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Was heißt „heilbringend für alle Menschen“?

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Ist die Erlösung für jeden einzelnen Menschen der Welt da, oder was bedeuten biblische Aussagen wie Titus 2,11: „Die Gnade Gottes ist [in Jesus Christus] erschienen, heilbringend allen Menschen“? Gegner der Erwählungslehre führen solche Aussagen (ähnlich z.B. 1. Timotheus 2,4; Gott „will, dass alle Menschen errettet werden“) als Argument für ihre Vorstellung an, dass die Erlösung nicht nur den Erwählten, sondern jedem einzelnen Menschen gelte.

Erwählungsgegner missachten dabei anscheinend eines der wichtigsten Prinzipien gesunden Bibelstudiums: den Zusammenhang zu beachten. Die besagte Schriftstelle Titus 2,11 ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich die Bedeutung einer Bibelstelle klar aus ihrem Zusammenhang erschließen lässt.

Was ist der Gedankengang von Paulus in Titus 2? Titus soll den Gläubigen in den Gemeinden von Kreta mit gesunder Lehre vermitteln, wie sie heilig und gottesfürchtig leben sollen (Vers 1 und 12). Paulus geht dabei konkret auf verschiedene Gruppen ein: die „alten Männer“ (V. 2); „alten Frauen“ (V. 3); „jungen Frauen“ (V. 4); „jungen Männer“ (V. 6) und „Sklaven“ (V. 9). Anschließend resümiert er: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen …“ (V. 11) – also all den aufgezählten Gruppen und überhaupt allen Arten von Menschen. Es gibt keine Menschengruppe – kein Volk, kein Geschlecht, keine Altersgruppe – die kategorisch vom Heil ausgeschlossen ist. Letztlich geht es in Paulus Ausführungen aber weniger um die bloße Errettung, sondern eben um die Heiligung. Das führt er dann weiter aus: „… und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und weltlichen Begierden verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben …“ (V. 12). Genau das hatte Paulus ja über die angeführten Gruppen gesagt, z.B. dass sie „besonnen“ (V. 2.5.6) sein sollen. Es ist also ein zusammenhängender Gedankengang: Heiligung durch Gnade – durch die gesunde Lehre des Evangeliums – und zwar für alle Arten bzw. Gruppen von Menschen.

Allein aus diesem groben Überblick wird deutlich, was mit „allen Menschen“ in Vers 11 gemeint ist. Aber noch weitere Beobachtungen aus dem Zusammenhang sind hilfreich für das Verständnis:

Schon in Vers 1 wird die „gesunde“ (Elberfelder) oder „heilsame“ (Luther) Lehre erwähnt. Das ist zwar ein anderes griechisches Wort (hygiaino) als „heilbringend“ (soterion) in Vers 11, aber doch sinnähnlich. Es geht also darum, dass es die Lehre des Evangeliums ist, die den Gläubigen „gesund“ und „heil“ macht, also in seiner Lebenspraxis heiligt. Das Thema dieses Abschnitts ist nicht die Errettung, sondern die praktische Heiligung als Folge der Errettung, und zwar durch die gesund(machend)e Lehre des Evangeliums. Diese „Lehre“ soll durch die entsprechende Lebenspraxis der Gläubigen „geziert“ oder „geehrt“ werden (Vers 10; dasselbe sagt Vers 5: „… damit das Wort Gottes nicht verlästert werde“). Es ist nicht gemeint, dass jeder einzelne Mensch der Welt diese geistliche Gesundung erfährt, sondern dass von den Gläubigen – ob jung oder alt, Mann oder Frau – niemand kategorisch von der praktischen Heiligung ausgenommen ist. Das sagt Paulus dann auch deutlich gleich im Anschluss: „… heilbringend allen Menschen, und unterweist uns …“ „Uns“ meint sicher nicht alle Menschen der Welt, sondern nur die Christen. Ein Widerspruch zu Vers 11? Nein, zur Gemeinde gehören ja alle möglichen Menschen. Mit „alle Menschen“ in Vers 11 und „uns“ in Vers 12 ist exakt dasselbe gemeint: alle Gläubigen (unter denen alle möglichen Menschen sind).

