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Heilsgewissheit – Auszug aus dem Buch „Was ist rettender Glaube?“

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Teil 4 des Buches „Was ist rettender Glaube“ von A.W. Pink © Betanien Verlag, 2001

Kapitel 11: Lektionen aus der Kirchengeschichte

Einleitend und zur Einstimmung des Lesers auf den besonderen Blickwinkel, unter welchem wir unser Thema nun betrachten wollen, sei herausgestellt: Die sich verändernden Umstände in der Christenheit erfordern es, verschiedener Aspekte der göttlichen Wahrheit stets unterschiedlich zu betonen. Zu verschiedenen Zeiten mussten die wahren Diener Gottes mit sehr unterschiedlichen Situationen umgehen und ganz verschiedene Fehler korrigieren. Das erforderte Angriffe und Verteidigungen, die jeweils angepasst waren auf die Dringlichkeit der Situationen. Die Waffen, die für den einen Konflikt taugten, waren unnütz bei einem anderen; ständig mussten neue Waffen aus der Waffenkammer der Schrift hervorgeholt werden.

Am Ende der langen Periode, die als „finsteres Mittelalter“ bekannt ist (obgleich Gott auch in jener Zeit niemals ohne deutliches Zeugnis war), gab der Herr viel Licht für die Christenheit, und in der Folgezeit sahen sich die Reformatoren den alten Irrtümern des Katholizismus gegenüber. Zu diesen Irrtümern gehörte auch die feste Behauptung, niemand könne vor seinem Tod seines Heils gewiss sein. Das veranlasste Luther und seine Zeitgenossen, eine positive Botschaft zu verkünden: Sie wollten zur Zuversicht in Gott ermuntern und dazu, Gottes sichere Verheißungen zu ergreifen. Doch bisweilen ging ihr Eifer zu weit und brachte sie zu einer Auffassung, die von der Schrift her nicht belegt werden konnte. Viele Reformatoren behaupteten, Heilsgewissheit sei ein unverzichtbarer Bestandteil rettenden Glaubens, und wenn jemand sich nicht gewiss ist, dass er „begnadigt ist in dem Geliebten“, so sei er noch in seinen Sünden. Im Kampf gegen den Katholizismus lehnten sich die Protestanten zu weit auf „die andere Seite vom Pferd“.

In der Gnade Gottes wurde zur Zeit der Puritaner [Fußnote: Die Puritaner waren eine ausgeprägte reformatorische und nachreformatorische Erweckungsbewegung in England. Einer ihrer berühmtesten Vertreter ist John Bunyan (1628-1688), Verfasser der „Pilgerreise“. 1620 segelten einige Puritaner, die sich von der Staatskirche distanziert hatten und deshalb verfolgt wurden, mit der „Mayflower“ nach Nordamerika, wo sich der puritanische Glaube verbreitete. Auf die dortige Ankunft dieser „Pilgerväter“ geht das US-amerikanische Nationalfest „Thanksgiving“ zurück.] die Ausgewogenheit der Wahrheit wieder hergestellt. Die grundlegende Lehre, die Luther und seine Mitstreiter so ausdrücklich betont hatten, war die Rechtfertigung allein aus Glauben, doch gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts verbreiteten Männer wie Perkins, Gattaker, Rollock und andere die dazugehörige Lehre der Heiligung durch den Heiligen Geist. Die darauffolgenden fünfzig Jahre lang war die Gemeinde auf Erden gesegnet mit vielen Männern, die „mächtig in den Schriften“, zutiefst von Gott belehrt und von ihm zu einem wirksamen Dienst befähigt waren. Männer wie Goodwin, Owen, Charnock, Flavel, Sibbs und andere lebten zwar in schwierigen Zeiten und erlitten schwere Verfolgungen, doch lehrten sie das Wort Gottes u.E. hilfreicher und wurden mehr von Gott gebraucht als sonst irgendwer seit den Tagen der Apostel bis heute.

Das Wirken der Puritaner war enorm herausfordernd. Sie priesen die freie Gnade Gottes in deutlichen Worten, lehrten klar, dass allein die Genugtuung Christi ein Anrecht auf den Himmel geben kann, lehnten alle Verdienste des Geschöpfes entschieden ab, doch bei alledem hielten sie unbeirrbar daran fest, dass ein übernatürliches und umgestaltendes Werk des Heiligen Geistes im Herzen und Leben des Gläubigen unverzichtbar ist, um ihn für den Himmel geeignet zu machen. Bekenner wurden streng geprüft, und bevor Echtheit des Glaubens zugestanden wurde, verlangte man dessen Früchte. Immer wieder bestanden sie auf Selbstprüfung, und ausführliche Details wurden genannt, wie man sich vergewissern kann, dass man „eine neue Schöpfung in Christus Jesus“ ist. Die Christen wurden ständig gedrängt, ihre „Berufung und Erwählung fest zu machen“ (2Petr 1,10), indem sie sicherstellten, dass die Kennzeichen der Errettung bei ihnen vorhanden waren. Zwar herrschten auch damals bei weitem keine vollkommenen Zustände, doch gibt es gute Gründe anzunehmen, dass mehr getäuschte Seelen überführt und mehr Heuchler entlarvt wurden als zu jeder anderen Zeit seit dem ersten Jahrhundert.

Im 18. Jahrhundert war ein trauriges Nachlassen und Abweichen vom Glauben zu verzeichnen. Weltliches Wohlergehen brachte geistlichen Verfall mit sich. Als die führenden Puritaner ausstarben, wuchsen keine Nachfolger heran. Der Arminianismus [Fußnote: Die Arminianer gehen auf Jacobus Arminius (1560-1609) zurück Sie lehren die freie Entscheidungsfähigkeit des Menschen und lehnen die souveräne Erwählung Gottes ab.] verbreitete sich rapide, gefolgt vom Deismus (Unitarianismus) [Fußnote: Der Deismus war vor allem in England seit dem 17. Jhdt. ein gesellschaftlich hoch angesehener Glaube, der zwar die Existenz Gottes annimmt, aber nicht die Wahrheit der Bibel. Der Unitarianismus leugnet die Dreieinigkeit.] und anderen fatalen Irrtümern. Weltlichkeit machte sich in den Gemeinden breit und Gesetzlosigkeit und Bosheit nahmen überhand. Die Posaune des Evangeliums verstummte beinahe, und der Überrest des Volkes Gottes schrumpfte auf eine unbedeutende und hilflose kleine Schar. Doch wo Sünde zunahm, ist die Gnade überreich geworden. Wiederum strahlte das Licht Gottes vollmächtig in der Finsternis auf: Whitefield, Romaine, Gill, Hervey und andere wurden von Gott erweckt, um die Seinen zu neuem Leben zu rufen und viele Sünder zu Christus zu bekehren. Das Hauptgewicht ihrer Verkündigung und Lehre lag auf der souveränen Gnade Gottes, darstellt im ewigen Bund, auf der sicheren Wirksamkeit von Christi Sühnopfer für alle, für die es vollbracht wurde, und das Werk des Heiligen Geistes in der Wiedergeburt.

Bei den Erweckungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging es vorrang um die großen Lehren des christlichen Glaubens. Doch damit die Ausgewogenheit der Wahrheit auch während der nächsten zwei oder drei Generationen erhalten bliebe, mussten die Diener Gottes unbedingt die erfahrungsmäßige Seite der Dinge betonen. Theoretische Rechtgläubigkeit qualifiziert niemanden für den Himmel: Es muss eine moralische und geistliche Umwandlung stattfinden, ein Wunder der Gnade muss in der Seele geschehen, das mit der Wiedergeburt beginnt und mit der Heiligung fortfährt. Während dieser Periode rückte die lehrmäßige Auslegung mehr und mehr in den Hintergrund und die praktische Anwendung des Wortes Gottes auf Herz und Leben war das charakteristische Kennzeichen in rechtgläubigen Kreisen. Diese Anwendung verlangte ernstliche Selbstprüfung und führte in vielen Fällen zu Zweifel und Schwermut. Wo die Prediger und Lehrer nicht ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den objektiven und subjektiven Seiten der Wahrheit bewahren, sondern das Subjektive überbetonen, entsteht folglich entweder eine Abart das Mystizismus oder ein Mangel an Gewissheit.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen viele Kreise bekennender Christen am Rande der Verzweiflung. In vielen Gemeinschaften sah man völlige Heilsgewissheit als Fanatismus oder als fleischliche Anmaßung an. Tausende armer Seelen waren übermäßig mit sich selbst beschäftigt und schlecht belehrt über die „zwei Naturen“ des Christen. So sahen sie Zweifel und Ängste, Seufzer und Ächzen als höchste Erweise für die Wiedergeburt an; aber jene, die von weltlichen und fleischlichen Lüsten umgetrieben wurden, wagten nicht, sich als Kinder Gottes zu bezeichnen. Um dieser Situation zu begegnen, versuchten viele schlecht zugerüstete Evangelisten und Lehrer, die Aufmerksamkeit auf Christus und sein vollbrachtes Werk zu lenken und ihre Zuhörer dazu zu bewegen, ihre Zuversicht allein auf das Wort Gottes zu richten. Doch während das eine Übel korrigiert wurde, beging man ein anderes: Zwar wurde der Buchstabe der Schrift geehrt, doch das Werk des Geistes wurde – unbewusst – entehrt. Ihre Annahme, sie hätten ein Heilmittel gefunden, das in allen Fällen gleichermaßen Abhilfe schafft, führte zu einem oberflächlichen Werk, dessen Auswirkungen in der Folgezeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) geerntet wurden. Tausende von Menschen ohne jede Anzeichen, wiedergeboren zu sein, sind höchst zuversichtlich, dass Christus sie errettet habe.

Aus diesem kurzen geschichtlichen Abriss wird deutlich, dass das Pendel in Sachen Heilsgewissheit stets von einer Seite auf die andere geschlagen ist. Der Mensch neigt zu Extremen und nichts als die Gnade Gottes kann uns zu einem ausgewogenen Mittelweg befähigen. Auch ein sorgfältiges Studium der Kirchengeschichte zeigt, dass die Diener Gottes von Zeit zu Zeit verpflichtet waren, ihren Schwerpunkt zu verlagern. Das ist eine Bedeutung des Ausdrucks „in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt“ (2Petr 1,12): jener spezielle Aspekt der Wahrheit, der zu einer bestimmten Zeit besonders vonnöten ist. Wenn die Puritaner die Errungenschaften und Lehren der Reformatoren lediglich wiederholt hätten, dann hätten sie diese verloren, anstatt geistliche Fortschritte zu erzielen. John Owen widersprach nicht Luther, sondern ergänzte ihn vielmehr. Wo besonders betont wurde, wie bedeutend der Ratschluss der souveränen Gnade Gottes und die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi für das Heil ist, dort war nötig, dass anschließend herausgestellt wurde, wie bedeutend das Werk des Heiligen Geistes in den Gläubigen ist. Ebenso gilt: Wo bisher viel Nachdruck auf den persönlichen Zustand des Christen gelegt wurde, muss eine klare Auslegung seiner Stellung in Christus folgen.

Was wir für heute daraus lernen

Es ist wahrhaft bedauerlich, dass nur so wenige erkannt haben, wie dringend dieses Prinzip angewendet werden muss. Viele haben einen Eifer, der nicht durch Erkenntnis gezügelt wird, und weil irgendein ehrwürdiger Diener Gottes früher so großen geistlichen Erfolg hatte, da er sich intensiv mit einer besonderen Seite der Wahrheit beschäftigte, meinen diese Eiferer, sie würden denselben Erfolg erzielen, wenn sie ihn imitieren. Doch die Umstände ändern die Dinge. Die verschiedenen Situationen, die die Christenheit durchläuft, erfordern verschiedene Schwerpunkte in der Verkündigung. Es gibt so etwas wie „ein Wort zur rechten Zeit“ (Spr 15,23). Möge es doch Gott gefallen, die Augen vieler dafür zu öffnen, was das rechte Wort in unseren verkommenen Zeiten ist, und möge er ihnen geistliches Unterscheidungsvermögen geben, um zu erkennen, dass viele Seiten göttlicher Wahrheit für Seelen sogar gefährlich sein können, wenn ihnen diese Wahrheiten zur falschen Zeit präsentiert werden.

In materiellen Dingen erkennen wir diese Tatsache nur zu leicht an, aber warum zögern wir damit so sehr, wenn es um geistliche Dinge geht? Fleisch und Nüsse sind sicherlich nahrhaft, aber wer käme auf den Gedanken, einen Säugling damit zu füttern? Ein kranker Körper erfordert eine besondere Ernährung. Das gleiche gilt für die Seele. Um das zu verdeutlichen, wollen wir einige Extremfälle betrachten.

Die Wahrheit der ewigen Höllenstrafe sollte treu von jedem Diener Gottes gelehrt werden, aber wäre das eine passende Botschaft für eine Frau mit gebrochenem Herzen, die gerade ihren Mann oder ihr Kind verloren hat? Die Herrlichkeit des Himmels ist ein wunderbares Thema, aber wäre es angemessen für einen geistlich toten Namenschristen, der sich in seinem wahren Seelenzustand täuscht? Die ewige Heilssicherheit der Gläubigen ist in der Heiligen Schrift deutlich offenbart, aber berechtigt mich das dazu, sie einem zurückgefallenen Kind Gottes vorzustellen?

Ein treuer Verkündiger des Wortes Gottes sieht sich heute einer schrecklich ernsten Situation gegenüber. Zu einem Großteil dessen, was seinem Herzen lieb ist, muss er schweigen. Wenn er im Umgang mit Seelen gewissenhaft ist, muss er auf deren Situation eingehen. Wenn er nicht aufpasst und nicht ständig die Weisheit und Leitung von oben sucht, wird er wahrscheinlich alles nur noch schlimmer machen. Überall begegnet er Leuten mit voller Heilsgewissheit und ohne Zweifel, auf dem Weg zum Himmel zu sein, doch ihr Alltagsleben zeigt klar, dass sie sich täuschen und dass ihre Gewissheit nur fleischlich ist. Tausende befinden sich, um ihre eigenen Worte zu gebrauchen, „im Vertrauen auf Johannes 3,16“ und haben nicht den geringsten Zweifel, dass sie die Ewigkeit mit Christus verbringen werden. Dennoch ist jeder wahre Diener Gottes dazu verpflichtet, den meisten von ihnen zu erklären, dass sie vom Teufel furchtbar getäuscht worden sind. Möge es Gott gefallen, uns bei einigen von ihnen Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Echtheit kann geprüft werden

Vor einiger Zeit lasen wir von einem Vorfall, der sich in etwa wie folgt zugetragen hatte: Vor über hundert Jahren waren die Zustände in England ganz ähnlich wie heute. [Fußnote: Anfang der 1930er Jahre, während der Weltwirtschaftskrise] Banken gingen bankrott und die Leute gerieten in Panik. Ein Mann, der sein Vertrauen in die Banken verloren hatte, hob sein ganzes Geld in Fünf-Pfund-Noten ab und beauftragte einen Freund, das Geld in Gold zu tauschen. Die Situation wurde immer schlimmer, andere Banken mussten schließen und einige Freunde dieses Mannes berichteten ihm, dass sie alles verloren hätten. Mit großer Zuversicht informierte er sie, dass er sein Geld abgehoben und in Gold eingetauscht habe, welches nun an einem geheimen Ort verborgen sei; er sei also vollkommen sicher. Einige Zeit später, als er etwas kaufen wollte, begab er sich zu seinem geheimen Versteck und nahm fünf Goldmünzen heraus. Er ging von einem Geschäft zum nächsten, doch niemand nahm die Münzen an – sie waren alle gefälscht. Zutiefst erschrocken untersuchte er sein verstecktes Gold und musste feststellen, dass alle Münzen unecht waren!

