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Brian McLaren: Die geheime Botschaft von Jesus – eine Rezension

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Rezension

Gerth Medien, Hc., 285 S., 15,95 Euro

Brian McLaren ist ein Vorreiter der Emerging Church, die sich als Reformbewegung des Christentums versteht. Hat er den Buchtitel nur etwas reißerisch formuliert? Nein, der Autor denkt wirklich, dass der Herr Jesus seine Botschaft „ganz bewusst versteckt“ hätte (S. 17). McLarens Botschaft ist wahrlich „nicht im Text der Evangelien begründet“ (S. 248), wie er selber schreibt. Dementsprechend willkürlich und haarsträubend ist sein Umgang mit der Bibel. Doch er meint, die Christenheit hätte Jesu wahre Botschaft bisher nie wirklich „kapiert“ (Anhang 1).

Das Buch liefert eine Neuinterpretation vom Reich Gottes (das die deutsche Übersetzung stets mit „Gottes neue Welt“ umschreibt). Diese „neue Welt“ käme durch „eine politische, soziale, religiöse, künstlerische, wirtschaftliche, intellektuelle und spirituelle Revolution“, die Jesus „in Gang setzen“ wollte (S. 17). McLaren vertritt eine völlig diesseitige, ans New Age anklingende Sicht vom Reich Gottes: Seine Zukunftshoffnung ist, „dass diese Welt ein Ort wird, an dem Gott wohnt. an dem Gottes Träume wahr werden“ (S. 240). Unter der Hölle versteht er lediglich „eine Welt mit immer mehr Krankheit, Zerstörung der Umwelt [usw.]“ (S. 216).

Die schlimmste unter McLarens vielen Abweichungen vom bibeltreuen Glauben betrifft das Herz des Evangeliums. Hier klingt er oft interreligiös inklusivistisch (S. 20, 255-256, Kap. 18 etc.), Konfrontation mit Sünde und Buße fehlen gänzlich. Die Kreuzigung Jesu erwähnt er lediglich als „radikale Ablehnung jeder Gewaltanwendung“ (S. 183). An anderer Stelle hat er sich noch eindeutiger über die biblische Lehre der Sühne durch Gottes Sohn geäußert: „Das hört sich an wie nur eine weitere Ungerechtigkeit in der kosmischen Gleichung. Das hört sich an wie göttlicher Kindesmissbrauch.“ („The Story We Find Ourselves In“, S. 102). Eine radikalere Verwerfung des biblischen Evangeliums ist kaum vorstellbar.

Ein groteskes Gottesbild vermitteln auch McLarens Aussagen über die Zukunft, die Gott demnach selber nicht kenne. Denn die Propheten wollten „die Zukunft nicht vorhersagen; sie wollten sie ändern“ (S. 207). Das ist die neue Lehre des „Open Theism“, die Gott weder als allmächtig noch als allwissend darstellt. Geradezu hinduistisch beschreibt McLaren Gott auf S. 177: „Vater, Sohn und Geist befinden sich in einem ewigen, fröhlichen, pulsierenden Tanz aus Liebe und Ehre, Rhythmus und Harmonie, Anmut und Schönheit, Geben und Empfangen.“ Das bringt auf den Punkt, wo es in der Emerging Church Bewegung langgeht: postmodernes New Age pur (aus deren Quellen er sich offen bedient, S. 247), einschließlich Yin-Yang, Mystizismus, Subjektivismus, Relativismus usw. Dass sich in dem Buch auch Richtiges und sogar Hilfreiches findet, macht es nur noch trügerischer.

Unter Bibeltreuen sollte ein solches Buch tabu sein, doch wurde es nicht nur von dem evangelikalen Verlag Gerth Medien (gehört mittlerweile Bertelsmann) herausgegeben, sondern wird mit dessen Prospekten sogar von konservativen Buchvertrieben in der Brüderbewegung verbreitet. Über solche Wege wird es auch in bibeltreue Kreise eingeschleust.
Hans-Werner Deppe

 

Anhang – einige ausführlichere Zitate:

„Was wäre, wenn Jesus seine eigentliche Botschaft sogar absichtlich verborgen hätte, wenn er nicht versucht hätte, sie möglichst offensichtlich und leicht verständlich zu machen, sondern sie ganz bewusst versteckt hätte, wie einen Schatz, den man suchen muss, wenn man ihn finden will?“ (S. 17)