An ihnen wird die „heilbringende“ Gnade Gottes wirksam. Hier ist nicht von „heilanbietend“ die Rede – so verstehen es fälschlicherweise die Erwählungsgegner – sondern „heilbringend“ (soterion), was wörtlich „heilend“ (Luther: „heilsam“) oder „rettend“ heißt – also effektiv und nicht als theoretische Möglichkeit. Würden wir das so verstehen, dass es sich auf jeden einzelnen Menschen bezieht, würde das zu einer Allversöhnungslehre führen. Abgesehen davon, dass eine Allversöhnung sowieso unbiblisch ist, würde dies aber im Zusammenhang überhaupt keinen Sinn ergeben: Es wäre nicht nur eine Allversöhnung oder All-Erlösung, sondern eine „All-Heiligung“ – und das sogar im praktischen Sinne, also dass alle Menschen der Welt eine praktische Lebensheiligung erfahren. Das wäre absurd. Die Gnade „unterweist uns“, oder „belehrt uns“ – es geht also die Lehre von der Gnade, um die Predigt, Verkündigung, den biblischen Unterricht in der Gemeinde -, und leider lässt sich nicht jeder Mensch dieser Welt von der biblischen Lehre des Evangeliums belehren, sondern dies erfahren nur die Gläubigen in der Gemeinde (in den vielen Gemeinden und Kirchen, die von der biblischen Gnadenlehre abgefallen sind, leider auch nicht).

Zu der gesunden Lehre von der Gnade, die praktisch heiligt und heilt, gehört sowohl die Erwartung der Wiederkunft Jesu (V. 13), die zu einem geheiligten Leben motiviert, als auch die Lehre von der Erlösung am Kreuz (V. 14).

Dort in Vers 14 wird noch dreimal herausgestellt, was die heilsame Gnade – Jesu Erlösungswerk – ausschließlich für Christen bedeutet: Er hat sich selbst 1.) „für uns gegeben“, 2.) er hat „uns losgekauft“ und uns 3.) als „Eigentumsvolk gereinigt“. Das sind so gewaltige Dinge, dass es geradezu unwürdig erscheint, diesen Artikel hier zu verkürzen und dies nicht noch viel weiter auszuführen. Nur kurz soll die Tragweite dieser Aussagen angerissen werden: Christus hat seine Gemeinde (nicht alle Menschen aller Zeiten) so sehr als Braut geliebt, dass er sein Leben für sie gab. (Was wäre es für eine Liebe, wenn ein Mann zu seiner Frau sagt: „Ich liebe dich … genau wie ich jede andere Frau dieser Welt liebe …“ Das stellt aber nicht in Abrede, dass Gott eine allgemeine Liebe zur Welt und Güte gegenüber allen Menschen zeigt.) Er hat die Gläubigen (nicht alle Menschen aller Zeiten) vom Sklavenmarkt der Sünde freigekauft zum Preis seines eigenen Blutes und Lebens. Er hat keinen pauschalen, undifferenzierten „Großeinkauf“ gemacht, sondern bewusst und persönlich jene erkauft, die ihm vom Vater aus der Welt gegeben worden sind (Joh 6,37; 17,6; Gal 2,20). Deshalb sind sie nun sein Eigentum und sein ganz besonderes Volk (im Gegensatz zu allen anderen, die nicht zu seinem Volk gehören). Das Volk der Erlösten ist als Leibeigene dem Herrn Jesus unterworfen und durch sein Blut „gereinigt“, und diese Erlösten sollen nun in einer dementsprechend gereinigten und geheiligten Weise leben.

Fazit: In Titus 2,11 geht es um praktische Heiligung für alle Gläubigen – unter denen alle möglichen Menschen sind – durch die gesunde Lehre von der Gnade Gottes in Christus. Erwählungsgegner, die diesen Vers für ihre Auffassung instrumentalisieren, haben offenbar den Zusammenhang missachtet und daher den Gedankengang dieses Abschnitts nicht verstanden. Ähnliches gilt wohl für Schriftstellen wie 1Tim 2,4; Joh 3,16 und 1Jo 2,2.

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