Lieber Leser, vielleicht sind auch Sie sich völlig sicher, dass Ihr Glaube an Christus echt ist, wie echtes Gold, obwohl er sich letztlich als falsch erweisen wird. Eine solche Gefahr ist keine Phantasie, sondern durchaus real. Das Herz des Menschen ist äußerst trügerisch (Jer 17,9). Gottes Wort warnt uns klar vor „einer Generation, die in ihren Augen rein ist und doch nicht gewaschen von ihrem Unflat“ (Spr 30,12). Fragen Sie sich: Wie kann ich sicher sein, ob mein Glaube echt und rettend ist? Die Antwort lautet: Prüfen Sie ihn. Stellen Sie sicher, dass es der „Glauben der Auserwählten Gottes“ ist (Tit 1,1). Vergewissern Sie sich, ob Ihr Glaube die Früchte bringt, die untrennbar mit einem von Gott gegebenen und vom Heiligen Geist bewirkten Glauben verbunden sind.

Wahrscheinlich sagen viele: Ein solcher Umstand ist überhaupt nicht nötig; ich weiß, dass mein Glaube rettend ist, denn ich vertraue auf das vollbrache Werk Christi. Doch ein solcher Einwand ist töricht. Gott selbst fordert die Seinen auf, ihre „Berufung und Erwählung fest zu machen“ (2Petr 1,10). Ist das eine überflüssige Ermahnung? O, dass wir doch nicht unsere nichtige Zuversicht gegen die Weisheit Gottes aufbieten! Der Teufel versucht viele um jeden Preis von dieser Prüfung abzuhalten, damit sie nicht erkennen, dass ihr Haus auf Sand gebaut ist. Wenn jemand einsieht, dass er sich getäuscht hat, gibt es Hoffnung für ihn, aber keine Hoffnung gibt es für die, die weiterhin der Lüge des Teufels glauben und sich mit dem spürbaren, aber falschen Frieden begnügen, den er so vielen seiner armen Opfern eingibt.

Gott selbst hat uns solche Prüfungskriterien gegeben, und wir wären töricht, wenn wir von ihnen keinen Gebrauch machen und uns nicht aufrichtig an ihnen messen würden: „Dies habe ich euch geschrieben, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, und damit ihr [erst recht] an den Namen des Sohnes Gottes glaubt“ (1Jo 5,13). Der Heilige Geist selbst bewegte einen seiner Diener zum Verfassen eines ganzen Briefes, der erklärt, wie wir wissen können, ob wir ewiges Leben haben oder nicht. Erweckt das den Anschein, dass die Frage so einfach geklärt und beigelegt werden könne, wie viele Prediger und Autoren es heute darstellen? Wenn nichts weiter nötig wäre als eine feste Überzeugung von der Wahrheit von Johannes 3,16 oder 5,24, um mich meines Heils zu vergewissern, warum sollte Gott dann einen ganzen Brief zu diesem Thema inspirieren?

Wer sich ernstlich Gedanken macht, sollte langsam und bedächtig diesen 1. Johannesbrief lesen und beobachten, dass uns kein einziges Mal in diesen fünf Kapiteln gesagt wird: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir auf das vollbrachte Werk Christi vertrauen.“ Das völlige Fehlen einer solchen Aussage sollte uns gewiss überzeugen, dass an der heute populären Verkündigung etwas grundsätzlich falsch sein muss. Doch fehlt im 1. Johannesbrief nicht nur eine solche Aussage, sondern gleich der erste Abschnitt, der das vertraute „wir wissen“ oder „erkennen wir“ enthält, besagt genau das Gegenteil dessen, was heute so verbreitet als Grundlage für Heilsgewissheit vertreten wird: „Und hieran erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben: wenn wir seine Gebote halten“ (1Jo 2,3). Ist das nicht deutlich genug? Ein gottesfürchtiges Leben ist der erste Beweis dafür, dass ich ein Kind Gottes bin.

Aber betrachten wir die ernste Erklärung, die unmittelbar darauf folgt: „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in dem ist nicht die Wahrheit“ (1Jo 2,4). Ärgern Sie sich über diese Aussage? Hoffentlich nicht. Es ist nicht unsere Behauptung, sondern Gottes. Würden Sie dieses Kapitel lieber nicht weiterlesen? Das wäre ein schlechtes Zeichen: Ein aufrichtiges Herz fürchtet nicht das Licht. Eine ehrliche Seele ist bereit, sich von der Wahrheit prüfen zu lassen. Wer jetzt nicht imstande ist, die seichten Herausforderungen eines Dieners Gottes zu ertragen, wie wird dieser am baldigen Tag bestehen können, wenn der Herr selbst ihn durch und durch erforschen wird? Lieber Leser, geben Sie Ihrer Seele eine faire Chance; Seien Sie bereit sich zu vergewissern, ob Ihr Glaube echter Weizen ist oder bloß Unkraut. Wenn sich das letztere herausstellt, haben Sie noch Gelegenheit, sich vor Gott zu demütigen und zu ihm zu rufen, dass er Ihnen rettenden Glauben gebe. Aber an jenem Tag wird es zu spät sein!

„Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in dem ist nicht die Wahrheit“ (1Jo 2,4). Wie klar und deutlich ist diese Sprache! Wie unmissverständlich die Aussage! Sehen Sie nicht, lieber Leser, dass dieser Vers einfach besagt, dass es solche gibt, die behaupten, Christus zu kennen, und doch Lügner sind? Der Vater der Lüge hat sie betrogen und er tut alles in seiner Macht Stehende, um sie vom Entdecken ihrer Täuschung abzuhalten. Deshalb wird dem unerretteten Leser dieses Kapitel so widerwärtig sein, dass er es lieber ignoriert. Wir bitten Sie: Widerstehen Sie dieser Versuchung! Gott hat uns gerade diesen Vers gegeben, damit wir uns daran prüfen und feststellen, ob unsere Heilsgewissheit dem Test an seinem heiligen Wort bestehen wird. Stecken Sie nicht wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand, anstatt sich der Gefahr zu stellen.

Einen Vers weiter finden wir wiederum das bekannte „erkennen wir“: „Wer aber sein (Christi) Wort hält, in dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran erkennen wir, dass wir in ihm sind“ (1Jo 2,5). Das steht im krassen Gegensatz zum vorigen Vers. Der Apostel wurde hier geleitet, uns einige klare biblische Indizien für echten Glauben und geistliche Liebe vorzustellen, die den Unterschied zwischen Schafen und Böcken darstellen. In Vers 4 ist es der leere Bekenner, der sagt: „Ich kenne Jesus als meinen persönlichen Retter.“ Er hat eine theoretische, aber keine lebendige Erkenntnis von ihm. Er rühmt sich, auf Jesu vollbrachtem Werk zu ruhen und ist zuversichtlich, dass er gerettet sei, hält aber Jesu Gebote nicht. Er ist lebt immer noch für sich selbst. Wie der „Faule Salomos“ ist er „in seinen Augen weiser als sieben, die verständig antworten“ (Spr 26,16). Er redet kühn, doch wandelt er nachlässig.

In Vers 5 geht es um den echten Christen. Er sagt nicht bloß: „Ich kenne ihn“, sondern stellt dies vielmehr unter Beweis. Johannes nennt hier nicht Christus als den Inhalt des Glaubens, sondern beschreibt denjenigen, der in rettender Weise an den Herrn glaubt anhand der daraus resultierenden Auswirkungen. Für einen solchen Gläubigen ist das Wort Christi alles: seine Speise, sein beständiges Nachsinnen, sein Lebenselixier. Er „hält“ oder bewahrt es, in seinem Gedächtnis, in seinem Herzen und in seinem Handeln. Sein Denken und seine Gebete sind ebenso von Christi Geboten erfüllt wie von seinen Verheißungen. Dieses Wort, das in ihm wirkt, unterwirft seine fleischlichen Begierden, nährt seine Gnadengaben und führt sie zur rechten Ausübung. Dieses Wort nimmt einen solchen Platz in seinem Herzen und Denken ein, dass er nicht anders kann, als dies in seinem Reden und Wandeln unter Beweis zu stellen. Auf diese Weise wird in ihm „die Liebe Gottes vollendet“: Die familiäre Ähnlichkeit wird ihm unverkennbar aufgeprägt; jeder kann sehen, zu welchem Vater er gehört (vgl. im Gegensatz dazu Joh 8,44).

„Wer aber sein Wort hält … Hieran erkennen wir, dass wir in ihm sind.“ Geht es darum, Christi Wort vollkommen einzuhalten? Nein, sondern es geht darum, sich wirklich mit seinem ganzen Wesen und Streben danach zu sehnen, dieses Wort zu halten. Ja, die Wiedergeburt ist dieses Wunder der Gnade Gottes an der Seele, das die Zuneigungen auf Gott ausrichtet, den menschlichen Willen dem göttlichen unterwirft und eine reale und radikale Lebensveränderung bewirkt. Diese Veränderung besteht darin, dass der Gläubige von Weltlichkeit zu Gottseligkeit wechselt, vom Ungehorsam zum Gehorsam. Bei der Wiedergeburt wird die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist ins Herz ausgegossen, und dieses Liebe zeigt sich in einem alles beherrschenden Sehnen und dem aufrichtigen Streben, in allem dem zu gefallen, der mich wie ein Scheit aus dem Feuer gerettet hat. Zwischen dem echten Christen und dem irregeleiteten Namenschristen besteht ein größerer Unterschied als zwischen einem lebenden Menschen und einer Leiche. Niemand muss im Zweifel verhaften, wenn er sich aufrichtig am Wort Gottes beurteilt.

Der vierfache Ackerboden

Am Ende dieses Kapitels bleibt nur noch Raum, um kurz eine weitere Schriftstelle betrachten: das Gleichnis vom vierfachen Ackerboden. Warum gab uns der Herr Jesus dieses Gleichnis? Aus welch anderem Grund als dem, um mich zu ernstlicher Selbstprüfung anzureizen, damit ich feststelle, zu welchem Ackerboden, zu welchen Hörern des Wortes ich gehöre! In diesem Gleichnis streut der Sämann Samen aus, der auf vier verschieden gute Böden fällt. Drei von den vier Böden bringen keine Frucht zur Reife. Das ist eine außerordentlich erhabene und herausfordernde Tatsache. Im ersten Fall nimmt der Teufel den guten Samen aus dem Herzen weg (Lk 8,12). Im zweiten Fall „glauben sie für eine Zeit, und in der Zeit der Versuchung fallen sie ab“ (Lk 8,13). Der dritte Fall entspricht denen, „welche gehört haben und hingehen und durch Sorgen und Reichtum und Vergnügungen des Lebens erstickt werden“ (Lk 8,14). Trifft eine dieser Beschreibungen womöglich auf Sie zu? Wir bitten Sie:

Ignorieren Sie diese Frage nicht; stellen Sie sich aufrichtig dieser Herausforderung und vergewissern Sie sich, welcher der vier Ackerböden Ihr Herz repräsentiert.

Doch bei einigen Hörern des Wortes fiel der Same auf „guten Boden“. Wie kann man erkennen, wer diesem Boden entspricht? Was sagt der unfehlbare Sohn Gottes über diese Menschen? Wie hat er sie beschrieben? Sagte er: „Das in der guten Erde aber sind die, welche auf das Wort Gottes vertrauen und nicht an seinen Verheißungen zweifeln; die fest überzeugt sind, dass sie gerettet sind und dennoch so weiterleben wie bisher“? Nein, keineswegs. Im Gegenteil erklärte er: „Das in der guten Erde aber sind die, welche in einem redlichen und guten Herzen das Wort, nachdem sie es gehört haben, bewahren und Frucht bringen mit Ausharren“ (Lk 8,15). Das Prüfungskriterium ist also „Frucht“ – nicht Erkenntnis, nicht Rühmen, nicht Rechtgläubigkeit, nicht Freude, sondern Frucht; und zwar solche Frucht, wie sie aus dem natürlichen Herzen nicht hervorkommen kann. Es ist die Frucht des Weinstocks: Christusähnlichkeit, in sein Bild verwandelt zu werden. Möge der Heilige Geist einen jeden von uns prüfen.

Westminster versus Scofield

Vergleichen wir zum Schluss noch folgende zwei Erklärungen zur Heilgewissheit:

Können wahre Gläubige unfehlbar gewiss sein, dass sie im Stand der Gnade sind und darin zum Heil verharren? Antwort: Diejenigen, die wahrhaftig an Christus glauben und sich befleißigen, in gutem Gewissen vor ihm zu wandeln (1Jo 2,3) können, ohne außerordentliche Offenbarung, durch Glauben aufgrund der Wahrheit der Verheißungen Gottes, und durch den Heiligen Geist, der sie befähigt, in sich jene Gnadengaben zu erkennen, auf die die Verheißungen des Lebens gegeben sind (1Jo 3,14.18.19.21.24; Hebr 6,11-12 etc.), und der mit ihrem Geist bezeugt, dass sie Kinder Gottes sind (Röm 8,16), unfehlbar gewiss sein, dass sie im Stand der Gnade sind und darin zum Heil beharren werden (1Jo 5,13; 2Tim 1,12).“

Gewissheit ist die volle Überzeugung des Gläubigen, dass er allein durch das Werk Christi, das er im Glauben angenommen hat, eine Erlösung besitzt, in der er ewig bewahrt werden wird. Diese Gewissheit beruht allein auf den Verheißungen der Schrift, die dem gegeben sind, der glaubt.

Der aufmerksame Leser wird einen beträchtlichen Unterschied in der Lehre dieser beiden Zitate feststellen. Das erste ist das Produkt der Puritaner, das letztere ein treffendes Beispiel für das, was die prahlerische Erleuchtung des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Das erste stammt aus dem Westminster-Bekenntnis (der dogmatischen Darlegung der Presbyterianer), das andere aus der „Scofield-Bibel“ (Anmerkung zu Judas 1). In dem ersten finden wir die Ausgewogenheit der Wahrheit hilfreich bewahrt; im letzteren wird das Werk und das Zeugnis des Heiligen Geistes völlig ignoriert. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, die in trauriger Weise illustrieren, wie weit sich die evangelikale Christenheit zurückentwickelt hat. Die von den Puritaner vorgelegte Antwort ist darauf ausgelegt, zur Herzensprüfung zu führen; die Definition des populären Dispensationalisten Scofield dient wahrscheinlich dazu, die Getäuschten zu bestärken. Das führt uns dazu, uns ausführlicher mit dem Wesen der Heilsgewissheit zu befassen.

Kapitel 12: Heilsgewissheit: ihr Wesen

Zu Beginn wollen wir die Frage stellen: Gewissheit worüber? Dass die Heilige Schrift das inspirierte und unfehlbare Wort Gottes ist? Nein, das ist nicht unser Thema. Die Gewissheit, dass das Heil allein aus Gnade ist? Nein, auch darum geht es uns nicht direkt. Vielmehr geht es um die Gewissheit, dass ich nicht mehr in einem natürlichen Stand bin, sondern im Stand – im Zustand – der Gnade. Eine solche Gewissheit darf keine auf Vermutung beruhende Überzeugung sein, sondern sie muss auf sicheren Beweisen ruhen. Diese Gewissheit ist die gut beglaubigte Erkenntnis, dass nicht nur mein Verstand über die großen Wahrheiten der Bibel erleuchtet wurde, sondern dass ein übernatürliches Werk in meiner Seele gewirkt wurde, das mich zu einer neuen Schöpfung in Christus gemacht hat. Eine biblische Heilsgewissheit ist jene Erkenntnis, die der Heilige Geist dem Herzen durch die Schrift verleiht, dass mein Glaube kein natürlicher Glaube ist, sondern „der Glaube der Auserwählten“ (Tit 1,1), dass meine Liebe zu Christus aufrichtig und nicht eingebildet ist und dass mein täglicher Wandel der eines Wiedergeborenen ist.

