Zweiter Abschnitt.
Die evangelische Kirche in Frankreich, Belgien, Skandinavien, Russland und Österreich-Ungarn.
III. Dänemark. (Teil2)
Martensen hat auch in dem „politischen Sokrates“, in dem liberalen Kultusminister Ditlev Gothard Monrad († 1887), der einst den Mut nicht verlieren wollte nach dem Fall des Danevirke, dann aber in den ewigen Urwäldern Neuseelands politische Träume träumte, zeitweise einen Gegner gehabt. Monrads Begabung lag auf dem asketischen Gebiet. Er hat sich in der Welt des Gebetes und in der Welt der Seele bewegt. Letztere dachte er sich als ewig wie Gott, mit dem Recht der Selbstbestimmung, darum müsse auch das allgemeine Stimmrecht herrschen. Mit Hilfe des beliebten, vorsichtigen Dichters Ingemann brachte Martensen ein neues Gesangbuch 1854 zustande, das sog. Kovents Psalmebog. Auch Luthers Katechismus wurde wieder eingeführt mit Balslevs Erklärung; die erweiterten Konvente der Pröbste und Pastoren belebten die kirchliche Tätigkeit, 1871 erschien eine revidierte Bibel. Freilich mit seinen Verfassungsgedanken hatte Martensen kein Glück.
Er wollte das konsistoriale und bischöfliche Element stärken, während Claussen in der Kirchenkommission von 1854 das synodale betonte. Man verurteilte die Pastorenkirche. Das Ministerium hatte für alle diese Bemühungen keine Bereitwilligkeit des Entgegenkommens. Das Jahr 1848 hatte einst volle Religionsfreiheit gebracht, bis dahin waren noch die Kinder von Baptisten-Eltern dem kirchlichen Taufzwang unterworfen gewesen, aber noch immer war die lutherische Kirche die allein anerkannte, die der König als Oberbischof und unter ihm der Kultminister und die Volksvertretung leiteten. Schwankende Majoritäten regierten in der letzteren auch die Kirche. Wohl war das kirchliche und religiöse Leben erwacht, aber für Verfassungsfragen war kein Sinn vorhanden. Die Juristen schenkten der Volkskirche keine Teilnahme und die Grundtvigianer arbeiteten für völlige Freilassung der Pastoren und Gemeinen an ihr individuelles Belieben. Ihre leidenschaftliche Agitation erreichte wenigstens, dass die Konfirmation vom Könige freigegeben und der Parochialverband gelöst wurde (1855). 1873 gestattete ein Gesetz die Bildung von Wahlgemeinen in der Volkskirche; die Befürchtung, dass die Grundtvigschen Freiheitsideen die Volkskirche zerstören würden, hat sich bis jetzt nicht erfüllt. Im Jahre 1880 bestanden acht Wahlgemeinen; der Grundtvigianismus ist konsequent liberal und radikal geworden. Man pflegt den Neurationalismus und ist zur Bildung einer vom Staate nicht anerkannten freien Gemeinde gekommen. Ein entlassener Pastor H. Jensen verbreitet radikale biblische Kritik, doch dürfen solche Lehren nicht von den Kanzeln verkündet werden. 1883 hat die Regierung die Erlaubnis gegeben, dass sich die Bischöfe des Reiches von Zeit zu Zeit zur Beratung innerkirchlicher Fragen versammeln dürfen. Das Werk der inneren Mission wurde von Pastor Rönne angeregt. Für die Hauptstadt ein Zweig derselben mit dem Blatte: Bethesda, und ein anderer für das Land mit dem Blatte: Innere Missionszeitung, mit 14 000 Abonnenten; Leiter: Pastor Beck. Mancher methodistische Unfug mit den „Heiligen“ wird hier getrieben. Die Pastoren Blädel und Frimodt († 1879) und Harald Stein sind hier tätig gewesen;202 ersterer auch der eifrige Förderer von Kirchenbauten in den Vorstädten Kopenhagens. Pastor Hans Knudsen († 1886) widmete sich der Pflege von verkrüppelten Kindern. Der Privatmann Clausen betreibt die Mission in den Häusern der am stärksten bevölkerten Stadtquartiere. Bei vielfach verbreiteter Gleichgültigkeit sind die Dänen doch auch eifrige Predigtleser und Predigthörer. Die Traktat Gesellschaft (gegr. 1843) entfaltet eine reiche Wirksamkeit; auch die Tagesblätter werden von der Geistlichkeit vielfach benutzt. Man zählt in der Hauptstadt auf 11 000 Seelen einen Pastor. Für den geschmackvollen Bau von Bethesda kamen in kurzer Zeit 165 000 Mark freiwillige Gaben zusammen: eine Diakonissenanstalt, die nach dem Wunsche der Königin auf dem Boden der Volkskirche stehen sollte. Sie hat ein Organ in der Föbe und 1883 eine Einnahme von 91 383 Mark. Die innere Mission hat ungefähr 100 Missionshäuser und 80 Laienprediger. Sie gewinnt durch Festigkeit und Einmütigkeit an Boden. Von der inneren Missionseinrichtung ist ein Gemeindekonvent gebildet aus 90 Geistlichen und Laien aus dem ganzen Lande: Vertreter „der lebendigen Gemeinde.“ Eine pietistisch-methodistische Bewegung, die sog. Trandbergsche, ergriff die abgelegene Insel Bornholm. Da Dänemark kein Dissentergesetz hat, ist das Inselland das Paradies vielfacher Sektiererei. Das Mormonentum mit einer Kirche in Kopenhagen (obwohl ungesetzlich), der Irvingismus und der Methodismus, der Baptismus (3500 Seelen), sind mit großem Erfolge tätig; 1851 hat man für die Dissenter, für die gemischten Ehen die Zivilehe eingeführt. In Kopenhagen 1891 200 Fälle davon. Auch eine ansehnliche katholische Gemeine hat sich in der Hauptstadt gebildet, der von Martensen unterrichtete Prinz Waldemar heiratete eine Tochter aus dem Hause der Orleans, willigte aber nicht in die katholische Erziehung der Kinder ein . Pastor Schepelern erklärt in einer Reihe von Flugschriften die Irrtümer des Papismus. Scharen von barmherzigen Schwestern stellen die Römischen ins Feld. Weil in Dänemark alles Orden sein muss, vereinigt sich auch die Temperenz-Bewegung im Good-Templar-Orden, auf weltlicher Grundlage. Auch die Heilsarmee hat sich festgesetzt.
