„Die biblische Lehre von den
Heilszeiten“ von Ernst G. Maier
Hünfeld, Christlicher
Mediendienst, 2007
Eine Rezension mit
einer allgemeinen Beurteilung des Dispensationalismus
Zunächst
möchte ich mein tiefes Bedauern ausdrücken, mit dem ich diese Rezension
verfasst habe. Ich habe keinerlei Motivation, den Verlag CMD oder die dahinter
stehenden Gläubigen oder den Autor des Buches in Misskredit zu bringen. Im
Gegenteil tut es mir aufrichtig leid, dass zu einem Buch aus diesem Verlag und
mit diesem Hintergrund etwas Kritisches zu sagen ist. Meine nun folgenden
Einwände bezüglich dieses Buches schmälern nicht meine Wertschätzung der
betreffenden Glaubensgeschwister.
Ernst
Maiers Buch soll eine „Ausarbeitung über das dispensationalistische Lehrsystem“
(S. 10) sein, daher ist aus meinem Artikel nicht nur eine Rezension geworden,
sondern gleichzeitig auch eine allgemeine Beurteilung des Dispensationalismus,
der insbesondere in der Brüderbewegung, aber mittlerweile auch vielfach im
freikirchlichen Bereich unhinterfragt vertreten wird. Prägend waren bei dieser
Verbreitung nicht nur die Väter des Dispensatioanlismus wie Darby und Scofield,
sondern insbesondere einflussreiche Ausbildungsstätten wie das Dallas
Theological Seminary, das Moody Bible Institute, die hiesigen Bibelschulen
Wiedenest oder Brake und nicht zuletzt Literatur und Vorträge von Autoren wie
Wim Malgo, Arnold Fruchtenbaum, Hal Lindsay und Tim LaHaye.
Titel und
Untertitel dieses Buches warten mit einem sehr hohen Anspruch auf: Die „biblische
Lehre von den Heilszeiten“ sei ein „eminent wichtiger Schlüssel zum Verständnis
der Schrift“.[1] Nun, zwecks Übersichtlichkeit und
heilsgeschichtlichem Verständnis mag der Bibelleser die Heilige Schrift
durchaus in verschiedene Epochen oder Heilszeiten („Dispensationen“) einteilen
– daran ist weder etwas zu kritisieren, noch ist dies das Monopol der
Dispensationalisten, die nach diesem Unterteilen benannt sind. Wesenskern des
Dispensationalismus ist aber nicht das Gliedern, sondern die Lehre von zwei
verschiedenen Völkern Gottes – dem nationalen Israel und der Gemeinde. Diese
Sichtweise ist in der Theologiegeschichte relativ jung und ist ein erst im 19.
Jahrhundert entworfenes Lehrsystem.
Der
Untertitel bzw. die Vorwortaussage, der Inhalt des Buches sei „ein [eminent]
wichtiger Schlüssel zum Verständnis der Schrift“ klingt ausgesprochen kühn.
Wenn sich eine bestimmte Lehre als unverzichtbarer, einziger „Schlüssel zur
Bibel“ ausgibt, ist Skepsis angebracht. Was ist mit all den Gläubigen vor der Zeit,
als dieser Schlüssel „entdeckt“ wurde? Schließlich geht der Dispensationalismus
auf John Nelson Darby (1800-1880) zurück und wurde erst durch C.I. Scofield
(1843-1921) und seine Scofield-Bibel bekannt gemacht. Auch stellt sich die
Frage: Ist die Bibel etwa ein kodiertes Buch, das noch einen Schlüssel
außerhalb ihrer selbst erfordert? Besagt das reformatorische Motto „sola
scriptura“ nicht, dass die Bibel in sich selbst hinreichend ist? Ist Christus
nicht der einzige und wahre Schlüssel zur Bibel?
In der
Einführung (mit 10 Seiten bereits fast 8% des Buches) versucht der Autor
zunächst, ein Konzept für eine „Geschichtsphilosophie“ zu entwerfen und dessen
Anforderungen zu definieren. Dabei wird nicht klar, ob er den Begriff
„Philosophie“ einfach nur unglücklich gewählt hat, oder ob er sich tatsächlich
über die Warnung vor jeder Philosophie aus Kolosser 2,8 hinwegsetzt. Wie dem
auch sei, bleibt fraglich, warum in einem Buch, dessen Botschaft angeblich
unverzichtbar für alle Christen sein soll, gleich zu Beginn ein sehr akademisch
anmutendes Philosophiekonzept aufgestellt wird. Vielleicht drückt sich der
Autor aber auch nur unnötig kompliziert aus. Z.B. nennt er als letzten von
sechs Punkten: „Eine biblische Geschichtsphilosophie muss auf die drei
grundlegenden Fragen des Menschen: ‚Wo kommen wir her? Warum sind wir hier? Wo
gehen wir hin?’ befriedigende Antworten geben.“ (S. 18) Tatsächlich sollten
Christen die Antwort auf diese wichtigen Fragen nicht erst in irgendeiner
komplizierten Philosophie finden. Die Antwort sollte für sie auf der Hand
liegen, wenn sie selber regelmäßig die Bibel lesen und in ihrer Gemeinde die
Schrift lücken- und schnörkellos ausgelegt und gepredigt wird.
