Lieber Werner,
Du schreibst:
Ich weiß nicht, wovon ihr euch da "führen" lasst, aber ein Bild ergibt sich ja dadurch, dass die einzelnen Pixel in ihrem Zusammenhang stehen gelassen werden. Durch Kombinieren beliebiger Pixel, die zwar aus dem Bild stammen, aber anders platziert werden, ergibt sich nunmal ein anderes Bild. "Führen" sollte uns daher das Auslegen zusammenhängender Schriftstellen. Und es gibt in der Schrift keine zusammenhängenden Schriftabschnitte, die die Einzellehren des Dispensationalismus lehren.
Wir haben nicht gesagt, das wir den Zusammenhang außer betracht lassen. Im Gegenteil, wir sind sehr dafür, dass man den Zusammenhang beachtet – das allein kann uns zu einem Bild gesunder Worte führen. Gerade die Schlüsselstellen in Römer 9-11 und Epheser 2-3 und die Verheißungen in Jes 60-65 und Jer 30-31 und die Zusammenhänge von Offenbarung 19-21 führen uns zu unserer Überzeugung.
Du schreibst:
Wenn es ihm aber, wie jetzt im Neuen Bund, durch eine innerliche Erneuerung (Wiedergeburt!) im Geist aufs Herz geschrieben wird (das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus), tötet es nicht, sondern eben dieser Geist macht lebendig
…
Hebr 8,6-13; 10,14-22; 2Kor 3,3(!), Apg 15,9; Röm 2,29; 5,5; 6,17; 8,2.4.6.10.14ff.26ff; 10,8; 2Kor 1,22; Gal 4,6; 5,14-26; Eph 3,17 (nach eurer Hermeneutik müsste das ein schönes Bild ergeben ...)
Glaubt ihr etwa, dass Wiedergeborene immer noch ein "steinernes Herz" haben wie in Hes 11,19; 36,26?
Wo zeigen diese Bibelstellen etwas davon, dass das Gesetz vom Sinai auf unsere Herzen geschrieben wurde? Keine, aber auch wirklich keine Stelle redet davon, dass den Christen der heutigen Zeit das Gesetz auf das Herz geschrieben wurde.
Natürlich glauben wir nicht, das Christen ein „steineres Herz“ haben. Was wir aber lesen ist, dass wir ein Brief Christi sind und das auf die fleischernen Herzen des Gläubigen Christus geschrieben wurde. Aber das das Gesetz vom Sinai auf unsere Herzen geschrieben wurde, davon lesen wir nichts im Wort. Wir lesen aber, dass den Israeliten, dass Gesetz buchstäblich auf das Herz geschrieben wird (Heb. 8,6f).
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Lasst uns bei dem bleiben, was geschrieben steht! Sola Scriptura!
Du schreibst:
Ihr schreibt im Futur? Ihr glaubt also tatsächlich, der Herr übt jetzt noch keinen Hohepriesterdienst nach der O. Melchisedeks aus?
Es steht auch noch meine Frage im Raum, ob ihr Hes 40ff nicht konsequent buchstäblich versteht. Denn nach einem solchen konsequent buchstäblichen Verständnis muss es wieder Sündopfer und Leviten etc. geben.
Doch auch jetzt übt der Herr den Hohenpriesterdienst aus, aber nicht nach der Ordnung Melchisedeks, auch wenn er jetzt schon Priester nach dieser Ordnung ist.
Du schreibst:
Das Geheimnis aus Eph 3,3-6 und Röm 11,25 ist aber nicht ein etwaiger "Einschub", sondern die Teilhabe der Nationen an dem Israel verheißenen Heil.
Daniel 9,24 hat sich im ersten Kommen Jesu offenbar vollständig erfüllt:
Sein "beseitigender Dienst": Übertretung zum Abschluss gebracht (RÖm 6,1-2.14), den Sünden ein Ende gemacht (Röm 5,12-19; 6,23) und die Ungerechtigkeit gesühnt (Röm 3,21-26) (manche nicht-disp. Ausleger beziehen diese Dinge auf das Ende Israels als Nation). Sein "einführender Dienst": Eine ewige Gerechtigkeit eingeführt - als Priester (Röm 5,19), Gesicht und Propheten versiegelt - als Prophet (Apg 3,22; evtl. könnte hier auch die Verschleierung von 2Kor 3,15 gemeint sein) und ein Allerheiligstes gesalbt - als König (Hebr 1,9; 9,24 etc.). Ich möchte mich hier nicht im Detail der Auslegung festlegen, sehe dies aber grundsätzlich als erfüllt an, wozu es wie gesagt mehrere Auslegungsvarianten gibt.