Am 3. Februar 1884 ist Martensen gestorben. Am 2. Sept. 1872 war Grundtvig 89 Jahre alt entschlafen: ein Mann feurigen Blickes, mit langem, weißem Barte. Nie sah Kopenhagen ein Begräbnis wie das des „Propheten des Nordens“.203 Ein Prophet im Sinne der Schrift war er nicht. Die dänische Missionsgesellschaft hatte 1890 eine Einnahme von 95 851 Kronen, Ausgabe 83 650 Kronen. Im Lande bestehen 471 Missionsvereine, welche durch eine besondere Verordnung vom November 1889 ihre Organisation erhalten haben. Jeder Kreisverein muss wenigstens 25 Mitglieder zählen und jährlich mindestens 50 Kronen an die Missionskasse beitragen, außerdem was sonst gesammelt wird. Jeder Missionsverein sendet an die Missionskonferenz einen stimmberechtigten Vertreter. Das oberste Missionskomitee besteht aus 10 Mitgliedern, der jetzige Präsident ist der Probst J. Vahl. Eine Missionsschule mit 2 Lehrern, 6 Schülern. Die dänische Mission arbeitet auf den Stationen von Puttambaukam, Tricolore und Arcas. Auch unter den Santals in Bengalen. Hier wirkt der Norwege Skrefsrud, der schließlich Freimaurer wurde. Die Santal-Mission zählt jetzt 6000 Getaufte. Auch Grönland ist ein Feld der dänischen Mission (etwa 7000 Seelen). Von der Santalistanischen Missionsgemeine zu Assam hat sich eine selbstständige Mission unter dem Volke der Metschen abgezweigt. Eine Seemanns- und eine Auswanderermission sind im Auslande tätig. Der Präsident einer Missionsschule war Dr. Kalkar († 1886). 1884 hatte die dänische Missionsgesellschaft 58 907 Kronen Einnahme. 1885 war ein Kapitalvermögen von 21 705 Kronen vorhanden. Die SantalMission hatte 1884 eine Einnahme von 17 825 Kronen; 1886 55 336 Mark. Die katholischen 7 Gemeinen zählen 4000 Seelen. Geld und Versprechungen mehren die Bekehrten. Die romanisierenden Tendenzen der Lutheraner haben den Einfluss Roms gefördert. Ein dänischer Janssen ist in der Person eines pensionierten lutherischen Propstes erstanden. Der Priester Hansen arbeitet an einer Kirchengeschichte, in der römisches Licht alles erleuchten soll. Die Sonntagsentheiligung ist erschreckend, (ein Gesetz vom Mai 1889 hat für die Fabriken die Sonntagsruhe geregelt), Unsittlichkeit und Freimaurerei beherrschen die hohen Stände. Sozialismus und Frauenemanzipation sind die Frucht maßloser Freiheitsphrasen auch auf theologischer Seite, wo auch die Leichenreden nach verschiedenen Taxen tief das Ansehen der Kirche schädigen. Das Christentum erhebt zum Leben so ruft der Grundtvigianismus die Theologie erstickt zum Tode. Theologie und Gedankenfreiheit sind unvereinbare Gegensätze. In dem Buche von Gleiß (1882): „Aus dem evangelischen Norden“ Lernen wir die jetzige Predigtweise kennen. Angesehen in Kopenhagen ist Jak. Paulli, Kgl. Konfessionarius. Bekannt ist auch auswärts der Professor Scharling († 1877), den Reuß den ausgezeichnetsten unter den lebenden Bibelforschern Dänemarks nannte. Er hat auch durch eine Schrift über Grundtvig oder Luther den ersteren als unlutherisch verworfen. Der neue Kultusminister Goos hat einen Gesetzentwurf dem Reichstag vorgelegt, nach welchem auf Kosten der Staatskasse innerhalb 6 Jahren 31 Kirchen und 13 Kapellen neu erbaut und 12 neue Pfarrämter errichtet werden sollen.
zu.202 Vergl. die Monatsschrift für innere Mission vom Jahre 1881: Mittheilungen von dem unermüdlichen Dolmetscher dänisch-kirchlicher Literatur. Pastor Michelsen in Lübeck.
zu.203 Sein Leben von Pry (1871) und Kaftan (1876).
A. Zahn"Abriss einer Geschichte der evangelischen Kirche auf dem europäischen Festlande im neunzehnten Jahrhundert"
Moderator: Joschie
A. Zahn"Abriss einer Geschichte der evangelischen Kirche auf dem europäischen Festlande im neunzehnten Jahrhundert"
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31
A. Zahn"Abriss einer Geschichte der evangelischen Kirche auf dem europäischen Festlande im neunzehnten Jahrhundert"
Zweiter Abschnitt.
Die evangelische Kirche in Frankreich, Belgien, Skandinavien, Russland und Österreich-Ungarn.