Wenn die
biblische, neutestamentliche Sicht der Heilsgeschichte gelehrt werden soll,
warum wird dann zuallererst eine Geschichtsphilosophie entworfen? Warum nimmt
man nicht einfach jene Lehrtexte des Neuen Testaments, die die Heilsgeschichte
erklären, und legt diese fortlaufend und sauber aus? Texte wie Römer 9-11,
Epheser 2-3 und der Hebräerbrief müssten hier vorrangig betrachtet werden. Doch
der Dispensationalismus gründet sich nicht auf fortlaufende Schriftauslegung,
sondern tatsächlich – schon bei Darby – auf philosophische Grundannahmen. Dies
wäre als erster Schwachpunkt des Dispensationalismus zu nennen.
In Maiers
Einführung wird zudem eine weitere Schwäche des Dispensationalismus deutlich:
Dispensationalisten neigen dazu, dort, wo sie einen Unterschied in der Bibel sehen, nicht nur zu unterscheiden, sondern gleich zu trennen. So spricht Maier auf S. 12 von „zwei verschiedenen
Evangelien“, deren Existenz er aus einem Vergleich von Mt 10,7 mit 1Kor 15,1-5
schließt. Nun gibt es tatsächlich Unterschiede
in den jeweiligen Schwerpunkten dieser Schriftstellen, aber muss man daraus
zwingend auf verschiedene Evangelien schließen? Schließlich sagt Paulus in
Galater 1,7, dass es „kein anderes Evangelium gibt“. Unterschiede können ja
auch auf unterschiedlichen Schwer- bzw. Gesichtspunkten oder auf einer
Weiterentwicklung im Sinne der fortschreitenden Offenbarung beruhen, es muss
nicht unbedingt eine Zäsur erfolgt und etwas ganz Neues eingeführt worden sein.
Wenn ein Kind heranreift und zu einem Erwachsenen wird, identifiziert man auch
nicht zwei verschiedene Personen,
wohl aber Unterschiede in den
Entwicklungsphasen ein und derselben Person. Und genau diesen Fehler haben
Dispensationalisten in ihrer Trennung
zwischen alttestamentlichem Israel und neutestamentlicher Gemeinde begangen:
Aus Unterschieden in der fortschreitenden Entfaltung von Gottes Plan mit seinem
einen Volk haben sie zwei getrennte
Völker Gottes gemacht.
Im
Abschnitt über „die Grundlagen des Dispensationalismus“ zählt der Autor „vier
Pfeiler“ des Dispensationalismus auf: Der erste Punkt, die „wörtliche Auslegung
der Heiligen Schrift“, ist gewiss kein Monopol der Dispensationalisten. Auch
andere bibeltreue Christen gehen stets vom Literalsinn der Schrift aus.
„Der
zweite Pfeiler des Dispensationalismus“ ist nach Maier „die sorgfältige
Unterscheidung von Israel und der Gemeinde“. Wie bereits gesagt, trifft der
Dispensationalismus aber nicht nur eine berechtigte heilsgeschichtliche Unterscheidung,
sondern eine heilsmäßige Trennung von Israel und Gemeinde – wobei
es unter Dispensationalisten unterschiedliche Ausprägungen dieser Trennung
gibt. Der klassische Dispensationalismus sieht Gläubige aus Israel sogar auf
ewig getrennt von der neutestamentlichen Gemeinde – die Trennung bleibe auch in
der Ewigkeit bestehen. Gemäßigte Dispensationalisten wie Maier gehen nicht so
weit, beharren aber auf einer künftigen besonderen Wiederherstellung des
ethnischen Israel, das dann als heilige Nation eine höhere Stellung habe als
die anderen Gläubigen und wieder einen schattenhaften Tempelgottesdienst
praktiziere. Sie meinen zudem, die ethnischen Juden seien auch im ungläubigen
Zustand ein Volk Gottes: Sie bildeten das „irdische Volk Gottes“, während zum
himmlischen Volk Gottes nur die Gläubigen zwischen Pfingsten und Entrückung
gehörten. Meines Wissens lehrt die Schrift aber nicht, dass Gott ein Volk aus
Ungläubigen habe.
Als
dritten Pfeiler nennt Maier die „ewige Bedeutung der Bündnisse Gottes mit
Abraham und David“. Tatsächlich verdeutlicht der Abrahamsbund Gottes Heilsplan
nicht nur mit Israel, sondern mit der ganzen Welt. Abraham sollte demnach „zum
Vater einer Menge Nationen werden“ (1Mo 17,4). Genau das hat sich in der
neutestamentlichen Gemeinde erfüllt: Alle Gläubigen, Juden wie Heiden, sind in
Christus „Abrahams Nachkommenschaft und nach Verheißung Erben“ (Gal 3,29). Der
Abrahamsbund ist also ein starker Beleg für die ewige Zusammengehörigkeit von
Gläubigen aus den Juden und aus den Heiden in Christus als das eine Volk Gottes. Auch Heidenchristen
sind in Christus echte Kinder Abrahams (1Petr 3,6).