Die Seligpreisungen

Die Gewissheit der Gläubigen beruht, wie das Westminster Bekenntnis formuliert, auf dem „Heiligen Geist, der sie befähigt, in sich jene Gnadengaben zu erkennen, auf die die Verheißungen des Lebens gegeben sind“. Wir wollen versuchen, diese Aussage zu erklären. Zu Beginn der Bergpredigt sehen wir, wie der Herr Jesus Seligpreisungen über bestimmte Menschen ausspricht. Sie werden nicht „Gläubige“ oder „Heilige“ genannt, sondern werden stattdessen mit ihrem Charakter beschrieben, und nur wenn wir uns selbst und andere mit dieser Beschreibung aus dem Mund des Herrn Jesus vergleichen, können wir solche Menschen von anderen unterscheiden.

Als erstes sagte er: „Glückselig die Armen im Geist“. Arm zu sein im Geist bedeutet sich im klaren zu sein, dass „in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts gutes wohnt“ (Röm 7,18). Es ist die Erkenntnis, dass es mir an allem fehlt, was mir Gunst bei Gott verschaffen könnte. Es bedeutet einzusehen, dass ich geistlich bankrott bin. Es ist das Gewissen, dass ich auch jetzt (nicht nur vor Jahren, als ich erweckt worden war) kraftlos bin und keine Weisheit habe und ein hilfloses Geschöpf bin, das völlig von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes abhängig ist. „Arm zu sein im Geist“ ist das Gegenteil von „Laodizeanismus“, der selbstzufrieden und selbstgefällig ist und in der Haltung auftritt: „Ich bin reich und bedarf nichts“ (Offb 3,17).

„Glückselig die Trauernden.“ Es ist eine Sache, theoretisch zu glauben, dass ich geistlich ein armer Bettler bin, aber es ist etwas ganz anderes, sich dessen akut bewusst zu sein. Wo ein inneres Gespür für diese Armut vorhanden ist, geht das Herz durch tiefe Übungen, die die erbitterte Wehklage erwecken: „Ich vergehe, ich vergehe, wehe mir!“ (Jes 24,16). Eine solche Seele ist davon gequält, dass sie so wenig in der Gnade wächst, so wenig Frucht zur Ehre Gottes bringt, eine so jämmerliche Umkehr erfolgten, nach dem er mir seine überströmende Gnade erwiesen hat. Damit einher geht eine sich stets vertiefende Entdeckung der eigenen Verdorbenheit in mir. Die Seele stellt fest, „dass bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden ist“ (Röm 7,21). Sie wird betrübt durch den Unglauben, den Stolz, die Rebellion gegen Gott. Anstelle von Frieden herrscht innerer Krieg; anstelle von geistlichem Sieg erleidet dieser Glückselige täglich Niederlagen, bis das geschundene Herz ausruft: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“ (Röm 7,24).

„Glückselig die Sanftmütigen.“ Sanftmut ist Ergebenheit, das Gegenteil von Eigenwillen. Sanftmut bedeutet, ein weiches und beugsames Herz zu haben, das mich unterwürfig macht und auf Gottes Willen mit Gehorsam reagieren lässt. Man beachte, dass diese drei ersten Kennzeichen der „Glückseligen“ keine äußeren Handlungen sind, sondern innere Gnadengaben; keine vorzeigbaren Taten, sondern Zustände der Seele. Man beachte ferner, dass sie alles andere sind als solche Eigenschaften, die den Menschen vor der Welt bewundernswert machen. Wer sich selbst als geistlicher Bettler fühlt, wird von den reichen Laodizeern nicht willkommen geheißen werden. Wer täglich klagt über seine Mittellosigkeit, Unfruchtbarkeit und Sündhaftigkeit, wird von den Selbstgerechten nicht umworben werden. Die Selbstbewussten dieser Welt werden nicht die Gemeinschaft des wahrhaft Sanftmütigen suchen. Nein, er wird von den Pharisäern verschmäht und von denen von oben herab betrachtet werden, die sich rühmen, „Römer 7 hinter sich gelassen zu haben und in Römer 8 zu leben“. Diese herrlichen Gnadengaben, die in den Augen Gottes sehr kostbar sind, werden von den aufgeblasenen Namenschristen verachtet.

Von den weiteren Kennzeichen der „Glückseligen“, die der Erlöser zu Beginn seiner wertvollen Bergpredigt nennt, wollen wir nur noch ein weiteres betrachten: „Glückselig die um Gerechtigkeit willen Verfolgten … Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen … um meinetwillen“ (Mt 5,10.11). Man beachte, dass die Glückseligen verfolgt werden nicht etwa aufgrund ihrer bösen Taten oder weil sie anderen Schaden zugefügt hätten. Wer mürrisch, selbstsüchtig, stolz, verleumderisch oder grausam ist, hat kein Recht, sich auf diese Seligpreisung zu berufen, wenn er auf Widerstand stößt. Nein, hier geht es um Angriffe gegen Christusähnlichkeit in Charakter und Verhalten; wo die weltlichen Wege von leeren Namenschristen durch praktische Gottesfurcht verurteilt werden, dort wird Feindseligkeit geschürt; wo demütige, aber lebendige Frömmigkeit von denen nicht toleriert wird, denen diese Eigenschaften fehlen. Glückselig, sagte der Herr, sind jene Geistlichen, die von den Fleischlichen gehasst werden – die sanftmütigen Schafe, auf welche die Hunde einbeißen.

Lieber Leser, erstreben Sie die Gnade, sich aufrichtig an diesen Kriterien zu messen! Ist Ihre Seele von diesen himmlischen Gnadengaben geziert? Sind diese Kennzeichen derer, die der Sohn Gottes glückselig erklärt, auf Ihrem Charakter eingeprägt? Sind Sie wahrhaft „arm im Geist“? Wir sagen „wahrhaft“, weil es so leicht ist, Bezeichnungen anzunehmen und sich selber zu benennen. Wenn Sie sich darüber ärgern, wenn jemand anderes diese Eigenschaften auf Sie anwendet, zeigt das, dass Sie nicht das meinen, was Sie sagen. „Trauern“ Sie über Ihren Mangel an Christusähnlichkeit, über Ihre Glaubensschwäche, über die Kühle Ihrer Liebe? Sind Sie „sanftmütig“? Wurde Ihr Wille gebrochen und Ihr Herz Gott unterwürfig gemacht? Hungern und dürsten Sie nach Gerechtigkeit? Ist das ersichtlich aus Ihrem Gebrauch der Gnadenmittel, dem Bibelstudium und dem Gebet? Sind Sie „barmherzig“ oder etwa überkritisch und scharf? Sind Sie „reinen Herzens“? Betrübt, wenn Sie einen unreinen Gedanken nicht abwehren konnten? Wenn nicht, haben Sie kein Recht, sich als „Glückselig“ zu betrachten; vielmehr stehen Sie unter dem Fluch eines Gottes, der heilig ist und die Sünde hasst.

Es geht nicht darum, dass diese geistlichen Gnadengaben in voller Entfaltung vorhanden sein müssen; das werden sie in diesem Leben niemals sein. Aber sind sie überhaupt vorhanden? Es geht nicht darum, dass man völlig von sich selbst entleert ist, aber ist es unser aufrichtiges Sehnen und ernstliches Gebet, von uns selbst frei zu sein? Es geht nicht darum, so tief wie nur möglich über die innewohnende Sünde und ihre Auswirkungen zu „trauern“, aber hat man die „Plage seines Herzens“ (1Kö 8,38) überhaupt zu spüren bekommen? Es geht nicht darum, dass unsere Sanftmut so groß sein muss, wie nur irgend auszudenken, aber gibt es eindeutige Anzeichen dafür, dass die Wurzel der Sanftmut überhaupt in unser Herz gepflanzt worden ist? Es gibt einen Wachstumsprozess: man sieht „zuerst den Halm, danach die Ähre, dann den vollen Weizen in der Ähre“ (Mk 4,28). Aber was nicht existiert, kann auch nicht wachsen. Ist der Same (1Petr 1,23) der Gnade in Ihr Herz gepflanzt worden? Darum geht es, und das müssen wir alle an uns überprüfen, nicht als Vermutung oder Selbstverständlichkeit, sondern um es „fest“ zu machen oder sicherzustellen (2Petr 1,10). Und das geschieht, wenn wir aufrichtig unser Herz prüfen und feststellen, ob diese geistlichen Gnadengaben vorhanden sind oder nicht, denen die Verheißungen Gottes gelten.

Unterscheidung ist möglich

Echte Heilsgewissheit ist zwar das Gegenteil von fleischlicher Anmaßung und ungläubigen Zweifeln, doch widerspricht sie bei weitem nicht einer gründlichen Selbstprüfung. Aber leider wurden viele belehrt – und das von Männern, die für ihre Rechtgläubigkeit bekannt sind -, es sei hochgradig schädlich, wenn ein Christ in sich selbst hineinschaue. Sicherlich muss man hier wie überall auf Ausgewogenheit achten. Zugegeben kann man zu sehr auf sich selbst fixiert und introspektiv werden, aber viele eindeutige Schriftstellen widerlegen die Auffassung, dass ein Christ niemals sein eigenes Herz prüfen, seinen Glauben erproben, seine Motive untersuchen und sich vergewissern sollte, ob er „die Wurzel der Sache“ in sich hat. Die Wiedergeburt ist ein Werk, das Gott in uns wirkt (Phil 1,6) und da das ewige Schicksal davon abhängt, ist jede aufrichtige Seele verpflichtet, die äußersten Entbehrungen auf sich zu nehmen und sicherzustellen, ob dieses Wunder der Gnade an ihr gewirkt wurde oder nicht. Als Paulus über den Zustand der Galater im Zweifel war, sagte er: „Meine Kinder, um die ich abermals Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt gewonnen hat“ (Gal 4,19). Und an die Kolosser schrieb er: „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol 1,27).

„Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht, damit seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind“ (Joh 3,20.21). Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zwischen dem natürlichen Menschen und dem wiedergeborenen. Unglaube ist weit mehr als ein Irrtum in der Erkenntnis oder ein spekulativer Fehler, in den ein aufrichtiger Denker fallen kann; Unglaube kommt aus dem Herzen und ist Feindschaft gegen Gott. Wenn der natürliche Mensch auf sich allein gestellt ist, hasst er das durchleuchtende Licht Gottes (V. 19), da er fürchtet, dass es sein Gewissen beunruhigt, den Trugschluss seiner vermeintlichen Zuversicht entlarvt und seinen falschen Frieden erschüttert. Aber bei dem, welchem Gott „ein redliches und gutes Herz“ (Lk 8,15) gegeben hat, ist es genau umgekehrt. Wer aufrichtig und gewissenhaft handelt und den ganzen Willen Gottes vorbehaltlos wissen und tun möchte, freut sich über Licht.

Der echte Christ glaubt, was die Bibel über das natürliche Herz sagt: „Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es“ (Jer 17,9). Der sicherste Beweis, dass er tatsächlich an diese ernste Tatsache glaubt, ist seine tiefe Sorge, dass sein „Herz ihn irreführt“ (Jes 44,20) und ihm vortäuscht, mit seiner Seele sei alles beim Besten, obwohl er in Wirklichkeit noch „voll bitterer Galle und in Banden der Ungerechtigkeit“ ist (Apg 8,23). Er glaubt, was Gottes Wort über den Teufel sagt, den großen Verführer, und fürchtet, dass der Teufel ihn nicht mit einem falschen Frieden betört hat. Das Bedenken einer solchen Möglichkeit führt seine Seele durch tiefe Übungen. Wie einst David (und jeder andere echte Gläubige), „denkt er nach in seinem eigenen Herzen“ (Ps 4,4) und „forscht mit seinem Geist“ (Ps 77,6). Er wendet sich an das Licht der Heiligen Schrift, um seinen Charakter und sein Verhalten daran zu überprüfen. Er wünscht sich, dass aus seinen Taten erkennbar ist, ob sie entweder aus Selbstliebe oder aus echter Liebe zu Gott entspringen.

Wir wollen hier keineswegs irgendeine Form von Selbstvertrauen fördern, sondern vielmehr echtes Gottesvertrauen. Es ist eine Sache, sich zu vergewissern, dass man Gott liebt, und es ist eine ganz andere Sache, in dieser Liebe Genugtuung zu finden. Bei der Selbstprüfung, zu der die Bibel auffordert (z.B. in 1. Korinther 11,28), geht es nicht darum, etwas zu finden, was uns annehmbarer bei Gott macht, noch etwas aufzuspüren, was unserer Rechtfertigung vor ihm dient, sondern sie hat das Ziel, festzustellen, ob Christus in mir Gestalt annimmt. Vor zwei Extremen muss man sich hüten: einerseits die übertriebene Beschäftigung mit dem Werk des Heiligen Geistes in mir – dann würde das Herz vom Werk Christi für mich abgelenkt; und andererseits vor einer so einseitigen Betonung der mir zugerechneten Gerechtigkeit Christi, dass jene Gerechtigkeit ignoriert wird, die der Heilige Geist in mir bewirkt. Es ist unmöglich, dass die dritte Person der Dreifaltigkeit in einer Seele Wohnung nimmt, ohne eine radikale Änderung in diesem Menschen zu bewirken: Das ist es, wessen ich mich vergewissern muss.

Zwei Naturen

Wenn ich in mich hineinblicke und aufrichtig versuche, mein Herz im Licht der Bibel zu untersuchen, werde ich dort gewiss nicht nur das Werk des Heiligen Geistes entdecken. Nein, vielmehr bleibt auch noch viel Verdorbenheit dort verhaften. Der echte Christ findet klare Indizien für zwei Naturen, zwei einander entgegengesetzte Prinzipien, die in ihm wirken. Das wird nicht nur in Römer 7 und Galater 5,17 klar dargelegt, sondern auch im Hohenlied Salomos: „Was wollt ihr an Sulamith schauen? Den Reigen der zwei Heerlager (hebr. Mahanajim)?“ (Hl 7,1). Daher sagt die Braut in ihrem gegenwärtigen Zustand: „Schwarz bin ich und doch anmutig, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte Kedars, wie die Zeltdecken Salomos“ (Hl 1,5). Und: „Ich schlief, aber mein Herz war wach“ (Hl 5,2). Das ist für den natürlichen Menschen eine befremdende Ausdrucksweise, doch für den geistlichen Menschen ist sie leicht nachvollziehbar. Und deshalb findet sich die wiedergeborene Seele so häufig in dem verzweifelten Ruf wieder: „Herr, ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24).

Weil der echte Christ in sich so viel Widerstreitendes findet, ist es für ihn schwierig, sich seines tatsächlichen Zustands gewiss zu sein. Deshalb ruft er: „ Erprobe mich, HERR, und prüfe mich; läutere meine Nieren und mein Herz!“ (Ps 26,2). Wer voll fleischlicher Gewissheit ist, voll eitler Anmaßung, hat kein Bedürfnis danach, den Herrn zu bitten, ihn zu „prüfen“. Der Teufel hat ihn so vollends getäuscht, dass er meint, das wäre ein Akt des Unglaubens. Arme Seele! Ein solcher gehört zu denen, „die das Böse gut nennen und das Gute böse; die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis“ (Jes 5,20). Eins der sichersten Kennzeichen der Wiedergeburt ist das häufige Rufen der Seele: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz. Prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf dem ewigen Weg!“ (Ps 139,23.24).