„Was wäre, wenn die geheime Botschaft von Jesus einen verborgenen Plan enthält? Was wäre, wenn er gar keine neue Religion gründen wollte – sondern wenn er gekommen ist, um eine politische, soziale, religiöse, künstlerische, wirtschaftliche, intellektuelle und spirituelle Revolution in Gang zu setzen, die eine neue Welt hervorbringen soll? (Kasten S. 17)

„Aber wenn die christliche Religion die Botschaft Jesu entdeckt, versteht, glaubt und lebt […] dann haben alle etwas davon: Christen, Juden, Moslems, Hindus, Buddhisten, Agnostiker, Atheisten – alle.
In einer Zeit des weltweiten Terrorismus und zunehmender religiöser Konflikte ist es sehr wichtig zu wissen, dass alle Muslime Jesus als großen Propheten verehren, dass viele Hindus bereit sind, Jesus als eine legitime Erscheinungsform des Göttlichen anzuerkennen, dass viele Buddhisten Jesus als eine der am meisten erleuchteten Persönlichkeiten der Menschheit betrachten und dass Jesus selber Jude war […]“ (S. 20-21)

„Wenn die Saison wieder einmal besonders schrecklich war […] dann tritt oft ein neuer Meister-Musiker auf den Plan, der die Tradition wieder mit Leben und Leidenschaft erfüllt – ein heiliger Patrick, ein Franz von Assisi, eine Teresa von Avila, eine Hildegard von Bingen, ein John Wesley, ein C.S. Lewis, ein Desmond Tutu, eine Mutter Teresa. Viele haben das Gefühl, dass die christliche Tradition heute neue Künstler braucht, die die Musik der neuen Welt tief in ihrer Seele tragen […]“ (S. 101)

„Darüber würde ich jetzt gern ausführlicher reden: Vögel und Blumen als unsere Schwestern und Brüder! Das war Franz von Assisi viel klarer als uns. Wir könnten uns in diesem Zusammenhang intensiver mit der Spiritualität der Ökologie beschäftigen und Gottes neue Welt als das ultimative Ökosystem entdecken […]“ (S. 162)

„5. Gottes Beziehungsnetz. Eine weitere vielversprechende neue Metapher verwendet das Bild eines Netzes oder Systems von Beziehungen.
Gott lädt die Menschen in ein lebenspendendes Netz von Beziehungen ein […]
Wir leben heute in einem Ökosystem, das aus dem Gleichgewicht geraten ist und sich selbst zerstört […] Martin Luther King jr. sprach am liebsten von der geliebten Gemeinschaft oder dem unentrinnbaren Beziehungsnetz der Gegenseitigkeit.“ (S. 176-177)

„6. Gottes Tanz. Zu den kraftvollsten Bildern für die Trinität, die in der frühen Kirche verwendet wurden, gehört das Bild eines Tanzes, in dem jeder Tänzer zugleich auch mit den anderen tanzt. Vater, Sohn und Geist befinden sich in einem ewigen, fröhlichen, pulsierenden Tanz aus Liebe und Ehre, Rhythmus und Harmonie, Anmut und Schönheit, Geben und Empfangen. Das Universum wurde erschaffen, damit es den Tanz Gottes ausdrückt und selbst ein Teil davon wird.“ (Kasten S. 177)

„Wir könnten zum Beispiel über Gottes Stamm sprechen […] Dieser für alle offene Stamm ist keine Gruppe nur für Gleichgesinnte, die alle anderen Stämme automatisch ausschließt. Nein, diese Gruppe ruft allen anderen zu: ‚Kommt, macht mit!’ Sie möchte allen anderen Stämmen helfen, ihre ganz besondere Identität und ihr Erbe zu bewahren und sich zugleich in den Stamm aller Stämme einladen zu lassen, in dem alle in gegenseitigem Respekt, Harmonie und Liebe miteinander leben – weil Gott der oberste Stammeshäuptling ist, der alle Stämme geschaffen hat und liebt.“ (S. 178)

„Wenn man die Kreuzigung Jesu in diesem Licht betrachtet, kann man sie als radikale Ablehnung jeder Gewaltanwendung verstehen.“ (S. 183)

