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Biblische Seelsorge, ein Überblick

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von Hans-Werner Deppe, im Mai 2000

Gliederung

1. Seelsorge – einige Beispielbereiche

2. Wo Heilung nötig ist – aus biblischer Sicht

3. Das Ziel von Seelsorge

4. Stellenwert von Seelsorge und Wichtigkeit von „Vorbeugung“

5. Wer kann Seelsorge ausüben?

6. Geistliches Unterscheidungsvermögen in der Seelsorge

7. Vier große Unterschiede zu weltlicher Therapie

  • Buße
  • Gottes perfekte Lösung: Kreuz und Auferstehung
  • Keine Selbstliebe
  • Das Wort Gottes

8. Das Prinzip von Entscheidung, Konsequenz und Verantwortung

9. Weitere grundsätzliche Regeln

10. Seelsorge im Rahmen der Gemeinde: Beispiel Ehevorbereitung

11. Ausblick auf Vertiefungsmöglichkeit des Themas

Anhang 1: Warum der Herr Jesus Fragen stellte

 

1. Seelsorge – einige Beispielbereiche

Drei Bereiche (Überschneidungen sind üblich, vor allem zwischen 1. und 2.):

1.) Helfen, Heilen und Ermutigen in Notsituationen:

  • Probleme und Krisen in der Ehe (zwischen Gläubigen oder zwischen Gläubig/Nichtgläubig)
  • Andere familiäre Krisen: Erziehung, drogensüchtige Eltern etc.
  • Andere Beziehungsprobleme: schlechte Freundschaften, gemeine Arbeitskollegen/Vorgesetzte
  • Harte Lebenssituationen: durch Arbeitsplatz, Krankheit, Verlust, kaputte Familie etc.
  • Gewohnheiten und Belastungen aus dem „alten Leben“
  • Depression, allgemeine Entmutigung
  • Versagen, z.B. schulisch
  • Okkulte Belastung

2.) Ermahnen in sündigen Situationen:

  • Sucht, Abhängigkeiten und sündige Bindungen
  • Notwendigkeit von (Gemeinde-) Zucht und Wiederherstellung
  • Weltliche bzw. irdisch gesinnte Lebensausrichtung

3.) Anleiten in Lebensfragen:

  • Ehevorbereitung
  • Führungs- und Entscheidungsfragen
  • gibt es zwei Gruppen von Gläubigen? Helfer und Hilfesuchende?

In vielen Bereichen ist die Situation so komplex, dass alles notwendig ist: Hilfe, Wegweisung, Ermahnung, Ermutigung und Heilung.

2. Wo Heilung nötig ist – aus biblischer Sicht:

Eine schlimme Situation finden wir in Johannes 5,1-16: „eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer“ in Jerusalem. Hier muss der Herr ein besonderes Wunder tun.

Krankheitszustände bedeuten, nicht der Absicht Gottes zu entsprechen und von den Folgen der Sünde geplagt zu sein. Unfähigkeit, Gottes Bestimmung für das Leben nachzukommen.

  • Krank: Von Konsequenzen der Sünde gepeinigt, (Vorleben?, Gewissen befleckt?, moralische Kraft fehlt?)
  • Blindheit: Blick auf den Herrn und geistliches Unterscheidungsvermögen fehlt
  • Gelähmtsein: Völlige Blockade, dem Herrn wirksam zu dienen
  • Dürr: Ernährung mit dem Wort fehlt, Erfülltsein mit Christus und dem Heiligen Geist fehlt, Substanz fehlt, Kraft fehlt
  • Schwach: Worin schwach? In der Gnade? Im Wort? Oder im eigenen Vermögen? Letzteres muss einfach angenommen werden.
  • Besessenheit: Vollkommen im Griff der Macht der Finsternis sind nur Nichtgläubige. Das Gegenmittel ist das Evangelium. Die Frage, unter wessen Herrschaft ein Mensch steht, ist absolut grundsätzlich.
  • Aussätzig: Sünde, von der man sich trennen muss. Der Herr muss anrühren, um zu heilen.
  • Tot oder im Tiefschlaf: Das Evangelium und der Weckruf, der auf den Herrn hinweist.
  • Fruchtlosigkeit: Geistlicher Charakter (Gal 5,22), Anbetung (Hebr 13,15) und Vermehrung durch Jüngermachen fehlt (1Mo 1,28; Mt 28,19). Der Herr ist so gnädig, dass er dafür plädiert, dass um dem Baum noch einmal umgegraben und gedüngt wird (Lk 13,6-9). Der Vater schneidet fruchtlose Reben ab oder hebt sie hoch (Joh 15,1-2).