Wem gelten die Verheißungen?

Vielleicht meinen einige unserer Leser immer noch: „Ich sehe nicht, dass es so schwierig sein muss, Gewissheit zu erlangen, ob man verloren oder gerettet ist; ich vertraue auf Johannes 5,24, und das ist für mich ausreichend.“ Doch bitte erlauben Sie uns, lieber Leser, kurz herauszustellen, dass Johannes 5,24 keine Verheißung ist, die der Herr Jesus einem bestimmten Jünger gab, sondern es ist eine dogmatische Aussage, die er vor einer gemischten Zuhörerschaft, einer großen Volksmenge traf. Wenn jemand einwendet: „Ich glaube, dass dieser Vers eine Verheißung enthält, und ich werde an dieser Verheißung festhalten“, dann fragen wir ihn liebevoll: Sind Sie sicher, dass diese Verheißung Ihnen gilt? Wir erkennen dankbar an, dass Johannes 5,24 eine kostbare Verheißung enthält, aber wem gilt sie? Prüfen wir es nach: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen.“

Diese Verheißung wird einer eindeutig beschriebenen Person gegeben, nämlich: „Wer mein Wort hört.“ Kann nun wahrhaft gesagt werden, dass Sie sein Wort „hören“? Sind Sie sicher? Lassen Sie sich nicht vom äußeren Schall der Worte täuschen. Hier geht es nicht um das Hören des äußerlichen Ohres, sondern um die Reaktion des Herzens. Als der Herr Jesus auf der Erde war, gab es viele, über die er sagte, dass sie „hörend nicht hören noch verstehen“ (Mt 13,13), weil sie nicht mit dem Herzen hörten. So ist es auch heute noch. Geistliches „Hören“, rettendes „Hören“, bedeutet beachten (Mt 18,15) und gehorchen (Mt 17,5; Joh 10,27; Hebr 3,7). Sind Sie gehorsam? Haben Sie die Schriften fleißig durchforscht, um seine Gebote zu entdecken? Und zwar nicht, um Ihre Neugierde zu befriedigen, sondern aus dem Wunsch heraus, diese Gebote zu tun? Und praktizieren Sie diese Gebote tatsächlich? Nicht nur ein- oder zweimal, sondern regelmäßig als feste Lebensgewohnheit?

Es mag jemand einwenden: „Das alles zieht nur weg von der ‚Einfalt Christi’; es lenkt ab vom Wort Gottes und versucht unseren Blick auf uns selbst zu lenken.“ Nun gut, aber sagt die Schrift nicht: „Habe acht auf dich selbst!“ (1Tim 4,16)? Doch darauf wird vielleicht entgegnet: „Es kann keine Gewissheit geben, solange man mit seinem elendigen eigenen Ich beschäftigt ist; ich ziehe es vor, beim geschriebenen Wort zu bleiben.“ Da haben wir überhaupt nichts gegen: Worauf wir hinauswollen, ist: Vergewissern Sie sich, dass die Schriftstellen, auf die Sie sich berufen oder auf die Sie vertrauen, auch tatsächlich berechtigterweise Ihnen gelten. Der Leser kann auch verweisen auf den Vers: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“ (Apg 16,31) und fragen: Ist das nicht deutlich genug? Aber ist Ihnen jemals aufgefallen, an wen die Apostel diese Aussage richten und wen der ganze Zusammenhang betriff?

Hier war weder einer ehebrecherische Volksmenge angesprochen, noch eine gleichgültige oder unbesorgte Seele. Vielmehr war der Adressat eine erweckte, zutiefst geübte, bußfertige Seele. Dieser Kerkermeister hatte seinen Platz im Staub eingenommen, stand im Begriff, sich umzubringen und rief in tiefster Verzweiflung: „Was muss ich tun, dass ich errettet werde?“ Aber wie wendet man heute Apostelgeschichte 16,31 an? Man sagt: „Diese Worte sind göttlich einfach; ich glaube an Christus, und deshalb bin ich errettet. Das sagt Gott und der Teufel kann mich darin nicht beirren.“ Vielleicht will der Teufel Sie auch keineswegs von dieser Annahme abbringen; er ist ganz zufrieden, wenn Sie in dieser fleischlichen Zuversicht verbleiben. Doch beachten wir: Paulus und Silas forderten den Kerkermeister nicht auf, „an Jesus zu glauben“ oder „an Christus“, sondern „an den Herrn Jesus Christus“.

Was bedeutet es also, in rettender Weise zu „glauben“? Wir haben diese Frage in einem früheren Teil dieses Buches bereits beantwortet, wollen aber eine kurze Zusammenfassung geben: Aus Johanns 1,12 wird deutlich, dass glauben „empfangen, annehmen“ bedeutet, nämlich „Christus Jesus als Herrn empfangen“ (Kol 2,6). Niemand wird von Christus errettet, der ihn nicht als Herrn annimmt. Der unmittelbare Zusammenhang zeigt klar den besonderen Charakter, mit dem der Herr Jesus hier dargestellt wird: „Er kam in das Seine“ (Joh 1,11); er war ihr rechtmäßiger Eigentümer und ihr Herr. Aber „die Seinen nahmen ihn nicht an“, sondern erklärten vielmehr: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!“ (Lk 19,14). Haben Sie wirklich „den Herrn Jesus Christus“ angenommen? Wir fragen nicht: Vertrauen Sie auf sein vollbrachtes Werk“, sondern: Haben Sie sich seinem Szepter gebeugt und sich seiner Autorität in der Praxis unterworfen? Haben Sie Ihrer eigenen, sündigen Herrschaft abgesetzt? Wenn nicht, sind Sie sicherlich nicht der Aufforderung „glaube an den Herr Jesus Christus“ nachgekommen und somit gilt die Verheißung aus Apostelgeschichte 16,31 Ihnen nicht.

„Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein“ (Röm 8,9). Diese Aussage gehört genauso gut zum Wort Gottes wie Apostelgeschichte 16,31. Warum wird dieser Vers nicht so häufig zitiert? Und wie kann man wissen, ob man den Geist Christi in sich hat? Nur indem man die Früchte entdeckt, die durch die Gnadengaben der Wiedergeburt und Heiligung bewirkt werden. Diese Früchte und auch die „guten Werke“ des Christen tragen zwar in keiner Weise zum Verdienst des Heils bei, aber sie sind Erkennungsmerkmale der „Söhne Gottes“.

Kapitel 13: Heilsgewissheit: ihre Grundlage

Mit diesem Kapitel stehen wir vor einer schwierigen Aufgabe. Wir wollen einerseits nicht den Kindern das Brot wegzunehmen und es „den Hunden vorzuwerfen“; andererseits ist es unser Gebet, dass wir davor bewahrt bleiben, einem der kleinen Kinder Gottes Anstoß zu geben und es zu Fall zu bringen. Diese Ausgewogenheit ist deshalb so schwierig, weil wir jedes tote Bekenntnis aufdecken und uns von Gott dazu gebrauchen lassen möchten, die Augen derer zu öffnen, die nicht wiedergeboren sind, die aber mit fleischlicher Zuversicht auf eine Verheißung Gottes bauen, obgleich diese nur jenen gilt, die in Christus sind – denn solange ein Sünder außerhalb von Christus ist, gilt ihm keine der biblischen Verheißungen (siehe 2Kor 1,20). Dennoch müssen wir Weisheit von oben suchen, um noch ungefestigte echte Gläubige nicht zur Schlussfolgerung zu verleiten, sie seien noch tot in Sünden und Übertretungen.

Mit dieser zweifachen Zielsetzung vor Augen wollen wir fragen: Reicht ein einfacher Glaube an Christus aus, um eine Seele für Zeit und Ewigkeit zu erretten? Auch wenn womöglich einige Leser dieses Buch weglegen und sich weigern weiterzulesen, antworten wir ohne Zögern: Nein, das reicht nicht aus. Der Herr Jesus selbst erklärte: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle ebenso umkommen“ (Lk 13,3). Buße ist für die Errettung ebenso notwendig wie Glauben. Ferner lesen wir: „Willst du aber wissen, o eitler Mensch, dass der Glaube ohne die Werke tot ist?“ (Jak 2,20). Ein „einfacher Glaube“, der allein bleibt, der nicht das Herz reinigt (Apg 15,9), durch Liebe wirksam ist (Gal 5,6) und die Welt überwindet (1Jo 5,4), wird niemanden retten.

Viel Verwirrung ist dadurch entstanden, dass nicht aufgezeigt wurde, wovon der Sünder Errettung braucht. Nur zu oft denkt man dabei lediglich an die Hölle. Aber das ist eine äußerst mangelhafte Vorstellung und erweist sich oft als irreführend. Das einzige, was einen Menschen in die Hölle bringt, ist seine Sünde, über die er keine Buße getan hat und die ihm nicht vergeben wurde. Auf der ersten Seite des Neuen Testaments hat der Heilige Geist ausdrücklich aufschreiben lassen, dass der fleischgewordene Sohn Gottes deshalb „Jesus“ (d.h. „Jahwe ist Rettung“) genannt wurde, weil er „sein Volk retten wird von seinen Sünden“ (Mt 1,21). Wie kommt es, dass das, was Gott vornan gestellt hat, von den meisten heutigen Evangelisten nach hinten abgeschoben wird? Wenn man jemanden fragt, ob er vor der Hölle errettet sei, ist das weit weniger eindeutig als die Frage, ob er von seinen Sünden errettet ist.

Errettung von Sünden

Wir wollen uns mit diesem Thema ein wenig ausführlicher befassen, denn Tausende bekennender Christen haben heute nicht die leiseste Vorstellung davon, was es bedeutet, von Sünden errettet zu sein.

Erstens bedeutet es, von der Liebe zur Sünde errettet zu sein. Das Herz des natürlichen Menschen liebt alles, was Gott entgegengesetzt ist. Vielleicht ist der Mensch sich dessen nicht bewusst oder gibt es nicht zu, und dennoch ist es eine Tatsache. Für ihn gilt: „In Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen“ (Ps 51,5), und so kann er nicht anders, als das Böse zu lieben, da es ja Bestandteil seines Wesens ist. Als der Herr Jesus erklärte, warum das Verdammungsurteil auf den Verlorenen ruht, sagte er: „Die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht“ (Joh 3,19). Nur eine übernatürliche Veränderung des Herzens kann jemanden aus seinem schrecklichen Zustand retten. Nur ein allmächtiger Erlöser kann uns dazu bringen, uns wie Hiob „selbst zu verabscheuen“ (Hi 42,6) und Böses zu verachten. Genau dass tut der Heiland, wenn er eine Seele rettet, denn: „Die Furcht des HERRN bedeutet, Böses zu hassen“ (Spr 8,13).

Zweitens bedeutet Errettung von unseren Sünden, befreit zu sein von unserem Billigen der Sünde. Das natürliche Herz neigt ausnahmslos dazu, böse Taten zu entschuldigen und darüber hinwegzugehen. Schon zu Beginn lehnte Adam es ab, seine Schuld einzugestehen und versuchte sie auf seine Frau zu schieben. Eva reagierte ebenso: anstatt ihre Übeltat ehrlich zuzugeben, schob sie die Verantwortung der Schlange zu. Doch welch völlig andere Haltung hat der wiedergeborene Mensch gegenüber seiner Sünde: „Denn was ich vollbringe, billige ich nicht“(Röm 7,15; Schl.): Auch Paulus sündigte, aber er billigte das nicht und versuchte es noch viel weniger zu rechtfertigen. Er lehnte jede Milde gegenüber der Sünde ab. Der wahre Christ tut Buße über seine Missetaten, bekennt sie Gott, bedauert sie und betet ernstlich, vor einer Wiederholung bewahrt zu bleiben. Stolz, Kälte und Faulheit sind ihm verhasst, doch Tag für Tag erlebt er, wie sie wieder Macht über ihn zu gewinnen versuchen. Er jedoch nimmt Zuflucht zur Quelle, die „in Jerusalem geöffnet wurde gegen Sünde und gegen Befleckung“ (Sach 13,1), damit er gereinigt werde. Der wahre Christ sehnt sich danach, Gott völlig gehorsam zu sein und gibt sich nicht mit weniger zufrieden, und anstatt sein Versagen zu beschönigen, trauert er darüber.

Drittens bedeutet Errettung von Sünden, befreit zu sein von der herrschenden Macht oder Knechtschaft der Sünde. Die Sünde wohnt immer noch im Christen, versucht ihn, bedrängt ihn, verwundet ihn und bringt ihn täglich zu Fall: „Wir alle straucheln oft“ (Jak 3,2). Dennoch wird der Christ nicht von der Sünde beherrscht, denn er widersteht ihr und bekämpft sie. Zwar ist er weit davon entfernt, sie völlig zu besiegen, doch besteht ein enormer Unterschied zwischen ihm und den hilflosen Sklaven Satans. Seine Buße, seine Gebete, sein Streben nach Heiligkeit, sein Vorwärtsdrang auf das Ziel hin – all das bezeugt, dass die Sünde ihn nicht beherrscht (Röm 6,14). Zweifellos bestehen große Unterschiede zwischen den Erfolgen von Gottes Kindern: In seiner Souveränität gewährt Gott dem einem mehr Gnade als dem anderen. Einige seiner Kinder werden weit mehr von Gewohnheitssünden geplagt als andere. Manche werden so gut wie vollständig vor äußeren Übertretungen bewahrt, stöhnen und seufzen jedoch über innere Sünden. Manche werden in großem Maße von Tatsünden bewahrt, doch haben sie so manche Unterlassungssünden zu beklagen. Doch von den „Hausgenossen des Glaubens“ beherrscht die Sünde niemanden mehr völlig.

Was ist die Herrschaft der Sünde?

Die letzte Aussage entmutigt vielleicht Gläubige mit einem empfindlichen Gewissen. Wer wirklich ehrlich zu sich selbst ist und mit geöffneten Augen seine schreckliche Sündhaftigkeit sieht, und wer immer mehr diesen Abgrund an Bosheit erkennt, diese Masse an Verdorbenheit, die immer noch in ihm wohnt, hat oft den Eindruck, dass die Sünde ihn jetzt mehr beherrscht als je zuvor. Wenn er sich danach sehnt, Gott von ganzem Herzen zu vertrauen, scheint Unglaube ihn zu lähmen. Wenn er wünscht, völlig dem Willen Gottes ausgeliefert zu sein, steigen Einwände und Rebellion in ihm auf. Wenn er eine Stunde mit dem Nachsinnen über geistliche Dinge verbringen möchte, wird er von bösen Vorstellungen bedrängt. Wenn er demütiger zu sein wünscht, wird er von Stolz befallen. Will er beten, so schweifen seine Gedanken ab. Je mehr er gegen diese Sünden kämpft, desto weiter scheint der Sieg entfernt zu sein. Er hat den Eindruck, dass die Sünde ihn sehr wohl beherrscht, und der Teufel flüstert ihm ein, sein Bekenntnis sei leer. Was sollen wir einer solchen armen Seele sagen, die wegen dieser Probleme durch so tiefe Übungen geht? Zwei Dinge.