Wir haben nichts dagegen, wenn man diese Stelle in Daniel geistlich anwendet. ABER, das Problem ist ja, dass in dieser Stelle steht: „Siebenzig Wochen sind über DEIN VOLK…“ – es geht um das Volk Israel!!! und es geht um die Wiederherstellung Israels nach diesen 70 Wochen und da Israel offenbar noch nicht wiederhergestellt ist, deshalb ist der EINSCHUB zwingend. Es ist keine Frage der Auslegung, sondern des Beobachtens der Dinge in Jerusalem bzw. Israel. Nur wenn man der Vergeistlichungstheorie vertraut, dann bekommen diese klaren Aussagen wie z.B. „über DEIN VOLK“ eine völlig andere Bedeutung. Natürlich hat der Herr Jesus uns eine ewige Gerechtigkeit erworben, natürlich kann man alle diese Dinge geistlich anwenden. Aber da die versprochenen Verheißungen für Israel noch nicht eingetroffen sind, deshalb sind wir gezwungen hier von einem Einschub zu reden. Aber das fällt uns gar nicht schwer, weil uns das Zeugnis des Neuen Testamentes die Lösung gibt – es ist das Geheimnis was den Propheten eben noch verborgen war (Eph 3).
Nebenbei: Der Knackpunkt unserer Anschauungen liegt wohl dort, dass wir die Vergeistlichungstheorie ablehnen und du die buchstäbliche-Erfüllungs-Theorie von uns ablehnst – obwohl dies natürlich für uns mehr ist als eine Theorie, weil sich ja unendlich viele Prophezeiungen bereits buchstäblich erfüllt haben, warum sollten wir also zweifeln, dass das mit den anderen Prophezeiungen auch noch geschieht? Wir müssen uns also darüber unterhalten, ob wir dazu berechtigt sind, diese Vergeistlichungstheorie anzuwenden. Worauf stützt du diese Sichtweise? (Wir haben übrigens nichts gegen geistliche Anwendungen aus dem AT, dass wollen wir deutlich sagen, aber wir nehmen dadurch nicht die Buchstäblichkeit weg)
Du schreibst:
In Röm 11 steht aber nichts von einem "Wegnehmen der Bösen", sondern von einem Hinzufügen, nämlich dem (Wieder-) Einpfropfen. (Insofern habe ich Verständnis z.B. für die auch unter "Reformierten" teilweise vorhandene Erwartung einer künftigen Erweckung unter den Juden - aber nicht für die dispensationalistische Sichtweise)
Und auch von einer "Basis für das Israel im T-Reich" steht dort gar nichts.
Worin wir uns aber anscheinend einig sind, ist, dass es nur ein Überrest aus Israel ist, an dem Gott seine Verheißungen erfüllt. Wenn ihr diesbezüglich dasselbe glaubt wie ich, warum meint ihr dann, dass ich Gott zum Betrüger mache?
Lies bitte Sacharja 13,7-9, diese Stelle wird sich kurz vor dem Friedensreich erfüllen. Dort ist die Rede davon, dass ein drittel übrig bleiben wird, bevor der Herr dann in Kapitel 14 seine Füße auf den Ölberg stellen wird. Das meinen wir, wenn wir von dem „Wegnehmen der Bösen“ und von der „Basis für das Israel im T-Reich“ sprechen.
Du schreibst:
Davon habe ich nichts gesagt, ich bitte um etwas mehr Differenzierungsvermögen. Ich meinte, dass der erste Teil von Mt 24 offensichtlich im Jahre 70 n.Chr. erfüllt worden ist. Es ist nun einmal so: Wenn eine Prophezeiung exakt wie beschrieben eingetroffen ist, dann ist sie erfüllt.