IV. Schweden
Literatur: A. E. Knös, die schwedische Kirchenverfassung, 1852. R. Sundelin, Svenska Kyrkans och statens förhallande till hvarandra, 1872. Ähnliche Schriften von Rydén und Westerling. Die Stockholmer Protokolle und Jahresberichte der Generalsynoden und der verschiedenen Gesellschaften. Die Kirche und Schule Schwedens von Esaias Tegnér, 1837. Nordisk Revy, 1883 ff. C. A. Cornelius, die Kirchengesch. d. neunzehnten Jahrh., 1879.
Eine die schwedische Kirche lebhaft charakterisierende Eigentümlichkeit ist die starke Beteiligung des Laienelements an geistlicher Tätigkeit. Zunächst ist dieses auch in den Verfassungsformen stark vertreten. Die schwedische Kirchenversammlung, die neben dem Könige, seinem Kirchenminister und dem Reichstag die Kirche leitet, besteht zur Hälfte aus Laien. In den Domkapiteln sind diese sogar in der Mehrheit. Der Kirchenrat und der Schulrat sind in den Parochialgemeinen von großem Einfluss. Ja, jede Gemeine kann eine Kirchenzusammenkunft halten, in der ein Wahlrecht für geistreiche Anstellungen geübt wird. Das Volk hat ein großes Recht in allen kirchlichen Beziehungen. Aber noch viel weiter geht diese Tätigkeit der Laien: dieselben treten überall predigend und lehrend auf. Die Anregung dazu haben namentlich erst seit 1700 die pietistischen und dann seit 1740 die herrnhutischen Konventikel gegeben. Man nannte ihre Anhänger Leser wegen ihres Studiums der Bibel und der Schriften Luthers. Sie machten keine eigentlichen Separatisten aus und besuchten fleißig die Gottesdienste. Sie wollten nur ausüben, was die Kirche bekannte, und dies mit strengster Feier des Sabbats. Eine ernste, fast düstere Frömmigkeit. Die Trunkenheit schwand unter ihnen, Eide und Schwüre hörte man nicht. Sie glaubten, die Geistlichen wohl zu erkennen, die vom Geist geleitet wurden. Ihre besonderen Konventikel waren ihre Freude. Nahm die Bewegung der Leser auch ab, so blieb doch überall die Lust an der Laientätigkeit, und als nun 1858 die Konventikel Gesetze aufgehoben wurden und die Mitglieder der Kirche ohne die unmittelbare Leitung der gehörigen Geistlichkeit zusammen kommen konnten, blühte die Laientätigkeit so zuchtlos und wuchernd auf, dass neben den ordentlichen Kirchen in großer Zahl Missionskirchen entstanden, in denen die Laien oft gleichzeitig wie dort Gottesdienste hielten. Mit Verirrungen in der Lehre und Praxis, in allezeit Traurige und allezeit Fröhliche geteilt. Man wollte aber dabei in der Volkskirche bleiben, deren Taufe man noch immer hochachtete. Als nach englisch-amerikanischem Muster in neuer Zeit eine Erweckung das Land durchzog, trat der theologisch gebildete Lektor Waldenström an der lateinischen Schule zu Gefle an die Spitze und förderte mit großer Begabung, obwohl in der Genugtuungslehre ketzerisch, die ungebundene Laientätigkeit. Man bildete Abendmahlsvereine. Eine eigentümliche Aktiengesellschaft übernahm seine Zeitschrift „Pietisten“ und seine Schriften. Natürlich wurde durch die Freigebung der Konventikel auch das Dissertentum mächtig gefördert. Erst 1858 war das Gesetz der Landesverweisungsstrafe wegen Abfalls von der Landesreligion aufgehoben worden, und 1860 das erste Dissidentengesetz erlassen, obwohl eingewanderte Ausländer der verschiedenen Religionen schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts freie Religionsübung hatten.
1873 erschien auch ein sehr liberales Dissentengesetz und nun haben sich die Baptisten (1879 gab es 18 928, 1890 34 814 in Schweden), die Methodisten, die Adventisten, die Irvingianer, die Swedenborger, die Mormonen und Positivisten vermehrt. Die Freunde des Amerikaners Theodor Parker204, dieses glühenden, sich selbst aufreibenden Unitariers und Feindes der Sklaverei, schlossen sich zu einer Gesellschaft der Wahrheitssucher und einem Schwedischen Protestantenverein zusammen. Atheismus und Theismus stritten sich hier. Zu besonderem Ansehen kam die methodistisch episkopale Kirche, die 1892 78 legalisierte Kirchen hatte.