Zu Recht
weist Maier auf Apg 7,5 hin und sagt, dass der Abrahamsbund noch nicht erfüllt
ist. Dabei sollte er jedoch bedenken, dass Abraham kein irdisches Reich
erwartete, sondern ein himmlisches (Hebr 11,16). Bemerkenswerterweise führt
Maier diese Schriftstelle aus Hebr 11 sogar an – offenbar ohne sich bewusst zu
sein, dass sie der dispensationalistischen Erwartung eines irdischen Erbes für
das ethnische Israel widerspricht. Tatsächlich können wir eine noch künftige
Erfüllung des Abrahambundes erwarten, allerdings nicht beschränkt auf das Land
Israel, sondern auf die ganze „Welt“ (Röm 4,13) – womit nach Hebr 11,16 aber
eben die neue Welt – neue Himmel und neue Erde – gemeint sind, ein
„unerschütterliches Reich“ (Hebr 12,28).
In Bezug
auf den Davidbund nennt Maier einige Schriftstellen, die den Thron Davids als ewig bezeichnen (2Sam 7,16; 23,5; Ps
89,4-5.29.35). Hier kann also kein zeitlich begrenztes - auch nicht
tausendjähriges - Reich gemeint sein, sondern es ist von einem ewigen Reich die Rede. Nach Apg 2,25-36
hat sich die Verheißung an David darin erfüllt, dass sich Christus zur Rechten
Gottes auf seinen Thron gesetzt hat. Dort ist er, bis seine Feinde zu seinen
Füßen gelegt sind (V. 35, vgl. Ps 110,1). Nach 1Kor 15,23-28 wird Christus
dann, wenn alle Feinde ihm unterworfen sind, das Reich dem Vater übergeben und
mit ihm auf dem ewigen Thron regieren (Offb 22,1).
Maier
nennt hier auch Lk 1,31-33 als Beleg für den Dispensationalismus. Wörtlich
verstanden verheißt der Engel Maria in Lk 1,33 jedoch, dass ihr Sohn, der Herr
Jesus, „in Ewigkeit“ herrschen wird „und seines Königtums wird kein Ende sein“
- offenbar auch nicht nach 1000 Jahren.
Auf S. 20 wirft Maier die These auf, dass der Herr Jesus „nach der Entrückung
der Gemeinde und nach der Großen Trübsalszeit Israels“ „das verheißene
Friedensreich auf dieser Erde“ aufrichten werde. Die Schrift sagt jedoch weder,
dass sich die „große Trübsal“ (dieser Begriff stammt aus Mt 24,21 und Offb
7,14) speziell auf das nationale Israel beziehe, noch lehrt sie ein auf 1000
Jahre begrenztes irdisches Reich (Offb 20,1-6 spricht weder von der Erde noch
von Israel noch von Erfüllung atl. Verheißungen). Vielmehr lehrt das vom
Autoren genannte Kapitel Mt 25, dass nach der Wiederkunft Jesu die einen ins
ewige Leben eingehen, die anderen in die ewige Pein (25,46). Und laut den
ebenfalls genannten Versen Apg 15,14-18 ist die in Christus geschehene
Wiederaufrichtung der „Hütte Davids“ gerade daran zu erkennen, dass durch die
Heidenmission Heiden zum Volk Gottes hinzugerufen wurden.
Der
vierte Pfeiler des Dispensationalismus ist nach Maier: „Manche Aspekte des
Reiches Gottes auf dieser Erde sind noch zukünftig“ (S. 20). Diese Aussage wäre
völlig richtig, wenn die Worte „auf dieser Erde“ weggelassen würden: Zwar sind
gewisse Aspekte des Reiches Gottes seit dem ersten Kommen Jesu schon jetzt
durch die Gemeinde auf dieser Erde realisiert, andere Aspekte hingegen noch
nicht. Aber sie werden nicht auf dieser Erde, sondern auf der neuen Erde und in
den neuen Himmeln – im ewigen Reich Gottes – vollends erfüllt. Dies ist das einfache,
durchgängig im NT gelehrte Schema des „schon jetzt“ und zugleich „noch nicht“ –
das Reich Gottes kommt in zwei Phasen
(Jetztzeit und Ewigkeit) – und nicht in drei
(Jetztzeit, T-Reich, Ewigkeit).
Ebenfalls
auf S. 20 trifft der Autor die absoluten Aussagen: „Auf die Frage nach dem
Irrtum der Pfingstbewegung, der Charismatischen Bewegung und der Dritten Welle
kann nur der Dispensationalismus eine befriedigende Antwort geben. Wer die
Grundzüge der dispensationalistischen Theologie ablehnt, hat keine Grundlage
zur lehrmäßigen Abwehr dieser Bewegungen.“ Damit meint er offenbar, alle
Nicht-Dispensationalisten könnten schwärmerische Lehren, Phänomene und
Bewegungen nicht allein mit Bibel
widerlegen. Damit stellt er der Schrift und allen Christen aus der Zeit vor
Darby ein schlechtes Zeugnis aus. Reicht die Schrift allein als verteidigendes
„Schwert des Geistes“ nicht aus und braucht man zum Abweisen von Irrlehren ein
Sonderlehrsystem? Kann es sein, dass Jahrhunderte bibeltreuer reformatorischer
Theologie hier geringschätzig herabgewürdigt werden? Deren Vertreter wie Luther
und Calvin - oder auch George Whitefield und Jonathan Edwards[2] - haben den Schwärmern ihrer Zeit
sehr wohl entschlossen mit der Bibel widerstanden. Maiers exklusiver Anspruch
überzeugt nicht, sondern vermittelt eher den Eindruck von mangelnder
Kirchengeschichtskenntnis oder Selbstüberschätzung.