„Ich glaube, es ist heute an der Zeit, dass Menschen, die auf Jesus und seine Botschaft vertrauen, die Führung übernehmen und anderen zeigen, was alles geschehen könnte, wenn wir über 10 oder 20 oder 100 Jahre hinweg immer größere prozentuale Anteile unserer Finanzhaushalte […] für die Bekämpfung der Ursachen von Konflikten [investieren] […] deshalb könnte es dann durch Gottes Gnade immer weniger Kriege und Gewalt geben. Und eines Tages wird es durch Gottes Gnade vielleicht dem Krieg genauso ergehen wie es bereits der Sklaverei und dem Kolonialismus ergangen ist – und dann können wir sagen, dass die neue Welt Gottes wieder ein Stückchen weiter in diese Welt gekommen ist.“ (S. 193)

„Trotz dieser Warnungen vor Spekulationen glauben manche, dass die Bibel einen eindeutigen Fahrplan für die Zukunft enthalte […]
Sie meinen, dass die Geschichte der Welt sozusagen wie ein Film sei, den Gott in Gedanken schon geschrieben und bei dem er schon Regie geführt habe, sodass bereits alles festgelegt sei […]
[Doch] die Propheten […] wollten die Zukunft damit nicht vorhersagen, sie wollten sie ändern.“ (S. 206-207)

„Je nachdem, wie wir auf seine geheime Botschaft von der neuen Welt Gottes antworten, können wir zwei völlig verschiedene Welten schaffen – eine höllische und eine himmlische […] genau das will die ‚höllische’ Sprache mit Ausdrücken wie ‚Heulen und Zähneklapper’ ausdrücken. Es ist ein Welt mit immer mehr Gewalt und Krankheit, Zerstörung der Umwelt und wirtschaftlichen Katastrophen, Spaltungen auf gesellschaftlichen Ebenen […] Das ist die alte Welt, vor der die Propheten uns gewarnt haben […] die neue Welt ist nicht ohne Tränen; aber in der neuen Welt werden wir von Gott getröstet, die Tränen werden getrocknet. Die neue Welt ist nicht frei von Konflikten, aber hier führen die Konflikte zur Versöhnung, nicht zur Rache. Auch in der neuen Welt gibt es noch Mangel […]“ (S. 216)

„An dieser Stelle können wir also einen kleinen Blick auf Gottes endgültigen Traum erhaschen: nicht die Zerstörung dieser Schöpfung, die dann durch etwas anderes ersetzt wird, sondern die Zerstörung der Herrschaftmächte, die die Schöpfung verderben.“ (S. 226)

„[…] so wird Gott endlich seinen ursprünglichen Traum für die Schöpfung verwirklicht sehen – und dieser Traum wird der Schöpfung nicht gegen ihren eigenen Willen äußerlich aufgezwungen; er wird aus der Schöpfung selbst aufsteigen […]
dass […] der eine Traum Gottes wahr werden wird: dass diese Welt ein Ort wird, an dem Gott wohnt, ein Ort, auf den Gott stolz ist und dem er seine Freude hat; ein Ort, an dem Gottes Träume wahr werden.“ (S. 240)

„Ganz besonders haben mich die Bücher von Dallas Willard, Norman T. Wright, Walter Wink, John Howard Yoder und Walter Brueggemann zum Nachdenken angeregt. Aber es gibt noch viele andere – Sharon Welch, Howard Snyder, Brian Hathaway, Jim Wallis, John Perkins, Tony Campolo, Tim King, Todd Hunter …“ (S. 247)

„Traditionelle Deutungen gehen davon aus, dass Jesus in erster Linie dazu gekommen sei, das zeitlose Problem der Erbsünde zu lösen, damit wir, wenn wir sterben, von hier wegkommen und in einen zeitlosen Himmel aufsteigen können. Damit kann man zwar manche Aussagen und Taten Jesu erklären, aber nicht so nachhaltig und überzeugend wie mit meiner eigenen Lesart.“ (S. 248)

„Könnte nicht Jesus, der im Islam schon immer als einer der größten Propheten galt, dort irgendwie wiederentdeckt werden? Dann könnte er den Islam von seiner gefährlichen, dunklen Seite befreien.“ (S. 255)

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