Es ist auch höchst unfair, dies gegen den Holocaust auszuspielen und mir eine "Verniedlichung" vorzuwerfen. Ihr solltet bitte überlegen, was ihr da schreibt! Als was für einen Menschen wollt ihr mich eigentlich darstellen? Zu unterstellen, Gott zum Betrüger zu machen und den Holocaust zu verniedlichen, da hat der Spaß wirklich langsam ein Ende. Wieder mal müssen Dispensationalisten zur untersten Schublade greifen.
Wir konnten nicht erkennen, was du mit „der erste Teil von Mt 24“ meinst – das Kapitel hat 51 Verse! Falls du nur von Vers 2 gesprochen hast, dann sind wir mit dir einer Meinung und wir wissen auch nicht, welcher Dispensationalist sich hier einer Geschichtsvergessenheit schuldig macht.
Du musst vielleicht noch mal lesen, was wir geschrieben haben: „Liegt da nicht eher bei ihren Gegnern eine Verniedlichung des Holocausts vor?“ – Haben wir dich hier direkt angesprochen? Überhaupt nicht! Aber wenn du glaubst, dass die Drangsal in Mt. 24,21, von der es heißt, „denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen ist, noch je sein wird“, tatsächlich schon geschehen ist, dann solltest du dich fragen, ob, das was im Jahr 70 geschehen ist, wirklich schlimmer war, als was im Dritten Reich passiert ist. Warum übrigens gleich so empfindlich? Nicht Dispensationlisten „greifen wieder mal in die unterste Schublade“ – aber wir erinnern dich daran, das du den Dispensationalisten pauschal Geschichtsvergessenheit vorgeworfen hast, da kann man sich u.E. nicht beschweren, wenn wir mal eine Frage stellen, die zudem noch völlig berechtigt ist (auch wenn sie nun auf dich, wie es ja nun aussieht, falls du nur von Vers 2 geredet hast, nicht zutrifft). Für uns ist das übrigens kein Spaß – nur ganz nebenbei – wir empfinden das als eine ganz ernste Angelegenheit…
du schreibst:
"Da ein Großteil wieder auf der bereits bemängelten Ein-Vers-hier-ein-Hinweis-dort-Hermeneutik beruht, gehe ich nur auf einige wenige eurer Aussagen ein."
Lieber Werner, dieses Argument kommt immer wieder mit Abwandlungen. Mal willst du unsere "Phantasie oder Eisegese" übersehen. Ein anderes Mal ist es bloß die Uhrzeit, die dich abhält detailliert zu antworten. Könnten wir nicht genauso deine Argumente pauschal abschmettern, wo wir doch deine Hermeneutik auch für total falsch halten? Aber ist das ein faires Argument? Wir könnten es natürlich auch mal gut anwenden, wenn wir keine konkrete Antwort wissen.
du schreibst:
Es geht überhaupt nicht um die Frage der "Buchstäblichkeit". "Buchstabe" ist hier eine Metapher für das Gesetz des alten Bundes.
Gerade weil der Buchstabe hier das "Gesetz" ist, geht es um Buchstäblichkeit. Das Gesetz wird nämlich nach Heb. 8 den Israeliten in die Herzen geschrieben, dann wenn der Bund buchstäblich geschlossen wird. Genau das passiert jetzt aber mit uns nicht.
du schreibst:
Somit kann der Beweis, dass der neue Bund in der Jetztzeit gilt, nicht entkräftet werden durch den Einwand, Paulus sei das "nur im Geist gewesen, aber nicht im Buchstaben, also nicht wirklich". Wir haben in 2Kor 3,6 also tatsächlich eine eindeutige Schriftaussage, dass der neue Bund jetzt gilt.
Wir können (s. o.) deine "Entkräftung" nicht nachvollziehen. Aber selbst wenn die gelten würde, dann wäre für uns 2.Kor. 3,6 noch lange keine "eindeutige Schriftaussage, dass der neue Bund jetzt gilt". Dass Paulus der Diener des neuen Bundes ist, bedeutet nicht, dass der Bund geschlossen ist, genauso wie die Aussage des Herrn "Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute" - bevor dieses Blut vergossen wurde - nicht bedeutet, dass der Bund in diesem Augenblick geschlossen wurde.
Lieben Gruß,
Stephan u. Dirk