Erstens: Allein die Tatsache, dass Sie sich dieser Sünden bewusst sind und sich so große Sorgen machen wegen Ihres Versagens, ist ein gesundes Zeichen. Es sind die Blinden, die nicht sehen können; es sind die Toten, die nichts spüren – das gilt sowohl im natürlichen wie auch im geistlichen Bereich. Nur wer zur „Neuheit des Lebens“ erweckt worden ist, kann sich wirklich über Sünden grämen. Außerdem sind derartige Erfahrungen Anzeichen für ein geistliches Wachstum: ein Wachstum in der Selbsterkenntnis. Von dem weisen Salomo wissen wir: „Wer Erkenntnis mehrt, mehrt Kummer“ (Pred 1,18). In Gottes Licht sehen wir das Licht (Ps 36,10). Je mehr der Heilige Geist mir die hohen Ansprüche Gottes offenbart, desto mehr entdecke ich, wie weit ich sie verfehle. Wenn die Mittagssonne in ein sonst dunkles Zimmer scheint, kommen Staub und Dreck deutlich zum Vorschein, auch wenn sie vorher den Blicken verborgen waren. So ist es auch mit dem Christen: Je mehr Licht Gottes ins Herz vordringt, desto mehr entdeckt er den geistlichen Schmutz, der dort haust. Lieber Bruder, liebe Schwester, als Gläubige werden Sie nicht immer sündiger, sondern Gott gibt Ihnen eine klarere und vollständigere Sicht für Ihre Sündhaftigkeit. Preisen Sie ihn dafür, denn die Augen der meisten Ihrer Mitchristen sind blind und können nicht sehen, was Sie so betrübt!

Zweitens: Neben der Sünde ist in Ihrem Herzen auch Gnade. Der Christ hat nicht nur eine alte und unheilige Natur, sondern auch eine neue und heilige. Die Gnade ist aktiv in Ihnen, ebenso wie die Sünde. Ihr Verhalten wird ebenso von der neuen Natur bestimmt wie von der alten. Wie kommt es, dass Sie so sehr wünschen, in das Bild Christi verwandelt zu werden, ihm völlig zu vertrauen, ihn inbrünstig zu lieben und ihm fleißig zu dienen? Diese Wünsche kommen nicht aus dem Fleisch. Nein, lieber Bruder, liebe Schwester, Sie stehen nicht unter völliger Herrschaft der Sünde; wenn dem so wäre, dann würden alle Ihre Ambitionen, Gebete und Ihr Streben nach Heiligkeit aus Ihrem Herzen verbannt. In Ihrem Herzen findet der „Reigen der zwei Heerlager“ statt (Hl. 6,13, s.S.#+#+), und jede Partei kämpft um die Herrschaft über den Christen. Bildhaft war es so bei Rebekka: Die beiden „Kinder stießen sich in ihrem Leib“ (1Mo 25,22), und so ist es auch bei uns. Doch gerade dieser Kampf, dieses sich „stoßen“, zeigt, dass die Sache noch nicht entschieden ist: hätte die Sünde gesiegt, könnte die Seele keinen Widerstand mehr leisten. Der Eroberer entwaffnet seinen Feind, sodass er sich nicht mehr wehren und verteidigen kann. Doch allein die Tatsache, dass Sie „kämpfen“, beweist, dass die Sünde in Ihnen nicht gesiegt hat! Vielleicht kommt es Ihnen so vor, als würde das bald passieren, aber in dieser Sache gibt es keinen Zweifel: Der Herr Jesus wird Sie auch noch von der Gegenwart der Sünde erretten.

Nachdem wir nun in den obigen Abschnitten versucht haben, der Aufforderung aus Hebräer 12,12.13 nachzukommen und „die erschlafften Hände und die gelähmten Knie“ aufzurichten und „gerade Bahn für eure Füße“ zu machen, „damit das Lahme nicht abirre, sondern vielmehr geheilt werde“, wollen wir unsere Aufmerksamkeit nun wieder auf solche richten, die „keinen Zweifel“ daran haben, von Christus angenommen zu sein, und vielleicht meinen, sich nicht prüfen zu brauchen. Der Herr sagte, dass ein Baum an seinen Früchten erkannt wird, und deshalb kann es nicht falsch sein, den Baum unseres Herzens zu untersuchen, um sicherzustellen, welche Art von Frucht er bringt und um zu erkennen, ob eine solche Frucht aus der Natur des Menschen hervorkommen kann oder ob dafür innewohnende göttliche Gnade nötig ist. Vielleicht wendet jemand sofort ein: „Aus uns selbst kann nichts Geistliches hervorkommen.“ Aus uns als natürliche Menschen sicherlich nicht, aber aus einem wiedergeborenen Menschen schon. Aber wie kann ein schlechter Baum jemals anders werden? Der Herr Jesus sagte: „Macht den Baum gut, dann ist seine Frucht gut“ (Mt 12,33). Das kann man vergleichen mit dem Aufpropfen eines frischen Zweiges auf einen alten Stumpf.

Heilsgewissheit oder heilige Gewissheit?

Jeder, der sich die gegenwärtige Freude der Heilsgewissheit anmaßt, aber dessen Alltagsleben dem Evangelium unwürdig ist, hat keine Grundlage für seine Hoffnung. Wer zuversichtlich ist, ins ewige Glück einzugehen – welches vor allem völlige Freiheit von aller Sünde bedeutet -, jetzt aber jedoch Sünde in seinem Leben billigt (und sich einredet, dass Christus dafür ja Sühne geleistet habe) täuscht sich schwer. Niemand wünscht sich ernsthaft, in der Zukunft von Sünde frei zu sein, wenn er in der Gegenwart sich nicht aufrichtig von Sünde trennt. Wer hier nicht der Heiligkeit nachjagt, irrt sich gewaltig, wenn er meint, er wünsche sich Heiligkeit für die Ewigkeit. Die ewige Herrlichkeit ist nichts anderes als die vollendete Gnade; das Leben im Himmel ist nichts anderes als die volle Reife des wiedergeborenen Lebens auf der Erde. Weder der Tod noch die Wiederkunft Christi werden eine radikale Änderung in der Natur des Christen bewirken: dabei wird nur das vollkommen werden, was er bereits hat und ist. Daher gilt: Jeder, der angeblich Heilsgewissheit hat, sich seiner Sündenvergebung rühmt und ewiges Leben zu haben meint, aber nie eine tiefe Trübsal über seine Sünde, echte Abscheu vor der Sünde und Selbsthass wegen seiner Übertretungen erlebt hat, weiß nichts davon, was eine heilige Gewissheit ist.

Wenn wir nach der Grundlage der Heilsgewissheit eines Christen fragen, müssen wir scharf unterscheiden zwischen einerseits dem Grund für seine Annahme bei Gott und andererseits seiner Erkenntnis, dass er von Gott angenommen ist. Ein Sünder kann einzig und allein durch die Gerechtigkeit Christi – die der Herr durch sein vollkommenes Leben und seinen stellvertretenden Tod verfügbar gemacht hat – eine annehmbare rechtmäßige Stellung vor dem dreimal heiligen Gott erlangen. Und einzig und allein die Verleihung einer neuen Natur – das übernatürliche Werk der Gnade Gottes – kann den Beweis liefern, dass die Gerechtigkeit Christi mir tatsächlich zugerechnet worden ist. Wenn Gott einen Menschen seiner rechtlichen Stellung nach rettet, dann rettet er ihn auch in Bezug auf seine Erfahrung. Wen Gott rettet, den heiligt er auch. Wenn die Gerechtigkeit Christi jemandem zugerechnet worden ist, wird ihm auch ein Prinzip der Heiligkeit verliehen, wobei das erstere nur durch das letztere erkennbar werden kann. Eine biblische Erkenntnis, dass die Verdienste des vollbrachten Werkes Jesu zu meinen Gunsten angerechnet worden sind, kann nur durch das wirksame Zeugnis des Heiligen Geistes in meiner Seele erlangt werden.

„Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen!“ (2Petr 1,10). Warum diese Reihenfolge, erst „Berufung“ und dann „Erwählung“? Hier finden wir die umgekehrte Reihenfolge wie in Römer 8,30: „Die er aber

1.) vorherbestimmt hat, diese hat er auch

2.) berufen“

aber hier im 2. Petrusbrief wird der Christ aufgefordert,

1.) seine Berufung, und

2.) seine Erwählung

„fest zu machen“, d.h. sicherzustellen. Warum diese andere Reihenfolge? Die Antwort ist simpel: in Römer 8,30 geht es um die Ausführung von Gottes ewigen Ratschlüssen; aber in 2. Petrus 1,10 um die erfahrungsmäßige Erkenntnis des Christen über diese Ratschlüsse. Ich muss aus meiner Sicht von der Wirkung zur Ursache zurückgehen und die Frucht untersuchen, um Rückschlüsse auf die Natur des Baumes ziehen zu können. Ich habe keinen Einblick in das „Buch des Lebens des Lammes“ (Offb 13,8), aber wenn ich klare Beweise habe, dass Gott mich wirksam berufen hat aus der Finsternis der Sünde ins Licht der Versöhnung, dann weiß ich, dass mein Name dort geschrieben ist.

Die Berufung und Erwählung sicherstellen

Und wie mache ich meine „Berufung und Erwählung fest“? Das geht aus dem Zusammenhang dieses Verses deutlich hervor: In Vers 5-7 lesen wir: „Eben deshalb wendet aber auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe!“ Das ist eine Zusammenfassung der Gnadengaben, die den Charakter des Christen ausmachen. Der Ausdruck „reicht dar“ bedeutet wörtlich „dazu-ausstatten“ oder „zusätzlich geben“, so wie sich bei einem Chor mehrere Stimmen und Gruppen zu einem harmonischen Ganzen vereinigen, oder wie bei einem Regenbogen die verschiedenen Farben ein wunderschönes Gesamtbild ergeben. In Vers 4 hatte Petrus von der Gnade Gottes gesprochen, die an den Erwählten wirksam geworden war: Durch die Wiedergeburt waren sie „dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist, entflohen“. Nun fügt er hinzu: Gebt euch nicht mit dieser negativen Seite der Errettung zufrieden, sondern strebt vorwärts zur Vollkommenheit: Seid mit vollem Ernst darauf bedacht, diese Tugenden „zu eurem Glauben hinzuzufügen“. Der Glaube soll nicht allein bleiben, sondern die anderen geistlichen Gnadengaben müssen ihn ergänzen und zieren.

In den Versen 8-9 inspirierte der Heilige Geist den Apostel Petrus, uns zu erklären, welche Konsequenzen folgen, wenn wir den in Vers 5-7 dargelegten Pflichten gehorchen oder nicht gehorchen. „Diese Dinge“ (V. 8) bezieht sich auf die sieben Gnadengaben der vorherigen Verse. Wenn man „allen Fleiß aufwendet“, um diese herrlichen Tugenden zu erlangen und zu fördern, dann wird gewisslich eine bestimmte Konsequenz folgen: So wie die Wirkung nur auf die Ursache hin erfolgt, so ist Fruchtbarkeit abhängig vom Fleiß des Christen. So wie das Versäumen der täglichen Mahlzeiten zu Magerkeit und Schwäche führt, so wie Bewegungsmangel zum Erschlaffen der Muskeln führt, so führt ein Missachten der göttlichen Anweisung von Vers 5 zu seelischer Magerkeit, geistlicher Kurzsichtigkeit und Verlust der Heilsgewissheit. Damit kommen wir zu Vers 10.

Das „darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr“ aus Vers 10 weist auf einen Gegensatz zur traurigen Tragödie von Vers 9 hin. Dort sahen wir die bedauerlichen Folgen eines zurückgefallenen Seelenzustands. Im Leben des Christen gibt es keine Stagnation: Wer sich nicht weiterentwickelt, der entwickelt sich zurück. Wer nicht fleißig die Gebote Gottes bewahrt, verliert bald den Segen der göttlichen Verheißungen. Wer zu seinem „Glauben“ nicht die Gnadengaben aus Vers 5-7 hinzufügt oder „darin darreicht“, wird schon bald unter der Macht des Unglaubens zu Fall kommen. Wer den Garten seiner Seele nicht kultiviert, wird schnell feststellen, dass er mit Unkraut überwuchert ist. Wer Gottes Ermahnungen außer Acht lässt, wird die Freude seines Heils verlieren und in solche Zweifel hinabsinken, dass er seine Gotteskindschaft ernsthaft in Frage stellt. Um das zu verhindern, sagt der Apostel: „Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen!“

Die offenkundige Bedeutung von dieser Aufforderung in 2. Petrus 1,10 ist daher: „Rafft euch auf, bemüht euch, zufriedenstellende Indizien dafür zu erlangen, dass ihr unter den Berufenen und Erwählten Gottes seid. Lasst nicht zu, dass in dieser Sache Zweifel oder Ungewissheit besteht: Wenn ihr bekennt, Kinder Gottes zu sein, dann rechtfertigt dieses Bekenntnis, indem ihr den Charakter eines Kindes Gottes fördert und das Verhalten eines solchen an den Tag legt.“ Das beweist also, dass von uns mehr erwartet wird, als lediglich auf Johannes 5,24 oder Apostelgeschichte 16,31 zu vertrauen! Ob ein Christ berechtigt ist, sich als Berufenen und Erwählten Gottes zu betrachten und von anderen als solcher angesehen zu werden, hängt davon ab, ob er die Früchte einer echten Bekehrung hervorbringt. Nur in dem Maße, wie wir zu unserem Glauben die anderen christlichen Gnadengaben hinzufügen, haben wir einen festen Grund, auf dem unsere Gewissheit beruhen kann, dass wir zur Familie Christi gehören. Nicht solche sind Söhne Gottes, die durch ihren eigenen Willen geleitet werden, sondern „so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14).

Robert Hawker wies darauf hin, dass die einzige Art und Weise, wie man sich seines Heils gewiss sein kann, das Zeugnis und Werk des Heiligen Geistes im Herzen ist: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überreich seiet in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes!“ (Röm 15,13). Heilsgewissheit ist daher die biblisch begründete Erkenntnis, dass ich mich auf dem schmalen Weg befinde, der zum ewigen Leben führt. Daher basiert diese Gewissheit auf dem Wort Gottes, besteht jedoch in der Befähigung durch den Heiligen Geist, in mir einen Charakter zu entdecken, dem die Verheißungen Gottes gelten. Wir beurteilen uns jetzt anhand desselben Wortes Gottes, anhand dessen auch Gott einst Lebende und Tote richten wird. Daher ist jede aufrichtige Seele verpflichtet, die biblischen Kennzeichen der Kinder Gottes gegenüberzustellen mit den Charaktermerkmalen seiner eigenen Seele, und zu bestimmen, ob es irgendeine echte Übereinstimmung gibt. Wir wollen dieses Kapitel beenden mit einem Zitat von Samuel Rutherford aus dem Jahre 1637:

Du kannst dich von den Verworfenen unterscheiden, wenn du diese Kennzeichen hast: Wenn du Christus und seine Wahrheit so wertschätzt, dass du alles verkaufen und ihn erwerben und für ihn leiden würdest. Wenn die Liebe Christi dich mehr vom Sündigen abhält als das Gesetz oder die Furcht vor der Hölle. Wenn du demütig bist und deinen eigenen Willen verleugnest sowie deinen Verstand, dein Ansehen, deine Laufbahn, deine Ehre, die Welt und alle ihren Trug und Glanz. Dein Bekenntnis darf nicht fruchtlos und ohne gute Werke sein. Du musst in allen Dingen nach Gottes Ehre streben. Wenn du isst, schläfst, kaufst, verkaufst, sitzt, stehst, sprichst, betest, liest und das Wort Gottes hörst, musst du mit dem Herzen darauf ausgerichtet sein, das Gott geehrt wird. Mache dir tägliches Gebet zur Gewohnheit, befiel all deine Wege und Taten Gott an durch Gebet, Fürbitte und Danksagung; und gib nicht viel darauf, verspottet zu werden, denn Christus Jesus wurde vor dir verspottet.