Obwohl von diesen vielen Sekten geschädigt, ist doch die schwedische Kirche noch eine von großer Teilnahme des Volkes getragene und die Zeit, wo Staat und Kirche sich trennen könnten, liegt fern. Am Anfang dieses Jahrhunderts steht in dem Stifte Wexjö der Dichter schönster Sprache, der Bischof Esaias Tegnér, da. Seine Frithjofs-Saga wanderte durch alle Welt. „Der Rationalismus“, sagte er, „ist eine nackte Einseitigkeit, ohne Gehalt für die Wissenschaft, ohne Farbe für die Phantasie und ohne Trost für das Herz.“ Doch hat er auch zu H. Leo gesagt: Solchen Unsinn wie die justificatio vicaria hat man in Schweden völlig beiseite geworfen. Er hat die Kirche und Schule namentlich seines Stiftes beschrieben († 1846). Wir nennen auch Dr. Peter Fjellstedt und Dr. Andres Fryxell. Ersterer wunderbar sprachbegabt, in der Mission lange tätig, in der Türkei dann Herausgeber von Lehrbüchern und einer revidierten Übersetzung der Bibel, ist er zuletzt an der Missionsanstalt in Lund, wo er die Schrift erklärt, ein preisgekröntes Andachtsbuch für Gefangene und die symbolischen Bücher herausgibt. Halle machte ihn zum Doktor der Theologie. Er stirbt 1881. Emilia Ahnfelt-Laurin hat sein Leben beschrieben (1881). Der andere Schwede war erst Probst im nördlichen Wermland und dann ohne Amt angesehener Historiker. Seine Berichte aus der Geschichte Schwedens wurden vielfach übersetzt. Wie so mancher schwedische Pastor ist auch er hochalt geworden († 1881). Auf den beiden Universitäten Upsala und Lund wird orthodox lutherisch gelehrt, wenn auch in Schwankungen zwischen Kliefoth und Beck. Die Kirchenzeitung mehr lutherisch, der Kirchenfreund im Sinne der ev. Allianz. Die Liturgie von 1809 hat den Gottesdienst geordnet. Ein dreifaches Perikopen System besteht. Das 1819 eingeführte Psalmbuch des Erzbischofs Wallin, gegen das einst die Leser protestierten, hat alles Beste und Gehaltvollste nur mit leichter Hand umgearbeitet aufgenommen. „Viele dieser Gesänge sind die Ehre der Kirche und des Landes.“ 1878 geschah die Einführung einer neuen Erklärung des luth. Katechismus. Eine revidierte Übersetzung des N. T. hat 1883 Anerkennung gefunden. Seit 1836 wirkt eine „Schwedische Missionsgesellschaft“ unter Lappen und seit 1874 die schwedische Kirche selbst unter Tamulen und neuerdings auch unter den Zulus. Etwa 15 Missionare und eine Einnahme von über 160 000 Mark. Weiter die seit 1856 entstandene einflussreiche „evangelische vaterländische Stiftung“, die Bibelboten zum Predigtdienst bildet und dann auch nach Ostafrika und zu den Gouden in Ostindien Missionare sandte. 1891 waren die Einnahmen 272 875 Mark. Sie wirkt auf Grund des ev. luth. Bekenntnisses und im freien Anschluss an die Landeskirche. Der separatistische „schwedische Missionsbund“ (seit 1879) umfasste 1891 735 Missionsvereine. Viele andere Vereine bestehen daneben. Es sind bedeutende Summen, die dahin zusammenfließen. Vergl. Zöckler, Comp. Religionsstatistik im Handbuch.
Am 28. November 1830 hatte man das tausendjährige Fest der Einführung des Christentums in Schweden begangen. Am 6. November 1832 feierte man nach 200 Jahren das Gedächtnis „des großen königlichen Märtyrers: es war ein Sabbat mitten in den Werkeltagen des Lebens“; nach 250 Jahren sprach König Oskar bei gleicher Gelegenheit: „Des großen Königs Andenken soll ferner leben, so lange in Schweden ein Volk lebt, das Gott den Herrn fürchtet.“ Zwei reiche Großhändler schenkten dabei der Universität Upsala 120 000 Kronen. Von schwedischen Theologen ist auswärts G. v. Scheele bekannt, der jetzt auch mit dem Lektor Dr. Ullmann eine neue Quartalschrift herausgibt: „Tidskrift för kristlig tro och bildning“. 1885 ist eine christliche Tageszeitung geschaffen, der 204 Sein Leben von Weiß (1863), Réville (1866) und Frotinghäm (1876).
Redakteur ist der Kandidat Torelius in Stockholm. Man klagt viel über die Unsittlichkeit der Hauptstadt, die dadurch noch vermehrt wird, dass es verboten ist, nach dem Namen der Mutter von einem unehelichen Kinde zu forschen. Ein schwed. Landpastor tritt uns in Hermann Wilhelm Ulff entgegen, von dem ein Lebensbild gegeben ist.
zu.204 Sein Leben von Weiß (1863), Réville (1866) und Frotinghäm (1876)
Die evangelische Kirche in Frankreich, Belgien, Skandinavien, Russland und Österreich-Ungarn.
IV. Schweden
Literatur: A. E. Knös, die schwedische Kirchenverfassung, 1852. R. Sundelin, Svenska Kyrkans och statens förhallande till hvarandra, 1872. Ähnliche Schriften von Rydén und Westerling. Die Stockholmer Protokolle und Jahresberichte der Generalsynoden und der verschiedenen Gesellschaften. Die Kirche und Schule Schwedens von Esaias Tegnér, 1837. Nordisk Revy, 1883 ff. C. A. Cornelius, die Kirchengesch. d. neunzehnten Jahrh., 1879.
