Joschie hat geschrieben:Was sind die Nikolaiten?
Es ist natürlich schwierig, mehr Informationen zu beschaffen als das, was die Schrift hergibt. Manche identifizieren die Nikolaiten mit den falschen Aposteln aus 2,2, aber das ist Spekulation. Für spekulativ halte ich auch die These, dass die Nikolaiten ihren Namen und Hintergrund von Nikolaus (Apg 6,5) hatten.
"Erwähnungen bei Irenäus, Tertullian und und Clemens von Alexandrien lassen darauf schließen, dass die N. einem angeblich christlichen Kommunismus huldigten, wobei sich die Gemeinschaft nicht nur auf das Vermögen, sondern auch auf die Frauen bezog" ("Das große Bibellexikon" von Brockhaus/Brunnen).
Aus Offb 2,14-16 kann man schließen, dass die Nikolaiten eine Gruppe innerhalb der Gemeinde waren, die genau das lehrten bzw. taten, was einst Bileam getan bzw. gelehrt hatte (und Isebel in 2,20-21 - dort könnte die gleiche Gruppe gemeint sein): Es sei völlig ok, sich der heidnischen Umgebung etwas anzupassen - beim Götzendienst mitmachen und sexuelle Freizügigkeit seien keine Sünden. Übrigens treiben genau solche "Nikolaiten" auch heute ihr Unwesen unter den Evangelikalen - oder haben sie bereits in ihrem Bann!
Nika laon heißt "das Volk überwinden". In der Schrift *können* Namen eine aufschlussreiche Bedeutung haben, *müssen* aber nicht. Aber in diesem Fall ist es naheliegend, denn auch Bileam hat ethymologisch (wortgeschichtlich) die Bedeutung von "das Volk verschlingen" oder "das Volk beherrschen". Tatsächlich kann man unter "Christen" die Masse begeisten und in seinen Bann ziehen, wenn man die "alte Gesetzlichkeit" über Bord wirft und ermuntert, sich ruhig der Welt anzupassen, ihre Feste zu feiern und ihre Ergötzungen zu genießen und ihre Mode nachzumachen. Genau das war in der Kirchengeschichte immer einer der verführerischsten Einflüsse, der Massen in den Abfall geführt hat.
"Unzucht" (2,14) kann dabei sowohl buchstäblich als auch sinnbildlich gemeint sein. Die Bileam-Sünden Götzendienst und Unzucht werden im Laufe der Offb ja noch häufiger aufgegriffen. Mit Unzucht ist dabei oft die geistliche Hurerei gemeint (Isebel, Babylon usw.). Um fleischlicher Vorteile willen (wie bei Bileam/Balaak: finanzieller Anreiz, öffentliches Anshen, einflussreiche Position usw.) wird die Treue zum Herrn Jesus preisgegeben.
Götzendienst ist zwar in erster Linie buchstäblich zu verstehen, aber es steht noch mehr dahinter: In Offb 13 ist es die Anbetung des Tieres, d.h. der unterwürfige Dienst der kulturell-staatlich-religiösen Macht. Christen stehen heute selten in der Gefahr, beim Mitrash-Kult mitzumachen, aber außer Götzendienst wie Habsucht, Eigensinn (Kol 3,5, 1Sam 15,23) stehen sie in der großen Versuchung, dem gesellschaftlichen Herdentrieb in andere kultisch-kulturelle oder religiös-politische Abtrünnigkeiten zu folgen (z.B. in den Bereichen Musik, Sport, Harry Potter, Homosex-Toleranz, staatlich auferlegte Esoterik etc etc etc).
Genau das war ja auch in Ephesus und Pergamon das Problem: Es waren Hochburgen des (staatlichen) Götzendienstes, und wenn Christen da nicht mitmachten, wurden sie ausgegrenzt, verlacht, diskriminiert, unter Druck gesetzt und verfolgt. Kein Wunder, dass dann eine Gruppe namens Nikolaiten dem Druck nachgab und zuerst einfach nur mitmachte ("Werke der Nikolaiten", 2,6) und dies dann noch lehrmäßig zu begründen versuchte ("Lehre der Nikolaiten", V. 15).
Grüße, Werner
"Der Prophet, der einen Traum hat, erzähle den Traum! Wer aber mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit! Was hat das Stroh mit dem Korn gemeinsam? spricht der HERR." (Jer 23,28)
Lasst uns bei dem bleiben, was geschrieben steht! Sola Scriptura!