„Symptome“ wie z.B. akute Not sind nur äußerliche Signale, die bei Notwendigkeit von Ursache nicht einmal gegeben sein müssen. Die schlimmsten Ursachen und Konsequenzen liegen oft jenseits des Horizonts der derzeitigen Wahrnehmung. Wir müssen sie ihnen aufzeigen. Oft brauchen die Leute am dringendsten Hilfe, denen es jetzt gut geht. Aktuelle Probleme können sogar eine Hilfe für den Gesamtzustand und den letztendlichen Ausgang der Sache sein.

Die Vorbeugung: Belehren, betreuen und Schützen der Schafe („bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist), Jüngerschaft und Familienbeziehung (oder Glieder-eines-Leibes-Beziehung) untereinander haben

3. Das Ziel von Seelsorge

Bei biblischer Seelsorge geht es nicht darum, dass Menschen, ob errettet oder nicht, sich besser fühlen oder gar, dass es ihnen äußerlich besser geht. Aktuelle Notlagen sind oft nur die „Spitze des Eisberges“ und Symptome von tieferliegenden grundsätzlichen Missständen. Leute, denen es gut geht, sind womöglich viel schlimmer dran, weil bei ihnen die Warnsignale fehlen. Die langfristigen Konsequenzen sind ein viel schwerwiegenderer Grund – eine größere Not. (Ein in Leid verbrachter Tag ist nichts gegen eine in Leid verbrachte Ewigkeit).

Das Ziel biblischer Seelsorge: Langfristige positive Lebensveränderung. Heiligung zur Ehre Gottes, um Frucht zu bringen.

  • „… zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes …“ (Eph 3,19).
  • „Ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen in aller Weisheit lehren, um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen“ (Kol 1,28).
  • „… Epaphras … der allezeit für euch ringt in den Gebeten, daß ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes dasteht“ (Kol 4,12)“
  • „Dadurch wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel Frucht bringet und meine Jünger werdet. (Joh 15,8)“

Diese Ziele werden durch Seelsorge angestrebt, wenn das vom gegenwärtigen Zustand der Person aus keine Frage

  • des bloßen Wachstums, sondern
  • der Reinigung, des Beschneidens, des Heilens, Beistehens und Helfens ist.

4. Stellenwert von Seelsorge und Wichtigkeit von „Vorbeugung“

In den Gemeinden sind die hirtenmäßig begabten Geschwister oft leider völlig damit aus- oder sogar überlastet, sich um alle Problemfälle zu kümmern. Es ist immer so, dass es mehr Arbeit gibt als Arbeiter. Damit nicht die ganze vorhandene Arbeitsleistung in die Beschäftigung mit Problemfällen investiert wird, sind zwei Grundsätze zu beachten:

  • In Fällen, wo keine positive Veränderung erwünscht wird oder nur unter den eigenen Bedingungen, ist Zucht das von Gott vorgesehene Mittel zur Heilung. Die Auswahl der Personen, um die man sich kümmert, sollte nach ihrer Bereitschaft zum bedingungslosen Befolgen der seelsorgerlichen Anweisungen geschehen. Ein „Zuviel“ an Seelsorge kann auch Selbstfixiertheit verstärken, die in unserer Gesellschaft ohnehin ein Problem ist.
  • Seelsorgerliche Problemfälle treten vermehrt dort auf, wo es an grundsätzlichen Dingen der Gemeindepraxis mangelt: Systematische Belehrung, Gemeinschaft durch tiefe Beziehung, einander verantwortlich sein, Gebet, Herausforderungen der Jüngerschaft vermitteln usw. Deshalb ist es wichtig, die Arbeitskapazität einer Gemeinde so aufzuteilen, dass vernünftige Anteile in Seelsorge einerseits und Zurüstung, Beziehungsaufbau usw. andererseits fließen. (Anders sieht es aus, wenn durch Evangelisation Leute dazu kommen, die „vorbelastet“ sind und wo Aufarbeitung nötig ist – Lk 6: das Schiff drohte wegen der Menge der Fische zu sinken).