Eine die schwedische Kirche lebhaft charakterisierende Eigentümlichkeit ist die starke Beteiligung des Laienelements an geistlicher Tätigkeit. Zunächst ist dieses auch in den Verfassungsformen stark vertreten. Die schwedische Kirchenversammlung, die neben dem Könige, seinem Kirchenminister und dem Reichstag die Kirche leitet, besteht zur Hälfte aus Laien. In den Domkapiteln sind diese sogar in der Mehrheit. Der Kirchenrat und der Schulrat sind in den Parochialgemeinen von großem Einfluss. Ja, jede Gemeine kann eine Kirchenzusammenkunft halten, in der ein Wahlrecht für geistreiche Anstellungen geübt wird. Das Volk hat ein großes Recht in allen kirchlichen Beziehungen. Aber noch viel weiter geht diese Tätigkeit der Laien: dieselben treten überall predigend und lehrend auf. Die Anregung dazu haben namentlich erst seit 1700 die pietistischen und dann seit 1740 die herrnhutischen Konventikel gegeben. Man nannte ihre Anhänger Leser wegen ihres Studiums der Bibel und der Schriften Luthers. Sie machten keine eigentlichen Separatisten aus und besuchten fleißig die Gottesdienste. Sie wollten nur ausüben, was die Kirche bekannte, und dies mit strengster Feier des Sabbats. Eine ernste, fast düstere Frömmigkeit. Die Trunkenheit schwand unter ihnen, Eide und Schwüre hörte man nicht. Sie glaubten, die Geistlichen wohl zu erkennen, die vom Geist geleitet wurden. Ihre besonderen Konventikel waren ihre Freude. Nahm die Bewegung der Leser auch ab, so blieb doch überall die Lust an der Laientätigkeit, und als nun 1858 die Konventikel Gesetze aufgehoben wurden und die Mitglieder der Kirche ohne die unmittelbare Leitung der gehörigen Geistlichkeit zusammen kommen konnten, blühte die Laientätigkeit so zuchtlos und wuchernd auf, dass neben den ordentlichen Kirchen in großer Zahl Missionskirchen entstanden, in denen die Laien oft gleichzeitig wie dort Gottesdienste hielten. Mit Verirrungen in der Lehre und Praxis, in allezeit Traurige und allezeit Fröhliche geteilt. Man wollte aber dabei in der Volkskirche bleiben, deren Taufe man noch immer hochachtete. Als nach englisch-amerikanischem Muster in neuer Zeit eine Erweckung das Land durchzog, trat der theologisch gebildete Lektor Waldenström an der lateinischen Schule zu Gefle an die Spitze und förderte mit großer Begabung, obwohl in der Genugtuungslehre ketzerisch, die ungebundene Laientätigkeit. Man bildete Abendmahlsvereine. Eine eigentümliche Aktiengesellschaft übernahm seine Zeitschrift „Pietisten“ und seine Schriften. Natürlich wurde durch die Freigebung der Konventikel auch das Dissertentum mächtig gefördert. Erst 1858 war das Gesetz der Landesverweisungsstrafe wegen Abfalls von der Landesreligion aufgehoben worden, und 1860 das erste Dissidentengesetz erlassen, obwohl eingewanderte Ausländer der verschiedenen Religionen schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts freie Religionsübung hatten.
1873 erschien auch ein sehr liberales Dissentengesetz und nun haben sich die Baptisten (1879 gab es 18 928, 1890 34 814 in Schweden), die Methodisten, die Adventisten, die Irvingianer, die Swedenborger, die Mormonen und Positivisten vermehrt. Die Freunde des Amerikaners Theodor Parker204, dieses glühenden, sich selbst aufreibenden Unitariers und Feindes der Sklaverei, schlossen sich zu einer Gesellschaft der Wahrheitssucher und einem Schwedischen Protestantenverein zusammen. Atheismus und Theismus stritten sich hier. Zu besonderem Ansehen kam die methodistisch episkopale Kirche, die 1892 78 legalisierte Kirchen hatte.
Obwohl von diesen vielen Sekten geschädigt, ist doch die schwedische Kirche noch eine von großer Teilnahme des Volkes getragene und die Zeit, wo Staat und Kirche sich trennen könnten, liegt fern. Am Anfang dieses Jahrhunderts steht in dem Stifte Wexjö der Dichter schönster Sprache, der Bischof Esaias Tegnér, da. Seine Frithjofs-Saga wanderte durch alle Welt. „Der Rationalismus“, sagte er, „ist eine nackte Einseitigkeit, ohne Gehalt für die Wissenschaft, ohne Farbe für die Phantasie und ohne Trost für das Herz.“ Doch hat er auch zu H. Leo gesagt: Solchen Unsinn wie die justificatio vicaria hat man in Schweden völlig beiseite geworfen. Er hat die Kirche und Schule namentlich seines Stiftes beschrieben († 1846). Wir nennen auch Dr. Peter Fjellstedt und Dr. Andres Fryxell. Ersterer wunderbar sprachbegabt, in der Mission lange tätig, in der Türkei dann Herausgeber von Lehrbüchern und einer revidierten Übersetzung der Bibel, ist er zuletzt an der Missionsanstalt in Lund, wo er die Schrift erklärt, ein preisgekröntes Andachtsbuch für Gefangene und die symbolischen Bücher herausgibt. Halle machte ihn zum Doktor der Theologie. Er stirbt 1881. Emilia Ahnfelt-Laurin hat sein Leben beschrieben (1881). Der andere Schwede war erst Probst im nördlichen Wermland und dann ohne Amt angesehener Historiker. Seine Berichte aus der Geschichte Schwedens wurden vielfach übersetzt. Wie so mancher schwedische Pastor ist auch er hochalt geworden († 1881). Auf den beiden Universitäten Upsala und Lund wird orthodox lutherisch gelehrt, wenn auch in Schwankungen zwischen Kliefoth und Beck. Die Kirchenzeitung mehr lutherisch, der Kirchenfreund im Sinne der ev. Allianz. Die Liturgie von 1809 hat den Gottesdienst geordnet. Ein dreifaches Perikopen System besteht. Das 1819 eingeführte Psalmbuch des Erzbischofs Wallin, gegen das einst die Leser protestierten, hat alles Beste und Gehaltvollste nur mit leichter Hand umgearbeitet aufgenommen. „Viele dieser Gesänge sind die Ehre der Kirche und des Landes.“ 1878 geschah die Einführung einer neuen Erklärung des luth. Katechismus. Eine revidierte Übersetzung des N. T. hat 1883 Anerkennung gefunden. Seit 1836 wirkt eine „Schwedische Missionsgesellschaft“ unter Lappen und seit 1874 die schwedische Kirche selbst unter Tamulen und neuerdings auch unter den Zulus. Etwa 15 Missionare und eine Einnahme von über 160 000 Mark. Weiter die seit 1856 entstandene einflussreiche „evangelische vaterländische Stiftung“, die Bibelboten zum Predigtdienst bildet und dann auch nach Ostafrika und zu den Gouden in Ostindien Missionare sandte. 1891 waren die Einnahmen 272 875 Mark. Sie wirkt auf Grund des ev. luth. Bekenntnisses und im freien Anschluss an die Landeskirche. Der separatistische „schwedische Missionsbund“ (seit 1879) umfasste 1891 735 Missionsvereine. Viele andere Vereine bestehen daneben. Es sind bedeutende Summen, die dahin zusammenfließen. Vergl. Zöckler, Comp. Religionsstatistik im Handbuch.
