Hi there,
zunächst einmal: Ich empfinde den Diskussionsstil hier als ausgesprochen positiv. Statt mit Floskeln zu kommen, wird argumentiert - das ist auch und gerade für christliche Foren nicht normal. Daher vielen Dank.
Vielleicht sollte ich noch einmal klarstellen: Als Christ in der evangelischen Kirche stehe ich - ungeachtet alles dessen, was Frau Käsemann oder andere "führende Gestalten" sagen, hinter den evangelischen Bekenntnisschriften und teile sowohl die altkirchlichen als auch die meisten lutherischen und calvinistischen Bekenntnisse.
Darüber hinaus kann ich sehr gut verstehen, was Euch an den Argumenten, über die wir diskutieren, erschreckt, abstößt oder anekelt. Wenn ich hier dennoch diese Argumente zur Sprache bringe (und damit meine ich nicht Albernheiten wie die Diskussion über "Jungfrau" oder "junge Frau", die man übrigens sehr leicht beenden kann), dann aus verschiedenen Gründen:
- Zum Einen bin ich froh, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man noch über Gott reden kann, redet und sogar in den Medien berichtet und das nicht so einseitig tendentiös, wie man oft meint. Es stimmt, Berichte wie der von Phoenix sind nicht von Christen gemacht - das liegt aber auch daran, dass es wenig Christen gibt, die sich auf die öffentlichen Medien einlassen und auch die Fähigkeiten dazu mitbringen.
- Zum Zweiten sehe ich in solchen Sendungen eine Möglichkeit, über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Was das angeht, war ich früher fürchterlich ungeschickt - die Inhalte schienen mir nicht christlich genug, und ich habe mich fürchterlich darüber aufgeregt. Im Ernst: kreuz.net hätte da von mir noch was lernen können, was Beschimpfungen und heiligen Zorn angeht. Ich witterte dahinter eine Verschwörung, die dazu dienen soll, das Christentum zu verleumden - dass die Macher es oft selber nicht besser wissen, habe ich nicht sehen wollen. Das Problem dabei: Die Leute amüsieren sich über solche Wutausbrüche oder nehmen sie befremdet zur Kenntnis - ein Gespräch findet oft genug nicht statt.
- Was mich zum Umdenken gebracht hat, war ein Nachdenken über Paulus und sein Verhalten - zum Beispiel in Athen. Er ist fürchterlich sauer über den allgegenwärtigen Götzendienst, den er sieht - und knallt er den Leuten das vor den Latz? Im Gegenteil: Er benutzt diesen Götzendienst, um vom einzig wahren Gott zu berichten! Er nimmt sogar heidnische Gedichte, die die Dichter auf Zeus geschrieben hatten, und münzt sie auf unseren Gott um!
Was bedeutet das für mich im Zusammenhang mit dieser Sendung (die ich übrigens noch immer nicht gesehen habe, weil ich einfach zu wenig Zeit dazu habe)?
- Nun, zunächst muss ich die Leute da abholen, wo sie sind, wenn ich mit ihnen über Gott sprechen möchte - nichts anderes bedeutet, ihnen in Liebe zu begegnen. Das bedeutet für mich nicht, über die Lehren von Frau Käßmann zu diskutieren, wo sie falsch liegt, oder Frau Käßmann als Irrlehrerin zu schmähen - das bedeutet, den Teil Ihrer Argumentation, der mir recht gibt, zu verwenden, um vom lebendigen Gott Zeugnis abzulegen. Meine Botschaft ist nicht die Jungfrauengeburt Christi (übrigens war dies auch nicht die Botschaft des Paulus, er hat sie nicht einmal erwähnt), sondern Christus, der gekreuzigte und auferstandenen Messias.
Damit sind wir bei der Frage von Joschie zur Frage heilsimmanent: Was für mich heilsimmanent ist, habe ich in der Bibelstelle auszudrücken versucht:
"Wenn Du mit Deinem Munde bekennst Jesum, dass er der Herr (KYRIOS) )sei, und glaubst in Deinem Herzen, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst Du selig werden."
Das Apostolikum ist eine nette und zutreffende Zusammenfassung, was wir Christen glauben (wie auch das Nicänum und andere Bekenntnisse) - aber 1. haben sie nicht biblischen Charakter und -2. sind sie aus einer bestimmten Situation heraus geschrieben. Schauen wir uns z.B. das Nizänum an, so sehen wir, dass für uns heute wichtige Punkte wie die Jungfrauengeburt dort gar keine Erwähnung finden:
"Wir glauben
an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer all des, das sichtbar und unsichtbar ist;
und an einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ward, d.h. aus dem Wesen des Vaters, Gott von Gott, Licht von Licht, wahrhaftiger Gott aus wahrhaftigem Gott, geboren, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch welchen alles geworden ist, sowohl was im Himmel wie was auf Erden ist, der um uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch geworden ist, der Mensch ward, litt und am dritten Tag auferstand, aufgefahren ist gen Himmel (und) kommen wird, um Lebende und Tote zu richten;
und an den Heiligen Geist. "
Gerade in der Zeit des Konzils von Nicäa wäre es rein logisch gewesen, die Jungfrauengeburt mit aufzunehmen - die Väter haben sich dagegen entschieden, auch, weil es kein so wesentliches Thema wie die Gottgleichheit Jesu ist."