Kapitel 14: Heilsgewissheit: Wie sie erlangt wird

Als Paulus an die gläubigen Philipper schrieb, wurde er zu der Aussage inspiriert: „Ich bin ebenso in guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu“ (Phil 1,6). Das ist es, was die wiedergeborenen Kinder Gottes von leeren Bekennern unterscheidet – von solchen, die zwar den „Namen haben, dass sie leben“, aber in Wirklichkeit tot sind (Offb 3,1). Das ist der Unterschied zwischen wahren und getäuschten Christen. Und worin besteht dieses „gute Werk“, das Gott in den Geretteten begonnen hat? Es wird in verschiedenen Schriftstellen unterschiedlich beschrieben. Es ist die Reinigung ihrer Herzen durch den Glauben (Apg 15,9). Es ist die Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen ist (Röm 5,5). Es ist das Eingravieren des Gesetzes Gottes auf ihre Herzen (Hebr 8,10). Die Natur der Heilsgewissheit ist daher eine gut begründete Erkenntnis, dass ich ein Kind Gottes bin. Die Grundlage dafür ist die eindeutige Übereinstimmung zwischen meinem Charakter, meiner Erfahrung und meines Lebens damit, wie das Wort Gottes den Charakter, die Erfahrungen und das Leben der Kinder Gottes beschreibt. Erlangt wird Heilsgewissheit daher durch eine aufrichtige Selbstprüfung und einen ehrlichen Vergleich zwischen mir und den biblischen Kennzeichen der Kinder Gottes.

Selbstprüfung ist unerlässlich

Eine verlässliche und befriedigende Gewissheit kann nur durch eine gründliche Selbstprüfung erlangt werden. Richard Baxter schrieb 1680:

O, ihr Christen, ruht deshalb nicht, bis ihr diese Ruhe euer eigen nennen könnt. Setz dich nicht nieder ohne Gewissheit. Zieh dich ins Kämmerlein zurück und unterziehe dein Herz einem gerichtlichen Verhör: Zwinge es, die ihm vorgelegten Fragen zu beantworten, stelle die Merkmale der Gläubigen auf die eine Seite, und die Merkmale deiner Seele auf die andere, und dann urteile, welche Übereinstimmung zwischen beiden besteht. Du hast dasselbe Wort Gottes vor dir, anhand dessen du an jenem großen Tage gerichtet werden wirst. Du liest dort dieselben Paragrafen, anhand derer du beurteilt werden wirst; prüfe dich jetzt selbst an diesen Paragrafen. Mögest du doch im voraus wissen, unter welchen Bedingungen die Menschen angenommen oder verdammt werden. Prüfe jetzt, ob du das besitzt, was dich annehmbar machen wird, oder ob du im Zustand derer bist, die verdammt werden; und dementsprechend billige oder verdamme dich selbst. Aber stelle sicher, dass du dich an einem wahren Prüfstein prüfst, und missverstehe nicht die biblische Beschreibung eines Heiligen, damit du dich weder zu Unrecht billigst, noch zu Unrecht verdammst. (Aus: The Saint’s Everlasting Rest).

Eine solche Selbstprüfung ist tatsächlich dringend nötig, denn Unmengen werden getäuscht; sie sind sich sicher, dass sie Christen sind, obwohl ihnen die Merkmale von Christen fehlen. C.H. Spurgeon sagte in seiner Predigt über 1. Chronik 4,10:

Sie sagen sie seien gerettet, halten daran fest und halten es für böse, daran zu zweifeln; und doch haben sie keinerlei Grund, ihre Zuversicht beizubehalten. Zwischen Vermutung und voller Gewissheit besteht ein großer Unterschied. Volle Gewissheit ist mit der Vernunft nachvollziehbar, begründet auf einer festen Grundlage. Vermutung nimmt etwas für selbstverständlich an, und erklärt ohne Wimpernschlag das als Eigentum, auf das keinerlei Anrecht besteht. Hüte dich davor – so bete ich -, dir anzumaßen, du seiest errettet. Wenn dein Herz erneuert ist, wenn du die Dinge hasst, die du einst liebtest und die Dinge liebst, die du einst hasstest, wenn du wirklich Buße getan hast, wenn eine tiefschürfende Änderung in deinem Sinn stattgefunden hat, wenn du wiedergeboren wurdest, dann hast du Grund zur Freude. Aber wenn keine grundlegende Veränderung vorhanden ist, keine innere Gottseligkeit; wenn da keine Liebe zu Gott ist, kein Gebet, kein Werk des Heiligen Geistes, dann ist deine Aussage: „Ich bin errettet“, nichts als deine eigene Behauptung, und sie wird dich irreführen, aber nicht erretten.

O, welche Mühe gibt sich der Teufel, um die Menschen von diesem entscheidend wichtigen und unverzichtbaren Werk der Selbstprüfung abzuhalten! Er weiß nur zu gut: Wenn viele seiner verführten Opfer dieser Aufgabe aufrichtig nachkämen, dann würden sie bald erkennen, dass kein Wunder der Gnade an ihnen geschehen ist, und das würde sie veranlassen, den Herrn von ganzem Herzen zu suchen. Er weiß auch, dass echte Christen beträchtliche Vorteile hätten gegenüber der Macht der innewohnenden Sünde, wenn sie nur ernstlich ihre Herzen prüfen würden. Viele werden von diesem gesunden Werk abgehalten durch das schlechte Vorbild so vieler, die heute den Namen Christi tragen. Nicht wenige argumentieren, wenn sie einen solchen Christen kennen: Wenn er, der so weltlich ist, so von der „Lust des Fleisches, der Lust der Augen und dem Hochmut des Lebens“ geleitet ist (und er schon so lange Christ ist und die Bibel viel besser kennt als ich) – wenn er sicher ist, dass er auf dem Weg zum Himmel ist -, warum sollte ich mir dann Sorgen machen?

Hindernisse für eine Selbstprüfung

Der Zustand des Herzens hält viele von der Pflicht der Selbstprüfung ab. Manche sind so unwissend, dass sie weder wissen, was Selbstprüfung ist, noch was ein Diener Gottes meint, wenn er Gläubige zu überreden versucht, „sich zu prüfen … ob ihr im Glauben seid“ (2Kor 13,5). Andere sind so in Liebe zur Sünde verhaftet und haben eine solche Abneigung gegen die heiligen Wege Gottes, dass sie es nicht wagen, sich auf eine Prüfung ihres Zustandes einzulassen. Denn dann wären sie womöglich gezwungen, den Weg zu verlassen, den sie so lieben, und einen Weg zu betreten, den sie verabscheuen. Andere sind so von ihren weltlichen Geschäften in Beschlag genommen und so damit beschäftigt, für sich und ihre Familien zu sorgen, dass sie sagen: „Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt“ (Lk 14,18). Andere sind so faul und träge, dass sie durch keine Überlegung dazu bewegt werden können, die nötigen Mühen auf sich zu nehmen, um ihren eigenen Herzenszustand kennen zu lernen.

Viele werden von Stolz davon abgehalten. Sie denken hoch von sich selbst. Sie sind sich ihrer Errettung so gewiss, so tief davon überzeugt, dass zwischen ihrer Seele und Gott alles in Ordnung sei, und so halten sie jegliche Suche nach Beweisen und jegliche schriftgemäße Selbstprüfung an den Kennzeichen für „neue Geschöpfe in Christus Jesus“ für unnötig und überflüssig. Sie sind in einer religiösen Atmosphäre aufgewachsen, wo niemand unter den bekennenden Christen irgendwelche Zweifel über seinen Zustand bekundete. Ihnen wurde beigebracht, dass solche Zweifel vom Teufel kommen und die Gültigkeit des Wortes Gottes in Abrede stellen. Sie haben so viele bestätigen gehört: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, dass sie es als ihr Pflicht ansehen, diese Behauptung wie ein Echo zu wiederholen, und vergessen dabei, dass Hiob, von dem diese Aussage stammt (Hi 19,25), jemand war, von dem Gott sagte: „Es gibt keinen wie ihn auf Erden – ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet!“ (Hi 1,8).

Zehntausenden wurde beigebracht, es sei falsch für den Christen, in sich selbst hineinzublicken, und sie folgten blindlings dem Rat dieser „Kurpfuscher“, wie Hiob sie nennt (Hi 13,4). Wie kann es falsch sein, wenn ich mein Herz prüfe, um zu sehen, ob Gott sein Gesetz darauf geschrieben hat oder nicht (Hebr 8,10)? Wie kann es falsch sein, nachzuschauen und zu prüfen, ob Gott „ein gutes Werk in mir begonnen hat“ (Phil 1,6)? Wie kann es falsch sein, mich anhand des Gleichnisses vom vierfachen Ackerboden zu prüfen, um zu sehen, welcher dieser vier Böden mein eigenes Herz repräsentiert? Wie kann es falsch sein, mich an dem Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen zu messen, um sicherzustellen, ob das „Öl“ der Gnade, die Wiedergeburt und Heiligung bewirkt, im „Gefäß“ meiner Seele vorhanden ist (Mt 25,4)? Da Gott selbst erklärt: „Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein“ (Röm 8,9), wie kann es da falsch sein, wenn ich nachprüfe, ob in mir der Geist Christi wohnt?

Der Puritaner John Owen, sagte richtigerweise (über Hebräer 3,14; 1670):

Die Bibel ist gebietet und warnt uns immer wieder, dass mit höchstem Fleiß bei suchen und prüfen sollen, ob wir zu Teilhabern Christi gemacht worden sind oder nicht, und ob der Heilige Geist in uns wohnt oder nicht. Diese Aufforderungen zeigen sowohl, wie schwierig es ist, hierin eine sichere Gewissheit zu erlangen, als auch wie gefährlich leicht man sich hierin irrt. Aber sie zeigen auch, wie sicher der fleißige und regelmäßige Gebrauch der verordneten Mittel zu einem guten Ergebnis führen wird.

Genau das wurde in den letzten Jahrzehnten so heftig bekämpft. Eine Religion der Lässigkeit wurde eifrig vorangetrieben, die bewusst darauf ausgelegt ist, für lässige Menschen wohlannehmbar zu sein. Die Errettung der Seele und die daraus folgende Heilsgewissheit wurden dabei präsentiert als eine äußerst simple Angelegenheit.

Das Problem der heutigen Evangeliumsverkündigung

Wer wirklich von Gott belehrt ist, für den ist offensichtlich, dass die große Mehrheit der heutigen Evangelisten, christlichen Autoren und Seelsorger nicht einmal die Hälfte dessen glaubt, was die Heilige Schrift über die geistliche Ohnmacht des natürlichen Menschen sagt und über die absolute Notwendigkeit, dass ein Wunder der Gnade an ihm geschehen muss, bevor er in rettender Weise zu Christus umkehren kann. Stattdessen meinen sie irrigerweise, der gefallene Mensch sei „frei in seinem moralischen Handeln“ und habe die gleiche Macht, Christus anzunehmen, wie ihn abzulehnen. Sie meinen, alles, was nötig ist, sei Information und Überzeugung: das Evangelium zu verkünden und die Menschen zu überreden, daran zu glauben. Aber haben sie denn niemals vom Heiligen Geist gehört? O doch, und sie bekennen zu glauben, dass nur er wirksam von Sünde überführen und die Wiedergeburt bewirken könne. Aber stimmt ihr Handeln mit diesem Bekenntnis überein? Sicherlich nicht, denn es fehlt nicht nur praktisch an jedem Warten auf Gott und an ernstlichen Erbitten der Macht des Heiligen Geistes, sondern sie stürmen drauf los und sprechen zu den Unerretteten, als gäbe es den Heiligen Geist gar nicht.

So wie solche Neubekehrten einfach davon ausgehen, dass verlorene Sünder jederzeit Christus empfangen könnten, wann immer sie sich dazu entscheiden – so wie ihnen ständig gesagt wird, dass nichts weiter nötig sei, als zu glauben, dass Christus für sie starb und sich auf Johannes 3,16 zu verlassen, dann seien sie errettet -, so wurde ihnen auch die Vorstellung indoktriniert, dass der bekennende Christi jederzeit, wann immer es ihm beliebt, volle Heilsgewissheit erlangen könne, und dass dazu nichts weiter nötig sei, als „auf Johannes 5,24 zu vertrauen“ usw. Ein einziger Bibelvers reicht aus, um zu zeigen, dass diese verbreitete Vorstellung eine Lüge ist: „Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8,16). Wenn die geschriebenen Verheißungen Gottes an sich ausreichen würden, um Heilgewissheit zu geben, wozu würde dann noch die dritte Person Gottes gebraucht, um „zu bezeugen“, dass ein Christ tatsächlich ein Kind Gottes ist?

Der Heilige Geist bezeugt mit unserem Geist

Da die heutige Verkündigung Römer 8,16 so gut wie außer Acht lässt, wollen wir diesen Vers hier näher betrachten: „Der Geist selbst bezeugt (zusammen) mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ Diese Aussage beinhaltet eindeutig, dass die Gotteskindschaft eines Gläubigen zumindest zeitweise schmerzhaft ungewiss sein kann, und dass das übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes nötig ist, um diese Tatsache zu bestätigen und alle Zweifel zu beseitigen. Um sich der erstaunlichen Tatsache völlig gewiss zu sein, dass Gott mein geistlicher Vater ist, ist mehr erforderlich als das Zeugnis meiner eigenen Gefühle oder die Meinung von Menschen, und – mit Ehrfurcht gesagt – mehr als das Vertrauen auf eine göttliche Verheißung. Millionen haben auf die Worte vertraut „dies ist mein Leib“, und sie ließen sich von keinem Argument überzeugen, dass das Brot auf dem Tisch nicht buchstäblich in das Fleisch Jesu verwandelt wird.

Wer ist kompetent genug, um das Werk des Heiligen Geistes im Herzen zu bezeugen, als nur der Heilige Geist selbst? Und wie bezeugt er dies dem Gläubigen? Weder durch Visionen oder Stimmen, noch durch eine direkte Inspiration oder neue Offenbarung. Auch nicht dadurch, dass dem Gläubigen einige Schriftstellen einfallen, an die er gerade nicht dachte, sodass das Herz vor Freude springt. Wenn der Christ keine sicherere Grundlage hätte als diese, könnte er wohl verzweifeln. Der Teufel kann ihm eine Schriftstelle vorstellen (siehe Mt 4,6) und sein Opfer zu intensiver Freude und falschem Frieden verleiten. Deshalb muss das Zeugnis des Heiligen Geistes, wenn es sicher und überzeugend sein soll, etwas sein, was der Teufel nicht nachmachen kann. Und was ist das? Dieses: Der Teufel kann dem Herzen keine göttliche Gnade und keine echte Heiligkeit verleihen.

„Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist.“ „Bezeugen“ ist ein juristischer Begriff und bedeutet, gültige und überzeugende Indizien zu liefern. „Unser Geist“ bezieht sich hier auf das erneuerte Gewissen. Über den natürlichen Menschen steht geschrieben: „Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihren Herzen geschrieben ist, indem ihr Gewissen mit Zeugnis gibt“ (Röm 2,15). Aber das Gewissen des natürlichen Menschen ist parteiisch, verfinstert und abgestumpft. Die Gnade macht es zartfühlend und weich und bewirkt, dass es seine Aufgabe besser erfüllen kann. Der wiedergeborene Mensch wünscht sich und strebt danach, „allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen“ (Apg 24,16). Wo ein solches Gewissen durch Gnade besteht, können wir mit dem Apostel sagen: „Unser Rühmen ist dies: (nicht das Vertrauen auf Joh. 3,16, sondern) das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir in Einfalt und Lauterkeit Gottes … gewandelt sind in der Welt“ (2Kor 1,12).