In
Kapitel 2, „Der Hintergrund des kosmischen Konflikts“, schreibt Maier über
Gottes Schöpfung, die Rebellion des Teufels, den Sündenfall und die Strategie
Gottes in diesem kosmischen Konflikt“. Dabei betont Maier, dass Gott unbedingt
ein Reich auf dieser Erde aufrichten
will und wird: „Um seine Souveränität unter Beweis zu stellen, muss Gott die
Erde in ihrem ursprünglichen Zustand wieder herstellen. Diese Wiederherstellung
muss auf dieser jetzigen Erde geschehen, nicht erst auf der neuen Erde und dem
neuen Himmel. Würde Gott dies nicht tun, würde der Anschein erweckt werden,
dass er Satan und sein Reich nicht überwunden hat und auch nicht überwinden
kann. Dass Gott dies tun wird, hat er durch seine Propheten verheißen (Apg
3,21; vgl. Jes 11,1ff.)“ (S. 31). Diese Überlegungen stammen nicht aus der
Schrift. Würde Petrus mit der „Wiederherstellung aller Dinge“ in Apg 3,21 ein
künftiges irdisches Reich für Israel meinen, hätte er dies in 2Petr 3 erwähnen
müssen. Dort spricht er aber genau davon, dass wir „neue Himmel und eine neue
Erde erwarten“ (3,13) – und zwar unmittelbar im Zusammenhang der Wiederkunft
Jesu. Auch Jesaja verheißt als Heilserwartung für Israel kein zeitlich
begrenztes Reich – auch nicht in Jes 11 –, sondern ein ewiges (34,17;
60,19-21), nämlich „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (65,17; 66,22).
Die alte
Erde verhält sich nämlich zur neuen so, wie unser sterblicher Leib zum
Auferstehungsleib. Die philosophischen Überlegungen Maiers müssten für den Leib
ebenso gelten und so müsste man sagen: „Würde Gott nicht den sterblichen Leib
verherrlichen, sündlos machen, völlig heilen usw., würde der Anschein erweckt
werden, dass er Satan und sein Reich nicht überwunden hat.“ Das ist natürlich
falsch. Gottes Heil geht nur über Kreuz und Auferstehung. Die ganze Erde, die
Natur und Schöpfung, befindet sich jetzt noch, genau wie unser Leib, in
unerlöstem Zustand. Z.B. Römer 8,18ff lehrt diese Parallele ganz eindeutig. So
wie es für Leib nur zwei Phasen gibt – sterblich und ewig – so gibt es auch für
die Erde nur zwei Phasen und nicht drei: Jetzt
„der Nichtigkeit unterworfen“ (Röm 8,20) und künftig „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit frei gemacht“ (V.
21). In Römer 8 kann nicht von der Schöpfung im Tausendjährigen Reich die Rede
sein, denn die wäre noch „vergänglich“. Wer auf dieser alten, unerlösten Erde
Gottes Reich vollendet sehen will, leistet ebenso einer irdischen Gesinnung
Vorschub wie jemand, der für unseren sterblichen Leib Heilung oder
Sündlosigkeit fordert.
Vielen
Aussagen von Maier wären richtig, wenn er anstelle des irdischen
Tausendjährigen Reiches den biblischen Ausdruck „neue Himmel und neue Erde“
einsetzen würde. Zahlreiche andere Aussagen sind lediglich spekulative
Behauptungen ohne biblische Begründungen. Z.B. schreibt er: „Gott muss den
Menschen dazu bringen, dass er die jetzige Erde so verwaltet, wie es
ursprünglich vorgesehen war … Gott muss den Menschen die vollkommene Umgebung
für den Menschen wieder herstellen, so, wie sie vor dem Sündenfall war …“ (S.
32). Doch weder die dazu genannten Schriftstellen noch eine andere
Argumentation begründen, warum Gott dies „muss“.
Ein
weiteres Beispiel: Der Antisemitismus muss keineswegs darin begründet sein,
dass Gott das ethnische Israel künftig wieder zu einem Sonderstatus erheben
wird und Satan dies verhindern will (wie Maier auf S. 35 behauptet), sondern
schon solch klare Prophezeiungen wie 5Mo 28,37 und Jer 24,9 erklären den
Antisemitismus aus biblischer Sicht. Maiers Behauptungen beruhen nicht auf
Schriftauslegung, sondern werden dogmatisch und spekulativ vorausgesetzt. Das
ist weder guter Umgang mit der Schrift noch gesunde Lehre, die sich aus der
Schrift herleitet. Eine solche Vorgehensweise schmälert natürlich das Vertrauen
zum Autor. Aufgrund dieses bisher aufgezeigten, durchgängigen fragwürdigen
Umgangs mit der Schrift werde ich im Rest dieser Rezension nicht mehr auf alle
einzelnen unrichtigen Aussagen Maiers eingehen, sondern mich auf die
gravierendsten Mängel beschränken.