Ein Netz von Vertrauensbeziehungen in der Gemeinde ist absolut wichtig und notwendig, um die Last auf viele zu verteilen und Notfälle zu vermeiden („dass keiner an der Gnade Mangel leide“).

5. Wer kann Seelsorge ausüben?

• Grundsätzlich alle Gläubigen > der Heilige Geist in ihnen ist der „Tröster“; alle Gläubigen sind aufgefordert, z.B. einander zu

  • lieben, mit Inbrunst (Joh 13,34; 15,12,17; Röm 13,8; 1Thes 4,9; 1Petr 1,22; 1Jo 3,11; 4,7.11; 2Jo 5)
  • ermahnen (Röm 15,14)
  • ermuntern, trösten, erbauen (1Thes 4,18; 5,11; Hebr 3,13; 10,25)
  • füreinander Sorge haben (1Kor 12,25)
  • „die Füße zu waschen“ (Joh 13,14)
  • aufzunehmen (Röm 15,7)
  • gegeneinander gütig und mitleidig zu sein (Eph 4,32)
  • vergeben (Eph 4,32; Kol 3,13)
  • füreinander beten (Jak 5,16)
  • Lasten tragen (Gal 6,2)
  • mit-leiden, mit-freuen (1Kor 12,26)
  • herzlich sein, Ehre erbieten (Röm 12,10)
  • dienen, durch Liebe, mit Gaben (Gal 5,13; 1. Pt 4,10)
  • Sünden bekennen (Jak 5,16)
  • aufeinander acht haben, zu Liebe und guten Werken anreizen (Hebr 10,24)

Wenn eine solche Gemeinschaft verwirklicht wird, dann werden in den Gemeinden die meisten „Problemfälle“ erspart bleiben. Auch Härtefalle, Traurigkeit usw. wird dadurch überwunden, wenn wir uns so gegenseitig Trost und Hilfe geben. Seelsorge kann ganz unkompliziert sein – aber nicht anspruchslos!

Röm 15,14: (Ich bin aber, meine Brüder, auch selbst betreffs euer überzeugt,) daß auch ihr selbst

  • voll Gütigkeit seid,
  • erfüllt mit aller Erkenntnis und
  • fähig, auch einander zu ermahnen.

Wie fördern wir diese unsere Fähigkeit? Voller Gütigkeit und Erkenntnis sein!

>> Die Bibel so lesen, dass man Gewinn für die Seelsorge daraus zieht. Notizen: Vorgefertigte Blätter mit nach und nach ergänzenden Notizen zu verschiedenen Themen.

>>Wichtige Texte zum Studium:

  • Mt 18 (Demut, Zucht, Zurechtbringung und Vergebung)
  • Joh 13 (Sich um den Dreck anderer kümmern)
  • Gal 6 (Gefallene zurechtbringen, Lasten tragen)
  • Lk 10,25 (Verhalten des barmherzigen Samariters)
  • u.v.a.

• Dann gibt es natürlich die besondere Gabe / Begabung der Hirten und „Heiler“

Wichtige Anforderungen an alle:

  • Liebe = Bereitschaft zur Aufopferung und Anteilgeben an eigenem Leben
  • Weisheit = Schriftkenntnis, Anwendung des Wortes, Wissen um geistliche Grundsätze
  • Erfahrung, Bewährung
  • moralische Kraft + Vollmacht, d.h. Heiligung, Erfülltsein mit Heiligem Geist

6. Geistliches Unterscheidungsvermögen in der Seelsorge

Um zu wissen, wie man mit einem Hilfebedürftigen umgehen soll, sind grundsätzliche Unterscheidung notwendig. Hier einige davon:

• Die Hauptunterscheidung: Handelt es sich um eine errettete oder unerrettete Person?