War Paulus etwa vom rechten Weg abgekommen, als er in sich selbst etwas fand, was ihm ein Grund zum „Rühmen“ war? Vielen heutigen Predigern zufolge ja. Es ist sehr bedauerlich, dass diese Männer nicht weniger auf menschliche Literatur achten und nicht mehr auf die Heilige Schrift, denn dann würden sie lesen: „Von seinen Wegen wird satt, wer abtrünnigen Herzens ist, und von dem, was in ihm ist, wird satt der gute Mann“ (Spr 14,14). Und wenn jemand diesen Vers ablehnt, weil er aus dem Alten Testament ist, sollte er auch im Neuen Testament lesen: „Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk, und dann wird er nur im Blick auf sich selbst Ruhm haben und nicht im Blick auf den anderen“ (Gal 6,4). Und ein weiterer Beleg: „Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. Und hieran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und werden vor ihm unsere Herzen überzeugen“ (1Jo 3,18.19). Welchen Weg stellt Gott hier seinen Kindern vor, wie sie in ihren Herzen Gewissheit des Heils erlangen? Nicht, indem sie ihm sagen, dass sie eine seiner Verheißungen in Anspruch nehmen, sondern indem sie in der Wahrheit wandeln, dann wird ihr Geist ihnen ihre Gotteskindschaft bezeugen.

„Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ Nicht nur das erneuerte Gewissen, das der Christ hat, wenn er – durch Gnade – in der Wahrheit wandelt, bezeugt ihm seine Gotteskindschaft, sondern auch der Heilige Geist fügt seine Bestätigung hinzu. Wie geschieht das?

1.) Gott hat in der Bibel klare Kriterien gegeben, anhand derer wir die Frage beantworten können: „Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Warum wird uns das gesagt, wenn nichts anderes nötig wäre, als auf Johannes 5,24 zu vertrauen?

2.) Der Heilige Geist bewirkt solche Gnadengaben im Gläubigen, die nur bei Gotteskindern möglich sind: In Galater 5,22 werden diese Gnadengaben ausdrücklich „die Frucht des Geistes“ genannt.

3.) Der Heilige Geist bezeugt die Errettung durch seinen geistlichen Trost: Die Gemeinde „wandelte in der Furcht des Herrn und mehrte sich durch den Trost des Heiligen Geistes“ (Apg 9,31; vgl. Röm 15,13).

4.) Der Heilige Geist bezeugt, indem er im Christ die Zuneigungen bewirkt, die pflichtbewusste Kinder einem weisen und liebevollen Vater entgegenbringen (Röm 8,15).

Zusammenfassend können wir sagen: Der Heilige Geist bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind, indem er uns befähigt, im Licht der Bibel die Auswirkungen und Früchte seines übernatürlichen Wirkens in uns zu erkennen. Das Verlangen des erneuerten Herzens nach Heiligkeit, das Streben nach einer vermehrten Umgestaltung in das Bild Jesu und der Kampf gegen die Sünde sind alle von ihm inspiriert. Durch die Wiedergeburt zur göttlichen Natur, durch seine Unterweisung „die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden zu verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig zu leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit 2,12), führt uns der Heilige Geist zur sicheren Gewissheit, dass wir Kinder Gottes sind. Dadurch zeigt er uns eine echte Übereinstimmung zwischen unserer Erfahrung und der offenbarten Wahrheit. „Hieran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat“ (1Jo 4,13).

Kapitel 15: Heilsgewissheit: wer sie hat

In diesem Kapitel möchten wir kurz den Charakter derer betrachten, die zu Recht das Vorrecht der Heilsgewissheit genießen. Auch hier müssen wir uns wieder vor zwei Extremen hüten. Auf der einen Seite gibt es die Gruppe, die irregeführt wurde durch den Slogan: „Glaube, dass du gerettet bist, dann bist du gerettet.“ Dieser Auffassung hält man am besten entgegen, dass echte Heilsgewissheit niemals größer ist als die erkennbaren Anzeichen dafür, dass man errettet ist. Andererseits gibt es jene, die fürchten, dass solche Anzeichen unerreichbar sind, solange noch Sünde in ihnen ist. Solche möchten wir fragen: Kann man denn unmöglich feststellten, ob der eigene Körper gesund ist? Gibt es nicht bestimmte Symptome und Zeichen, die eindeutige Hinweise sind? Wenn ich daran zweifelte und befürchtete, dass ich von einer tödlichen Krankheit befallen sei, dann würde ich einen Arzt aufsuchen. Wenn dieser Arzt mich dann lediglich anschaut und leichtfertig sagt, ich sei gesund, dann würde ich mir einen kompetenteren Arzt suchen. Ich würde um eine gründliche Untersuchung bitten: der Blutdruck sollte gemessen, der Herzschlag geprüft, das Blut untersucht und die inneren Organe abgetastet werden. Genauso sollte es mit der Seele sein.

Wenn wir anhand des Wortes Gottes herausfinden möchten, wer zu Heilsgewissheit berechtigt ist, sollten wir eine Reihe von Fragen stellen:

Bei wem wohnt der große Gott, der „in der Höhe und im Heiligen wohnt“? „Bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen“ (Jes 57,15). „Aber auf den will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem Wort“ (Jes 66,2).

Zittern Sie vor seinem Wort? Oder machen Sie Witze oder disputieren Sie über den heiligen Inhalt des Wortes Gottes?

Wem vergibt Gott wirklich? Denen, die „Buße tun“ und „sich bekehren“ (Apg 3,19), d.h. denen, die der Welt und der Sünde den Rücken kehren und sich Gott ergeben; in deren Herzen Gott seine Gebote gibt und sie auf ihren Sinn schreibt, sodass sie seine Gebote lieben, darüber nachsinnen und sie halten: Man beachte, dass vor dem „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr gedenken“ (Hebr 10,17) steht: „Ich werde meine Gesetze in ihre Herzen geben und sie auch in ihren Sinn schreiben“ (Hebr 10,17)!

Was für einen Menschen verglich der Herr Jesus mit jemanden, der sein Haus auf dem Felsen baut? Nicht mit jemanden, der nur „glaubt“, sondern mit jemanden, „der diese meine Worte hört und sie tut“ (Mt 7,24).

Wer ist wirklich wiedergeboren? „Jeder, der die Gerechtigkeit tut (1Jo 2,29); wer „die Brüder liebt“, und zwar mit einer solchen Liebe, wie sie beschrieben ist in 1. Johannes 3,17.18.

Wem offenbart Gott erfahrbar die ewigen Ratschlüsse seiner Gnade? „Das Geheimnis des HERRN ist für die, welche ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun“ (Ps 25,14).

Was sind die Erkennungsmerkmale rettenden Glaubens? Rettender Glaube „reinigt die Herzen“ (Apg 15,9), „ist durch Liebe wirksam“ (Gal 5,6) und „überwindet die Welt“ (1Jo 5,4): nur daran kann ich erkennen, dass mein Glaube lebendig und geistlich ist.

Die Geburt aus Geist kann nur an ihren Auswirkungen erkannt werden (Joh 3,8). Daher kann ich vergleichen und prüfen: Stimmen die Verheißungen Gottes, was er an den Erwählten durch seinen Geist tun wird, mit dem überein, was an meinem Herzen geschehen ist, oder nicht? Nur so kann ich mich vergewissern, ob ich ein Anrecht auf Heilsgewissheit habe. Das ist „Geistliches durch Geistliches deuten“ (1Kor 2,13).

Wunderbare Dinge hat Gott denen bereitet, „die ihn lieben“ (1. Korinther 2,9). Wie wichtig ist es daher für mich, sicherzustellen, dass ich ihn tatsächlich liebe. Viele meinen, sie liebten Gott, weil sie Furcht vor der ewigen Strafe haben (oder hatten). Aber das kann nicht sein: Wahre Liebe zu Gott kommt weder durch Furcht vor der Hölle zustande noch durch die Hoffnung auf den Himmel: Wenn ich Gott nicht für das liebe, was er in sich selbst ist, dann liebe ich ihn überhaupt nicht! Und wenn ich ihn liebe, wird es mein Sehnen, Wünschen und Streben sein, ihn in allen Dingen zu erfreuen.

Kapitel 16: Heilsgewissheit: Hindernisse

Frage: Sind alle wahren Gläubigen zu allen Zeiten ihres gegenwärtigen Standes der Gnade und ihrer Errettung gewiss? Antwort: Gewissheit der Gnade und des Heils sind keine Grundelemente des Glaubens (2Petr 1,10); wahre Gläubige warten womöglich lange darauf, diese Gewissheit zu erlangen (1Jo 5,13); und nachdem sie diese Gewissheit erlangt haben, kann sie wieder geschwächt und unterbrochen werden durch mannigfache Verstimmungen, Sünden, Versuchungen und Abweichungen (Ps 77,7-9; 31,22 u.a.); doch entbehren die Gläubigen niemals der Gegenwart und Hilfe des Geistes Gottes, der sie vom Hinabsinken in völlige Verzweiflung bewahrt (Ps 73,13-15.23; 1Jo 3,9; Jes 54,7-11). (Westminster Bekenntnis)

So wie das Fehlen oder der Verlust der leiblichen Gesundheit nicht immer auf dieselbe Ursache zurückgeht, kann man auch das Fehlen von oder den Mangel an Heilsgewissheit nicht immer auf dieselben Gründe zurückführen. Und so wie ein Arzt sich als höchst inkompetent erweisen würde, wenn er nur eine einzige Medizin gegen alle Krankheiten verschreiben würde, so macht sich auch ein christlicher Seelsorger zu einem „Kurpfuscher“ (Hi 13,4), wenn er bei allen Seelenleiden stets das gleiche Heilmittel verabreicht. Sowohl im leiblichen als auch seelischen Bereich gibt es verschiedene Gesundheitsgrade. Das liegt zuallererst an der Souveränität Gottes, der seine sowohl natürlichen wie auch geistlichen Gaben so zuteilt, wie es ihm gefällt. Wir können uns zwar nicht selber Gesundheit verleihen, aber wir sollten unter dem Segen Gottes von den berechtigten Mitteln Gebrauch machen, die der Gesundheit zuträglich sind. So können wir auch durch unsere sündige Torheit unsere Gesundheit schädigen und verderben. Dasselbe gilt im geistlichen Bereich.

1. Natürliche Hindernisse

In vielen Fällen mangelt es an Heilsgewissheit wegen eines schlechten seelischen Gesundheitszustands. Körperliche Gebrechen wirken sich auf den Sinn aus. Geringe körperliche Vitalität geht gewöhnlich mit einem niedergedrückten Geist einher. Eine träge Leber verursacht Depression und Niedergeschlagenheit. Vielen „Depressiven“ würde es viel besser gehen, wenn sie sich mehr an der frischen Luft betätigen, sich besser ernähren und ein wenig Rizinusöl einnehmen würden. Doch wir würden bei weitem nicht sagen, solche Therapien würden zur Genesung oder Vermehrung der Heilsgewissheit beitragen, denn geistliche Ergebnisse können nicht durch materielle Mittel erzielt werden. Dennoch ist das Beseitigen von körperlichen Hindernissen oft eine Hilfe. Wer kann das Wort Gottes nutzbringend lesen, während er unter nervenaufreibenden Kopfschmerzen leidet! Worauf wir hinauswollen, ist dieses: Zumindest in manchen Fällen liegt es nur an natürlichen Mängeln, dass man sich nicht recht an den Dingen Gottes erfreuen kann. Damit meinen wir natürlich nicht, dass jemand die Freude des Herrn nicht erfahren könne, wenn er nicht völlig gesund ist. Viele faszinierende Fälle beweisen das Gegenteil. Dennoch gilt, dass viele sich geistlichen Segen entgehen lassen, weil sie nicht die elementaren Regeln des leiblichen Wohlergehens beachten.

2. Schlechte Belehrung

Bei manchen Kindern Gottes verhindert eine schlechte geistliche Belehrung, dass sie Heilsgewissheit haben. Sie sind unter einer zu einseitigen Lehre aufgewachsen, der es an Ausgewogenheit zwischen den objektiven und subjektiven Seiten der Wahrheit fehlte. Sie wurden zu viel aufgefordert, sich mit sich selbst als mit Christus zu beschäftigen. Da sie wissen, dass viele verführt werden, fürchten sie, dass sie dasselbe Schicksal erleiden könnten, und so bemühen sie sich in erster Linie um Selbstprüfung. Angewidert vom anmaßenden Prahlen leerer Bekenner erkennen sie, wie wertlos die fleischliche Zuversicht ist, die von den seichten Frömmlern um sie her bekundet wird. Daher zögern sie, ihre Errettung als gewiss anzusehen, damit sie sich nicht der Anmaßung schuldig machen oder sich aufblähen. Sie sehen Zweifel, Ängste und Unsicherheit als beste Kennzeichen für geistliche Demut an.

Eine solche Haltung möchten wir zwar auf keinen Fall unterstützen, doch sagen wir ohne Zögern, dass wir diese Einstellung bei weitem vorziehen im Vergleich zur anmaßenden Gewissheit, die heute viele beanspruchen. Viel lieber möchten wir unser Los teilen mit einer Gemeinschaft von niedrig gesinnten, nachdenklichen, gegenüber sich selbst misstrauischen Menschen, die sagen, wie es in einem Lied heißt: „Dieses möchte ich gerne wissen, es bringt mir ängstliche Gedanken ein: Liebe ich den Herrn oder nicht; bin ich sein oder bin ich’s nicht?“ Gemeinschaft mit solchen ziehen wir vor gegenüber der Verbrüderung mit solchen, die niemals im Geringsten bezweifeln, dass sie von Christus angenommen sind, aber selbstgefällig und stolz sind, und deren täglicher Lebenswandel weitaus weniger gottesfürchtig ist als der Wandel der erstgenannten Gruppe. Es ist weit besser, von einem Bewusstsein meiner Verdorbenheit niedergedrückt zu sein und über die mangelnde Christusähnlichkeit zu trauern, als meinen wahren Seelenzustand zu ignorieren und unbekümmert, leichtsinnig und oberflächlich stets ein Lächeln auf den Lippen zu tragen.

Aber sicherlich gibt es einen guten Mittelweg zwischen den Extremen: einerseits stets am Rand der Verzweiflung und im Verlies des Zweifels zu sein, sodass mir die Freude am Herrn völlig fremd ist, und andererseits einen falschen Frieden zu haben, der niemals von der Stimme des Gewissens erschüttert wird. Heilige Gewissheit und demütige Gesinnung sind nicht unvereinbar. Derselbe Paulus, der rief: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“ (Röm 7,24), verkündete auch: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, mein anvertrautes Gut bis auf jenen Tag zu bewahren“ (2Tim 1,12). Seine Selbstbeschreibung „als Traurige, aber allezeit uns freuend (2Kor 6,10) ist eine treffende Zusammenfassung seiner zweifachen Erfahrung. Auch wir sind täglich „Traurige“, wenn Gott uns unsere Augen geöffnet hat, damit wir ein wenig von unserer ungeheuren Verderbnis sehen, die immer noch in uns steckt; auch sind wir traurig, wenn wir erkennen, wie weit entfernt wir von dem Vorbild sind, welches Christus uns hinterlassen hat. Doch wir sind auch „allezeit uns freuend“, weil Gott uns in unseren schrecklichen Zustand nicht in Gleichgültigkeit belassen, sondern in uns das Sehnen nach Heiligkeit eingepflanzt hat, und weil wir wissen, dass dieses Sehnen völlig gestillt werden wird, wenn wir von diesem Leib des Todes befreit werden.