Am 28. November 1830 hatte man das tausendjährige Fest der Einführung des Christentums in Schweden begangen. Am 6. November 1832 feierte man nach 200 Jahren das Gedächtnis „des großen königlichen Märtyrers: es war ein Sabbat mitten in den Werkeltagen des Lebens“; nach 250 Jahren sprach König Oskar bei gleicher Gelegenheit: „Des großen Königs Andenken soll ferner leben, so lange in Schweden ein Volk lebt, das Gott den Herrn fürchtet.“ Zwei reiche Großhändler schenkten dabei der Universität Upsala 120 000 Kronen. Von schwedischen Theologen ist auswärts G. v. Scheele bekannt, der jetzt auch mit dem Lektor Dr. Ullmann eine neue Quartalschrift herausgibt: „Tidskrift för kristlig tro och bildning“. 1885 ist eine christliche Tageszeitung geschaffen, der 204 Sein Leben von Weiß (1863), Réville (1866) und Frotinghäm (1876).
Redakteur ist der Kandidat Torelius in Stockholm. Man klagt viel über die Unsittlichkeit der Hauptstadt, die dadurch noch vermehrt wird, dass es verboten ist, nach dem Namen der Mutter von einem unehelichen Kinde zu forschen. Ein schwed. Landpastor tritt uns in Hermann Wilhelm Ulff entgegen, von dem ein Lebensbild gegeben ist.
zu.204 Sein Leben von Weiß (1863), Réville (1866) und Frotinghäm (1876)
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31
A. Zahn"Abriss einer Geschichte der evangelischen Kirche auf dem europäischen Festlande im neunzehnten Jahrhundert"
Zweiter Abschnitt.
Die evangelische Kirche in Frankreich, Belgien, Skandinavien, Russland und Österreich-Ungarn.
V. Norwegen.
Literatur: Zorn, Staat und Kirche in Norwegen, 1875. Bang, Hans Nielsen Hauge og hans Samtid. 2. Aufl. 1875.
Färden, Peter Härems, Liv. og Virksomhed, 1878. Norsk Maanedskrift, 1884 ff. Henriette Gislesen und ihre Freunde von E. W. 1890.
Im Anfange dieses Jahrhunderts entstand unter den norwegischen Bauern eine so mächtige und weltumfassende geistliche Bewegung, dass sie bald auch auf die Diener der Kirche Einfluss übte und in hohem Grade beitrug, sie von der sogenannten Erleuchtungstheologie zu positivem Christentum zurückzuführen. An der Spitze dieser Bewegung trat in dem Kirchspiel Thune schon am Ende des vorigen Jahrhunderts der gewaltige Bauernprediger Hans Nielsen Hauge auf und bekämpfte den von Dänemark eingekommenen Rationalismus sowohl mit Rede als mit Schriften. Er machte ungezählte Meilen zu Fuß und verband die Seinen in Brüderkreisen. Ein liebenswürdiger Mann mit mildem Gesicht, hellem Haar und breiter Brust, von gesetzlich vorsichtiger Weise. Er wich eigentlich nicht von dem lutherischen Lehrbegriff ab, hielt aber den geistlichen Stand für unnötig. Sein Irrtum lag in seinem Prophetentum, das ihm sogar zehn Jahre Haft brachte. Nach derselben hat er in aller Stille in seinem Bauernhof Bredwill bei Christiania gelebt († 1824). Außer ihm waren es die Professoren Stener Johannes Stenersen und Svend Borchmann Hersleb, welche die Rückkehr zur kirchlichen Lehre förderten. Der Pastor Wilhelm Andreas Wexel bekämpfte den Philosophen Treschow. Seit 1850 haben in Christiania Paul Karl Caspari, der auch in Deutschland wohlbekannte Exeget, Orientalist und Dogmenhistoriker (aus Dessau stammend), G. Johnson und A. C. Bang gewirkt. Caspari bekämpfte mit seinen Studien über das Taufsymbol die Ansichten von Grundtvig, dessen Gedanken auch in Norwegen weite Verbreitung fanden und auf den gemeinsamen skandinavischen Konferenzen von ihm ausgesprochen wurden. Als er radikaler wurde, verlor er sehr an Bedeutung. Caspari von großem Ansehen in Norwegen († 1891). Er hat nichts von den Ansichten eines Wellhausen wissen wollen. Seine Forschungen über das Apostolikum sind grundlegend. Seit 1858 besteht eine Zeitschrift für die ev. luth. Kirche Norwegens. Die norwegische Kirche ist enge mit dem Staate verbunden, dessen Beamte lutherischer Konfession sein müssen. Am 16. Juli 1845 erschien ein Dissentergesetz, das Religionsfreiheit einführte, aber