1. Thessalonicher 5,14 sagt:

„Wir ermahnen euch aber, Brüder:

  • (a) Weiset die Unordentlichen zurecht,
  • (b) tröstet die Kleinmütigen,
  • (c) nehmet euch der Schwachen an,
  • (d) seid langmütig gegen alle.“

Langmut gilt also allen. Unterscheiden müssen wir hingegen, ob es sich um einen Unordentlichen handelt, der Zurechtweisung braucht, oder um einen Kleinmütigen oder Schwachen, der Trost bzw. Annahme und Zuwendung braucht.

Weitere Unterscheidungen:

  • Wurzel und Ursache der Probleme > diese müssen behandelt werden, und nicht die
  • Symptome und Auswirkungen

Geht es grundsätzlich um:

  • unverschuldetes Leid? (Dann nicht den Fehler der Freunde Hiobs begehen!! Trösten und die Hoffnung auf Gott ausrichten!)
  • selbst verschuldete Probleme? Auch hier wäre die Haltung der Freunde Hiobs „ungeistlich“, nicht wie in Gal 6. Aber hier muß zur Bewältigung und Verantwortungsfähigkeit geführt werden.

Frage dich auch:

  • Wird die Schuld auf andere / auf die Umstände geschoben, oder
  • Ist Einsicht vorhanden, dass man selbst in der Bewältigung der Umstände versagt hat.

Folgendes sollte der Reihe nach geprüft werden:

1. Mit welchen „Ackerboden“ (Mt. 13) haben wir es zu tun? Was ist die Beziehung zu Gott?

2. Ist die Person bereit, Hilfe anzunehmen, ohne die Bedingungen vorzugeben?

3. Wie soll diese Hilfe aussehen?

Was ist hier notwendig zu tun?

  • Helfen (praktisch, z.B. finanziell)
  • Betreuen (eine Beziehung der Anleitung unter Aufsicht, Rechenschaft, Zielkontrolle)
  • Beraten (wird ein Weg gesucht, der allein nicht gefunden werden kann)
  • Trösten, Beistehen, Ermutigen

7. Vier große Unterschiede zu weltlicher Therapie

1.) Buße

Die Wurzel allen Übels ist Sünde. Das bedeutet, dass wir und von unseren bösen Taten und auch von unserem bösen Herzen angeekelt wegwenden müssen, denn sie sind Gott ein Gräuel und verdienen die ewige Höllenstrafe. Es bedeutet auch, dass wir die Umstände dieses Zeitalters in Abhängigkeit von und Hoffnung auf Gott ertragen müssen, z.B. Krankheiten.

Buße bedeutet Verurteilung (innere Einstellung) und „Ausziehen“ (praktische Konsequenz) all dessen, was aus uns selbst kommt – nicht nur solche Taten, die gegen eines der 10 Gebote verstoßen, sondern alles, was nicht die Herrlichkeit Gottes erlangt, was nicht aus Glauben ist und was nicht dem Maßstab Jesu Christi entspricht.

2.) Gottes perfekte Lösung: Kreuz und Auferstehung

Das Kreuz ist Gottes Radikalkur gegen die Verderbtheit dieser Welt und unseres Ichs. Gegen die Sünde hilft kein anderes Mittel als Tod und Gericht. Wir dürfen dankbar annehmen, was der Herr Jesus an unserer Stelle erlitten hat und dürfen dadurch Frieden mit Gott haben (Christus starb für uns – „Seite 1 der Medaille“). Der Herr Jesus hat am Kreuz den vollständigen Sieg über Sünde, Tod, Fleisch, Welt und Teufel errungen – auch über mich.

