Hallo Thorsten,
ohne dir auf den Schlips treten zu wollen - ich fragte ja nach gesunder Bibelauslegung, also nicht irgendeinen Vers aus dem Zusammenhang gerissen. 1Kor 14,26 ist keinesfalls eine Aufforderung, es bei der Predigt verantwortungslos drauf ankommen zu lassen, was passiert, wenn man vorher nichts plant. Auch das "allgemeine Priestertum" aus 1Petr hat nichts mit "allgemeinem Rednertum" zu tun.
Die Tim- und Tit-Briefe hingegen sagen einiges über den Predigtdienst. Sie werden zurecht "Pastoralbriefe" genannt, in dem Sinne, dass sie sich an Hirten der Gemeinde richten. Ich rede hier natürlich keinem klerikalen System das Wort. Die Begriffe "Pastor" und "pastoral" sind unter uns leider auch mit negativen Assoziationen verbunden.
Nachfolgend noch ein Auszug aus einer früheren Stellungnahme von mir:
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1.) Die Bibel lehrt kein Verbot von Predigtplanung – weder Vorbereitung noch Festlegung eines Predigttermins sind verboten
2.) Die Bibel lehrt hingegen die Notwendigkeit von bestimmten Brüdern, die sich dem „Dienst des Wortes widmen“ (Apg 6,4), mit Fleiß (Röm 12,8.11) und verantwortungsvollem Pflichtbewusstsein (1. und 2. Tim, Tit)
3.) Die Bibel lehrt nicht das Konzept von „Geistesleitung“, wie es von der Brüderbewegung verstanden wird, dieses Geistesleitungs-Konzept ist im Grunde Mystizismus
Timotheus selbst hatte die Aufgabe, in der Gemeinde regelmäßig zu predigen. Verantwortungsvolle Hirten sorgen dafür, dass die Herde systematisch und mit gut ausgearbeiteter Belehrung versorgt wird. Die Brüder-Lehre der "Geistesleitung" entspringt vielmehr der Mystik der Romantik als der Schrift. Ich halte diese schwärmerische Tendenz der Brüderbewegung für gefährlich. Sie veranlasst uns, in uns selbst hineinzuhorchen, auf Eindrücke zu lauschen, als ob Gott uns etwas durch Eingebung und dergleichen sagen wolle. Doch das Herz ist unheilsam trügerisch (Jer 17,9). Die Leitung durch den Heiligen Geist hat m.W. in der neutestamentlichen Lehre nirgends etwas mit einem unvorbereiteten, passiven Warten auf übernatürliche Eingebungen zu tun. Das kenne ich ansonsten nur aus dem Pfingstlertum. Der Geist wirkt durch das Wort Gottes - und nicht durch Eingebungen (ich habe vor, im Betanien Verlag demnächst ein Buch über den Zusammenhang zwischen Heiligem Geist und Wort Gottes herauszugeben, wo dies ausführlich begründet wird, Vorab-Artikel siehe unter
www.betanien.de). Vom Geist geleitet sind wir dann, wenn wir dem Wort Gottes gehorchen. Das oft angeführte 1Kor 14,26 ist keinesfalls eine Aufforderung, es bei der Predigt drauf ankommen zu lassen, was passiert, wenn man vorher nichts plant. Das ist "Hineinlegung". Erstens ist 1Kor 14,26 nur eine Tatsachenbeschreibung ("ein jeder HAT", nicht "habe"), und zweitens geht es dort nicht um die Predigt, und drittens ist 1Kor bekanntlich in einer Übergangszeit geschrieben, weshalb auch dort das Zungenreden noch nicht aufgehört hatte. Die Hineinlegung in diesen Vers als einzige Begründung für diese Sonderlehre der Brüderbewegung zu nehmen, ist äußerst wackeliger Boden!
Manche Brüdergemeinden (die exklusiven) haben mit ihrem Maßstab, dass Predigten nicht geplant sein dürfen, etwas zur Schrift Hinzugefügtes zum Maßstab für die Gemeinde gemacht. Man hat bestenfalls eine menschliche Konstruktion und schlimmstenfalls einen schwärmerischen Irrtum zum göttlichen Maßstab verabsolutiert und viele andere Christen und Gemeinschaften fälschlicherweise der "kirchlichen Ungerechtigkeit" bezichtigt.
Außerdem: Aus den Timotheusbriefen („ein Arbeiter ... der das Wort recht teilt“ ... „Predige das Wort“ ...etc etc) wird deutlich, dass fleißig ausgearbeitete Predigten unverzichtbar sind für die Gesundheit und Bewahrung der Gemeinde. Das Wort Gottes ist seine Kraft. Gut ausgearbeitete Predigten sind lebensnotwendig für gesunde Gemeinden, denn gesunder Glaube kann nur auf gesunder Lehre gründen. Fleißige Arbeiter, wie Paulus sie im Tim. meinst, benötigen oft zig Stunden, um ihre Auslegungspredigt sauber und fundiert auszuarbeiteten. Wir dürfen den Maßstab für die Wortverkündigung nicht niedrig machen, um ein „allgemeines Rednertum“ zu fördern. Die Schrift lehrt: „Werdet nicht viele Lehrer!“ (Jak 3,1)
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Lieben Gruß, Werner