In
Kapitel 5 will Maier die Lehre von den „Haushaltungen“ biblisch begründen. Wie
bereits gesagt, ist es durchaus berechtigt, die biblische Heilsgeschichte in
Epochen aufzuteilen. Maier baut dieses Konzept jedoch zu einem Lehrsystem aus,
das er als „Schlüssel“ letztlich über die Schrift selbst stellt.
Auch hier
wird wieder ein sehr fragwürdiger Umgang mit der Schrift deutlich: Anhand des
Gleichnisses vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-8) will Maier zeigen, was eine
„Haushaltung“ im Sinne des Dispensationalismus ist (S. 38). Das geht gewiss
nicht nur weit an der Aussageabsicht des Bibeltextes vorbei, sondern hat mit
ihm überhaupt nichts zu tun. Wenn ein Prediger über Lukas 16,1-8 predigen
sollte und dabei Maiers Interpretationen verkündigte, blieben die Zuhörer
geistlich brotlos.
Zu Maiers
Ausführungen zu den Begriffen „Haushaltung“ bzw. engl. „Dispensation“ ist
anzumerken, dass man diese Begriffe wie bereits gesagt durchaus verwenden kann,
ohne ein Dispensationalist zu sein. Es ist unter Schriftauslegern quasi aller
Prägungen üblich, verschiedene Epochen zu unterscheiden, und auch alte
Theologen wie Augustinus bezeichneten die von ihnen (jeweils unterschiedlich)
identifizierten Phasen bereits als „Haushaltung“ oder „Dispensation“.
Aus
Maiers Aussagen wird deutlich: Der Dispensationalismus ist eine systematische
Überstrapazierung des Einteilens und Gliederns, das zum Bibelstudium eigentlich
hilfreich sein mag, aber in der Bibel nicht den Stellenwert hat, zu dem
Dispensationalismus es erhebt. Maier zählt zahlreiche „Merkmale einer
Haushaltung“ auf (S. 39ff), z.B.: „Eine Haushaltung ist von Gott bestimmt … hat
Hausregeln … gilt für eine bestimmte Zeit …“ etc. Wenn es in der Schrift
tatsächlich so klare Bestimmungen und Leitlinien gebe, stellte sich die Frage:
Warum kommen einzelne Dispensationalisten dann zu so unterschiedlichen
Einteilungen der verschiedenen Haushaltungen?
Manche
Behauptungen des Autors sind zirkelschlussartig oder redundant. Bei seinen
Aussagen: „In den Heilszeiten wird der Gehorsam des Menschen gegenüber dem
offenbarten Willen Gottes geprüft … Jede Heilszeit offenbart den Ungehorsam des
Menschen“, ließe sich „in den Heilszeiten“ einfach durch „immer“ oder „während
der ganzen Heilsgeschichte“ ersetzen, was den Aussagewert für den
Dispensationalismus gegen Null tendieren ließe.
Ein
weiteres Beispiel für Maiers schier unsäglichen Umgang mit der Schrift: Maier
behauptet, im Neuen Testament würden „mindestens drei Haushaltungen Gottes
[d.h. Zeitalter im Sinne des Dispensationalismus] ausdrücklich genannt oder
vorausgesetzt“ (S. 42) und verweist auf Eph 1,10; 2,3 und Kol 1,26. In Eph 1,10
sei mit „Verwaltung der Erfüllung der Zeiten“ „die Zeit des Millenniums“
gemeint – was sicher nicht der Aussageabsicht des Textes entspricht. Ebenso
wenig entspricht, wie Maier behauptet, die „Verwaltung der Gnade Gottes“ in Eph
3,2 (nicht 2,3 wie angegeben!) der „gegenwärtigen Zeit der Gemeinde“.
Schließlich schreibt Paulus über diese „Verwaltung“ bzw. „Haushaltung“: „… die
mir im Hinblick auf euch gegeben ist“. Wohl kaum wurde Paulus das „Zeitalter
der Gemeinde“ gegeben. Hier geht es um den Dienst der Evangeliumsverkündigung
an Heiden. Eine „Verwaltung“ bzw. „Haushalterschaft“ im Sinne eines Dienstes
bzw. einer Aufgabe ist sicher etwas ganz anderes als ein Zeitalter. In Kolosser
1,26 sei angeblich von „vorhergehenden Zeiten“ die Rede. Das habe ich
allerdings in keiner Bibelübersetzung gefunden. Die als Quelle angegebene Lutherbibel
übersetzt ähnlich wie die Elberfelder: „seit ewigen Zeiten“. Maier
schlussfolgert aus seinem unrichtigen Schriftzitat, „dass es vor der
gegenwärtigen Heilszeit eine andere Heilszeit gegeben haben muss.“ Ganz
abgesehen von Maiers falscher Wiedergabe und von der Tatsache, dass hier von
„Zeiten“ im Plural die Rede ist, spricht Vers 25 von einer „Verwaltungsaufgabe“
des Paulus in genau demselben Sinne wie Eph 3,2 und Vers 26 von der
fortschreitenden Offenbarung des Evangeliums – ohne dass hieraus ein oder
mehrere dispensationalistische Systemzeitalter gemacht werden. Auch in unserem
Sprachgebrauch sprechen wir von „alten“ oder „früheren Zeiten“ einfach im Sinne
von „Vergangenheit“ und ohne diese Vergangenheit systematisch zergliedern zu
wollen. Maiers überstrapazierte Schlussfolgerung aus Kol 1,26 ist ein Beispiel
für die dispensationalistische Schwäche, bestimmte Begriffe in der Schrift
herauszusuchen und mit einer herangezogenen angeblichen Bedeutung zu
überfrachten, die mit dem Zusammenhang und der Aussageabsicht des Bibeltextes
meist nur wenig tun hat.