Das NT lehrt aber darüber hinaus auch deutlich, wie diese Lösung in unserem Leben Anwendung findet (Wir starben mit Christus – „Seite 2 der Medaille“).

  • unser alter Mensch ist mitgekreuzigt, das Fleisch (Röm 6,6; Gal 5,24)
  • wir sind der Sünde gestorben (Röm 6,2)
  • ich bin mit Christus gekreuzigt (Gal 2,20)
  • unsere Leidenschaften und Lüste sind gekreuzigt (Gal 5,24)
  • ich bin der Welt gekreuzigt (Gal 6,14)
  • die Welt ist mir gekreuzigt (Gal 6,14)

Das Kreuz bedeutet für uns auch

  • Verfolgung und Leiden.

Trübsale sind im Leben als Christ unumgänglich (Röm 5,3f, Apg 14,22 u.a.) (durch viele Trübsale ins Reich Gottes). Dadurch wird geprüft,

  • worauf unsere Hoffnung gerichtet ist: auf Gott und die Auferstehung.
  • Vergebung gegenüber anderen

3.) keine Selbstliebe

Die Aufforderung zur Selbstliebe ist in christlichen Kreisen in erschreckendem Maße in Mode gekommen, obwohl sie eindeutig unbiblisch ist. Stattdessen lehrt die Bibel:

  • Gottes Liebe annehmen und im Glauben darin leben (Eph 3,19): Wie unvergleichlich besser als eine fade, betrügerische Selbstliebe!
  • Selbstverleugnung und -aufopferung. Wir müssen hier zwei Seiten unterscheiden:
    • wir verurteilen uns selbst ganz und gar, stimmen zu, dass nichts Gutes in uns wohnt, sehen uns als mit Christus gekreuzigt, gestorben und begraben (Röm 6,1-12 – geht mit der Errettung einher)
    • wir sind von der Liebe Christi so angezogen, dass wir uns ihm ganz hingeben und nichts für uns zurückhalten wollen (Röm 12,1-3 – folgt aus der Errettung)

4.) Das Wort Gottes

Im Unterschied zur weltlichen Therapie brauchen wir nicht auf menschlichen Mutmaßungen zu bauen, sondern können das unfehlbare und verlässliche Wort Gottes mit aller Freimütigkeit anwenden (z.B. wie ein Schwert oder wie eine Speise) und auf seine Verheißungen bauen. Es ist uns in der Seelsorge

  • das Lehrbuch
  • der Maßstab
  • die lebensverändernde Kraft

8. Das Prinzip von Entscheidung, Konsequenz und Verantwortung

Gott hat den Menschen in seinem Bild erschaffen, d.h. er teilt Gottes Eigenschaften in gewissen Bereichen. Ein höchst wichtiger Bereich ist hier die Eigenschaft des Menschen, verantwortliche Entscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen zu tragen. Ziele biblischer Seelsorge müssen sein:

  • dass die bisherigen Entscheidungen in biblischem Licht geprüft werden
  • aufzeigen, dass Entscheidungen Konsequenzen haben, für die man verantwortlich ist
  • wenn diese Entscheidungen falsch waren, muss man bereit sein, die Konsequenzen zu tragen
  • christliche Liebe verpflichtet uns, diese „Lasten einander zu tragen“ (Röm 15, Gal 6)
  • man hilft niemanden, wenn man aktuell falsche Entscheidungen unterstützt, indem man die Konsequenzen tragen hilft, obwohl eine Änderung möglich wäre
  • Entscheidungen dürfen nicht vom Helfer abgenommen werden, sondern der Helfer leitet zur eigenen Entscheidung an, indem er Gottes Wort und die langfristigen Konsequenzen erklärt
  • bei Kurzsichtigkeit ist es wichtig, langfristig zu fragen: was wird in 10, 20, 30 Jahren sein? In der Ewigkeit?
  • Das letztendliche Ziel ist also, eigenverantwortlich die richtigen Entscheidungen treffen und verbindlich ausführen zu können.