Wenn in den späteren Bekenntnissen Maria immer mehr Erwähnung findet, dann auch durch den beginnenden Marienkult. Aus demselben Grund finden wir Maria in den reformierten und lutherischen Bekenntnissen des 16. Jahrhunderts - um gegen diesen Kult ein Gegengewicht zu stellen. Ist dies heute nötig? Da bin ich mir nicht sicher.
Davon ab: Ich glaube nicht, dass im ersten Teil von der Jungfrauengeburt gesprochen wird, oder? Kann da jemand, der ihn gesehen hat, etwas dazu sagen?
Noch einmal zu Joschie: Was von Terra X zu halten ist, kann Dir jeder sagen, der sich mit der Materie auskennt, über die sie berichten. Ich persönlich beschäftige mich schon sehr lange mit Geschichte - angefangen vom europäischen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Genau deshalb habe ich aufgehört, mir diese Sendungen anzusehen - sie sind oft genug schlampig recherchiert, haben grobe sachliche Fehler oder sogar - nicht nur auf religiösem Gebiet - bewußte Verfälschungen. Das hängt auch mit dem verwendeten Medium zusammen: Wenn ich möglichst dramatische Bilder brauche, bleibt die sachliche Richtigkeit oft genug auf der Strecke.
Und je weiter die Zeit zurück liegt, über die sie berichten, um so schlimmer wird es. Mein Lieblingsbeispiel ist aus einer Serie über Rom die germanische Leibwache der Kaiser Augustus und Tiberius
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Warum Frau Käßmann sich dafür hergibt? Weil sie gewohnt war, eine Rolle in der Öffentlichkeit zu spielen - und wer das gemacht hat, der entwickelt eine Sucht in dieser Richtung.
Leider hat sich die mangelnde Qualität dieser Sendungen eben noch nicht herumgesprochen. Wenn Du einen Vergleich mit dem Internet erlaubst: Terra X hat ungefähr die Qualität von Wikipedia - ganz nett für den Einstieg, aber irgendwann hat man die Nase voll davon.
Damit wäre ich auch schon bei Andy: Natürlich hat Gott sich sein Volk erwählt - nur ist das Volk oft genug abgefallen und dann später wieder umgekehrt. Du siehst es vom geistlichen Standpunkt aus - wie aber sieht es von außen aus? Doch genauso, wie Du selber es beschreibst. Hat das Volk Israel keinen Bund mit Gott geschlossen? Doch, hat es. Hat es akzeptiert, dass man keine anderen Götter anbeten soll? Hat es. Hat es diese Vereinbarung aus Überzeugung akzeptiert? Eben nicht, wie die Geschichte Moses, Josua, der Richter und der Könige zeigt. Sie sind dann zu Gott umgekehrt, wenn es ihnen dreckig ging (jedenfalls meistens).
Was Du über Nomaden und Abraham schreibst: Abraham war eben Nomade - vielleicht nicht nach der Definition von Wikipedia (was ich davon halte, habe ich ja schon oben geschrieben), wohl aber nach der Faktenlage: Er hat keine Städte gegründet, er ist sein Leben lang von Ort zu Ort gezogen mit seinen Herden. Seßhaft wurden erst seine Söhne und Enkel - und auch das nicht alle.
Schließlich: Was Frau Käßmann sagt, ist für gläubige Christen in der evangelischen Kirche bei weitem nicht so relevant, wie Du es siehst. Wenn ihre Aussagen meinen Glauben lächerlich aussehen ließen, dann ist dies doch ihr Problem. Glaub mir: Mein Gott findet meinen Glauben bestimmt nicht lächerlich
Zuletzt noch ein Wort zu Shalom: Mir hat Dein Beitrag viel Spaß´gemacht, weil ich Dir, was Maria angeht, wirklich recht gebe. Leider weiß ich nicht, welche Diskussion Du meinst - die würde mich wirklich interessieren.
Ich halte es für wichtig, an die Jungfrauengeburt zu glauben - aber nicht für wesentlich. Und ich würde niemandem den Glauben absprechen, nur weil er mit der Jungfrauengeburt Schwierigkeiten hat.
Man, was für ein Wulst von Worten. Ich danke denen von Euch, die sich ibs hierher durchgekämpft haben, und schaue voller Spannung Euren Antworten entgegen.
Gruß & Segen,
Andreas