Auf S. 44
thematisiert Maier ganz unvermittelt die „Zeit der siebzigsten Jahrwoche“,
womit er sich auf Daniel 9,27 bezieht. In dem ganzen Abschnitt erwähnt er
keinen einzigen Vers aus dem Buch Daniel und lässt den Leser so im Unklaren, um
welche Schriftaussagen es überhaupt geht. Von biblischer Lehre, die sich auf
Schriftauslegung gründet, kann hier keine die Rede sein. Da die Sichtweise, die
siebzigste Jahrwoche Daniels sei – im Gegensatz zum Literalsinn von Daniel 9 –
noch zukünftig, ohnehin eine spezielle Sonderlehre des Dispensationalismus ist,
ist dieser Abschnitt für den gewöhnlichen Leser eher verwirrend als
aufschlussreich.
Anschließend
beschreibt Maier die sieben Heilszeitalter des Dispensationalismus näher.
Manches davon ist durchaus richtig. Bei der „Haushaltung des Gesetzes“ (S. 50)
stellt sich die Frage, ob die Gesetzesgebung vom Sinai lediglich die Einführung
einer „Haushaltung“ war gleich wie z.B. Gottes Handeln mit Noah oder Berufung
von Abraham. Die Schrift nennt die Epoche unter Gesetz „alter“ bzw. „erster
Bund“, den Mose vermittelte, in Parallele zum Neuen Bund, den der Herr Jesus
eingesetzt hat. Eine m.E. schriftgemäßere Einteilung der Heilsgeschichte würde
diese Bündnisse und die Parallelen und Unterschiede, Kontinuitäten und
Diskontinuitäten zwischen ihnen deutlicher herausstellen.
Gleiches
gilt wohl erst recht für die von Maier als „Haushaltung des Heiligen Geistes“
bezeichnete neutestamentliche Zeit (S. 51). Die Zeit des Neuen Bundes, den der
Herr Jesus durch sein vergossenes Blut einführte (Mt 26,28; Lk 22,20; 1Kor
11,25), ist nicht nur eine Haushaltung neben vielen, sondern die Erfüllung des
Heilsplanes Gottes in Christus. Ebenfalls fraglich ist die
dispensationalistische Einteilung, die den Beginn dieser Haushaltung auf das
Pfingstereignis datiert.[3] Bis dahin sei die „Haushaltung
des Gesetzes“ gewesen. Die schriftgemäße Einteilung wäre alter bzw. erster Bund
und neuer Bund, wobei der Übergang nicht auf einen exakten Tag datiert wird.
Das griechische Wort für alter und neuer Bund
bedeutet auch altes und neues Testament,
woher die beiden Bibelteile ihren Namen haben. Die Trennlinie dazwischen ist
der Zeitraum des ersten Kommens Jesu mit dem Höhepunkt von Kreuz und
Auferstehung und der Vollendung durch den Dienst der Apostel. Die Kraft und
Inspiration für diesen Dienst empfingen sie tatsächlich zu Pfingsten. Die
Gültigkeit des Gesetzes ist hingegen nicht – erst recht nicht exakt am
Pfingsttag – wie durch eine Zäsur abgeschnitten. Das Gesetz hat weiterhin einen
geistlichen Zweck (Röm 3,20b; 5,20; 7,14; Gal 3,24). Die Phasen „unter Gesetz“
und „unter Gnade“ können durchaus auch heute noch in der geistlichen
Entwicklung von Menschen vorkommen. Der Dispensationalismus hingegen will die
jetzige Zeit als völlig losgelöst vom Gesetz sehen und hat daher z.T.
antinomistische (gesetzlose) Züge.[4] So ist z.B. die aktuelle
lehrmäßige Kontroverse, ob der Gläubige Jesus auch als Herrn oder nur als
Heiland akzeptieren muss, überhaupt erst durch den Dispensationalismus
aufgekommen. Vorher war unter bibeltreuen Protestanten allgemein klar, dass der
Gläubige Jesus als Herrn gehorchen soll. Gewiss sind Gesetz und Gnade
unvermischbar, aber dieser Grundsatz gilt für alle Zeiten und definiert keine
isolierten Heilszeitalter. Der Neue Bund der inneren Erneuerung durch Gott
wurde im Alten Testament verheißen und war schon damals die von Gott gegebene
Heilshoffnung, wenn auch seine Erfüllung erst mit Christus kam.