9. Weitere grundsätzliche Regeln

  • Lasse dich nicht durch ihre subjektiven Interessen beeindrucken oder irritieren, du musst wissen, was Gott für sie will, nicht sie selbst.
  • Lasse sie deine Liebe und persönliche Wärme spüren, behandle sie nicht als Projekte oder Aufgaben
  • Sei selber konsequent und mache keine Kompromisse in dem, was du von ihnen verlangst. Fordere aber nicht etwas, worin du selber scheiterst.
  • Sei ein Trainer, ein Anleiter, kein Diktator.
  • Bringe alle nötigen Informationen ans Licht. Frage immer wieder: Warum ist das so? Was steht dahinter? Wie kam es dazu? Mit halben Informationen kann man nicht arbeiten.
  • Bringe sie dazu, selbst ihre Situation geistlich richtig zu analysieren.
  • Das beste Mittel im Gespräch sind nicht Vortrags-Monologe, sondern Fragen (siehe Anhang). Du kannst auch ihre Fragen mit Gegenfragen beantworten.
  • Vertraulichkeit ist eine Selbstverständlichkeit.
  • Wenn man aber mit einer Sache überfordert ist, muss der Hilfesuchende bereit sein, eine kompetentere Person einzuschalten. Das muss aber unbedingt in Abhängigkeit vom Herrn geschehen, denn es kann sein, dass er uns mit Problemen konfrontiert, die uns scheinbar überfordern, durch die er uns aber seine Größe und Macht zeigen will.
  • Deine Aufgabe ist nicht, dir ihre Klagen lediglich anzuhören. Wenn sie sich ständig über andere beklagen, ist es vertane Zeit.
  • Komplexe Probleme müssen in einzelne Komponenten zerlegt werden, mit denen man sich in vernünftiger Reihenfolge nacheinander beschäftigt.
  • Gefühle müssen beherrscht werden durch den Geist, sie dürfen nicht Entscheidungen bestimmen. In sehr gefühlsintensiven Situationen sollten keine langfristigen Entscheidungen getroffen werden.
  • Das Aufschreiben von Ergebnissen kann sehr hilfreich sein und Verbindlichkeit fördern.
  • Achte auf eine gute Kommunikation. Prüfe durch Nachfragen, ob der Hilfesuchende wirklich verstanden hat, was du ihm vermitteln willst.
  • Seelsorge erfordert Zeit und Geduldig. Hektik und zeitlicher Druck führen zu krummen und unausgereiften Ergebnissen.
  • Vermeide Abhängigkeit des Hilfesuchenden von dir absolut.
  • Wenn der Hilfesuchende ausweicht und nicht offen ist, kann ihm nicht geholfen werden.

10. Seelsorge im Rahmen der Gemeinde und das Beispiel Ehevorbereitung

In der Gemeinde ist Seelsorge keine Sache von Eigeninitiative. Die Gemeindeleitung sollte eine Art „geistliche Inventur“ der Gemeinde vornehmen und überlegen:

  • Was wollen wir erreichen und welcher Anteil Arbeitsaufwand ist dabei für Seelsorge nötig? Haben wir viele Neubekehrte, die Altlasten haben? Besondere Situationen?
  • Welche Leistungskapazität ist überhaupt vorhanden? Welche Geschwister sind in welchen Bereichen tätig, wozu berufen, wozu begabt?
  • Wie können wir Mitarbeiter heranbilden?
  • Wie können wir einen vorsorgenden, schützenden Rahmen von Gemeinschaft, Belehrung und Herausforderung bieten?

Dann sollte eine Aufteilung in die Bereiche Helfen, Ermahnen und Anleiten erfolgen. Die Geschwister müssen um ihre Verantwortungsbereiche wissen. Der Impuls zur Mitarbeit muss von „oben“ kommen, nicht aus Eigeninitiative.

In Aufgaben wie Seelsorge wird man nicht Hals über Kopf hineingestellt. Hier ist Zurüstung besonders wichtig (siehe oben). Die Gemeinde sollen einen Rahmen von Schulung und Austausch bieten. Mitarbeiterbesprechungen und Leiterschaftssitzungen (und deren Vorbereitung!) sind absolut wichtig.

