Okay, ich versuche mal, von meiner Seite aus eine einigermaßen elegante Abrundung der ganzen Diskussion hinzukriegen, ohne Dir Antworten schuldig zu bleiben, aber auch ohne neue Punkte aufzuwerfen und mit der Absicht, zumindest in den Bereichen zu einem positiven Fazit zu gelangen, wo wir eigentlich ähnlich denken.
mike hat geschrieben:Schön das du deine Dienstleistungen für das Reich GOTTES gratis abgibst! Was soll da ein Vollzeiter sagen.
Mit Vollzeitlern habe ich kein Problem... Du bekommst eine pauschale Summe und widmest Dich Gottes Willen. In der Gemeinde gibt derjenige viel, der viel hat - und derjenige weniger, der wenig hat. Das ist prima so. Probleme kommen auf, wenn jemand - wie viele, aber nicht alle "seelsorgerlichen" Therapeuten - für eine bestimmte Leistung X eine bestimmte Summe Y verlangt. Wenn einer zu seinem Bruder sagt, meine wertvolle Zeit kostet Dich pro Minute zwei Euro, dann ist das daneben - auch wenn am Ende ein paar gute Resultate dabei herauskommen sollten.
mike hat geschrieben:Ich wehre mich einfach gegen diese Pauschalisierung, welche ich in deinen Aussagen vorfinde!
Diese ist aber eben
nicht dazu gedacht, jede einzelne Einrichtung zu verurteilen - sondern dazu, einen Trend aufzuzeigen, der m.E. schädlich ist. Gute Gegenbeispiele gibt es sicherlich, wo mit biblischer Wahrheit gegen psychische Leiden angegangen wird. Ich kritisiere nur die Vermischung mit menschlicher Psychologie, aber nicht die Tatsache, daß sich einige berufen fühlen, solchen Menschen aus der Patsche zu helfen. Das finde ich durchaus gut und Du kannst es unter "Dinge, die mich erfreuen" mit auflisten.
Seelsorge in der Gemeinde an den Rand gedrängt
mike hat geschrieben:Ich denke nicht, dass ich die Menschen in der Psychiatrie sündiger empfinde! Aber ich wehre mich dagegen, dass man den psychisch Kranken keine Medis anbieten darf. Ich wehre mich dagegen, Menschen zu verurteilen, welche an psychischen Krankheiten leiden, sie "im Regen" mit netten Bibelworten, biblisch fundierten Wahrheiten und einem enormen Leidensdruck stehen zu lassen.
Der Begriff "Leidensdruck" ist eine recht moderne Erfindung. (Als ließe sich Leid "messen" wie eine physikalische Größe?) Aber egal - ich stimme mit Dir überein, daß es nicht ausreicht, daß man den Leuten nette Verse um die Ohren haut und ihnen nicht wirklich hilft. Ich verurteile solche Menschen auch nicht. Vielmehr denke ich, daß wir in der heutigen Zeit so viel Individualismus in der Gemeinde vorfinden, daß eben nicht mehr der ganze Leib leidet, wenn es einem Menschen schlecht geht.
Das ist nicht das Problem des Leidenden, sondern das Problem der anderen, denen es so gut geht, daß sie ihre Augen vor dem Leiden eines Bruders verschließen, um in ihrer eigenen Bequemlichkeit nicht beeinträchtigt zu werden. Daher stimme ich auch mit Deiner Frage überein:
Ich frage mich, wenn deine Vorstellung von Seelsorge so tiefgreifend wirkt, warum es denn noch soviele psychisch Kranke Menschen gibt.
Das liegt daran, daß Seelsorge zwar wirksam, aber leider sehr selten ist. Durch das negative Stigma, das "Seelsorge" umgibt, gehen manche erst dann zum Seelsorger, wenn bereits ein großer Schaden vorliegt. Dann kann es durchaus für die Behebung mancher Probleme "zu spät" sein. Und weil die Liebe in der Gemeinde nachläßt und die "Familie" Gottes zu einem unverbindlichen Verein geworden ist, dauert es viel länger, bis man bemerkt, daß jemand schon lange einen sehr erschöpften Eindruck macht und vielleicht Hilfe braucht. Und zu allerletzt ist gerade das Verurteilen, das wir hier angesprichen haben, ein weiterer Grund, warum diese Menschen innerhalb ihrer Gemeinde nicht geheilt werden. Weil die Liebe fehlt, die einem Menschen in praktischen Dingen die Liebe Gottes vermittelt, wenn er sich vielleicht selbst weit von Gott entfernt fühlt. (Die fehlt auch mir oft, das gebe ich zu!)