erst in neuerer Zeit ist auch den Nichtlutheranern Zutritt zu den Staatsämtern gewährt. Der stark demokratisch gefärbte Storthing ist doch sehr vorsichtig in kirchlichen Dingen, da er die enge Verwachsenheit derselben mit dem häuslichen Bestande kennt. Man hat in schöner Ermannung das Krug- und Wirtschaftswesen beschränkt und dem Branntweinverkauf Halt geboten. In den fünfziger Jahren wurde Gustav Adolf Lammers, Pastor in Skien, der Träger einer donatistischen Bewegung205. Indem er an der speziellen Absolution im Abendmahle Anstoß nahm, gründete er die apostolische Freigemeine in Skien. Als sich baptistische Elemente in dieselbe eindrängten, kehrte er zur Staatskirche zurück. 1869 wurde das neue Gesangbuch von Landstad und 1872 das von Hauge eingeführt. Die blühende Laienpredigt blieb teils eine ganz freie, teils wurde sie durch die Bibelboten der Lutherstiftung in Christiania geordnet: man gibt einen gewissen Unterricht. Die Gesellschaft für innere Mission am Skiensfjord und die Seemannsmission sind tätig. Die Freigebigkeit ist für die Einwohnerzahl eine große. Unter den Heiden wir seit 1842 bei den Zulus und in Madagaskar Mission getrieben. Eine Missionsschule ist 1843 eröffnet worden. In Madagaskar zählt man 2000 Kommunikanten. 1878 hatte bei der lutherischen Fakultät der vortreffliche Kandidat Härem eine Studentenherberge gegründet. Für Judenmission und Pflege der männlichen Jugend eifrig tätig, wurde das Öl seiner zu hell brennenden Lampe frühe verzehrt. Nach Grundtvigs Antrieben sind sechs Fortbildungsschulen entstanden. Der Wohltäter und Vater der armen Lappen und Finnen wurde in den norwegischen Finnmarken Niels Joachim Christian Vibe Stockfleth, der von Jugend die Bestimmung zum Pastor im Norden fühlte und dann in den qualmigen Hütten und den eisigen Gefilden der Lappen ihre tiefe und poetische Sprache, ein Denkmal alter Zeit, erlernte und ihnen Bibel und Katechismus gab. Er hielt selbst unter tobenden sektiererischen Rotten aus und eroberte durch seine vier Missionsreisen von 1825-1852 ein unglückliches Land für die christliche Wahrheit. Sein Tagebuch erzählt davon († 1866). Die Schwester des Königs, Eugenie, empfand auch teilnehmend für diese Mission. Durch das Dissentergesetz mehrten sich die Methodisten zu etwa 3000 Gliedern und auffallend waren die Übertritte zur katholischen Kirche. Das norwegische Volk hat noch einen hervorragend kirchlichen Charakter und mit Anmut und Reiz berühren uns die Bilder des Sonntags, wenn seefahrend in den Fjorden oder bergaufsteigend zu den Höhen die Kirchgänger ankommen.
Aus alter Zeit ragen in die Gegenwart die so oft gezeichneten hölzernen Stavekirchen hinein,
vom Volke mit Ehrfurcht betrachtet nüchtern und zäh liebt es bei großem Freiheitssinn die altlutherische Tradition und Kirche, obwohl auch heftig vom Radikalismus angefochten, der in den widerwärtigen Angriffen des Dichters Björnson seinen stärksten Ausdruck findet. Die Radikalen wollen die ganze Kirchenverwaltung in Laienhände legen, während der kirchlich gesinnte, bäuerlich rechte Flügel der Demokratie das geistliche Kirchenregiment aufrecht erhalten will. Doch scheiterten die Versuche der Radikalen. Unter den theologischen Schriftstellern Norwegens ist Jonas Dahl in Kongsberg zu nennen, der Noveller og Studier und religionsgeschichtliche Abhandlungen geliefert hat. Schon 1816 war eine Bibel- und Traktatgesellschaft gegründet.
zu.205 Über ihn in dem Buche von Henriette Gislesen, Über das Wirken des h. Geistes auf den Lofoten-Inseln, Erinnerungen von einer Pfarrfrau, 1890.
Die evangelische Kirche in Frankreich, Belgien, Skandinavien, Russland und Österreich-Ungarn.
V. Norwegen.
Literatur: Zorn, Staat und Kirche in Norwegen, 1875. Bang, Hans Nielsen Hauge og hans Samtid. 2. Aufl. 1875.
Färden, Peter Härems, Liv. og Virksomhed, 1878. Norsk Maanedskrift, 1884 ff. Henriette Gislesen und ihre Freunde von E. W. 1890.