3. Die Angriffe des Teufels

Bei anderen Gläubigen wird die Heilsgewissheit beträchtlich durch die Angriffe des Teufels gemindert. Dieser Feind versucht drei wesentliche Dinge zu erreichen: uns zur Sünde zu verleiten, uns am Ausüben unserer Gnadengaben zu hindern und unseren Frieden und unsere Freude zu zerstören. Wenn er in den ersten beiden Punkten scheitert, erzielt er oft im dritten Punkt großen Erfolg. Er verstellt sich als Engel des Lichts, predigt der Seele die Forderungen Gottes und die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde und verfolgt dabei das Ziel, das Gewissen zu überwältigen und die Seele in Verzweiflung zu stürzen. Er hält dem Christen die schreckliche Vorherrschaft seines Unglaubens vor, seine Kaltherzigkeit gegenüber Gott und die vielen Punkte, in denen sein Verhalten nicht christusähnlich ist. Er erinnert den Christen an zahlreiche Sünden, sowohl Unterlassungs- wie Tatsünden. Je zarter das Gewissen ist, desto schmerzlicher sind diese Angriffe des Teufels. Viele erliegen den Bemühungen des Teufels, ihren Frieden aufzustören und ihre Gewissheit zu verderben, weil sie nicht wissen, wie sie seinen Angriffen begegnen sollen, und weil sie vergessen, dass die Bibel das Leben von Gotteskindern bei weitem nicht fehlerlos und vollkommen schildert. Diesen Angriffen begegnet man am besten, indem man anerkennt, dass das Fleisch weder aufgehört hat zu existieren, noch veredelt worden ist. Dann nehmen wir unsere Zuflucht zum Herrn, wie der Mann, der ihn anflehte: „Herr, ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24).

4. Persönliche Sünde

Das verbreitetste Hindernis für Heilsgewissheit ist das bewusste Verbleiben in Sünde. Wenn ein Christ vorsätzlich einen Weg geht, den Gottes Wort verbietet, wenn er in sündigen Gewohnheiten lebt und Gott ihn deswegen oft angerührt hat und sein Gewissen arg getroffen wurde, er aber unbeirrt weitermacht, dann ist es kein Wunder, wenn er die Heilsgewissheit und den Trost des Heiligen Geistes verliert. Das Hegen von Sünde verdunkelt notwendigerweise das Zeugnis der Gotteskindschaft, denn es setzt unsere Gnadengaben so auf „Sparflamme“ herab, dass sie nicht mehr zu erkennen sind. Ungerichtete Sünde verdunkelt das Auge der Seele so sehr, dass sie nicht mehr ihren eigenen Stand erkennen kann, und stumpft das Herz so weit ab, dass es seinen Zustand nicht mehr wahrnimmt. Aber mehr noch: Sünde reizt Gott auf, sodass er uns das segensreiche Licht seines Angesichts entzieht: „Eure Vergehen sind es, die eine Scheidung gemacht haben zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört“ (Jes 59,2).

Die traurige Geschichte Davids ist ein erhabenes Beispiel hierfür. Als er mit Batseba in Sünde fiel, führte das zu schmerzlichen Konsequenzen. In Psalm 32 schrieb er: „Als ich schwieg, zerfielen meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und Nacht lastete auf mir deine Hand; verwandelt wurde mein Saft in Sommergluten“ (V. 3.4). Doch, dank sei Gott, endete sein irdisches Leben nicht in diesem beklagenswerten Zustand: „So tat ich dir kund meine Sünde und deckte meine Schuld nicht zu. Ich sagte: Ich will dem HERRN meine Übertretungen bekennen; und du, du hast vergeben die Schuld meiner Sünde“ (Ps 32,5). Noch mehr Aufschluss über die tiefen Übungen, durch die David ging, gibt uns Psalm 51. Dort hören wir ihn weinen:

Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle meine Schuld! Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in mir einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir! Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils, und stütze mich mit einem willigen Geist! (V. 11-14).

Kapitel 17: Heilsgewissheit: wie sie aufrechterhalten wird

Auch hier müssen wir uns wieder vor zwei Extremen hüten: einerseits vor der fatalistischen Lethargie nach dem Motto: „Ich kann mir sowieso nicht helfen“, und andererseits vor der humanistischen Anmaßung, die besagt, das Heilmittel stünde in meinen eigenen Händen. Geistliche Heilsgewissheit ist eine göttliche Gabe, und dennoch ist der Christ verantwortlich, diese Gewissheit zu bewahren. Es stimmt, dass ich weder meinem Gewissen Frieden einreden noch meinem verwundeten Herzen „Balsam aus Gilead“ auftragen kann, doch kann ich vieles tun, was den großen Arzt der Ärzte betrübt und zurückweist. Wir können uns nicht selber Gott nahe bringen, aber wir können von ihm weggehen. Von uns selbst können wir nicht zu seiner Ehre leben, aber wir können zu unserer eigenen Ehre leben. Von uns selbst können wir nicht nach dem Geist wandeln, aber nach dem Fleisch. Wir können uns nicht selbst „fruchtbar zu jedem guten Werk“ machen, aber wir können durch Ungehorsam und Selbstgefälligkeit Magerkeit über unsere Seelen bringen und Kälte über unsere Gefühle. Wir können uns selber keine Gesundheit verleihen, aber wir können von den Mitteln Gebrauch machen, durch welche Gott uns gesund machen will.

1. Behüte dein Herz

Heilsgewissheit kann nicht bewahrt werden, wenn der Christ nicht „sein Herz behütet“, und zwar „mehr als alles, was man sonst bewahrt“ (Spr 4,23). „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! (Mk 14,38). „Seht zu, Brüder, dass nicht etwa in jemandem von euch ein böses Herz des Unglaubens sei im Abfall vom lebendigen Gott“ (Hebr 3,12). John Owen beschrieb, was dazu nötig ist, als

einen wachsamer Kampf und Widerstand gegen das ganze Werk der Sünde, sowohl in ihrem Trug als auch in ihrer Macht, mit all ihren Begünstigungen und Bekräftigungen, die sie vom Teufel und der Welt bezieht. Dazu ruft der Apostel besonders auf mit seinen Warnungen und Ermahnungen an uns, dass wir Acht haben sollen, dass wir nicht von der Sünde verhärtet werden. Denn sie ist ganz darauf ausgelegt, unsere Zuneigung zu Christus und unser Beharren in ihm zu beeinträchtigen und uns so vom lebendigen Gott wegzuziehen.

Insbesondere müssen Christen beten und darum ringen, gegen vorsätzliche Sünden anzugehen. Rechte Hände müssen abgehauen und rechte Augen ausgerissen werden (Mt 5,29); ein erkranktes Glied muss amputiert werden, denn sonst ist die tödliche Krankheit nicht aufzuhalten. Wir müssen zu Gott flehen, dass er uns die Gnade gebe, die hartnäckigen Sünden zu töten, die uns zu schaffen machen. Bedenken wir: Es bedeutet, „den Herrn zu versuchen“, wenn man sich bewusst an einen Ort der Gefahr begibt oder sich willentlich den Angriffen der Sünde aussetzt. „Begib dich nicht auf den Pfad der Gottlosen und tue keinen Schritt auf dem Wege der Bösen! Meide ihn, überschreite ihn nicht einmal, weiche davon und gehe vorüber!“ (Spr 4,14.15). Zu welch vorsichtigem, bedächtigen Wandeln sind wir aufgerufen in einer Welt, die an jeder Ecke voller Fallstricken steckt!

2. Pflege die Gnadengaben

Heilsgewissheit kann nicht bewahrt werden, wenn der Christ nicht fleißig seine Gnadengaben pflegt. Ein Christ ist Teilhaber jener geistlichen Gaben geworden, die „mit der Seligkeit verbunden“ sind (Hebr 6,9), und um Trost und Freude zu erlangen und zu bewahren ist es erforderlich, dass er weiß, dass er diese Gaben besitzt. Der beste Beweis, dass wir im Stand der Gnade sind, ist es, in der Gnade zu wachsen. Dazu ist ein beständiges tägliches Hegen nötig und das Streben, jede Gnadengabe zu fördern und zu stärken, durch die wir in Christus bleiben. Vernachlässigte Gnade wird verdorren und wird „im Begriff stehen, zu sterben“

(Offb 3,2). Ja, sie wird sogar völlig damit aufhören, uns die Liebe Gottes zu uns und unsere Vereinigung mit Christus zu bezeugen. Einige Gemeinden aus den Sendschreiben der Offenbarung hatten ihre erste Liebe und auch ihre ersten Werke verlassen. Daher ergeht an uns der Befehl, in der Gnade zu wachsen, und diesem Befehl gehorchen wir, wenn die Gnade in uns wächst und gedeiht. Das geschieht, wie John Owen schrieb, auf zweierlei Weise:

Erstens wenn eine individuelle Gnade gefördert wird, wenn jener Glaube, der schwach war, stark wird, und jene Liebe, die matt und kalt war, leidenschaftlich und inbrünstig wird. Das kann nur erreicht werden durch das eifrige Ausüben dieser Gnaden selbst und einem beständigen Hinwenden unserer Seelen durch diese Gnaden zum Herrn Jesus Christus.

Zweitens durch das Zufügen der einen Gnade zur anderen: „Eben deshalb wendet aber auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis usw.“ (2Petr 1,5); das ist das rechte Werk geistlichen Fleißes. Das ist die Natur der evangelischen Gnadengaben, weil sie in Christus miteinander verbunden sind und in uns von ein und demselben Geist gewirkt werden. Das Ausüben der einen führt uns zur Förderung der anderen in der Seele und zu deren Ausübung.

3. Bereinige Schuld unverzüglich

Heilsgewissheit wird aufrechterhalten, wenn wir vermeiden, Schuld vor Gott aufzuhäufen und begangene Sünde sofort bereinigen. „Lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und damit gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr 10,22). Man beachte den engen Zusammenhang zwischen diesen Dingen. Wir können Gott nicht aufrichtig und von Herzen als Anbeter nahen, während die Schuld von Sünde auf unserem Gewissen liegt. Unsere Freimütigkeit, dem dreifach heiligem Gott zu nahen, wird durch nichts mehr beeinträchtigt als durch die schmerzliche Erkenntnis, dass mein Wandel ihm missfallen hat. „Geliebte, wenn das Herz uns nicht verurteilt, haben wir Freimütigkeit zu Gott“ (1Jo 3,21). Doch so sehr der Christ sich auch mühen und in Acht nehmen mag, wird er doch „oft straucheln“ (Jak 3,2), und zwar durch tägliche Unterlassungs- und Tatsünden. Doch dank sei Gott, dass unser liebevoller Vater auch für diese traurigen Versagen Vorkehrung getroffen hat: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit“ (1Jo 1,9). Sobald uns bewusst wird, versagt zu haben, sollten wir Gott unser Herz ausschütten, und nichts verbergen, sondern jedes Vergehen freimütig bekennen. Wir sollten uns auch nicht fürchten, dies häufig zu tun, täglich, ja ständig. Wenn der Herr uns auffordert, unserem sündigenden Bruder „sieben mal siebzig Mal“ zu vergeben (Mt 18,22), wird er dann weniger barmherzig sein? „ Wer seine Verbrechen zudeckt, wird keinen Erfolg haben; wer sie aber bekennt und lässt (im Herzen und im Streben), wird Erbarmen finden“ (Spr 28,13).

4. Pflege die tägliche Gemeinschaft mit Gott

„Und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Und dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei“ (1Jo 1,3.4). Man beachte die Beziehung zwischen diesen beiden Aussagen: Vollkommene Freude (was im 1. Johannesbrief vor allem bedeutet, in ungetrübter Gewissheit der Gotteskindschaft zu leben) ist die Frucht der Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn. Aber was bedeutet der Begriff „Gemeinschaft?“ Viele haben offenbar nur eine vage und mutmaßliche Vorstellung davon. Diese Beziehung umfasst Einheit des Herzens und Denkens, gemeinsame Interessen und Freuden, Einheit des Willens und Strebens und gegenseitige Liebe. Es ist eine Gemeinschaft „im Licht“ (1Jo 1,5-7). Der Herr Jesus hat diese Gemeinschaft mit Gott vollkommen verwirklicht und uns ein perfektes Beispiel dafür gegeben. Er wandelte in ununterbrochener Gemeinschaft mit dem Vater: Er freute sich an Gottes Willen (Ps 40,8), hielt seine Gebote (Joh 14,31) und tat stets das, was in Gottes Augen wohlgefällig war (Joh 8,29). Und gerade Johannes schreibt auch: „Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist“ (1Jo 2,6). Welch ein Maßstab wird uns hier vorgestellt! Doch danach sollen wir uns unter Gebet ständig ausstrecken.

Gemeinschaft mit Gott ist das Teilhaben am Licht und an der Liebe Gottes. Sie beinhaltet, das zu verweigern, was er hasst und die Dinge zu wählen, die ihn erfreuen. Sie bedeutet, meinen ganzen Willen an ihn zu verlieren. Sie ist ein Aus-sich-selbst-Herausgehen und ein Ergreifen Gottes in Christus. Sie bedeutet, seine Beurteilung der Dinge anzunehmen, seine Gedanken nach-zudenken, die Welt aus seinem Blickpunkt zu sehen, samt allem, was in ihr ist und all unserem gegenwärtigen und zukünftigen Leben. Diese Gemeinschaft bedeutet daher, in das Ebenbild seiner heiligen Natur umgestaltet zu werden. Sie bedeutet, zu seiner Ehre zu leben. Und so ist sie eine Gemeinschaft der Freude, und „die Freude am HERRN ist eure Stärke“ (Neh 8,10): Stärke und Kraft, um Versuchungen zu überwinden, um die Pflichten des Lebens zu bewältigen und alle Sorgen und Enttäuschungen zu ertragen. Je enger wir mit dem Herrn wandeln, desto leuchtender werden die Anzeichen unserer Gotteskindschaft hervorstrahlen.

Kapitel 18: Heilsgewissheit: ihre Früchte

Heilsgewissheit befreit von den Zweifeln und Befürchtungen, die so manchen Christen seiner berechtigten Freude im Herrn berauben. Das wird deutlich aus dem Kontrast in Römer 8,15: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ Unsicherheit ist in vielen Lebenslagen schlecht, aber am schlimmsten in Verbindung mit unserem ewigen Schicksal. Doch wahre Gewissheit befreit uns von der schmerzlichen Knechtschaft der Ungewissheit und nimmt sogar dem Tod seinen Schrecken. Die Seele, die Heilsgewissheit hat, kann sagen: „Freuen, ja freuen will ich mich in dem HERRN! Jubeln soll meine Seele in meinem Gott! Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils“ (Jes 61,10).

Wahre Heilsgewissheit verleiht Geduld in Drangsalen: „Denn ihr habt sowohl mit den Gefangenen gelitten als auch den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt“ (Hebr 10,34). Wo das Herz in Gott verankert ist und den Sonnenschein seines Angesichts genießt, wird sich der Christ nicht vor üblen Nachrichten fürchten. Er bleibt auch in Trauer gelassen und lässt sich von Verfolgungen nicht erschüttern. Der Märtyrer Latimer sagte 1551 zu seinem Leidensgenossen Ridley: „Wenn ich in einer gefestigten und beständigen Gewissheit über den Stand meiner Seele lebe, dünkt mich, dass ich kühn wie ein Löwe bin. Ich kann über alle Drangsale lachen: kein Leid erschreckt mich. Doch wenn mein Trost verfinstert ist, bin ich ein so furchtsamer Geist, dass ich in jedes Mauseloch kriechen könnte.“

Heilsgewissheit führt zu einer Freude an Gott, die den Gläubigen dazu bringt, jene vergänglichen Vergnügungen zu verachten, die der Weltling so heiß und innig liebt. „Der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist kein Ertrag. Der Ölbaum versagt seine Leistung, und die Terrassengärten bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den Ställen. – Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln über den Gott meines Heils“ (Hab 3,17.18). „Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen! … Denn so wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ (2Petr 1,10.11).

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