Wenn die Gemeinde in diesem Thema weiterkommen will, sollten sich die Leiter darüber besprechen, wo sie anfangen sollten. Dieser Überblick könnte dazu eine Orientierung bieten. Es ist außerdem ratsam, erfahrene Hirten aus benachbarten oder befreundeten Gemeinden zu Rate zu ziehen.

Ein Beispiel gut strukturierbarer Seelsorge ist eine systematische Ehevorbereitung (siehe dazu das entsprechende Kapitel in „Auf dem Weg zur Verantwortung). Wenn ein Paar den „Segen“ der Gemeinde erhalten möchte, muss es sich auf Folgendes einlassen:

  • die Hirten müssen mindestens 6 Monate vor der Hochzeit informiert werden
  • 6 Treffen mit verschiedenen Ehepaaren, die jeweils eines der folgenden Themen mit ihnen durchsprechen: Rollen von Mann und Frau, Umgang mit Finanzen, Kindererziehung, Kommunikation in der Ehe, gemeinsames geistliches Leben, die sexuelle Beziehung. Dazu gehören auch Hausaufgaben.
  • das Paar muss bereit sein, ggf. die Ratsamkeit der Ehe zu überdenken und den Hochzeitstermin zu verschieben oder ganz aufzugeben.
  • Das Paar muss zu weiteren Treffen und Besprechungen nach der Hochzeit bereit sein.

11. Ausblick auf Vertiefungsmöglichkeit des Themas

Material zum Weiterlernen:

  • Jean Gibson: „Auf dem Weg zur Verantwortung – Ein Modell biblischer Seelsorge“ (CLV, DM 12,80)
  • Jean Gibson: „Besuchsdiensttraining“. Loseblattsammlung im Hefter, zu bestellen für DM 5,00 bei Bücher für Christen, München, Tel. 089-164213.

Anhang 1
Warum der Herr Jesus Fragen stellte:

1. Um seinem Gegenüber etwas bewusst zu machen.

Warum stellte Jesus Christus den Jüngern, die erfolglos gefischt hatten, gerade die folgende Frage: „Kinder, habt ihr wohl etwas zu essen?“ Joh 21,5

2. Um sie zum Nachdenken und Hinterfragen zu bringen (von Worten und Taten, was sie wirklich bedeuten).

Warum fragte der Herr seine Jünger, nachdem er ihnen die Füße gewaschen hatte, gerade folgendes: „Wisst ihr, was ich euch getan habe?“ Joh 13,12

3. Um an das Gewissen zu appellieren (mit dem Ziel von Sündenerkenntnis und Buße).

Warum stellte der Herr seinen jüdischen Anklägern die Frage: „Was sucht ihr mich zu töten?“ Joh 7,19

4. Um den Glauben zu prüfen (auf wen oder was vertrauen wir in Krisenzeiten?)

Warum stellte Jesus Philippus die Frage: „Woher sollen wir Brote kaufen, dass diese essen?“ Joh 6,5

5. Um alle Zweifel zu beseitigen, wer allein retten kann.

Warum fragte der Herr die Ehebrecherin: „Frau, wo sind deine Ankläger?“ Joh 8,10

6. Um herauszufordern (einen Standpunkt einnehmen zu müssen).

Warum fragte der Herr die Jüngern, nachdem viele ihn verlassen hatten: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“

7. Um eine Einladung auszusprechen (Menschen zu fragen, ob sie sich für IHN entscheiden wollen).

Warum fragte Jesus den Bettler, nachdem sie ihn aus der Synagoge hinausgeworfen hatten: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ Joh 9,35

 

Anhang 2

Fragenbogen „geistliche Checkliste“: siehe Extrablatt [nicht mehr verfügbar]

 

Anhang 3

Auswertungsbögen für seelsorgerliche Gespräche: siehe Extrablätter [nicht mehr verfügbar]

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