mitmenschen viel zu hoch schätzen, als dass er sie irgendwie in den Dienst der Sünde stellen könnte. Ich will mit der Frühe auf sein. Die besten, muntersten Stunden des Tages sollen mich wachen Herzens finden, meinen Gott zu preisen. Wörtlich heißt es: Ich will das Morgenrot wecken. Gar manche Sänger werden das nicht fertig bringen, haben es vielmehr selber dringend nötig, aufgeweckt zu werden; singen sie doch in so langweilig gedehntem Ton, als wären sie halb im Schlaf. Mühsam schleppt die Melodie sich hin, gedanken- und gefühllos werden die Worte abgesungen; der Hörer vernimmt nur geistlose, plumpe Laute, wie wenn der Chor die Töne mechanisch aus einer alten Drehorgel ableierte. O liebe Sänger, wachet auf! Das Singen ist kein Werk für Träumer, sondern erfordert eure besten Kräfte in vollster Frische und Lebendigkeit. Bei allem, was Gottes Dienst und Anbetung betrifft, sollte es der Entschluss eines jeden Teilnehmers sein: Ich will ganz wach und dabei sein. Und wie anders verliefe mancher Tag und manches Leben, wenn Gottes Kinder mehr gleich dem Psalmisten das Morgenrot mit ihren Lobgesängen aufwecken wollten!
4. Ich will dir danken (dich preisen), HERR, unter den Völkern. Wer immer mir zuhören mag, er sei fromm oder gottlos, ein gläubiger Israelit oder ein Heide, ein zivilisierter Mensch oder ein Barbar, ich will mich in meinem Singen und Spielen dem Höchsten zu Ehren nicht stören lassen. Es ist einem fast, als hätte David im Geiste vorausgesehen, dass seine Psalmen noch einst in allen Landen gesungen werden sollten, von Grönlands eisigen Zacken bis hin nach Indiens Korallenstrand. Sein Herz war weit, er hätte mögen das ganze Menschengeschlecht auf seine Freudenpsalmen lauschen sehen - und siehe, sein Wunsch ist nun erfüllt, denn Davids Lieder schallen in allen Landen, allen Sprachen zum Himmel empor. Kein Liederdichter ist so weltbekannt wie er. Er hatte nur ein einziges Thema: Jehovah hat er besungen und niemand sonst. Und weil sein Werk also aus Gold, Silber und Edelgestein gefertigt war, hat es die Feuerprobe der Zeit bestanden und ist in unseren Tagen höher geschätzt denn je. O du glücklicher Mann, der du dir als dein Teil erwählt hast, ein Sänger der Gottesminne zu sein; du bleibst der lorbeergekrönte Dichter des Himmelreichs bis zum Ende der Zeiten. Ich will dir lobsingen unter den Leuten. Diese Worte fügt er nicht nur bei, um das Ebenmaß der Versglieder herzustellen, sondern um seinen festen Entschluss aufs Neue zu bekräftigen. Mit dem Lobe Jehovahs auf den Lippen marschiert er in die Schlacht, und nach errungenem Sieg
sollen die eroberten Städte vom Lob Jehovahs widerhallen. Er ist entschlossen, seine Frömmigkeit mitzunehmen, wohin immer er seine Eroberungen ausdehnt, und die Besiegten sollten nicht Loblieder auf David, sondern den Ruhm des Herrn Zebaoth hören. Ach, dass doch alle, die sich zum HERRN bekennen, das Lob Gottes mit sich trügen, wohin immer sie ihr Weg führt! Die Besorgnis ist nicht unbegründet, dass manche ihre Frömmigkeit dahinten lassen, wenn sie auf Reisen gehen oder gar der Heimat für immer Lebewohl sagen. Die Völker überall auf Erden müssten bald die frohe Botschaft von Jesu kennen, wenn jeder christliche Reisende so innig fromm wäre wie der Psalmist. Leider muss man aber befürchten, dass der Name des HERRN durch viele, die sich nach ihm nennen, unter den Heiden eher verlästert als verherrlicht wird.
5. Denn groß über den Himmel hinaus ist deine Gnade (Grundtext); deshalb dürfen keine Schranken weder des Raumes noch der Zeit noch der Nationalität den Ruhm dieser Gnade hemmen. Wie der Himmel sich über dem ganzen Erdkreis wölbt und die Gnade von oben her auf alle herabströmt, so sollst du, o Gott, auch allenthalben unter dem Himmel gepriesen werden. Die Gnade ist höher denn die Berge, wiewohl diese die Wolken übersteigen. Die Erde vermag nicht all die Fülle der Gnade zu fassen; sie ist so reich, so unermesslich, so unendlich hoch, dass selbst die Himmel von ihr überragt werden. Und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. So fern unser Auge reicht, nehmen wir deine Wahrheit und Treue wahr, und vieles liegt noch weit darüber, von Wolken verhüllt; wir sind jedoch gewiss, dass alles Gnade ist, wie fern und hoch es auch über unserem Gesichtskreis liege. Darum soll unser Lobgesang sich hoch erheben, der Psalm weit erschallen bis in die fernsten Fernen. Hier ist Raum für die mächtigsten Chöre, denn der Gegenstand ist donnernd erschallender Lobgesänge würdig.
6. Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Ehre über alle Lande. Du, der du über Himmel und Erde erhaben bist, erweise dich durch die Offenbarung deiner selbst als der Erhabene über die Himmel hin droben und lass auch die ganze Erde deiner Herrlichkeit inne werden. Andere übersetzen (vergl. die Anm. zu Ps. 57,6). Werde erhoben (d. i. gepriesen), Gott, über den Himmel, und deine Ehre (werde erhoben) über die ganze Erde hin. Hilf, dass der Lobpreis deines Namens der Größe deiner Gnade entspreche. O wenn wir danach Gebet und Lobpreis bemessen wollten, mit welcher Inbrunst würden wir singen! Die ganze Erde mit der sich über ihr wölbenden Riesenkuppel wäre uns noch ein zu kleiner Dom und die gesamten Kräfte der ganzen Menschheit zu schwach für das große Hallelujah. Die Engel müssten wir zu Hilfe laden, und sie kämen gewiss. Ja, sie werden kommen, an jenem Tage, da alle Lande des Lobes des HERRN voll sein werden. Wir sehnen uns nach der Zeit, da Gott von aller Welt im Geist und in der Wahrheit angebetet werden und seine Herrlichkeit, wie sie sich im Evangelium enthüllt, allenthalben in den Herzen erstrahlen wird. Dies ist ein echtes Missionsgebet. David hatte nichts von der Ausschließlichkeit des modernen Juden an sich noch von der Engherzigkeit mancher Namenchristen. Um Gottes willen, damit seine Ehre allenthalben anerkannt werde, verlangte sein Herz danach, Himmel und Erde des Preises Gottes voll zu sehen. Amen, ja, also geschehe es!
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)