Das
zusammenhanglose Nebeneinanderstellen einzelner isolierter „Heilszeitalter“ ist
wohl auch die Ursache dafür, dass der Dispensationalismus kein Problem damit
hat, nach dem jetzigen Zeitalter einfach ein Zeitalter des Rückschrittes in die
alttestamentliche Ordnung zu postulieren. Maier meint tatsächlich, nach der
Entrückung würde „die Heilszeit Israels“ fortgesetzt, die „durch die Zeit der
Gemeinde“ lediglich „unterbrochen“ wurde (S. 44-45). Ein Zurück in die
alttestamentliche Ordnung widerspricht aber eindeutig der Botschaft des
Hebräerbriefes (Hebr 8,13; 9,10 etc.), der gerade vor einem solchen Rückschritt
warnt. Und die Bezeichnung des jetzigen christlichen Zeitalters als bloße, fast
störende „Unterbrechung“ in Gottes eigentlichem Heilsplan mit dem irdischen
Israel degradiert diese Zeit der weltweiten Evangeliumsverbreitung zu einem
Nebenschauplatz der Heilsgeschichte.
Das
„Tausendjährigen Reich“ bezeichnet Maier als „Haushaltung der Herrschaft Jesu
Christi“ (S. 52). Hier wird wiederum etwas Allgemeingültiges - die Herrschaft Jesu
- auf ein begrenztes Zeitalter eingeschränkt. Die Herrschaft ist Gott niemals
aus der Hand geglitten, nur steht die letztendliche Unterwerfung aller seiner
Feinde derzeit noch aus. Gewiss wird diese Zeit kommen. Die Schrift bezeichnet
dies als das „künftige Zeitalter“ und kennt neben dieser ewigen Heilshoffnung
kein weiteres Zwischenreich. Das messianische Reich ist ein ewiges Reich. Das,
was Maier als kennzeichnend für ein Tausendjähriges Reich für Israel
beschreibt, lässt sich alles entweder der jetzigen Zeit oder der künftigen
Ewigkeit zuordnen. Der Dispensationalismus „schielt“ hier gewissermaßen und
sieht doppelt: Er erkennt in dem, was die Schrift als eine einzige künftige
Ewigkeit vorstellt, zweierlei Phasen.
In diesem
Zusammenhang möchte ich meine Kritik jedoch einschränken und verschiedene
Sichtweisen differenzieren: Während ich persönlich nicht an ein irdisches
Tausendjähriges Reich glaube (so genannter Amillenialismus), möchte ich darauf
hinweisen, dass es neben Amillenialismus und Dispensationalismus noch weitere
Sichtweisen des Taus. Reiches gibt: den Postmillenialismus
und den historischen Prämillenialismus.
Der Postmillenialismus erwartet vor
der Wiederkunft Jesu, also durch Menschen herbeigeführt, ein irdisches
Tausendjähriges Reich. Ohne weiter darauf einzugehen, möchte ich mich von
dieser Sicht ausdrücklich distanzieren.
Der
historische Prämillenialismus erwartet ein irdisches Tausendjähriges Reich wie
der Dispensationalismus, allerdings ohne Sonderstellung Israels und folglich
ohne Wiedereinführung des jüdischen Kultus. Daher ist das Tausendjährige Reich
des historischen – d.h. des schon in der frühen Kirchengeschichte vorhandenen –
Prämillenialismus ein gänzlich anderes als das des Dispensationalismus. Der
historische Prämillenialismus vertritt dieselbe Sicht vom Volk Gottes wie der
Amillenialismus, während der Dispensationalismus zwei Völker Gottes lehrt und
darauf aufbauend Sonderlehren, die auch das Heil und den Zweck des erstens
Kommens Jesu betreffen. Meine Vorbehalte gegen den Dispensationalismus beziehen
sich weniger auf den „endzeitlichen Ablaufplan“, sondern vielmehr auf sein
Heils- und Kirchenverständnis (Soteriologie und Ecclesiologie). Die Erwartung
eines irdischen Tausendjährigen Reiches wie im historischen Prämillenialismus
möchte ich nicht so entschieden kritisieren.
Für den
bedauerlichsten Abschnitt des ganzen Buches halte ich die Tabelle auf den
Seiten 58-59, wo Maier den Dispensationalismus dem gegenüberstellt, was er für
„nichtdispensationalistische Theologie“ hält. Wie er hier
nicht-dispensationalistische Positionen pauschal und undifferenziert darstellt,
halte ich für entweder inkompetent oder unlauter. Ich möchte auf die einzelnen
Unterstellungen kurz eingehen (seine Behauptungen in Kursivschrift):
Maier
behauptet, nichtdispensationalistische Theologie (lehre):
-
Die Verantwortung des Menschen war
während der gesamten Menschheitsgeschichte dieselbe. Kommentar: Hierfür hätte ich
gern Zitate und Quellenangaben. Meines Wissens lehrt z.B. die reformatorische
Theologie, dass die Verantwortung des Menschen selbstverständlich dem Maß der
Offenbarung Gottes entsprach.
-
Gott verwaltet die Menschen unter
einem Bund, den „Bund der Gnade“. Kommentar: Die reformatorische Bundestheologie lehrt zwei
grundsätzliche Bündnisse: den Bund der Werke und den Bund der Gnade.