Im Anfange dieses Jahrhunderts entstand unter den norwegischen Bauern eine so mächtige und weltumfassende geistliche Bewegung, dass sie bald auch auf die Diener der Kirche Einfluss übte und in hohem Grade beitrug, sie von der sogenannten Erleuchtungstheologie zu positivem Christentum zurückzuführen. An der Spitze dieser Bewegung trat in dem Kirchspiel Thune schon am Ende des vorigen Jahrhunderts der gewaltige Bauernprediger Hans Nielsen Hauge auf und bekämpfte den von Dänemark eingekommenen Rationalismus sowohl mit Rede als mit Schriften. Er machte ungezählte Meilen zu Fuß und verband die Seinen in Brüderkreisen. Ein liebenswürdiger Mann mit mildem Gesicht, hellem Haar und breiter Brust, von gesetzlich vorsichtiger Weise. Er wich eigentlich nicht von dem lutherischen Lehrbegriff ab, hielt aber den geistlichen Stand für unnötig. Sein Irrtum lag in seinem Prophetentum, das ihm sogar zehn Jahre Haft brachte. Nach derselben hat er in aller Stille in seinem Bauernhof Bredwill bei Christiania gelebt († 1824). Außer ihm waren es die Professoren Stener Johannes Stenersen und Svend Borchmann Hersleb, welche die Rückkehr zur kirchlichen Lehre förderten. Der Pastor Wilhelm Andreas Wexel bekämpfte den Philosophen Treschow. Seit 1850 haben in Christiania Paul Karl Caspari, der auch in Deutschland wohlbekannte Exeget, Orientalist und Dogmenhistoriker (aus Dessau stammend), G. Johnson und A. C. Bang gewirkt. Caspari bekämpfte mit seinen Studien über das Taufsymbol die Ansichten von Grundtvig, dessen Gedanken auch in Norwegen weite Verbreitung fanden und auf den gemeinsamen skandinavischen Konferenzen von ihm ausgesprochen wurden. Als er radikaler wurde, verlor er sehr an Bedeutung. Caspari von großem Ansehen in Norwegen († 1891). Er hat nichts von den Ansichten eines Wellhausen wissen wollen. Seine Forschungen über das Apostolikum sind grundlegend. Seit 1858 besteht eine Zeitschrift für die ev. luth. Kirche Norwegens. Die norwegische Kirche ist enge mit dem Staate verbunden, dessen Beamte lutherischer Konfession sein müssen. Am 16. Juli 1845 erschien ein Dissentergesetz, das Religionsfreiheit einführte, aber erst in neuerer Zeit ist auch den Nichtlutheranern Zutritt zu den Staatsämtern gewährt. Der stark demokratisch gefärbte Storthing ist doch sehr vorsichtig in kirchlichen Dingen, da er die enge Verwachsenheit derselben mit dem häuslichen Bestande kennt. Man hat in schöner Ermannung das Krug- und Wirtschaftswesen beschränkt und dem Branntweinverkauf Halt geboten. In den fünfziger Jahren wurde Gustav Adolf Lammers, Pastor in Skien, der Träger einer donatistischen Bewegung205. Indem er an der speziellen Absolution im Abendmahle Anstoß nahm, gründete er die apostolische Freigemeine in Skien. Als sich baptistische Elemente in dieselbe eindrängten, kehrte er zur Staatskirche zurück. 1869 wurde das neue Gesangbuch von Landstad und 1872 das von Hauge eingeführt. Die blühende Laienpredigt blieb teils eine ganz freie, teils wurde sie durch die Bibelboten der Lutherstiftung in Christiania geordnet: man gibt einen gewissen Unterricht. Die Gesellschaft für innere Mission am Skiensfjord und die Seemannsmission sind tätig. Die Freigebigkeit ist für die Einwohnerzahl eine große. Unter den Heiden wir seit 1842 bei den Zulus und in Madagaskar Mission getrieben. Eine Missionsschule ist 1843 eröffnet worden. In Madagaskar zählt man 2000 Kommunikanten. 1878 hatte bei der lutherischen Fakultät der vortreffliche Kandidat Härem eine Studentenherberge gegründet. Für Judenmission und Pflege der männlichen Jugend eifrig tätig, wurde das Öl seiner zu hell brennenden Lampe frühe verzehrt. Nach Grundtvigs Antrieben sind sechs Fortbildungsschulen entstanden. Der Wohltäter und Vater der armen Lappen und Finnen wurde in den norwegischen Finnmarken Niels Joachim Christian Vibe Stockfleth, der von Jugend die Bestimmung zum Pastor im Norden fühlte und dann in den qualmigen Hütten und den eisigen Gefilden der Lappen ihre tiefe und poetische Sprache, ein Denkmal alter Zeit, erlernte und ihnen Bibel und Katechismus gab. Er hielt selbst unter tobenden sektiererischen Rotten aus und eroberte durch seine vier Missionsreisen von 1825-1852 ein unglückliches Land für die christliche Wahrheit. Sein Tagebuch erzählt davon († 1866). Die Schwester des Königs, Eugenie, empfand auch teilnehmend für diese Mission. Durch das Dissentergesetz mehrten sich die Methodisten zu etwa 3000 Gliedern und auffallend waren die Übertritte zur katholischen Kirche. Das norwegische Volk hat noch einen hervorragend kirchlichen Charakter und mit Anmut und Reiz berühren uns die Bilder des Sonntags, wenn seefahrend in den Fjorden oder bergaufsteigend zu den Höhen die Kirchgänger ankommen.
Aus alter Zeit ragen in die Gegenwart die so oft gezeichneten hölzernen Stavekirchen hinein,
vom Volke mit Ehrfurcht betrachtet nüchtern und zäh liebt es bei großem Freiheitssinn die altlutherische Tradition und Kirche, obwohl auch heftig vom Radikalismus angefochten, der in den widerwärtigen Angriffen des Dichters Björnson seinen stärksten Ausdruck findet. Die Radikalen wollen die ganze Kirchenverwaltung in Laienhände legen, während der kirchlich gesinnte, bäuerlich rechte Flügel der Demokratie das geistliche Kirchenregiment aufrecht erhalten will. Doch scheiterten die Versuche der Radikalen. Unter den theologischen Schriftstellern Norwegens ist Jonas Dahl in Kongsberg zu nennen, der Noveller og Studier und religionsgeschichtliche Abhandlungen geliefert hat. Schon 1816 war eine Bibel- und Traktatgesellschaft gegründet.
zu.205 Über ihn in dem Buche von Henriette Gislesen, Über das Wirken des h. Geistes auf den Lofoten-Inseln, Erinnerungen von einer Pfarrfrau, 1890.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31