Probleme und Abhilfen
mike hat geschrieben:Du kennst ja das Problem und auch wie man es anpackt! Oder doch lieber Tendenzen aufzeigen?
In diesem Thread zum Thema Anpassung ging es von vornherein um Tendenzen, nicht um einzelne Probleme. Du wirst einsehen, daß man eine schlechte Lösung ablehnen kann, auch wenn man sich bezüglich der idealen Lösung nicht sicher ist. (Extrembeispiel: Krieg ist eine schlechte Lösung. Weiß ich deshalb, welche anderen Lösungsansätze im Einzelfall funktionieren würden? Nein... aber deshalb werde ich nicht aufhören zu sagen, daß Krieg jedenfalls von vornherein die schlechteste denkbare Lösung ist.)
mike hat geschrieben:nicht alle Psycho-Medis haben eine dämpfende und "einlullende" Wirkung. Lizium zum Beispiel nicht, um nur mal eines zu nennen.
Nein, stimmt. Auch hier ging es um die Mehrzahl der üblicherweise verabreichten Medikamente. Dennoch haben alle solchen Medikamente gemeinsam, daß sie auf die Psyche Einfluß nehmen sollen, und davon sprach ich. Das ist vielleicht durch den Vergleich mit Alkohol so rübergekommen, als meinte ich, beide hätten
dieselbe Wirkung. Sorry, da habe ich mich unklar ausgedrückt.
mike hat geschrieben:Manche Depressionsursachen liegen in gewissen "falschen" Verhaltensmustern.
Genau. Und sowas nennt sich "Sünde", oder? Bei mir ist das jedenfalls so. Wenn ich mich überfordere, dann mißachte ich von Gott verordnete Ruhepausen. Wenn ich mich kaputtarbeite, dann vergesse ich die Tatsache, daß mein Körper ein Tempel des heiligen Geistes ist und ich diesen nicht zugunsten des Mammons einem übermäßigen Verschleiß aussetzen sollte. Denn durch sowas gebe ich Gott keine Ehre.
Heilungsweg
mike hat geschrieben:Was ich gleich sehe wie du: die Lösung liegt schlussendlich alleine bei JESUS CHRISTUS. Der Weg zur Heilung sehe ich nicht gleich wie du.
Wenn der Weg zur Heilung eines solchen Leidens mit dem Wort Gottes vereinbar ist, dann habe ich nichts dagegen, im Gegenteil! Das Vorhandensein vieler verweltlichter Einrichtungen ist ein Armutszeugnis für die Christenheit, die sich von der biblischen Lehre entfernt - aber die Tatsache, daß es sicherlich auch gute und biblische Einrichtungen gibt, ist davon unberührt.
Was mich freut
mike hat geschrieben:eine letzte Frage hätte ich noch. Gibt es auch ein Thema in deinem Leben, was dich wirklich erfreut?
Ja, viele. Zum Beispiel die Tatsache, daß ich in vielen Lebensbereichen Gottes Segen sehe. Aber noch mehr, daß ich mich auch dann in Gottes Hand geborgen weiß, wenn ich seinen Segen mal nicht sehen kann. Davon abgesehen freue ich mich auf den Himmel - und über die Tatsache, daß Gott solche Nieten wie uns gebraucht, um andere Nieten wie uns in seine Familie einzuladen. Und daß wir uns hier zoffen können und ich dann abends vorm Schlafengehen denke, Mensch, da draußen sind noch viele Leute, die wie ich selber auf dem Weg mit Jesus sind. Ob sie Janand, Deppe, mike oder Arne heißen, und ob wir immer einer Meinung sind - es ist einfach schön, daß wir uns hier gegenseitig herausfordern können, unsere vorgefertigten Meinungen immer wieder neu zu überdenken und zur Bibel zurückzukehren. Das habe auch ich immer wieder dringend nötig - keine Frage!