-
Sieht den Zweck der Weltgeschichte
in der Erlösung des Menschen. (Beim Dispensationalismus hingegen liege dieser
Zweck in der Ehre und Verherrlichung Gottes). Kommentar: Diese Behauptung stellt die Tatsachen
auf den Kopf. In der reformatorischen Theologie, insbesondere dem Calvinismus,
war die Ehre Gottes stets das höchste Ziel, während im Dispensationalismus
Israel die höchste Stellung hat.
-
Sieht für Israel keine bleibende
Hoffnung (während im Dispensationalismus [das ethnische] Israel das von Gott
erwählte Volk ist und bleibt. Kommentar: Auch Nichtdispensationalisten sehen eine
bleibende Hoffnung für Israel, nämlich Christus und sein Heil einschließlich
der ewigen neuen Himmel und neue Erde. Das Evangelium gilt den „Juden zuerst“.
Wer hingegen Jesus ablehnt, gehört nicht zu Gottes Volk. So hatte Gott zum
ethnischen Israel bereits zuvor gesagt, dass sie „Nicht-mein-Volk“ sind. Eine
Wiederannahme als Volk ist nur durch den Glauben an Christus möglich, und zwar
vor seiner Wiederkunft. Das Evangelium ist die „Hoffnung Israels“ (Apg 26,6-7;
28,20). Hingegen ist das zeitlich begrenzte Tausendjährige Reich keine ewige
bleibende Hoffnung.
-
Gründet sich auf allegorische
Auslegung der Prophetien. Kommentar: Diese Unterstellung trifft nicht zu. Grundlage der
reformatorischen Theologie ist das Neue Testament, in dessen Licht das Alte
Testament ausgelegt wird.
-
… allegorisiert (alttestamentliche
Aussagen, während der Dispensationalismus auf der wörtlichen Auslegung
besteht). Kommentar:
Unzulässige Pauschalisierung. Auch reformatorische Theologie geht vom
Literalsinn aus, beachtet aber auch die typologischen Deutungen
alttestamentlicher Begriffe im Neuen Testament. Bereits die erste Prophezeiung
der Bibel (1Mo 3,15) macht deutlich, dass Prophetie nicht immer buchstäblich
gemeint ist. Hingegen weicht der Dispensationalismus vom Prinzip der
Buchstäblichkeit ab, ohne eine neutestamentliche Begründung dafür zu haben,
z.B. bei der „70. Jahrwoche Daniels“.
-
Versteht die Gemeinde als das
„geistliche Israel“, als die Fortsetzung des einen Volkes Gottes, während der
Dispensationalismus die Gemeinde als von Israel gesonderte Einheit versteht. Kommentar: Dass der
Dispensationalismus hier falsch liegt, habe ich oben bereits gezeigt. Die
Schrift lehrt nicht zwei Völker Gottes, sondern eins. In der Gemeinde sind
gläubige Heiden zu „Mitbürgern“ und „Miterben“ Israels geworden (Eph 2-3).
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Lehrt, dass die Gemeinde auf der
Erde bleibt, bis Jesus Christus wiederkommen wird. Kommentar: Unzutreffend, denn auch
reformatorische Christen glauben an die Entrückung, nur der Zeitpunkt steht zur
Debatte.
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Sieht die Wiederkunft Jesu Christi
nicht, um sein messianisches Friedensreich aufzurichten. Kommentar: Unzutreffend, die
reformatorische Theologie lehrt, dass mit der Wiederkunft Jesu Christi sein
ewiges Friedensreich beginnen wird.
Dass der
Autor gegnerische Positionen nicht nur pauschal und ohne Zitate und Quellen
darstellt, sondern auch völlig falsch, nimmt mir jedes Zutrauen in seine
Fähigkeit oder Glaubwürdigkeit und damit auch jedes Interesse an einer weiteren
Auseinandersetzung mit seinen Ausführungen. Es ist an dieser Stelle genug
gesagt und ich möchte die Rezension damit auf die erste Hälfte des Buches
beschränken.
Es ist zu
wünschen, dass es auch unter den Lesern dieses Buches viele solcher Gläubige
gibt, die sorgfältig „alles prüfen“ (1Thes 5,21) und „täglich in der Schrift
forschen, ob es sich so verhält“ (Apg 17,11). Wer oberflächlich ist, mag sich
durch die dispensationalistische Systematik täuschen lassen, aber einer Prüfung
an der Schrift hält Maiers Buch an allen Ecken und Enden ganz offenbar nicht
stand.
Hans-Werner
Deppe
[1] Der Ausdruck „eminent“ steht nur
im Klappentext und im Vorwort.
[2] Siehe dazu z.B. Benedikt Peters:
„Der Geist der Erweckung. Die große Erweckung [unter Whitefield und Edwards]
und die charismatische Bewegung“. Betanien Verlag, 2001.
[3] Einige andere Dispensationalisten
datieren die Zäsur auf andere Ereignisse im Verlauf der Apostelgeschichte.
[4] Siehe dazu ausführlich John H.
Gerstners Beitrag in: „Das Wort der Wahrheit recht zerteilen“, RVB Hamburg.